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Magazin der SRG Deutschschweiz Ausgabe 5/2012 Trainingslager für Sonderkorrespondenten Seite 6 SRG Region Basel 10 Die Swissness-Schiene von SRF wird hinterfragt SRG.D 9 Mit der SRG.D an die Swiss Indoors 2012 SRG Zürich Schaffhausen 12 Mit Sportpromis auf Du und Du Bild: Eurovision Academy/Reinhold Weinretter

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Magazin der SRG DeutschschweizAusgabe 5/2012

Trainingslager für SonderkorrespondentenSeite 6

SRG Region Basel 10Die Swissness-Schiene von SRF wird hinterfragt

SRG.D 9Mit der SRG.D an die Swiss Indoors 2012

SRG Zürich Schaffhausen 12Mit Sportpromis aufDu und Du

Bild: Eurovision Academy/Reinhold Weinretter

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Journalisten, die aus Krisengebieten berichten, stehen konstant unter Druck, denn oft müssen sie bei der Ausübung ihres Berufs um ihr Leben fürchten. Ein spezielles Training bereitet Korrespondenten wie den SF-Nahost-Experten Pascal Weber darauf vor.

Sicherheitstraining für den Ernstfall

Vorbereitung der Sonderkorrespondenten für die Front

Theorie und Praxis: Beim «Hostile Environment Safety Training» wird gerade Gelerntes direkt umgesetzt.

45 Kilometer südwestlich der bayrischen Stadt Regensburg zeigt sich der Septem-ber an diesem Morgen von seiner unge-mütlichen Seite. Der Nebel hängt tief, das Gras ist noch immer feucht vom Regen in der Nacht. Auch die zehn Grad Celsius auf der Thermometeranzeige veranlassen kaum dazu, früh aus den Federn zu steigen. Trotzdem herrscht auf Schloss Hexenagger bereits reges Treiben. Denn um 8.45 Uhr beginnt der zweite Tag des insgesamt vier-tägigen «Hostile Environment Safety Trai-ning». Acht Journalisten sind angetreten, um mehr über das Überleben im Einsatz zu lernen. Dass am Nachmittag brennende

Flaschen fliegen werden, ahnen sie nicht. Denn die Details des Kurses sind geheim: Ehemalige Kursteilnehmende und Medien dürfen keine Einzelheiten verraten, damit der Überraschungseffekt für künftige Kur-se noch intakt bleibt. Auch LINK darf in diesem Bericht nicht alles preisgeben.

Journalisten leben gefährlich

Der speziell auf die Bedürfnisse von Auslandskorrespondenten zugeschnittene Kurs wird seit 2002 mehrmals jährlich in Bayern durchgeführt – dies im Auftrag der Eurovision Academy, um die Journalisten

zu sensibilisieren und auf mögliche Gefah-ren vorzubereiten. Das ist wichtig, denn: «Viele unterschätzen im Eifer des Gefechts die Risiken», sagt Charlie McGrath, der das Training entwickelt hat und bis heute leitet. Dabei seien gerade die vermeintlich harm-losen Situationen die schlimmsten (siehe Interview Seite 7). Diese falsch einzuschät-zen, könne in Krisen- und Kriegsgebieten den Tod bedeuten.

Wie gross die Gefahr für Journalisten ist, während der Ausübung ihres Berufs zu Schaden zu kommen, zeigen die Zahlen von «Reporter ohne Grenzen»: So wurden

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im Jahr 2011 weltweit insgesamt 1959 Journalisten angegriffen oder bedroht, 1044 weitere festgenommen. Opfer einer Entführung waren 71 Medienschaffende, 66 wurden getötet, 20 von ihnen verloren infolge des Arabischen Frühlings im Nahen Osten ihr Leben. Und auch die momentane Situation für Journalisten in der Region ist alles andere als angenehm, denn die Wut über den Mohammed-Schmähfilm eskaliert immer weiter.

Wissen statt Bauchgefühl

Auch Pascal Weber ist sich der Gefahr be-wusst, der er sich als Nahostkorrespondent von Schweizer Fernsehen SF derzeit aus-setzt, und ist deshalb froh, in diesem Jahr an dem Sicherheitstraining teilzunehmen. «Ich hätte den Kurs schon längst machen wollen. Aber es ist immer etwas dazwi-schengekommen», so Weber. «Das erste Mal musste ich an die ägyptisch-libysche Grenze, weil dort die Revolution ausge-brochen war. Das zweite Mal fiel Tripolis und die Jagd auf Gaddafi war in vollem Gang.» So musste er seine Teilnahme er-neut verschieben und sich bis heute bei der Vorbereitung auf seine Einsätze auf seinen Instinkt verlassen. Sicher sein, dass er sich dabei jeweils richtig verhielt, konnte er nicht. Das soll sich nun ändern.

Weber und seine Kollegen aus Deutschland, Tschechien und Schweden haben sich be-reits einige Minuten vor Unterrichtsbeginn im so genannten Marstall von Schloss Hexe-nagger eingefunden. Dort, wo in früheren Jahrhunderten die fürst lichen Rösser ver-sorgt wurden, stehen heute Tische in U-For-mation. Dahinter: eingeschaltete Heizstrah-ler. Ein Muss an diesem Morgen, denn durch das alte Gemäuer zieht ein eisiger Wind. Ein Beamer wirft das Thema der ersten Lektion an die Wand. Es geht um Checkpoints. Ge-mäss Charlie McGrath «ein heikler Punkt bei Reisen im Ausland.»

«No golden rules, just tips»

Und genau damit sind Journalisten in zu-nehmendem Masse konfrontiert. Denn die

Kontrollposten sind nicht nur in Krisen-gebieten Usus, sondern werden auch bei Naturkatastrophen wie dem Hurrikan Katrina und immer häufiger bei Massen-aufläufen wie Demonstrationen errichtet. In den nächsten zwei Stunden erklärt Kursleiter Charlie McGrath, was die Korres-pondenten beim Passieren dieser neural-gischen Punkte beachten müssen. Video-sequenzen von realen und fiktiven Szenen unterstützen seinen Vortrag.

Auch Pascal Weber und seine Kommilito-nen auf Zeit kommen zu Wort. Erst kürz-lich, so berichtet der Schweizer, hätte er Schwierigkeiten gehabt, als er von Libyen nach Ägypten reisen wollte. «Die haben behauptet, mein Pass sei falsch.» Erst nach längeren Diskussionen habe man ihn und seinen Fahrer passieren lassen. «Könnte das eine versteckte Geldforderung gewe-sen sein?», fragt Alice Petrén, die für den schwedischen öffentlich-rechtlichen Sen-der Sverige Radio aus Frankreich, Spanien und Portugal berichtet. Einen Geldschein zu zücken, habe sie sich bisher nämlich nicht getraut – «aus Angst, wegen Beste-chung belangt zu werden.» McGrath nickt und sagt: «No golden rules, just tips», ein Patentrezept gäbe es nicht. Schliesslich sei jede Situation unterschiedlich.

Von Profis lernen

Der Brite weiss, wovon er spricht. 15 Jahre diente er in der britischen Armee in Nordirland, Afrika und Zentralamerika sowie dem Nahen Osten. Auch seine drei Co-Trainer haben Fronterfahrung: So be-richtete Robert Adams beispielsweise live aus dem Jugoslawien- und dem Afghanis-tankrieg, während Kollege Nick Mitglied der British Special Forces war und heute eine eigene Sicherheitsfirma leitet. Die Schönen und Reichen, aber auch Journa-listinnen und Jour nalisten des britischen Fern sehsenders BBC vertrauen ihm bei Auf enthalten in Mexiko oder Kolumbien ihr Leben an.

Nach Charlie McGrath übernimmt Grant Wootton den Unterricht. Auch er ist nach

«Die vermeintlich harmlosen Situationen sind die gefährlichsten»

Die Arbeit in Krisengebieten kann gefährlich sein. Das weiss «10vor10»-Reporter Reto Kohler aus eigener Erfahrung. Er berichtete unter anderen aus einem Slum in Mexiko sowie während der Revolution in Ägypten. Letztes Jahr hat er am «Hostile Environment Safety Training» teilgenommen.

LINK: Welche Erwartungen hatten Sie an den Kurs?Ich wollte von Profis lernen. Und zwar vor allem, wie ich mein Verhalten bei brenzligen Einsätzen verbessern kann.

Was war das Lehrreichste für Sie?Dass die vermeintlich harmlosen Situati-onen tatsächlich die gefährlichsten sind. Mir wurde vor Augen geführt, dass auch ich bestimmte Risiken bis dato unter-schätzt habe. Beispielsweise bin ich in Ägypten bei einem bekifften Taxifahrer eingestiegen. Dass er stoned war, merkte ich erst während der Fahrt. Bei Tempo 100 verschickte der Fahrer SMS und geriet dabei auf die Gegenfahrbahn. Im Kurs lernte ich denn auch, dass von Autounfällen statistisch gesehen die grösste Gefahr ausgeht.

Wenn Sie in Zukunft wieder in ein Krisengebiet reisen: Was wird an-ders sein?Ich werde mich intensiver vorbereiten, mehr im Vorfeld abklären. Ich werde keine Informationen zu meiner Reise auf sozialen Netzwerken wie Facebook posten. Ausserdem würde ich bei der Hotelwahl bewusster vorgehen. Denn die grossen Hotels, in denen viele Jour-nalisten untergebracht sind, sind immer wieder Ziel von Anschlägen.

Fee Riebeling.

Reto Kohler.

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13 Jahren bei der britischen Armee ein erfahrener Mann: Er sorgte an der Front dafür, dass Schwerverletzte überlebten. Im Kurs erklärt er, wie die Teilnehmer Verlet-zungen rasch ausmachen, versorgen und so Leben retten können, dies mit Worten und bewegten Bildern. Um zu zeigen, welchen Einfluss die Körperposition auf den Blutdruck hat, lässt er Journalist Jakub Nettl (Ceská televize) zur Demonstration antreten. «If he’s pale, move up his tail», so Wootton. Und tatsächlich: Kaum liegt der Tscheche mit hochgelagerten Beinen auf dem Boden, pumpt das Blut in seiner Hals-schlagader deutlich und für alle sichtbar.

Praktische Übungen

Das gerade Gelernte wird noch vor dem Mittagessen praktisch umgesetzt. Nach einer kurzen Kaffeepause, in der persönli-che Erfahrungen zwischen den Kursteil-nehmenden und den Ausbildenden aus-getauscht werden, sollen die Journalisten versuchen, in verschiedenen Szenarien Le-ben zu retten. Sie merken schnell, dass das aufgrund von Unerfahrenheit, Nervosität und Berührungsängsten schwieriger ist als gedacht. Mehr als einmal müssen Charlie McGrath und seine Kollegen die Übungen abbrechen. Denn das «Opfer» hätte auf-

Das Korrespondentennetz von Schweizer Fernsehen SF

Zehn Korrespondenten berichten für Schweizer Fernsehen SF. Sie sind dauer-haft in New York, Washington, Moskau, Brüssel, Berlin, Rom, Paris, London, Kairo und Peking stationiert. Zusätzlich werden zu besonderen Ereignissen, wie den Olympischen Spielen oder auch Aufständen, Sonderkorrespondenten geschickt. Und auch freie Mitarbeiter liefern ihre Beiträge. Mit ihnen arbeitet SF jedoch nur punktuell zusammen.

Ob ein Reporter in ein Krisengebiet fährt oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen.

«Wir zwingen niemanden», sagt Tristan Brenn, Nachrichtenchef und stellvertre-tender Chefredaktor TV, der für die publi-zistische Koordination der Korresponden-ten verantwortlich ist. Zudem schicke man nie jemanden in ein unmittelbares Kriegs-gebiet. «Ein Menschenleben ist mehr wert als ein gutes Bild oder O-Ton.» Und so ist auch Syrien für die Korrespondenten von SF derzeit tabu.

Befindet sich ein Reporter bereits in einem Gebiet, in dem offene Kriegshandlungen stattfinden, muss vor allem er selber die

Lage beurteilen. «Er weiss am besten, wie gefährlich es wirklich ist», so Brenn. Auf sich alleine gestellt ist er aber nicht. Mehrmals täglich telefoniert die Zentrale in Zürich mit dem Reporter, oft zu fix ab gemachten Zeiten, um sich bezüglich Gefahrenpotenzial neu abzusprechen. Bei der Vorbereitung auf so einen Ein-satz müssen die Reporter vor allem ihren eigenen Informationen trauen, also selber recherchieren. Ihre wichtigsten Ansprechpartner sind Berufskollegen, die sich aus eigener Erfahrung mit der Situation vor Ort auskennen.

Fee Riebeling

grund der zu zaghaften Rettungsversuche nicht überlebt. Sie begründen dies den Medienschaffenden, zusammen mit nach-vollziehbaren Verbesserungsvorschlägen.

Mit einer heissen Lauchsuppe im Magen stürzen sich Pascal Weber und seine Kolle-gen nach dem Mittagessen in die nächste Übung. Sie sollen in einen Ort im erdach-ten Boziagharia reisen und dort einen Korrespondentenbeitrag drehen. Was sie nicht wissen: Die Anforderungen sind die-ses Mal höher. So zeigt sich die Lage vor Ort zunächst unübersichtlich. Die «Einwohner» zeigen sich über die neue Situation ganz und gar nicht erfreut. Für die Journalisten bedeutet das: filmen, spontan reagieren – und gleichzeitig das neue Wissen anwen-den. Doch als nach und nach Licht ins Dunkel des ersonnenen Szenarios kommt, fliegen plötzlich «Molotowcocktails» und «Pflastersteine».

Am Ende kommen alle mit dem Schre-cken davon. Vor allem deswegen, weil es nur eine Übung war. Die abschliessende Feedbackrunde ist ausführlich und scho-nungslos. Denn: Damit sich die Korrespon-denten im Ernstfall richtig verhalten, müs-sen sie wissen, was noch ausbaufähig ist.

Fee Riebeling

Vier Augen sehen mehr als zwei: Pascal Weber filmt, Kollege Jakub Nettl weist ihm den Weg.

Spätestens wenn Molotowcocktails fliegen, sollten Journalisten Reissaus nehmen.

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