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Lissabon – Erfahrungsbericht Erasmus (2015/16)
Sebastian Wrighton
Mein Erasmusaufenthalt in Lissabon war eine wirklich großartige Erfahrung. Erasmus+ ist ein
unglaublich tolles, europäisches Projekt. Während meines Aufenthalts habe ich nicht nur vieles fürs
Studium, sondern vor allem viele Dinge für das Leben gelernt.
Organisatorisches
Die Organisation in Österreich hat sehr gut geklappt, und solange man sich an die Checkliste hält
sollte man keine Schwierigkeiten haben. Einige Probleme hat mir jedoch die Kurswahl bereitet.
Anfangs erschien es mir relativ einfach aber schon bald fiel mir auf, dass die angebotenen Kurse
teilweise nur sehr wenige ECTS wert waren. Dies lag daran, dass an der Universität in Lissabon zwei
meiner drei Kurse (Derma und HNO) keine eigenständigen Module sind, sondern lediglich Teile von
sehr großen Modulen. Derma war z.B. Teil des Moduls Medicina I. Dies erschwerte mir die
Anrechnung sehr, da die Kurse HNO und Derma – obwohl genau der gleiche Stoff wie in Österreich
gelehrt und bei der Prüfung
abgefragt wird - zusammen nur
2,5 ECTS wert sind. Mit diesen
ECTS würde sich in Graz nur die
Anrechnung der Anwesenheit
knapp ausgehen. Somit schreibt
man schließlich drei Prüfungen
statt einer und man ist von den
erforderlichen 15 ECTS pro
Semester weit entfernt. Ich
habe auch den Kurs Ginecologia
besucht. Allerdings wurde mir
dazu schon bei meinem ersten
Besuch im International Office Der Park Eduardo VII
gesagt, dass ich die Prüfung gar nicht erst versuchen sollte da sie sehr schwierig ist. Es wurde mir
erklärt, dass schon seit Jahren kein Erasmus Student diese Prüfung geschafft hat und man hat mir
geraten nur den Kurs in Lissabon zu besuchen und die Prüfung in Österreich nachzuholen.
So wurde es dann doch um einiges knapper als erwartet die erforderlichen 15 ECTS zu bekommen.
Zum Glück habe ich auch zwei Sprachkurse besucht die jeweils 4 ECTS wert waren. Dies ermöglichte
mir dann zwar alle nötigen Punkte zu erhalten. Aber es bestand trotzdem bis zuletzt ein erheblicher,
zusätzlicher Stressfaktor bei den Prüfungen. Denn ich musste jede einzelne Prüfung unbedingt
bestehen, um das Erasmus Stipendium behalten zu können. Von Kollegen die ihr Erasmussemester
in anderen Ländern absolvierten, weiß ich, dass die Situation dort ganz anders ist. Für die gleichen
Fächer erhielten sie oft bis zu 3x mehr ECTS Punkte als ich.
Die Universität
Ich besuchte die Universidade de
Lisboa, die größte Universität von
Portugal und nicht zu verwechseln
mit der Universidade Nova. Die
Unis in Portugal sind in Fakultäten
unterteilt, wobei ich auf der
Faculdade de Medicina war. Die
gesamte Faculdade de Medicina
befindet sich im Krankenhaus Santa
Maria das gleich in der Nähe des
Campus der Hauptuniversität liegt.
Am besten erreicht man das
Krankenhaus mit der „Gelben“
Metro Linie und steigt bei der
Station Cidade Universitaria aus.
Das Krankenhaus ist ein riesiger Komplex, der schrecklich verwirrend gebaut ist. Mehrmals passierte
es mir, dass ich eine Station nicht gefunden habe, obwohl ich im richtigen Stockwerk war. Es gibt
nämlich zwei Gebäudeteile, die nicht auf allen Stockwerken miteinander verbunden sind. Oft wissen
nicht einmal die portugiesischen Studenten wo man hin muss. Die beste Auskunft erhält man
diesbezüglich von den vielen Portieren/Security Leuten die im Krankenhaus herumstehen.
Es gibt direkt im Krankenhaus eine größere Kantine in der man relativ günstig essen und in den
Pausen einen Kaffee trinken kann. Wenn man noch billiger essen möchte gibt es auch die Uni
Kantine gleich bei der Metrostation, dort kostet ein ganzes Menü nur rund 3 Euro.
Da das Krankenhaus das größte ist in Portugal ist, findet man in dem Komplex Abteilungen für
beinahe jede Fachrichtung. Das Gebäude ist relativ alt und hat teilweise beträchtliche Mängel.
Wasserschäden an den Wänden, die nicht richtig saniert wurden sind keine Seltenheit und auch und
die Sanitäranlagen sind oft sehr schäbig oder funktionieren einfach nicht.
Wie erwähnt habe ich in dem Semester die Kurse Dermatologia, Otorrinolaringologia (HNO) und
Ginecologia besucht. In Lissabon laufen alle Kurs parallel zu einander, deshalb hatte ich immer
dienstags um die gleiche Zeit HNO. Es wird in den Praktika auf der Station sehr viel Wert auf das
Anamnese Gespräch (auf Portugiesisch: historia clinica) und auf die klinische Untersuchung gelegt.
Das Krankenhaus Santa Maria
Dermatologia: Bei dem Kurs hat man abwechselnd in einer Woche Seminar und in der nächsten
Woche Praktikum. Vor diesen Pflichtveranstaltungen gab es immer eine Vorlesung. Am Ende jedes
Seminars/Praktikums musste jeder Student einen kurzen „Test“ über den Stoff der Vorlesung
ablegen, der in der Woche davor in der Vorlesung durchgemacht wurde. So ist man gezwungen den
Stoff regelmäßig zu wiederholen und merkt sich so gleich einiges für die Prüfung am Ende des
Semesters.
Falls man, wie ich, die Dermatologie Prüfung separat machen und nicht eine Prüfung über das ganze
Innere Medizin I Modul ablegen möchte, gibt es die Möglichkeit die Dermatologie Prüfung mündlich
abzulegen. Das stellte für mich einen zusätzlichen Stressfaktor dar, denn der Professor spricht kein
Englisch sondern ausschließlich Portugiesisch. Im Endeffekt war es aber dann halb so schlimm.
Otorrinolaringologia: Bei HNO hat man das erste halbe Semester Seminare und in der zweiten Hälfte
nur Praktika auf der HNO Ambulanz. Die Prüfung war „multiple choice“ und stellte für mich kein
Problem dar. Zusätzlich mussten wir eine schriftliche Arbeit über ein HNO-Thema unserer Wahl
verfassen. Für Erasmus Studenten machte der Professor eine Ausnahme und wir durften die Arbeit
in englischer Sprache schreiben.
Ginecologia: Wie bereits erwähnt habe ich dann schlussendlich nur die Lehrveranstaltungen des Gyn
Moduls besucht und die Prüfung nicht mitgeschrieben. Beim Gyn Modul waren alle Vorlesungen in
den ersten zwei Wochen des Semesters gebündelt. Danach begannen die Pflichtlehrveranstaltungen.
Jede Woche hatte man, immer am gleichen Wochentag zuerst ein Seminar bei dem meistens ein
klinischer Fall präsentiert wurde. Das Praktikum fand anschließend daran statt, entweder auf der
Station, der Ambulanz oder im OP. Das Praktikum war unterteilt in ein halbes Semester auf der Gyn
und ein weiteres halbes Semester auf der Geburtshilfe. Die Anwesenheit bei einer Geburt ist im Gyn
Modul ebenfalls Pflicht. Dazu kann man selbst einen Tag wählen, an dem man Zeit hat und muss
nach der Geburt verschiedene Daten über den Ablauf der Geburt in einem Formular - dem
partograma - festhalten.
Lissabon
Lissabon ist wirklich eine
wahnsinnig tolle Stadt.
Obwohl Lissabon nicht so
groß ist wie ich erwartet
hatte, gibt es immer
mehr als genug zu tun.
Die Stadt ist sehr hügelig,
sie heißt auch die Stadt
der sieben Hügel. Es gibt
daher auch einige sehr
schöne Aussichtspunkte
(oder Miradouros) von
denen man
wunderschöne Ausblicke
auf die Stadt genießen
kann. Mein persönlicher
Favorit ist der Miradouro Senhora do Monte.
Aussicht vom Miradouro
Zum Wohnen kann ich Saldanha empfehlen, denn dieser Bezirk liegt ziemlich genau zwischen der
Uni und der Altstadt. Anfangs habe ich in Bairro Alto gewohnt, bin dann jedoch nach einigen
Wochen umgezogen, da die Wohnung stark verschimmelt war. Bairro Alto ist ein älterer, sehr
schöner Stadtteil der jedoch nicht ideal zum Wohnen ist, da er auch das Partyviertel von Lissabon
genannt wird. Besonders Freitag und Samstag ist der Lärm nachts fast unerträglich, wenn man
einmal früher schlafen gehen muss. Das Viertel in der Nähe der Uni kann ich als Wohngegend auch
nicht empfehlen, da es keine schöne Gegend ist und außer der Universität nichts zu bieten hat.
Was ich sehr empfehlen kann ist das Lokal Anos Sesenta in der Nähe vom Platz Martim Moniz,
freitags und samstags kann man dort tolle Live Musik erleben. Das Cafe Bicaense in der Nähe des
Largo de Camões hat mir auch sehr gut gefallen. Dienstagabends gibt es dort die Veranstaltung Fado
Redux bei der man jede Woche verschiedene Künstler live erleben kann.
Die berühmten Pasteis de Nata, eine typische Süßspeise, sollte man sich auch nicht entgehen lassen.
Am besten fand ich die der Manteigaria gleich in der Nähe von Bairro Alto.
Sprache
Portugiesisch ist am Anfang sehr schwierig. Vor allem wenn man – so wie ich – vorher nur die
brasilianische Variante kennt. Die Portugiesen sprechen viel schneller und undeutlicher als die
Brasilianer und es hat daher für mich einige Wochen gedauert bis ich mich eingehöhrt hatte.
Der berühmte Turm von Belem
Ich kann die Portugiesisch Intensivkurse der Faculdade de Letras sehr empfehlen. Ich habe zwei
dieser Kurse besucht und besonders der erste Kurs hat mir anfangs sehr dabei geholfen mich
einzuhören. Ein Kurs kostet nur rund 80 Euro (nirgends findet man einen billigeren) und zusätzlich
bekommt man für jeden Kurs 4 ECTS. Diese Tatsache hat mir, wie eingangs schon erwähnt, sehr
dabei geholfen meine Mindestanzahl an ECTS zu erreichen. Der erste Intensivkurs hat schon im
September begonnen. Ich bin daher schon anfangs September nach Lissabon gereist, obwohl meine
Kurse an der medizinischen Fakultät erst Mitte September begannen.
Sehr wichtig ist außerdem, dass man jemanden findet mit dem man Portugiesisch sprechen kann. Es
wird von der AEFML (die Med ÖH in Lissabon) eine Sprachtandem Möglichkeit angeboten. Dabei
kann man mit einem portugiesischen Studenten Portugiesisch üben und hilft ihm oder ihr im
Gegenzug dabei sein/ihr Englisch oder Deutsch zu verbessern.
Falls ihr noch Fragen habt könnt ihr mich gerne per Email kontaktieren: