2
 Literarischer Erörterung 16-Mai-2009 Zufall oder Schicksal „Homo faber“ von Max Frisch Mit dem Roman „Homo faber“ gewährt Max Frisch einen Einblick in das Erleben des Ich- Erzählers Walter Faber. Der 50-jährige Ingenieur ist für die Unesco im Bereich technische Hilfe für unterentwickelte Völker tätig, dabei geht es ihm jedoch weniger um die Menschen als um die Technik. Faber findet Menschen anstrengen d. Deshalb erfreut ihn die Anwesenheit des kommunikativen Deutschen neben ihm im Flugzeug, welcher ihn ausserdem noch an seinen Jugendfreund Joachim erinnert, nicht sonderlich. Bei der Zwischenland ung hofft Faber: Das Flugzeug möge doch ohne ihn weiter fliegen. Das Schicksal möchte es anders. Die Stewardess findet ihn und „zwingt“ ihn dazu die Reise fortzusetzen. Der Erste von einer Verkettung von Zufällen, oder steckt vielleicht doch das Schicksal dahinter? Für Walter Faber scheint die Sache klar zu sein: „Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen“ Es gibt nichts, was den gefühlskalten Mann aus der Fassung bringen könnte, so lange alles erklärbar ist. Und Hans Reichenbach sei Dank, ist auch der Zufall mit der Wahrscheinlichkeitsleh re erklärt, nämlich schlicht und einfach als das Unmögliche, das eintrifft. Dennoch taucht im Buch immer wieder dieselbe Frage auf: „Wieso Fügung?“ Auch wenn sie gewissermaße n rhetorisch gestellt wird, zeigt sie, dass Walter die Frage Zufall oder Schicksal nicht  beantworten kann. Denn entgegen seiner Meinung, alles wäre errechenbar, ist diese eine Frage nicht mit Mathematik zu begründen. Da diese Frage die Menschheit schon seit ihrer Existenz beschäftigt und sie jeder Mensch schliesslich individuell beantworten muss. Der Verstand und die Mathematik können jedoch dabei helfen die Antwort zu finden. Um die Frage beantworten zu können muss man jedoch erst einmal wissen, welche Bedeutunge n die Begriffe haben. Bereits Aristoteles hat sich mit dieser Frage auseinander gesetzt. Seine Definition von Zufall lautet: „Wenn im Bereich der Geschehnisse, die im  strengen Sinn wegen etwas eintreten und deren Ursache außer ihnen liegt, etwas geschieht, das mit dem Ergebnis nicht in eine Deswegen-Beziehung zu bringen ist, dann nennen wir das ‚zufällig‘. Beim Zufall gibt es also keinen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, keinen erkennbaren Grund für das Ereignis.  Nach dieser Definition hat Faber recht und es könnten alle Geschehnisse im Buch als Zufälle deklariert werden, zumindest solange man sie einzeln betrachtet. Da ist zu Beginn der Geschichte die Sache mit dem Flugzeug, welches auf ihn wartet. Es gibt keine Komplikationen oder etwas in dieser Art, was den Start verzögert. Ein purer Zufall ohne tiefere Bedeutung. Der nächste Zufall: Zwei Motoren, die ausfallen und das Flugzeug zur  Notlandung zwingen. Anstatt sofort gerettet zu werden müssen die Passagiere eine Zeit lang in der Wüste ausharren. Jedoch dann erfährt er als Folge dieser Zufälle und somit werden sie relevant, wieder ganz nebenbei, dass Herbert der Bruder von Joachim ist, und Joachim Walters Ex-Freundin Hanna geheiratet hat aber bereits wieder geschieden ist. Betrachtet man nun diese eine Kette als Ganzes mit der Wirkung dass Walter von Joachim erfährt und sogar mitreist um ihn wieder zu sehen lässt sich erkennen, dass ohne diesen ersten simplen Zufall (eigentlich müsste man die Tatsache das Herbert neben ihm sitzt im Flugzeug auch als Zufall sehen) eine wichtige Bedeutung zu gewiesen werden muss. Es musste so kommen, denn ohne diesen Verlauf wäre die ganze Geschichte, oder um es mal nicht zu dramatisieren wenigstens der Teil mit dem Besuch bei Joachim, welcher ein einschneide ndes Erlebnis und eine erste Konfrontation mit der Vergangenheit für Walter darstellt, nie statt gefunden.

Literarische Erörterung Homo Faber

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Literarische Erörterung Homo Faber

5/10/2018 Literarische Erörterung Homo Faber - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/literarische-eroerterung-homo-faber 1/3

 

Literarischer Erörterung 16-Mai-2009

Zufall oder Schicksal

„Homo faber“ von Max Frisch

Mit dem Roman „Homo faber“ gewährt Max Frisch einen Einblick in das Erleben des Ich-

Erzählers Walter Faber. Der 50-jährige Ingenieur ist für die Unesco im Bereich technischeHilfe für unterentwickelte Völker tätig, dabei geht es ihm jedoch weniger um die Menschenals um die Technik. Faber findet Menschen anstrengend. Deshalb erfreut ihn die Anwesenheitdes kommunikativen Deutschen neben ihm im Flugzeug, welcher ihn ausserdem noch anseinen Jugendfreund Joachim erinnert, nicht sonderlich. Bei der Zwischenlandung hofftFaber: Das Flugzeug möge doch ohne ihn weiter fliegen. Das Schicksal möchte es anders. DieStewardess findet ihn und „zwingt“ ihn dazu die Reise fortzusetzen. Der Erste von einer Verkettung von Zufällen, oder steckt vielleicht doch das Schicksal dahinter?

Für Walter Faber scheint die Sache klar zu sein: „Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal,

als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen“ Es gibtnichts, was den gefühlskalten Mann aus der Fassung bringen könnte, so lange alles erklärbar ist. Und Hans Reichenbach sei Dank, ist auch der Zufall mit der Wahrscheinlichkeitslehreerklärt, nämlich schlicht und einfach als das Unmögliche, das eintrifft. Dennoch taucht imBuch immer wieder dieselbe Frage auf:„Wieso Fügung?“ Auch wenn sie gewissermaßenrhetorisch gestellt wird, zeigt sie, dass Walter die Frage Zufall oder Schicksal nicht

 beantworten kann. Denn entgegen seiner Meinung, alles wäre errechenbar, ist diese eineFrage nicht mit Mathematik zu begründen. Da diese Frage die Menschheit schon seit ihrer Existenz beschäftigt und sie jeder Mensch schliesslich individuell beantworten muss. Der Verstand und die Mathematik können jedoch dabei helfen die Antwort zu finden.

Um die Frage beantworten zu können muss man jedoch erst einmal wissen, welcheBedeutungen die Begriffe haben. Bereits Aristoteles hat sich mit dieser Frage auseinander gesetzt. Seine Definition von Zufall lautet: „Wenn im Bereich der Geschehnisse, die im

 strengen Sinn wegen etwas eintreten und deren Ursache außer ihnen liegt, etwas geschieht,das mit dem Ergebnis nicht in eine Deswegen-Beziehung zu bringen ist, dann nennen wir das

‚zufällig‘. Beim Zufall gibt es also keinen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung,keinen erkennbaren Grund für das Ereignis.

 Nach dieser Definition hat Faber recht und es könnten alle Geschehnisse im Buch als Zufälledeklariert werden, zumindest solange man sie einzeln betrachtet. Da ist zu Beginn der Geschichte die Sache mit dem Flugzeug, welches auf ihn wartet. Es gibt keine

Komplikationen oder etwas in dieser Art, was den Start verzögert. Ein purer Zufall ohnetiefere Bedeutung. Der nächste Zufall: Zwei Motoren, die ausfallen und das Flugzeug zur 

 Notlandung zwingen. Anstatt sofort gerettet zu werden müssen die Passagiere eine Zeit langin der Wüste ausharren. Jedoch dann erfährt er als Folge dieser Zufälle und somit werden sierelevant, wieder ganz nebenbei, dass Herbert der Bruder von Joachim ist, und JoachimWalters Ex-Freundin Hanna geheiratet hat aber bereits wieder geschieden ist. Betrachtet mannun diese eine Kette als Ganzes mit der Wirkung dass Walter von Joachim erfährt und sogar mitreist um ihn wieder zu sehen lässt sich erkennen, dass ohne diesen ersten simplen Zufall(eigentlich müsste man die Tatsache das Herbert neben ihm sitzt im Flugzeug auch als Zufallsehen) eine wichtige Bedeutung zu gewiesen werden muss. Es musste so kommen, denn ohnediesen Verlauf wäre die ganze Geschichte, oder um es mal nicht zu dramatisieren wenigstensder Teil mit dem Besuch bei Joachim, welcher ein einschneidendes Erlebnis und eine ersteKonfrontation mit der Vergangenheit für Walter darstellt, nie statt gefunden.

Page 2: Literarische Erörterung Homo Faber

5/10/2018 Literarische Erörterung Homo Faber - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/literarische-eroerterung-homo-faber 2/3

 

Literarischer Erörterung 16-Mai-2009

Hier kommt das Schicksal ins Spiel. Unter Schicksal versteht man nämlich eine höhere Machtdie unser Leben beeinflusst. Um den Aspekt mit dem Schicksal auf die Geschichte bezogennoch etwas präziser zu erläutern eignet sich die zweite Kette der „Zufälle“ gut. Als Faber von seiner Reise in Guatemala nach New York zurück kommt, beschliesst er um seiner ihmlästig gewordenen Geliebten möglichst schnell zu entkommen mit dem Schiff nach Europa zu

reisen. Einige Zufälle lassen es zu, dass er noch kurzfristig einen Schiffplatz bekommt, imUnwissen seine Tochter kennen lernt und sich in sie verliebt. Wiederum durch einige Zufällekommt es zum Inzest. Später wird Sabeth, seine Tochter von einer Schlange gebissen undstirbt schliesslich an einer unentdeckt gebliebenen Hirnblutung. Natürlich kann man sagenalles Zufall, aber da die Geschichte sehr viele Elemente aus dem Ödipus Mythus aufweisstund der Inzest und den Tod von Walter an Magenkrebs als Strafe gedeutet werden kann

 besteht zu mindest bei dieser Zufallskette einen klaren Zusammenhang zwischen Ursache undWirkung erkennen. Die Ursache hier wäre das Faber nicht Verantwortung übernommen undHanna nicht geheiratet hat. Die Wirkung ist nach dem Ödipus Mythus der Inzest, der Tod vonSabeth und auch der Tod von Faber. Für mich ist jedoch klar, dass Gott die höhere Macht ist,von der manche als Schicksal sprechen, doch er bestimmt nicht einfach über unsere Köpfe

hinweg. Gott hat jedem Menschen einen eigenen Willen gegeben. Er ist auch nicht der alte blinde Mann, der irgendwo auf einer Wolke vor sich hin schlummert und zu dem noch schwer hörig ist. Er ist gerecht. Handelt der Mensch eigensinnig, muss er auch die Folgen für seinVerhalten tragen. Faber hat den Inzest durch sein eigenes Verhalten auslöst, denn wäre er Hanna beigestanden als sie schwanger war, hätte er von Sabeth gewusst und dem Inzest ausdem Weg gehen können.

Der Suizidtod von Joachim und der Tod von Sabeth haben Faber verändert. Im 2. Teil sprichtFaber nicht mehr von Zufall, allerdings auch nicht von Schicksal, aber er macht sichGedanken über die Todsünde und ob die Schlangen von Göttern gesteuert werden. Er sprichtauch davon Hanna zu heiraten quasi als Wiedergutmachung für seine Fehler, doch es kommtnie dazu, weil Faber stirbt.Das Schicksal spielt in dem ganzen Buch eine sehr zentrale Rolle, denn es konfrontiert Walter Faber mit seiner Vergangenheit und lässt ihn das Leben mit anderen Augen sehen.Das Schicksal bestimmt die Zufälle. Die Vielzahl der Zufälle ist für mich ein klares Indizdafür, dass eine höhere Macht dahinter stecken muss. Es bleibt mir allerdings ein Rätsel, wasMax Frisch mit diesem Buch aufzeigen wollte. Ich hoffte die Antwort in seiner Biografie zufinden, doch die Tatsache dass Frisch Agnostiker war, bringt auch keine Klarheit darüber ober die gleiche Meinung wie seine Schöpfung Faber vertritt, es für ihn also kein Schicksal gibt,oder ob er durch die Anhäufung der Zufälle und die strikte Ablehnung von Schicksal klar machen wollte, dass mehr als nur Zufall dahinter stecken muss. Vielleicht hegte er auch keine

dieser Absichten und wollte durch die Gegensätze, das rationalistische Denken Fabers und dieübertrieben dargestellten Zufälle die Menschen nur zum Nachdenken anleiten.

Quellen:http://de.wikipedia.org/wiki/Max_Frisch

http://de.wikipedia.org/wiki/Physik_(Aristoteles)

Page 3: Literarische Erörterung Homo Faber

5/10/2018 Literarische Erörterung Homo Faber - slidepdf.com

http://slidepdf.com/reader/full/literarische-eroerterung-homo-faber 3/3