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Siegf rieil J. SchmiA (Hisg.) | EMPIRIE IN LITERATUR- UND ! KUNSTWISSENSCHAFT

LITERATUR-UND ! KUNSTWISSENSCHAFT...miotik (Wienold 1972) und Literaturpsychologie (Groeben 1972a). Schmidt hat (1974; 1975) die übereinstimmenden Züge dieser Programmentwürfe als

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Siegfrieil J. SchmiA (Hisg.)

| EMPIRIE INLITERATUR- UND

! KUNSTWISSENSCHAFT

Page 2: LITERATUR-UND ! KUNSTWISSENSCHAFT...miotik (Wienold 1972) und Literaturpsychologie (Groeben 1972a). Schmidt hat (1974; 1975) die übereinstimmenden Züge dieser Programmentwürfe als

13 Das hier formulierte Interesse an Rezeptionsforschung trifft sich mit einem ähnlichen

Interesse der zur Zeit weitverbreiteten literaturwissenschaftlichen Richtung der Rezep-tionsästhetik (Iser, Jauß, Waming), bei der die Untersuchung der empirischen Seite vonRezeption allerdings noch nicht in Angriff genommen ist; insofern können dieser Rich-tung durch die empirische Rezeptionsforschung möglicherweise nene Anschlußpunkteeröffnet bzw. geeignete Resultate zur Überprüfung rezeptionsästhetischer Prämissenvermittelt werden.

14 Zum Vergleich siehe das beigefügte Kommunikationsmodell von G.F. Meier.

15 Es sei hier noch einmal daran erinnert, daß bei der Untersuchung des Bereiches der Lite-rarischen Kommunikation nicht nur die Rezeption literarischer" Texte eine Rollespielt, sondern z. B. auch die Rezeption von Rezensionen literarischer" Texte odervon Stellungnahmen zu literarischen" Texten innerhalb der Alltagskommunikation;folglich wird ein Modellschema benötigt, das allgemein für die Beschreibung von Re-zeptionsprozessen verwendbar ist.

16 An der Auswahl und näheren Charakterisierung solcher Parameter ist besonders wich-tig, daß sie empirisch leicht zugänglich sein müssen und ihre Werte außerhalb der zuuntersuchenden Rezeptionsprozesse erhoben werden können. So sind zwar z. B. dieräumlichen Verhältnisse einer Kommunikationssituation für den Rezeptionsverlauf nurinsofern relevant, als sie vom Rezipienten wahrgenommen werden. Informationen dar-über, was der Rezipient während der Rezeption wahrnimmt, sind aber nicht auf direk-tem Wege und außerhalb der Versuchssituation zu erhalten; man kann auf sie nur indi-rekt schließen, wenn man Informationen über die Rezeptionssituation sowie u. a. überFähigkeiten, Wissensvoraussetzungen und den momentanen Zustand des Rezipientenhat.

17 In diesem Zusammenhang soll noch einmal auf die Abhängigkeit der Ausdifferenzierungs-notwendigkeit von den jeweils interessierenden Fragestellungen hingewiesen werden.Wenn es z. B. bei einem gewissen Typ von Fragestellungen genügt, die den betrachtetenTexten zugeordneten Bedeutungen mit einem sehr groben Bedeutungsmaß zu klassifi-zieren, dann brauchen bestimmte für feinere Klassifikationen wichtig werdende Kom-ponenten der unabhängigen Variablen evtl. nicht berücksichtigt zu werden.

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Norbert Groeben

ZUR RELEVANZ EMPIRISCHER KONKRETISATIONSERHEBUNG FÜR DIE

UTERATURWISSENSCHAFT

I. Empirisierung der Literaturwissenschaft: methodisches Programm und

hermeneutische Abwehr

1. Empirische Wissenschaftsstruktur einer kommunikationstheoretischen

Literaturwissenschaft

Die permanente Methodenkrise der hermeneutischen Literaturwissenschaft hatzu Beginn der 70er Jahre den bisher radikalsten Lösungsvorschlag ausgelöst:nämlich die Literaturwissenschaft innerhalb einer einheitlichen szientistischen

Methodologie" (der klassischen und der neueren Natur- und Sozialwissenschaf-ten; Pasternak 1975, 36ff.) zu konstituieren

, also zu empirisieren. In diesemLösungsvorschlag konvergieren Ansätze zur Objektivitätssteigerung literatur-wissenschaftlicher Analyse aus den Bereichen der Linguistik (Ihwe 1973), Se-miotik (Wienold 1972) und Literaturpsychologie (Groeben 1972a).

Schmidt

hat (1974; 1975) die übereinstimmenden Züge dieser Programmentwürfe als denKern des methodologischen Empirisierungsentwurfs herausgearbeitet: die Re-konstruktion der Literaturwissenschaft als empirischer Wissenschaft basiert aufeiner kommunikationstheoretischen Auffassung und Konstituierung des litera-rischen Gegenstandes (Schmidt 1975,130); das bedeutet ein Abrücken vomTextsubstantialismus und -essentialismus (des ideal-objektiven" Textsinns -Ingarden - der werkimmanenten Literaturanalyse) und positiv eine Konzentra-tion auf den Prozeß der sprachlichen Kommunikation (anhand literarischerTexte; Ihwe 1973); dabei ist die Literarizität nicht mehr eine vorgängig (vor-kommunikationstheoretisch) entschiedene Frage des klassischen Textkanons,

sondern hängt von der empirischen Abgrenzung bestimmter Merkmale von Kom-munikationsarten ab (Schmidt 1974, 77); der Gegenstand der (empirischen) Li-teraturwissenschaft ist dann der rezipierte (in Ingardenscher Terminologie: kon-kretisierte) Text (Groeben 1972a

, 167ff.) bzw. allgemeiner das explizite Re-sultat von Textverarbeitungsprozessen" (im scmiotischen Modell: Wienold 1972,

148ff.; vgl. Schmidt 1974, 71); der phänomenologisch-hermeneutischen Litera-turtheorie wird dabei durchaus zugestanden, daß es sich bei Konkretisations-,Rezeptions-, Textverarbeitungsdaten um Verstehensresultate handelt,

die aller-

dings durch intersubjektive Beobachtung als Daten" einer empirischen Litera-

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turwissenschaft zu konstituieren sind (Schmidt 1975,

129f.); das bedeutet keineVerdrängung der textmaterialen Strukturen

, die als Ermöglichungsgrund fürRezipientenverhalten mit in die empirische Untersuchung einzubeziehen sind(Ihwe 1975; Groeben 1972a, 175ff.); literaturwissenschaftliche Interpretationist dann von der Rezeption/Textverarbeitung als getrennt anzusehen und leisteteine theoretische Beschreibung und Erklärung dieser intersubjektiv erhobenen(Textverarbeitungs-)Daten (Schmidt 1975, 129).

Auf der Grundlage einer solchen Trennung von Rezeption und Interpretation,

Daten und Deuten sowie der intersubjektiven Beobachtung von Rezeptions-/Textverarbeitungsdaten ist es erreichbar, daß eine empirische Literaturwissen-schaft die Anforderungen der szientistischen Methodologie erfüllt; diese sind,

in stichwortartiger Zusammenstellung (vgl. Pasternak 1975; ausführlicher Groe-

be u. Westmeyer 1975; auch Wohlgenannt 1969; Prim u. Tilmann 1973): die

szientistische Methodologie strebt informationshaltige, erklärungskräftige Hy-pothesen, Gesetzmäßigkeiten, Theorien an; dazu ist theorieintern die Präzisionder theoretischen Begriffe und die Widerspruchsfreiheit der Ableitungen inner-halb einer Theorie Voraussetzung; das Kriterium des Informations- bzw.

Reali-

tätsgehalts führt zu der für eine Empirisierung wichtigsten Konsequenz im Auf-bau von Theorien: der Unterscheidung von Beobachtungsebene und theoreti-scher Interpretation; theoretische Begriffe sind Konstruktionen,

die nicht direkt

in der Realität aufgefunden werden können, sondern für die nur empirische Indi-katoren angebbar sind; solche empirischen Indikatoren (Beobachtungsdaten)sind dadurch gekennzeichnet, daß sie intersubjektiv festgestellt (wahrgenommen/gemessen) werden können-, empirische Hypothesen zeichnen sich dadurch aus,daß sie mit Hilfe intersubjektiv beobachteter Daten (Basissätze) falsifiziert wer-den können; dabei ist man von der Vorstellung einer (induktiven) Verifizierungabgekommen und geht nur von einer Bewährung aus; eine Hypothese bewährtsich, wenn sie Falsifikationsversuchen (möglichst oft) widersteht; das Zentrumeiner empirisch-wissenschaftlichen Methodologie besteht daher in der Kritiktheoretischer Hypothesen anhand i. e. S. empirisch erhobener, intersubjektiverDaten. Für die Empirisierung der Literaturwissenschaft stellt sich daher auf demHintergrund der klassischen Literaturanalyse und ihrer Ziele als Hauptproblem:die Interpretation einzelner literarischer Werke im Rahmen einer szientistischenMethodologie zu rekonstruieren; d. h. den Aufbau theoretischer Werkinterpreta-tionen auf der Basis von intersubjektiv erhobenen Rezeptions- qua Beobachtungs-daten durchsichtig zu machen, als praktikabel und fruchtbar nachzuweisen. DerNachweis der Relevanz empirischer Datenerhebung für die Literaturwissenschaftmuß m. E. von diesem Problem ausgehen, weil inhaltlich die Interpretation ein-zelner literarischer Werke von der klassischen Literaturwissenschaft als die zen-

trale, fundierende Aufgabe (Schmidt 1975, 21) angesehen wird - und ein Pro-

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gramm, das einen Fortschritt in der Verwissenschaftlichung eines Fachs ver-spricht, muß natürlich die bisherigen Leistungen genauso gut, wenn nicht bes-ser abdecken (und erweitern) können. Und methodologisch ist die Frage, was

als beobachtbares Datum für den Literaturwissenschaftler'' (Schmidt 1975, 3)

gelten soll, für eine Abkehr von der hermeneutischen Wissenschaftskonzeptiondie absolute Entscheidungsfrage! Das Empirisierungsprogramm der Literatur-wissenschaft muß daher m. E. ein funktionstüchtiges Modell der (empiriegelei-teten) literaturwissenschaftlichen Interpretation einzelner literarischer Werkevorlegen können, durch das alle Frage- und Antwortperspektiven der bisherigenLiteraturanalyse abgedeckt sind; ich habe 1972 (a) versucht, ein solches Modellin den Grundzügen zu skizzieren (vgl. in gekürzter Veranschaulichung aus Groe-ben 1976b: Abb. 1); dabei sind alle bisher mit Literatur" befaßten Methoden

(aus verschiedenen Einzeldisziplinen) berücksichtigt und, wenn natürlich auchentsprechend der Empiriestruktur z. T. mit einer veränderten Funktionszuwei-sung, integriert:

Empirische Literaturwissenschaft als Kommunikationswissenschaft

Theoretische Konstruktion

(hermemeutische

Interpretation alsHeuristik)

Heuristik)

werktranszendente/(explikative)(= erklärende, generelle Gesetzeshypothesen)

Konstrukte

werkimmanente/(deskriptive)(= singuläre Deutungshypothesen

EmpirischeRealitätsprüfung

l

Formal-strukturelle I Konkretisation/

Textcharakteristika 1 Textverarbeitung1

Mater-ialer 1 Sinnhafter

Textaspekt j TextaspektObjektive Verfahren

Die Erläuterung des Modells kann das Empirisierungsprogramm noch einmal inThesen zusammenfassen:

- die klassischen hermeneutischen Textinterpretationen gelten für eine empi-rische Konstruktion des Textsinns nur als Heuristik (Groeben 1972a, 197);

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dieser Funktionswandel gründet sich auf die Subjekt-Objekt-Konfundierungder hermeneutischen Literaturwissenschaft

, die durch die Vermischung vonRezeption und Interpretation, Leser und Forscher etc

. entsteht; auf der

Grundlage des hermeneutischen Erfahrungsbegriffs der Nachvollziehbarkeit

kann die behauptete ideale Objektivität" des literarischen Werks nur als eineunzulässige Ontologisierung eines Allgemeinbewußtseins angesehen werden(o. c, 165f.).

- Demgegenüber wird in einer empirischen Literaturwissenschaft eine klare Re-zeptions-Interpretations-Trennung auf der Grundlage einer Leser-Forscher-

Trennung eingeführt; Interpretation ist dann Erklären des Textverstehens und

immer von konstruierendem Charakter (o.e., 161f.); Interpretation als Kon-struktion eines Werksinns stellt singuläre Deutungshypothesen auf,

die anhand

von Rezeptionsdaten (Konkretisationen) empirisch zu validieren sind (wie

sog. deskriptive Konstrukte in den SozialWissenschaften; o. c, 196).

- Die theoretische Interpretation verbleibt damit beim Wissenschaftler,der

seine Datenbasis durch intersubjektive Feststellung der subjektiv-individu-ellen Konkretisation des literarischen Textes beim Rezipienten erstellt (o. c,168); das Subjekt (Rezipient) fungiert dabei nicht als Gegenstand, sondernlediglich als Medium, über dessen Konkretisation sinnhafte Beobachtungs-daten als Grundlage der literaturwissenschaftlichen Theorienbildung faßbarsind (o. c, 171).

- Die Objektivität des empirischen Vorgehens liegt in der intersubjektiven,

kontrolliert-systematischen Beobachtung der rezeptiven Bedeutungskonkre-tisationen literarischer Texte (o. c, 173); damit ist wie bei allen empirischenWissenschaften eine Klasse potentieller Falsifikatoren der singulären Deu-tungshypothesen (qua theoretischer Textinterpretation) erreicht (o. c, 174);als empirische Erhebungsmethoden der Verstehens-ZRezeptionsprozesse sindsprachpsychologische Instrumente (Assoziationserhebung, Einsetz-ZErgän-zungsverfahren, Ähnlichkeitsskalierung etc.; o. c, 183ff.) oder Rezipienten-Vertextungen der verstandenen" Textteile (Textkondensierungen, -rearran-gements etc.; Wienold 1973) einsetzbar.

- Dadurch ist kein Psychologismus im Sinne der Verdrängung der materialenTextgrundlage propagiert; vielmehr ist die material-objektive Textdeskrip-tion als materiales Außenkriterium (für die sinnhafte Konstituierung des lite-rarischen Werks bei der theoretischen Interpretation einzusetzen (Groeben1972a, 182f.); als Verfahren zur Beschreibung material-objektiver Textstruk-

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turen sind statistische Textbeschreibung, linguistisch-strukturelle Verfahren,

mathematische Texttheorie, informationsästhetische Methoden heranzu-

ziehen (o. c, 169ff.).

- Damit ist als zentrales Problem der Textinterpretation in der empirischen Li-teraturwissenschaft die Fragerichtung des Basisproblems umgekehrt: es wird

nicht mehr, wie in der hermeneutischen Literaturwissenschaft, gefragt, wel-ches (individuelle) Werkverständnis dem ideal-objektiven" Werk entspricht,sondern welche theoretische Konstruktion des Werksinns (Interpretation)

den intersubjektiv erhobenen Werkkonkretisationen (rezeptives Verstehen)adäquat ist (o. c, 175).

- Entsprechend der Einschätzung der Interpretation als fundierendem Aus-gangspunkt in der Literaturwissenschaft sind damit weitgehende, umfassen-

de Erklärungsfragen nicht ausgeschlossen, sondern können und müssen imGesamtverlauf des empirischen Forschungsprogramms explizit thematisiertwerden-, es handelt sich um erklärende Hypothesen/Theorien (explikative

Konstrukte) in Bezug auf den Bedingungszusammenhang, in dem literarischeTexte stehen, also z. B. Fragen der künstlerischen Persönlichkeitsstruktur,Autorintention, Leservariablen, Wirkungsprobleme etc. (o. c, 200ff.).

2.

Die hermeneutische Abwehr

Die hermeneutische Literaturwissenschaft wehrt diese Vorschläge zur Empirisie-rung (bisher) weigehend ab; ihre Kritik am szientistischen Methodologiepro-

gramm verfehlt dieses allerdings zum Teil, zumindest dort, wo es sich um eine

verzerrende Rezeption der vorgelegten Vorschläge handelt: denn für wissen-

schaftlich-kommunikative Sprache ist selbstverständlich die Frage der adäquaten

Rezeption (im Hinblick auf die Autorintention), im Gegensatz zur literarischenSprache, eine legitime und zentrale (vgl. Groeben 1972a, 145ff.). Es gibt m. E.drei Gründe für solche Verzerrungen: mangelnde Kenntnis der wissenschaftstheo-retischen Konzeptionen (der empirischen Wissenschaften), fortdauernde Unter-

stellung traditioneller Begriffsbedeutungen bei neu definierten Begriffen und un-

terschiedliche Differenzierungsraster, so daß Argumentationen, die in der herme-

neutischen Konzeption peripher sind, verkürzt aufgenommen werden. All dies

berechtigt, wie die wissenschaftstheoretische Diskussion um den Wandel wissen-schaftlicher Positionen (Paradigmen im Sinne Kuhns 1967) gezeigt hat, nicht

zu Vorwürfen, sondern ist ein (psychologisch) unvermeidbares Mißverstehen bei

(zumindest z. T.) inkommensurablen Positionen. Dieser Beitrag soll in der Dis-

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1I

kussion zweier wichtiger Abwehrargumente zur Beseitigung solcher (möglicher)Mißverständnisse beitragen. Die beiden Abwehrargumente, die mir als zentralfür die Ablehnung der Relevanz empirischer Konkretisationserhebung für die Li-teraturwissenschaft erscheinen

, sind: zum einen das Auffassen von Konkretisa-tionen ausschließlich als Leserdaten

, also Beobachtungen,die etwas über den

Leser aussagen (können), nicht jedoch über das literarische Werk,den Text; zum

zweiten der Vorwurf, daß innerhalb des empirischen Modells nicht oder nichtadäquat zwischen Rezeption und Interpretation getrennt wird (bzw. sogar nichtgetrennt werden kann).

Von hermeneutischer Seite wird (für den szientistischen Methodologen in-konsequent) zum großen Teil die kommunikationstheoretische Perspektive derWissenschaftskonstituierung (auch qua Rezeptionsforschung) aufgegriffen, so-gar propagiert, ohne allerdings die Konsequenz der Empirisierung zu ziehen.

Dieses Phänomen erklärt sich dadurch, daß eine Problem- und Bereichsabgren-

zung vorgenommen wird: für die Interpretation literarischer Texte ist eine Em-

pirisierung unvorstellbar, für die subjektorientierte Erforschung von kommuni-kativen Prozessen der Produktion

, Rezeption, Wirkung etc. wird sie zugelassen.

Empirische Rezeptionsforschung wird vornehmlich unter literatursoziologischemAspekt gesehen, d. h. Konkretisationsdaten werden als Leserdaten zugelassen,

nicht jedoch mit Relevanz für die Konstruktion eines Werksinns: EmpirischeUntersuchungen geben Aufschluß über kommunikationsfördernde bzw

.-stö-

rende Faktoren" (Ingen 1974, 135). Unter dieser Voraussetzung ist natürlichdie Forderung nach Konkretisationsdaten als Voraussetzung jeder literaturwis-senschaftlichen Analyse eine Bewegung weg vom Text, es handelt sich dann umForschung, in der der literarische Text nicht im Vordergrund steht" (Grimm

1975, 11). Ingen bezieht sich ausdrücklich auf die von mir gestellte (empirischzu lösende) Adäquanzfrage zwischen Interpretation und Konkretisation (s. o.)und wehrt ab: Eine solche

.Konstruktion des Werksinns', die auf dem

.rezep-tiven Verstehen' von

.grundsätzlich beliebigen Werkrezipienten' beruht, sollteman gerechterweise nicht Interpretation nennen. Interpretation als Auslegungdes literarischen Textes ist ausdrücklich auf den Text bezogen und findet ihrenFixpunkt im Text" (1974, 100). Diese Ablehnung ist nur verständlich aus dervorausgesetzten Implikation der Konkretisationsdaten als Leserdaten: dies aber ist

innerhalb des Empirisierungsentwurfs explizit negiert in der Rede vom rezipierendenSubjekt als Medium (s. o.). Die hermeneutische Abwehr unterschlägt dieses konsti-tutive Moment des Empirisierungskonzepts, weil ihr in naiv realistischer Einstel-lung (der Introspektion auf die eigene Rezeption) die Werkbedeutung immerschon gegeben scheint (und dies stellt wohl eine der Kernannahmen des herme-

neutisch-literaturwissenschaftlichen Paradigmas dar). Sie hält daher daran fest,

daß (in Ausrichtung auf die Autorintention) sowohl das produzierende Be-

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wußtsein wie das ihm entsprechende Bewußtsein des adäquat Rezipierendenaus dem Text als dem Dokument bestimmter kommunikativer Intentionen"

zu rekonstruieren sei (Link 1976, 44). Wie der Text ohne rezipierendes Bewußt-sein als bedeutender" vorliegen kann, wird nicht expliziert; für den Empirikerwird hier einfach wieder auf das je subjektive Rezipieren des Forschers zurück-gegriffen und damit die Subjekt-Objekt-Konfundierung weiter zementiert. An-

dererseits ist es verständlich, daß bei Weglassen der medialen Funktion des Re-zipienten das gesamte Empirisierungsprogramm als subjektorientierte Litera-turwissenschaft" (Ingen 1974, 84 u. 124) klassifiziert wird; desgleichen ist esnur konsequent, wenn man nach Elimination dieser zentralen Bedingung des

Empirisierungskonzepts, wie in einem salto mortale der als subjektivistisch"

eingeordneten Position vorwirft, sie verfehle die conditio sine qua non derWissenschaftlichkeit, die Falsifizierung der Resultate

" (Ingen 1974, 84) bzw.falle auf die werkimmanente Rezeptionsästhetik

" zurück (Link 1976, 135).

Dies mag für Iser gelten, sicher aber nicht für die ebenfalls als subjektivistischapostrophierten S. J. Schmidt, N. Groeben, L. Pollmann, R. Posner, J. Trabant"

(Link 1976, 170). Teil II dieses Beitrags soll versuchen, das Konzept der medi-

alen Funktion und damit der Relevanz von Konkretisationsdaten für die Kon-

struktion eines Werksinns konzeptuell zu verdeutlichen und an Beispielen zu

verdeutlichen.

Die Auffassung der Konkretisationsdaten ausschließlich als Leserdaten ist engverschränkt mit dem Problem der Trennung von Rezeption und Interpretation;

das Empirismusprogramm geht dabei von einer Kritik der Personalunion von Re-zipient und Interpret aus, die notwendig zu einer Subjekt-Objekt-Vermischungführen muß. Steinmetz hat diese Argumentation gedrängt zusammengefaßt(1974, 43): Der Interpret hat . . . dasjenige als Werk interpretiert, was er voroder während seiner Interpretation (als Leser) konkretisierte. Man könnte da-

von sprechen, daß ein Interpret in den weitaus meisten Fällen nichts anderes ge-

tan habe, als seine eigene Version" des Textes interpretiert und diese als die des

Textes ausgegeben habe." Daraus folgt für die Empirismus-Position die Forde-

rung nach der Trennung von Rezeption/Rezipient und Interpretation/Interpret(s. o.). Der Hermeneutiker allerdings kann in der auf empirischen (Konkretisa-

tionsdaten) aufbauenden Interpretation nicht die klassische hermeneutische In-

terpretation wiedererkennen und setzt daher Rezeption und Interpretation im

empirischen Modell gleich: Die Freiheit des Lesers . . . wird bei Groeben gleich-

sam zur Interpretation neuen Stils formalisiert, - sie ist aber in Wirklichkeit

Rezeption." (Ingen 1974, 100). Worauf sich diese - gegen die explizite Verba-lisierung aller Empirismusentwürfe (vgl. o. und Schmidt 1975, 128) behauptete -Identitätsthese gründet, wird durch eine Explikation von Steinmetz deutlich:Ausgesprochene oder unausgesprochene Voraussetzung dieser Auffassung bil-

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det die Überzeugung, die unterschiedlichen Rezeptionen ergänzten und korrigier-ten sich zu einer nicht mehr subjektiven, auch vom Text gleichsam sanktionier-ten Interpretation." (1974, 45). Dies ist ein schönes Beispiel für ein Unterstellenvon Kriterien, Zielen, Annahmen aus dem alten (hermeneutischen) Paradigma:die genannte Voraussetzung trifft nämlich gerade nicht zu

, was auch (s. o.) ex-

plizit formuliert wurde, denn diese Vorstellung impliziert einen induktiven Veri-fikationismus (während ausdrücklich Falsifizierbarkeit verlangt wurde), gehtüberdies von dem Kriterium der Objektivität als Stimmigkeit (innerhalb der In-terpretationsteile/Konzepte) aus (vgl. Groeben 1972a, 163f.; während explizitIntersubjektivität bei der Datenerhebung gefordert wurde) und unterstellt schließ-lich als Ziel die eine kohärente Interpretation (gegen die mit Konzepten wie Po-lyvalenz, Polyfunktionalität etc. gerade angegangen wurde, vgl. Schmidt 1972a;Groeben 1972a, 145ff.). Auf der Basis solcher Implikationen ist es dann auchverständlich, wenn Steinmetz behauptet, von Vertretern der empiristischen Me-thodologie würden Rezeption und Interpretation als synonyme,

wenn nicht

gar identische Phänomene begriffen und benutzt" (1974, 45). Es ist hoffentlichschon durch die kurze Zusammenfassung des Empirisierungs-Programms obendeutlich geworden, daß dies nicht stimmen kann.- besonders das In-Beziehung-Setzen der Konkretisationsdaten mit den objektiv-materialen Textstrukturen imRahmen der Interpretation stellt einen eindeutigen und präzisen Unterschiedzwischen Rezeption und Interpretation dar. Anhand dieser Relation läßt sich

auch das für die klassische hermeneutische Interpretation zentrale Problem,die

Frage der adäquaten (individuellen) Rezeption, innerhalb einer empirieorien-tierten Interpretation lösen - wenngleich dies für eine empirische Literaturwis-senschaft ein eher peripheres Problem neben anderen zentraleren Frageperspek-tiven der Konstruktion eines Werksinns ist. Teil III des Beitrags soll am Beispielder Adäquanzfrage (der Rezeption) die Verschiedenartigkeit/Trennung von Re-zeption und Interpretation (auf der Grundlage empirischer Datenerhebung) her-ausarbeiten und die Leistungsfähigkeit des empirischen Programms auch für die-sen Teilaspekt klassischer literaturwissenschaftlicher Fragestellungen nachweisen.

II. Konkretisationsdaten als Werkdaten: die mediale Funktion des Rezipienten

1. Konkretisierte Textbedeutung und konstruierter Werksinn

Das Programm einer empirischen Literaturwissenschaft geht davon aus, daß aus je in-dividuellen konkretisierten Textbedeutungen ein Werksinn konstruiert wird; d. h. es

gibt für den Empiriker einen Textsinn, d. i. die Substanz der textuellen Struktur"und eine Textbedeutung, d. i. die konkrete Realisation des Sinnes durch den Rezi-

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pienten" (Waldmann 1976, 48). Durch diesen Ausgangspunkt wird weder die textu-elle Struktur als abstrakte Identität" angesetzt, noch das ästhetische Objekt inbloße Rezeptionsprozesse aufgelöst" (Pasternak 1975, 86). Vielmehr ist der Textsinnals das aufzufassen, was auch der historisch-hermeneutisch orientierte Wissenschaftler

hervorbringt: ein Rekonstrukt des Literaturwissenschaftlers" (Günther 1973, 44; vgl.Pasternak 1975, 86). Diese konstruierende Tätigkeit wird auch vom hermeneutischenWissenschaftler als Interpretation verfolgt, nur im Hinblick auf die Autorintention desSinns (vgl. Ingen 1974, 89ff.; Link 1976, 40ff. u. 142f.). Der Unterschied besteht da-rin, daß jetzt nicht das eigene Verstehen als Ausgangsbasis genommen wird, sondernempirisch erhobene Konkretisationsdaten, aus deren Vielfalt die Rezeptionsstrukturdes Textes" mit Relevanz für die Konstruktion des Textsinns abgeleitet werden kann(vgl. Bauer et al. 1972, 13). Der Rückgang auf die Konkretisationsdaten gründet sichdarauf, daß der Text nur für ein Bewußtsein als ein solcher mit Bedeutung vorliegt unddie Zielvorstellung der wissenschaftlichen Objektivität (Intersubjektivität) nur durchkontrollierte Beobachtung der rezipierten Textbedeutungen ermöglicht wird. Das be-deutet, daß die Konkretisation des literarischen Werks, in Wienolds Terminologie dieParaphrase des Textes, der Ausgangspunkt und die Grundlage aller weiteren textver-arbeitenden Prozesse ist (wobei die Paraphrase verbalisiert vorliegen kann oder auchnicht; Wienold 1974, 112f.). Dadurch daß man an den Konkretisationen/Paraphrasen(unter dem Ziel der Interpretation qua Konstruktion eines Textsinns) nicht die leser-spezifischen Merkmale akzentuiert, sondern sich auf die rezipierte Bedeutung konzen-triert, fungiert das rezipierende Subjekt nur als (Bewußtseins-)Medium und sind dieDaten in Richtung auf die Ebene des Textsinns (nicht notwendig nur eines!) zu rekon-struieren. Nur wenn man diese mediale Funktion verdrängt, kann man behaupten:

Der Leser verdrängt den Interpreten und an die Stelle der Interpretation tritt dieRezeption, mit dem erklärten Ziel, aus dem angeblichen Bankrott der hermeneuti-schen Praxis die Konsequenzen zu tragen, daß nämlich Beschäftigung mit der Litera-tur eine unexakte Tätigkeit darstelle, die keine anderen als rein subjektive Ergebnissehervorbringen könne." (Ingen 1974, 125).

Im Gegenteil: die Berücksichtigung der medialen Funktion des Rezipienten ermög-licht die Objektivitätssteigerung des literaturanalysierenden Prozesses in der intersub-jektiv kontrollierten Schaffung einer Datenbasis (von rezipierten Textbedeutungen)!

2. Die mediale Funktion des Rezipienten

Ich möchte die behauptete mediale Funktion des Rezipienten Zunächst am Beispielnicht-literarischer Texte verdeutlichen. Sie ist nämlich eine konstitutive Voraussetzungbei der Erforschung von informierenden oder Lehr-Texten und deren Brauchbarkeitbzw. Verständlichkeit. Man kann das Verständnis eines Textes durch einen Lesenden/

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Lernenden messen (z. B. durch Fragebogen mit Mehrfach-Wahl-Antworten oder Ein-setz- und Ergänzungsverfahren; vgl. Groeben 1976a

, 131ff.) und diese Verständnis-werte in Bezug auf die je individuelle Verständnisfähigkeit des Lernenden interpre-tieren. Das ist die direkte Relation

, in der man den empirischen (Meß-)Daten theore-tische Bedeutung gibt; sie ist am plausibelsten und daher zumeist in der Forschungs-genese auch die erste Form der Bedeütungsverleihung (von Daten in Richtung aufein theoretisches Konstrukt: hier Verstehensfähigkeit des lernenden Individuums).

Die gleichen Daten lassen sich aber durchaus auch anders interpretieren: indem mannämlich nicht mehr die interindividuellen Unterschiede im Verstehen der Lernenden

akzentuiert, sondern über diese Verständnisdaten auf die unterschiedlich schwierigenAuslösereize zurückschließt, und d. h. auf die Schwierigkeit des Textes.

In dieser

Weise faßt die Forschung zur Textverständlichkeit die erhobenen Verstehensdatenauf, d. h. definiert die empirischen Indikatoren in einer Bedeutung,

die den Rückbe-

zug auf die Textgrundlage akzentuiert. Diese Richtung der Konstruktion eines theo-retischen Konzepts, nämlich des Konzepts Textverständlichkeit anstelle von Textver-ständnis, baut eine indirektere Relation zwischen empirischen Daten und theoreti-schem Konstrukt auf und folgt, da methodologisch stärker sophisticated",

norma-

lerweise erst später in der Genese eines Forschungsprogramms. Der Gegenstand dertheoretischen Fragerichtung ist dann nicht mehr das Individuum,

an dem bzw. durch

dessen Aussagen/Handlungen Daten erhoben werden,sondern die vom Individuum

rezipierte/verarbeitete Umwelt (hier Texte), auf die mit Hilfe der Daten zurückge-schlossen wird: dies (Rückschließen) heißt, daß das individuelle Subjekt (die Versuchs-person - Vp -) Medium ist. Die Forschung zur Textverständlichkeit hat auf der Ba-sis dieser medialen Funktion des Lernenden eine Fülle von Ergebnissen zur Optimie-rung der Gestaltung von Instruktionstexten erbracht: von der Verständnis- und Lern-erleichterung durch kognitive Strukturierung bis zur Schaffung von Leseinteressedurch Fragen, Neuheit und kognitiven Konflikt (vgl. Groeben 1972b; 1976a). 1

Strukturparallel zu dieser Entwicklung der Forschung im Bereich der nicht-litera-rischen Texte ist nun auch die mediale Funktion des Rezipienten bei literarischenTexten postulier- und legitimierbar. Natürlich ist es unmittelbar naheliegend, empi-risch erhobene Daten der Konkretisation/Rezeption literarischer Werke zunächst alsLeserdaten zu interpretieren, d. h. unter dem Aspekt der interindividuell unterschied-lichen Fähigkeit zur Decodierung literarischer Werke, der Wirkung dieser Werke aufRezipienten etc.(s.u. IV). Gleichermaßen legitim ist es aber,

von den Konkretisatio-

nen auf die Texte und ihre Merkmale zurückzuschließen, d. h. den Rezipienten in

seiner medialen Funktion anzusetzen und die Konkretisationsdaten als Werkdaten

zu interpretieren. Und dies ist die Frageperspektive, die bei dem empirisch fundier-ten Aufbau eines Werksinns (durch den wissenschaftlichen Interpreten) verfolgt wird:die je individuell konkretisierten Bedeutungen des literarischen Textes (s. o. II.l)

werden als Medium genommen, von dem aus der (nicht-individuelle) Werksinn theo-

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retisch zu konstruieren ist. Werksinn" ist dabei auch hier nicht als Beschränkungauf die eine (richtige, adäquate) Interpretation zu verstehen, sondern als Ebene dertheoretischen Konstruktion, deren Virtualität der literaturtheoretisch postulierten

Potentalität" des literarischen Werks entspricht und gerecht wird (vgl. Groeben1972a, 173f.). Diese Frageperspektive als Subjektivierung der literaturwissenschaft-lichen Forschung zu empfinden (vgl. Ingen 1974, 124ff.; Link 1976, 170) ist aller-dings eine Verwechslung der operativen Oberflächenstruktur mit der methodologi-schen Tiefenstruktur: zwar wird die empirische Handlung der Konkretisationserhe-bung natürlich am Rezipienten-Subjekt vollzogen, doch ist dieses gerade nicht derGegenstand des wissenschaftlichen Fragens (er ist es nur bei Unterstellung der Kon-kretisationsdaten ausschließlich als Leserdaten); durch die methodologische Strukturdes Rückschlusses auf die Textebene ist vielmehr der thematische Gegenstand ein-deutig das literarische Werk! Die mediale Funktion des Rezipienten bei der literatur-wissenschaftlich-empirischen Werkinterpretation hält daher als thematischen Gegen-stand durchaus das literarische Werk fest, ermöglicht aber durch die empirische Er-hebung der rezipierten Textbedeutungen eine intersubjektive, fundierende Interper-tationsgrundlage.

Exkurs: Das Psychologismusproblem

Eng verbunden mit der Nicht-Berücksichtigung der medialen Funktion des Rezipien-ten und der daraus folgenden Subjektivierungsthese ist der Psychologismusvorwurf.Dieser Vorwurf bezieht sich gewöhnlich darauf, daß Argumente, Bedeutungen etc.auf mentale Prozesse reduziert werden (um sie dann ;,wegzuerklären"; vgl. Hirsch1967, 32); damit ist eine nichts-als"-Argumentationsfigur gemeint: wenn man z. B.die Kritik eines Jugendlichen an seinem Vater auf seine psychologisch verständliche(nachvollziehbare) pubertäre Protesthaltung zurückführt, und sich mit dieser Reduk-tion der Notwendigkeit enthoben glaubt, die Inhalte, die Bedeutung der Kritik alsArgument zu betrachten, sich damit auseinanderzusetzen etc. Es werden also durcheinen solchen Psychologismus die semantischen Bedeutungsräume (unberechtigt) aufindividualpsychische Merkmale des Subjekts reduziert. Dies läge bei der empirischenKonkretisationsforschung - wiederum - nur vor, wenn man Konkretisationen aus-schließlich als Leserdaten auffaßte und überdies den Werksinn als dadurch ersetzbar

ansähe. Die Implikation der medialen Funktion des Rezipienten verhindert jedochgeradezu diese Reduktion; vielmehr wird durch die mediale Frageperspektive nachdem Werksinn der nicht-psychologische Bedeutungsaspekt als konstitutiv angesetztund die rein psychologische Perspektive als bestenfalls instrumentell in die Mittel-,nicht Ziel-Dimension verwiesen. Interessanterweise kehrt sich unter diesem Aspektdie Vorwurfsrichtung des Psychologismusproblems u. U. sogar völlig um: denn die

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hermeneutische, auch rezeptionsästhetische Literaturinterpretation beharrt darauf,

daß es eine im Werk angelegte, vom Autor intendierte Leserrolle gibt,die als Kriterium

der Interpretation fungiere (vgl. Weinrich 1971; Iser 1972). Diese implizite Leser-rolle wird (definitorisch) als der Position des abstrakten Autors äquivalent angesetzt(Link 1976, 38ff.), so daß sich die Interpretation literarischer Werke (wiederum) aufdie Entdeckung der Autorintention (wenn auch nicht des realen

,sondern des vom

realen durch Abstraktion gewonnenen impliziten Autors) reduziert; ich will jetzt hiernicht darauf eingehen, wie durch Abstraktion (die nach normalem Sprachgebraucheinige zentrale Merkmale! an den konkreten Objekten abhebt) eine Erweiterung oderein Übersteigen der Intention des realen Autors möglich sein soll.A Zumindest kann

man darin einen Rückfall des rezeptionsästhetischen Analyseansatzes in die klassi-sche Autorperspektive der Interpretation sehen (AG Boll 1975, 243). Darin liegtsicherlich eine Tendenz zur Abschirmung gegen empirische Forschung" (Ag Boll,

ebda.), gleichzeitig aber auch die Gefahr eines Psychologismus: nämlich der Reduk-tion des Werksinns auf die autorintendierte Textbedeutung! Daß die Befürchtungeines solchen Psychologismus bei der hermeneutischen Literaturinterpretation nichtunberechtigte Polemik ist, läßt sich anhand empirisch-rekonstruierender Analysenzur Argumentationsstruktur literaturwissenschaftlicher Arbeiten zeigen (Grewendorf1975; Savigny 1976). Zwar geht das hermeneutisch-wissenschaftstheoretische Selbst-verständnis davon aus, daß Verstehensdaten (des Interpreten als Rezipienten) als Ba-sis der Interpretation dienen, doch das tatsächliche argumentative Verhalten ent-spricht diesem Selbstverständnis nicht: in den bisher untersuchten hermeneutischen

Interpretationen werden praktisch durchwegs psychologisch-biographische Argumen-te den Verstehensargumenten übergeordnet, und zwar in allen untersuchten Dimen-

sionen: sowohl der Kritik aneinander (Savigny 1976, 54), der Durchsetzungskraftgegeneinander (o. c, 66) und der generellen Erfolgsaussicht der Argumente (o.c.,84).ASavigny hat dabei - m. E. berechtigterweise - alle Argumente zur Autorintentionals psychologisch-biographische klassifiziert; auf dem Hintergrund dieser Klassifika-tion stellen die erlangten Ergebnisse eine starke empirische Stützung der behauptetenPsychologismustendenz bei hermeneutischer Literaturinterpretation dar.

Diese

Psychologismusgefahr (der Reduktion auf die Autorintention) ist in einer empirie-fundierten literaturwissenschaftlichen Interpretation naturgemäß überwunden,

da sich

sich diese auf Rezeptionsdaten (vom Leser aus) stützt,ohne ihrerseits dem Fehler

der Reduktion auf reine Leserrezeption zu verfallen (s. o. und III: Rezeption vs.Interpretation).

3. Konkretisationserhebung: Methodenbeispiele

Bei der Konzipierung der Konkretisationserhebung und ihrer Funktion für eine em-pirische Literaturinterpretation habe ich (1972a, 183ff.) aus den vorgeschlagenen

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Methoden (freie Assoziation, semantisches Differential, Einsetzverfahren, free card

sorting) die Methode der sogenannten cloze-procedure favorisiert. Es handelt sichdabei um ein Einsetzverfahren (nach Taylor 1953; 1956), bei dem jeweils das fünfteWort eines Textes ausgelassen wird, das der Rezipient (als Vp) einzusetzen hat; beiHeranziehung mehrerer Rezipienten wird dadurch für das ausgelassene Wort prak-tisch der assoziativ-rezeptive Bedeutungsraum konstituiert

" (Groeben 1972a, 186).

Man kann im übrigen durch Verschiebung des Auslassungsbeginns (unter Beibehaltungdes Fünferschrittes) bei vollständiger Rotation sämtliche Worte erfassen und so prak-tisch einen Konkretisationstext erstellen (Beispiel dafür eine Konkretisationsfassung

"

des Gedichts Ein Uhr mittags" von Krolow in Piontkowski & Groeben 1970, das inGroeben 1972a, 186f. und Schmidt 1975, 118 zitiert ist). Meine Einschätzung diesesVerfahrens als bisher beste Methode zur Konkretisationserhebung gründet sich darauf,daß der Sprachkontext für den Rezipienten am besten bewahrt bleibt (vgl. Groeben1970); allerdings habe ich gleichzeitig eingeräumt, daß die Aktivität der Vp bei dercloze-procedure doch wohl die Reproduktionsaktivität bei der normalen Rezeptionüberschreitet" (Groeben 1972a, 187). Von diesem Aktivitätsausmaß geht auchSchmidt aus, wenn er diese Erhebungsmethode kritisiert und bestenfalls als geeignetzur Ermittlung der Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmter Ausdrücke

" ansieht

(1975, 119); für ihn bleibt - zu Recht - zu unklar, wie ein solches aktives Einsetzenvon Worten in Richtung auf eine Konkretisation der Werkbedeutung verstanden wer-

den kann: Was mit diesem Material erreicht werden kann, ist so lange unklar, wiesolche Experimente nicht im Rahmen literaturwissenschaftlicher Forschungsprogram-

me durchgeführt und interpretiert werden." (ebda.)

Diese Kritik ist berechtigt, und ich will, zumindest ansatzweise, skizzieren, wieman sich die Verwendung solcher Einsetzantworten

" zur Feststellung einer rezipier-ten (subjektiven) Textbedeutung vorstellen kann. Dabei ist der Prozeßaspekt desVerstehensvorgangs besonders relevant: die optimale Bewahrung des Sprachkontextsbedeutet ja eine maximale Berücksichtigung der links-rechts-Determinationen beider (Encodierung als) Decodierung von Sätzen, Texten. In Lücken eingesetzte Be-deutungseinheiten können also den Aufbau der rezipierten Bedeutung quasi im Zeit-lupentempo deutlich werden lassen - ein Vorgang, den man in der Psychologie alsAktualgenese" bezeichnet (vgl. Graumann 1959; d. i. also eine durch die Methode

künstlich verlangsamte, entzerrte Entstehung einer Gestalt", hier Bedeutungsgestalt).Interessanterweise wird gerade diese Perspektive der Bedeutung als Ereignis

" von

Fish (1975) als zentrale Möglichkeit der literarischen Analyse expliziert und postu-liert; er macht ein entsprechendes procedere der Textanalyse u. a. an folgendem Bei-spiel deutlich:

That Judas perished by hanging himself, there is no certainty in Scripture: thougbin one place it seems to affirm it, and by a doubtful ward batb given occasion to

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translate it; yet in another place, in a more punctual description,it maketb it.

improbable to overthrow it.

Die ereignishafte Bedeutung (und damit Strategie") dieses Textes ist nach ihm eine:fortschreitende Verunsicherung" (o. c, 197), die er (ich stelle sehr gedrängt dar)

folgenderweise herausanalysiert - unter Rückgriff auf den eigenen Rezeptionspro-zeß -: das That" wird verstanden als Kurzform von the fact that" und führt zueiner Implikation dieses Faktums für den weiteren (vorgreifenden) Bedeutungsent-wurf beim Rezipienten. Die Zahl der Entwurf-Alternativen (für die Fish drei anführt)reduziert sich auf eine Möglichkeit nach den Worten tbere is wo": An dieser Stelle

kann der Leser ein einziges Wort erwarten und sogar voraussagen - doubt -; aberstatt dessen findet er certainty, in diesem Augenblick wird der Status des Sachver-halts unsicher, der eben noch als Bezugspunkt gedient hatte. (Ist es nicht gelungeneIronie, daß das Auftreten des Wortes Gewißheit Gelegenheit zum Zweifel gibt, wäh-rend das Wort Zweifel zur Gewißheit des Lesers beigetragen hätte)." (o. c, 197).Die weitere Analyse (der Rezeption) zeigt gleicherweise ein dauerndes In-der-Schwe-

be-Halten der Aussagemöglichkeiten: Es gibt zwei Wortbereiche im Satz; der einebietet das Versprechen der Klärung - place, affirm, place, punctual, overthrow -während der andere dies Versprechen stets enttäuscht - though, doubtful, yet, im-probable, seems;" (o. c, 198). Die (inneren) Handlungen des Erwartens" und Vor-

, aussagens" sind genau jene Operationen, die bei der cloze-procedure als reales Tunvom Rezipienten verlangt werden (vom covert

" zum overt" behavior). Auch die(abstrahierende) Beschreibung des angezielten Analyseverfahrens (für das Fish nochweitere Beispiele gibt) weist diese Strukturparallelität zur Prozeß- und Kontextper-spektive der cloze-procedure auf: Diese Methode besteht im wesentlichen darin

,das

Leseerlebnis so zu verlangsamen, daß Ereignisse", die bei normaler Geschwindigkeitnicht bemerkt werden

, die sich aber wirklich ereignen, unseren analytischen Bemü-hungen zugänglich werden. Es ist also, als ob eine Zeitlupenkamera mit automati-schem Aufnahmestop-Effekt unsere linguistischen Erfahrungen aufnähme und sie

uns zur Betrachtung darböte. Natürlich gründet sich der Wert eines solchen Verfah-rens auf der Vorstellung von Bedeutung als Ereignis, als etwas, das sich zwischen den

Worten und dem Bewußtsein des Lesers zuträgt, das. dem bloßen Auge unsichtbar ist,

aber das sichtbar gemacht werden kann.

" (o. c, 201). In eben diesem Sinne solltem. E

. die cloze-procedure als Methode zur Erhebung der rezipierten Textbedeutungoptimal eingesetzt werden; sie bietet dabei den Vorteil

, diese aktualgenetische Ana-lyse als intersubjektive Beobachtung (der Rezeption anderer Leser) zu leisten

,wäh-

rend Fish differenziert seinen eigenen Rezeptionsprozeß betrachtet - ein Verfahren,das Schmidt (1975, 168) als explizite Lesart" bezeichnet; das ich aber wegen derimplizierten Rezipient-Forscher-Konfundierung für Sonderfälle vorbehalten möchte(s. u. IV).

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Als Beispiel für eine empirische Rezeptionsanalyse mit Hilfe der Methode dercloze-procedure, die dieser Vorstellung relativ am nächsten kommt, möchte ich eine

Untersuchung von Faulstich (1976) anführen, die ein Gedicht von S. Crane zumGegenstand hat; Faulstich hat aus seiner subjektiven Rezeption heraus ( das Gedichtfür mich") die Leerstellen bestimmt, so daß relevante Bedeutungsteilmengen einzu-setzen sind, ohne daß der Bedeutungskontext aufgehoben ist; das Gedicht und seine

Leerstellenversion lauten:

I stood upon a high place,and saw, below, many devils,Running, leaping,And carousing in sin.One looked up, grinning,And said: "Comrade! Brother!"

I stood 1_a high 2

_

And saw, 3

4, leaping,

And 5_

6

, many devils,

in sm.

Jooked up, 7_And said: "8

Durch diese cloze-Version" ist (trotz der Unterschreitung des 5 -Worte-Abstands) dasVorverständnis des Gedichts (von Faulstich, nämlich: Bild eines Gegensatzes unddessen Aufhebung") nicht zerstört: Der Betrachter ( I

") steht oben ( high") und

ist den Vielen ( many") entgegengesetzt; die Überbrückung dieses Gegensatzes istzumindest nahegelegt ( looked up

"

,And said")" (Faulstich o. c). Die empirische

Untersuchung wurde in zwei Schritten vorgenommen: zunächst als Pilot-Studie inzwei Anglistik-Lehrveranstaltungen der Uni Tübingen, sodann als Repräsentativ-Be-

fragung aller anglistischen/amerikanistischen Literaturwissenschaftler der BRD (ge-nauere .Zahlenangaben vgl. Faulstich o. c). Die Auswertung erfolgte so, daß aus den

am häufigsten genannten Worten/Wortgruppen eine vollständige Ersetzungsversion"hergestellt wurde; dadurch ergeben sich für die Pilot-Studie zwei unterschiedlicheHauptversionen:

I stood on a high mountainAnd saw, below, many devils,Dancing, leaping,And living in sin./ looked up, sadly,And said: "Go away!

"

(dito)

They looked up, laughing,And said: "Join us

"

!

Bei der Hauptuntersuchung gab es nur eine Hauptversion, die praktisch mit derzweiten Hauptversion der Pilot-Studie identisch ist (mit dem einzigen Unterschied,daß in Zeile 4 statt living" das Wort wallowing

" den höchsten Nennungsgrad er-

reichte).

In beiden Ersetzungsversionen" des Gedichts ist die grammatische Oberflä-

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chenstruktur lückenlos erhalten geblieben" (o. c.)- Inhaltlich allerdings liegt eineVeränderung vor; und zwar hinsichtlich der letzten zwei Zeilen: in der erstenHauptversion stellen die letzten zwei Zeilen das Gedicht auf den Kopf, indem diePerspektive vertauscht wird. An die Stelle des Teufels, der die gleiche Sündenhaftig-keit für den Betrachter unterstellt, rückt das lyrische Ich, das in einer Abwehrre-aktion nach oben schaut und die Teufel von sich weist." (1. c). In der zweiten

Hauptversion wird die Perspektive zwar nicht vertauscht, dafür allerdings dieGleichheit des Sündenzustands unterschlagen" und das lockende Moment akzen-tuiert" (1. c). Faulstich nennt daher die erste Version eine Abwehr-Version und

die zweite eine positive" (die durch eine distanziert-akzeptierende Einstellung zurGedichtthematik charakterisiert ist; 1. c); beiden aber ist gemeinsam, daß derGegensatz zwischen oben und unten (auch im religiös-moralischen Sinn) nichtaufgehoben, sondern gerade bekräftigt wird (1. c). Nun ist natürlich evident, daßbeiden Einsetzversionen nur die Bedeutungserwartung der Rezipienten (aus demGedichtkontext heraus) abbilden (ich würde diese nicht wie Faulstich als Er-

wartungshorizont" benennen, da mir dieser Begriff durch das Jaußsche Konzeptdoch weiter und mit anderem Schwerpunkt gefaßt scheint); und die Bedeutungs-erwartung verfehlt beide Male (der häufigsten Einsetzversionen) die abschließendeBedeutungsgenerierung des Gedichts (qua subjektivem Interpretenverständnisvon Faulstich bei Vorliegen des Gesamtgedichts): das Aufheben des Gegensatzesin der Behauptung der Gleichheit des einen Betrachters auf der Höhe und der

Vielen dort unten." (1. c). Faulstich schließt daraus, daß der gesamte Text den(befragten) Lesern" auch heute noch etwas Unerwartetes, etwas .Neues' zusagen imstande ist." (1. c). Die Rezeption als Konstituierung der Bedeutung einesvorliegenden Textes kann nun, da ist Faulstich unbedingt recht zu geben, natür-lich nicht mit Hilfe einer solchen cloze-Version als Ausfüllung zentraler Text-Leer-stellen erfaßt werden; dazu wäre eben die Berücksichtigung der Reaktion auf gele-sene Sinneinheiten nötig. In der vorliegenden Form können die ausgefüllten cloze-Versionen nur die Folie der Bedeutungserwartung des Rezipienten aus dem Kon-text heraus ergeben, die allerdings notwendige Grundlage für die davon abzuhe-benden Bedeutungsrezeptionen der textuellen Sinneinheiten sind. Der Rückgriffauf die Prozeßcharakterisierung der Rezeptionsanalyse bei Fish ermöglicht hiereine erweiternde Differenzierung der Erhebungsmethodik: man kann den vonFish beschriebenen Vergleich zwischen der Bedeutungserwartung und der tat-sächlichen, rezipierten Bedeutung(süberraschung) methodisch am besten realisie-ren, indem man eine zweite cloze-procedure dagegenhält, innerhalb derer aller-dings dem Rezipienten nach jeder Einsetzung die ( richtigen") im Text stehen-den Worte angegeben werden. Dadurch gibt es eine zweite Serie von Leerstellen-ausfüllungen, die eine Reaktion auf den bis zu dieser Stelle vollständigen Text-sinn darstellen; man nennt diese Form des Einsetz-Verfahrens progressive cloze-

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procedure (vgl. Groeben 1976a). Aus dem Vergleich zwischen den Ergebnissender beiden Methodenvarianten (simultane und progressive cloze-procedure) solltesich die rezipierte Textbedeutung als Ereignis" im Sinne Fishs rekonstruierenlassen (da dies der Vorschlag einer Methodenerweiterung ist,

kann ich dafür

noch kein empirisches Beispiel beibringen). Allerdings muß auch diese Kombi-nation von Varianten der cloze-procedure versagen, wenn das zentrale (Textsinnkonstituierende) Ereignis" am Textschluß steht (wie in diesem Fall: Comrade!

Brother!"); denn danach gibt es keine (ausfüllbare) Leerstelle mehr. Dann bleibtnur noch eine Erweiterung (wie Faulstich es auch vorschlägt) mit Hilfe assozia-tionstheoretischer Methoden (freie Assoziation und semantisches Differential).

Freie Assoziation und semantisches Differential

Die Methoden des freien Assoziierens und des semantischen Differentials (Os-

good) oder auch nach Hofstätter Polaritäten-Profil genannt (vgl. Groeben 1972,188ff.) sind in einer sehr differenzierten und umfassenden Rezeptionsanalysevon Bauer et al. (1972) eingesetzt worden-, diese Verfahren kommen besondersliterarischen Werken mit ausgeprägter assoziativer Aura entgegen (Groeben 1972a,

185). Allerdings würde ich ihren Einsatz nicht, wie es Bauer et al. (1972, 6 und

12) tun, auf multivalente" Texte (im Sinne von Schmidt 1972a) beschränken.

Bauer et al. untersuchen das Gedicht Fadensonnen" von Celan und stellen die

wichtigen (Unbestimmtheits-)Stellen des Gedichts, an denen die individuelle,

subjektive Konkretisation ansetzt, durch zwei Fragen innerhalb des Erhebungs-Fragebogens (nach der Wichtigkeit sowie Schwer-Verständlichkeit) fest:

bei der Wichtigkeit" war eine Rang-reihe zu bilden

, bei der Schwerver-ständlichkeit" anzukreuzen:

Fadensonnen

über der grauschwarzen Ödnis.Ein baum-

hoher Gedanke

greift sich den Lichtton: es sindnoch Lieder zu singen jenseitsder Menschen.

1 Fadensonnen.

8 Lichtton

2 über 9 noch

3 grauschwarzen 10 Lieder

4 Ödnis 11 zu singen5 baum/hoher 12 jenseits6 Gedanke 13 Menschen

7 greift sich

Bei der freien Assoziation spielen naturgemäß die Metaphern die größte Rolle:Fadensonnen; baum-hoher Gedanke; Lichtton

.Dabei lassen sich die Assoziatio-

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nen einzelnen Metaphernteilen zuordnen: - Assoziationen zum Metaphernteil 1(MTi z. B. Licht); - Assoziationen zum Vermittlungsbereich (VM z. B. Licht-ton); - Assoziationen zum Metaphernteil 2 (MTj z. B. Ton)" (o. c, 133). Bauer

et al. schematisierten dabei die Assoziationsräume in drei Stufen: I unreflek-

tierte Stufe (Synonym, Paraphrase, Bildvorstellung); II analytische Stufe - De-codierung - (exteriore Komponenten, konnotative Weiterführung); III Verar-beitung - Encodierung - (allgemeine Weiterführung, Konnotationen im abstrak-ten Bereich)" (o. c, 129). Als Beispiel für die Ergebnisse sei hier die Zusammen-stellung zum Assoziationsraum von Fadensonnen" (o. c, 135ff.) noch einmal

komprimiert (stichwortartig) wiedergegeben: das allgemeine Schema des Asso-ziationsraumes wird voll abgedeckt (mit einem zusätzlichen Schwerpunkt vonLautassoziationen); häufigste assoziative Reaktion: Sonnenstrahlen, Sonnenfä-den; gleiche Verteilung der Assoziationen auf die Metaphernteile Faden undSonne; starker Anteil konnotativer Weiterführungen beim Teil Sonne, wobei dieAssoziationen in den Kategorien Wärme (z. B. warm, kalt, frösteln, brennend),Qualität (z. B. verhangen, verschwommen, verschleiert) und Intensität (z. B.stark, schwach, dünn, matt, bleich) ausgeprägte negative Tendenzen zeigen; beimMetaphernteil Faden weniger konnotative Weiterführungen, dafür Assoziationenaus dem Alltagsbereich (z. B. Naturbereich: Schlangen, Krake, Regenwürmer);besonders häufig Anknüpfungen an den Begriff fadenscheinig'1 (schadhaft, vor-dergründig, leicht durchschaubar); im Vermittlungsbereich vor allem Bildvor-stellungen mit Akzentuierung der Form (Lichtpunkte, sternförmig etc.), des all-täglichen Erfahrungsbereichs (Sonnenstrahlen durch Wolken/Dunst/Nebel/Baum-geäst) und der Konsistenz (zerrissen, bündelweise, dünn); insgesamt ist der Kom-plex der Bildvorstellung, auch gerade im Vergleich zu anderen Gedichtmetaphern,hier besonders relevant: Nur zu Fadensonnen finden sich eine große Anzahlvon Assoziationen, die eine Bildvorstellung enthalten. Die Skala der Assoziatio-nen reicht von einfacher Umsetzung der Metapher in eine visuelle Vorstellung(Sonne, wie ein Faden) bis zu affektiv geladenen Vorstellungen (verzerrte Son-nen, trübes Zwielicht, Sonne, Licht: vernichtende Gewalt einer Atomexplosion)"

(o. c, 138). Dieses Ergebnis ist (im Bereich der von Bauer et al. so genanntenmikrosemantischen Analyse) ein Hinweis auf unterschiedliche Rezeptionsver-sionen des Gedichts, die sie im makrosemantischen Bereich herausarbeiten (s. u.).

Zuvor aber stellen Bauer et al. mit Hilfe des semantischen Differentials eine

relativ große Ähnlichkeit des konnotativen Assoziationsraums der drei zentralenGedichtmetaphern fest (wie schon Abb. 2 anschaulich zeigt):

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Semantisches Differential der Konzeptetadensonnen, Lichtton und baumhoher Gedanke

vorstellbarunvorstellbar

häßlich

schwach

gegenständlichVingegenständlich

tingewöhnlichgewöhnlim

komplex

dunkel

lebendig

unwichtig

imheimlidt i vertraut

bestimmtunbestimmt

1 natürlichübematürlidt

optimistischpessimistisch

wirklichunwirklich

Die graphischen Zeichen markieren jeweils den Mittelwert der Gesamtgruppe:A Fadensonnen

O Lichttonbaumhoher Gedanke

Abb. 2 nach Bauer et al. 1972, 144

Beim semantischen Differential lassen sich die einzelnen Adjektivpolaritätendurch eine Faktorenanalyse zu gemeinsamen Dimensionen zusammenfassen (aufdenen die Adjektivpaare als Variablen laden"). Die Assoziationsräume der dreiMetaphern lassen sich anhand der Skalierungsergebnisse (Abb. 2) auf drei Dimen-sionen reduzieren: 1. Aktivität-Bewertung (Lichtton, Fadensonnen) bzw. Akti-vität-Potenz-Bewertung (baumhoher Gedanke); 2. Realität-Irrealität-Bewertung;3

. Exzeptionalität-Potcnz (Lichtton, baumhoher Gedanke) bzw. Exzeptionalität

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(Fadensonnen)." (o. c, 152). Auch hinsichtlich der Ausprägungen der einzelnenVariablen/Adjektivpaare ergibt sich eine große Ähnlichkeit; diese wird durcheine Korrelation der Distanzen der 18 Polaritäten errechnet (Tab. 1; Bauer et al.1972, 154):

Fadensonnen Lichtton

Fadensonnen

Lichtton .826 (ss)baumhoher Gedanke .654 (ss) .672 (ss)

Bauer et al. interpretieren dieses Ergebnis als starke Determination durch denGesamteindruck des Gedichts, so daß die Konfiguration jedes Konzepts vomAssoziationsmuster des Gedichts überlagert ist." (o. c, 154). Man kann als Al-

ternativerklärung aber auch anführen, daß das semantische Differential und diefaktorenanalytische Auswertung bereits von der Methode her implizit (und da-mit unhintergehbar) die Reduktion des Assoziationsraums auf möglichst wenigDimensionen anstreben und nicht danach fragen,

wie viele Dimensionen an

diesem Raum gerade noch unterschieden werden können.

" (Hörmann 1967,

204). Diese methodeninhärente (Reduktions-)Dynamik führt unvermeidbar auchzu einer Nivellierung potentieller Unterschiede zwischen Konzepten. Es ist daher

m. F.. nicht eindeutig zu entscheiden, ob die Ähnlichkeit der zentralen Metaphernim Gedicht Fadensonnen" mehr ein methodisches Artefakt oder in der Tat ei-nen systematischen Effekt des Gesamtkontextes und -assoziationsraums dar-stellt. Eine Antwort auf diese Frage und damit auf das Problem, wie geeignet dassemantische Differential für die Erhebung unterschiedlicher Konkretisationenist, wird erst nach weiteren empirischen Untersuchungen mit dem Polaritäten-profil möglich sein.

Immerhin ergeben sich in der Untersuchung von Bauer et al. bei der Zusam-

menschau von freien Assoziationen, Polaritätenprofilen und Antworten auf die

Frage nach dem Schwerpunkt des Gedichts 3 verschiedene Konkretisationsver-sionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Bedeutungskonstituierung:die Version, die die Bildvorstellung in den Mittelpunkt der Gedichtrezeptionstellt, geht vom 1. Satz aus (o. c, 166ff.); vom 2. Satz ausgehend ergibt sich ei-ne Bedeutungskonstituierung, die den Akzent auf das dynamische Element desTextes" legt (o. c, 173ff.); eine recht heterogene Gruppe geht vom 3.

Satz aus

und kommt zu einer von Bauer et al. als metaphysisch" benannten Textinter-pretation (o. c, 177ff.). Innerhalb dieser verschiedenen Konkretisationsversio-nen lassen sich dann auch noch Unterschiede in den semantischen Differentialender Hauptkonzepte sichern, doch fällt dieser Aspekt der Auswertung des seman-tischen Differentials mehr in den Bereich der Prüfung von Hypothesen über di-

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vergierende Textrezeptionen (seiegierende Konstrukt-ZInterpretationsvalidierung),

der wegen des Hinausgehens über die thematische Frage der medialen Funktionhier nicht mehr behandelt werden kann.

III. Trennung von Rezeption und Interpretation-, am Beispiel der Adäquanz-frage

1. Adäquanzproblem: Grenzziehung durch Textmaterialität

Das Empirisierungsprogramm der Literaturwissenschaft fordert an zentraler Stel-le explizit die Trennung von Deuten und Daten" (Groeben 1972a, 168), undzwar wegen der Unterschiedlichkeit von Rezeption und Interpretation. Denn:

Die erlebnismäßige Konkretisation des literarischen Werks ist zweifelsohne dieGrundlage der (literatur)wissenschaftlichen Betrachtung, muß selbst aber nichtwissenschaftliche Merkmale aufweisen, ja sollte es nicht einmal.

" (o. c, 168);

Interpretation ist davon als theoretische Anstrengung" abzuheben (ebda.). Das

entspricht genau der Unterscheidung z. B. von Kaiser zwischen kultiviertem

Leseerlebnis" und Interpretation: während das Leseerlebnis als nicht-wissen-schaftliche Rezeption

" einzuordnen ist, umfaßt die wissenschaftliche Interpre-

tation die Frage nach ihrer Erkenntnisperspektive" (Kaiser 1971, 27). Um die

Verschmelzung von Erleben und Interpretation", die m. E. in der hermeneu-tischen Literaturwissenschaft vorliegt ( Subjekt-Objekt-Konfundierung

") auf-

zulösen, werden diese unterschiedlichen Prozesse im Empirismusprogramm auch

verschiedenen Subjekten zugeordnet, d. h. die Trennung von Rezipient und In-

terpret propagiert (Groeben 1972a, 168). Grundlage dieser Forschung ist geradedie Unterschiedlichkeit der Prozesse von Rezeption und Interpretation; daherist es als Abwehr (der Empirisierungskonzeption) zu klassifizieren, wenn man(wie Steinmetz 1974, 64), die Zuordnung zu verschiedenen Subjekten benenntund trotzdem die implizite Identität der Prozesse behauptet: Der in dieser For-

derung implizit enthaltenen, von Groeben und Leibfried auch explizit verlangtenTrennung von Rezipienten und Interpreten kann nur zugestimmt werden. Darü-ber hinaus ist Rezeptionsforschung und -interpretation von außerordentlich gro-ßer Bedeutung für die Literaturgeschichtsschreibung und für ideologiekritischeUntersuchungen. Trotzdem kann und darf die rezeptionsgeschichtliche Unter-suchung die selbständige Interpretation nicht ersetzen.

" Dieser Forderung ist zu-zustimmen und nur darauf hinzuweisen, daß eine empirische Literaturwissen-

schaft gerade dies leisten will. Und Interpretation besteht im empirischen Pro-

gramm auch nicht aus blanker Addition von Rezeptionen, wie es gern unterstelltwird, (vgl. Ingen 1974,101: Bei Groeben werden nun aber die getrennten Be-

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griffe auf unzulässige Weise vermischt. Was hier für Interpretation ausgegebenwird, ist nichts anderes als die Summe von (oder der größte gemeinschaftlicheTeiler aus) verschiedenen Leserrezeptionen." Diese Behauptung ist nicht kor-rekt, da das oben (unter I, vgl. Abb. 1) vorgestellte Modell außer der Erhebungder Leserrezeptionen auch die Feststellung der materialen Textstruktur vorsieht:dabei soll die material-objektive Textdeskription als materiales Außenkriteriumfür die sinnhafte Konstituierung des literarischen Werkes" (Groeben 1972a

, 183)

innerhalb der Interpretation fungieren. Dieses In-Beziehung-Setzen zwischenmaterial-objektiv beschriebener Textstruktur und intersubjektiv erhobenen Kon-kretisationsdaten stellt, zumal es ja eine Analyse der Konkretisationen impliziert,

einen ganz eindeutigen Unterschied zwischen Rezeption und Interpretation dar.Die Relation zwischen materialer Textstruktur und Konkretisationsdaten

,die in

der Interpretation (als theoretischer Konstruktion des Werksinns) analysiertwird

, ermöglicht auch die Beantwortung einer Frage, die für den hermeneuti-schen Literaturwissenschaftler eines der zentralen Interpretationsprobleme ist:die Frage, welche Rezeption(en) als adäquat, als zulässig anzusehen ist (sind).

Die Unterschlagung des Unterschieds von Rezeption und Interpretation imempirischen Modell führt bei Hermeneutikern häufig zur These, daß empirischeLiteratur-ZTextanalyse die absolute Beliebigkeit der Rezeptionsvielfalt impliziere:Die Rezeptionsforschung dagegen tendiert dazu, das Recht, das sich die Leser

willkürlich herausgenommen haben, beschreibend so weitgehend zu akzeptieren,

daß sie faktisch die These von einem unverbindlichen Meinungspluralismus ver-tritt." (Hillmann 1974, 235). Was hier dem empirischen Programm unterstelltwird, ist schlicht ein naturalistischer Fehlschluß

, d. h. die (unzulässige) Ablei-tung von Präskriptionen (Wertungen) aus Deskriptionen. Unzulässig ist ein sol-cher Schluß deshalb, weil der Bedeutungsumfang eines abgeleiteten Satzes niedenjenigen seiner Prämisse überschreiten kann und daher aus empirisch-deskrip-tiven Aussagen (ohne präskriptive Prämissen) keine Präskriptionen abgeleitetwerden dürfen (Prim & Tilmann 1973

, 119). Trotzdem sind Wertungen natürlichmöglich, nur stecken sie schon in den präskriptiven Oberprämissen der deskrip- *tiven Sätze, aus deren Kombination (präskriptive Prämisse und deskriptiver Satz)dann Wertungen ableitbar sind; eine entsprechende Oberprämisse (die Hillmannpraktisch voraussetzt), daß jede erforschte Konkretisation eines literarischenTextes auch richtig" sein muß (weil sonst nicht erforschungswürdig),

hat die

Rezeptionsforschung aber (m. W.) nie propagiert. Was sie allerdings implizit undexplizit verfolgt, ist eine Umgewichtung der Frageperspektiven.

Es kommt der

empirischen Literaturwissenschaft in sehr viel größerem Ausmaß zunächst ein-mal auf die Deskription möglicher Werkkonkretisationen an als auf die Bewer-tung solcher Rezeption. Darin gleich auch eine wertende Akzeptierung aller po-tentiell auftretenden Rezeptionen zu sehen,

ist nur ein Indikator für die über-

64

mäßig starke Wertungstendenz innerhalb der hermeneutischen Literaturanalyse.Es handelt sich hier um eine unterschiedliche Gewichtung der beiden möglichenIrrtumsklassen (in der Statistik alpha-bzw. beta-Fehler genannt): Richtiges ab-zulehnen oder Falsches zu akzeptieren. Die hermeneutische Literaturwissen-

schaft ist absolut darauf konzentrien, möglichst nichts Falsches (besonders auch

keine inadäquate Rezeption) zu akzeptiere« (und muß damit notwendig eineerhöhte Gefahr der Verwerfung von Richtigem, auch eventuell adäquaten Rezep-

tionen, eingehen). Die empirische Literaturwissenschaft akzentuiert die entge-gengesetzte Tendenz: möglichst nichts Richtiges abzulehnen (und geht dabei be-

wußt die erhöhte Gefahr der Akzeptierung von Falschem ein). Die Begründung

ist folgende: wenn literarische Texte als Produkte kreativer Tätigkeit ästhetischeInformation, also Neues bieten (wie auch die hermeneutische Literaturtheorie

es postuliert), dann sollte auch die wissenschaftliche Analyse mehr ihrer Funk-

tion der Ent-Grenzung (s. o. Multivalenz) gerecht werden als die Be-Grenzungthematisieren. D. h. die Rezeptionsforschung hat mehr Interesse an der Ampli-

tude (Lämmert 1973, 170) möglicher Rezeptionen als an der Harmonie eines(stimmigen) Werksinns! Dazu aber ist zunächst einmal die umfassende Deskrip-tion aller empirisch vorfindbaren Konkretisationen nötig. Es ist erstaunlich, wiedie hermeneutische Literaturwissenschaft (angeblich) die Perspektiven der Re-zeptionsästhetik freudig aufnimmt und dann noch dieser Perspektive zutiefstentgegengesetzte Fragen favorisiert, übergewichtet. An einem immer wieder an-geführten Zitat verdeutlicht: nach Sartre ist Lesen gelenktes Schaffen

" (crea-

tion dirigee; 1974, 169); die empirische Literaturwissenschaft fragt zentral nachder (dem literarischen Kttwstwerk gerecht werdenden) creation"; denn hier isteine legitime Möglichkeit gegeben, über den Rezipienten eine Strukturparalleli-tät zwischen Künstler und Wissenschaftler (im Hinblick auf die Kreativität) auf-

zubauen, ohne daß in einer kurzschlüssigen Identifizierung von z. B. literarisch-

mehrdeutiger Sprache mit wissenschaftlicher Metasprache unabdingbare Wissen-

schaftskriterien (wie Präzision, Nicht-Vagheit der Wissenschaftssprache etc.)unterlaufen werden. Die hermeneutische Literaturanalyse aber thematisiert fastausschließlich (und im Gegensatz zu ihren eigenen Ästhetikpostulaten) den As-

pekt der Lenkung" (des Dirigierens") und wehrt die Höhergewichtung der

kreativen Konkretisations-ZRezeptionsvielfalt (Amplitude) zumeist vehementab. Beispiele: Die sinnschaffende Tätigkeit des Rezipienten wird dabei sehrstark von persönlichen, gesellschaftlichen und historischen Umständen gesteu-ert werden. Die Gefahr nur willkürlicher Sinnkonstruktionen ist dann nicht hy-

pothetisch." (Steimetz 1974, 52); Aber seine (des Lesers, N. G.) Freiheit istnicht unbegrenzt und die Reihe der möglichen Konkretisationen nicht unend-

lich. Zwar bietet der Text ihm einen Spielraum von Möglichkeiten, aber dieserist eingegrenzt. . ." (Ingen 1974, 116). Es soll nicht abgestritten werden, daß

65

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dies eine legitime Frageperspektive ist,nur eben eine, die literarischen Texten

gegenüber m. E. derjenigen der kreativen Rezeptionsamplitude nachgeordnetsein sollte. Die empirische Literaturwissenschaft/Rezeptionsforschung setzt dieFrage der Rezeptionsadäquanz daher explizit und dezidiert als sekundär an,

kann

sie allerdings dennoch (in entsprechend präzisierender Rekonstruktion) beant-worten. Sie tut das unter Rückgriff auf die objektiv erhobene materiale Text-struktur; ich möchte im folgenden ein Beispiel auf der Grundlage linguistisch-struktureller Verfahren geben.

2. Empirische Relationsanalyse von Textmaterialität und Konkretisations-

struktur

Die erste Voraussetzung zur Lösung dieser Aufgabe ist eine klare Grenzziehungzwischen dem Bereich material-objektiver Verfahren und der Konkretisations-ebene. Prinzipiell sind solche Verfahren als material-objektive zu akzeptieren,

bei denen auf der Ebene von Klassifizierung und Kategorisierung intersubjek-tive Übereinstimmung erreichbar ist (Groeben 1972a, 175f.) - das ist gewöhn-lich bei phonetischen, phonologischen, syntaktischen Einheiten der Fall. Bei se-mantischen Einheiten ist es zumindest problematisch, materiale Objektivität an-zusetzen. Das hat sich auch in Hinblick auf linguistisch-strukturelle Verfahrenherausgestellt, die z. T. ihr Reformpotential gegenüber der Literaturwissenschaftgerade in der methodischen Objektivierung der Strukturbeschreibung auf seman-tischer Ebene gesehen haben. Am Beispiel der strukturalistischen Interpretatio-nen des Gedichts Les chats" von Baudelaire hat Posner (1972) gezeigt, daß die-ser Anspruch zum größten Teil nicht berechtigt ist. Besonders im Bereich derInterpretation als Synthese analytisch beschriebener Äquivalenzrelationcn sindzwei notwendige Bedingungen für die Aufrechterhaltung einer (beschreibenden)Intersubjektivität nicht gegeben: 1. Die Aufzählbarkeit der Menge aller mög-lichen Äquivalenzkriterien (Analysegesichtspunkte), 2. Bewertungskriterien, diedas relative Gewicht der Analysegesichtspunkte generell für alle Leser so fest-legen, daß es auf einer Meßskala abgelesen werden kann." (o. c, 221). Da die

erste Bedingung prinzipiell unerfüllbar ist und der Interpret in diesem Bereichauf die eigene Rezeption zurückgreifen muß, nennt Posner die entsprechendeSynthese in Richtung auf ein Supergedicht" Analysepoesie" (o. c, 223). Wolff

hat (1977) herausgearbeitet, warum das strukturalistische Verfahren auf der se-

mantischen Ebene keine Kriterien für die Kriterienbildung" (o. c, 17) besitzt:

das strukturalistische Analysemodell arbeitet ständig. . . mit assoziationspsy-chologischen Voraussetzungen . . .: der Eindruck von der empirischen (= inter-subjektiven) Kontrollierbarkeit der strukturalistischen Deskriptionen konnte

66

eigentlich nur deshalb entstehen, weil offenbar die mentalen Vorgänge der Äqui-

valenz- und Kontrastwahrnehmung genügend universell sind, um die im Verlauf

der Analyse getroffenen Entscheidungen über Similarität und Dissimilarität alsintersubjektiv eindeutig erscheinen zu lassen." (o. c, 19f.; vgl. die assoziations-psychologischen Ergebnisse zum Ähnlichkeits- und Kontrastprinzip; Hörmann

1967, 141ff.). Das führt auf Ebenen bis hin zur Syntaktik zu genügend intersub-jektiven Ergebnissen, nicht aber auf der semantischen Ebene.- So leicht eine

eindeutige Entscheidung über Similarität/Dissimilarität etwa auf der Stufe des

Graphems, Phonems oder Syntagmas fällt (und so hoch damit die Reliabilität

pa

rce

lle

prune

lle

doux

sa

ble

ch

at

fr

il

eux

mai

son w

Ü'

So s

ed

en

tai

re

eti

nce

lle

5 6 7 15 17 22 23 30 31 40 48

parcelle 5 7 3 9 2 2 7 11 11 2 10

prunelle 6 7 4 5 10 6 4 9 8 3 12

doux 7 3 4 5 9 11 8 3 4 6 2

sable 15 9 5 5 2 4 1 12 17 2 10

chat 17 2 10 9 2 12 6 2 3 5 2

frileux 22 2 6 11 4 12 10 1 1 11 1

maison 23 7 4 8 1 6 10 1 1 16 1

etoiler 30 11 9 3 12 2 1 1 19 2 21

or 31 11 8 4 17 3 1 1 19 1 16

sedentaire 40 2 3 6 2 5 11 16 2 1 1

etincelle 48 10 12 2 10 2 1 1 21 16 1

Abb. 3: Diagonal-Matrix der Ähnlichkeitsmaße (Ausschnitt; Wolff 1977)67

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24 22 20

fond 1

solitude 4

silence 11

fin 21

Saison 15

mürc 19

savant 3

science 33

austtre 12

chercher 20

ami 2

aimer 14

amoureux 34

fervent 10

volupte 29

reins 32

fecond 42

pareelle 5

etoiler 30

itincelle 48

sable 15

or 31

prunelle 6

doux 7

chat 17

frileux 22

tnaison 23

sedentaire 40

horreur 8

tenebres 28

coursierfun S

Erebe 26

noble 9

fierte 27

otgueil 36

puissant 49

attitude 39

prendre 41

servage 35

incliner 37

Sphinx 13

grand 44

Sans fin 24

songer 38

reve 43

allonger 45

s'endormir 47

mystique 18

magique 46

18 16_

i I i L14 12

Ähnlichkeitsmaß

10 8 6 4-

i ! i ! ' I .

z>

Abb. 4: Clustcr-Analyse der Ähnlichkeitsdaten (Maximum-Methode)

68

des Verfahrens auf den formalsprachlichen Analyseebenen realiter ist), so pro-blematisch ist die gleiche Entscheidung (und damit wieder die Reliabilität desVerfahrens) von Fall zu Fall auf der semantischen Ebene!" (o.e., 20). Daraus

folgt, daß das linguistisch-strukturelle Verfahren auf der semantischen Textebeneals ebenso intuitiv wie klassische Interpretationsverfahren" (o. c, 32) anzuse-

hen ist. Daher können die semantischen Symmetrien des Texts auf objektive,empirisch-kontrollierbare Weise nur über den Rezeptionsvorgang . . . ermitteltwerden" (o. c, 47).

Genau diese Aufgabe, mit Hilfe von empirischen Konkretisationsdaten an-stelle von Analysepoesie die semantischen Textsymmetrien zu ermitteln, hatWolff in einer empirischen Rezeptionsuntersuchung für idas Gedicht Le chats"(französischer und deutscher Text im Anhang) durchgeführt. Er hat dazu dasdem strukturalistischen Analysemodell strukturparallele empirische Verfahrendes free card sorting benutzt, das praktisch eine ökonomische Form einer Ähn-lichkeitsskalierung darstellt - die Anzahl der Ähnlichkeitsklassifikationen wirdin einer Diagonalmatrix wiedergegeben (vgl. als Beispiel Ausschnitt aus WolffsDaten: Abb. 3, nach Wolff 1977, 69). Auf Grund der Datenmatrix werden mit

Hilfe des statistischen Verfahrens der hierarchischen Clusteranalyse hierarchischstrukturierte Gruppen (von Begriffen/Konzepten) herausgearbeitet, aus denensowohl die Ähnlichkeitsbeziehung der Variablen (= Gruppierung) wie auch derjeweilige Grad der Ähnlichkeit (= Häufigkeit der Ähnlichkeitsklassifikation durchdie Versuchspersonen) direkt ablesbar ist." (o. c, 71). Bei der Durchführungder Untersuchung wurden als sinntragende Einheiten alle Substantive, Adjektiveund Verben zur Klassifikation angeboten (o. c, 75); Versuchspersonen (Vpn)waren 28 (französische) Studenten der Universität Bordeaux III (o. c, 76). Die

hierarchische Clusteranalyse ergibt ein (rezipiertes) System von semantischenÄquivalenzklassen (vgl. Abb. 4: nach Wolff 1977, 164), die Wolff Kontext-Me-taphern nennt (o. c, 78ff.).

Es ergeben sich 9 Kontext-Metaphern (A bis I), die im Prinzip direkt aus derAbbildung ablesbar sind; ich gebe die von Wolff als Daten-Interpretation gewähl-ten Benennungen an und zitiere zur Verdeutlichung seine Ausführungen zu zweiKontext-Metaphern: A: Leere/Tiefe; B: Gelehrsamkeit/Strenge: Die leicht ein-sichtige und auch auf hohem Niveau (mindestens Ähnlichkeitsmaß 10) konstru-ierte Kontext-Metapher umfaßt die Elemente savant und science (Ähnlichkeits-maß 23), austire (15) und chercher." (o. c, 90); C: Liebe/Sexualität; D: Klein/

rund/beweglich/leuchtend; E; Katzen-Metapher: Die einzige Gruppierung, diein der Cluster-Analyse nach der Maximum-Methode kein (auf den ersten Blick)sinnvolles Ergebnis darstellt, ist die um die Themavorstellung Katze" aufgebaute(chat, frileux, doux, tnaison, sedentaire). Ein Äquivalenzkriterium für den Kem-bereich (chat, frileux, doux) ließe sich höchstens auf sehr abstraktem Niveau fin-

69

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den ( taktile Körpersensation"); wahrscheinlicher ist jedoch,daß sich diese

Gruppierung - einmal abgesehen von der Kombination maison/sMentaire - . ..aus kontextbedingten, d. h. vom Gedichttext erst geschaffenen Kontiguitätsre-laten zusammensetzt." (o. c, 91); F.- Schrecken/Tod; G: Stolz/Dominanz; H.-Traum/Schlaf; I: Geheimnis.

Den Teil der Begriffszuordnungen, der offensichtlich nicht durch semantischeÄquivalenz zustandegekommen ist, faßt Wolff als durch den Gedichtkontext be-dingte Kontiguitätsrelate auf und erklärt diese als syntagmatische Assoziationenmit der Funktion von Kontext-Metonymien (o. c, 94ff.). Die unbefriedigendeKlassenbildung der Katzen-Metapher löst Wolff durch den Einsatz der Minimum-

Methode" der Cluster-Analyse (o. c, 120ff.) auf; ergeht dabei von der Überle-gung aus, daß bei dem Thema-Konzept des Gedichts eigentlich nicht die homo-gene Geschlossenheit der Metapher das wichtigste ist, sondern eher eine Verbin-dung dieser Metapher mit vielen anderen verbalen Einzelelementen der unter-schiedlichen Metaphern zu erwarten ist. Diese Hypothese ließ sich sowohl hin-sichtlich der eindimensionalen Beziehungen zu einzelnen Begriffen (o. c, 177ff.)

als auch der mehrdimensionalen Beziehung zu den anderen Metaphern sichern(o. c, 122): lediglich zu den Metaphern ,.Gelehrsamkeit/Strenge'' und Geheim-nis" ist der Verknüpfungsgrad relativ gering (ebda.). Eine Synthese der Ergeb-nisse hinsichtlich der Verteilung der Metaphern auf die Strophen des Gedichts;führt zu folgender Globalstruktur der Gedichtmetaphorik (vgl. Abb. 5,

nach

Wolff o. c, 127):

1. Quart. E B G C A

II. Quart. F B G C A

I.

Terz. H G A

II. Terz. D+I C A

Abb. 5: Verteilung der Kontext-Metaphern auf die Strophenstruktur des Gedichts

In verbaler Umschreibung bedeutet diese Graphik, daß als dominierende Vor-stellung der ersten Gedichtstrophe die (themabezogene) Katzen-Metapher" (E)

auftritt, während in der zweiten Strophe die Vorstellung Schrecken/Tod" (F),

im ersten Terzett die Vorstellung Traum/Schlaf" (H) und im zweiten Terzettdie Vorstellungen klein/rund/beweglich/leuchtend" (D) sowie Geheimnis"dominieren. Die Vorstellung Gelehrsamkeit/Strenge" (B) beschränkt sich auf

70

den Raum der beiden Quartette, die Vorstellung Stolz/Dominanz" greift überdie beiden Quartette auf das erste Terzett, die Vorstellung Liebe/Sexualität"(C) über die beiden Quartette auch auf das zweite Quartett aus. Die VorstellungLeere/Tiefe" (A) schließlich entwickelt sich über das ganze Gedicht." (o. c,

127f.). Setzt man zur Explikation dieser Globalstruktur alle vorher aufgeführtenErgebnisse der Konkretisationserhebung an, so kann eine solche Extensions-analyse der Kontextmetaphern" in der Tat recht gut die Verdichtung, Verket-tung und Variation der inhaltlichen Vorstellungen im diskursiven Ablauf desTextes sichtbar machen." (o. c, 128).

Die Frage nach der Adäquanz solcher empirisch erhobener (rekonstruierter)Rezeption muß dann auf den Kernbereich des linguistisch-strukturellen Verfah-rens zurückgreifen, der zurecht als (intersubjektive) Deskription der Textmateri-alität (im oben dargestellten Sinn) anzusehen ist. Denn das Konzept der empi-rischen Konkretisationserhebung als konstitutive Notwendigkeit einer literatur-wissenschaftlichen Analyse leugnet ja keineswegs, daß es ein Textformular alsAuslöser für rezeptive Annahmenbildung ... und Korrektiv bei der Durchführungdieser .bedeutungskonstituiven' Tätigkeit" (Schmidt 1975, 158) gibt. Und na-türlich gibt es auf der Ebene der Textmaterialität Strukturen, zu denen die Re-zeptionsdaten in Beziehung gesetzt werden können: so z. B. die Abfolge desWortmaterials und der im Lexikon auffindbare kanonische Sinn der Textkonsti-

tuenten; so die vorgegebenen Satzgrenzen, Textanfang und Textende, Kompo-sitionsformen etc." (Schmidt 1975, 159). Allerdings hat die Eingrenzung desmaterial-objektiven Kembereichs des strukturellen Verfahrens (oben) klar ge-zeigt, daß es nicht etwa möglich ist, von der Analyse der materialen Textstruk-tur aus konstruktiv die richtige", adäquate Konkretisation zu konstruieren. ,Vielmehr kann man die Textmaterialität nur asymmetrisch (wie in der Wissen-schaftstheorie heute das Falsifikationskriterium für die Wahrheitsannäherung)in einer negativen Funktion der Grenzziehung (s. o.) verwenden: die materialeTextanalyse kann nicht (positiv) richtige Rezeption(en) auswählen, sondernnur (negativ) falsche ausschließen; nur bei eklatanten Widersprüchen zwischenmaterialer Textstruktur und konzeptueller Konkretisationsstruktur ist die Rezep-tion als nicht-adäquat zu kennzeichnen. Die Konkretisation literarischer Werkekann also nicht positiv als adäquat ausgezeichnet werden, sondern lediglich (vomnegativen Pol her) als nicht-inadäquat! Das entspricht der Einschätzung des ma-terialen Textformulars als Ermöglichungsgmnd der Rezeption und der oben be-gründeten Gewichtung der Frageperspektiven: denn die Antwort auf die Adä-quanzfrage auf der Grundlage der Textmaterialität in einer grenzziehenden Funk-tion und in Einschätzung dieser Frage als sekundär ermöglicht es, eine maximalgroße Vielfalt von Konkretisationen als adäquat zu akzeptieren. Hinsichtlich derkonkreten Relation von materialer Textstruktur und Konkretisationskonzept

71

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bei Les chats" hat Wolff (1977) ebenfalls eine (sehr arbeitsintensive) Analysevorgelegt: und zwar hat er die semantischen (über das free card sorting gewonne-nen) Äquivalenzklassen mit den von Jakobson/Lrfvi-Strauss (1972) auf nicht-se-mantischen Ebenen vorgenommenen Klassenbildungen verglichen (o. c, 106ff.

und besonders Anhang IX). Dabei zeigt sich,daß hinsichtlich der Relation zu

nicht-semantischen Äquivalenzklassen unterhalb der syntaktischen Ebene (alsophonetisch, phonologisch) zumindest in dieser (ersten diesbezüglichen empiri-schen) Untersuchung kein Zusammenhang besteht (o. c, 11): und zwar führt

eine hohe Überdeterminierung (auf nicht-semantischer Ebene) weder regelmäßigzu einer semantischen Clusterbildung von hohem Ähnlichkeitsniveau (in prak-tisch determinierender Funktion), noch zu Clusterbildung auf niedrigem Niveau(unterstützende Funktion) noch zu Kontiguitäts- Clusterbildungen (kontextun-terstützende Funktion) (o. c, 112f.). Anders allerdings ist die Relation in Bezugauf die Textpoetizität (syntaktische, prosodische etc. Klassenbildungen): hierzeigt sich relativ häufig eine Koextension von Kontext-Metaphern und nicht-se-mantischen Klassenbildungen durch Jakobson/L<*vi-Strauss (o. c, 108); Wolff

gibt als Beispiel folgende Aufstellung (Tab. 2-, o. c, 110):

Kontext- Überdetermi- Text- Strophen- Versbaumetapher nierung segmente bau

(nach JLS)

A

C

c

D

E

E

F

G

5

4

2

2

8

3

ifm)Saison

amoureux

ami

amoureux

reins

parcelleprunelle

frileuxsedentaire

maison

sedentaire

tenebres

coursierfunebrefierteattitude

Strophenende Reim

StrophenanfangStrophenanfangStrophenanfangStrophenanfangBinnenreim - eile, über

Mncelles magiques undprunelles mystiques amEndreim beteiligt

Zäsur

Strophenende ReimReim

Reim

Reim

Reim

Reim

Strophenende

Strophenende

72

H 3 songer Zäsurallonger Zäsur

I 12 magique Gedichtende Endreimmystique Gedichtende Endreim

Danach kann man die empirisch erhobene Konkretisationsstruktur nicht als in-adäquat zurückweisen. Daß es sich dabei nicht um eine individuelle, sondern umeine gruppenspezifische Rezeption handelt, ist m. E. nicht von grundsätzlicherBedeutung (im Hinblick auf die hier thematische Methodenfrage). Problema-tisch bleibt allerdings, ob die Strukturalisten nicht aus der eigenen subjektivenRezeption klassenbildende Kriterien ableiten, die notwendig zu einer (partiellen)Übereinstimmung mit der empirischen Konkretisationsstruktur führen (vgl.Wolff o. c, 110f.). Es wäre daher für eine explizit im Rahmen der Adäquanz-frage eingesetzte linguistische Analyse sinnvoller, von der semantischen Strukturaus Aspekte der textmaterialen Analyse mit potentiell grenzziehender Funktionzu generieren und dann zu überprüfen (generelle Stellung und Anforderungen andiese Analyse s. u.).

3. Pragmatisierung der Adäquanzfrage (und Literaturwissenschaft)

Dieser Entwurf schreibt den material-objektiven Analyseverfahren (und damitauch der linguistischen Methodik) innerhalb einer empirischen Literaturwissen-schaft eine eingeschränkte, nachgeordnete Funktion zu; das entspricht dem Er-gebnis der Bemühungen um eine Linguisierung der Literaturwissenschaft Anfangder 70er Jahre, die gezeigt haben, daß linguistische Methoden und Ergebnissekeineswegs ohne Modifikation auf den literaturwissenschaftlichen Forschungs-bereich übertragen werden können" (Schmidt 1972b, 42). Denn der Versuch,die Literaturwissenschaft einzig und allein von der Linguistik aus zu exaktifi-zieren und objektivieren", nimmt ihr wegen der Form-Gerichtetheit der material-objektiven Verfahren den pragma-semantischen Gegenstand (d. i. die Konkreti-sationsvielfalt; vgl. 1972, 191). Lachmann vertritt sogar die These, daß die lin-guistischen Beschreibungsverfahren . . . notwendigerweise . . . zu einer Betrach-tung des Texts als eines Fixums" führen, d. h. sie legen den Text auf einen Sinnfest" (1973, 220) und sind daher mit der Perspektive des sich in der Lektüre im-mer neu konstituierenden, folglich nie beendeten Texts nicht kongruent

" (o. c,

221). Da in der Literaturwissenschaft semantische Interessen dominieren, dient

die linguistische Textdeskription (innerhalb der Literaturwissenschaft) als Grund-lage einer semantisch-pragmatischen (Prozeß-)Analyse (Schmidt 1972b, 51f.).

73

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Daraus folgt m. E., wie bereits oben am konkreten Beispiel der Adäquanzfrageund ihrer material-objektiven Entscheidbarkeit postuliert, daß die linguistischeTextanalyse ihre Frageaspekte von der semantischen Text- (und Analyse)per-spektive erhält. In diesem Sinn ist die material-objektive Analyse (besonders dersyntaktischen Strukturen - im semiotischen Sinn -) der semantischen Perspek-tive nachgeordnet; gleichzeitig allerdings ist sie als Abbildung

" des die (seman-

tische) Rezeption ermöglichenden Textformulars" dieser semantischen Kon-

kretisationsebene übergeordnet, wie es bei der Beantwortung der Adäquanzfrage(in Bezug auf Rezeptionen) expliziert wurde. In dieser Trennung (und gleich-zeitigen Kombination) von Vorordnung und Überordnung ist die theoretischeBinnenstruktur der literaturwissenschaftlichen Interpretation als Beziehung-Setzung von Textmaterialität und Konkretisation(en) präzisiert; in der Präzisie-rung manifestiert sich nicht nur die Pragmatisierung der Adäquanzfrage, sonderndie Pragmatisierung der Literaturwissenschaft überhaupt im Rahmen des Empiri-sierungsprogramms (vgl. Abb. 6):

Überordnung Syntaktik

Pragma ->. Semantik

Vorordnung

Aus der (pragmatischen) Konkretisationserhebung wird der (semantische) Werk-sinn konstruiert, dessen Potentialität nur durch die grenzziehende Funktion dermaterialen Textstruktur auf syntaktischer Ebene eingeschränkt wird; die Analyseder syntaktischen Struktur verfolgt dabei die von der vorgeordneten semanti-schen Ebene vorgegebenen Frageperspektiven, ihre Ergebnisse allerdings sind inÜberordnung als Kritik der pragma-semantischen Sinnkonstruktion einzusetzen.

Von der Linguistik kommende Autoren setzen diese Trennung von Vor- undÜberordnung nicht an; so fordert z. B. Schmidt (1975, 132f.), der ebenfalls eineempirisch fundierte Interpretation als Relations-Setzung von Textmaterialitätund Rezeptionsdaten auffaßt: Mit Hilfe einer möglichst expliziten Textgram-matik muß zunächst (Hervorhebung N. G.) eine möglichst vollständige textse-mantische Repräsentation erstellt werden (etwa im Rahmen der Petöfi-Gramma-tik), die einem Textformular (also einer materialen Zeichensequenz) alle im Rah-men dieser Textgrammatik möglichen intensionalen Repräsentationen zuordnet,die dann extensional interpretiert werden." Die empirische Rezeptionserhebung

74

ist dann nach- und untergeordnet, insofern sie die Daten für rezipientenspezifi-sche Lexika und Welten" (also Extensionen) liefert. Damit ist genau das Gegen-teil der These von Lachmann (s. o.) behauptet: nämlich daß die textlinguistischeMethode nicht eindimensional reduziert

,sondern mehrdimensional einen Rah-

men bietet, der alle potentiellen Konkretisationsmöglichkeiten bereits (in nuce)umfaßt! Schmidt bezieht sich dabei auf ein unpubliziertes Papier von Petöfi(1974); ich kann daher bisher nicht beurteilen, ob diese Implikation grundsätz-lich berechtigt ist und Petöfis Entwurf diese Anforderung in der Tat erfüllt.

Allerdings sollte dies m. M. (nach allen Erfahrungen mit bisherigen linguistischenProgrammen und deren Erfüllung) an praktischen Beispielen nachgewiesen wer-den, bevor es akzeptiert wird. Aber selbst gesetzt den Fall, die Vorordnung seigrundsätzlich legitimierbar, fragt es sich dennoch, ob man nicht aus Praktikabili-tätsgründen an der Nachordnung der textmaterialen Analyse festhalten sollte:denn ansonsten müßte m. E. ein Unmaß an analytischer Arbeit geleistet werden,

ohne daß für den größten Teil dieser Arbeit eine funktionale Brauchbarkeit vor-liegt (innerhalb der literaturwissenschaftlichen Analyse; was der Linguist in sei-nem eigenen fachdisziplinären Bereich treibt,

steht hier natürlich nicht zur Be-

wertung an). Denn auch in der nachgeordneten Relation bleibt m.E. die vom

Textlinguisten zu leistende Arbeit komplex und schwierig genug; für die anste-henden Schwierigkeiten möchte ich abschließend nur ein (m. E. ungelöstes) Bei-spiel unter der Perspektive des Adäquanzproblems geben:

Eggert et a!. (1974) haben z. B. Schülern einer 10. Klasse die Paradoxe Von

der Überlegung" von H. von Kleist vorgelegt (1975, 73f.) und über die Diskus-sion im Unterricht die Konkretisation erhoben. Kleist vertritt in dem Text die

These Erst handeln,dann denken" und läßt dies überdies einen Vater seinem

Sohn als Ratschlag geben; die Schüler rezipieren den Textsinn zumeist völlig kon-trär, entsprechend der These Erst denken, dann handeln". Eggert et al. erklä-ren sich das mit der Hypothese, daß Jugendliche dieses Alters und unserer Ge-sellschaft gewohnt sind,

von Vätern nur die These des Vorher-Denkens zu hören

und daher die des Nachher-Denkens, noch dazu aus väterlichem Mund, für völlig

undenkbar halten. Bei Diskussion eng am Text sehen sie zwar ein,daß die einzel-

nen Textteile eher die Nach-Denk-These propagieren,können aber ohne Schwie-

rigkeit an ihrer Gesamtkonzeption festhalten, indem sie die entsprechenden Text-teile kurzerhand als ironisch verstehen". Eggert et al. geben dies als ein relativhäufiges Phänomen an (1974, 283): Überhaupt erweist sich die Erklärung ei-nes an sich unironischen Textes für ironisch nach unseren Erfahrungen häufigals Versuch, den Sinn des Textes in eigene, diesem widersprechende Konzepteund Vorstellungen zu integrieren.

" Um zwischen einem solchen inadäquaten(Rezeptions)Versuch und einer adäquaten Konkretisation trennen zu können,müßte die Textlinguistik eine material-objektive Indikatordefinition für Ironie"

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vorlegen - ich persönlich kenne bisher keine, halte dies Problem aber für einesder eminent wichtigen und fruchtbaren innerhalb einer empirischen Literatur-wissenschaft.

IV. Ausblick: Offene Probleme

Das Empirisierungsprogramm der Literaturwissenschaft umfaßt, wie schon mehr-fach angeklungen ist, noch eine Fülle anderer Probleme und Fragestellungen, diez. T. von diesem Programm aus als gewichtiger angesehen werden müssen als diein diesem Beitrag behandelten Probleme; auf diese offenen Probleme kann andieser Stelle nicht mehr ausführlich eingegangen werden, ich kann diesbezüglichnur auf die in der Anmerkung (u.) erwähnte größere Arbeit verweisen. Abschlie-ßend möchte ich aber die wichtigsten dieser Fragestellungen wenigstens stich-wortartig benennen:

- Der empirischen Literaturwissenschaft ist die Frage der Adäquanz der Inter-pretation ungleich wichtiger, d. h. der seiegierenden Deutungsprüfung: fest-zustellen, welche von der hermeneutischen Analyse entwickelten singulärenDeutungshypothesen (des literarischen Textes) am besten durch Konkretisa-tionsdaten validiert werden und bei welchen Rezipientengruppen diese vali-dierenden Konkretisationen zu beobachten sind.

- Der Spezifizierung bestimmter Rezipientengruppen (und davon abhängigerKonkretisationstypen) führt über zur explikativen (erklärenden) Frageper-spektive, die erst die kommunikationstheoretische Richtung des Empirisie-rungsprogramms voll abdeckt: in der Feststellung (erklärender) Bedingungen(Vorwissen, ästhetische Wertungen/Erwartungen etc.) für die Rezeption, inder Analyse der Produktionsbedingungen und ihrer Auswirkung auf das Werksowie besonders der Relation von Autor und Rezipient bzw. Autorintentionund Rezeption.

- Sowohl die Perspektive der deskriptiven Validierung (von Deutungshypo-thesen) als auch die der explikativen Fragestellungen ist dabei entsprechenddem Ziel der Erhebung möglichst großer Konkretisationsvielfalt auf die theo-retischeAnstrengung ausgerichtet, die Steinmetz (zurecht) als die Kernauf-gabe der Interpretation ansieht (1974, 661): literarische Texte nicht (durchAssimilation an die Alltagssprache) zu normalisieren", sondern hinsichtlichihrer offenen" Sinndimensionen zu bestimmen; gerade diese Aufgabe ist kaumdurch introspektionistischen Rückgriff auf die eigene Rezeption, sondern

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nur durch empirische Erhebung der potentiellen Rezeptionsvielfalt zu errei-chen.

- Dabei leugnet das empirische Programm nicht, daß bestimmte Fragestellun-gen legitime Sonderfälle für die empirische Methodik darstellen: so führt z. B.die Frage nach dem (optimal oder maximal) informierten" Leser (Fish, Rif-faterre) notwendig zur Aufgabe einer Stichprobenrepräsentativität bei derempirischen Erhebung und zum Grenzfall der Beschränkung der Analyse aufeinen einzigen Rezipienteh (analog der Einzelfalldiagnostik in der empirischenPsychologie).

- Dieser Sonderfall wird unter historischer Frageperspektive sogar unbestrittender Regelfall sein-, bei extremem Kenntnisvorsprung des historisch vorgebil-deten Rezipienten wird sogar die Rezipient-Interpret-Trennung unsinnig, sodaß sich die ,,Konkretisationserhebung" auf die explizite Angabe der (re-zipierenden) Lesart

" (Schmidt) des Interpreten beschränken muß.

- Ein quantitativ vermutlich in der Überzahl bestehender Sonderfall liegt end-lich in der Autor-Leser-Homologie (Waldmann 1976) vor, wo ein Sinnsystem(z. B. eine Ideologie) gleichermaßen Autor, Text und Leser bestimmt" (o. c,48), in der sog. Trivialliteratur" z. B.; hier ist (nach empirischer Sicherungder Homologie) ebenfalls eine erhebliche Reduzierung der empirischen Ana-lyse-Komplexität möglich und legitimierbar.

Anmerkung:

*) Ich muß an dieser Stelle auf eine differenziertere Ausarbeitung dieses z. T.noch offenen Problems in einer geplanten größeren Arbeit verweisen: Rezeptions-forschung als empirische Literaturwissenschaft. Kronberg/Ts. 1977.

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Anhang:

Französischer und deutscher Text von Les chats" de Charles Baudelaire (nach

Jakobson/Levi-Strauss 1972, 184):

Les chats

Les amoureux fervents et les savants austeres,

Aiment egalement, dans leur müre saison,Les chats puissants et doux, orgueil de la maison,Qui comme eux son frileux et comme eux sedentaires.

Amis de la science et de la volupte,Iis cherchent le silence et l'horreur des tfenebres;L'Erbfc les eüt pris pour ses corsiers funebres,S'ils pouvaient au servage incliner leur fierte.

Iis prennent en songeant les nobles attitudes,Des grands sphinx allonges au fond des solitudes,Qui semble s'endormir dans un. r£ve sans fin;

Leurs reins feconds sont pleins d'6tincelles magiques,Et des parcelles d'or, ainsi qu'un sable fin,Etoilent vaguement leurs prunelles mystiques.

Die Katzen

Die glühenden Verliebten und die strengen GelehrtenLieben gleichermaßen in der Zeit ihrer ReifeDie mächtigen und sanften Katzen, Stolz des Hauses,Die wie sie frösteln und wie sie seßhaft sind.

Freunde des Wissens und der Lust,

Suchen sie das Schweigen und den Schrecken der Finsternis;Der Erebos hätte sie als seine Totenrosse genommen,

Wenn sie ihren Stolz der Knechtschaft beugen könnten.

Sie nehmen sinnend die edlen HaltungenDer großen Sphinxe ein, die, ausgestreckt in der Tiefe der Einsamkeiten,

Einzuschlafen scheinen in einem Traum ohne Ende;

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Ihre fruchtbaren Lenden sind voll magischer Funken,Und Goldpartikein, wie feiner Sand,Besternen flimmend ihre mystischen Pupillen.

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