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lrdische Dufte - himmlische Lust Rechtzeitig vor Weihnachten war das Buch im Handel zu sehen, und der Titel, plakativ, aber sehr zutreffend, sowie das etwas reiflerische und auch so gar nicht passende Umschlagsbild lockten potentielle Kaufer an. Es ware Gunther Ohloff und seinem Buch zu wiinschen, da8 sich viele zum Kauf entschlossen, oder dies auch noch tun. Das Buch ist nicht billig, doch die Fulle der Information, die Akribie bei Quellenforschung und Literatur- zitaten, die Abbildungen, von denen man sich noch mehr, be- sonders von den hervorragenden Farbdrucken, gewiinscht hatte, und die hochwertige Druckaus- stattung rechtfertigen den Preis in jeder Hinsicht. Ohloff hat sich der schwierigen Aufgabe unterzogen, naturwis- senschaftlicheFakten in jeder Hinsicht korrekt zu referieren, dies aber im historischen Kon- text, eingangig und spannend auch fur Nichtchemiker, im Stile eines Romans. Er hat die Aufga- be glanzend gelost! Alle lesen dieses Buch mit Gewinn. Es bietet faszinierende Aspekte von Natur und Chemie, der Kunst, der Kulturgeschichte,ihrer ethni- schen und geographischen Hin- tergriinde, der unbewugten Emp- findungen friiherer Generationen wie der bewu8ten Anwendung des Parfums in unserer Zeit. Am starksten ist Ohloff in der Schilderung des historischen Umfeldes von Riechstoffen. Man spurt Kleopatra fast korperlich, zumindest ihren Duft. Die Be- deutung der Ceder im Heiligen Land, die Duftexzesse der Grie- chen, besonders aber die der Romer in der Kaiserzeit werden mitreiflend, aber stets exakt und aufschluflreichbeschrieben. Die Poesie von Persien, Indien und Fernost wird eng verknupft mit dem Wohlgeruch der Jahrtausen- de. Das kleine Kapitel fast am Ende, ,,Das Duftversthdnis des Abend- landes", bietet in besonderer Dichte unterhaltsame Informa- tion. Katharina von Medici, Eli- sabeth I. von England, Richelieu, Madame Pompadour, Napoleon und Kaiserin Euginie sind nur einige Namen, die hier heraus- ragende Rollen spielen. Aber auch alle diejenigen, die von der Natur, von der Pflanze, der Blute, dem duftenden Holz, dem exo- tischen Gewiirz, der tierischen Driise Aussagen erwarten, wer- den nicht enttauscht. Man spurt genau, dafl Ohloff Naturstoff- chemiker von hohen G.raden ist. Seine Liebe zu all den Stoffen, die in diesen vielfaltigen Erschei- nungsformen der Natur enthalten sind, spricht aus jeder Zeile. Hier wird aus kompetentem Munde gesagt, was heute so oft, fahrlas- sig oder boswillig, verdreht wird: Natur ist Chemie und Chemie wurzelt in der Natur. So vie1 Lobenswertes und etwa nichts zu bemangeln? Kleinigkei- ten sind es, die man, schon fast beckmesserisch, erwahnen sollte. An einigen Stellen hat Ohloff den, wie ich meine, untauglichen Versuch unternommen, chemi- sche Strukturen verbal zu er- klaren. Dies nutzt dem Laien nichts, den Chemiker langweilt es, und es ist auch vollig unnotig. So interessant es ist, dafl der Name des uns allen vom Zahn- arzt her bekannten Gewiirznel- ken-Inhaltsstoffs Eugenol von Prinz Eugen, dem edlen Ritter, stammt, so diffus ist doch die Beschreibung, dafl Eugenol ,ein Phenolderivat mit einem zusatzli- chen Ather-Substituenten und einer aus drei Kohlenstoffatomen gebildeten ungesattigten Kette" ist. V

Literaturkarussell. Chemie

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lrdische Dufte - himmlische Lust

Rechtzeitig vor Weihnachten war das Buch im Handel zu sehen, und der Titel, plakativ, aber sehr zutreffend, sowie das etwas reiflerische und auch so gar nicht passende Umschlagsbild lockten potentielle Kaufer an. Es ware Gunther Ohloff und seinem Buch zu wiinschen, da8 sich viele zum Kauf entschlossen, oder dies auch noch tun. Das Buch ist nicht billig, doch die Fulle der Information, die Akribie bei Quellenforschung und Literatur-

zitaten, die Abbildungen, von denen man sich noch mehr, be- sonders von den hervorragenden Farbdrucken, gewiinscht hatte, und die hochwertige Druckaus- stattung rechtfertigen den Preis in jeder Hinsicht.

Ohloff hat sich der schwierigen Aufgabe unterzogen, naturwis- senschaftliche Fakten in jeder Hinsicht korrekt zu referieren, dies aber im historischen Kon- text, eingangig und spannend auch fur Nichtchemiker, im Stile eines Romans. Er hat die Aufga- be glanzend gelost! Alle lesen dieses Buch mit Gewinn. Es bietet faszinierende Aspekte von Natur und Chemie, der Kunst, der Kulturgeschichte, ihrer ethni- schen und geographischen Hin- tergriinde, der unbewugten Emp- findungen friiherer Generationen

wie der bewu8ten Anwendung des Parfums in unserer Zeit.

Am starksten ist Ohloff in der Schilderung des historischen Umfeldes von Riechstoffen. Man spurt Kleopatra fast korperlich, zumindest ihren Duft. Die Be- deutung der Ceder im Heiligen Land, die Duftexzesse der Grie- chen, besonders aber die der Romer in der Kaiserzeit werden mitreiflend, aber stets exakt und aufschluflreich beschrieben. Die Poesie von Persien, Indien und Fernost wird eng verknupft mit dem Wohlgeruch der Jahrtausen- de.

Das kleine Kapitel fast am Ende, ,,Das Duftversthdnis des Abend- landes", bietet in besonderer Dichte unterhaltsame Informa- tion. Katharina von Medici, Eli- sabeth I. von England, Richelieu, Madame Pompadour, Napoleon und Kaiserin Euginie sind nur einige Namen, die hier heraus- ragende Rollen spielen. Aber auch alle diejenigen, die von der Natur, von der Pflanze, der Blute, dem duftenden Holz, dem exo- tischen Gewiirz, der tierischen Driise Aussagen erwarten, wer- den nicht enttauscht. Man spurt

genau, dafl Ohloff Naturstoff- chemiker von hohen G.raden ist. Seine Liebe zu all den Stoffen, die in diesen vielfaltigen Erschei- nungsformen der Natur enthalten sind, spricht aus jeder Zeile. Hier wird aus kompetentem Munde gesagt, was heute so oft, fahrlas- sig oder boswillig, verdreht wird: Natur ist Chemie und Chemie wurzelt in der Natur.

So vie1 Lobenswertes und etwa nichts zu bemangeln? Kleinigkei- ten sind es, die man, schon fast beckmesserisch, erwahnen sollte. An einigen Stellen hat Ohloff den, wie ich meine, untauglichen Versuch unternommen, chemi- sche Strukturen verbal zu er- klaren. Dies nutzt dem Laien nichts, den Chemiker langweilt es, und es ist auch vollig unnotig. So interessant es ist, dafl der Name des uns allen vom Zahn- arzt her bekannten Gewiirznel- ken-Inhaltsstoffs Eugenol von Prinz Eugen, dem edlen Ritter, stammt, so diffus ist doch die Beschreibung, dafl Eugenol ,ein Phenolderivat mit einem zusatzli- chen Ather-Substituenten und einer aus drei Kohlenstoffatomen gebildeten ungesattigten Kette" ist.

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Sachliche Fehler sind, wen wun- dert's, bei diesem Autor ausge- sprochen selten: Pulegon ist deutlich teurer als Menthol, so dal3 es kein ,,wohlfeiles" Aus- gangsmaterial fur dessen Herstel- lung ist (S. 82). Der niedrigste, jemals gemessene Geruchs- schwellenwert wird auf S. 230 und 233 widerspruchlich angege- ben. Ein paar Druckfehler, wie Ludwig XVI. statt XIV. (S. 250), einige mehr in den Anmerkungen (man sollte einen Lektor mit chemischen Kenntnissen haben!), ein paar der heute wohl unver- meidlichen ,,Worttrennungen per Computer" (Su-darabien, S. 50, Yso-pol, S. 82), das war es schon. In der zweiten Auflage, die hof- fentlich bald folgt, ist das alles leicht auszumerzen. Der bleiben- de Eindruck von diesem Buch ist uneingeschrankt positiv. Hier hat ein hochgebildeter, kunstlerisch und historisch kompetenter Na- turstoff-Chemiker ein Buch geschrieben, das der Rezensent mit grogem Genufi gelesen hat.

I! Weyerstahl, Berlin

Geschichte der deutschen GroRchemie

Mit diesem Buch liegt ein weite- res Werk uber die Geschichte der deutschen chemischen Industrie vor. Es ist allerdings das erste, das den gesamten Zeitraum von der Griindung der behandelten Fir- men bis heute umfaflt. Der Autor, selbst langjahriger Mitarbeiter eines grogen deutschen Chemie- konzerns, beschrankt sich hauptsachlich auf die Darstellung der Geschichte der Firmen, die von 1925 bis 1945 in der I.G. Farbenindustrie AG zusammen- geschlossen waren. Damit ist auch der Zeitrahmen der Arbeit vorgegeben: Walter Teltschiks Darstellung setzt 1850 mit der Vorgeschichte der vor allem in den 1860er Jahren gegriindeten Unternehmen ein und endet fast in der Gegenwart, namlich 1990.

Trotz dieser Einschrankung ist es ein Thema von monumentalen Ausmaflen, das auf knapp 350 Textseiten behandelt wird. Mit welcher Zielsetzung ging der

Autor an die Aufgabe heran? Wie er im Vorwort schreibt, wollte er ein ausgewogenes Gesamtbild des geschichtlichen Werdens dieses Industriezweigs geben. Leistun- gen und Irrwege sollen aufgezeigt und auf die Rolle der deutschen Groflchemie gegenuber Staat und Gesellschaft solle besonders eingegangen werden.

Das Buch ist in acht der Chrono- logie folgende Kapitel eingeteilt, welche die technische und wirt- schaftliche Entwicklung der Unternehmen beschreiben. Er- ganzt werden diese Passagen durch die Schilderung der Ver- flechtung des Konzerns mit der Politik, vor allem in den Kapiteln uber die Zeit des Nationalsozia- lismus. ,,Ausfliige" in die allge- meine Wissenschafts- und politi- sche Geschichte sollen dem bes- seren Verstandnis dienen.

Das erste Kapitel, mit ,,Aufbruch" uberschrieben, umfafit die Jahre von 1850 bis 1913. Teltschik schildert kurz die Situation der Chemie in der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts. Die nach der Entdeckung des Mauveins (1856) in England, Frankreich und Deutschland entstandenen Far- benfabriken brachten bald eine Fulle neuer synthetischer Farb- stoffe hervor. In der Folgezeit gelang es der deutschen Teerfar- benindustrie, die franzosischen und englischen Firmen zu iiber- holen. Teltschik begriindet das mit der grogeren Leistungsfahig- keit der deutschen Chemie und den engen Kontakten der Hoch- schulprofessoren und ihrer Schuler zur neugegriindeten chemischen Industrie. Steht diese These auch im Einklang mit dem Forschungsstand, so ware sie doch einer ausfuhrlichen Darstel- lung und Differenzierung wert gewesen. Das gleiche gilt fur die anschlieflende Phase der Diversi- fizierung der Teerfarbenindustrie in den Bereich der Pharmapro- dukte (Hoechst, Bayer) und der anorganischen Grundchemika- lien (BASF). Das Kapitel schliei3t mit einer relativ ausfuhrlichen Schilderung des Wirkens Carl Duisbergs bei Bayer und des Weges der Firmen zu Dreibund und Dreiverband, den Vorlaufern der I.G. Farbenindustrie AG.

Das erste Kapitel ist zu kurz geraten, um der komplexen Ent- wicklung der Firmen in den ersten 50 Jahren ihres Bestehens gerecht werden zu konnen. Das ist umso schmerzlicher, als bei- spielsweise auf das Patentwesen, die Rolle der chemischen Fach- verbande und vor allem auf die Arbeits- und Lebensbedingungen

der Arbeiter entweder gar nicht oder nur sehr kurz eingegangen wird.

Das zweite Kapitel schildert die Rolle der chemischen Industrie im ersten Weltkrieg und in den ersten Jahren der Weimarer Re- publik. Die 1916 in der Interes- sengemeinschaft der deutschen Teerfarbenfabriken zusammenge- schlossenen Firmen fusionierten 1925 zur I.G. Farbenindustrie AG. Zu Beginn des dritten Kapi- tels beschreibt Teltschik die Griindungsgeschichte und die

Organisationsstruktur der I.G. Farben. Neue Arbeitsgebiete spielten eine grofle Rolle fur den Konzern: Kunstseide, Buna, Kohlehydrierung. Teltschik the- matisiert sowohl dies als auch die Annaherung des Konzerns an das nationalsozialistische Regime und seine Bedeutung fur den Vierjahresplan. Die Lage der Juden in DeutscJdand'und in der I.G. wird ebens'o geschildert wie die Ernennung Carl Boschs zum Prasidenten der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft.

Walter Teltschik ist es in den beiden Kapiteln gelungen, ein lebendiges Bild der Entwicklung des Konzerns in diesen turbulen- ten Zeiten zu zeichnen. Schwach wirkt allerdings die Passage uber den Ausbruch des Ersten Welt- kriegs, hier arbeitet der Autor mit zu vielen Klischees. Ebenso sind die biographischen Skizzen uber Carl Duisberg und Fritz Haber zu negativ geraten.

Der ,,Grogenwahn", die Ausdeh- nung der I.G. auf die von Deutschland besetzten Gebiete irn zweiten Weltkrieg, der Bau des I.G. Werks Auschwitz, die Produktion des Vergasungsmit-

tels Zyklon B, die Bombardie- rung Leunas, A-,B- und C-Waf- fen sind das Thema des vierten Kapitels, einem der langsten des Buches. Teltschik gibt unge- schminkt den neuesten Kenntnis- stand wieder, was umso wohl- tuender ist, als Auschwitz und Zyklon B bis vor gar nicht so langer Zeit zu den Tabuthemen der chemischen Industrie gehor- ten. Unverstandlich ist mir dage- gen die Lange der Darstellung der Bombardierung Leunas, bei der seitenweise aus den Hydrier- denkschriften Albert Speers zitiert wird. Auch die Geschichte der Atombombe hat meines Erachtens mit der chemischen Industrie wenig zu tun.

Besetzung und Demontage, Pa- tentraub durch die Amerikaner, Nurnberger Prozef3 und Ent- flechtung der I.G. Farben sind die Themen des ersten Nach- kriegskapitels. In den drei folgen- den Kapiteln wird der Aufstieg der drei grogten Nachfolgerfir- men der I.G., BASF, Bayer und Hoechst, an die Weltspitze der chemischen Industrie geschildert. Schwerpunktthemen sind neben der neuen Rohstoffbasis Erdol und neuen Arbeitsgebieten vor allem die Kritik an der chemi- schen Industrie und die wachsen- den Umweltprobleme. Beruht das erste dieser Nachkriegskapitel noch auf der Sekundarliteratur, so sind die drei Schluflkapitel vor allem aus dem Erleben des Au- tors und unter Ruckgriff auf die Tagespresse geschrieben. Das ist unvermeidlich, wenn Geschichts- schreibung so nahe an die Gegen- wart heranreicht, doch wirft eine solche Vorgehensweise oft Pro- bleme auf.

Das Buch ist flussig geschrieben und gut ausgestattet. Sachliche Fehler wird man kaum finden. Mir sind die Erwahnung von Boehringer Mannheim, Boehrin- ger Ingelheim und Schering als Farbenfabriken (S. 7) und die Nennung Heinrich Caros als erstem technischen Direktor der BASF (S. 8) aufgefallen. Car0 war der erste Leiter der wissen- schaftlichen Forschung der BASF, vor ihm waren schon Carl und August Clemm technische Direktoren. Auch die Darstel- lung rein politischer Fakten ist nicht immer richtig. So besag Preugen zwar nur 17 der 58 Stimmen im Bundesrat des Deut- schen Reiches (S. 1 I), es konnte allerdings nicht uberstimmt wer- den, da es ein Vetorecht besag.

Walter Teltschik hat die Geschichte der deutschen Grokhemie vor dem Hinter-

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grund der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten und seiner eigenen Anschauung geschrieben. ,,Die chemische Industrie wird permanent durch Fakten bewei- sen miissen, dad sie die Welt nicht schadigt, sondern heilt und ge- sund erhalt." (S. 349). Dieser letzte Satz des Buches kann als Credo gelten: Auch unbequemen Fakten geht der Autor in seinem Buch nicht aus dem Weg, aller- dings steht er dabei immer auf Seiten der chemischen Industrie. Aus diesem Grund mag das Buch zum Selbstverstkdnis der chemi- schen Industrie beitragen. Wer aber eine Geschichte der deut- schen GroGchemie sucht, wird sie dort nicht finden.

C. Reinhardt, Remseck

Rompp Lexikon Biotechnologie

Der Sonderband Biotechnologie des bewahrten Rompp Lexikons Chemie ist das Ergebnis einer mehr als zweijahrigen Arbeit von iiber 30 Spezialisten aus den verschiedenen Fachgebieten der Biotechnologie. Besonders er- wahnenswert ist, dai3 das Know- how-Potential der Fachkollegen aus den neuen Bundeslandern genutzt wurde, obwohl die Ar- beiten bereits vor der Wiederver- einigung begannen. Die Biotech- nologie ist ein interdisziplinares Fachgebiet aus so verschiedenen Disziplinen wie Mikrobiologie, Verfahrenstechnik, Biochemie und Chemie. Die sich daraus ergebende Vielfalt an Methoden und Anwendungsfeldern zeigt das Problem, vor dem die Her- ausgeber und Autoren bei der Fertigstellung dieses Lexikons standen. Es kann jedoch festge- stellt werden, dad das Rompp Lexikon Biotechnologie alles enthalt, was fiir die Verstandi- gung der einzelnen Fachdiszipli- nen untereinander und fur das Verstandnis der Biotechnologie wichtig ist.

Entsprechend dem inteadiszi- plinaren Charakter der Biotech- nologie umfadt die Skala der Stichworte die Verfahrenstechnik, Medtechnik, Biologie, Mikrobio-

logie, Chemie, Biochemie, Um- welttechnik und Genetik. Diese verschiedenen Fachgebiete verfii- gen zumeist uber eine eigene Fachsprache, so dai3 eine Verstan- digung untereinander eine ein- deutige Begriffsbestimmung voraussetzt. Um hier eine Uber- einstimmung zu erzielen, wer- den bei der Nomenklatur des Rompp Lexikons Biotechnologie die vorlaufigen bzw. endgiiltigen Regeln der IUPAC, IUB etc. angewendet. Besonders hervor- zuheben ist, dad Begriffe, die noch nicht in deutscher Uberset- zung vorliegen, in freier Ubertra- gung angewandt werden, und die in der Fachwelt anerkannte No- menklatur beriicksichtigt wird. Damit ist gewahrleistet, dad dieses Lexikon nicht nur dem Biotechnologen, sondern auch 2.B. den Verfahrenstechnikern und Mikrobiologen als wichtige Kommunikationshilfe dienen kann. Alle Schliisselworter wer- den innerhalb des lexikalischen Teils und in den Registern im Anhang auf englisch, franzosisch, italienisch und spanisch genannt. Die Register und die Nennung der Begriffe in den verschiedenen Sprachen helfen beim Lesen und Schreiben fremdsprachlicher Publikationen. 678 Abbildungen und 101 Tabellen vertiefen die Textaussage zu den einzelnen Stichwortern, die auderdem durch zahlreiche Querverweise und umfassende Literaturanga- ben in einen groderen Zusam- menhang gestellt werden.

Das Rompp Lexikon Biotechno- logie kann als ein aui3erst niitzli- ches und wertvolles Nachschla- gewerk fur alle in Forschung, Praxis und Lehre auf den Gebie- ten der Biotechnologie, Bioche- mie, Genetik, Mikrobiologie und Verfahrenstechnik tatigen Wis- senschaftler und Lehrenden sowie fur Studenten empfohlen werden. Durch die Vorgehensweise, sich in allen Zweifelsfragen auf den Standpunkt eines dem Gebiet fremdstehenden Lesers zu stellen und die zahllosen Begriffe aus der wissenschaftlichen Kunstsprache in eine versthdliche Diktion zu iibersetzen, ist hier jedoch dar- iiber hinaus ein Werk entstanden, das es auch dem Laien ermog- licht, sich schnell und umfassend iiber ein Spezialthema zu infor- mieren. Hier ist besonders an die Fragen der Sicherheit im Umgang mit Mikroorganismen oder gene- tisch veranderten Lebewesen zu denken, die aufgrund von Berich- ten in der Tagespresse auf ein breites Interesse stoGen.

C. Laudamus, Berlin

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Ein ganz personlicher Ausbruchsversuch aus der Welt der Chemiker

Will sich eine menschliche Ge- meinschaft vom Rest der Welt moglichst hermetisch abschotten, so empfiehlt sich eine Reihe bewahrter Mafinahmen. Man schafft sich Ausbildungsgange, in die Studenten anderer Fakultaten so gut wie gar nicht eindringen konnen, baut sich eine - und moglichst nur eine - eigene Stan- desorganisation auf, man errichte Hierarchien moglichst nach dem Vorbild schwer durchschaubarer Priesterkasten, vor allem aber entwickle man eine eigene, von niemanden sonst auf dieser Welt gesprochene Fachsprache mit einer eigenen, nur den Einge- weihten verstandlichen Begriffs- welt.

Die Chemie hat in den letzten hundertfunzig Jahren diesen Weg mit groi3em Erfolg beschritten. Doch jetzt, wo wir uns in unse- rem selbstgewahlten Ghetto behaglich eingerichtet haben, beklagen wir uns, dai3 der Rest der Welt uns nicht mehr versteht. Chemische Fachblatter sind seit Jahren voll von Artikeln, in de- nen bizarre Losungswege vorge- schlagen, doch selten beschritten werden. Um so erfreulicher ist es, wenn ein Nobelpreistrager der Chemie zusammen mit einer Kunstlerin seinen ganz eigenen Ausbruchsversuch aus dieser Isolierung wagt.

Wer sehen will, wie man - und dies fur jedermann verstandlich - uber die komplexe Welt der Che- mie auf hohem Niveau reflektie- ren kann, dem sei das schone

Buch von Roald Hoffmann und Vivian Torrence von ganzem Herzen empfohlen. Den subtilen Thesen Hoffmanns stehen ein- fuhlsame Kollagen der Zeichnerin und Malerin Vivian Torrence gegenuber. So entstand eine Art Gesamtkunstwerk von eigenem Reiz, eine faszinierende Mi- schung von aquarellierten Kolla- gen, Sachinformationen, histori- schen Reflexionen uber den Wer- degang der Chemie, zum Teil hymnischen Essays und Gedich- ten uber deren Bedeutung im Laufe des Universums und im Geschick der Menschheit. Roald Hoffmann ist ein rares Beispiel fur extreme geistige Vielseitigkeit, die heute ihresgleichen sucht.

0. Kratz, Miinchen

Das ,,Zurcher Modell" als Praktikumsbuch

Der besondere Anspruch dieses Praktikumsbuches aus der Uni- versitat Zurich wird im Untertitel deutlich: Ein umweltschonendes Programm fur Studienanfanger mit Versuchen zur Chemikalien- Ruckgewinnung. Das Buch ent- halt Lehrinhalte und Organisa- tionsformen, die auf C. H. Eug- ster zuriickgehen. Eugster hat diese in Form von Anleitungen an der Universitat Zurich von 1971 bis 1987 herausgegeben. Der Geist der siebziger Jahre, der Griinderjahre der Allgemeinen Chemie mit ihrer Tendenz, an die Stelle der offenen anorganischen Praktika mit qualitativer und quantitativer Analyse Kursprak- tika mit Inhalten aus allen drei klassischen chemischen Teildiszi- plinen treten zu lassen, ist noch unverkennbar.

Es handelt sich beim vorliegen- den Buch um das Skript eines im Laufe der Jahre bewahrten Prak- tikums der Zuricher Universitat. Auf die Veranderungen, die Hanns Fischer an diesem straff organisierten Kurspraktikum unter der Bezeichnung Zurcher Modell vorgenommen hat, wurde die Offentlichkeit bereits vor einiger Zeit durch Vortrage und Artikel auch in dieser Zeitschrift [Chem. unserer Zeit 1991,25, 2491 aufmerksam gemacht.

Nach all diesen Vorankundigun- gen erscheint das nun erschienene

Praktikumsbuch vergleichsweise hausbacken. Es enthalt in den Kapiteln 1 bis 7 Versuche zu den Themen: Laboratoriumstechnik, Gleichgewichte von Losungen und Festkorpern (u. a. Kristalli- sation, Mikroskopie an Nieder- schlagen, Sole und Gele), Gleich- gewichte Fest-Gas (z. B. Subli- mation, Extraktion), Verteilungs- gleichgewichte, Saure-Base- Gleichgewichte, Komplex- Gleichgewichte und Redoxreak- tionen. In den Kapiteln 8 bis 10 wird an einfache Qualitative Analysen herangefuhrt (Beginn mit der Trennung zweier bekann- ter Kationen, schliei3lich vier unbekannte Kationen). Drei Saure-Base-Titrationen und die gravimetrische Bestimmung von Nickel mit Diacetyldioxim geben einen ersten Zugang zum Bereich Quantitative Analyse. Der prapa- rative Teil umfai3t die Herstellung von SnO, CuCl und CrO,..Letz- teres wird anschliei3end zur Oxi- dation von Isoborneol verwen-. det. Kapitel11 behandelt dann Phasengleichgewichte am Beispiel von Destillationen und Schmel- Zen.

Vorgesehen ist dieses umfangrei- che Programm fur ein einseme- striges Praktikum an zwei Nach- mittagen fur Studierende im Hauptfach Chemie. Nebenfach- ler absolvieren Teile des Prakti- kums. Die Versuchsauswahl deckt wichtige Aspekte der anor- ganischen und allgemeinen Che- mie ab. Die Entfernung von Versuchen, die aus Griinden der Arbeitssicherheit problematisch sind, hat dem Praktikum nicht geschadet. Fur den Anfanger reizvoll sind sicherlich einige anwendungsorientierte Versuche wie solche zum pH-Wert im Boden oder zum Phosphatgehalt in Colagetranken. Insgesamt erscheint das Pr&gamm im Rah- men dessen, was in derartigen Kurspraktika moglich ist, solide und nicht ungewohnlich. Wo bleibt der Modellcharakter?

Neuartig sind in der Tat die Prak- tikumsversuche zur Chemika- lienriickgewinnung. Dabei wer- den die im Praktikum anfallen- den Losungen mehr oder weniger toxischer Schwermetalle (bei- spielsweise Bay Pb, Ce, Cry Co, Mn, Ag, Sn) gesammelt, und es werden je nach Art der vorhan- denen Anionen unterschiedliche Vorschriften fur die Ruckgewin- nung angegeben. Wie der Her- ausgeber versichert, konnen dabei unter vertretbarem Aufwand an Energie und an (studentischer) Arbeitskraft ein Teil der Aus- gangschemikalien in ausreichen- der Reinheit wiedergewonnen

werden. Unproblematische Che- mikalien werden ordnungsgemafl entsorgt. Es ist ein Verdienst des Herausgebers, dai3 dies funktio- nierr und dai3 damit eine Diskus- sion uber die Umweltaspekte in chemischen Praktika initiiert wurde. Dies nutzt dem Ansehen der Chemie in der Offentlichkeit.

Hochschuldidaktisch weniger anregend erscheinen dagegen die am Ende des Buchs angefugten Arbeitsblatter zu den einzelnen Versuchen. Dabei wird der kurs- mai3ige Charakter des Prakti- kums so recht deutlich, denn die Studenten haben lediglich Zah- lenwerte in Tabellen einzufugen. Wenig Raum fur die studentische Eigeninitiative lassen auch die detaillierten Versuchsbeschrei- bungen und die theoretischen Erlauterungen zu den Versuchen. Es ist so zwar sichergestellt, dai3 den Studenten ein Minimum an Theorie leicht zuganglich ist, aber der Gebrauch von Lehr- buchern wird nicht gerade gefor- dert, auch wenn Hinweise auf weiterfuhrende Literatur gegeben wird. Zu kritisieren ist im Theo- rieteil der uneinheitliche und teilweise veraltete Gebrauch der Nomenklatur und der Einheiten. Man mag es bedauern, aber die Zeiten von Jod und Wismut (Tab. S. 244) sind inzwischen vergan- gen, und es mui3 nun Iod und Bismut heii3en. Auch schreiben die Normen vor, dai3 die Groi3e Molaritat veraltet und stattdessen die Groi3e Stoffmengenkonzen- tration c zu gebrauchen sei. Dem- nach ist beispielsweise die Glei- chung Molaritat = n MOM auf S. 14 nicht mehr aktuell und durch c = nN [mol/l] zu ersetzen.

Das Buch ist preiswert und gut zu lesen. Es ist mit der Spiralbin- dung und dem kleinen Format dafur gemacht, auf dem Labor- tisch zu liegen.

Wer sollte das Buch anschaffen? Diese Entscheidung trifft der Hochschullehrer, der das Kurs- praktikum der Universitat Zurich ubernimmt. Dariiber hinaus kann es als Sammlung von Versuchen mit den Aspekten Abfallminimie- rung und Chemikalienriickfuh- rung Anregungen fiir alle geben, die Anfangerpraktika konzipie- ren. Eine direkte Ubertragung auf die Verhaltnisse an anderen Hochschulen durfte schwierig sein und ist auch wegen des ge- ringen Spielraums, der den expe- rimentierenden Studenten in diesem Praktikum bleibt, nur bedingt wiinschenswert.

H. J. Breunig, Bremen

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