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tiislichkeits-, Leitfahigkeits- und Viskositats- Messungen im System waRriger Losungen von CrO, und HC1041) Von LEOPOLD WOLF und PAUL CHRISTOFZIK Mit 7 Abbildungen Inhaltsubersicht Bestimmungen der spez. Leitfahigkeit, Viskositat und Dichte im genannten System ergaben, dal3 die den Messungen entsprechenden Mischungskurven innerhalb der Mischflache bleiben. (Begrenzung der Mischflache : Kurven der reinen Komponenten.) Vorausberechnungen der Werte der spez. Leitfahigkeit u'nd Viskositat lassen sich fur gro5e Verdiinnung nach FALKENHAGEN und fur hohe Konzentrationen nach isohydrischen Annahmen durchfuhren. Die Loslichkeit yon CrO, nimmt mit steigender HClO,-Kon- zentration ab. Im wasserarmen System HClO,/CrO, aq (aq < 2) nimmt die Loslichkeit wieder stark zu, ohne daB Verbindungsbildung festgestellt wurde. In HCIO, abs. losen sich 258,21 g CrO,/Ltr. bei 22,5" C. Die gesattigte Losung besitzt die Dichte 1,7935/22,5" C, sie erstarrt bei 12,5O C, die molare Zusammensetzung ist 6 HCIO,: 1 CrO,. Die spezifische Leitfahigkeit der gesattigten Losung betragt 0,0469 l2-l cm-l. Das konstante molare Verhaltnis und die bedeutend hohere spez. Leitfahigkeit der Losung gegenuber der HCIO, abs. ermutigen dam, eine Verkniipfung von CrO, uber H-Briicken mit HC10, nach Art eines Oberkomplexes anzunehmen. Es wird im folgenden auszugsweise uber ziemlich ausfuhrliche Untersuchungen in dem System CrO,/HCIO,/H,O berichtet, die sich hauptsachlich auf Loslichkeits-, Leitfahigkeits- und Viskositatsmessungen erstrecken. Die zugrunde liegenden Teilsysteme HClO,/H,O und CrO,/H,O sind von zahlreichen Autoren bereits ausfuhrlich un tersucht worden und so schien die Untersuchung des zusammengesetzten Systems HCIO,/CrO,/ H,O einen vertieften Einblick in das Verhalten konzentrierter Misch- losungen zu vermitteln ; uberdies schien das System auch von der saure- theoretischen Seite her nicht uninteressant. Die beiden Komponenten HC10, und CrO, sind zwar je fur sich bis zu betrachtlichen Konzentrationen in Wasser loslich, gleichwohl steht von vornherein fest, daI3 die Bildung von echten Komplexen nicht zu erwarten ist. l) Vorgetragen von Diplom-Chemiker PAUL CHRISTOFZIK auf der Chemie-Dozenten- tagung in Dresden.

Löslichkeits-, Leitfähigkeits- und Viskositäts-Messungen im System wäßriger Lösungen von CrO3 und HCIO4

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tiislichkeits-, Leitfahigkeits- und Viskositats- Messungen im System waRriger Losungen

von CrO, und HC1041)

Von LEOPOLD WOLF und PAUL CHRISTOFZIK

Mit 7 Abbildungen

Inhaltsubersicht Bestimmungen der spez. Leitfahigkeit, Viskositat und Dichte im genannten System

ergaben, dal3 die den Messungen entsprechenden Mischungskurven innerhalb der Mischflache bleiben. (Begrenzung der Mischflache : Kurven der reinen Komponenten.) Vorausberechnungen der Werte der spez. Leitfahigkeit u'nd Viskositat lassen sich fur gro5e Verdiinnung nach FALKENHAGEN und fur hohe Konzentrationen nach isohydrischen Annahmen durchfuhren. Die Loslichkeit yon CrO, nimmt mit steigender HClO,-Kon- zentration ab. Im wasserarmen System HClO,/CrO, aq (aq < 2) nimmt die Loslichkeit wieder stark zu, ohne daB Verbindungsbildung festgestellt wurde. In HCIO, abs. losen sich 258,21 g CrO,/Ltr. bei 22,5" C. Die gesattigte Losung besitzt die Dichte 1,7935/22,5" C, sie erstarrt bei 1 2 , 5 O C, die molare Zusammensetzung ist 6 HCIO,: 1 CrO,. Die spezifische Leitfahigkeit der gesattigten Losung betragt 0,0469 l2-l cm-l. Das konstante molare Verhaltnis und die bedeutend hohere spez. Leitfahigkeit der Losung gegenuber der HCIO, abs. ermutigen dam, eine Verkniipfung von CrO, uber H-Briicken mit HC10, nach Art eines Oberkomplexes anzunehmen.

Es wird im folgenden auszugsweise uber ziemlich ausfuhrliche Untersuchungen in dem System CrO,/HCIO,/H,O berichtet, die sich hauptsachlich auf Loslichkeits-, Leitfahigkeits- und Viskositatsmessungen erstrecken. Die zugrunde liegenden Teilsysteme HClO,/H,O und CrO,/H,O sind von zahlreichen Autoren bereits ausfuhrlich un tersucht worden und so schien die Untersuchung des zusammengesetzten Systems HCIO,/CrO,/ H,O einen vertieften Einblick in das Verhalten konzentrierter Misch- losungen zu vermitteln ; uberdies schien das System auch von der saure- theoretischen Seite her nicht uninteressant.

Die beiden Komponenten HC10, und CrO, sind zwar je fur sich bis zu betrachtlichen Konzentrationen in Wasser loslich, gleichwohl steht von vornherein fest, daI3 die Bildung von echten Komplexen nicht zu erwarten ist.

l) Vorgetragen von Diplom-Chemiker PAUL CHRISTOFZIK auf der Chemie-Dozenten- tagung in Dresden.

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238 Journal fur praktische Chemie. 4. Reihe. Band 1. 1955

Bekann t ist, da13 magig konzentrierte Chromsaurelosungen mit zunehmender Konzentration an CrO, eine fortschreitende Polymerisation zu hoheren Chromsiiurekomplexen erfahren, deren Endstufe im hoch- polymeren (CrO,), zu erblicken ist.

CrOy Cr,O;' Cr30;l, Cr40y3 (CrO,),

bzw. H,(CrO,)O H,(CrO,),O H,(CrO,),O H,(CrO,),O (CrO,), zitronengelb hellorange orange dunkelorange dunkelrot

Und zwar wird ein fortlaufendes Polymerisations-Gleichgewicht sowohl durch Fortiiahme von Losungswasser (d. h. mit wachsender Cr0,-Konzentrat,ion) als auch zusatzlich durch Erhohung der H'-Kon- zentration bewerkstelligt.

In dem kombinierten System HC10,/Cr03/H,0 durfen deshalb besonders charakteristische Verhaltnisse erwartet werden, da ja die Oberchlorsaure selbst starke Tendenz zur Wasserbindung besitzt, andererseits im wasserfreien Zustand nach den Untersuchungen von A. SIMON~) n ic h t als Acidiumsalz sondern ausgesprochen als Pseudo- saure vorliegt und in diesem Zustand die Rolle eines nichtwaarigen Lo- sungsmittels CrO, gegenuber einnehmen sollte.

Die Reindarstellung von HC10, wurde nacli den fruher im Institut von A. HANTzsCH~) gesammelten Erfahrungen, ferner nach den von A. SIMON~) gegebenen ausfuhrlichen Hinweisen, nach der Methode von G. F. SMITH^) vorgenommen. Die Reinigiing von CrO, wurde in An- lehnung an E. MULLER~) ausgefuhrt.

Fur die Messungen der spezifischen Leitfahigkeit wurde die ubliche Bruckenschaltung mit Tonfrequenzgenerator und gestrecktem Brucken- draht anderen Anorclnungen vorgezogen. Zur Bestimmung der Viskositat d ien ten UBBELOHDE-Viskosimeter, deren Kapillarkonstante durch Kon trollmessungen uberpr uf t w urde.

Die Ergebnisse der Messungen der spezifischen Leitfahigkeit fur die wagrigen Losungen von HC10, stehen im Einklang mit den von E. LINDE') gemessenen, ebenso die fur waarige Chromsaure allein mit denen von H. R. MOORE*) (Abb. 1).

uberdies haben wir die spezifische Leitfahigkeit von HC10, im hochkonzentrierten Gebiet noch fur die Temperatur von 45" C bestimmt,

,) A. SIMON, Z. anorg. allg. Chem. 268, 301 (1952). 3, A. HANTZSCH, K. BERCER, Diss. Leipzig (1928). ,) A. SIMON, Z. anorg. allg. Chem. 239, 330 (1938). 5 , G. F. SMITH, J. Amer. chem. SOC. 75, 184 (1953). 6, E. MULLER, Z. Elektrochern. 32, 399 (1926). 7, E. LINDE, Z. Elektrochem. 30, 255 (1924).

H. R. MOORE, Bur. Stand. J. Res. 5 , 255 (1930).

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WOLF u. CHRISTOFZIK, Messungen im System wabriger Losungen von CrO, und HCIO, 239

um einen qualitathen Vergleich mit den Angaben von USSANOVICH~) zu gewinnen (Abb. 2), welcher seinerseits mitgeteilt hat, da13 seine Mes- sungen gegenuber denen von E. LINDE differieren. Wir mochten den Messungen von E. LINDE den Vorzug geben.

Wie man sieht, stimmt zwar die Lage des von USSANOVICH gefundenen Leitfahig- keitsminimums bei un- gefahr 84,s Gew.-% mit dem fur die gleiche Konzentration von A. SIMON l) gefundenen Maximum der Visko- sitat gut uberein, je- doch muIJ nach un- seren Messungen unter

u, 3

0,6

0.5

0.4

03 0.2

G, I .p Mol/Ltr I

0 I 2 3 4 5 6 7 8 9 70 ! I

Abb. 1. S p e z i f i s c h e L e i t f a h i g k e i t w a B r i g e r L o s u n g e n v o n CrO, u n d HCIO,

-

Berucksichtigung des Temperaturgangs der Leitfahigkeit der Absolutwert hoher liegen, wie durch die punktierte Kurve lediglich angedeutet sein soll. Die Kurve der spezifischen Leitfahigkeit der Chromsaure hat den bereits von P. WALDEN lo) und W. OSTWALD]~) geschilderten Verlauf, sie

n-im' 04

0.3

0.2

07

70 80 90 roo Abb. 2. S p e z i f i s c h e L e i t f a h i g k e i t v o n HCIO, n a c h CHRISTOFZIK (C) u n d

USSANOVICH (U)

O ) M. USSANOWICH, J. Gen. Chem. (Russ.) Briefliche Abschrift der Orginalarbeit. lo) P. WALDEN, Z. physik. Chem. 2, 71 (1888). 11) W. OSTWALD, Z. physik. Chem. 2, 78 (1888).

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240 Journal fur praktische Chemie. 4. Reihe. Band 1. 1955

entspricht in charakteristischer Weisr: dem Typ einer starken einbasi- schen Saure. Auf Grund dieses Verhaltens hat ja auch E. SPITALSKI~~) mit seinen Ergebriissen der Diazoessig-Ester-Verseifung durch Chrom- saure in manig konzentrierten Losungen auf das Vorhandsein von Cr,O;' geschlossen.

Fur das aus den Komponenten HC1O4/CrO,/H,O zusammengesetzte System ergibt sich nun hinsichtlich der spezifischen Leitfahigkeit das folgende Bild (Abb. 3).

Bei den hier dargestellten Leitfahigkeitskurven ist die HC10,- Konzentration wie angegeben fur jede einzelne Kurve konstant. Mit wachsendem Parameter verschiebt sich das Maximum nach geringeren

Cr0,-Konzentrationen. (Das Diagramm zeigt ubrigens be- reits sehr deutlich, wie mit

0.7 zunehmender Inanspruch- nahme von Losungswasser bei wachsender HClO,-Kon-

0.6

0.5 Zen tra t ion d as Lei tf iihigkeits -

0.4 maximum auf eine gerin- gere Chromsaurekonzentra- 0.3

a2 tion verdrangt wird.) 0. 1 COO, Mol jL t r . Zugleich mit der Maxi-

mumverschiebung ist aber lo ein Anstieg des maximalen

Abb. 3. S p e z i f i s c h e L e i t f a h i g k e i t d e r Leitf&higkeitswerts auf das fur die uberchlorsaure gel- r e i n e n K o m p o n e n t e n HClO,aq, Cr0,aq

u n d d e r M i s c h 11 n g e n HCIO,/CrO,IH,O. (Zahlenangabe an den Mischungskurven gibt die tende Maximum z u be- jeweils konstant gehaltene HCIO,-Konzen- merken.

tration an) Untersucht man Chrom- saurelosungen bei noch

koherer konstanter HC10,-Konzentration, so konnen nur noch die absteigenden Aste der speaifischen Leitfahigkeit verfolgt werden. Das zugehorige Maximum besitzt dann keine reale Bedeutung mehr.

Die Verbindungslinie der Maxima ist eine konkav gegen die Abzisse gekrummte Kurve und deutet eine Abweichung der Werte von der Additivitat der Leitfahigkeiten an, wie man sie beispielsweise aus iso- hydrischen Betrachtungen gewinnen konnte.

In dsm folgenden Diagramm (Abb. 4) ist eine andere Darstellungs- weise gewahlt worden. Hier ist die gesamte molare Konzentration gegen die spezifische Leitfahigkeit der betreffenden Systems aufgetragen.

. . . . . . . . HClO, .Max 25'C

-___ 12) E. SPITALSKI, Z. physik. Chem. 54, 265 (1907).

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WOLF u. CHRISTOFZIP, Messungen im System waijriger Losungen von CrO, und HCIO, 241

In Abhangigkeit von des Gesamtkonzent~ration schmiegen sich also die Leitfahigkeitskurven ausgehend von dem System HClO,/H,O all- mahlich an die Leitfahigkeitskurve des Systems CrO,/H,O an.

- I d aesamte rnolare Konz. M o I I L h

I 2 3 4 5 6 7 8

Abb. 4. S p e z i f i s c h e L e i t f g h i g k e i t d e r r e i n e n K o m p o n e n t e n HClO,aq, Cr0,aq u n d d e r Mi s c h u n g e n HCIO,/CrO,/H,O. (Zahlenangabe an den Mischungs-

lrurven gibt die jeweils konstant gehaltene HC10,-Konzentration an)

Es zeigt sich nun, da13 man dieses Verhalten fur verschiedene Lo- sungen innerhalb eines gewissen Konzentrationsintervalles recht gut nach dem Isohydrieprinzip von S. ARRHENIU~ 13) darstellen kann, wie die Berechnungen ergeben haben.

Erst bei hohen Cr0,-Konzentrationen und bei genugend hohem HC10,-Parameter zeigen sich gro13ere Abweichungen. Es scheint uns bemerkenswert, daB man an diesem System feststellen kann, da13 die Anwendung des Isohydrieprinzips fur grobe Vorausberechnungen auch bei hinsichtlich der Theorie der Elektrolyte beachtlichen Konzentrationen genugend genaue Werte liefert.

Fur die Vorausberechnung werden die 3 folgenden Beispiele an- gefiihrt :

1. HCIO, 1,0073 m 0,3243 D-l cm-I Cr0,aq 1,0065 m 0,2940 Sz-l cm-l 1 Vol. HCIO, + 1 Vol. CrO,

gef unden 0,3097 Q-l cm-l berechnet 0,3091 f2-l cm-l

19) S. ARRHENIUS, Z. physik. Chem. 2, 284 (1888).

J. prakt. Chem. 4. Reihe, Ed. 1. 16

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2. HClO, 2,0146 m 0,5653 SZ-I cm-I Cr0,aq 2.0092 m 0,5006 Sz-l cm-1 1 Vol. HClO, + 1 Vol. CrO,

gefunden 0,5314 Sz-l cm-l berechnet 0,5329 Sz-I cm-I

3. HClO, 5,4850 m 0,7250 8-1 cm-I Cr0,aq 6,4920 m 0,6401 52-1 cm-l 1 Vol. HClO, + 1 Vol. CrO,

gefunden 0,6773 L5-l cm-l berechnet 0,6825 cm-l.

Diese Tatsache scheint auch die Vermutung zu stutzen, auf welche wir bei unserer Arbeit an solchen Systemen mehrfach gestoljen sind, da8 niimlich in hinreichend konzentrierten Losungen, d. h. nach Uber- schreitung mittlerer Konzentrationsgebiete die bedeutenden Schwierig- Ireiten, denen die allgemeine Theorie der Elektrolyte begegnet, wieder zurucktreten und speziell chemische Faktoren wieder in den Vorder- grund treten.

Vielleicht wird man auch die vorhandenen Abweichungen vom Isohydrieprinzip gar nicht so sehr auf die in terionische Wechselwirkung als vie1 mehr auf die eingaiigs kurz gestreiften chemischen Veranderungen der Chromsgure bzw. dem Einflu13 der H’ xuschreiben durfen.

Nach den von A. SIMON und Mitarbeitern gemachten Erfahrungen uber Prazisionsmessungen der Zahigkeit von uberchlorsaure stand fur

I

0 7 2 3 4 5 6 qesamte molare Honz

Abb. 5. D y n a m i s c h e Z a l i i g k e i t d e r r e i n e n K o m p o n e n t e n HClO,aq, Cr0,aq u n d d e r Mi s c h u n g e n HClO,/CrO,/H,O. (Zahlenangabe an den Mischungs-

kurven gibt die jeweils konstant gehaltene HClO,-Konzentration an)

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WOLF u. CHRISTOFZIK, Messungenim System wadriger Losungen von Cr0,und HC10, 243

__ Anteil der HCIO, an der gesamten

Molaritat %

100 50 40 0

-

die hier durchgefuhrten Messungen fest, daf3 die dynamische Zahigkeit nur re la t i v vergleichbare Werte fur die Mischung liefern konnte.

In der Abb. 5 ist der Verlauf der Grenzkurven der reinen Kompo- nen ten HClO,/H,O und CrO,/H,O dargestellt. Auch hier verbleiben die Mischungskurven in der vorhin fur die Leitfahigkeit gewahlten Dar- stellung : gesamtmolare Konzentration gegen dynamische Viskositat aufgetragen, innerhalb der Mischungsflache.

Sie nehmen vorgegeben ihren Ursprung in der Uberchlorsaurekurve und schmiegen sich an die der Chromsaure an. Auch hierbei ist die ,,Gesellschaftsregel" auf das Gebiet hoher Konzentrationen ubertragbar und liefert, wie die Berechnungen gezeigt haben, gut ubereinstimmende und gut anwendbare Werte mit dem Experiment.

Dies ist sicher darauf zuruckzufuhren, daf3 infolge der Dehydrati- sierung bzw. Desolvatation der Ionen bei zunehmender Konzentration die gegenseitige Entfernung allmahlich auf ein Minimum zuruckgefuhrt wird, womit der Ordnungszustand des Systems also zunimmt.

Im Gebiet manig konzentrierter Losungen versagt aber diese Regel und ergibt grol3e Abweichungen.

Wir fanden vielmehr, da13 im Gebiet grol3er Verdunnung etwa bis zu 0,5 m gesamtmolarer Konzentration die FALKENHAGEN-DOLESche Beziehung, welche die elektrostatische Wechselwirkung in Rechnung setzt, die bisher beste Annaherung von berechneten und gefundenen Werten liefert.

Die Koeffizienten a und b wurden nach dem Matritzen-Verfahren von A s ~ u s ~ ~ ) errechnet, wobei wir fanden:

A

0,0021 0,0051 0,0057 0,0078

B

-0,0085 0,021 0,024 0,034

Unter Verwendung dieser Werte in der FALKENHAGEN-DOLE-&- ziehung ergab sich sehr gute Ubereinstimmung zwischen Theorie und Experiment; die Viskositat lief3 sich bis zu einer 0,5 gesamtrnolaren Losung voraus berechnen.

Im ubrigen la13t sich nach unseren Berechnungen auch dureh weitere Modifizierung der FALKENHAGEN-DOLE-Beziehung, woriiber Vorschlage

14) E. ASMUS, Z. physik. Chem. B47, 357 (1940). 16*

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T '," 0% 8

J. 7 : 6 . 5 . 4 .

3 - 2 .

7 .

Mit ans teigender HC10, - Konzen tra tion "a nimmt die Loslichkeit von CrO, zunachst a b \"" und erreicht im Gebiet der 70 %-ifberchlor- saure einen auBerst geringen Wert. Im Interval1 von 65-75% HCIO, ist CrO, prak- tisch unloslich. Dieses

HCIO~ Gew.% Verhalten erinnert zu- nachst an das vollig

io

Abb. 6a. L o s l i c h k e i t v o n CrO, i n HCl0,aq bzw. i n HCI0,abs.

Auch im entsprechenden HCIO,-System ist CrO, so gut wie unloslich. Es darf hieraus geschlossen werden, dalS in den vorgenannten Systemen

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WOLF u. CHRISTOFZIK, Messungen in] System waSriger Losungen von CrO, und HCIO, 245

2 Molekule Wasser bevorzugt der jeweiligen Tragersaure zugeordnet werden konnen und das iiberschieaende Restwasser die Chromsaure aufnimmt .

Weiterhin muB aber auch gelten, daI3 bereits in den stark konzen- trierten bis gesattigten Losungen von CrO, hohere Aggregate als H2Cr20, vorliegen, die bei H'-Zusatz die Bildung von (CrO,), ermoglichen, welches schliefilich ausfallt. Zunachst ist weiterhin xu beobachten, daI3

Mol/ Ltr t

HCIoe

HZ HZ Se04

Abb. 7. Lo 6 1 i c h k e i t v o n CrO, i n HClO, 25' C , H,SO, 20' C, H,SeO, 20" C

selbs t im geschmolzenen Zustand das Monohydra t der uberchlorsaure bei 50" C lediglich 0,2 Gew.-% CrO, zu losen vermag, welches aus der hellroten Losung beim Erkalten wieder ausgeschieden wird.

Wahrend nun in den erwahnten Systemen H,SeO,/CrO, aq und H,SO,/CrO, aq bei weiter ansteigender Konzentration der Tragersaure (H,SO,, H,SeO,) iiber das Loslichkeitsminimum des CrO, hinaus die bekann ten definierten Verbindungen abgeschieden werden (Chrom- schwefelsaure, Chromselensaure), trifft dies fur die wasserarmen Systeme HClO,/CrO, aq - 2 H,O, 1 H,O nicht mehr zu, sondern die Loslichkeit des CrO, steigt bis aur absoluten uberchlorsaure sehr stark an, ohne das Verbindungsbildung feststellbar ware. In der absoluten uberchlorsaure betragt die Loslichkeit von CrO, bei 22,5" C 258,21 g/Ltr.

Die gesattigte Losung besitzt die Dichte 1,7935 bei 22,5" C. Das molare Verhaltnis beider Komponen ten entspricht nach analytischen Berechnungen 6 HC10,/1 CrO,. In ubereinstimmung hiermit betragt das Verhaltnis von Gesamtsaure zu CrO, nahezu 8: l . Die Losung er-

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246 Journal fur praktische Chemie. 4. Reihe. Band 1. 1955

starrte bei 1 2 3 " C zu einer dunkelbraunen Kristallmasse, welche bei Luft- zutritt nur schwach rauchte; im ubrigen verhalt sich die gesattigte Losung oxydablen Substanzen geenuber mindestens so heftig explosiv wie HCIO, im wasserfreien Zustand selbst.

Im Anschlua an die oben mitgeteilten Leitfiihigkeitsmessungen be- stimmten wir auch die spezifische Leitfahigkeit einer solchen gesattigten Losung sowie die Leitfahigkeit der abs. HClO, selbst.

Es fand sich:

Loslichkeit von CrO, in HC10, abs. Dichte 1,7935 molares Verhaltnis CrO,/HC10, 1:6 spez. Leitfahigkeit HCIO, abs. spez. Leitfahigkeit HClO,/CrO, ges.

258,21 g/Ltr.

0,00597 sZ-l cm-1 0,0469 SZ-1 cm-l.

Der Wert x = 0,00597 Q-l em-l fur die absolute HC10, erscheint uns im sauretheoretischen Sinne bemerkenswert. Ein Vergleich mit dem fruher von L. WOLFIS) bei absoluter HNO, fur die Temperatur 0" C, x = 0,0105 Q-1 em-lgefundenen Wert (bei einer Temperatur von 22,5"C wurde ein noch hoherer Wert resultieren) erweist, da13 die absolute HC10, wenigstens eine um eine Zehnerpotenz geringere Eigenleitfahigkeit be- sitzt. Bereits aus diesem Grunde wird man der Eigenleitfahigkeit im Falle der HCIO, nicht mehr, wie dies von A. HANTZSCH~~) in Verallge- meinerung des Befundes an der absoluten HNO, geschlossen hat, auch der absoluten HClO, eine Acidiumsalz-Struktur zuteilen konnen. Die weitaus geringere Eigenleitfahigkeit der HClO, steht mit den raman- spektroskopischen Befunden an absoluter HCIO, im vollen Einklang. Die gesattigte Losung von CrO, in absoluter HC10, liegt verglichen mit dem fur die absolute HClO, allein gefundenen Wert bemerkenswert hoher. Wir fuhren dies auf eine Beeinflussung bzw. Sprengung der Wasserstoffbrucken zuruck, wie sie fur die absolute HC10, von A. SIMON~) fur die Pseudoform der HCIO, vorgeschlagen worden ist.

Die molare Zusammensetzung der gesattigten Losung von CrO, in absoluter HClO, kann offenbar so gedeutet werden, da13 1 Molekul CrO, von einer durchschnittlichen Umgebung von 6 Molekulen HC10, gerade in Losung gehalten wird. Ein derartiger Losungszustand vermag chemisch zu folgender Betrachtung anzuregen :

Wenn die absolut wasserfreie HCIO, als typische Pseudosaure zu einer Assoziation unter Ausbildung von Wasserstoff-Briicken-Bindungen neigt, dann darf angenommen werden, da13 diese Tendenz auchin groaerem

15) L. WOLF, Ber. dtsch. chem. Ges. 58, 953 (1925). 16) A. HANTZSCH, Ber. dtsch. chem. Ges. 60, 1940 (1027).

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WOLF u. CHRISTOFZIK, Meseungen im System waljriger Losungen Ton CrO, und HC10, 247

oder geringerem Umfange erhalten bleibt, wenn sie einer s a u e r s to f f - ha l t igen aber wasserstofffreien Verbindung wie CrO, gegenuber als Losungsmittel fungiert. Es kann als ziemlich sicher gelten, da13 bei Auf- nahme von Cr0,durch absolute HC10, der erste Schritt auf einer ,,inneren Salzbildung" beruht. Dieser erste Schritt kann wie folgt formuliert

Im Gegensatz zur Chromschwefel- oder Chromselensaure ist dieser Komplex jedoch n i c h t in unloslicher Form als definierte chemische Verbindung zu isolieren, weil die uberchlorsaure im Gegensatz zur Schwefelsaure bzw. Selensaure als ausgepragte Pseudosaure auch weiter- hin gegenuber dern Komplex (1) Wasserstoffbrucken zu betatigen be- strebt ist. In (1) stehen fur die Anknupfung von Wasserstoffbriicken noch 5 weitere Sauerstoffatome zur Verfugung, welche sich uber Wasser- brucken mit 5weiteren HC10,-Molekulennach Arteines u b e r k o m p l e x e s verknupft denken lassen.

Da in der absoluten fjberchlorsaure etwa wie durch A. SIMON vorgeschlagen 2 Wasserstoffbrucken je 2 Molekule verknupfen, sind streng genommen diese Wasserstoffbrucken nicht im absoluten Sinne gesprengt, sondern auf den Komplex (1) verlegt, wie durch Formu- lierung 2 angedeutet sein moge:

0,ClO OC10, I 1 H H

0 6 0,ClO-H. . . 0 Cr 0 ClOH

0 0

H H I I

0,ClO OC10,

uber den gesamten uberkomplex sind die Wasserstoffbrucken inhomogener und unsymmetrischer verteilt als in der reinen uberchlor- saure, daher wird auch die erhohte spezifische Leitfahigkeit verstandlich.

Leipzig, Institut fur anorg. Chemie der Karl-Marx- Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 5.August 1954.