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©bluraz, Fotolia Die Lage der Berufstätigen in der reichen Schweiz STRESS PRÄMIENLAST LOHNDRUCK UND UNSICHERE ARBEITSPLÄTZE

Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

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Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze. Die Lage der Berufstätigen in der reichen Schweiz. Eine Publikation des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Autoren: Daniel Lampart, David Gallusser, Daniel Kopp und Kristina Schüpbach. Bern, Oktober 2014

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Page 1: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

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Die Lage der Berufstätigen in der reichen Schweiz

STRESSPRÄMIENLAST

LOHNDRUCK

UND UNSICHERE ARBEITSPLÄTZE

Page 2: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

Inhalt

Die Schweiz so reich wie nie nur eine Minderheit profitiert _________1

Die Lohnschere öffnet sich _____________________________________4

Krankenkassenprämien belasten Normalhaushalte _________________8

Unsichere Arbeitsplätze hohe versteckte Erwerbslosigkeit _______ 12

Stress und lange Arbeitszeiten ________________________________ 16

Veralteter Arbeitnehmerschutz ________________________________ 19

Weiterlesen _______________________________________________ 23

Der SGB __________________________________________________ 25

Daniel Lampart

David Gallusser

Daniel Kopp

Kristina Schüpbach

Oktober 2014

Page 3: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

INHALTSVERZEICHNIS

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Page 4: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

01 DIE SCHWEIZ SO REICH WIE NIE NUR EINE MINDERHEIT

PROFITIERT

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Jede und jeder Berufstätige erarbeitet heute im Durchschnitt

Franken pro Jahr das ist so viel wie noch nie.

Die Schweiz so reich wie nie nur eine Minderheit profitiert

erwirtschaftete jede berufstätige Person in

der Schweiz letztes Jahr im Durchschnitt. Die Schweiz ist damit so reich

wie nie zuvor. Dank der Berufstätigen. Das Land könnte sich also

problemlos leisten, dass es allen gut geht.

Wertschöpfung pro ArbeitnehmerIn in Franken, Preise von 2013, Vollzeitäquivalente

Quelle: BFS, Berechnungen SGB

Leider schlägt sich dieser zunehmende Reichtum bei vielen nur

ungenügend im Portemonnaie nieder. Die Entwicklung in der Schweiz

geht in die falsche Richtung: In den letzten 20 Jahren haben sich

Arbeitgeber und Topverdiener ein immer grösseres Stück vom

Wohlstandskuchen abgeschnitten. Viele Berufstätige sind hingegen

170'000.-

0.-

40'000.-

80'000.-

120'000.-

160'000.-

200'000.-

1950 60 70 80 90 00 13

Page 5: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

02 DIE SCHWEIZ SO REICH WIE NIE NUR EINE MINDERHEIT

PROFITIERT

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

nahezu leer ausgegangen. Sie leiden unter grösserer Unsicherheit und

häufigem Stress und erhalten dennoch einen viel zu bescheidenen

Anteil am gesellschaftlichen Wohlstand. Dabei haben diesen höheren

Wohlstand doch alle Erwerbstätigen geschaffen, nicht bloss die

Oberschicht.

Immerhin konnten die Schweizer Gewerkschaften dank ihrem starken

Engagement Schlimmeres verhindern. Im Unterschied zu anderen

Ländern hat sich die Tieflohnproblematik hierzulande beispielsweise

nicht verschärft. Und wegen den stark verbesserten Lohnkontrollen ist

es für Arbeitgeber schwieriger geworden, die Löhne zu drücken. In

anderen Bereichen befindet sich die Schweiz im internationalen

Vergleich aber im Rückstand. So haben viele Leute mit tiefen und

mittleren Einkommen finanzielle Probleme, nicht zuletzt deshalb, weil

unsere Krankenversicherung über unsoziale Kopfprämien finanziert

wird. Und auch die versteckte Arbeitslosigkeit ist in der Schweiz leider

beunruhigend hoch. Schliesslich leiden Erwerbstätige in der Schweiz

häufiger unter Stress bei der Arbeit als in den meisten anderen Ländern.

Eine zusätzliche Bedrohung für die Erwerbstätigen stellt die

Abschottungspolitik der falschen Patrioten aus der SVP und dem

national-konservativen Lager dar. Diese Politik gefährdet Löhne und

Arbeitsplätze. Denn wenn die bilateralen Verträge mit der EU wegfallen,

wird der Export von Schweizer Produkten ins Ausland schwieriger. Und

diese Politik gefährdet auch den Grundsatz gleiche Löhne für gleiche

Arbeit am gleichen Ort. Dürften Arbeitskräfte ohne Schweizer Pass

diskriminiert werden, würde das allen Arbeitnehmenden in der Schweiz

schaden. Heute leisten Personen mit ausländischem Pass rund ein

Drittel aller Arbeitsstunden. Könnte ein Schweizer Arbeitgeber Löhne

und Arbeitsbedingungen seines ausländischen Personals drücken,

Page 6: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

03 DIE SCHWEIZ SO REICH WIE NIE NUR EINE MINDERHEIT

PROFITIERT

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

gerieten früher oder später alle Löhne und Arbeitsbedingungen unter

Druck.

Die Schweiz braucht eine wirtschaftspolitische Wende. Damit alle

Berufstätigen vom Wohlstand profitieren. Sie brauchen gute

Einkommen, sichere Arbeitsplätze, gute Arbeitsbedingungen sowie

Arbeitszeiten, mit denen sie Beruf, Familie und Freizeit unter einen Hut

bringen können. Nur eine soziale, gerechte und offene Schweiz hat

Zukunft. Der Königsweg dorthin sind gute Gesamtarbeitsverträge (GAV)

mit guten Mindestlöhnen. Denn überall, wo es GAV gibt, sind die

Lohnverhältnisse gerechter. Der Lohn- und Arbeitnehmerschutz muss

den heutigen Realitäten angepasst werden. Vollbeschäftigung ist der

beste Schutz gegen Arbeitsplatzunsicherheit: Nationalbank, aber auch

Bund, Kantone und Gemeinden müssen deshalb mit ihrer Geld- und

Finanzpolitik dazu beitragen, dass die Erwerbslosigkeit sinkt. Grossen

Handlungsbedarf gibt es bei der Steuer- und Abgabenpolitik. Bund und

Kantone müssen die Prämienverbilligungen substanziell aufstocken.

Page 7: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

04 DIE LOHNSCHERE ÖFFNET SICH

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Die Lohnschere öffnet sich: Die Löhne der Gut-verdienenden sind seit 2002 viel stärker gestiegen als die der Normal- und Wenig-verdienenden.

Die Lohnschere öffnet sich

In der Schweiz hat sich die Lohn- und Einkommensschere weiter

geöffnet. Die Löhne der obersten 10 Prozent sind von 2002 bis 2012

nach Abzug der Teuerung um knapp 16 Prozent oder monatlich -

Franken gestiegen. Die mittleren und tiefen Löhne wurden abgehängt.

Die mittleren stiegen um knapp 7 Prozent oder um 375.- Franken pro

Monat. Die tiefen um knapp 3 Prozent oder 102.- Franken. Das zeigt die

genaueste Lohnstatistik der Schweiz, die Lohnstrukturerhebung des

Bundesamtes für Statistik 2012.

Wachstum der preisbereinigten Löhne nach Lohnklassen

Quelle: BFS, Berechnungen SGB

+15%

+7%

-4%

0%

+4%

+8%

+12%

+16%

2002 04 06 08 10 12

Unterste 10 Prozent

Oberste 10 Prozent

Mittlerer Lohn

+ 3%

Page 8: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

05 DIE LOHNSCHERE ÖFFNET SICH

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Heute gibt es 13 Mal mehr Lohnmillionäre als zu Beginn der 1980er Jahre.

Am stärksten sind die Spitzenlöhne gestiegen. Mittlerweile kassieren

mehr als ehalt von über einer halben

Million Franken. Das sind über 7 Mal mehr als in den 1980er Jahren.

Die Zahl der Lohnmillionäre liegt sogar 13 Mal höher als noch vor 30

Jahren.

Anzahl Personen mit mehr als 1 Million Franken Jahreslohn zu Preisen von 2012

Quelle: BSV, AHV-Beitragszahlerstatistik

Dieser massive Anstieg der Spitzenlöhne hängt mit der

Individualisierung der Lohnpolitik und der zunehmenden Bedeutung

von Bonuszahlungen zusammen. Denn die Kader beglücken sich lieber

gegenseitig mit Boni als Angestellten zu

gewähren. Den Grossteil der Boni erhalten deshalb Kader und

Spezialisten also genau diejenigen Lohnklassen, die ohnehin schon

hohe Saläre beziehen. Auf der Strecke bleiben die Normal- und

2'579

0

500

1'000

1'500

2'000

2'500

3'000

1982 87 92 97 02 07 12

Page 9: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

06 DIE LOHNSCHERE ÖFFNET SICH

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Niedrigverdiener. Zwar konnten die Gewerkschaften mit einem aktiven

Einsatz für gute Mindestlöhne und Gesamtarbeitsverträge den

Lohndruck in zahlreichen Branchen abwehren, beispielsweise in der

Hotellerie und Gastronomie. Doch in Sektoren und Berufen ohne

branchenweite Gesamtarbeitsverträge sieht es bedeutend schlechter

aus. Arbeitgeber können hier ungestraft Löhne und Arbeitsbedingungen

drücken.

In Branchen mit einem hohen Anteil gewerkschaftlich organisierter

Angestellter trotzen die Arbeitnehmenden den Arbeitgebern bessere

Anstellungsbedingungen ab. Das zeigen die Statistiken. Würden sich

die Arbeitnehmenden noch stärker in den Gewerkschaften engagieren,

könnten noch bessere und mehr Gesamtarbeitsverträge durchgesetzt

werden. Bis auf die Spitzenverdiener würden dann alle mehr verdienen.

Denn in Gewerkschaften organisiert, müssen die Arbeitnehmenden ihre

Interessen nicht mehr alleine vertreten, sondern können gemeinsam

höhere Löhne fordern. Die Arbeitgeber können so die Beschäftigten

schlechter gegeneinander ausspielen und einschüchtern.

Dank der Arbeit der Gewerkschaften sind in den letzten 10 Jahren auch

die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern zurückgegangen.

Die Arbeitgeber unternahmen aber kaum etwas, um die

Lohndiskriminierung zu bekämpfen. Von der Lohngleichheit sind wir

deshalb noch weit entfernt. Frauen verdienen im Mittel nach wie vor

18.9 Prozent weniger als Männer. Den erwerbstätigen Frauen entgehen

alleine wegen der direkten Diskriminierung jährlich 7.7 Milliarden

Franken Lohn.

Page 10: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

07 DIE LOHNSCHERE ÖFFNET SICH

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Bis auf die Topverdiener erhalten alle Arbeitnehmer mehr Lohn, wenn die Gewerkschaften stärker werden.

Frauen verdienen nach wie vor deutlich weniger als Männer.

Anstieg der Löhne nach Lohnklassen, wenn ein zusätzliches Prozent aller Arbeitnehmenden Gewerkschaftsmitglied wird

Quelle: Fournier/ Koske (2012), OECD Economics Department Working Papers, N°930

Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern Differenz der Medianlöhne in % des Männer-Medians

Quelle: BFS, Berechnungen SGB

+0.36%

+0.14%

+0.06% +0.06%

-0.03% -0.15%

0%

+0.15%

+0.30%

+0.45%

Unterste10 %

Unterste30 %

MittlererLohn

Oberste30 %

Oberste10 %

-18.9%

-22%

-21%

-20%

-19%

-18%

-17%

-16%

1998 00 02 04 06 08 10 12

Page 11: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

08 KRANKENKASSENPRÄMIEN BELASTEN NORMALHAUSHALTE

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Unsoziale

Kopfprämien:

Die Kantone

sparen bei den

Prämien-

verbilligungen.

Krankenkassenprämien belasten Normalhaushalte

Wie viel vom Lohn im Portemonnaie bleibt, hängt stark von Steuern,

Sozialversicherungsabgaben und -leistungen oder Krankenkassen-

prämien ab. Dafür ist die Politik zuständig. Leider konnte sich bei der

Steuer- und Abgabenpolitik in den letzten Jahren vor allem die

Oberschicht durchsetzen. Die von den Gewerkschaften erkämpften

Lohnfortschritte bei den tiefen und mittleren Einkommen wurden

dadurch zunichte gemacht. Diese Einkommenskategorien werden

heute stärker belastet als vor 10 Jahren.

Wachstum der Prämien, Prämienverbilligungen pro Kopf und Löhne preisbereinigt, ohne Verbilligungen zu EL/Sozialhilfe, CH-Durchschnitte

Quelle: BAG, BFS, Berechnungen SGB

Prämien +90%

+36%

Löhne

+9%

-20%

0%

+20%

+40%

+60%

+80%

+100%

1997 00 03 06 09 12

Prämien-verbilligungen

Page 12: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

09 KRANKENKASSENPRÄMIEN BELASTEN NORMALHAUSHALTE

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Steuer- und Abgabenpolitik: Normal- und Wenigverdiener weiter belastet Topverdiener entlastet.

Am stärksten schlagen die Kopfprämien bei der Krankenversicherung

zu Buche. Die Kantone haben die Prämienverbilligungen längst nicht

dem Prämienanstieg angepasst. Stattdessen haben die Kantone die

Einkommens- und Vermögenssteuern, aber auch die Gewinnsteuern

der Unternehmen gesenkt. Davon haben vor allem Reiche und

Gutverdiener profitiert. Die Haushalte mit tiefen und mittleren

Einkommen leider dagegen unter dieser unsozialen Steuer- und

Abgabenpolitik von Bund, Kantonen und Gemeinden.

Auswirkung der Steuer- und Abgabenpolitik von 2002 bis 2012 nach Lohnklasse Verheiratete mit 2 Kindern, in Franken von 2012, pro Monat

Mehrbelastung durch Krankenkassenprämien (inkl. Verbilligung)

Entlastung durch Steuer- & Abgaben-senkungen

Auswirkung total:

Mehrbelastung

Entlastung

Quelle: Berechnungen SGB (Methode: s. Verteilungsbericht 2012)

+250.- +280.- +300.- +300.-

-80.-

-170.-

-290.-

-450.-

+170.- +110.-

+10.-

-150.-

-600.-

-400.-

-200.-

+200.-

+400.-

Unterste10 %

MittlereLöhne

Oberste10 %

Oberstes 1 %

Page 13: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

10 KRANKENKASSENPRÄMIEN BELASTEN NORMALHAUSHALTE

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

.

Topverdiener

profitieren

Einkommens-

rückgang unten.

Ausgerechnet diejenigen, die auf jeden zusätzlichen Franken

angewiesen sind, haben noch weniger Einkommen zur Verfügung. Das

Verfassungsprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen

Leistungsfähigkeit wird zunehmend ausgehöhlt. Mittlerweile müssen die

tiefen Einkommen praktisch den gleichen Anteil ihres Einkommens für

staatliche Zwangsabgaben zahlen wie die Grossverdiener.

Verschärft wird die Situation durch die Mieten, die gerade in den

Zentren und Agglomeration in den letzten Jahren stetig gestiegen sind.

Bund, Kantone und Gemeinden sind dafür mitverantwortlich: Seit den

1990er Jahren haben sie ihre Beiträge an den gemeinnützigen

Wohnbau mehr als halbiert (gemessen an den Gesamtausgaben).

Veränderung der verfügbaren Einkommen zwischen 2002 bis 2012 Monatseinkommen nach Lohnklassen, in Franken von 2012

Quelle: Berechnungen SGB (Methode: s. Verteilungsbericht 2012)

-200.- -30.-

+680.-

+1'930.-

-190.-

+100.-

+1'020.-

+2'680.-

-500.-

+500.-

+1'000.-

+1'500.-

+2'000.-

+2'500.-

+3'000.-

Unterste10 %

MittlereLöhne

Oberste10 %

Oberstes1 %

Alleinstehende Verheiratete mit 2 Kinder

Page 14: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

11 KRANKENKASSENPRÄMIEN BELASTEN NORMALHAUSHALTE

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

In der Schweiz

haben viele

Mühe, mit dem

Geld über die

Runden zu

kommen.

Unter dem Strich bleibt heute in vielen Haushalten nach Abzug von

Steuern, Prämien und Mieten nur wenig mehr Geld zum Leben übrig als

vor über zehn Jahren, im Jahr 2002. Es ist eine Schande für die

wohlhabende Schweiz und ein Armutszeugnis für die Politik, dass

zahlreiche Haushalte Mühe haben, finanziell über die Runden zu

kommen. Im Vergleich zu anderen einkommensstarken Ländern in

Europa schneidet die Schweiz diesbezüglich schlecht ab. Wäre die

Krankenversicherung sozialer finanziert, würde das anders ausschauen.

Anteil aller Haushalte, die mit ihrem Geld nur schwer über die Runden kommen 2012

Quelle: Eurostat

8.6%

0%

2%

4%

6%

8%

10%

12%

14%

16%

18%

Page 15: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

12 UNSICHERE ARBEITSPLÄTZE HOHE VERSTECKTE

ERWERBSLOSIGKEIT

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Hohe versteckte

Arbeitslosigkeit

Unsichere Arbeitsplätze hohe versteckte Erwerbslosigkeit

Viele Berufstätige machen sich heute Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Das

war bis Ende der 1980er Jahre noch ganz anders. Damals lag die

offizielle Arbeitslosenquote unter 1 Prozent. Heute beträgt sie rund 3.2

Prozent. Doch in Wirklichkeit sind viel mehr Menschen davon betroffen.

Beispielsweise die ausgesteuerten Arbeitslosen oder Menschen, die aus

anderen Gründen keinen Anspruch auf Arbeitslosen-Taggelder haben.

Quote der Erwerbslosen und der registrierten Arbeitslosen in Prozent aller Erwerbspersonen

Quelle: BFS, Seco

0%

1%

2%

3%

4%

5%

1980 85 90 95 00 05 10

Registrierte Arbeitslose Erwerbslose

Page 16: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

13 UNSICHERE ARBEITSPLÄTZE HOHE VERSTECKTE

ERWERBSLOSIGKEIT

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Erwerbslosigkeit:

Deutsche

Bundesländer

überholen die

Schweiz.

Zählen wir auch sie mit, so sind heute in der Schweiz

Menschen oder 4.7 Prozent ohne Erwerbsarbeit. Das ist auch im

Vergleich zum Ausland nicht mehr tief. Deutschland und Österreich

liegen mit Quoten um rund 5 Prozent nur unwesentlich über der

Schweiz. Die deutschen Bundesländer Baden-Württemberg oder

Bayern stehen mit Quoten um 4 Prozent mittlerweile sogar besser da als

die Schweiz. Hauptursache dieser Verschärfung ist der überbewertete

Franken. Die Berufstätigen in der Schweiz müssen nun für die

zögerliche Politik der Nationalbank zahlen.

Erwerbslosenquote: Schweiz, Baden-Württemberg und Bayern im Vergleich

Quelle: BFS, Bundesagentur für Arbeit

3.9% 4.4%

6.7%

4.1%

6.1%

3.8%

0%

2%

4%

6%

8%

1994 2013

Schweiz Baden-Württemberg Bayern

Page 17: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

14 UNSICHERE ARBEITSPLÄTZE HOHE VERSTECKTE

ERWERBSLOSIGKEIT

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Unfreiwillige

Teilzeitarbeit

versteckte

Arbeitslosigkeit

Obwohl die Erwerbslosenquote ein genaueres Bild der tatsächlichen

Arbeitslosigkeit gibt, ist auch diese Statistik noch unvollständig.

Beispielsweise sind Personen, die sich entmutigt aus der Stellensuche

zurückgezogen haben, nicht enthalten. Ebenfalls nicht mitgezählt

werden Personen, die unfreiwillig Teilzeit arbeiten und eigentlich auf der

Suche nach einem grösseren Stellenpensum sind. In der Schweiz sind

zu den übrigen

einkommensstarken Ländern schneidet die Schweiz diesbezüglich

sogar besonders schlecht ab. Gemessen an der Bevölkerung gibt es

nur in Irland und im Vereinigten Königreich mehr unfreiwillig Teilzeit-

Arbeitende.

Teilzeitbeschäftigte, die ein höheres Stellenpensum suchen 2013, Anteil an der Erwerbsbevölkerung im Alter von 15 bis 74 Jahren

Quelle: Eurostat

5.7%

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

7%

Page 18: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

15 UNSICHERE ARBEITSPLÄTZE HOHE VERSTECKTE

ERWERBSLOSIGKEIT

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Mehr Sorgen

um den

Arbeitsplatz

insbesondere

bei älteren

Berufsleuten.

Auffallend ist, dass sich heute vor allem die berufstätigen Männer ab

einem Alter von 50 Jahren mehr Sorgen machen, ihre Stelle zu

verlieren. Heute befürchtet jeder Siebte regelmässig, dass er seinen

Arbeitsplatz verlieren könnte. Ein Grund ist, dass es für ältere

Arbeitnehmende deutlich schwerer ist, eine Stelle zu finden, wenn sie

einmal arbeitslos geworden sind. Mehr als ein Viertel der über 50-

jährigen Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos, nämlich 27

Prozent.

Sorge um die Sicherheit des Arbeitsplatzes Männer, die sich häufig oder gelegentlich sorgen

Quelle: BFS

12.3% 13.3%

11.7%

14.5%

0%

2%

4%

6%

8%

10%

12%

14%

16%

2007 2012

30 - 49 Jahre 50 - 64 Jahre

Page 19: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

16 STRESS UND LANGE ARBEITSZEITEN

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Stress:

Trauriger

Spitzenplatz der

Schweiz.

Stress und lange Arbeitszeiten

Erschreckend ist die Arbeitsbelastung der Berufstätigen in der Schweiz.

Das Arbeitstempo und der Termindruck sind hoch. Rund ein Drittel aller

Berufstätigen ist häufig oder sehr häufig gestresst. Kein Wunder haben

viele Gesundheitsprobleme. Etwa die Hälfte der Berufstätigen leidet

unter Kopf-, Schulter-, Nacken- oder Rückenschmerzen. Rund ein Viertel

beklagt sich über Schlafstörungen. Im Vergleich zum Ausland schneidet

die Schweiz auch hier sehr schlecht ab. In ganz Europa findet sich

kaum ein vergleichbares Land, in dem der Stress grösser ist. Und auch

bei den einzelnen gesundheitlichen Beschwerden liegt die Schweiz

durchwegs über dem EU-Durchschnitt.

Anteil Arbeitnehmende, die immer oder häufig gestresst sind

Quelle: Eurostat

33%

0%

10%

20%

30%

40%

Page 20: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

17 STRESS UND LANGE ARBEITSZEITEN

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Besorgnis-

erregende

Gesundheits-

probleme der

Berufstätigen

in der Schweiz.

Arbeitnehmende mit spezifischen Gesundheitsproblemen in Prozent aller Erwerbstätigen, 2010

Quelle: Krieger et al. 2012

43%

46%

39%

30%

18%

14%

9%

9%

8%

6%

6%

5%

55%

49%

47%

31%

27%

18%

17%

11%

11%

8%

7%

9%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

Muskelschmerzen in denSchultern, im Nacken

Rückenschmerzen

Kopfschmerzen/Überanstrengung der Augen

Muskelschmerzen in denunteren Gliedmassen

Schlafstörungen

Magenschmerzen

Verletzungen

Depressionen/Angstgefühle

Hautprobleme

Atembeschwerden

Hörprobleme

Herz- und Gefässkrankheiten

EU 27 Schweiz

Page 21: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

18 STRESS UND LANGE ARBEITSZEITEN

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Nirgendwo in

Europa muss

länger

gearbeitet

werden als in

der Schweiz.

Verschärfend zum Stress am Arbeitsplatz kommen noch die überlangen

Arbeitszeiten dazu. In keinem anderen europäischen Land müssen die

Arbeitnehmenden so viele Arbeitsstunden pro Woche leisten, nämlich

nahezu 43. Dazu kommt noch eine Dunkelziffer. Kontrolliert werden die

Arbeitszeiten in der Schweiz ohnehin kaum. Und jede oder jeder

Sechste erfasst ihre oder seine Arbeitszeit gar nicht.

Effektive Wochenarbeitszeit in Stunden

Quelle: Eurostat

42.8

33

35

37

39

41

43

Page 22: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

19 VERALTETER ARBEITNEHMERSCHUTZ

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Höhere GAV-

Abdeckung in

schwierigem

Umfeld dank

guter

gewerkschaft-

licher Arbeit.

Veralteter Arbeitnehmerschutz

Im Vergleich zu anderen Ländern hat die Schweiz einen wenig

ausgebauten Arbeitnehmerschutz. Mindestlöhne kennt unser Land nur

in Gesamtarbeitsverträgen. Positiv ist immerhin, dass die GAV-

Abdeckung in den letzten Jahren dank guter gewerkschaftlicher Arbeit

gestiegen ist. Damit gehört die Schweiz zu den wenigen Ländern auf

der Welt, in denen heute mehr Berufstätige durch einen GAV

abgesichert sind als vor 20 Jahren.

Veränderung GAV Abdeckung 2000/01 bis 2009/12 in Prozentpunkten

Quelle: ICTWSS database 4.0

+3%

-20%

-15%

-10%

-5%

0%

+5%

Page 23: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

20 VERALTETER ARBEITNEHMERSCHUTZ

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Nur rund die

Hälfte der

Erwerbstätigen

ist durch einen

GAV geschützt.

Trotzdem ist nur rund die Hälfte der Erwerbstätigen in der Schweiz

durch einen GAV geschützt. Die politischen Hürden unter anderem

die hohen Quoren für die Allgemeinverbindlich-Erklärung der Verträge

erschweren eine bessere GAV-Abdeckung und einen besseren GAV-

Schutz. Auch weigern sich viele Arbeitgeber beharrlich, mit den

Arbeitnehmervertretungen überhaupt über einen GAV zu verhandeln.

GAV-Abdeckung im internationalen Vergleich in Prozent

Quelle: ICTWSS database 4.0/Berechnungen SGB

Page 24: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

21 VERALTETER ARBEITNEHMERSCHUTZ

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Starker Anstieg

der Temporär-

arbeit

Atypische Arbeitsverhältnisse wie befristete Arbeitsverträge und die

Temporärarbeit sind in der Schweiz äusserst schwach reguliert. Der

Bund hat die Temporärarbeit in den späten 1990er Jahren sogar noch

erleichtert. Damals erlaubte er Schweizer Temporärbüros, auch

Grenzgänger und Kurzaufenthalter an Schweizer Firmen zu verleihen.

Seither ist der Anteil Temporärarbeitender massiv angestiegen.

Anteil Temporärarbeitende am Schweizer Gesamtarbeitsvolumen

Quelle: Seco, Berechnungen SGB

Dabei zeigt sich immer wieder, dass Temporärarbeitende deutlich

schlechter verdienen und zusätzlich auch massiv geringere Chancen

auf eine Aus- oder Weiterbildung haben als ihre festangestellten

Kolleginnen und Kollegen. So ist es denn auch alles andere als

überraschend, dass rund zwei Drittel aller Temporärangestellten

2.3%

0.0%

0.5%

1.0%

1.5%

2.0%

2.5%

1995 97 99 01 03 05 07 09 11 13

Page 25: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

22 VERALTETER ARBEITNEHMERSCHUTZ

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

eigentlich eine feste Anstellung bevorzugen würden und damit der

Kategorie der unfreiwillig Temporärarbeitenden zugerechnet werden

müssen.

Auch einen Kündigungsschutz, der diesen Namen verdient, sucht man

in der Schweiz vergebens: Über die relativ kurzen Kündigungsfristen

hinaus gibt kaum einen nennenswerten Schutz, nicht einmal für

gewerkschaftliche Vertrauensleute.

Bei den für die Erwerbstätigen relevanten Sozialversicherungen bietet

die Schweizer Arbeitslosenversicherung zwar einen relativ hohen

Lohnersatz. Doch ist die Rahmenfrist, während der die Versicherung

Taggelder ausbezahlt im Vergleich zu anderen Ländern

unterdurchschnittlich kurz. Der massive Abbau bei der

Arbeitslosenversicherung im Frühjahr 2010 hat denn auch zahlreiche

Betroffene in die Sozialhilfe gedrängt.

Beim Arbeitnehmerschutz positiv zu vermerken ist, dass es den

Gewerkschaften gelungen ist, dank den Flankierenden Massnahmen in

der Schweiz erstmals umfassende Lohnkontrollen zu verankern.

Page 26: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

23 WEITERLESEN

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Weiterlesen

Über die Löhne:

SGB-Dossier 95: GAV in der Schweiz: Probleme, Handlungsbedarf,

Lösungen.

SGB-Dossier 97: Boni und wachsende Lohnschere. Wie Manager

und Spitzenverdiener von der Individualisierung der Löhne

profitieren.

SGB-Dossier 104: Was für die Lohngleichheit zu tun ist. Eine

Analyse der Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern und

der politischen Gegenmassnahmen.

Über die Verteilung des Reichtums:

SGB-Verteilungsbericht 2012. www.verteilungsbericht.ch

Reto Föllmi und Isabel Martinez: Volatile Top Income Shares in

Switzerland? Reassessing the Evolution between 1981 and 2008.

https://www.alexandria.unisg.ch/publications/225135

The World Top Income Database. Datenbank zur steigenden

Einkommensungleichheit weltweit.

topincomes.parisschoolofeconomics.eu

Page 27: Lohndruck, Prämienlast, Stress und unsichere Arbeitsplätze

24 WEITERLESEN

Schweizerischer Gewerkschaftsbund / Union syndicale suisse / Unione sindacale svizzera

Über die Arbeitsbedingungen:

SECO: Stress-Studie 2010.

www.seco.admin.ch/aktuell/00277/01164/01980/?msg-id=40970.

SGB-

Entzauberung eines Mythos.

SGB: Lohndruck und ungerechte Verteilung. Die finanzielle Lage

der Arbeitnehmenden in der Schweiz Analyse und

Handlungsmöglichkeiten.

www.sgb.ch/aktuell/arbeitnehmer-bericht/

Alle SGB-Dossiers sind auf www.sgb.ch/publikationen/dossier/

verfügbar.

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Der SGB

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