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11. Long.2tudhales lAcht; von G. Jaumamn. (Aus den Sitzungsber. d. kais. Akad. in Wien. Math.-naturw. Klaase Bd. 104. Abth. IIa, Juli 1895; vow Verf. fur die A n d e n bearbeitet.) Die folgende theoretische Abhandlung zerfallt in zwei Theile: im I., 11. und V. Capitel werden Ergebnisse uber die Natur des Lichtes in verdunnter Luft und der Kathoden- strahlen mitgetheilt, welche durch Zusammenstellung yon Ex- perimenten von Elster und Geitel, Lenard, dem Ver- fasser u. A. folgen; im 111. und IV. Capitel wird eine Theorie der electrischen Erscheinungen in verdunnter Luft begriindet, welche die Kathodenstrahlen und verwandte Erscheinungen vollig verstandlich macht. I. Beetimmung der Schwingungerichtung electriecher Strahlen. 1. Einleitung. In einer fruheren Arbeit l) (1888) wurde folgendes Entladungsgesetz aufgestellt, : Schwingungen der electrischen Kraft , welche unmittelbar an einer Electrode und in der Normalrichtung derselben statt- finden (1. c. p. 793 und p. 802) haben einen specifischen gunstigen Einfluss auf die Entladung, doch mussen sie, urn merklich zu wirken, desto grossere Amplitude haben, je grosser ihre Schwingungsdauer ist. a) Nach dem gegenwiirtigen Stand unserer experimentellen 1) Jaumann, Wien. Akad. 97. p. 765. 2) Von dieser specifischen Wirkung electrischer Schwingungen ist die Hertz'sche W-irkung ultravioletten Lichtes (1887) ein specieller Fall. Der Umstand, dass die Schwingungsdauer der Schwingungen, mit welchen ich experimentirte, 10"mal gr6sser war und also auch die Amplitude 108mal grgsser eein miisste als die des ultravioletten Lichtes, machte es ungleich schwerer zu erkennen, dass auch diese langsamen Schwin- gungen eine specifische entladende Wirkung besitzen. Doch konnten entscheidende Experimente angefuhrt werden (1. c. p. 785, 788 etc.), welche zeigen, dass diese grossen und langsamen Schwingungen nicht etwa nur durch Erhahung der electrischen Kraft des Feldes wirken. In erster Anntiherung ist das Product a243 Amplitude wnd Schwingungs;cahl (oder was daaselbe ist : die maximale Aenderungsgeschwindigkeit der electrischen Kraft wahrend der Schwingung) ein Maass ihrer entladenden Wirkung. 10'

Longitudinales Licht

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11. Long.2tudhales lAcht; von G. Jaumamn. (Aus den Sitzungsber. d. kais. Akad. in Wien. Math.-naturw. Klaase Bd. 104. Abth. IIa, Juli 1895; vow Verf. fur die A n d e n bearbeitet.)

Die folgende theoretische Abhandlung zerfallt in zwei Theile: im I., 11. und V. Capitel werden Ergebnisse uber die Natur des Lichtes in verdunnter Luft und der Kathoden- strahlen mitgetheilt, welche durch Zusammenstellung yon Ex- perimenten von E l s t e r und Gei te l , L e n a r d , dem Ver- fasser u. A. folgen; im 111. und IV. Capitel wird eine Theorie der electrischen Erscheinungen in verdunnter Luft begriindet, welche die Kathodenstrahlen und verwandte Erscheinungen vollig verstandlich macht.

I. Beetimmung der Schwingungerichtung electriecher Strahlen. 1. Einleitung. In einer fruheren Arbeit l) (1888) wurde

folgendes Entladungsgesetz aufgestellt, : Schwingungen der electrischen Kraft , welche unmittelbar

an einer Electrode und in der Normalrichtung derselben statt- finden (1. c. p. 793 und p. 802) haben einen specifischen gunstigen Einfluss auf die Entladung, doch mussen sie, urn merklich zu wirken, desto grossere Amplitude haben, je grosser ihre Schwingungsdauer ist. a)

Nach dem gegenwiirtigen Stand unserer experimentellen

1) J a u m a n n , Wien. Akad. 97. p. 765. 2) Von dieser specifischen Wirkung electrischer Schwingungen ist

die Hertz'sche W-irkung ultravioletten Lichtes (1887) ein specieller Fall. Der Umstand, dass die Schwingungsdauer der Schwingungen, mit welchen ich experimentirte, 10"mal gr6sser war und also auch die Amplitude 108mal grgsser eein miisste als die des ultravioletten Lichtes, machte es ungleich schwerer zu erkennen, dass auch diese langsamen Schwin- gungen eine specifische entladende Wirkung besitzen. Doch konnten entscheidende Experimente angefuhrt werden (1. c. p. 785, 788 etc.), welche zeigen, dass diese grossen und langsamen Schwingungen nicht etwa nur durch Erhahung der electrischen Kraft des Feldes wirken. In erster Anntiherung ist das Product a243 Amplitude wnd Schwingungs;cahl (oder was daaselbe ist : die maximale Aenderungsgeschwindigkeit der electrischen Kraft wahrend der Schwingung) ein Maass ihrer entladenden Wirkung.

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Mittel kann man diese entladende Wirkung ausser durch Licht noch durch electrische Strahlen, welche auf die Electrode auf- fallen oder durch electrische Drahtwellen , welche der Elec- trode zugeleitet, werden , ausuben. l) Die Wirkung zeigt in allen diesen Ftillen einen deutlichen Artunterschied 2). (Vgl. hieriiber 1. c. Cap. 11 p. 785).

Die Kraftschwankungen haben eine desto starkere ent- ladende Wirkung , je grosser die statische electrische Kraft des Feldes in uninittelbarer Nahe der Electrode ist. Ungeflihr das Product dieser beiden Entladungsfactoren bestimmt cet. par. Eintritt und Stromstarke der Sn t l ad~ng .~ )

Obiges Entladungsgesetz liefert ein Mittel, electrische Strahlen zu untersuchen. Diese Methode hat sich, wie zunkchst gezeigt werden soll, fur die von der Maxwell’- schen Theorie beherrschten Falle bewkhrt und soll nun nuf weitergehende Erscheinungen angewendet werden.

Das hier zu Grunde liegende Entladungsgesetz ist unab- hangig von dem Erscheinungsgebiet aufgestellt worden, auf welches es hier bezogen werden soll. Experimente mit elec- trischen Strahlen oder photoelectrische Experimente haben bisher durchaus nichts Neues dam beigetragen. Auch theo- retische Vermuthungen von dieser Richtung haben die Auf- stellung dieses Gesetzes nicht beeinflusst. Man erkennt aus der ganzen Ausdfucksweise und dem Datum der citirten Ar- beit, dass dieselbe noch in die Vor-Hertz’sche Periode fallt.

3. Bcschrankuny der Methodc. Da fast ausschliesslich die

1) Man kann meine Versuche als eine Nachahmung des Hertz’schen Lichtexperimentes mit electrischen Drahtwellcn auffassen, sie sind jedoch nicht 60 zu Stande gekommen, sondern durch urspriingliche Beobachtuug. Damals (1888) kam das Nachahmen von Lichtversucheu mit lsngsamen electriechen Schwingnngen noch nicht vor, weil die electrischen Strahieta noch unentdeckt waren. Auch hlitte die Unwirksamkeit des gew6hn- lichen Lichtes (welche ein bis jetzt noch nicht studirter Einfluss der Periode der entladenden Schwingungen ist) ein Hindernis gegen die Vermuthung gebildet, dass electrische Schwingungen noch grasserer Schwingungadauer wieder wirksam sein wiirden, wie es dennoch der Fall ist.

2) Hierauf muss besonders aufmerkeam gemacht werden, weil irr- thiimlicherweise vorausgesetzt worden ist ( E l s t e r u. G e i t e l , Wied. Ann. 66. p. 699. 1895), dass meine ErklElrung der Hertz’echen Lichtwirkung auf den Artunterschied derselben keine Rucksicht. nehme.

2. Methode.

3) 1. c. p. 793, 803; Wied. Ann. 56. p. 661. 1895.

Longihtdinales Licht. 149

in unmittelbarer Nahe der Electrodenflache stattfindenden electrischen Schwingungen auf die Entladung Einfluss haben, so lasst sioh ein freier Strahl mit HUlfe von Entladungs- experimenten schwerlich untersuchen , sondern nur ein von einem Leiter , Halbleitsr oder Electrolyten reflectirter Strahl, und zwar nur in seinem Reflexionspunkte. Es sind jedoch ausser den Hertz'schen Strahlen auch Lichtstmhlen and Strahlen anderer Natur (Kathodenstrahlen) der Untersuchung zuganglich.

Ferner untersucht man den 6trahl nicht unter normalen Umstanden, sondern in Gegenwart der Entladung oder doch cler grossen shtischen Kraft des Entladungsfeldes. Der Strahl superponirt sich nicht einfach iiber dae Entladungsfeld, sondern veranlasst die Entladung, und Rann a h eberzsoyut auch salbat eine Modificution erleiden.

Nach dem Entladungsgesetze hat nur diejenige Componente Einfluss auf die Entladung, welche in die Electrodennormale fallt. Eine tw Electrodenflache parallele Schwingung hat durchaus keinen Einfluss.') Dies gibt ein Mittel, die Richtung der electrischen Schwingungen eines Strahles experimentell zu bestimmen.

F a r a d a y , Her tz2) , Naccarig u. A. beschreiben Ex- perimente, welche ich als Hervorrufung einer Entladung durch den von einem nebmstehenden Entlader ausgehenden Her tz ' - schen Strahl anspreche. Doch beschreiben sie dieses Experi- ment als richtungslos. Es muss aber der Strnhl nach dem Entladungsgesetze ein Maximum der Wirkung zeigen , wenn seine electrischen Schwingungen nuf der Electrodenflache senk- recht stehen und keine Wirkung, wenn sie ihr parallel sind.

Hr. J. W a n k a 4, machte dieses Experiment (verschiedene 1) Die Hrn. Elster u. Gei te l haben trotz ihrer Yessungen am

polarisirteai Licht diesen Satz noch jetzt nicht angenommen. Sie sagen (Berl. Akad. p. 213. 1805, Wied. Ann. 66. p. 692. 1895): ,,En .in der Einfallsebene schwingender Lichtstrahl erregt einen im Verhihiee A : B stbkeren photoelecpischen Strom als ein Strahl gleicher Helligkeit, der parallel der Kathohnflache schwingt." Das Verhiiltniss 3: A kann bis 1 : 3 steigen.

4. Prufimg der Methode an Hertt'schen Strahjen.

2) Hertz, Gee. Werke 2. p. 288. Anm. 8. 1891. 3) Naccrri , Wied. Beibl. 13. p. 421. 1889. 4) Wanka, Mitth. d. deutschen math. Gesellsch. in Prag, 1892.

Ee ist leicht zu ersehen, daae diese Arbeit unter dem Eintluase eines von mir vorgeschriebenen Ideenganges auagefithrt wurde.

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Orientirung des Excitators) mit dem vollen vorausgesagten Erfolge und zwar nicht an einer convectiven Entladung, wo es ganz leicht ist, sondern an einer Funkenentladung, wo es grosse Zartheit erfordert.

Die Richtung der electrischen Schwingungen eines Strah- les liisst sich also in verlasslicher Weise durch Entladungs- esperimente bestimmen.

5. Nachweis zur electrischen A7atur des Aichtes. Es ZIsst sich auf Grund des Entladungsgesetzes, d. i. der experimentell studirten Wirkung electrischer Schwingungen , das H e r tz'sche Lichtexperiment als ein qualitativer Beweis der electrischen Natur des Lichtes hinstellen, vorausgesetzt, dass die Schwin- gungen keines anderen Vectors , als der electrischen Kraft Einfluss auf die Entladung haben. Zu einer anderen Voraus- setzung fehlt jeder Anlass.

Nach H e r t z begunstigt nun das Licht die Entladung, also ist einer der schwingenden Lichtvectoren electrische Kraft. 1)

6. Bestatigung des Entladunysyesetzes auf photoebetrischem Gebiet. Ueber die Richtung der electrischen Schwingungen eines polarisirten Liohtstrahles ist man durch die Theorie unferrichtet. Auf Grund meines Entladunysyesetzes wurde 1892 vorazrsyesagt 3, dass ein polarisirter Lichtstrahl nur dann ent- ladende Wirkung haben kann, wenn seine electrischen Schwin-

1) Die Erkleung der Hertz'schen Licbtwirkung sls einen Special- fall meines Entladungsgesetzes wurde 1892 publicirt. Yon fruheren Er- klarungen derselbm Wirkung zeichnen sich die von E. W i e d e m a n n (1888) und von E l s t e r u. G e i t e l (1891) dadurch aus, dass sie nur elec- trische Zwischenwirkungen annehmen. Sic gehen jedoch von der Hypo- these einer Resonanx der Mdeciile der Kathode auf die Schwingungen des ultravioletten Lichtes aus (wtihrend in meiner Erkltirung die Licht- schwingungen eine specifische Wirkung peuer Natur, welche aber experi- mentell nachgewiesen ist, haben) und widersprechen auch in den Folge- rungen meiner Erkltirung, denn die ,,Moleciile" ksnnen doch nicht ebenso- wohl auf ultraviolettes Licht als auf 10Rmal langsamere Schwingungen abgestimmt sein. Wesentlich ist es ferner, dam aus diesen friiheren Er- klfirungen kein bestimmter Schluss auf die Wirkung polurisirten Lichtes gezogen wurde. Vgl. hieriiber w. u. Abschn. 33 Anm. 2. Die Angabe der Hro. E l s t e r u. G e i t e l (Wied. Ann. 66. p. 697 u. 699. 1895), dass meiue Erkliirung der H e r tz'schen Lichtwirkung diesen friiheren Ei kltiruugen Bhnlich und darum nicht ganz neu sei, ist also vollkommen unbegriindet.

2) Vgl. hieriiber auch J a u m a n n , Wied. Ann. 66. p. 658. 1895.

Longittidinales Jicht. 151

gungen eine Componente in der Einfallsebene haben. Das zugeharige Experiment, welches H e r t z (1888) I) und Wanka (1892 1. c.), ersterer ohne bestimmte theoretische Qesichts- punkte, vergeblich durchzufuhren versucht hatte, gelang auch mir nicht, der Schwierigkeit wegen, krilftiges, parallelstrahliges polarisirtes ultraviolettes Licht zu erhalten.

Diese Schwierigkeit wurde in der schonsten Weise durch die Hrn. Els t e r und GI ei t e l gehoben , welche gefunden hatten , dass Alkalimetallelectroden fur gewohnliches Licht empfindlich sind und einen Spiegel von Kaliumnatriumlegirung als Electrode verwendeten. Ihr Experiment (1894) hatte fasf ymz yenau den (1892) vorausgesagten Erfolg. Ein unter dem Einfallswinkel von 70° einfallender Strahl hat fast ganz genau keine entladende Wirkung , wenn seine electrischen Schwin- gungen senkrecht zur Einfslllsebene liegen.

Durch eine pracise Voraussage, wie diese, erhillt mein Entladungsgesetz einen grossen Anspruch auf Vertrauen. Im Folgenden sol1 dasselbe verwendet werden :

1. Zur Bestimmung der Richtung der electrischen Schwin- gungen der Kathodenstrahlen , unter Zugrundelegung alterer Experimente von L e n a r d und mir (Cap. 11).

2. Zur Bestimmung der Richtung der electrischen Schwin- gungen des Lichtes in verdlinnter Luft unter Zugrundelegung der Messungen von E l s t e r und Ge i t e l (Cap. V).

Das ganze mit der Entladung zusammenhangende Erscheinungsgebiet ist in wesentlichen Punkten der Aufkliirung bedurftig. Ein voller Einblick in den Ablauf des Entladungsvorganges ist mit dem Entladungsgesetz durchaus nicht gegeben.

Um so bemerkenswerther ist es, dass sich dieses Gesetz so ganz glatt und einfach auf die entfernt liegenden optischen Erscheinungen anwenden lasst. Diese Erleichterung , dieses Wegfallen von Bedenken ohne weiteres Zuthun bildet sin Zeichen , dass die vorliegenden Untersuchungen eine gute Richtung haben.

7. Einfaches Zutreffen des A'ntladungsgesetzes.

1) Hertz, Ges. Werke 2. p. 289 Anm. 10. 2) Elster u. Gei te l , Berl. Akad. 6 u. Wed. Ann. 62. p. 440. 1894.

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Die Excitation der Entladung durch Kraftschwankungen ist die einfachste aller Entladungserscheinungen , die erste Abstraction BUS denselben und ein Einsatzpunkt fiir die Theorie.

11. Natur der Kathodenetrahlen.

8, Ueber das duftreten von Interferenzflachen in dem blauen Kathodenlicht. Unter diesem Titel habe ich 1892 eine Ab- handlung veroffentlicht , welche zu dem Folgenden Beziehung ha t , urid deren wesentlichste Abschnitte ich mir hier an- fiihrungsweise mitzutheilen erlaube, weil dieselbe an sehr un- zugilnglichem Orte publicirt ist.

(Aus den Mittheilungen der deutschen mathematischen Gesellschaft in Prag, 1892 .- referirt in Wied. Beibl. 17).

,,Die Kathodenstrahlen nehmen an der Entladung nach H e r t z gar keinen Antheil , sie ahneln eher Lichtstrahlen, welche die Kathode aussendet, freilich Lichtstrahlen von be- sonderen Eigenschaften. E. W i edemann halt dieselben fur gewohnliches ultraviolettes Lich t. Dies wurde zwar ihre hohe Absorbirbarkeit erklaren , nicht aber die eigenthumlichen Deflexionserscheinungen und es bliebe unverst'andlich , wieso die I(athodeparallelsCra~1~es ultraviolettes Licht aussenden kann. Vie1 naher liegt es , die Kathodenstrahlen fiir Zongitudinale electrische Wellen, also vielleicht fur longitndinales Licht an- zusehen. Solche Wellen mussen thatsachlich bei den heftigen Potentialschwankungen , welche die Electroden erfahren , von denselben eusgesendet werden. 1) Die hohe Absorbirbarkeit dieser Strahlen musste wohl eine specifische Eigenschaft dieser Strahlen sein, wegen welcher auch das naturliche Licht keine longitudinalen Componenten besitzt. Vielleicht neigt auch H e r t z zu dieser Auffassung, da er die magnetische Ablenkung der Kathodenstrahlen mit der magnetischen Drehung der Polari- sationsebene des Lichtes vergleicht. a) Hieriiber miissen Inter-

1) Diese richtige Bemerkung machte ich in noch unvollkommener Kenntniss dcr Maxwell'schen Theorie. Jetzt weiss ich, dam dime Theorie nicht vollig zutreffend sein kann, weil sie dieser Bemerkung widerspricht.

2) Wie man sieht, bin ich der Eigte und, soviel ich weiss, der Einzige, welcher (1892) Grunde hatte, die Kathodenstmhlen fiir longitu- dinale electriecbe Strahlen zu erkliiren. Ee freut mich, dass ich schon

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ferenzexperimente Aufschluss geben. Im Folgenden sind einige Experimente zu dieser Sache mitgetheilt , welche aber nicht Interferenzversuche der Optik nachahmen , sondern sich der Eigenart der Kathodenstrahlen vorlaufig fugen. Eine Perio- dicitiit der Kathodenstrahlen konnte nicht nachgewiesen wer- den, wohl aber der grosse Einfluss, welche die Cohdrenz und Gleiclrphasigkeit derselben bei ihrer Interferenz ausiiben. Viel- leicht, dass die Wellenlilnge dieser Strahlen eine sehr grosse ist."

,,Ah ich das erstemal dam kam, mir die Entladung in einem sogenannten electrischen Ei, also zwischen kugelfdrmigen Electroden in verdiinnter Luft genauer anzusehen , bemerkte ich in dem einapringenden Winkel) in welchem die negative Kugel in ihren Stiel iibergeht, eine vie1 heller als die blaue Schicht leuchtende Kegelflahe, welche den Stiel manchetten- axtig umgiebt und den einspringenden Winkel halbirt. Die- selbe entsteht durch das Zusammentreffen der blauen Schichten, welche von der Kugel und dem Stiel ausgehen. Auffallend ist es jedoch, d ~ s s dieses Zusammentreffen und die dadurch bewirkte grossere Helligkeit sich auf einen seharf flachen- formigen Ort von mittlerer Lage beschrilnkt. Stellt man einer plattenfdrmigen negativen Electrode eine zweite cylindrische von ptwalleler Axe gegeniiber, so erhalt man eine scharfe parabolische Interferenzflbhe. Die Interferenzflache zwischen zwei gegeneinander geneigten plattenfdrmigen Kathoden ist eben und halbirt ihren Winkel. Bei complicirter gestalteten Kathoden bemerkt man innerhalb des blauen Kathodenlichtes diese Interferenzffachen iiberall an allen eingeengten Stellen. Dieee Fliichen ragen ihrer grosseren Helligkeit wegen etwas iiber die blauen Schichten hinaus. Die Stellung der positiven

damals nicht verfehlt babe, mitmtheilen, dass ich diese Idec bei dam Lesen der Hertz'schen Arbeit (Wied. Ann. 19. p. 782. 1883) fasste. Her t z hat uber seine Meinung von den Kathodenstrahlen niemals etwas publicirt. Dennoch hat es sich in jiingster Zeit bestltigt, dass er die Kathodenstrahlen for die longitudinalen electrischen Wellen (der He 1 m - holte'schen Theorie?) hielt. Ee geht dies hervor: 1. aus einem in den Gee. Werken von Her tz (1. p.XXV. 1895) veriigentlichten, vom Jahre 1883 datirten Brief von Helmholtz an Hertz. 2. Aus einer Stelle eines nicht zur Veriiffentlichung bestimmten Manuscriptes einer Vorlesung, welche Her tz i. J. 1884 in Kiel hielt und welches sich im Besitze von Frau Prof. Her tz befindet.

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Electrode ist bei diesen Versuchen fast gleichgiltig. Diese Interferenzflachen werden durch magnetische Krafte sehr stark abgebogen, und zwar wie Kathodenstrahlen, welche langs der- selben von der Kathode ausgehen. Die Kathodenstrahlen, welche normal von den beiden Kathodenoberfliichen ausgehen, biegen demnach bei ihrem Zusammentreffen in der Interferenz- flache an einander urn und verlaufen in dieser Flache."

,,Zum genaueren Studium der Erscheinung wurden als Kathode zwei langliche, parallele Platten von 1 cm Distanz verwendet, deren Enden in derselben Entfernung und senk- recht zu den negativen Platten die positive Platte gegenitber- gestellt wurde. Die beiden negativen Platten bedecken sich innen ebensowohl mit dem blauen Kathodenlichte als aussen, doch sind die inneren Lichtschichten weitaus schmaler, heller und den Electroden naher. Dies mag von der Deflexion der Kathodenstrahlen durch die zweite Kathodenplatte herriihren, welche vielleicht ebenso wie die magnetische Deflexion bei h6herem Druck ausgiebiger ist. Bei Herabsetzung des Druckes rucken diese blauen Schichten gegeneinander und verschmelzen dann unter Bildung einer scharfen ebenen Interferenzflache, welche schliesslich allein iibrig bleibt und den sonst dunklen Raum zwischen beiden Platten genau halbirt." - ,,Die Ka- thodenstrahlen verlaufen in dieser Interferenzebene den Xa- thoden parallel, treten aber nach allen Richtungen zwischen ihnen hervor."

,,Von dem negativen Pol einer Influenzmaschine wurden nach Vorschaltung einer Funkenstrecke zwei Brahtleitungen zu den Kathodenplatten gefuhrt. So erhalt man auch dann noch, wenn diese Drahtleitungen viele Meter lang sind, die Interferenzflache vollig scharf, aber nur dann, wenn diese Drrtht- leitungen in jeder Beziehung vollkommen gleich sind. Bei ganz geringen Differenzen, 2. B. Langenunterschieden von 10 cm, verbreitert sich die Flache ganz bedeutend. Bei grosseren Unterschieden der Zuleitungen erfullt sich der ganze Zwischen- raum zwischen den Platten mit Licht , welches sich 'endlich hart an jener Platte, welche die kurzere Leitung hat, zu einer hellen Schicht sammelt. Die electrischen Wellen, welche durch die vorgeschaltete Funkenstrecke angeregt werden und in den Zuleitungen heranfliessen, mussen also mit genau gleichen Ptiusen

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in den beiden Kathoden eintreffen, damit die Kathodenstrahlen die Interferenzflache bilden. Verbindet man die beiden Kathoden- platten durch eine lingere Drahtschlinge und fuhrt man die negative Leitung der Maschine dieser Drahtschlinge durch einen Schleifcontact zu, so kann man die grosse Empfindlichkeit der lnterferenzflache €ir eine Verschiebung des Contactes aus der Mitte der Schlinge deutlich macchen. Sol1 nuch diesmi E m ~ ~ n d l i c ~ ~ e i t auf die Ginge jener Wellen in den Driihten, welche die Kathodenstrahlen erzengen, geschloersen werden, so wird man die Wellenlangen wohl auf 0,5-1 m schatzen diirfen. Ich habe lings der Drahtschlinge nach anderen Punkken ge- sucht, welche von der Mitte urn ganze Wellenlangen abliegen und also ebensogut wie die Mitte sich zur Zufuhrung der Wellen eignen, um die Interferenzfliiche auftreten zu lessen, habe aber keine aolchen Punkte gefunden , offenbar deshalb, weil es Wellen von sehr verschiedener Lange sind, welche die Kathodenstrahlen erzeugen."

Die verbreiterte Interferenzfliiche bei geringer Verschiebung des Contactes aus der Mitte der Sehlinge entspricht ungefahr einem Spectrum von lnterferenzfliichen, welche Kathodenstrahlen verschiedener Schwingungsdauer angeharen.

9. Kathodenstrahlen in der Symmetrieaxe. Es sollen zu- nachst die Grunde angefiihrt werden, welche sich sogleich dar- bieten, urn die Ksthodenstahlen fur longitndinsle electrische Wellen zu halten.

Hierfiir spricht vorallem das krkftige Aufii-ten der Kathoden- strahlen in der Symmetrieaxe des Entladungsraumes. Ihre Intensitat ist dort am grossten und nimmt nach aussen ab. Sie sind also schon aus Symmetriegrunden (zum mindesten in der Axe, d. i. wesentlich) longitudinal oder scalar. Letzteres ist ausgeschlosaen, da sie langst fiir electrisehe Wellen erkannt sind (E. W i e d e m a n n , Hertz).') Nach ihrem Umfange zu

1) Nachst den Anschauungen von Hertz stehen jene von E. Wiede- m ann den meinigen. am nlchsten. Inwiefern die letzteren entwickelter sind oder zuriickbleiben, wird sich .ja leicht erkennen lassen. E. W i e d e - mann war meines Wisaens der emte, welcher die Kathodenstrahlen mit Licht verglich. Ferner suchte auch er (1884) nach den longitudinslen electrischen Wellen und hielt die positive geschiehtete Entladung Wr eine longitudinale electrische Welle (vgl. G. W i e d em ann, Electricitat 4.

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kann allerdings eine unwesentliche radiale oder tangentiale Transversalitat hinzutreten.

Sch kann nur so verstehen, dass E. Wiedemann bestimmt und Helmholtz (in dem citirten Brief) allenfalls den Kathoden- strahlen Transversalitat zusprechen, wenn man sich dieselben nach Art des naturlichen Lichtes a16 eine Erscheinung von unregelmilssiger und wechselnder Transversalitlit vorstellt, halte dies aber weder fur ausreichend, noch empfehlensaerth.

10. Nothwendiges Forhandensein longitpldimler electriseher Wellen. Es ist eine ganz specifische Eigenschaft der Max- well-Hertz’schen Gleichungen, dass sie longitudinale Wellen nicht zulassen, Fast jede beliebige Aenderung derselben lasst longitudinale Wellen als moglich erscheinen.

Nun verhdt sich vornehmlich verdunnte Luft in electri- scher Beziehung so eigenthumlich, dass man unmiiglich die Max- w ell’schen Gleichungen fur ausreiohend halten kann. Die blosse Thatsache der Entladung widerspricht ihnen schon. .

Mif der Ungiltigkeit dieser Gleichungen ist aber die M6g- lichkeit longitudinaler Wellen nahegeriickt, und dieselben werden wirklich eintreten, wenn die nothigen Grenzbedingungen voihanden sind.

Diese nothige Anregung liefern aber die Schwankungen dex electrischen Kraft an der Electrodenoberflache , welche durch die zutliessenden elektrischen Drahtwellen bewirkt werden. Thatsachlich werden die Kathodenstrahlen bei Vor- schaltung einer kleinen Funkenstrecke (stiirker zufliessenden Drahtwellen) viel lebhafter.

11, 8chwingungsdauer der Kathodenstrahlen. Die ange- fuhrten Experimente iiber das Verhalten der Interferenzflache bei Verschiebung des Schleifcontactes lassen die Crossenordnuny der Schwingungsdauer der Kathodenstrahlen deutlich erkennen. Die anregenden Drahtwellen haben eine Wellenlinge von der Grossenordnung 1 m , also eine Schwingungsdauer yon 1W8 bis Sec. Dies ist also gewiss die Schwingungsdauer der

p. 598.) In neaester Zeit (Zeitschr. f. Electrochemie 8. 1895) verliess er endgiiltig die Annahme der Transvernalit& der Kathodenstrahlen und erk&rt dieeelben gleichzeitig fur eine Wirbelbewegung des Aethers; ich hoffe immerhin, dass damit eine Basis fiir die Vereinigung unserer An- siehten gegeben ist.

Longikdinales Licht. 157

Kathodenstrahlen. Mit dieser experimentellen Angabe stehe ich in sttirkstem Widerspruch zu den Vermathungen aller an- deren Autoren.

E. W i edemann halt dieselben fiir ultraviolettes Licht, schreibt ihnen also eine Schwingungsdauer von 10-16 bis 10-16 Sec. zu. Dann mussten die anregenden Drahtwellen Wellenlangen haben , welche jenen des ultravioletten Lichtes gleich sind, was mit meinem Experiment gang unvertraglich ist. L e n a r d schreibt den Kathodenstrahlen gar Wellenlangen yon der Grossenordnung der ,,MoIeculdurchmesser" zu. Sie sollen an den ,,Moleculen" diffundiren.

Nun fallt aber mit der ultravioletten Natur der Kathoden- strahlen auch ihre Transversalitat. Denn wken sie transversal, aber nicht ultraviolett , so waren sie gewohnliches Licht oder Hertz'sche Strahlen. Das konnen sie aber nicht sein, weil sie ganz andere Eigenschaften haben.

Der Machweis, dass die Kathodenstrahlen die Schwingungs- dauer gewohnlicher Drahtwellen haben, ist also ein weiterer Beweis fur ihre longitudinale Natur.

12. Bxperimenteller Nachweis der Jonyitudinalitat der Kathodenstrahlen. Dieser Nachweis ist nach der im 1. Capitel angegebenen Methode auf das Studium der entladenden Wir- kung der Kathodenstrahlen zu grunden.

Hieriiber sind von L e n a r d I) Experimente angestellt worden, webhe immerhin fur diesen Nachweis hinreichen, wenn sie auch bisher lange nicht genugend variirt sind.

Die Kathodenstrahlen haben nach L e n a r d lebhaft ent- ladende Wirkung, also sind sie (nach Abschnitt 5, Capitel I) electrische Wellen grosser Amplitude.

Die Kathodenstrahlen haben ferner dann lebhaft entladende Wirkung, wenn ihre Richtung senkrecht steht auf der Elec- trodentlikhe. Also fallt (nach Abschnitt 4, Cap. I) die Bichtuny ihrer electrischen Schwingungen in ihre Fortpfianzungmichtung. Sie sind Strahlen yon grosser longitudinaler Componente, also aus Symmetriegrunden im wesentlichen rein longitudinate elee- trische Strahlen.

1) Lenard, Wied. Ann. 61. p. 207 ff. 1894.

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111. Theorie der electrieohen Erecheinungen in verdiinnten Gtaeen.

13. Veranderung der verdunnten Luf t durch electrische Wir- kungen. Die auffallendste Eigenthiimlichkeit der verdunnten Luft besteht darin, dass sie schon durch kleine Tirkunyen (kleine Energieanderungen) p o s s e Eigenschaftsanderungen (z. B. Tempe- ratur-, Volumanderungen etc.) erfaihrt. Es ruhrt dies von der sehr kleinen Capacitilt ihrer Volumeinheit f ~ r die Warme and f i r andere Energien her.

Es ist nun zu vermuthen, dass aus gleichem Grunde auch electrische Vorgange eine starke Zustandsanderung der ver- dunnten Luft herbeifuhren. Die electrische Entladung hangt augenscheinlich mit starken Eigenschaftsanderungen des Mediums zusammen, j a vielleicht von vorausgehenden Eigenschaftsande- rungen desselben ab , welche nicht ausschliesslich auf Tempe- raturanderungen zuriickgefiihrt werden konnen.

Ueber die N a h r des Zustandes, welcher direct durch die electrischen Krafte geandert wird, sol1 keine Poraussetzung gemacht werden. Nit jeder Zustandsanderung des Mediums ist jedoch auch eine Aenderung seiner dielectrischen und diamagnetischen Constanten verbunden. B a s besondere electrische Perhalten der verdunnten Luft ruhrt davon her, dass durch electrische Porgange mittelbar ihre electrische und magnetische Constante geandert uiird, was auf den Ablauf dieser Porgange zuriickwirkt.

14. M a x w sll’sche Gleichungen fur ein veranderliches Medium. Da der electrische und magnetische Coefficient E und p in den Max well’ schen Gleichungen wahrend des electrischen Vor- ganges in verdiinnter Luft nach Abschnitt 13 veranderlich ist, erhalten diese Gleichungen die Form :

Hierin bedeuten X, Y, 2 die electrischen Kraftcomponenten, E l 9, 8 die magnetischen Kraftcomponenten, E und p zwei

L ongitudinaies Licht. 159

Variable , welche in einfacher Beziehung zu der electrischen und magnetischen Constanten E~ und p, des Mediums stehen, sich namlich im Rnhezustande auf dieselben reduciren, und co die normale Lichtgeschwindigkeit.

Aus den Gleichungen (I) folgt unmittelbar

Fur den Ruhezustand, in welchem 8 und p in e,, und pa ubergehen , sind namlich diese Ausdrucke anerkannter Weise gleich Null und sie erfahren nach den Gleichungen (I) durch keinen electrischen Vorgang eine zeitliche Aenderung.

Der Umstand allein schon. dass die Maxwell’schen Gleichungen die nichtlineare Form (I) annehmen , wenn das Medium durch den Vorgany verandert w i d , lasst den Vorzug dieser Qoraussetzung erkennen. Electrische Vorgange miissten sich immer einfach superponiren , wenn die Maxwell’schen Gleibhungen wirklich linear wken. Nun haben aber die meisten hoheren electrischen Vorgange einen entschieden nichtsuper- positorischen Charakter (z. B. Entladung durch Licht , gegen- seitige Abstossung der Kathodenstrahlen etc.). Der hier ein- geschlagene Weg, den M-axw ell’schen Gleichungen die Line&- ritat zu nehmen, kann schwerlich durch einen anderen uber- troffen werden.

15. Einfiuss grosser constanter Krafie. Falls man die Aenderungen aa/dt und dpL/at nicht zu berucksichtigen braucht,, sind die Maxwell’schen Gleichungen linear und stellen die elementaren optischen Erscheinungen dar.

Aber auch in Medien, in welchen die Aenderungen 6’@t und ap/a t grosse Werthe haben, sind noch rein superpositorische Slrahlu7tgserscheinungen moglich, und zwar dann, wenn so grosse statische Krafte X,, q , 2, und Z,, g o , 8, vorhanden sind, dass die durch den betrachteten Vorgang eingefuhrten Aende- rungen (X-X,), (U-Yo) etc. gegen sie verschwinden und auch (&-,so) gegen e0 und (p-po) gegen po verschwindet.

Dann nehmen die M a x w e 11 ’schen Gleichungen die Form an:

160 G. Juumann.

Diese Gleichungen sind linear, also sind superpositorische Strahlungen moglich.

Jedoch superponiren sich die constanten Krafte und die Krlifte der Strahlung nicht , sondern die constanten Krafte treten als Coefficienten in die Gleichungen, wohl aber super- poniren sich verschiedene in demselben constanten Feld auf- tretende Strahlungen.

Auch verdiinnte Luft verhalt sich, wenn keine grossen con- stanten Krafte in ihr vorhanden sind und die Amplitude der Strahlung sehr klein ist, ganz normal nach der ursprunglichen Max well'schen Theorie. Fu r Strahlungen von grosser Ampli- tude folgt sie jedoch auch bei Abwesenbeit constanter Krafte den Gleichungen (I) und lasst also Longitudinalstrahlen zu.

Yerdunnte Luft, in welcher grosse constante Krafte vorhanden sind, verhalt sich jedvch auch fur die schwachsten Strahlun-qen ganz eigenthiimlich, namlich nach Gleichung (I').

Die auffallige Abhangigkeit der Kathodenstrahlen von der constanten electrischen und magnetischen Kraft des Feldes kommt also hier schon aus der Theorie hervor und hat nach Gleichung (I') darin ihre Ursache, dass in verdunnter Luft auch fiir die schwachsten Strahlungen a & / a t und d p l d t gegen die zeitlichen Aenderungen der Krafte nicht verschwinden.

So also unterscheidet sich meine Vorstellung von electri- schen Longitudinalwellen entscheidend von jener von Helm- h ol t z , dessen Longitudinalwellen sich superpositorisch wie Schallwellen verhalten, so dass constante Krafte ganz gleich- giiltig sind. Man kann den Artunterschied, von welchem die

Longitudinales Licht. 161

Kathodenstrahlen ihren Namen haben , unmoglich erklaren, wenn die constanten Ladungen der Electroden , welche diesen Artunterschied definiren, gleichgiiltig sind.

Ich glaube nun die Vorzuglichlreit der Grundannahme, dass e und y durch electrische Vorgange in verdunnter Luft geandert werden, hinreichend nachgewiesen zu haben.

16. Ursache der Yeranderlichkeit von E und p. Es handelt sich nun urn die Aufstellung zweier wesentlich neuer Gleichungen fur die neu hinzugekomrnenen Variablen E und p. Diese Gleichungen konnen so aufgefasst und geformt werden, dass sie als die Ursache der zeitlichen Aenderungen dieser Variablen eine gewisse Function der Krafte angeben.

Man hat freilich keine directen Beobachtungen uber die Veranderlichkeit von E und p wahrend electrischer Vor- gange. Eine solche Veranderlichkeit kann aber wohl ohne theoretische Hiilfe iiberhaupt nicht erknnnt werden, des raschen Ablaufes aller Vorgange wegen, welche sie herbeifiihren konnen.

Aber auch ohne directe Grundlage komen theoretische Ueberlegungen die Aufstellung der Gleichungen fur d e l d t und d y l d t ermijglichen. Der Erfolg derselben hangt aber dawn ab, dass es richtig ist, dass diese Aenderungen unter dem, directen Einfluss der Krafte auftreten. Nur directe, einfache Zusammenhange kann man ihrer Form nach frei oder durch vergleichend-physikalische Schlusse errathen.

17. Torlaufiger Schluss auf die gesuchten Gleichunyen nach dem formalen Bediirfniss. Es werden explicite Gleichungen fur d s l d t und d y l d t gesucht, welche als Ursache dieser Aende- rungen gewisse Functionen der Krafte angeben.

Diese Functionen miissen sich wenigstens annaherungs- weise linear aus Ableitungen erster Ordnung der Kraftcompo- nenten zusammensetzen. Dies wird gefordert durch die Mijg- lichkeit annaherungsweise ungedampfter Strahlen.

Diese Ableitungen mussen raumliche sein, es wiirden sonst Strahlen unbestimmter Fortpflanzungsgeschwindigkeit mtiglich sein.

Die ganze Function, also die Surnrne dieser Ableitungen muss bei Aenderungen des Coordinatensystcms invariant und scazarisch sein, denn sie ist gleichgesetzt den invarianten und scalarischen Ausdrucken daldt und duldt.

Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 5 i . 11

162 G. Jaumann.

Man ist damit auf die Laplace’schen Ausdrucke hin- gewissen und wird die Gultigkeit ungefkhr folgender Gleichungen vermuthen

Man erkennt sogleich als eine Uebereinstimmung, dass es nach Abschnitt 14 die Bedingung fur das Auftreten longitudi- naler Wellen ist, dass d 818 t und d pIi3 t nicht verschwinden und dass es bekanntlich ein Kennzeichen rein transversaler Wellen ist, dass der Laplace’sche Ausdruck verschwindet.

Diese formalistische Ueberlegung ist naturlich in allen Theilen auf die Vornussetzung moglichster Einfachheit der ge- suchten Beziehung gegriindet. Sie hat sich spater als nicht scharf zutreffend und in einem wesentlichen Punkte principiell unrichtig erwiesen. Doch enthalt sie den richtigen Hinweis auf den Laplace’schen Ausdruck, was der folgenden Ueber- legung sogleich eine gute Richtung gab.

18. Ueber die stofflichen Aenderunyen , welche vectoriscfie Yorglinye 6egleitea. Beginnen wir mit der Frage, ob eine directe Abhangigkeit von c und p von den elektrischen und magnetischen Kraften nicht an sich widersinnig ist.

Es wiirde z. B. den Sinn aller mechanischen Gleichungen andern, wenn man annehmen wollte, dass die Dichte g eines Korpers eine djrecte Function seiner Geschwindigkeitscom- ponenten El H, 2 ist. Eine solche Annahme ist ausgeschlossen, auch bei den grossten Geschwindigkeiten bewahren z. B. Pro- jectile ihre Masse.

Nichfsdestoweniger ist die folgende Differentialgleichung gultig und enthalt keinen Widerspruch:

Ich hake dafur, dass diese Gleichung der Specialfall sines weit allgemeineren Principes ist, welches alle vectorischen Vorganye beherrscht.

19. Gleichung fiir die Aenderung des Zmtandes cr. Die Be- ziehung zwischen der Dichteveranderung und der Geschwindig-

Zongifudinales Licht. 163

keitsvertheilung ist so charakteristisch fur die Mechanik, dass man annehmen muss, dass die anderen vectorischen Vorgange einer ahnlichen Wirkung nicht entbehren , falls iiberhaupt von einer pantitatiuen Analogie der mechanischen und electrischen Porgange die Rede sein kann, und dies wird Niemand be- z weifeln.

Damit ist einer der starksten Griinde aufgefiihrt, die man iiberhaupt einer Theorie zu Grunde legen kann.

Es muss eine electrische Gleichung existiren? welche VOZZ- Kommen genau der Gleichung IIa) entspricht: also die Form hat:

An Stelle der Geschwindigkeiten in Gleichung IIa) treten hier die electrischen Kraftcomponenten. Dies ist die natiirlichste Analogie. Sollte doch darin ein Fehler liegen, so wird sich derselbe spaterhin leicht ersehen und verbessern lassen.

An Stelle der Dichte g tritt eine neue physikali8che Vu- riuble IS? uber deren Natur man erst im Weiteren einen Auf- schluss erhalt. Wesentlich ist , dass sie scalarisch ist. Sie ist entweder der Dichte oder dem Druck, der Temperatur etc. vergleichbar.

an ist ein, wie sich spiiter zeigen wird, wesentlich po- sitiver Reductionsfactor, dessen Dimension die einer electrischen Kraft, gebrochen durch eine Geschwindigkeit ist. Seine Grosse und sein Vorzeichen hiingt nur von dei ublichen Zahlung der Krafte ab, nicht aber von der Natur des Mediums. Die Glei- chung 11) gilt in gleicher Weise fur alle Medien.

20. hsammenhang zwischen E und a. Alle physikalischen Zustiinde hangen von einander ab, alle Eigenschaften der Korper sind Functionen der Temperatur , des Druckes etc., besser gesagt, sind Functionen von einander. E nnd a werden sich mitsammen andern, wie sie sich mit der Temperatur, dem Druck, etc. andern.

Die Beziehung zwischen Q und B muss eine ausserst ein- fuche sein. Ware dies nicht der Fall, so hatten mich die formalistischen Schliisse in Abschnitt 17 irre, aber nicht so nahe an Gleichung I I a ) gefuhrt. Man konnte auch voraus wissen, dass E und c sehr einfach zueammenhllngen, es folgt dies aus der Form der Energiegleichung.

11.

164 G. Jaurnann.

a steht in Analogie zur Dichte 0. Die kinetische Energie eines Raumelementes stellt sich dar durch

+ g ( E 2 + H 2 + Z 2 ) d x d y d z .

Die electrische Energie 3 eines Raumelementes bestimiiit sich sonach zii:

(111)

stimmt

E = +a(X2 + Y 2 + Z 2 ) d s d y d z .

Erfahrungsgemass ist sie im Ruhezustande durch E~ be-

Eo = + E0 (XZ + Y2 + 2 2 ) d z d y d z .

Hieraus folgt, dass E und u im Ruhezustande yeradezu gleich sein mussen

(IV 4 Eo = go . Eine einfache Gleichheit kann jedoch zwischen E und G

nur im Ruhezustande stattfinden. Wurde namlicli (r immer gleich 6 gesetzt, so miisste nach den Gleichungen (Ia) und (11) die Aenderung a e l d t immer gleich Null sein und die Theorie wiirde sich dadurch auf die Maxwell’sche Theorie reduciren. Nachst der Gleichheit ist die folgende Beziehung die einfachste:

(IV) E - E0 = q0 (a - ao)

Hierin ist q0 eine von der Natur des Mediums abhangende Constante. Man erkennt die Richtigkeit der Gleichung (IV) sogleich an folgender Uebereinstimmung. Die Gleichung (IV), zunachst hingestellt, muss die Bedingung erfullen, dass sich fur einen einfachen Zahlwerth von qo (etwa fur T,, = 0 oder qo = 1) die Theorie auf die Maxwell’sche Theorie reducirt.

Es findet dies nun statt sowohl f u r q0 = 1, als fur qo = 0, aber fur keinen anderen Werth von qo.

Fur qo = 1 ergiebt sich a = E und Gleichung (IVa). Bei einfacher Gleichheit von a und E reducirt sich aber, wie schon erwahnt, die Theorie auf die Maxwell’sche.

Fu r q0 = 0 musste B = co werden, damit E sich von E~

unterscheiden kann. Nun kann aber nach Gleichung (11) a nur durch unendliche Krafte oder Discontinuiyaten unendliche Werthe annehmen. Fur qo = 0 ist also E = E ” , was ebenfalls auf die Maxwell’sche Theorie fuhrt.

Lortgitudinales Zicht. 165

Falls man annimmt, dass fiir alle gewohnlichen dichten Korper die Max well'sche Theorie in jeder Beziehung, auch die Energiegleichung derselben , Giltigkeit hat, SO hat qo fiir diese Korper den Werth 1.

Beim Verdunnen der Luft sinkt jedoch der Werth von qo ab und Longitudinalwellen werden moglich. Im absoluten Vacuum erreicht qo den Werth 0. In diesem Grenzfall sind Longitudinalwellen wieder nicht zu erhalten.

?lo hat also fur verdiinnte Gase einen wesentlich positiven Werth, welcher je nach der Dichte des Gases zwisclien 0 und + 1 liegt, fur dichte Korper einen Werth, welcher sehr nahe an + 1 liegt.

Aus (11) und (IV) folgt unter Berucksichtignng von (IVa) und des Umstandes, dass der Ausdruck (Ia) nach (I) einen constanten Werth hat, folgende Gleichung :

Dies ist die gesuchte Gleichung, welche die Aenderung d e / d t als Function der Kraftvertheilung darstellt.

Man bemerkt , dass dieselbe auch fur im Ruhezustande inhomogene Medien anwendbar ist. Sie erfullt von selbst fur den Ruhezustand, d. i. fur d e l d t = 0 die bekannte, aber den hier durchgefuhrten Betrachtungen nicht eigentlich zu Grunde gelegte Beziehung

Die Gleichungen (I), (11), (111), (IV) und (V) sprechen die Theorie vollig aus. Die Beziehung (1) ist ein Deductionsresultat dieser Theorie.

21. Ber Zustand t. Zusummenhang zwischen p und t. Die magnetischen Erscheinungen stehen ebensogut in Analogie zu den mechanischen, wie zu den electrischen. Es lassen sich also die Betrachtungen des vorigen Abschnittes wktlich wieder- holen, Venn man statt von electrischen KrHften von magne- tischen Kraften und statt von E von p spricht, endlich statt von c von einem neuen physikalischen Zustand t spricht, der durch die Vertheilung der magnetischen Krafte beeinflusst wird.

Dies gibt eine der Gleichung (11) analoge Gleichung und diese konute man fur die gesuchte Gleichung halten , welche

166 G. Jaumann.

t lp / d t als Function der Vertheilurg der magnetischen Krafte darstellt. Sie ist auch richtig, aber nicht die gesuchte Gleicliung. Wir acceptiren von dieser conformen Betrachtung nur die schliesslich sich ergebende Gleichung fur den Ruhezustand jedes Mediums :

a d a 0 = - ( P o @ + a x ,,(Po% +,,(PO3 *

So lange man nicht Beweise hat, und ich weiss keine solchen, dass die Maxwell’sche Theorie nach der magneti- schen Seite ebenfalls nnzureichend ist, empfiehlt es sich nicht, dies anzunehmen. So richtig es ist, die Betrachtungen des vorigen Abschnittes ins Magnetische unizusetzen , bleibt doch die freie Wahl uber die der Constanten qo entsprechende neue Constante. Biese letztere muss fur alle Medien, auch fiir ver- dunnte Auf2 den Werth I erhalten. Dann ist p von der l/er- theiluny der magneti~chen Kriifte u n a ~ ~ ~ a ~ g ~ .

Die Annahme verschiedener Werthe von do und bloss des Werthes I fiir die entsprechende magnetische Constante, also einer rein zahlenmassigen Ungleichheit , entspricht der vom vergleichend physicalischen Standpunkte auffallenden Unsym- metrie der bekannten electrischen und magnetischen Erschei- nungen.

Die electrischen Erscheinungen sind vie1 reichhaltiger : Es gibt electrische Kathodenstrahlen, aber nicht magnetische; elec- trische Leiter, aber nicht magnetische ; electrische Entladung, aber iiicht magnetische ; electrochemische, aber nicht, magneto- chemische Erscheinungen.

Man kann aus der Verschiedenheit dieses Capitels voii dem vorigen erkennen. dass die hier vorgetragene Theorie nicht formalistisch aufgebaut ist, sonst ware sie gewiss hier in die symmetrischen Betrachtuiigen verfallen.

22. Zusammenhang zwischen p wid CT. Aus den im vorigen Abschnitt gemachten Bemerkungen folgt niclit, dass p bei elec- tromagnetischen Vorgangen einen constanten Werth behalt. Dies kann gar nicht sein. Es wiirden in diesem Falle die con- stanten magnetischen Krafte Xu, go, 3, aus den Gleichungen (1’) ganz wegfallen, wahrend man doch weiss , dass constante mag- netische Krafte auf den Verlauf der Kathodenstrahlen ron grossem Einfluss sind.

Longitudinales Licht. 167

Thatsachlich muss sich p mit (r andern. G ist ein physi- kalischer Zustand wie Temperatur, Druck etc. Mit der Tem- peratur etc. andern sich alle Eigenschaften der Karper und auch E und p. Ebenso werden sich sowohl E als p mit B

andern. E steht zwar zu B in einer anderen Beziehung als p, weil B von den electrischen, nicht von den magnetischen Kriiften abhangt. Aber diese andere Beziehuug spricht sich in. (I) und (11), nicht aber in (IV) aus.

Der Zusammenhang zwischen p und G wird dargestellt durch

P - Po = VO (. - go)

Hierin ist vo eine von der Natur des Mediums abhiingende Constante, wekhe fur dichte Korper den Werth 1, fur ver- dunnte Luft, entsprechend dem abnehmenden Druck derselben, kleinere Werthe, fur das absolute Vacuum den Werth 0 hat.

Endlich ergiebt sich aus (V), (IV) und (11'):

Dies ist die gesuchte Gleichung, welche a p / a t als Function cler Kraftvertheilung darstellt, aber nicht wie in Abschnitt 17 vermuthet wurde, der magnetischen, sondern der electrischen Kraftvertheilung.

Der Grund, warum der qo entsprechenden Constanten im vorigen Abschnitt fur alle Korper der Werth 1 zugesprochen wurde, ist, dass es keine magnetischen Kathodenshhlen gibt.

Der Grund, warum dann vo fiir verdiinnte Luft ein klei- nerer Werth als 1 zugeschrieben werden musste, ist, dass con- stante magnetische Krafte nicht ohne Einfluss auf die Kathoden- strahlen sind.

IV. Deductionen (vorliiuflg mitgetheilt).

Aus der obigen Theorie folgt die Nothwendigkeit des Auf- tretens longitudinaler electriseher Strahlen (vornehmlich in ver- diinnter Luft bei Gegenwart grosser statischer electrischer Kraftej , welche vollkommen den Character von Kathoden- strahlen haben.

Auch auf electrooptischem Gebiete gibt die Theorie eine bemerkenswerthe Uebereinstimmung.

168 G. Jaumann.

Aus derselben folgt eine grosse Zahl neuer experimen- teller Motive, yon welchen jedoch erst die Rede sein soll, bis die betreffenden Experimente gemacht sind , wozu mir gegen- wartig alle Mittel fehlen.

23. LongitudinaZe ebene W Z e . Artunterschied der Katho- denstrahlen. Es sei im luftverdiinnten Raum eine statische electrische Kaft 2, und keine magnetische Kraft vorhanden. D a m ist eine electrische Longit.udinalwelle in der z-Richtung moglich. Die Gleichungen (1') und (11') rednciren sich auf

az d e O d t O a t

€ - - + Z - = o , "" a & 8 2

7 / o - 1 a t ( ' 3 % - - = € -.

Eine Losung derselben ist:

Z = Z , + C s i n - 2:( t - - , :) E = E, + Esin -- 2 n ( t - - :).

Die Schwingungsdauer t dieser Strahlen ist beliebig, sie

Das Verhaltniss der ,4mplituden 8 und C bestimmt sich zu verhalten sich superpositorisch.

- E - &O

c - - - * 4 Die Fortpflanznngsgeschwindigkeit c ergiebt sich zu

(3)

So wie das Argument der Sinus in (a) gesclirieben ist. erfolgt die Fortpflanzung in der positiven z-Richtung, falls c positiv ist. Ob also uberhaupt eine Fortpflanzung in der posi- tiven z-Richtung moglich ist, hangt noch davon ab, ob c durch Gleichung (3) einen positiven Werth erhalt.

Da ?lo - 1 / a. einen bestimmten Werth hat, hangt es vom Vorzeichen der statischen electrischen Kraft 2, ab , ob eine Fortpflanzung in der + oder in der -2-Richtung mog- lich ist. Jedenfalls ist nur eines, nicht beides moglich, wie bei Transversalwellen, wo sich c durch eine quadratische Glei- chung bestimmt. Die Longitudinalwelle kann sich, falls a. einen positiven Werth hat, nur in der Bichtung der negativen

Longitudinales Licht. 169

electrischen Kraft fortpflanzen, denn qo - 1 hat nach Abschnitt 20 einen wesentlich negativen Werth.

Hiermit ist der Artunterschied der Kathodenstrahlen erklart. Die nothigen Grenzbedingungen l) zur Anregung der Kathoden- strahlen, namlich die Schwingungen der electrischen Kraft in der Normale der Oberflachenschichte der zur z-Richtung senk- rechten Electroden fllchen, werden von den zufliessenden elec- trischen Drahtwellen an beiden Electroden in vollig gleicher Weise geliefert. Nur von der Kathode konnen jedoch die Strahlen ausgehen, denn dort haben sie in der Richtung nach aussen (Metall-Luft) positive Fortpflanzungsgeschwindigkeit. An der Anode jedoch haben sie in der Richtung nach aussen negative Fortpflanzungsgeschwindigkeit , sie konnen dort also nicht auftreten.

qo hat nach Abschnitt 20 fur dichte Korper einen sehr nahe um 1 liegenden Werth. Die Fortpflanzungsgeschwindig- keit ist also in dichten Korpern sehr klein und Longitudinal- strahlen werden nur schwer zu erhalten sein. Bei grosserer Verdunnung wird jedoch qo immer kleiner, so dass die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Kathodenstrahlen wachst, bis sie im absoluten Vacuum den Grenzwerth 2, cto erreicht.7

24. Bas blaue Kathodenlicht. Es kann vorausgesetzt werden , dass das blaue positive Glimmlicht in gewohnlicher Luft dem blauen Kathodenlicht in verdiinnter Luft entspricht. Letzteres ist nachweislich eine Wirkung der Kathodenstrahlen. Das blaue positive Glimmlicht ist dann eine Wirkung von

1) Vgl. w. 0. Abschn. 8 bei Anm. 1. Ich habe 1892 schnelle Kraft- schwankungen in der Electrodenmormale als die Anregungsbedingungen der Kathodenstrahlen bezeichnet. Zugleich ist E. W i e d e m a n n auf ex- perimentellem Wege zu der gleichen Ueberzeugung gelangt. Er sagt (Zeitschr. f. Electrochem. 8. 1895): ,,Treten an der Grenze eines belie- bigeta Mediums gegen ein verdunntes Gas schnelle Potentialschwankungen auf, so entstehen die gewiibnlich an der Kathode in Entladungsriihren be- obachteten Erscheinungen, vor allem Kathodenstrahlen etc. ; ebensolche Gebilde treten auf an aueinandergrenzenden verschieden constituirten Theilen desselben Gases, so an der Grenze des dunklen Raurnes, an Ver- engungen einer Rohre etc." Vgl. auch E. W i e d e m a n n u. H. E b e r t , Phys.-med. Soc. in Erlangen, Febr. 1892.

2) Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit yon longitudinalen elastischen Wellen in einem compressiblen Medium andert sich umgekehrt, und zwar zwischen und 0.

170 G. Jaumann.

Anodenstrahlen und zwar seiner geringeren Dicke und grosseren Helligkeit wegen , von Anodenstrahlen sehr kleiner Fortpflan- zungsgeschw indigkeit.

Hieraus ist zu vermuthen, dass q,, in dichter Luft einen ein wenig yrosseren Werth als 1 hat. Dann sind nach 3) nur Anodenstrahlen kleiner Fortpflanzungsgeschwindigkeit mog- lich. Beim Verdiinnen sinkt qo zunachst auf 1 ab, dann ist nach (3) c = 0 und es sind keine Longitudinalstrahlen moglich. Beim weiteren Verdiinnen sinkt ?lo unter 1 bis 0. Dann sind keine Anoden- , aber Kathodenstrahlen moglich , welche desto grossere Fortpflanzungsgeschwindigkeit haben , je weiter die Verdunnung geht. Es tritt dementsprechend die blaue Licht- schichte an der Kathode auf und gewinnt bei fortschreitender Verdunnung an Dicke, verliert aber an Leuchtkraft.

Die Production des blauen Lichtes muss mit, eirier Schwachung der Kathodenstrahlen zusarnmenhangen. Nach den hier benutzten Annaherungsgleichungen (I) , welche fur grossere statische Krafte gelteu , sind jedoch die Kathoden- strahlen nngedampft. In der Nahe der Kathode, wo die sta- tische Kraft iiberwiegt, kann also die blaue Lichtschichte nicht? auftreten. Es ist dort thatsachlich ein dunkler Raum’) vor- handen, welcher allmaihlich in die blaue Lichtschichte ubergeht.

In grosserer Entfernung von der Kathode, wo die Am- plitude des Strahles gegen die statische Kraft des Feldes nicht verschwindet , gelten die Gleichungen (I), welche Sinus- strahlen nicht mehr zulassen. Beim Eintritt in dieses Gebiet erfahren die Kathodenstrahlen eine leicht berechenbare Modi- fication und Abschwachung.

25. Fortpflanzzin*q von Lon,qitudinalstrahlen schief zur sta- tischen Kraft. Bansversalzuellen. Es sind in verdiinnter Luft auch Longitudinalstrahlen moglich, deren Wellenebene schief gegen die statische electrische Kraft liegt und deren Richtung wie sich spater zeigt, ttuf der Wellenebene senkrecht steht. Die Strahlen sind jedoch nicht rein longitudinal, sondern sind mit Transversalcomponenten ausgerustet.

1) Dieser dunkle Raum und die blaue Lichtschichte darf nichtver- wechselt werden mit dem schnrf gegen das blaue Endc des Entladungs- bogens rtbgegrennlen dunklen Raum.

Longitudinales Jicht. 171

EY gelten die Gleichungen:

Eine Losung derselben ist: mx + n%

Die drei iibrigen Variablen X g und 8 sind cohaerent und gleichphasig und ihre Amplituden sind der Smplitude C propor- tional. Durch Einsetzen dieser LCisung erhiilt man zur Bestimmung dieser Amplituden vier homogene Gleichungen. Die Determinante ihrer Coefficienten muss verschwinden. Dies gibt die Bedingung :

(ci -,uo&oca). [-%. c - ( m x 0 + n ~ , ) ] = 0 . Po - 1

In Wellenebenen von den Richtungscosinus m und n der Normale konnen sich also drei verschiedene Wellen fortpflanzen. Zwei davon entsprechen den Fortpflanzungsgeschwindigkeiten

Auch in verdunnter Juft und bei Gegenwart grosser statischer Krafte Ronnen sich also gewohnliche Transvemalzuellen nach jeder Richtung fortpflanzen.

Sie hat die Fortp flaiizungsgeschwindiglEeit

Die dritte Welle ist theilweise longitudinal.

(5) Dieselbe ist also proportional dem Cosinus des Winkels,

welchen die totale statische electrische Kraft mit der Wellen- normalen einschliesst. l) Longitudinalstrahlen konnen sich also

1) Hr. IS. P o i n c a r k hat (Compt. rend. Dec. 1895) gezeigt, dass die Strahlen meiner Theorie unter aZZen Umstanden dieses Gesetz der Fort- pflanzugsgeschwindigkei t bcfolgcn. Sein Schluss, dass deshalb die Izichtung diesel. Strahlen immer mit der statischen Kraft zusammenftillt, ist unzulLssig.

172 G. Jaumann.

nicht nur in der Richtung der negativen Kraft fortpflanzen. sondern allerdings bei abnehmender Geschwindigkeit auch schief dazu. Senkrecht zur electrischen Kraft haben sie die Geschwindigkeit 0. Dreht man sie noch weiter in die Richtuag der positiven Kraft, so konnen sie sich nicht mehr fortpflanzen, weil ihre Geschwindigkeit negativ wird.

Durch Einsetzen von (5 ) in die Amplitudengleichungen zeigt sich, dass diese Strahlen desto starkere Transversal- componenten bentithigen, je schiefer sie gegen die statische Kraft verlaufen. Diese Transversalcomponenten liegen in der Wellenebene, und zwar die electrische Transversalcomponente X in die Einfallsebene der statischen Kraft, die magnetische Transversalcomponente 9 senkrecht dazu.

Nicht ohne Interesse ist die Bedingung, welche eine senk- recht wirkende magnetische Kraft go dem Strahl auferlegt. Die- selbe tritt in Gleichung (15) in dem Glied + go d , u / d t auf. Sie kommt dann auch in die Determinante, aber gerade an der Stelle, wo sie zum Werthe derselben nichts beitragt. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit wird also durch eine magnetische Kraft nicht beeinflusst. Auch die Transversalcomponenten bleiben gleichphasig, aber sie andern ihr Amplitudenverhaltniss zur Longitudinalcomponente. Die totale electrische Schwingung erhiilt dadurch eine andere Richtung gegen die Wellennormale. E s ware nicht richtig, dies dahin zu deuten, dass die magne- tische Kraft 9, die Richtung der electrischen Schwingungen des Strahles dreht, sondern es bedeutet, dass ein Strahl von solcher Wellenebene, also ein Strahl, welcher durch die magne- tische Kraft go aicht abgelenkt wird, nur dann moglich ist, wenn man ihn durch die Grenzbedingungen mit Transversal- componenten versieht, welche je nach der Grosse der senkrecht wirkenden magnetischen Kraft verschieden sein miissen.

Unanwendbnriteit des Huyghens’schen Prin- cipes. Diese Strahlen konnen an der Grenzebene eines anderen Mediums regehiissig ref2ectirt werden , vorausgesetzt, dass die statische electrische Kraft cler reflectirenden Ebene parallel ist.l) In jedem anderen Falle, besonders dann, wenn der Ein-

26. Reflexion.

1) Sie dringen auch (und zwar bei senkrechter Ineidenz vollig) in dau neue Medium, z. B. in Glas, ein, aber unter enormer Schwachung

Longitudinales Licht. 1 7 3

fallswinkel der Strahlen kleiner ist als das Complement des Einfallswinkels der statischen electrischen Kraft, ist eine regel- massige Reflexion nicht moglich und zwar deshalb, weil die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit dieser Strahlen nach Gleichung (5 ) von ihrer Richtung abhangt. Dies bewirkt die merkwiirdige, von E. Wiedemann und H. E b e r t l ) beobachtete Erscheinung, dass Kathodenstrahlen an einer glatten Grenzebene meistens nur diffus reflectirt werden.

Die Moglichkeit regelmassiger Reflexion lasst erkennen, dass das H u y g h e n s ’sche Princip fur Kathodenstrahlen nicht anwendbar ist. Gleichung (5) bestinimt die Normalenflache. Diese ist hier eine Kugel, deren Oberflache jedoch durch dns Erregungscentrum geht und deren Mittelpunkt in der Richtung der negativen electrischen Kraft liegt. Alle Wellenebenen um- hullen den Gegenpol dieser Kugel. Dieser Gegenpol stellt also die gauze Huyghens’sche Flache dar. Hieraus wiirde folgen, class die Strahlenrichtung nur in die Richtung der negativen Kraft fallen kann, was nicht der Fall ist, da regelmassige Reflexion moglich ist.

In diesem Falle und im Folgenden stehen die Schliisse aus dem Huygens’schen Princip mit der directen Rechnung aus denselben zu Grunde gelegten Differentialgleichungen im Widerspruch. Das H u y g h e n s ’ sche Princip gibt fur Trans- versalwellen und Schallwellen, welche einen Fall zweiten Grades darstellen, zwei Liisungen (eine vor- und eine ruckschreitende Welle). Eine davon ist richtig, die andere falsch. In dem hier vorliegenden Falle ersten Grades gibt dieses Princip nur eine Losung und zwar eine falsche.

21. Scharf beyrenzte Kathodenstrahlen. Regrenzte lbansversal- strahlen. Die Kathodenstrahlen haben nach Abschnitt 11 eine Schwingungsdauer von 10-9 Sec., also eine vie1 grossere als Licht. Ausserdem sind sie longitudinal. Es muss somit wundern,

nicht ini Innern des Glases, sondern schon in der Oberfliichenschichte. Dies berechnet sich leicht aus der Energiegleichung (111) unter Beriick- sichtigung des Umstandes, dass sich ‘lo in der Oberfliichenschicht fast von 0 bis 1 Lndert. Vgl. hierzu Beobachtungen von E. W i e d e m a n n und H. Eber t .

1) E. W i e d e m a n n und H. Ebert , Phys.-med. SOC. in Erlangen, Dec. 1891.

174 G. Jaumann.

dass sie nicht wie &hall sich fortpflanzen, sondern in scharf begrenzten Strahlen wie Licht. Es soll nun gezeigt werden, dass gerade die I;ongitudinalstrahlen meiner Theorie bei beliebig grosser Schwingungsdauer die Pahigkeit haben, sclbarfe Strahlen zu liefern, wiihrend das transversale Licht erst bei kleinen Wellenliingen xcharfe Strahlen liefert.

Der Einfachheit wegen soll nur die Fortpflanzung scharfer Strahlen in der Richtung der negativen electrischen Kraft 2, behandelt werden. Man kann dann in den Differential- gleichungen , welche in Abschnitt 25 vorangestellt wurden, noch X, = 0 setzen.

Eine charakteristische Losung dieser Gleichungen (nach Elimination von d & / at) ist :

2 = 2, + C sin I 2: ( :) 2 n %cos-xzcos-- t - -

Dieselbe stellt einen Strahl von unendlicher Wellenebene z = Const. dar, dessen Richtung x = Const. ist, weil seine In- tensifat sich in der Richtung 3 andert. Diese Aenderung mit I ist sinusformig.

Die Coefficientendeterminante der Amplitudengleichungen ergiebt sich zu

Es ergeben sich wieder drei Losungen. Zuniichst ist eine Longitudinalwelle von der normalen

Fortpflanzungsgeschwindigkeit

moglich. Die sinusfdrmige Vertheilung der Intensitat im Querschnitte des Strahles andert also seine Fortpflanzungs- geschwindigkeit nicht.

Man kann zu Folge dessen in der Losung (6) der Streifen- breite x beliebige Werthe geben, kann dann eine Reihe solcher Losungen nach dem F o u r i e r ' schen Theorem zusammensetzen und erkennt hieraus den Satz:

Lonyitudinales Licht. 175

Longitudinalstrahlen kleiner Amplitude sind mit jeder be- liebigen Intensitatsvertheilung in ihrem Querschnitt, also auch mil vollkommen scharf beyrenztem Querschnitt ohne heschrankende Bedingunyen (fur jede Schwingungsdauer) moglich, und haben die normale Portptlanzungsgeschwindigkeit der Kathodenstrahlen.

Wie man aus Gleichung (6) ersieht, sind bei einem be- grenzten Kathodenstrahl in der Mitte keine Transversalcom- ponenten vorhanden, gegen die Rander hin sind aber solche vorhanden (eine radiale electrische und tangentiale magnetische Transversalcomponente) und zwar sind sie um eine Viertel- wellenlange gegen die longitudinale Schwingung verschoben.

Ferner ergeben sich aus (7) noch die zwei Fortpflanzungs- geschwindigkeiten

1 c = + c o J, po - 0% $

Diese entsprechen Transversalstrahlen von sinusformiger Vertheilung der Intensitat im Querschnitt. Falls co Z I X nicht verschwindet, d. h. falls die Querstreifung von der Grossen- ordnung der Wellenlange des Strahles ist, haben diese Strahlen nicht die normale liortpfianzungsgeschwindigkeit der Transversal- strahlen.

Man kann also eine Reihe solcher Strahlen von verschie- dener Streifenbreite x nur dann nach dem Fourier ' schen Theorem zusammensetzen zu einem scharf begrenzten Strahl, wenn der Querschnitt desselben gross ist gegen die Wellenlange.

%an.sversalstrahlen werden also immer an den Randern ua- scharf rein mussen. Wie man aus (6 ) ersieht, tritt an dem Rande jedes tralzsversalen Lichtstrahles I) longitudinales Licht auh welches gegen das transversale um eine Fiertelaoellenlange verschoben ist.

28. Brehuny der Yellenebene durch eine senkrecht wirkende magnetische Kraft. Eine reine Longitudinalwelle von unend- licher Wellenebene behiilt unter dem Einfluss einer senkrecht wirkenden magnetischen Kraft '$lo nur dann die Richtung ihrer electrischen Schwingung und hat nur dann keine transversale magnetische Componente nothig , wenn sich die WelEeooebene unter dem 3infEusse der magnetischen Kraft dreht.

1) auch in vnverdiinnter Luft.

176 G. Jaumann.

(1‘3)

(IY)

Dies ergiebt sich aus den Gleichungen:

Die LGsung derselbeii ist V L Z f l Z X

m a f n z : c

8 = &o + x s i n ~ (t - Fur die Cotangente des Winkels, um welchen die Welleii-

ebene gedreht wird, ergiebt sich

Die positive Z-Richtung gehe von links nach rechts, in dieser schreitet der Kathodenstrahl fort. Die + x-Richtung gehe von oben nach unten, dann geht die + y-Richtung gegen den Beschauer. Venn 9, positiv ist, so mird nach (8) die Wellen- normale nach oben gelenkt. Es ist dies der Sinn, in welchem die Richtung eines Kathodenstrahles erfahrungsgemass durch eine senkrecht wirkende magnetische Kraft abgelenkt wird. Um sich zu vergewissern, dass dabei wirklich die Richtung des Strahls und die Wellennormale identisch sind, sol1 die folgende Rchnung dienen.

29. Magnetische Krummung der Kathodenstrahlen. Es sollen die Bedingungen aufgesucht werden, unter welchen ein Kathoden- strahl eine kreisfirmig gekriimmte Bahn einschlagt. Es wird dies naturlich nur mit Annaherung oder fur ein kurzes Stuck seiner Bahn moglich sein. Im Falle eine senkrecht wirkende magnetische Kraft go vorhanden ist, ist ein gekriimmter Kathoden- strahl das einfachste Integral der Gleichungen (1’) und (11) und das einzige, welches sich mit den Grenzbedingungen vertragt.

Die Gleicltungen sollen auf cylindrische Coordinaten trans- formirt werden, und zwar bedeute y die Axialrichtung x die

Aonyitudinabs Aicht. 177

Radialrichtung und 5 den Polarwinkel. 2 sei die tangentiale, X die radiale Componente der electrischen Kraft, vo die axiale magnetische Krftft.

Die Gleichungen mussen reducirt werden auf: ax a &

& - + x ---=o. 0 at 0 at

(II") Wir betrachten nur ein schmales Bundel eines Kathoden-

strahles, dessen Dicke (x - z,,) gegen den Krummungsradius xo verschwindet.

Die einfachste Losung ist folgende :

x=xo + A (1 - -) z - so sin (t - 6). "0

Die Intensitat des Strahles nimmt nach seiner convexen Seite etwas ab. Die Wellenebenen 5 = Const. liegen radial. F u r die Winkelgeschwindigkeit 7u des Strahles ergibt sich hier nur eine L8sung:

(9)

Diese Losung gilt fur longitudinale Strahlen. Transversale Strahlen Yon diesem Verlaufe sind nicht moglich und konnen hier schon deshalb nicht als Losung erscheinen, weil fur keine magnetische Transversalcomponente 9 gesorgt ist.

Man erhalt ferner fur die Amplituden A und C die Be- ziehung

d. h. die electrischen Schwingungen des Strahles finden in jedem Theile desselben in der dort vorhandenen Richtung der totalen statischen electrischen Kraft statt.

Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 67. 12

178 G. Jaumann.

Endlich ergiebt sich

Dies ist die Bedingung, class der Strahl die Kreisbahn einschlagt. Falls X , = 0, also die totale electrische Kraft ohne- hin kreisformig verlauft, so muss nach (1 1) 9, = 0 sein, d. h. der Strahl folgt genau einer gekriimmten electrischen Kraft- rohre, falls ihn nicht eine senkrecht wirkende magnetische Kraft ablenkt.

Man darf hiernach Kathodenstrahlen kleiner Amplitude, welche keine maynetischen Transversalcomponenten besitzen, die Neigung zusprechen, langs der electrischen Kraftlinien des Feldes zu verlaufen, also ezectrische Befiexion zu zeigen. l)

Kathodenstrahlen, welche durch die Grenzbedingungen mit magnetischen Transversalcomponenten versehen werden, sind jedoch ihrer Richtung nsch von dem Verlauf der Kraftlinien entsprechend unabhangiger. Fu r Kathodenstrahlen grosser Amplitude gilt dies in erhijhtem Maasse.

Falls jedoch X , nicht Null ist, also die electrische Kraft nicht kreisformig verlauft, so ist nach (11) eine senkrecht wir- kende magnetische Kraft go nothwendig, um den Strahl aus der electrischen Kraftrohre abzulenken und in die Kreisfonn zu biegen. Uer Ablenkungssinn ergibt sich ebenso wie in Ab- schnitt 28. Die dort behandelte Drehung der Wellenebene durch eine magnetische Kraft ist ubeihaupt dieselbe Er- scheinung wie die hier behandelte Krummung der Strahl- richtung.

Nach Gleichung (10) wird jedoch die Schwingungsrichtung des magnetisch gekriimmten Strahles durch die magnetische Kraft nicht beeinflusst, sie findet nach wie vor in der Richtung der electrischen Kraft statt. z,

1) Das Huyghens'sche Princip stellt hier ausnahmsweise die Bich- tung des Strahles gut, aber 11111 so schlechter die Lage der Wellen- flaehe dar.

2) H e r t z vergleicht die magnetische Kriimmung der Kathoden- strahlen ruit der magnetischen Drehung der Schwingangsrichtung des Lichtes. So charakteristisch dieser Vergleich ist, trifft er doch nach der hier vorgetragenen Theorie gerade das Gegentheil der thatslehlich statt- findenden Verhgltnisse. Dieser Umstand ist ein zuBlliger, welcher das Vcrdienst dieses Vergleiches nicht, herabsetzt.

Longitudinales Lick. 179

Das hier betrachtete dunne, gekriimmte Biindel eines Kathodenstrahles entspricht dem axialen Theile eines be- grenzten Kathodenstrahles von grosserer Dicke. Die Rander desselhen verhalten sich complicirter, weil sie magnetische Trans- versalcomponenten fiihren. Auch im axialen Biindel wird streng genommen an den Stellen starker Abienkung des Strahles eine magnetische Transversalcomponente 9 auftreten, welche ihren Grund hxt in der Aenderung der Amplitude A nach (10). Diese Aenderung verschwindet jedoch vollstandig gegen die Aenderungen, welche die Schwingung des Strahles einfuhrt, der kurzen Schwingungsdauer desselben wegen.

Fig. 1 macht das Verhaben eines im homogenen electri-

schen Feld durch eine senkrecht wirkende magnetische Kraft gekriimmten. Kathodenstrahles anschaulich.

Die parallelen, von rechts nach links gehenden Pfeile be- zeichnen die positive Richtung der electrischen Kraft. Die Starke der magnetischen Kraft '&,, welche von vorn nach hinten geht, ist durch die Dichte der zwischengesetzten Punkte an- gedeutet. Sie ist i n der linken Halfte des Feldes sehr klein, nach rechts hin immer grosser angenommen, sodass der Strahl nach (11) nach rechts hin ilnmer starker abgelenkt wird und also ungefahr Kreisform annimmt.

Der Kathodenstrahl KK verlauft in der linken Halfte des Feldes, wo keine magnetische Kraft wirkt , geradlinig in der Richtung der negativen electrischen Kraft , in der rechten Halfte des Feldes biegt er aus dieser Richtung ab. Nach Gleichung (1 1) ist die Tangente des Winkels, welchen seine

12*

180 G. Jaumann.

Richtung mit der Richtung der negativen electrischen Kraft einschliesst, uberall der Kraft go proportional.

Es sind ferner die Wellenebenen des Strahles, welche uberttll suf seiner Richtung senkrecht stehen , eingezeichnet, und zwar in solchen Distanzen, wie sie der Fortpflanzungs-, geschwindigkeit des Strahles entsprechen. Dieselbe nimmt nach (9) mit dem Cosinus des Ablenkungswinkels ab. In der Mitte jeder Wellenebene sind durch einen kleinen Pfeil der Richtung und Grosse nach die electrischen Schwingungen des Strahles bezeichnet. Dieselben bewahren im homogenen elec- trischen Felde ihre Richtung. Was ihre Qrosse anbelangt, so wird die Grosse der longitudinalen Componente C im ganzen Verlaufe des Strahles annahernd dieselbe sein. Die radiale Componente A muss aber nach (10) betrachtlich zunehmen. Die Intensitat der totalen Schwingung des Strahles muss also desto mehr zunehmen, je weiter der Strahl abgelenkt wird. Gleichzeitig nimmt aber die Fortpflaiizungsgeschwindigkeit des- selben ab, so dass die in einer halben Wellenlange des Strahles vorhandene Energie uberall denselben Werth hat.

30. Gegenseitige Abstossung der Kathodenstrahlen. Die Glei- chungen (I), welche fur Kathodenstrahlen grosser Amplitude gelten, sind geeignet, die gegenseitige Abstossung *) zweier Kathodenstrahlen darzustellen. Es ist dies eine nichtsuper- positorische Erscheinung, kanii also durch die annahernd giilti- gen linearen Gleichungen (1’) nicht erklart werden, wohl aber durch die nichtlinearen Gleichungen (I). Man denke sich als Grenzbedingung in der xy-Ebene electrische Z-Schwingungen gegeben, wie sie an den zwei Kathoden der Crookes’schen Rohre auftreten. Das Integral der Gleichungen (1) wird dann jeden- falls zwei von diesen Platten ausgehende Strahlen darstellen, und zwar der nichtlinearen Form dieser Gleichungen wegen keine geradlinigen Strahlen, sondern ungefahr hyperbolisch aus- einander gekriimmte Strahlen.

31. Jfagnetischer Longitudinalstrahl. Rein magnetische Longitudinalstrahlen sind der Unsymmetrie der Gleichungen (11’) und (II”) wegen nicht miiglich.

Ein electrischer Kathodenstrahl, welcher in der Richtung 1) Vgl. hierzu E. Wiedemann u. H. Ebert , Wied. Ann. 46.

p. 158. 1892.

Longitudinales Licht. 181

einer zusammenfallenden electrischen Kraftlinie 2, uiid magne- tischen Kraftlinie 8, fortschreitet , zeigt ausser seiner electri- schen Longitudinalschwingung Z auch eine magnetische Longi- tudinalschwingurcg 8.

Diese kiinnte doch vielleicht auf eine Spule, in deren Axe der Strahl fortschreitet , inducirend wirken, ein Experiment, welches unter den Strahlungsexperimenten eine besondere Stel- lung einnehmen wiirde. l)

V. Longitudinal88 Licht.

Nach der zu Ende des Abschnittes 27 gegebenen Entwicklung sol1 das transverssle Licht (wenigstens an seinen Randern auch in dichter Luft) von Longitudinalstrahlen begleitet sein , welche coharent und in der Phase um eine Eerteluxdlenlange gegen das transversale Licht verschoben sind. I m Folgenden werden solche Longitudinalantheile des naturlichen Lichtes thatsachlich an Experimenten von E l s t e r und Ge i t e l aufgewiesen.

Um iiber dieselben volligerr Aufschluss zu erhalten ist ein genaueres Studium des Grenzuberganges des Lichtes durch eine Oberflache, in welcher E~ und qo sich andern, nothig. Es findet sich eine solche Schicht dort, wo das Licht in verdiinnte Luft eintritt, und wo es in derselben reflectirt wid. In diesen Grenzschichten nimmt das Licht Longitudinalcomponenten an. Um nur ein ungefahr passendes Beispiel zu geben, moge vor- ausgesetzt werden, dass die Krafte des Transversalstrahles nuch in dieser Grenzschicht die Laplace'sche Gleichung erfiillen und dass in derselben 9, zwar nicht gleich 1, aber constant sei.

Dann gilt Gleichung (11) und nimmt die Form an:

32. Longitudinale Antheile des natiirlicheit Lichtes.

Nur dann, wenn die Richtung der electrischen Schwin- gungen des Transversalstrahles auf der Richtung des Gefalles von E~ senkrecht steht, ist danach d a l d t = 0 und werden keine Longitudinalstrahlen angeregt.

1) Bei unbedingt genauer Giltigkeit der Maxwell'schen Gleichungen (I) kann sich der magnetische Longitudinalstrahl allerdings nicht durch eine Inductionswirkung zu erkennen geben, wohl aber bei der geringsten Abweichung von diesen Gleichungen.

182 G. Jaumann.

Einfallswinkel i 70 0 66'

A 149,6 144,O B 3,2 470

40 * 23 O

161,3 96,s 771 28,l

1) E l s t e r u. G e i t e l , Abhangigkeit des electrischen Btromes vom Azimuth und Einfallswinkel des Lichtes (Sitzber. d. Btrl. Akatl. p. 209. 1895).

2) Die Hrn. E l s t e r u. G c i t e l erkennen keineswegs, dass sie cs mit longitudinalem Licht zu thun haben, sondern nehmen an, dass aueh parallcl der Kathodenflache sehwingendes Licht die Entladung hegiinetigt. Vgl. das Citat weiter oben Abschn. 4 Ann). 1).

Die angeregten Longitudinalschwingungen haben , wie durch den Vergleich von (12) mit (1') folgt, eine Viertelwellen- lange Phasenunterschied gegen die transversalen Schwingungen X , Y, 2. Sie sind namlich mit B gleichphasig.

33. Die Messungen von E l s t e r und Ge i t e l . Als ich die jfingst erschienene Arbeit der Hm. E l s t e r und Ge i t e l ' ) er- hielt, erkannte ich auf den ersten Blick, dass bei ihren Ent- ladungsexperimenten theilweise longitudinales Licht auftritt und dasselbe eine Phasenverschiebung von einer Eertelwellenlange gegen das transversale &ht hat. 2,

Dies folgt aus meinem Entladungsgesetz nach Capitel I, also auf rein experimentellem Kege.

Der lichtelectrische Strom J i s t nach E l s t e r und G e i t e l cet. par. der Lichtintensitat (dem Qzadrat der Amplitude) pro- portional und befolgt das Gesetz

J = Acos2a -l- 3 sin2cc, worin cc das Azimuth der electrischen Schwingungsebene des einfallenden Lichtes gegen die Einfallsebene ist. Die Con- stanten A und B haben folgende Werthe

Aongitudinales Licht. 183

welche es haben muss, wenn mein Entladungsgesetz richtig ist und das Licht rein transversal ware.

Das Licht hat also eine longitudinale Componente und diese ist um eine Viertelwellenlange verschoben. Dann werden sich die Quadrate der Schwingungen, welche bez. die trans- versale und die longitudinale Schwingung des Lichtes in die Electrodennormale senden, zu dem Quadrat der resultirenden Schwingung in der Normale addiren, welches die lichtelectrische Wirkung bes timmt.

B steht zu cler Amplitude 1; der Longitudinalschwingung in der Beziehung

B = L2cos2i.

( A - B) steht zu der Aplitude T der transversalen Schwin- gung in der Beziehung

( A - B) = i"2sin2i. Hieraus folgt :

Einfallswinkel i

Aus den angefuhrten Messungsresultaten von E l s t e r und Ge i t e l ergibt sich hiernach:

70 66 I 40° I 23O

- I 0,411 I 0,381 1 0,181 1 0,275 T

Ungeachtet die Intensitat des bei verschiedenem Einfalls- winkel verwendeten Licht,es nicht dieselbe war, ergibt sich ein ziemlich regelmassig mit dem Einfallswinkel abnehmendes Ver- haltniss des Longitudinalantheiles 1; des Lichtes und der an- regenden transversalen Amplitude I' desselben, was die Ueber- einstimmung mit der Theorie vervollstandigen diirfte.

Das transversale Licht zeigt longitudinale Antheile, deren Phase um eine ViertelwellenIange verschoben ist, deren Am- plitude mit dem Einfallswinkel abnimmt und in den angefuhrten Messungen ungefahr den dritten Theil der Transversalamplitude ausmacht.

184 Q. Jaumann. Longitudinales Licht.

Seither haben die Hrn. g l s t e r und Geitel Messungen publicirt l) aus welchen hervorzugehen scheint, dass nur in verdiinnter Luft diese Longitudinalantheile eine betrachtliche Grosse haben, wie dies auch zu erwarten war.

Die Gesellschaft zur Forderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Bohmen hat das Zustaadekommen dieser Arbeit unterstutzt, wofur ich hiermit meinen Dank sage.

1) Elster u. Geite l , Wied. Ann. 55. p. 695. 1895.