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Dokumentation 2013

LOOK-Dokumentation Neu 135x190 · Pli selon Pli von Pierre Boulez, 1957-1962 Konzertaufzeichnung von Bettina Ehrhardt, 2011 und Archivaufnahmen der BBC1966 von Barrie Gavin 18.00

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Dokumentation 2013

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It is not enough to hear the music you must see it as wellIgor Stravinsky

Musik ins Bild gesetzt –zur Ästhetik der Konzertaufzeichnung

The Look of the Sound L’Image du Son

Der Blick auf die Klänge Fernsehforum für Musik

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Wir danken unseren Förderern und Kooperationspartnern 2013:

Freie Hansestadt Bremen, vertreten durch den Senator für Kultur und die Wirtschaftsförderung Bremen, Ernst von Siemens Musikstiftung, die Sender ARTE und Deutsche Welle, ZDF und ARD, Conrad Naber Stiftung Bremen Impuls neue Musik – deutsch-französischer Fonds für zeitgenössische Musik, Institut Français de Brême, OUT NOW! Schwankhalle Bremen Heinrich Böll Stiftung Bremen, Zentrum für Performance Studies der Universität Bremen.

Nicht zuletzt lebt The Look of the Sound von einem Geist des gegenseitigen Austauschs und der Dank gilt allen Gästen, den Musikwissenschaftlern, Musikfilmregisseuren, Musikern, Komponisten, Musikfilmredakteuren, Produzenten oder Veranstaltern,die großzügig ihre Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen.

Wir danken allen Filmemachern und Produzenten für das langjährigeVertrauen und die Bereitstellung des Filmmaterials für das Programm.

Wir danken allen Mitarbeitern in der Technik und der Gästebetreuungfür ihren persönlichen und unermüdlichen Einsatz.

Filme, Konzerte und VorträgeMusik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der Konzertaufzeichnung am 6. bis 9. März 2013 in Bremen

Einleitung

Programm 2013

Konzertaufzeichnung 1966 und 2011 Pli selon Pli von Pierre Boulez

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der Konzertaufzeichnung Vortrag Dr. Peter Moormann Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Ensemble Alternance Gespräch mit Olga Neuwirth und Lillevan Pobjoy Gespräch Andreas Rochholl und Uli Aumüller

Konzertdokumentation Schumann at Pier 2

Klassikrezeption über TV und Internet Jan Bremme, EuroArts Eva Wochner, Arte G.E.I.E. Jonathan Haswell, BBC TV

Filmauswahl 2013

Junges ForumWorkshop und Kurzfilmwettbewerb Filmauswahl Junges Forum 2013

Gästeliste 2013

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The Look of the Sound

Elisabeth Richter,Katrin Rabus, Günter Atteln

Das Forum The Look of the Sound versammelt ein Netzwerk von Musikern, Regisseuren, Produzenten, Sendern und Musikveranstalternund will zur ästhetischen Debatte über die Qualität der visuellen Darstellung von Musik in allen Medien – im Kino, Fernsehen, Internet,aber auch im Konzert – beitragen.

Das Forum will den Austausch zwischen Musikern, Komponistenund der Musikfilmszene aktiv fördern und zu interdisziplinären Projek-ten anregen. Komponisten drehen Filme und kooperieren mit bilden-den Künstlern.

Das Symposium bietet mit dem Jungen Forum und dem Kurzfilm-wettbewerb eine Plattform für den Nachwuchs des Musikfilms, sichMentoren für ihren künstlerischen und beruflichen Weg zu suchen.Die Ausbildung an den Musikhochschulen soll die mediale Umsetzungvon Musik thema tisieren.

Gute Musikfilme sollen Teil des öffentlichen Musikbetriebs werden,sie ermöglichen ein vertieftes Verständnis gerade für Neue Musik und sind für den künstlerischen Nachwuchs, das Komponieren undInter pretieren heute, von Bedeutung. Angestrebt wird eine Musikfilm-Mediathek für künstlerische und wissenschaftliche Zwecke.

Die in den Fernseharchiven schlummernden Archivschätze derMusik der klassischen Moderne sollen gesichtet, gesichert und aufgeeig nete Weise für die Musikwissenschaft zugänglich gemacht werden.

The Look of the Sound

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Das Forum The Look of the Sound, ein Festival für den internationalenMusikfilm, findet seit 2002 jeweils im März in Bremen statt und ist ein Festival für den internationalen Musikfilm. Gegenstand der Filmeist Musik, die der Komponist ohne visuelle Umsetzung ausschließlichzum Hören intendiert – im Gegensatz zur Filmmusik. Neueste Musik-filme und -sendungen zeigen das breite Spektrum der medialen Ver-mittlung dieser komponierten Musik.

Das Netzwerk von Musikern, Regisseuren, Produzenten, Redakteu-ren und Veranstaltern will zur ästhetischen Debatte über die Qualitätder filmischen Umsetzung von Musik beitragen und Anregungen fürinterdisziplinäre Formen der Dokumentation und Präsentation vonMusik geben.

Ausgangspunkt der Veranstaltung 2002 war es, den Rückgang derSendeplätze im Fernsehen für den Bereich der klassischen Musik auf-zuhalten. Ausführlich wurden in den ersten Jahren des Forums diemedienpolitischen Rahmenbedingungen für eine interessierte Öffent-lichkeit dargelegt – Qualität und Quote, die Rolle der Spartenkanäle,die Verlagerung der Programmbudgets zugunsten von Sportereignis-sen, später dann die wachsende Bedeutung des Internets und die daraus folgende Veränderung der Nutzungsgewohnheiten.

Die schnelle Verbreitung der DVD und heute der Blue Ray brachteneue Möglichkeiten für den Musikfilm: die DVD führte zur Unab -hängigkeit vom Fernsehen mit seinen festgelegten Zeiten, aber auchvom redaktionellen Programm. Veranstalter, vor allem große Opern-häuser und Plattenlabels konnten selbst ihre Konzerte produzierenund vertreiben, ein kleines aber sachkundiges Publikum bildet eineninternationalen Markt. Aber angesichts der großen Möglichkeiten des Internets ist die digitale Bildscheibe vielleicht nur ein Übergang –das zeigen die aktuellen Diskussionen auf dem Forum.

Nicht nur die Fernsehsender suchen ihr Publikum, auch die Musikveranstalter. Nach dem Motto „Neue Wege – neues Publikum“ werden bei The Look of the Sound innovative Veranstaltungs-formen vorgestellt, bei denen alle Formen der medialen Umsetzunggenutzt werden. Einge laden waren mehrmals Verantwortliche der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker, das Konzerthaus Berlin, die Tonhalle Düsseldorf oder das Beethovenfest Bonn.

The Look of the Sound

Thema sind auch Konzerte in Kombination mit Film und nicht zuletztdie wachsende Bedeutung von Public Viewing, vor allem bei Musik-festivals.

Was ist nun ein guter Musikfilm?

Unter dieser Fragestellung steht das Verhältnis von Bild und Musik inseinen vielfältigen Formen im Mittelpunkt der Veranstaltungen desForums - vom Videoclip über visuell aufwändige Konzertaufzeichnun-gen, von klassischen Dokumentationen bis zum Kunstfilm. Weiterhinwerden Filme vorgestellt, in denen das musikalische Leben in seinerWechselwirkung mit Gesellschaft und Politik gezeigt wird.

Gute Musikfilme können für den Musikliebhaber Material bereit-stellen, das über das Erlebnis im Konzertsaal hinausreicht. Aufgrundder emotionalen und sinnlichen Möglichkeiten des Films können sie musikalische Laien ansprechen und zur Musik hinführen. Dies giltin besonderem Maße für die zeitgenössische Musik. Das setzt abervoraus, die Musik so abzubilden, dass ihr Eigenwert gestärkt und fürden Zuschauer besser erschlossen wird. Dies erfordert musikalischeKenntnisse und besondere Erfahrungen von den Filmregisseuren, aberauch ein Mindestmass an Produktionsmitteln seitens der Auf trag -geber.

Das Forum The Look of the Sound 2013

1. Musik ins Bild gesetzt – Konzertaufzeichnung und -übertragung 2013 hatte das Forum zwei Schwerpunkte: Konzertaufzeichnung und Komponistenfilme. Seit 2002 hat neue Technik sowohl bei derAufzeichnung als auch bei der Ausstrahlung zu erheblichen Verbesse-rungen bei der Konzertaufzeichnung geführt. Die Kameratechnik isteine andere geworden, man kann mit weniger Aufwand und Saalbe-leuchtung in einem Live-Konzert aufzeichnen. Das hat nicht nur Aus-wirkungen auf die Ästhetik, sondern auch auf die wirtschaftlichenBedingungen, unter denen Konzerte aufgezeichnet werden.

Dies ist ein Grund, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen undauch weiterzuführen zur Frage, wie große Formate wie Sinfonien undOrchesterkonzerte heute vermittelt werden können.

The Look of the Sound

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Peter Moormann hat Ausschnitte und Reflexionen zum Thema„Musik ins Bild gesetzt“ zusammengestellt. Konzertaufzeichnungenvon Michael Beyer und Enrique Sánchez Lansch liefern aktuelle Beispiele. Eine Diskussionsrunde aus Regisseuren, Redakteuren undMusik wissen schaftlern ergänzt das Spektrum.

Die Deutsche Welle Produktion „Schumann at Pier 2“ von ChristianBerger ist ein weiteres Beispiel dafür, sinfonische Musik zeitgemäß zupräsentieren, mit allen Varianten – Dokumentation, Konzertaufzeich-nung, präsentiert für TV, Internet und DVD. Die aktuellen medien -politischen Bedingungen werden ebenfalls angesprochen. WerdenKonzertaufzeichnungen noch im Hauptprogramm des Fernsehens laufen? An welchem Platz? Oder werden sie, wie schon jetzt bei ARTE,mehr und mehr auf dem Live-Web Platz zu finden sein? Was bedeutetdas für die Produktionsbedingungen? Und für die Rezeption?

Ein ständiger Programmpunkt betrifft Filme aus den Archiven derFernsehsender und zeigt Möglichkeiten auf, sie für die Musikvermitt-lung zu nutzen:

Auf eine Studioaufzeichnung von Pli selon Pli, die Barrie Gavin1966 mit Pierre Boulez für die BBC gemacht hat, folgt eine aktuelleKonzertaufzeichnung desselben Stücks von Bettina Ehrhardt aus demJahr 2011. Dieses Programmvermögen nicht nur der Sender, sondernauch der Veranstalter, sollte letztlich der Öffentlichkeit für die Weiter-gabe an künftige Generationen erhalten bleiben. Der Film „Karajan –das zweite Leben“ von Eric Schulz (2012) ist ein gutes Beispiel fürdiese Forderung. Ulrich Mosch stellt eine heute weitgehend unbe-kannte TV-Serie von Leonard Bernstein aus den 50er Jahren vor, Om-nibus – eines der frühesten TV-Formate, welches sich ebenfalls dengroßen Orchesterwerken widmet und noch großzügig auf Studios zu-rückgreifen konnte.

2. Komposition – Filmkomposition – Komponistenfilm: Kein Fernsehforum ohne Live-Musik - es wird weiterhin experimen-tiert mit Konzertformen, die zeitgenössische Musik und Film kombi-nieren. Jean Luc Menet und sein Ensemble Alternance aus Parisspielen Werke von Lachenmann, Cendo, Hans Thomalla. Das Musik-programm wird kombiniert mit zwei Filmen von Olga Neuwirth,

The Look of the Sound The Look of the Sound

„... miramondo multiplo ...“ (2006/2007) und „Die Schöpfung“ (2010).Olga Neuwirth ist in erster Linie zu nennen, wenn wir zeitgenössischeKomponisten vorstellen, die sich professionell mit dem Medium Filmbeschäftigen und ihre Musik mit filmischen Mitteln kommentierenoder in Beziehung setzen. Das Gespräch mit ihr und über ihre gemein -same Arbeit mit dem Videokünstler Lillevan wird hier dokumentiert.

Andreas Rochholl und der Komponist Sidney Corbett stellen denKurzfilm „Half the Heart“ vor. Uli Aumüller liefert eine Bilderfolge, zuder die Musik entsprechend ausgesucht oder sogar komponiert wer-den kann. Gezeigt wird das Werk „Gilles Gobeil – Nachtlicht“ aus derSerie „Der Wald ist der bessere Konzertsaal“. Detlef Heusinger, neuerkünstlerischer Leiter des SWR Experimentalstudios, zeigt eine TV-Ver-sion seiner Installation „Sintflut“ (2002, Donaueschingen).

Zum Programm des Forums 2013 gehören einige Premieren: von ARTE/ZDF „Die Dreigroschenoper“ von Günter Klein aus der ReiheGroße Werke entdecken, „Die Fabelwelten der Anna Prohaska"(ARTE/RBB) von Andreas Morell und „Die italienische Art“, der ersteitalienische Film über das Orchester Santa Cecilia in Rom, Regisseur istAngelo Bozzolini.

Seit 2012 gibt es ein zusätzliches „Junges Forum“ für Nach wuchs -filmer, die sich mit ihren Filmen um die Teilnahme bewerben und mitden Profis diskutieren können. Komponisten und Filmemacher treffenso schon zu Beginn ihrer Karriere aufeinander, lernen ihre jeweiligenMöglichkeiten kennen und können interdisziplinäre Projekte ent -wickeln.

Die vorliegende Dokumentation soll dazu beitragen, in der Öffent-lichkeit die Sensibilität für die künstlerische Qualität von Musikfilmenzu fördern und für einen größeren Platz im öffentlichen Musiklebenzu werben.

Katrin Rabus Idee und Realisation von The Look of the Sound

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Vorprogramm Plantage 13, Eingang 6

Samstag, den 2. März 2013

15.00 Uhr Film – Konzertaufzeichnung – Großer Saal Gustav Mahler Sinfonie Nr. 9 in D-Dur Claudio Abbado und das Lucerne Festival Orchestra, 2010 Konzertaufzeichnung Michael Beyer

17.00 Uhr Film – Großer Saal Claudio Abbado – die Stille hören Film von Paul Smaczny, 2006

Sonntag, den 3. März 2013

15.00 Uhr Film – KonzertaufzeichnungProbe und Aufführung Carl Maria von Weber: Der Freischütz, Ouvertüre Johann Strauß: Die Fledermaus, Ouvertüre Carlos Kleiber und das Südfunk-Sinfonieorchester, 1970 Film von Dieter Edel

17.00 Uhr Film Spuren ins Nichts – der Dirigent Carlos Kleiber Film von Eric Schulz, 2010

18.00 Uhr Film Carlos KleiberFilm von Georg Wübbolt, 2011

Mittwoch, 6. März 2013

14.00 Uhr Begrüßung – Großer Saal Einführung in den Programmschwerpunkt The Look of the Sound – Musik ins Bild gesetzt Filme, Vorträge, Diskussionen

14.15 Uhr Film – Großer Saal John Cage – Journeys in Sound Film von Allan Miller und Paul Smaczny, 2012

15.15 Uhr Film – Großer Saal How to get out of the CageA Year with John CageFilm von Frank Scheffer, 2012

16.15 Uhr Kaffeepause

16.30 Uhr Film – Großer SaalPli selon Pli von Pierre Boulez, 1957-1962Konzertaufzeichnung von Bettina Ehrhardt, 2011 und Archivaufnahmen der BBC 1966 von Barrie Gavin

18.00 Uhr Kurzfilme – Großer SaalHalf the Heart, Musik von Sidney Corbett, Kurzfilm von Andreas Rochholl, 2012 Gilles Gobeil Nachtlichtaus der Serie: Der Wald ist der bessere Konzertsaal Kurzfilm von Uli Aumüller, 2012 Rafael Cendo compose Rokh Videoclip von Philippe Gontier, 2012

19.00 Uhr Imbiss

Programm 2013 Programm 2013

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20.00 Uhr Live-Konzert und Film – OrchestersaalEnsemble Alternance, Paris Leitung: Jean Luc Menet Werke von Pierre Boulez, Rafael Cendo, Helmut Lachenmann, Olga Neuwirth und Hans Thomalla

Olga Neuwirth zeigt ihre Filme Die Schöpfung (2010)mit Elfriede Jelinek und Olga Neuwirthund ... miramondo multiplo ... (2006/2007)

Donnerstag, 7. März 2013

10.00 Uhr Filme von Olga Neuwirth – Großer SaalGespräch mit Olga Neuwirth und dem Videokünstler Lillevan

12.00 Uhr Film – OrchestersaalGershwin: An American in Paris, Rhapsody in Blue Gustavo Dudamel dirigiert das Los Angeles Philharmonic OrchestraSolist: Herbie HancockKonzertaufzeichnung Enrique Sánchez Lánsch, 2011 Film – Großer Saal –Bruckner Sinfonie Nr. 5, B-DurClaudio Abbado dirigiert das Lucerne Festival Orchestra Konzertaufzeichnung Michael Beyer, 2011

13.00 Uhr Mittagspause

14.00 Uhr Vortrag – Großer SaalMusik ins Bild gesetzt –zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungEinführung mit Filmbeispielen Dr. Peter Moormann, FU Berlin

15.00 Uhr PodiumsdiskussionModeration: Dr. Ulrich Mosch Günter Atteln, Produzent Accentus Music Prof. Dr. Lothar Mattner, WDR Enrique Sánchez Lansch, Regisseur Severin Vogl, Regisseur Bettina Ehrhardt, Regisseurin Dr. Peter Moormann, Musikwissenschaftler

17.00 Uhr Film – Großer Saal Karajan – das Zweite LebenFilm von Eric Schulz, 2012 anschließend Gespräch mit Eric SchulzFilm – OrchestersaalNo Ideas But In Things– The composer Alvin Lucier Film von Viola Rusche und Hauke Harder, 2012 anschließend Gespräch mit Hauke Harder

19.30 Uhr Avantpremiere von ARTE – Kino Atlantisund Große Werke entdecken: 20.30 Uhr Die Dreigroschenoper von Kurt Weill

Film von Günther Klein, ZDF/ARTE 2013 Erstsendung auf ARTE am 7. 4. 2013

22.00 Uhr anschließend ARTE-Empfang für die Teilnehmer des Internationalen Fernsehforums im Himmelssaal von Haus Atlantis, Böttcherstraße (gesonderte Einladung)

Freitag , 8. März 2013

10.00 Uhr Vortrag mit Filmbeispielen – Großer Saal Leonard Bernsteins Serie Omnibus, USA 1955Dr. Ulrich Mosch, Paul Sacher Stiftung Basel

Programm 2013 Programm 2013

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11.00 Uhr Film – Großer SaalSchumann at Pier 2 Mit Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, 2012 anschließend Gespräch mit Christian Berger

13.00 Uhr Mittagspause

Freitag, 8.März 2013

14.00 Uhr Diskussion – Großer SaalKlassikrezeption über TV, Internet, Kino: Erfahrungen und Perspektiven mit Christian Berger, Deutsche WelleJan Bremme, Euroarts Jonathan Haswell, BBC TVEva Wochner, ARTE Musica

16.00 Uhr Film – Großer Saal Die Sintflut TV-Version von Detlef Heusinger, 2001anschließend Gespräch mit Detlef Heusinger, künstlerischer Leiter desSWR Experimentalstudios, Freiburg Das bewegte Bild in der Arbeit des Experimentalstudios Moderator: Uli Aumüller

18.00 Uhr Avantpremiere – OrchestersaalDie italienische ArtMit Antonio Pappano und dem Orchester der Accademia Nationale di Santa Cecilia Neuer Film von Angelo Bozzolini, 2013 anschließend Gespräch mit Angelo Bozzolini

19.30 Uhr Avantpremiere – OrchestersaalDie Fabelwelten der Anna Prohaska Neuer Film von Andreas Morell, RBB 2013 anschließend Gespräch mit Andreas Morell Erstsendung bei ARTE am 17. 3. 2013

21.00 Uhr gemeinsames Abendessen – Großer Saal (Anmeldung erforderlich)

Samstag, 9. März 2013

11.00 Uhr Junges Forum – Großer Saal bis Kurzfilme, Grenzbereiche von Musik und Bild15.00 Uhr Workshop – Musik ins Bild gesetzt

Für junge Nachwuchsfilmer und Bewerber für den Kurzfilmwettbewerb The Look of the Sound 2013 in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Karlsruhe Festival OUTNOW! Bremen und dem Atelier für Neue Musik der Hochschule Bremen –eigene Filme schauen und analysieren mit Syrthos Dreher, Kilian Schwoon Enrique Sánchez Lánsch, Oliver Becker u. a.

gefördert von der Conrad Naber Stiftung Bremen und der Ernst von Siemens Musikstiftung

Film – Wiederholungsprogramm – Orchestersaal

13.00 Uhr Imbiss

16.00 Uhr Ende der Veranstaltung

Stand 5.3.2013

Programm 2013 Programm 2013

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Gespräch mit der Regisseurin Bettina Ehrhardt

Pli selon pli is a piece of classical music by the French composerPierre Boulez. It is for solo soprano and orchestra, and is based onthe poems of Stéphane Mallarmé. At over an hour, it is Boulez' lon-gest work. The piece was begun in 1957 with the composition of thefirst two "Improvisations on Mallarmé" for soprano and percussionensemble. In 1959 a third "Improvisation" was written, for soprano,instrumental ensemble and a large group of percussion, togetherwith "Tombeau", for soprano and large orchestra. In 1960, what isnow the opening movement of the piece, "Don", was completed in aversion for soprano and piano. In 1962, this movement was rescoredfor soprano and orchestra, and "Improvisation I" was also rescored,completing the work in its initial form. As with many of his other pieces, Boulez later returned to the work and revised it. In the 1980s"Don" was rewritten and "Improvisation III" was revised. In bothcases, Boulez removed some flexibility which had previously been allowed in the order in which sections of these movements might beplayed.

Bettina Ehrhardt: Wenn man schneidet, ist die Hauptaufgabe, derMusik und dem Hörerlebnis zu folgen und herauszuarbeiten, was demBlick und dem Ohr des Hörers entgegenkommt. Welche Klänge hörtman, was will man sehen, welche Klänge hört man besser, wenn mansie sieht? Wie schwingt das, was man vorher gesehen hat, noch wei-ter mit? Wie baut man dramaturgisch das Sehen auf, was dann dieBasis ist fürs Hören? Sehr schön bei diesem alten Film waren die Nah-aufnahmen, die wir in einer Live-Situation nur mit langen Optikenhinbe kommen. Natürlich können die Kameras in der Studiosituationganz anders stehen. Wir hingegen haben bei der Generalprobe und in der Aufführung gedreht, wir waren den Bedingungen der Konzert-situation unterworfen. In meinem Dokumentarfilm über „Pli selon pli“gibt es einen kleinen Ausschnitt eines Publikumsgesprächs von PierreBoulez mit Roland Wächter in Luzern. Roland Wächter stellt Boulez’Partituren auf fünf Stühle. Das erste Stück ist eine riesige Partitur:„Don“. Die Partitur des zweiten Satzes ist sehr viel kleiner, am kleinsten

Konzertaufzeichnung Pli selon Pli von Pierre Boulez, 1957 – 1962/89

ist der Mittelsatz, dann steigt die Partiturgröße bis zum letzten Satz„Tombeau“ wieder an. Das Publikum lachte und hatte begriffen, wiedieses Stück gebaut ist.

Paul Archbold: I’m a composer and also interested in contemporarymusic. What struck me about looking at both films was that howmuch that 1964-archive is now a historical document, being 50 yearsbefore. The other thing is that they are both two different texts. Thatthe 1964 one is a different version to what Bettina shot. And I thinkfor me that’s a fascination in how Boulez’s interaction with that pieceas a conductor has grown over the fifty years. That version of theworkshop – you really had the feeling of Boulez as the avantgarde radicalist. Starting from the point, elaborating out into a line, andthen elaborating out into the idea of Paul Klee going from point toline to I think it’s very obvious in that Boulez-performance. The wayhe was actually splitting up the gestures. The way he was conductingthings. The way he was allowing silence to isolate individual events.And when Boulez rewrote it again he added the extra movementsaround the second improvisation. He then rescored it. There’s themuting of the harp which is added. The harmonics on the piano. Andnow not clusters. They are actually using third pedal. There’s a wholeseries of things in which are nuances within that text which change.And I think what all that does is it creates a much greater resonance.So rather than having these isolated events what he’s then is doing –is adding one sound on top of an other sound, on top of one othersound. So by a time you get your version of the score, then you’vegot a much greater sense of continuity. And it’s a shift in aesthetic.And it’s not isolated events. You feel much more the phrase structure.And it’s not that the people who where there who – in the 1960-full-version the pianist was Richard Rodney Bennett. Who became a filmcomposer. Who died the other year. Susan Bradshaw is playing theceleste part, who is also one of Boulez’s students. They both trans -lated Boulez’s Darmstadt-lectures – Boulez on music today. So theywere very very interested in that area. One of the percussionists isTristan Fry which who is one the leading percussionists within con-temporary music in London. So these were people who really were

KonzertaufzeichnungPli selon Pli von Pierre Boulez, 1957 – 1962/89

ArchivaufnahmenBBC von

Barrie Gavin, 1966Konzertauf zeich -nung von Bettina

Ehrhardt, 2011

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committed to this music, but they are also the leading lights in whatwere developing contemporary music in Britain from that period onwards. So it’s fascinating to see them in their 30s. Yes? You know,Richard Rodney Bennett and Susan Bradshaw now died. And it’s justto see them in their early years. And then see how the pieces devel -oped. But also captures something of what they did. So, that was myobservations.

Publikum: Hast du drüber nachgedacht die Gedichte zu untertiteln?

Bettina Ehrhardt: Wir haben uns die Frage gestellt, aber ich habemich dagegen entschieden. Man kann, wenn man ins Konzert geht,die Gedichte vorher lesen oder auch hinterher. Natürlich, je mehr man weiß, desto reicher ist die Hörerfahrung. Aber am Ende geht esdarum, sich der Musik zu überlassen. So sagt es jedenfalls Pierre Boulez. Einerseits hilft es zu wissen, was da jetzt gerade gesungenwird, andrerseits lenkt es auch immer ein wenig ab. Bei „Pli selon pli“wäre es nicht hilfreich, den Text einzublenden, denn Pierre Boulezspielt mit Mallarmés Text, lässt nur einzelne Wörter singen, er behan-delt ihn wie einen musikalischen Klang – das heißt, man müsste zei-gen, wie er mit Mallarmés Gedichten auf eine poetisch-musikalischeWeise umgegangen ist.

Axel Fuhrmann: Ganz kurz nur: Ganz toll die Aufzeichnung. Finde ichwunderbar. Vor allem wie du es geschafft hast, die Augenaufschlägeder Sopranistin in die Musik einzubeziehen. Da geht einem das Herzauf. Da braucht man, glaube ich, auch keinen Text. Aber wir leben jain einer Zeit, in der zeitgenössische Musik es ohnehin schwer hat imFernsehen. Wie bei Dokumentationen auch: Man muss damit rechnen,dass jemand einschaltet und nicht weiß, worum es geht, der kannkein Textbuch lesen, schlicht und einfach. Von daher fand ich den Ein-wand schon berechtigt, zu sagen: Will man da nicht noch eine Hilfeleisten? Wir leben wirklich in einer Zeit, in der ist die Brücke zur zeit-genössischen Musik fast völlig abgebrochen. Da muss das MediumFernsehen auch in die Pflicht genommen werden und den Leuten zumindestens mal eine Hand reichen. Du hast das wunderbar gemacht,

indem du eine Abfolge von Bildern geschaffen hast, die völlig auf derMusik liegt und die auch die Emotion der Musik nach vorne kehrt.Das ist unbedingt wichtig, das nicht so abstrakt zu machen, wie Bou-lez das damals gemacht hat. Völlig klar. Dadurch entsteht ein Sog,den du geschaffen hast. Das heißt, das Publikum bleibt dran. Ichdenke, dieses Verständnisproblem werden wir einfach nicht los beizeitgenössischer Musik im Fernsehen.

Bettina Ehrhardt: Vielen Dank. Jetzt habe ich eine Frage an Sie alle.Wir hatten die Idee, beim Gesamtschnitt zwischen den einzelnen Sätzen das jeweilige Gedicht einzublenden. So habe ich es in derDoku men tation gemacht. Nicht das gesamte Gedicht, sondern ausden fünf verschiedenen Gedichten die Verse, die Pierre Boulez darausverwendet hat. Sollte man zwischen den einzelnen Sätzen den Zu-schauer aus dem Hörerlebnis, aus diesem Sog, herausholen und ihnmit einer Information versehen? In der deutschen Fassung haben wires in der Dokumentation zweisprachig gemacht, erst den französi-schen Text und dann den deutschen. Dann stellt sich natürlich dieFrage: Mit welchen Bildern? In der Dokumentation waren das Natur-bilder, Eis und Wasser und verschiedene Stimmungen, die für uns Sinnmachten. Sollte man das im Konzert zwischen die einzelnen Sätze ein-schieben? Sollte man mit Bildern außerhalb des Konzerts arbeiten –was natürlich in gewisser Weise die Intensität des Musikerlebnisseserst einmal stört. Und wenn ja, mit welchen Bildern?

Heiko Rahnenführer: Ich bin Kameramann. Auch auf die Gefahr hin,dass ich mich vielleicht unbeliebt mache, ich merke auch an dieserKonzertaufzeichnung immer wieder, wie stark wir doch diesen Zwän-gen immer noch unterliegen, die es nun mal gibt bei der Live-Auf-zeichnung: Kameras zu verstecken, gewisse Positionen nicht einneh-men zu können. Aber gerade bei so einem Stück wünsche ich mirdoch eine bildliche Entsprechung zu schaffen für die Aspekte derKlangerzeugung, gerade bei diesem Stück. Da finde ich es schade,dass wir das heutzutage oft gar nicht mehr schaffen. Ich habe dasGefühl, dass die in den 60ern, auch den 70er-Jahren, uns nicht unbe-dingt voraus waren, aber auf jeden Fall waren sie mutiger. Ich finde,

Konzertaufzeichnung Pli selon Pli von Pierre Boulez, 1957 – 1962/89

KonzertaufzeichnungPli selon Pli von Pierre Boulez, 1957 – 1962/89

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das ist ein allgemeines Phänomen. (...) Aber gerade bei solch einemStück wünsche ich mir doch tatsächlich eine andere bildliche Ent -sprechung. Noch mal: Für diese Musik. Ich muss nicht unbedingt denPerformer sehen, wir er an seinem Instrument sitzt und dieses be-dient. Bei der Sopranistin ist das eine ganz andere Geschichte. Das istauch sehr schön gelöst. Das fand ich toll, wunderbar. Mir würde esauch reichen, die Oberflächen dieser Instrumente, nachschwingendeRöhrenbecken, oder was auch immer, zu sehen. Auch wenn der Tonschon längst wieder woanders ist. Mir würde das gar nicht fehlen,immer bei dem Instrument zu sein, was scheinbar gerade das Klang-ereignis dominiert, ich würde den Versuch machen, sich noch mal einwenig abstrakter auf eine andere Ebene zu bewegen. Ich glaubenicht, dass man den Kontakt zum Zuschauer verliert und die Rezep-tion im Fernsehen, für das es ja üblicherweise gemacht wird, darunterleiden würde. (...) Ausgangspunkt war ja deine Frage zu den Gedich-ten zwischen den Sätzen: Da könnte man zum Beispiel Text einfügenoder nur die ruhenden Instrumente zeigen, eben tatsächlich die As-pekte dieses Materials, das diese Töne erzeugt. Wir leiden alle unter diesen Zwängen der Live-Aufzeichnung. Wenn dann auch noch ein Ü-Wagen dabei ist und ich weiß nicht was alles ..., dann wird es ganz schwierig.

Bettina Ehrhardt: Ich finde es wunderbar, was du in deiner Beschrei-bung jetzt alles an Themen herausarbeitest. Das sind genau die Themen, über die wir hier diskutieren sollten. Zum Beispiel, ob einMusiker, den man prominent hört, in jedem Fall zu sehen sein soll,oder manchmal auch nicht. Dies hier ist ein Schnitt mit Bildern, die inder Live-Situation entstanden sind, wie gesagt. Um zu erfüllen, wasDu ansprichst: Dafür bräuchte man eine Studiosituation, in der manso was aufnehmen kann. Karajan hat das gemacht, zum Beispiel inder 6. Beethoven. Es gibt Filme von Karajan, wo man die Musikerüberhaupt nicht sieht. Man sieht wirklich nur: Da spielen Instrumente –die Musizierenden selbst werden nicht zum Ereignis. Ich muss sagen,das interessiert mich nicht sehr. Was mich interessiert, ist vielmehr die Situation des Musizierens selbst, die Blicke unter den Musikern,wie sie aufeinander reagieren, die Art und Weise, wie der Dirigent mit

dem Orchester kommuniziert, die Emotionen in der Mimik der Musi-ker. Aber ich finde extreme Close-Ups einer schwingenden Saite auchsehr schön, weil sie etwas zeigen, was der Zuschauer eben nur imFilm sehen kann. Bei anderen Filmen ist mir das vielleicht besser ge-lungen als hier, aber – wie gesagt, es hängt wirklich mit der Zeit undmit der technischen Ausstattung, die man zur Verfügung hat, zusam-men. Was ich wiederum gerne diskutieren möchte: Will man dieInstru mente sehen? Will man sich dem abstrakten Klang hingeben?Oder will man die Musiker sehen?

Konzertaufzeichnung Pli selon Pli von Pierre Boulez, 1957 – 1962/89

KonzertaufzeichnungPli selon Pli von Pierre Boulez, 1957 – 1962/89

Paul Archbold, Bettina Ehrhardt

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Vortrag Dr. Peter Moormann

I. Vorbemerkungen

Um es gleich vorwegzunehmen: In meinem Vortrag kann es nichtdarum gehen, Rezepte für eine gelungene Bildregie bei der Konzert-aufzeichnung vorzustellen, denn die gibt es schlichtweg nicht. Stattdessen möchte ich die Vielfalt der gestalterischen Möglichkeitenaufzeigen, die je nach Stück mal äußerst sinnig erscheinen mögenund mal überhaupt nicht. Denn genauso individuell wie das musi ka -lische Werk sollte auch dessen visuelle Umsetzung sein.

Musik ist keineswegs – wie oft behauptet wird – eine rein auditiveKunst. Denn wenn wir als Zuschauer ins Konzert gehen, wollen wirdas Geschehen zumeist nicht nur mit den Ohren, sondern auch mitden Augen verfolgen. Eben diese Tatsache brachte E.T.A. Hoffmannin einem seiner Briefe über die Tonkunst zur Sprache:

„Die allgemeine Begierde, im Konzert nicht allein zu hören, son-dern auch zu sehen, das Drängen nach Plätzen im Saal, wo diesmöglich ist, entsteht gewiß nicht aus bloßer, müßiger Schaulust: manhört besser, wenn man sieht; die geheime Verwandtschaft von Lichtund Ton offenbart sich deutlich: beides, Licht und Ton, gestaltet sichin individueller Form, und so wird der Solospieler, die Sängerin selbstdie ertönende Melodie.“1

Entscheidend bei der visuellen Umsetzung eines Konzertes scheint mir zu sein, ob es gelingt, diese „geheime Verwandtschaft von Bildund Ton“ zu offenbaren. Ein bloßes Abfilmen der jeweils melodie -führenden Stimmen vermag – abgesehen von einer eingehenden „In-strumentenkunde“ – diesen ästhetischen Mehrwert kaum zu bieten.Vielmehr sollte es das Bestreben des Regisseurs sein, dem Zuschauerdas Stück näherzubringen, die besondere Atmosphäre des Konzerteseinzufangen und ihm spannende, erhellende Momente zu bieten, in denen Bild und Musik eine Symbiose eingehen, sich gegenseitig befruchten und dadurch eine höhere Qualität gewinnen.

Im Folgenden möchte ich Ihnen anhand einiger Beispiele, beidenen – meiner Ansicht nach – Musik und Bild eine besonders glück -

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der Konzert -aufzeichnung – Vortrag Dr. Peter Moormann

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungVortrag Dr. Peter Moormann

1 Briefe über Ton-kunst in Berlin. In: E.T.A. Hoffmann.Werke in vier Bänden. Hrsg.: Hermann Leber.Salzburg, Stuttgart:Verl. Das Bergland-Buch 1985, S.557–566 (= Bd.4).

Dr.Peter Moormann, Syrthos Dreher

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liche Beziehung miteinander eingegangen sind, verschiedene Aspekteaufzeigen, die mir bei der Konzertaufzeichnung besonders relevanterscheinen. Sie werden merken, dass sich ganz unterschiedliche Wegebestreiten und sehr individuelle Lösungen finden lassen. Grundsätz-lich reicht das Spektrum von einer stets synchronen, parallelen Bild-Musik-Gestaltung, bei der der Regisseur „unsichtbar“ bleibt bis hin zueiner herausfordernden kontrapunktischen Beziehung beider Ebenen,bei der das Bild eine narrative Eigendynamik entfalten kann. Dies zeigt sich besonders deutlich an der Wahl der bildgestalterischenMittel. Wie interagieren Kamerabewegungen, Schärfenverlagerungen,Perspektivwechsel, Überblendungen, Doppelblenden und sonstigeVerfremdungseffekte mit den musikalischen Parametern?

Bis zu welchem Grad sich die ästhetische Konzeption des Regis-seurs realisieren lässt, hängt zunächst einmal ganz schlicht von denProduktionsbedingungen ab. Handelt es sich um einen Livemitschnitt,eine Produktion, bei der mehrere Konzerte aufgezeichnet werdenoder um eine Studioproduktion, bei der bestimmte Passagen wieder-holt und extra gedrehte Sequenzen einmontiert werden können? Inwelchem Saal und unter welchen Lichtverhältnissen und mit wie vie-len Kameras, mit welchen Kameratechniken und mit welchen Kamera-leuten wird gedreht? Können diese Kameras überhaupt günstig imRaum posi tioniert werden, gibt es aus Gründen des DenkmalschutzesEinschränkungen oder macht der Veranstalter Vorgaben? Wie vielProben zeit bleibt für die Vorbereitung, wie verhalten sich die einzel-nen Musiker, vor allem die Solisten vor der Kamera? Schauen sie nurauf die Noten oder auch den Dirigenten an? Machen die Solisten Vorgaben, wie sie beleuchtet und aufgenommen werden wollen, wiez.B. Anne-Sofie Mutter. Welche Vorgaben macht der Sender?

All das sind Einflussfaktoren, die ein zuvor detailliert ausgearbeite-tes Regiekonzept gehörig ins Wanken bringen können, gerade wenntechnische Probleme auftreten. Daher erscheint mir die besondereQualität eines Regisseurs auch darin zu liegen, Momente, in denenspannende Bewegungen passieren könnten, vorauszuahnen, aberauch blitzschnell auf unerwartete Ereignisse im Verlauf der Aufzeich-nung reagieren zu können und diese einzubinden, ohne dabei das angestrebte ästhetische Konzept aufgeben zu müssen.

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungVortrag Dr. Peter Moormann

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungVortrag Dr. Peter Moormann

II. Strukturelle Zusammenhänge schaffen, Emotionen vermitteln, Stimmungen transportieren

1. Rhythmus und Struktur von Bild und Musik Da sowohl Musik als auch Film Zeitkünste sind, kommt dem rhythmisch-metrischen Element bei der Aufzeichnung besondere Bedeutung zu. Welchen Rhythmus schafft die Regie und wie verhältsich dieser zum Werk? Führt der Bildrhythmus zu einer Verdichtungoder zu einer Entspannung? Folgt der Schnitt dem Takt und Tempoder Musik oder verhält er sich dazu asynchron? Wie reagiert das Bildauf Temposchwankungen (Rubati), Übergänge und Tempowechsel?

Anhand des Beginns von Beethovens 3. Sinfonie in einer Auf -zeichnung von Enrique Sánchez Lansch aus dem Jahr 2008 mit demSimon Bolivar Youth Orchestra unter der Leitung von Gustavo Dudamel lässt sich besonders gut nachvollziehen, wie innig Bild undMusik interagieren können. Meinem Eindruck nach wirken die Bilderrhythmisch auch deshalb so stimmig, weil bei der Montage nicht nurauf Bewegungen, sondern auch auf die Blicke der Akteure reagiertwird und über die Bildachsen perspektivische Korrespondenzen geschaffen werden.

Ebenfalls ist es möglich, auf dynamische Kontrastwirkungen in der Musik mit gezielten Einstellungssprüngen von der Großauf-nahme zur Totalen zu reagieren. Solche Kontrastwirkungen könnenauch durch Achsensprünge oder „falsche“ Bildgrößen erzeugt wer-den, beispielsweise wenn der musikalische „Humor“ in Haydns oder Beethovens Sinfonien bei plötzlichen Harmoniewechseln oder „falschen“ Einsätzen herausgearbeitet werden soll.

Gerade bei Werken des 20. Jahrhunderts mit einem anderen Instru-mentarium bieten sich formale Experimente an, um übergeordneteIdeen des Werkes zu verdeutlichen. Besonders herausfordernd ist derBildrhythmus in der Aufzeichnung von George Antheils „Ballet mecá-nique“ mit dem Ensemble Modern aus dem Jahr 2002 umgesetzt, beider Hans Hadulla die Regie geführt hat.

Wie komplex sich das Zusammenspiel von Bild und Musik gestaltenkann, um strukturelle Zusammenhänge und musikalische Prozessezu visualisieren, lässt sich anhand einer Aufzeichnung von Brahms’

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2. Sinfonie aus dem Jahr 2004 veranschaulichen. Der dynamischenund klanglichen Steigerung am Schluss der Sinfonie folgt eine sichöffnende, raumgreifende Kamerafahrt. Gleichzeitig widmet sich dieRegisseur Hans Hadulla der Interaktion von Dirigent und Musikern –also Semyon Bychkov und dem WDR Sinfonieorchester –, indem überdie Montage und eine gezielte Arbeit mit den Bildachsen ein Dialogzweier aufeinander reagierender Stimmen ins Bild gesetzt wird.

2. Die Körpersprache der Akteure Musiker sind immer auch Darsteller, wenn sie musizieren. Vor allemdie Kunst des Dirigierens ist eine ausschließlich visuelle – abge-sehen mal von jenen Maestri, die auch mit Summen und kräftigem Schnaufen ihrer Interpretation Nachdruck verleihen. Mittels Mimikund Gestik nimmt der Dirigent maßgeblichen Einfluss auf alle musika-lischen Parameter. Bei besonders ausdrucksstarken Dirigenten sinddie Zuschauer sogar in der Lage, seinen unmittelbaren Einfluss auf dieTongestaltung mitzuerleben. Daher erscheint es nicht nur legitim, sondern vielleicht sogar notwendig, dass die Regisseure den Körpernder Musiker besondere Aufmerksamkeit schenken und nicht nur dieklangerzeugenden Instrumente zeigen. Denn ebenso wie der Besu-cher im Konzertsaal seinen Fokus auf bestimmte Akteure richtenkann, um ihren nonverbalen Gefühlsäußerungen zu folgen, erlaubtauch die Nahaufnahme bei einer Aufzeichnung eine genaue Studiesolcher Regungen. Diese können den Zuschauer wiederum für inter-pretatorische Details sensibilisieren.

Schon vor dem ersten Ton lässt sich die emotionale Einbindung desZuschauers erhöhen, gerade wenn ihm der Blick auf den Dirigentenaus dem Orchester heraus gewährt wird. Beim Waldbühnenkonzert2003 (Regie: Andreas Morell) beobachtet die Kamera Seiji Ozawa,wie er die Berliner Philharmoniker auf den Beginn von Gershwins An American in Paris einstimmt. Wie schade wäre es gewesen, wennder Regisseur zuerst die Streicher im Blick gehabt und nicht Ozawasgeradezu hörbare Gebärde präsentiert hätte.

Wie wichtig der Blick auf den Dirigenten für das emotionale Miterleben des Stückes sein kann, selbst wenn der letzte Ton bereitsverklungen ist, vermittelt sich besonders eindrücklich bei der Auf-

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungVortrag Dr. Peter Moormann

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungVortrag Dr. Peter Moormann

zeichnung der 9. Sinfonie von Gustav Mahler während des LuzernerMusikfestivals 2010 (Regie: Michael Beyer). In tiefer Ergriffenheit hältClaudio Abbado mit dem Taktstock am Herzen die erhabene Stille im Saal aufrecht.

3. Kommunikation unter den Musizierenden verdeutlichen Eine besondere Herausforderung für den Regisseur ist es, den Dialogzwischen Dirigent und Orchester bzw. die Kommunikation unter den Musikern über das Bild zu vermitteln. Einige Regisseure bedienensich dafür sogenannter Reaction-Shots, um den Zuschauern die Kommunikation unter den Musikern näherzubringen. Treffende Bei-spiele finden sich in der Aufzeichnung der Los Angeles PhilharmonicOpening Gala 2011, die dem Werk Gershwins gewidmet war. Mehr-fach wird auf den Dirigenten Gustavo Dudamel geschnitten, um seineReaktionen während der gewitzten Solopassagen von Starpianist Herbie Hancock einzufangen. Ähnlich verfährt auch Andreas Morell inseiner Aufzeichnung des bereits erwähnten Waldbühnenkonzertesaus dem Jahr 2003, wenn die Kamera Seiji Ozawa beobachtet, wie ermit großen Vergnügen der Gershwin-Interpretation des blinden Pianisten Marcus Roberts lauscht.

Um die Interaktion von Dirigent und Solist besonders deutlich zumachen, erscheint auch die Überlagerung zweier Einstellungen imOver-Lay-Verfahren ein probates gestalterisches Mittel. In der Produk-tion von Schostakowitschs 4. Sinfonie mit dem WDR Sinfonieorches-ter unter der Leitung von Semyon Bychov aus dem Jahr 2005 (Regie:Hans Handulla) wurde der Saal extra schwarz ausgekleidet, um einenmöglichst homogenen schwarzen Hintergrund zu erhalten.

Reagieren die einzelnen Stimmen musikalisch aufeinander, indembeispielsweise ein vorgestelltes Motiv vor einem anderen Instrumentaufgegriffen wird, so lässt sich die Kommunikation mit Hilfe vonSchwenks von einem zum nächsten Musiker oder – wie bereits ange-sprochen – über korrespondierende Bildachsen verdeutlichen. Siekann aber auch über Schärfenverlagerungen erfolgen, z.B. von derHarfe im Bildvordergrund durch die Saiten zur Klarinette im Bildhinter-grund – eine Einstellung, die Allan Miller in seinem Oscar prämiertenFilm zu Ravels Bolero aus dem Jahr 1973 bereits realisierte und die

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sich auch in der Aufzeichnung des Gedenkkonzertes zum 10. Jahres-tag der Anschläge vom 11. September in New York von Michael Beyerwiederfindet. Die New Yorker Philharmoniker führten unter der Lei-tung von Alan Gilbert Gustav Mahlers 2. Sinfonie auf.

4. Einbindung der Konzertzuschauer und des Raumes Auch über die Reaktionen der Konzertbesucher lässt sich die emotionale Einbindung erhöhen. Doch ob dies gelingt, hängt starkvom Aufführungsort und den anwesenden Zuschauern ab. Bei einemunvoreingenommenen, emotionsgeladenen jungen Publikum, wiez.B. bei den Konzerten des Simon Bolivar Symphony Orchestra in Caracas, lässt sich die Stimmung viel besser vermitteln als bei einemAbo-Konzert in Europa, wo das streng disziplinierte Publikum wäh-rend des gesamten Konzertes kaum eine Regung zeigt.

Inwiefern es sinnvoll ist, den Aufführungsraum in die Aufzeichnungeinzubinden, hängt ebenfalls ganz vom Kontext ab. Ist der Raum historisch bedeutsam für das Werk, wie die Thomas-Kirche Leipzig für die Matthäuspassion von Bach oder gilt es eine politische Dimension zu berücksichtigen, etwa wenn Barenboim erstmals mitseinem East-Western-Divan-Orchestra Wagner in Israel spielt. Oderhandelt sich um das Eröffnungskonzert einer neuen Konzerthalle, wiez.B. der Walt Disney Hall in Los Angeles, für die John Williams mit „Soundings“ ein Stück geschrieben hat, das die akustischen Eigen-schaften dieses speziellen Saales einbezieht.

Das bereits erwähnte Gedenkkonzert in der New Yorker Avery Fisher Hall wurde zudem live auf dem Platz vor der Konzerthalle über-tragen. Regisseur Michael Beyer integrierte das dortige Publikum inseine Aufzeichnung und öffnete so den Konzertraum von innen nachaußen – entsprechend der Intention der Veranstalter, symbolisch alleNew Yorker an Mahlers „Auferstehungssinfonie“ teilhaben zu lassen.Sogar die Skyline von Manhattan wurde einmontiert und ist genaudann zu sehen, wenn in den Hörnern Signalfiguren ertönen, die wie-derum im Bild ihren Widerhall zu finden scheinen.

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungVortrag Dr. Peter Moormann

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungVortrag Dr. Peter Moormann

5. Musikalische Stimmungen vermitteln Musikalische Stimmungen können auch über gezielt eingesetzte bild-gestalterische Mittel transportiert werden. Mit Hilfe von Un schärfenlassen sich konkrete Bildinhalte wie Instrumente in abstrakte Farb -flächen auflösen und so Korrespondenzen zwischen Klang- und Bild-landschaft herstellen. Dafür bietet sich vor allem die Arbeit mitUnschärfen an, die bei Studioproduktionen unter kontrollierten Be-dingungen noch weitaus intensiver genutzt werden als bei Konzert-aufzeichnungen. In einer Aufzeichnung der 4. Sinfonie von Schosta- kowitsch aus dem Jahr 2007 tauchen Doppelblenden mit extremenUnschärfen auf, die das Mysteriöse, Vage des undurchsichtigenKlangvorhangs in diesem Teil des Satzes augenscheinlich werden lassen. Dies gelingt der Bildregie z.B. beim Vorspiel zu Parsifal, das die Berliner Philharmoniker 2007 bei ihrem Europakonzert gegebenhaben (Regie: Michael Beyer). Ebenso geheimnisvoll und magisch, wie sich die melodieführenden Stimmen aus dem flirrenden Klang -teppich der Streicher materialisieren, konkretisiert sich auch das Bildaus der Unschärfe heraus und nimmt Gestalt an: Dem musikalischenWerdeprozess wird visuell entsprochen.

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Moderation Dr. Ulrich MoschProf. Dr. Lothar Mattner, WDR FernsehenGünter Atteln, Regisseur und Produzent, Accentus MusicBettina Ehrhardt, Regisseurin und ProduzentinEnrique Sánchez Lansch, RegisseurDr. Peter Moormann, Musikwissenschaftler, FU BerlinSeverin Vogl, Regisseur und Produzent

Ulrich Mosch: Peter Moormann hat soeben in seinem Vortrag zumThema Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der Konzertaufzeichnungeine Reihe an Stichworten und Bildern geliefert, bei denen man an -setzen kann. Von der gestrigen Diskussion sind ebenfalls noch Fragenoffen geblieben: Was zeigen wir? Wen zeigen wir? Wie zeigen wir es?Zuvor jedoch eine kleine Rahmung: Konzertaufzeichnungen halten ein Live-Event fest, eine Veranstaltung bei der immer auch Dinge sichvollziehen zwischen der Bühne und dem Publikum, zwischen demPubli kum und den Künstlern. Anders, als wenn wir im Kino einen Filmschauen. In diesem Fall passiert vielleicht mit uns etwas, aber dieoben auf der Leinwand reagieren nicht und können nicht reagieren.Bei der Konzertaufzeichnung haben wir es also mit einem bestimm-ten Rahmen zu tun, der in seinen verschiedenen Aspekten abgebildetwerden muss, der auch Grenzen setzt. Eine weitere Frage wäre: wiesetzt der Regisseur die Musik ins Bild? Lassen Sie uns anknüpfen andie diesbezüglichen Fragen, die Bettina Ehrhardt gestern aufgeworfenhat.

Bettina Ehrhardt: Musik ins Bild zu setzen, heißt, dem Zuschaueretwas ein Stück weit abzunehmen, was er im Konzertsaal selbermacht. Er blickt, ausgehend von dem, was er hört, auf bestimmteMusikergruppen oder Solisten. Das nehmen wir ihm durch Bildfüh-rung und Schnitt ab und müssen, meine ich, unsere Wahl gut begrün-den. Was passiert auf der Bühne an Dialogen zwischen den Musikern,zwischen dem Orchester und dem Dirigenten, vor allem, was passiertmusikalisch? Die andere Frage: Wie zeigen wir Musik? Zeigen wirInstru mente oder Menschen? Was steht beim Filmen von Musik imVordergrund: das Materielle? die Klangproduktion? die Menschen,

die Musik machen? ihre Interaktion mit dem Dirigenten? Man könnteauch die Rezeption thematisieren, zeigen, wie das Publikum zuhört.Für mich steht die Frage der Vermittlung im Mittelpunkt – die Frage,wie Dialog hergestellt wird. Sergiu Celibidache hat einmal gesagt:"Artikulieren heißt vermenschlichen“. Ähnlich erzählt die gefilmte Kon-zertaufnahme Geschichten eines Hörerlebnisses – das der Musiker,des Dirigenten, des Publikums. Ganz entscheidend ist: Wie musika-lisch ist der Bildschnitt, wie kontrastreich und genau, damit es interes-sant ist? Wie begründen wir, dass wir dem Zuschauer seinen eigenenBlick wegnehmen und welchen Blick geben wir ihm dafür? Wie ge-lingt es uns, die Aufmerksamkeit des Film-Zuschauers wach zu halten– das hat für mich vor allen Dingen mit dem Dialogischen zu tun. Ich glaube sogar, wenn das Dargestellte intensiv genug ist, verzeihtder Zuschauer am Ende kleine dokumentarische Unebenheiten, etwaein Nachziehen der Schärfe oder eine Korrektur des Bildausschnitts.Manche Bildführung spielt sogar mit solchen Mitteln, um das Ereignis-hafte des Erlebnisses zu betonen.

Ulrich Mosch: Jede Konzertaufzeichnung ist ein Kunstprodukt, daserheb lich abweicht von dem, was ein Zuschauer im Saal wahrnehmenkann. Man könnte die Frage umkehren: ist es nicht der Regisseur, der seine Entscheidungen trifft. Das zeige ich, jenes zeige ich nicht,vielleicht auch Dinge, die ein Zuschauer anders gar nie sehen könnte.Damit kommen wir zu einem Thema, das sich jedem Regisseur stellt,nämlich: Wie schaffe ich einen großformalen Zusammenhang des Bildes? Heute Morgen war hier der erste Satz der Fünften Symphonievon Anton Bruckner in der Aufzeichnung von Michael Beyer zusehen – bei einer Musik wie dieser, einer Musik, die vielfach Themenwiederholt, die sehr stark architektonisch gebaut ist, gilt es sehrheikle Fragen zu beantworten. Hier muss man ganz genau und be-wusst die Entscheidungen treffen, um dieses kunstvolle Gebäudenicht zum Einsturz zu bringen. Das ist ja eine Frage, die Sie vorwegentscheiden müssen. Sie müssen sich die Partitur anschauen und Sie müssen auf diese Musik reagieren. Könnte einer der Regisseuredazu Stellung nehmen?

Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

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Enrique Sánchez Lansch: Das A und O liegt in der Vorbereitung, ineiner ganz intensiven Auseinandersetzung mit der Partitur, aber natür-lich auch mit den Gegebenheiten: Wie ist das in diesem Konzertsaal?Was für Kameras kann ich da aufstellen? Wo kann ich die aufstellen?Diese Dinge, die in die Vorbereitung einfließen. Aber gleichzeitig habeich auch gemerkt, dass es da auch andere Momente gibt, die ichzwar auf der einen Seite lernen kann – z.B. in der Partitur zu erspürennicht nur, wer setzt wann ein, sondern auch zu erspüren, wann machtder Dirigent eine besonders große Bewegung oder wann wird er in-tensiver sein als an einer anderen Stelle. Wann erfolgen zwangsläufigbestimmte Blickwechsel zwischen ihm und bestimmten Solisten. Woman auch mal danebenliegen kann, aber wo einem auch die PartiturHinweise geben kann. Dazu gibt es natürlich noch alles, was sich ein-fach in der Situation ergibt. Wenn man Glück hat, hat man sogar zweiProben und dann die Generalprobe. Aber zum Beispiel in diesem Konzert in Bonn mit dem Simón Bolívar Youth Orchestra und Gustavo Dudamel gab es noch nicht einmal eine Generalprobe, sondern esgab nur so eine halbe Probe. Das führt dann auch zu anderen Reak-tionen, zu anderen Bewegungen. Abgesehen davon, dass ein Dirigentnatürlich auch ganz anders aus sich rausgeht in einer Konzertsituationmit 1500 Leuten als in einer trockenen Probe. Diese Momente irgend-wie zu erspüren, darauf kommt es in der Live-Aufzeichnung an, diemanchmal ja sogar eine richtige Live-Sendung ist, in Bonn als PublicViewing von einigen tausend Leuten auf dem Marktplatz in Bonn parallel gesehen wurde während das Konzert lief. Diese Momente,die uns zeigen, dass Musik machen eben auch eine ganz leben digeVeranstaltung ist und nicht „Da ist das Solo, und da ist das Themajetzt bei den Geigen, und dann kommt es in den Holzbläsern wieder“.Dieses Lebendige, Frische, was einem subkutan mitgibt, dass es imMoment entsteht und im nächsten Konzert schon wieder anders seinkönnte – das einzufangen, das ist eben das Schwierige. Da muss man einfach diese Offenheit haben, die schon auf guter Vorbereitungfußt. Denn ich will ja nicht darauf hinaus: „Vergesst die Vorbereitung,improvisiert!“. Sondern es ist so, wie wenn Sie auf eine Reise gehenund wenn Sie sich mit den Karten beschäftigt haben: „Ah, da könnteman da hin fahren und dann können wir da übernachten und viel-

leicht machen wir noch einen Ausflug da hin“. Dann kommen Sie daan und stellen fest: „Ach, da ist es gar nicht so schön. Da fahren wirmal schnell weiter. Aber da, da bleiben wir drei Nächte länger“. HättenSie sich nicht vorbereitet, wäre das alles nicht so schön geworden.Aber Sie müssen beides haben. In der Übertragung ist das nicht ganzso einfach wie mit der Reise, aber man braucht schon beides.

Ulrich Mosch: Konzertübertragungen und Konzertaufzeichnungensind zwei Paar Schuhe: Sie unterscheiden sich grundsätzlich dadurch,dass man letztere nachbearbeiten kann, während erstere einfach ab-laufen. Ein Aspekt, der mich sehr angesprochen hat an der Aufzeich-nung der Fünften von Bruckner – wie er die Energie sichtbar macht,die sich im Orchester entfaltet, die unterschiedlichen Energieniveaussozusagen. Nicht nur die musikalische Struktur, sondern auch Inter -aktionen zwischen dem Dirigenten, der energetisiert und jenen, dieunmittelbar darauf reagieren.

Ein anderer Aspekt ist, wenn man sich sehr stark auf das Zeigenvon Instrumenten oder Instrumentengruppen festlegt, folgt man nichtselten alten Musikvorstellungen: Melodie und Begleitung oder Haupt-stimme und Nebenstimmen. Musikalische Abläufe sind aber oft sehrkomplex, vielfach passieren Dinge gleichzeitig. Das ist schwer filmischdarzustellen. So wird die Vielschichtigkeit der Musik nicht selten aufeinen einzigen Aspekt heruntergebrochen, auf den man sich konzen-triert, und man verliert darüber vieles andere. Hier wünsche ich mir,dass das Einlassen auf Musikalisches wesentlich weiter ginge. Das istetwas, was sich möglicherweise durch andere Vorbereitung oderdurch Reaktion auf die Situation herstellen lässt.

Lothar Mattner: Mein Credo ist: Musik im Radio geht ins Ohr, undMusik im Fernsehen geht ins Auge. Das ist natürlich etwas, mit demwir ständig zu kämpfen haben. Alle Versuche, die wir unternehmen,die Musik visuell zu übersetzen, gehen zumeist daneben. Auch dieseswunderbare Beispiel hier von Allan Miller. Wer hat denn überhauptden Bolero gehört? Ich habe auf die Bilder geachtet, weil der Boleroso im Stammhirn wahrscheinlich verankert ist, dass man gar nichtmehr auf die Musik achtet. Du hast vollkommen recht, Enrique: Man

Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

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muss versuchen spontane Dinge bei Konzertaufzeichnungen mit ein-zubeziehen. Ich erinnere nur mal an eine wunderbare Produktion vonPeter Gelb: Horowitz in Moskau. Da saß also ein Alt-Stalinist – mitallen seinen Orden – und ihm kamen bei der „Träumerei“ die Tränen.Das war die stärkste Szene in dem ganzen Film. Nicht die „Träumerei“,so wunderbar Horowitz die auch gespielt hat. Also man muss versu-chen, es so lebendig wie möglich zu machen. Instrumentenkunde istnatürlich nicht das Richtige. Ein Fugato zu hören ist kein Problem,aber ein Fugato darzustellen geht prinzipiell überhaupt nicht. Also ichlasse es als offene Frage zunächst einmal.

Günter Atteln: Vielleicht kann ich aus Produzentensicht dazu sagen,dass man natürlich grundsätzlich von einem Regisseur erwartet, dasser sehr gut auf eine Produktion vorbereitet ist. Dass er ein Konzept er-arbeitet hat, das funktioniert, eine Dramatik entwickelt hat, auch eineSchnittdramatik, die den Zuschauer in die Musik reinzieht. Nehmenwir an, dass es bei der Produktion neben der eigentlichen Konzertauf-zeichnung wenigstens noch eine komplette Probe gibt, was ja zu-meist glücklicher Weise noch der Fall ist – auch nicht immer ... – dannmuss der Regisseur vor Ort sein Konzept nach der Probe auf den Prüf-stand stellen und gegebenenfalls auch noch einmal grundlegendüberarbeiten. Und, das ist ganz wichtig, bei der Aufzeichnung musser immer auch gleich an die Nachbearbeitung denken und die Kame-ras entsprechend geschickt abstecken. Nur dann kann es gelingen,diese glücklichen Momente der Reaktion oder der Interaktion, die jaeinmalig aus der Situation heraus passieren und leider viel zu selteneingefangen werden, da bei der Aufzeichnung zumeist streng nachSkript gearbeitet wird, dann in der Nachbearbeitung noch einbauenzu können.

Bei den vielen schönen Beispielen, die wir gesehenen haben, fielwieder einmal auf: die stärksten emotionalen Momente sind immerdann gegeben, wenn Musiker interagieren, wenn das Publikum rea-giert oder wenn ein Dirigent vollkommen in der Musik aufgeht. Undes sind eben genau jene Bilder wie bei einem Konzert des West-Eas-tern Divan Orchestra: ein Israeli und ein Palästinenser sitzen am Pultnebeneinander und lächeln sich plötzlich an. So etwas brennt sich ein.

Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

Prof. Dr. Lothar Mattner, Günter Atteln

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Das kann man natürlich nicht immer live einfangen, da gehört vielGlück dazu, aber man muss entsprechend darauf vorbereitet sein, sodass man sie dann, wenn es sie denn gibt, im Nachhinein noch ein-bauen kann. Das finde ich sind immer die stärksten Augenblicke beiKonzerten: wenn man die Spielfreude, wenn man die Emotion, dieFreude oder Trauer auch wirklich in den Augen und in den Reaktionender Musiker sieht.

Ulrich Mosch: Noch einmal kurz zu Herrn Mattner – eine Fuge kannman nicht abbilden, es sei denn vielleicht ganz didaktisch oder sowas. Aber: Bei vielen Aufzeichnungen haben wir eine Schlüsselfigur,die im Zentrum steht. Wenn ein Dirigent mit dem Orchester einekomplexe Orchester-Polyphonie realisiert, sieht man ja oft tatsächlichdas eine Ohr dort, das andere hier. In solchen Fällen ist allerdings diePerspektive von vorne vielleicht die falsche. Bei dem Miller-Film ebenhatten wir eine Perspektive von hinten – wo man einfach sieht, der istmit dem Ohr da und schaut da hin und macht dort etwas. Ich formu-liere hier Wünsche, wo ich mir vorstellen könnte, dass man indirektAspekte der Musik einfangen könnte, die direkt nicht abbildbar sind,weil man nicht vier Stimmen auf dem Bild gleichzeitig darstellen kann.Die Musik kann das ohne Probleme, das bewegte Bild nicht.

Wir reden hier von Konzertaufzeichnungen oder Übertragungen fürdas Fernsehen, oder Aufzeichnungen für andere Distributionsmedien,z.B. die DVD-Distribution. Nun gibt es einen anderen inzwischen sehrwichtigen Kanal, das Internet, mit völlig anderen Zugangsprinzipien.Kann man darauf reagieren? Sollte man reagieren? Ich stelle die Fragean Severin Vogl, der mir auch dieses Thema nahegelegt hat, einThema, das von besonderem Interesse ist, weil es hier um die Frageauch einer mediengerechten Aufbereitung geht.

Severin Vogl: Wir als jüngere Generation finden es faszinierend, wennwir hier die tollen Aufzeichnungen von Enrique sehen. Wir schauendas nur an und denken: Wow, wie ist das cool produziert und was fürein hohes Niveau. Wir versuchen natürlich auch, es gut zu machen.Wir produzieren relativ viel für das Internet. Das heißt für Konzerthäu-ser, für junge Musiker und wir merken, dass es praktisch ein ganz an-

deres Herangehen ist, um junge Leute zu erreichen. Ich glaube, dieMusikberichterstattung im Fernsehen ist ein Bereich, wo man jungeLeute nur noch selten ansprechen kann. Im Internet kann man aufverschiedenen Ebenen kommunizieren und junge Leute noch relativgut erreichen. Da produzieren wir relativ viel und haben jetzt geradeeine Serie mit den Münchner Philharmonikern gemacht, wo LorinMaazel über Musik redet. Wir haben verschiedene Beispiele, die sicheben gerade an ein jüngeres Zielpublikum richten. Das finden wirspannend und denken, dass das ein relativ großer Vorteil in der Zu-kunft sein wird.

Ulrich Mosch: Wodurch unterscheiden sich Produktionen fürs Inter-net von solchen für andere Distributionskanäle?

Severin Vogl: Das sind immer rechtlich relativ schwierige Sachen,weil sie ja eine ganze Zeit oder sogar immer wieder abrufbar sind. Es ist immer eine gewisse Grauzone, in der man sich bewegt. Wir sehen auch, dass da andere Produktionsbudgets im Vordergrund stehen. Es muss wesentlich günstiger produziert werden als jetzt für große Fernsehaufzeichnungen. Wobei das natürlich auch eine gewisse Freiheit in der Gestaltung für uns gibt. Wir produzieren mitkleinen digitalen Spiegelreflexkameras und kommen so relativ nah an das Geschehen heran. So können wir auch mit wenigen Mittel vieleKameras bedienen und können uns schöne Perspektiven aussuchen.Das macht eigentlich viel Spaß, wobei es natürlich ein ganz anderesProduzieren ist, als wenn man jetzt hört, dass da mit elf Kameras ge-arbeitet wird. Das ist natürlich in unseren Breiten leider nicht möglich,wir sind da schon gedeckelt vom Budget.

Enrique Sánchez Lansch: Das finde ich einen ganz wichtigen Aspektund das betrifft nicht nur die Konzertaufzeichnungen oder Musik-filme. Das Internet wird gern gelobt als Plattform und Distributions-weg für jüngere Zuschauer. Da kann man vielleicht auch das eine oder andere visuelle Experiment wagen, was man sich aus was auchimmer für Gründen im Fernsehen nicht traut. Aber natürlich würdenbudgetär besser ausgestattete Produktionen im Internet ihre Wirkung

Musik ins Bild gesetzt – zur Ästhetik der KonzertaufzeichnungPodiumsdiskussion

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genau so wenig verfehlen. Von unseren Projekten sind ja auch immer,egal ob das erlaubt ist oder nicht, zumindest Fetzen im Internet zufinden und die funktionieren ja auch erstaunlich gut dort. Es ist sehrschade, dass die Denke dann doch ist: Na, wenn das ins Internetgeht, dann kommen die auch mit 10 Prozent des Budgets hin. Wennes mehr wäre, würde es natürlich besser werden, gäbe es andereMöglichkeiten. Ich will es ja auch nicht düster malen. Es macht jaauch erfinderisch und gibt die Chance für kürzere Formate, die es imFernsehen weniger gibt, auch mit anderen Gestaltungsmitteln zu ex-perimentieren, die fünf oder zehn Minuten gut tragen, die aber nichtso einfach auf sechzig Minuten ausdehnbar wären. (zu Severin Vogl)Habt Ihr da – in die Richtung – Erfahrungen gemacht?

Severin Vogl: Grundsätzlich ist im Internet, ob bei Facebook oder aufYoutube, die Aufmerksamkeitsspanne nicht sehr hoch. Man schautsich nicht gern sechzig Minuten am Rechner an. Man muss wesentlichkleinere Häppchen produzieren und kann natürlich deswegen auchwesentlich freier die Bildsprache herausarbeiten, vielleicht auch einegewisse Lebendigkeit in die Bilder bringen. Also mehr schauen, wasfunktioniert, was funktioniert nicht? Das ist für eine junge Produkti-onsfirma ganz spannend, weil man viel ausprobieren kann. Für uns isteinfach noch nicht so ein großer Druck dahinter. In kurzen Filmenliegt auch ein gewisser Reiz, weil man schneller produzieren kann undnicht den Aufwand hat für sechzig Minuten.

Ulrich Mosch: Darf ich noch mal auf den Ton zurückkommen. Wirreden über Zoomen und Herangehen an die Personen, an die Instru-mente – beim Ton ändert sich meist gar nichts, wir haben immer den-selben zusammengemischten Ton. Nehmen wir dieses schöne E.T.A.Hoffmann-Zitat: „Hören gewinnt durch das Sehen“. Als Hörer sind wirja auch in der Lage, aus der Masse dessen, was wir sehen/hören, einInstrument zu fokussieren. Nur das passiert genau NICHT im Film. Der Film hat in der Regel eine Art künstlichen Raum auf der Tonebene.Auf der Bildebene bewegt man sich in ganz anderen Dimensionen. In den Diskussionen um Andreas Rochholls Film wurde vorhin dieFrage angesprochen, wie komme ich aus einem Umgebungsraum in

einen künstlichen Raum, wo ein Lied vorgetragen wird? Wie kann ich diese Übergänge gestalten? Manchmal kann das im Film extremstörend sein, dass man visuell ganz dicht dran ist, aber man hört, als säße man weit hinten. Ein diffuser Raum. Das ist eine Frage, diemöglicherweise unlösbar ist.

Peter Moormann: Ich meine, dass auch bei einer gleichbleibendenTongestaltung durchaus Fokussierungen vorgenommen werden,durch das Bild. In dem z. B. Nebenstimmen, die im Gesamtklang desStückes untergehen würden, aber vielleicht gerade einen bestimm-ten besonderen Reiz ausmachen. dass die durch einen Fokus aufdiese Instru mente auf einmal auch besser gehört werden. Weil manauf den Einsatz des Instruments wartet und auf einmal einen ganz anderen Gesamteindruck des Klangs bekommt. Eben durch das Bild.Auch da gibt es sehr schöne Momente, die belegen, dass das ge-samte Klangbild des Orchesters durch das Bild neu strukturiert wer-den kann.

Enrique Sánchez Lansch: Aus der Praxis kenne ich das. Wenn ent-sprechende Zeit ist und wir unseren Bildschnitt bzw. auch die Nachbe-arbeitung abgeschlossen haben, dann nimmt der Tonmeister schonauch Rücksicht, wenn das passiert, was du eben angesprochen hast:Dass man nicht nur die Melodie hört sondern auch mal Nebenfigurenoder etwas Kontrapunktisches. Das ist in der Vorabmischung garnicht so deutlich zu hören, so dass der Tonmeister ein bisschen nach-hilft, ohne dass jetzt insgesamt die Klangwirkung völlig auseinanderbricht.

Ulrich Mosch: Also optimale Bedingungen auch in der Tonaufnahme,damit man entsprechend mischen kann. Mir ist bei dem Miller-Filmimmer eine Stelle aufgefallen, wo der Hornist spielt und die darüber-liegende Es-Klarinette und das Piccolo decken das Horn zu, man hörtes gar nicht. Hier wird sichtbar, dass wir es mit einem Mischklang zutun haben, der durch andere Instrumente dominiert wird. Ein schönesMittel, um zu zeigen, dass eben Klänge oft aus komplexen Schichtun-gen bestehen.

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Ich würde gern noch mal zurückkommen auf die großformalenKonzepte. Bei Millers Bolero war es ein extrem zielgerichtetes Kon-zept, analog zu dem, was aus der musikalischen Ebene in einemunerbitt lichen Aufbauprozess dynamisch passiert, einem Schichtungs-prozess. Aber es gäbe ja auch ganz andere konzeptuelle Möglichkei-ten: einen Kontrapunkt oder vielleicht eine Stellungnahme zu einemWerk. Bei der Konzertaufzeichnung kann ich mir vorstellen, dass manmit so etwas experimentieren könnte. Haben Sie solche Dinge maldurchgespielt?

Lothar Mattner: Sie haben es ja gesehen, zum Teil heute mit demSchostakowitsch. Da gibt es auch extreme Passagen, wo das Orches-ter irgendwo im Weltall verschwindet. Noch einmal zurück zu IhremWort-Ton-Verhältnis: Es müsste im Grunde, wenn man konsequentwäre, wenn die Klarinette erklingt, die Klarinette präsent sein. Wasnatürlich nicht geht, was die Musik kaputt macht. Die Musik muss autark bleiben, auch wenn wir Bilder dazu benutzen. Wenn wir dieseSubstantialität der Musik aufgeben, dann können wir unser ganzesMetier vergessen. Dann ist unser Pfund, mit dem wir wuchern kön-nen, verloren gegangen. Deshalb auch die Frage an unsere jungenKollegen: Wenn Sie jetzt also mit zwei Kameras arbeiten oder mit dreiKameras – und Sie sehen eine Aufzeichnung zum Beispiel hier von Enrique mit Dudamel, mit zehn, elf Kameras. Gibt es ästhetische Kon-zepte von Ihrer Seite, wie Sie da herangehen? Gibt es Überlegungen,wie man eine großformatige Sinfonie bearbeiten kann – visuell?

Severin Vogl: Also wir sind zu zweit. Wir haben dann meistens eineTotale, die extern läuft, und praktisch alles aufzeichnet. Ansonstenhaben wir zwei Kameras, die die besten Momente, die man für sichin der Situation gerade sieht oder bemerkt, versucht heraufzube-schwören. Manchmal klappt es dann von der Schärfe her nicht oderman ist vom Bildausschnitt nicht so drauf, wie man gerne wäre. Oder man wäre gerne näher dran. Manchmal hat man auch gar nichtdie Kamerastandpunkte, die man gerne hätte, weil man einfachirgend wo weit hinten stehen muss, um niemandem im Weg zu sein.Wir merken halt, dass man dann mit den beiden Kameras für sich

selbst, wie zwei kleine Werwölfe, versuchen muss, die besten Mo-mente einzufangen. Danach, im Schnitt, schaut man, was ist da, wiekann man die Musik schön erzählen. Darum geht es ja, dem Stückoder der Musik zu dienen, und nicht, dass wir da irgendwas machen,was dann von der Kamera her besonders abgefahren ist. Es gehtdarum, dass wir uns auch unterordnen müssen. Manchmal gelingt esuns besser und manchmal schlechter.

Lothar Mattner: Worin besteht dieses „besser“ oder „schlechter“?Können Sie das beschreiben?

Severin Vogl: Wenn wir Filme sehen, die wir vor zwei, drei Jahren gemacht haben und merken, dass einfach ein gewisser Fluss da ist,wo man sich mit den Kamerastandpunkten und mit dem Schnitt derMusik unterordnet. Man merkt, dass man einfach nicht rausgerissenwird. Manchmal merkt man dann auch, dass der eine Schnitt totalschlecht läuft, man kann aber nicht mehr anders, weil man keine an-deren Perspektiven mehr hat. Das ist natürlich immer ein subjektiverBlick, manchmal gelingt es einem praktisch besser, Musik darzustellen,und manchmal (zögert) – ja – gelingt es einem einfach nicht so gut.

Felix Hentschel: Wir hatten folgende Situation: das SWR Sinfonie -orchester hat in Freiburg ein Stück von Mark André geprobt. Wir soll-ten einen Probenbericht machen, mit einer Kamera ausgestattet. Wir wussten vorher nicht, was wir filmten und merkten schnell, das ist ein Stück an der Grenze des Hörbaren. Da ist es uns besser gelungen,diese Bildersprache zu finden, indem wir einfach mit dem Mangel gearbeitet haben, mit Entzug von Bildern, wir hatten ständig Schwarz-blenden drin und konnten so diese fragile Musik von Mark André viel-leicht ganz passend einfangen. Für uns war das das Mittel der Wahl:wenn wir keine Bilder haben, dann haben wir halt keine und wennwir welche haben, dann nehmen wir sie rein. Das nur als Beispiel fürdas permanente Verwalten von Mangel.

Lothar Mattner: Das ist ja auch schon ein Konzept. Meine Fragezielte in eine ganz andere Richtung. Ist vielleicht gar nicht so lustig.Wir haben mit Bruckner-Sinfonien zu tun, die achtzig Minuten dau-

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ern. Wir haben mit kleinen Formen, von denen Sie gesprochen haben,wir haben mit zwölf oder dreizehn Minuten Bolero zu tun. Strawinsky,Sacre, eignet sich immer wunderbar für Visualisierungen. Aber: wasmachen wir jetzt in unserer neuen medialen Wirklichkeit? Welche äs-thetischen Instrumente haben wir, dass wir unseren guten, alten Weinin neue Schläuche bringen? Da müssten wir uns ganz wesentlicheÜberlegungen machen. Was machen wir mit einer Bruckner-Sinfonieim Internet? Ich glaube, es ist unsere Aufgabe darüber nachzudenken:Wie können wir diese großen abendländischen Formen, die wir allenoch gelernt haben, und die Sinnzusammenhänge – wie können wirdie in dieser atomisierten Wahrnehmung des Internets in der Zukunftüberhaupt noch an den Mann bringen, oder an die Frau? Das ist eineFrage, die ich nicht beantworten kann.

Ulrich Mosch: Eigentlich die Frage nach der Zukunft dieses Formatesder Konzertübertragung, Konzertaufzeichnungen. Ich möchte einenProduzenten fragen, Günter Atteln von Accentus Music GmbH, dermit Konzertaufzeichnungen auf DVDs einige Erfahrung hat. Das ist einwachsender Markt – oder war es jedenfalls in den letzten Jahren,Prognosen zu machen steht mir nicht zu. Zumindest gibt es aber eineNachfrage, die ganz bestimmten Bedürfnisse entspricht, nämlicheines Publikums, das an einem größeren musikalischen Zusammen-hang und primär vielleicht am musikalischen Kunstwerk und nichtunbe dingt am Event interessiert ist.

Günter Atteln: Es gibt unterschiedliche Entwicklungen in den ver-schiedenen Medien, die eng verbundenen sind mit den Erwartungs-haltungen auch an die Qualität. Das schlägt sich beispielweise niederin der Anzahl der Kameras, dem Lichtaufwand oder der Mikrofonie-rung. Da ist die Erwartungshaltung bei einem reinen Internet-Strea-ming nach wie vor geringer, als wenn man eine DVD oder eineBlu-ray in seinen Player einlegt. Da gibt es Sammler, die leidenschaft-lich Klassik hören und sehen, die eine sehr hohe Erwartung an dieQualität haben. Das fängt beim Ton an. Deswegen sage ich auchimmer: „Ton geht vor Bild“, obwohl wir natürlich eine Ton- und Bild-produktion machen. Aber aus meiner Sicht ist es ganz entscheidend,dass das Ganze erst einmal phantastisch klingt, dass wir einen heraus-

ragenden 5.1-Ton haben, der mittlerweile Standard bei allen unserenVeröffentlichungen ist, und dass wir dann natürlich auch ein erstklas-siges Bild generieren. Das muss alles auf höchstem Niveau passieren.Im Fernsehen ist die Erwartungshaltung vielleicht noch mal ein biss-chen anders, nicht, dass der Qualitätsanspruch geringer wäre, aberdas Thema „Experimente“, der Ansatz, mit neuen stilistischen odertechnischen Mitteln zu spielen, das funktioniert im Fernsehen sehr vielbesser als auf einer DVD. Unser Publikum, die Käufer unserer DVDs,sind eher irritiert, wenn ständig mit Unschärfen oder Reiß-Schwenksgearbeitet wird. Wenn eine visuell-experimentelle Auflösung sozusa-gen vor einen Dirigenten wie Claudio Abbado oder eine Solistin wieAnne Sophie Mutter, wegen der man vielleicht das Programm gekaufthat, gestellt wird. Das führt zu Irritationen.

Ulrich Mosch: Anne Sophie Mutter ist ein Kaufargument. Sie sindwahrscheinlich auch abhängig von diesen großen Namen.

Günter Atteln: Es muss alles passen. Wir haben mehrere Produktio-nen mit Claudio Abbado auf unserem Label. Die verkaufen sich nichtalle automatisch gleich gut. Auch da gibt es Unterschiede. Mit wel-chem Orchester ist das eingespielt? Ist das ein Simon Bolivar YouthOrchestra oder ein Lucerne Festival Orchestra? Das Repertoire ist ganzentscheidend. Ist das, salopp gesagt, ein „Kraut und Rüben“-Pro-gramm oder ein reines Beethoven-Repertoire oder eine Mahler-Sinfo-nie wie die Neunte, die mit zu den bestverkauften DVDs gehört, diewir im Katalog haben.

Ulrich Mosch: Wenn wir die Produktionsbedingungen, die Sie ange-sprochen haben, mit der Lage der Sendeplätze in Beziehung setzen:Fernsehen zeitversetzt sehen zu können, schafft zweifellos neue Mög-lichkeiten. Aber hat denn dieses Format im Fernsehen eine Zukunft?Sehen Sie das Herr Mattner?

Lothar Mattner: Ich glaube, die Stärke des Fernsehens und des Visu-ellen liegt eher im Dokumentarischen, nicht so sehr in den Konzert-aufzeichnungen. Das zeigt sich ja auch bei unseren Zuschauerquoten.Aber die Leute haben auch ein Bedürfnis, ihre regionale Kultur zu

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sehen. Dafür gibt es eben die ARD und andere Anstalten. Es ist einPublikum da, nicht sehr groß, aber das sich auch ein bisschen fordernlässt. Das tue ich jedenfalls auch. Dass man also Experimente durch-aus wagt, nicht nur im Bereich mit neuer Musik – gerade mit BettinaEhrhardt sehr viel. Sondern auch in anderen Bereichen, wo man neue– ich sage noch mal das Wort – ästhetische Formen ausprobiert, dienoch tragbar sind für ein breites Publikum. Diese Nischen sind garnicht so bedrängt, jedenfalls im WDR.

Bettina Ehrhardt: Wie viel man dem Publikum vertraut und was demPublikum an Aufmerksamkeit abverlangt wird – das sind Fragen, dieman an Gegenbeispielen hinterfragen kann. Zum Beispiel das Neu-jahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Da wird zunehmend – mankann es von Jahr zu Jahr betrachten – der Musik immer weniger ver-traut und die Schnitte, die nach draußen führen, zu Blumenrabattenoder dem Palmenhaus in Wien oder zu diversen Tanzarrangementsnehmen zu. Viele dieser, wie ich finde, Anbiederungen beim Publikumführen von der Musik weg. Ich erinnere mich an eine Produktion, wodokumentarisch anrührende Momentaufnahmen mit dem Pianistenmitten ins Konzert hinein geschnitten wurden. Nix dagegen, den blin-den japanischen Pianist Nobuyuki Tsujii hinter der Bühne zu drehen,wo er vor Freude nach einem Konzert Tränen vergießt und das auchzu zeigen. Warum nicht? Aber mitten im Konzert? Mittenmang den„Bildern einer Ausstellung“! Ich war schockiert. Dass ein Künstler, des-sen Schicksal anrührt, derart in seiner Emotionalität ausgeschlachtetund gleichsam zum Zitat seiner selbst wird! Sollten die Bilder das In-nenleben des Künstlers zeigen – aber welcher Pianist denkt, währender spielt, an seine Freudentränen nach dem Konzert? Das tut er nicht,er denkt an die Musik! Solche Zusatzinfos lenken von der Musik weg,so habe ich es erlebt, sie stören das Ohr. Was traut man dem Publi-kum noch zu? Fürchtet man, es zu langweilen, wenn man ihm etwanur Musik und nichts als den musizierenden Künstler zeigt? Das sindgefährliche Entwicklungen im Fernsehen. Dahinter steht die Frage:Muss sich der Regisseur bei einem Publikum anbiedern, dessen Auf-merksamkeit leicht weg bricht und das man vermeintlich nicht zustark fordern darf?

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Oliver Becker, Andreas Morell, Axel Fuhrmann

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Lothar Mattner: Diese Nobuyuki-Produktion ist zufälligerweise eineWDR-Produktion, in der Carnegie Hall. (Gelächter) Ich habe bewusstdarauf bestanden, dass man mit den nicht vorhandenen Augen diesesjungen Mannes die Stadt New York gesehen hat, damit man so einenMonologue Intérieur Musical macht mit ihm. Das war die Absicht.Der Junge ist autistisch – und es ist durchaus zu sehen, wie er sich be-wegt. Es ist ein Dokument seiner Person. Nebenbei spielt er noch fan-tastisch die Sturmsonate von Beethoven, musikalisch ist das aufhöchstem Niveau. Insofern hat es durchaus sein Recht.

Ulrich Mosch: Ich möchte an dieser Stelle eröffnen für das Publikum.

Oliver Becker: Was mich immer fasziniert, aber teilweise dann auchfrustriert hat, war: Ich habe für den WDR über russische KomponistenFilme gedreht und hatte dann russisches Archivmaterial aus den 60erJahren, wo Svjatoslav Richter z.B., im großen Saal des Konservatori-ums etwas spielt, aufgezeichnet mit zwei 35-mm-Kameras, völlig ver-kracht, verwischt und alles. Wenn man solche Künstler hatte, war dasBild total egal. (lacht) Aber dann habe ich mit Ellen Fellmann zusam-men eine Sendereihe gemacht: Monumente der Klassik. Da haben wires visuell bei Sinfonien krachen lassen bis zum geht nicht mehr, mitKränen und Schienen usw. Also mindestens jede Sekunde einenSchnitt. Dies wurde dann auch einmal im Kino gezeigt und die Kino-zuschauer waren davon völlig entsetzt. Der Musik war nun mit dieserProduktion überhaupt nicht gedient. Das habe ich mir natürlich auchzu Herzen genommen. Heute sehe ich es wirklich sehr, sehr konserva-tiv, dass sich auch die Bildregie und der Schnitt extrem der Musik un-terordnen sollten. Es müssen nicht zwei russische Kameras sein, dasist dann vielleicht ein bisschen zu wenig, aber es ist sehr erstaunlich,wie viel weniger da mehr sein kann. gerade auch im Internet. Aberwenn die Musik einfach lebt und eine Stärke hat, kann das Visuellezurücktreten.

Günter Atteln: Wann wollen wir mal wieder was zusammen machen,Oliver? Das kann ich so nur unterschreiben. Aus Produzentensichtmuss man an die nächsten 10, 15, 20 Jahre denken. Das meinte ich

vorhin: im Augenblick der Entstehung mag es spannend sein, Experi-mente in der visuellen Umsetzung auch bei Konzertaufzeichnungeneinzugehen. Aber wenn man an ein Publikum denkt, das in 20 Jahrenvermutlich mehr an dem Konzert als Zeitdokument als an den visuell-technischen Vorlieben der Entstehungszeit interessiert ist, dann erklärtdas, warum sich an der Herangehensweise bei Konzertaufzeichnungengrundlegend über die Jahrzehnte so herzlich wenig geändert hat. Und ich muss sagen, ich schließe mich da persönlich nicht aus. Wennich mir heute einen Celibidache anschaue, der während einer Probeauf seinem Stuhl mit gebeugtem Oberköper sitz und sagt: „Nichtschleppen“, dann finde ich das spannend und ich schaue mir dasgerne an, auch wenn die Kamera fünf Minuten nur auf ihm ist. Undich glaube, dass das unabhängig von Sehgewohnheiten auch in 15,20 Jahren noch so sein wird. Dass man sich dann immer noch überein Zeitdokument freut, dessen Auflösung es einem erlaubt, die Musiknicht nur zu hören, sondern die Künstler dabei auch wirklich zusehen.

Andreas Morell: Von mir war diese Waldbühnen-Aufzeichnung mitOzawa vorhin. Ich habe ja auch irgendwann angefangen mit extremvielen Schnitten und fand das alles wahnsinnig cool, alles ganz engund ganz groß auf die Instrumente zu gehen. Aber je älter ich werde,umso mehr will ich nur noch sehen, wie Musiker Musik machen. Ichmerke, dass ich inzwischen viel weniger schneide, als ich das vor eini-gen Jahren noch getan habe. Wobei der Film, der morgen von mirläuft, gerade genau das Gegenteil ist – aber das ist auch ein Doku-mentarfilm, eine andere Ebene. Darin gibt es Videoclips, und Video-clips kann man auch zeitabhängigeren Strukturen unterwerfen. DasDing muss in fünf oder zehn Jahren nicht noch modern aussehen, daskann jetzt modern sein und in fünf Jahren kann es uralt aussehen. Esist völlig egal, denn in fünf Jahren macht jemand anders einen neuenFilm über Anna Prohaska. Ich finde aber auch, man kann inzwischenwieder lange zugucken. Wir haben inzwischen auch Riesen-Fernseher– also die meisten von uns – früher hatten wir so kleine Bildröhren,ich hatte einen Schwarz-Weiß-Fernseher mit einem Holzgriff. Klar, dawollte man auch schnell schneiden. Bei diesen Riesenbildschirmen

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kann ich auch einfach mal einem Haufen von Musikern zugucken, wiesie miteinander kommunizieren. Ich finde das wahnsinnig schön. Indem Waldbühnenkonzert konnte man nicht vorher wissen, dass derda mitwippen würde im Hintergrund. Das haben wir natürlich einfachnur gemacht, weil wir es gesehen haben, es war total ungeplant.

Bettina Ehrhardt: Wenn die Form wichtiger wird als der Inhalt, rücktder Inhalt selbst in Distanz. Das ist schade. Für mich ist das entschei-dende Kriterium: Wie intensiv ist, was gezeigt wird, bzw, wie kannman die Intensität des Musizierens zeigen? Wenn der Ausdruck starkist, dann kann man auch ohne Schnitt dranbleiben. Fünf Minuten langohne Unterbrechung Celibidache oder Abbado zuzuschauen, kannsehr aufregend sein. Ich sah einmal eine Konzertaufnahme mit RafaelKubelik, die mit einer Kamera gedreht worden war. Vom Orchestersah man nichts, nur Kubelik. Wie sich die Musik in seinem Gesicht,seiner Mimik und Gestik abbildete, war wunderbar zu sehen, ein gro-ßes Musikerlebnis – auch wenn das ein Extrembeispiel ist. „Musikgeht ins Auge“, hat Lothar Mattner gesagt. Vielleicht meint er damitdie Unverhältnismäßigkeit von Auge und Ohr, die unterschiedlichenZeitbedingungen unterliegen. Das Auge ist langsamer als das Ohr,und wenn der Schnitt die Fähigkeit des Auges übersteigt – auch wenndie rasend schnellen Schnitte vielleicht der Musik entsprechen würden– d.h. wenn sie vom Auge nicht mehr aufgenommen werden können,dann funktioniert es einfach nicht. Das heißt, der Bildrhythmus – unddazu gehört, was im Bild sich bewegt und wie die Kamera sich be-wegt, die ein Ereignis aufzeichnet – also diese dynamischen Bildver-hältnisse, die zeitlich ins Verhältnis zur Musik zu setzen, darum gehtes für mich. Das entscheidet auch, wo geschnitten wird – abgesehenvon der musikalischen Analyse der Partitur, die die Grundlage ist.

Jonathan Haswell: Zwei kleine Punkte: Die Bedeutung dieser Kon-zerte als Dokument. Es war glaube ich 1968, als Igor Strawinsky nachLondon kam und den „Feuervogel“ dirigierte. Wir haben das im BBCim Archiv. Leider gibt es nicht genug Einstellungen von Strawinskyselbst. Wir sehen: Horn, Violine (Gelächter), aber wir suchen diese Bilder von Strawinsky selbst. Das ist so schade. Heute haben wir

Bruckner Fünfte gesehen: es gibt nicht genug Bilder von Abbado.Also Abbado – das ist so wichtig. (Zuruf: Es gibt eine durchlaufendeDirigentenkamera – für später.)

Jonathan Haswell: Gott sei Dank.(...) Das zweite Beispiel: Wie manals Regisseur reagieren muss zum Event selbst. Vor fünf Jahren gab esbei BBC Proms die Walküre. Zum ersten Mal ist Placido Domingo bei BBC Proms aufgetreten. Ein Jahr vorher hatte ich die Walküre imRoyal Opera House gefilmt, ich kannte jede Note, jede Bewegung. Ich dachte mir: jetzt habe ich die Chance, das Orchester zu zeigen undden Dirigenten. Ich habe jede Einstellung vorgeplant, alles nach derPartitur. Nach fünfzehn Minuten sah ich: Das hatte nichts mit dem Orchester zu tun, die Sänger waren das Event. Ich musste meine ganzeEinstellungsliste rauswerfen – nach fünfzehn Minuten. Ich hatte achtKameras im Konzertsaal, aber nur drei vorn. Ich musste den Rest desKonzerts nur mit diesen drei Kameras auf den Sängern selbst bestrei-ten. Das war eine wichtige Lehre für mich.

Ulrich Mosch: Ich möchte das aufgreifen: Bildrhythmus und musikali-scher Rhythmus. Dabei geht es natürlich nicht nur um Rhythmus, son-dern auch um Phrasierung. Ich komme von der Musikseite und fürmich ist diese musikalische Seite immer extrem wichtig. Ich höre sehrviel, was auf dieser Ebene abläuft. Und da kann es tatsächlich passie-ren, dass ich einfach aussteige, weil mir der Bildrhythmus die Musikkaputt macht. Das kann auch passieren beim Schnitt auf Instrumente.Bei der Bruckner-Sinfonie, von der vorhin bereits die Rede war, gibt eseinen Flöteneinsatz, der auftaktig ist. Da kommt der Schnitt vorher.Von meinem musikalischen Empfinden müsste der Schnitt kommen,wenn der Auftakt vorbei und man auf dem Volltakt angekommen ist.Das ist ja ein ganz wichtiger Aspekt der sensorischen Erfassung, dergar nicht bewusst werden muss. Es ist ein ganz zentrales Element, aufdas man viel Sorgfalt verwenden sollte. Wir haben das in den State-ments gehört. Man kann ja immer die Augen zu machen, eine guteLösung für ein solches Problem, wenn die Musik ganz toll ist, abernatür lich nicht im Sinne der Filmemacher.

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Uli Aumüller: Eigentlich nur ein Kommentar. Ich hatte vorhin mit Bet-tina Ehrhardt ein Gespräch über Interviewtechniken. Wie gut mussoder soll ich mich für ein Interview vorbereiten? Wie viel Planung sollich haben, damit das Interview gelingt? Geeinigt haben wir uns letz-ten Endes, das war die Pointe, dass ein Interview nur dann gelingt,wenn im Augenblick des Interviews der Interviewte die Planungen,die ich mitgebracht habe, nicht bemerkt. Wenn es so scheint, alswürde ich aus dem Augenblick heraus plaudern, so dass mein Gegen-über auch aus dem Augenblick heraus plaudern kann. Ich glaube die-ses Modell lässt sich auf einen Konzertmitschnitt auch übertragen. Jebesser die Vorbereitung ist und je genauer ich ein Konzept habe, eineIdee, eine Konstruktion, wohin ich meine Zuschauer mitnehmen will:Wo geht die Reise hin? Wo sind die Höhepunkte – auch im Bild? –aber vor allen Dingen und im Zusammenhang mit der Musik, umsobesser ist es. Aber in der Umsetzung – und das ist der Trick – muss esgelingen, dass ich als Zuschauer gar nicht bemerke, dass da ein Planvorhanden war, sondern als wäre es eine spontane Kommunikationmit dem Ereignis dort auf der Bühne. Wenn das tatsächliche Ereignisden Charakter einer spontanen Bewegung hat, wie es wahrscheinlichbei meinem Vorredner war, dass er sein ganzes Konzept umwirft unddann plötzlich direkt und improvisierend dreht, aber mit seinem Planim Hinterkopf, – die Schnittliste war ja nicht vergessen – dann gelingtso etwas. Ich hatte so ein Erlebnis mit der Akademie für Alte Musikund Die Kunst der Fuge in einer Orchesterfassung. Wie kann man dieKunst der Fuge aufzeichnen? Da ist ein basisdemokratisches Orches-ter, hat keinen Dirigenten, glücklicherweise. Sie haben sich entschie-den, während ich auf dem Weg war von der Bühne zu meinemRegiepult in einem Nebenraum, sich andersherum zu setzen. Also dieerste Violine war vorher links und saß dann rechts, usw. Sie habenfestgestellt: So sehen sie sich besser. Das hatten sie noch bei den Pro-ben besprochen und dann tatsächlich in den letzten zwei Minuten vordem Konzertbeginn in die Tat umgesetzt, ohne mir das zu avisieren.Das Konzert ging los und ich sagte der ersten Kamera: „Geh’ bitte aufdie zweite Violine“ und die zweite Kamera sagte: „Ich krieg’ die Vio-line.“ So war das. Dann setzte diese Suche ein: die Kameraleute muss-ten die Instrumente suchen, die ich ihnen gerade ansagte. Ich muss

noch sagen, dass ich vorher mit den Kameraleuten einen Choral ge-sungen hatte, mit allen Kameraleuten (Gelächter) weil es die Theoriegibt, dass der Kunst der Fuge dieser Choral zugrunde liegt. Alsohaben wir den zusammen gesungen. Ich habe ihnen gesagt: alles,was ihr macht, jetzt bei der Aufzeichnung, macht es mir der Melodiedieses Chorals im Hinterkopf, summt das ständig mit. Das haben siedann auch gemacht bei der Aufzeichnung, das heißt, es waren alleslangsame, schweifende Bewegungen. Das passte zufällig zu dem, wasFuge ist. Fuge heißt ja nicht „verfugen“, im Sinne von „Klinkersteineverfugen“ und „Mehrschichtigkeit verfugen“, sondern heißt „fliehen“,also man könnte auch sagen suchen, also suchend fliehen, fliehendsuchen. Das übertrug sich dann in dieser Aufzeichnung und trug alsKonzept, als gefundenes Konzept, für den ganzen Film. Jedenfallsnach Einschätzung vieler Leute, die das gesehen haben.

Bettina Ehrhardt: Du hast da mit dieser schönen Anekdote etwasganz Entscheidendes angesprochen. Dass nämlich die Kameraleute,wenn sie gut sind, eine Fähigkeit haben, die Musiker haben: Nämlichdie, eine Kamerabewegung zu atmen. Dass sie beginnt, sich ent -wickelt, zu einem Punkt führt und endet. Das sind keine schlichten„Schwenker“, sondern Kameraleute, die die Musik hören und mitihren Kamerabewegungen auf die Musik reagieren. Da spielt jetzteine Rolle: Wie kann man das mit vorbereiteten Schnittlisten trotzdemnoch so hinkriegen, dass es eben nicht wie ein Absolvieren vonmecha nischen Bewegungen rüberkommt. Das wäre kühl. Das hättenicht die Magie, die Bilder haben, wenn gedreht wird, wie du es gerade erzählt hast. Wie kann man Kameraleute so inspirieren, dasssie beim Runterzählen von einem Schwenk den noch so führen, dass er eine solche musikalische Qualität hat?

Uli Aumüller: Das ist gar nicht so selbstverständlich, den Kameraleu-ten zu sagen: Macht die Ohren auf während ihr dreht. Das könnenvon vielen, vielen Kameraleuten nur die wenigsten.

Enrique Sánchez Lansch: Aber das Spannende ist, dass diese wenigenund guten gar nicht mal unbedingt diese Musik in ihrer Freizeit stän-

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dig hören. Manchmal bringen wir sie eigentlich erst in diesen Arbeitendazu. Aber dann sind es einfach Leute, die eben so mit atmen und so gut sind in ihrem Fach, dass sie sich dafür öffnen. Das ist ganz er-staunlich.

Syrtos Dreher: Ich sehe inzwischen ein, dass man Konzertaufzeich-nungen braucht. Es sind ja auch Dokumente. Die Beispiele haben wirgehört: die großen Dirigenten, die großen Orchester. Trotzdem ärgertes mich immer wieder: Ich komme aus dem Dokumentarischen undsehe, was für Geld da weggeht. Davon könnte man einfach zehnDoku mentar filme machen (Zwischenruf: Es kommt darauf an, wel-ches Budget die Dokumentarfilme haben). Syrtos Dreher: Ich habe viel gemacht über Tage Neuer Musik Donau-eschingen oder Ludwigburger Schlossfestspiele. Zu D-Mark-Zeiten,waren es zum Teil – 80.000, 100.000 DM. Später hat sich das in Euroungefähr in die Höhe entwickelt. Aber mehr ist im Grunde nicht drin.Deswegen war die absolute Obergrenze zwei Kameras. Nun finden daKonzerte statt, die man zeigen muss und will. Ich mache auch dieseAusbildung in Karlsruhe für die Musikfilmstudenten und versucheihnen da ein bisschen beizubringen, wie ich denn mit zwei Kamerasüberhaupt etwas schaffe, was man angucken kann. Die einzige Mög-lichkeit dafür ist die Generalprobe. Man bittet die Leute dann, auchihr Konzertkleid anzuziehen. Aber selbst wenn das nicht der Fall ist,es fügt sich am Ende erstaunlich gut zusammen. Verschiedene Bilderaus der Probe in Zivilkleid, mit dem Konzertkleid nachher. Manchmalhaben wir vier Kameras, eine davon muss auf den Dirigenten. Das istja meine Rettung in jeder Situation. Das enthebt mich auch der Pro-blematik von Achsensprüngen und dergleichen. Diese Mangelverwal-tung macht kreativ. Ich habe natürlich am Ende keine Dreiviertel-stunde am Stück von einem Konzert, sondern ich habe zwei Minuten.Natürlich muss ich in der Vorbereitung mir klar überlegen, welchenTeil will ich und dann versuchen mit den vier, maximal vier möglichenBlicken, die ich habe, in diesen zwei Minuten so viel rüberzubringen,dass es einigermaßen der Musik entspricht. Dann wähle ich – ich sagemal – verschnittene Bilder: wo zwanzig Musiker hintereinander in derUnschärfe verschwinden, Linien sich schneiden, die Posaune macht

quer, das Cello steht in der Luft, also mal ein bisschen übertrieben.Auf die Art kommen plötzlich Bilder zustande, die ich nie in einerStudio situation machen würde. Dazu kommen Handkamerasachen.Eine der schönsten Ideen überhaupt, sich in solchen Notsituationenzu behelfen. Die Ellen Fellmann hat hier diesen Film gezeigt über die Deutsche Sinfonie von Hanns Eisler. Da war viel Steadycam dabei.Das geht in eine Richtung von einem andersartigen ästhetischen Konzept als man das bei elf durchgestylten Kameras und Auflösungenvon kompletten Konzertaufzeichnungen machen kann. Da sehe ichdie Chancen, wiederum auch im Dokumentarischen, mit zwei Kame-ras klar zu kommen. (...)

Ulrich Mosch: Das war eine Antwort auf Bettinas Frage von gestern.Ihr steht jetzt das Schlusswort zu.

Bettina Ehrhardt: Das ist der Running Gag dieses Kolloquiums, dassman versucht, gute Schlusswörter zu finden. Gerade als du die Hand-kamera erwähnt hast, ist mir eine wunderbare Produktion eingefallen,die glaube ich, Peter Gelb gemacht hat. Albert Maysles und sein Bru-der haben eine Studio-Plattenaufnahme mit Vladimir Horowitz vonMozarts Klavierkonzert No 23 gefilmt, mit dem Orchester der Scalaunter Carlo Maria Giulini, in einem Mailänder Studio. Albert Mayslesist derjenige, der mit Pennebaker zusammen in den 50er, 60er Jahrendie Handkamera erfunden hat. Das hat zu einer Intensität geführt, die Albert Maysles selber "the Gaze" genannt hat, also der Blick, derintensive, faszinierte Blick auf etwas, von jemandem, der das betrach-tet. Wenn man den spürt – wie in diesem Film – ist es wunderbar.Vieles ist auch hier mit der Handkamera gedreht, das ist Maysles’ Stil,es wackelt ziemlich; dies ist die Ästhetik etwa auch von Jean Rouch,die mit dem Zufall spielt, die auch mit dem Misslingen spielt. Und dieimmer die Intensität des Blicks zum Angelpunkt macht. Wenn das gelingt, mit welchen Mitteln auch immer, dann haben wir unser Publikum.

Ulrich Mosch: Ich danke allen Beteiligten und ich danke Ihnen fürsZuhören.

Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

Podiumsdiskussion Musik ins Bild gesetzt

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Le projet s’inscrit dans le droit fil d’une collaboration artistique entrela Galerie Katrin Rabus de Brême et l’Ensemble Alternance dont lepremier jalon se situe en 1999 où l’Ensemble s’est produit pour lapremière fois dans le cadre de la série annuelle de concerts proposéspar la Galerie. La mutation des activités de la Galerie vers le Fernseh-musikforum « The Look of the Sound » a naturellement retenu toutmon intérêt en tant que tel, mais aussi d’autant plus qu’il faisait échoà ma permanente réflexion sur les moyens artistiques de «parler de»et de « donner à voir » la musique d’aujourd’hui.

J’en veux pour preuve la parution annuelle d’une brochure de saison de l’ Ensemble désormais dématérialisée qui fait figurer desportraits photographiques originaux de compositeurs réalisés par lephotographe Philippe Gontier, des textes singuliers sur la musiquecomme ceux notamment du musicologue Jean-Noël von der Weid,des interviews de compositeurs au sujet de leurs projets de créationpour l’Ensemble, et enfin la réalisation pour le web de films de formats très courts en relation avec ceux-ci ... Voilà les outils pour le«donner à voir et à penser» la musique en amont et en aval du concert. Pour celui-ci proprement dit l’interrogation est également de mise. Il en a découlé plusieurs formes : le «Gesprächkonzert», le concert-atelier, le concert double-entente ...

Néanmoins le Fernsehmusikforum a constitué une opportunité deréfléchir à d’autres formes pour la mise en perspective en live de lacréation musicale. Grâce au fonds important d’archives cinémato -graphiques de la Galerie, à la découverte des productions cinémato-graphiques les plus récentes sur la musique au cours des Forumssuccessifs et un enthousiasme partagé sur ces sujets avec K. Rabus,ont abouti depuis quelques saisons plusieurs projets sous le titregéné rique du Forum, généreusement prêté : «Look of Sounds».

Ainsi, soit en complémentarité, soit en opposition, les films sontproposés dans l’idée de mettre en perspective la création musicaled’aujourd’hui; par exemple: à l’occasion de la remise du prix de laFondation BBVA à Helmut Lachenmann a été projeté à Bilbao et àParis le film « Fassade-Orchesterfarben » de Lachenmann, (une pro-duction de la S.W.R) suivi d’un concert avec des œuvres de H. Lachen-mann et de Mark André.

A Düsseldorf, Paris et au Havre (pour le Cinquantenaire du discoursd’André Malraux), le film« Musik im technischen Zeitalter »dans lequel le tout jeune Xenakis expose sa conception du son au travers dela notion de masse, met en perspective celle de musique «saturée» illustrée par la création par l’Ensemble de l’intégrale du cycle «Rokh»de Raphaël Cendo.

Cette production sera reprise la prochaine saison au festival de Clermont-Ferrand et à Toulon-la Seyne, le film étant proposé dans unformat plus réduit car lui-même mis en perspective par un très court-métrage de Félix Hentschel et Séverin Vogl réalisé en 2013 sur la sériede films «Musik im technischen Zeitalter».

A Paris, le film «Electric Chair Music» réalisé par Colin Still sur lamusique de Brian Ferneyhough introduisait un exposé sur « l’émer-gence et la dialectique en musique» par Geoffroy Drouin suivi de lacréation française de «Fresque au Bernin» de Geoffroy Drouin.

Toujours à Paris, «Linée» (d’après l’Art de la Fugue-Contrepoints2,3 et 8) d’Alessandro Solbiati était mis en perspective par deux films :«Contrapunto» (réalisation: Laura et Riccardo Nillni et un extrait de«Die Kunst der Fugue» (Contrepoints 1,4,5, 6 et 7) réalisé par EnriqueSánchez Lansch, une production de la WDR.

A Brême en mars 2013, dans le cadre du Fernsehmusikforum«Musik ins Bild gesetzt», les œuvres musicales de LachenmannCendo, Boulez, Neuwirth et Thomalla faisaient écho à la propositioncinématographique du Forum et notamment aux films «Die Schöp-fung» et «Miramondo Multiplo» présentés par Olga Neuwirth.

En juin dernier étaient mis en ligne sur le web deux très courts- métrages réalisés par Philippe Gontier : le premier porte sur une répé -tition de l’Ensemble avec Helmut Lachenmann et le second sur lacréation par l’Ensemble de «trawl» de Philipp Maintz, écrit pendant sarésidence au Domaine National du Château de Chambord.

Jean-Luc MenetDirecteur artistiqueEnsemble Alternance

Kompositionen – Filmkompositionen – KomponistenfilmeEnsemble Alternance

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Ensemble Alternance

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Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Ensemble Alternance

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Ensemble Alternance

The Ensemble Alternance, a modulable group of soloists, goals in-clude developing, integrating and exploiting the chock of temporalpassages as well as cultural and new instrumental rotations in thevast expanse of music of our time. And then to confront these withworks from the distant and near past.

Instrumental gestures are thereby renewed and new horizons opened. Consequently, priority is given to premiering works by truecreators in major places such as the Berlin Konzerthaus, GenevaVictoria Hall, Zürich Tonhalle, New-York Guggenheim Museum,Indiana polis Bloomington University, Moscow Tchaikowsky ConcertHall, Paris Museum of Louvre and Orsay-Ircam, Belgrade Kolarac Hall,Copenhagen Royal Library ... Such a new way of envisioning music enables us to hear or re-hear enlightened works by the likes of Boulez,Cage, Ligeti, Crumb, Scelsi, de Pablo, Klaus Huber or to discover new works by striking young composers such as Philippe Hersant,Philippe Schœller, Bruno Mantovani, Gérard Pesson, Raphaël Cendo,Mauro Lanza, Mark Andre, Philipp Maintz ... with Cds regularly awarded by the international press.

Jean-Noël von der Weid

Severin Vogl, Jean Luc Menet, Dr. Peter Moormann

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Komposition – Filmkomposition – Komponistenfilm Gespräch mit Olga Neuwirth, Komponistin und Lillevan Pobjoy, Videokünstler Moderation Ulrich Mosch

Ulrich Mosch: Guten Morgen. Ich begrüße Sie zu dieser Veranstaltungüber die Filme von Olga Neuwirth. Ich begrüße die beiden Künstler,Olga Neuwirth, links neben mir, Komponistin – und ich denke, mankann auch sagen Filmemacherin, jedenfalls mit einem großen Inte-resse am bewegten Bild – und Lillevan, der im zweiten Film die Ani-mation und den Schnitt gemacht hat. Ich möchte das Gespräch mitOlga Neuwirth eröffnen, zunächst einmal über allgemeinere Hinter-gründe. Du hast dich schon während des Studiums in Wien in deinerExamensarbeit mit Filmmusik auseinandergesetzt, und eigentlich istder Film immer ein Thema für dich geblieben. Dann weitere Studienin San Francisco, am Conservatory of Music und am Art College, wodu unter anderem auch Film studiert hast. Danach zieht sich das wieein roter Faden durch dein Schaffen: Es gibt immer wieder Filmarbei-ten oder auch Filmmusiken. Du hast Videoclips gemacht. Du hast inWeimar „Kloing!“ realisiert mit einem „Live-Film“ – und nun die beidenFilme, die wir gestern und heute gesehen haben.

Vielleicht können wir zunächst auf den ersten Film zu sprechenkommen: „... miramondo multiplo ...“ ist der Titel deines Trompeten-konzerts, ein Auftrag der Wiener Philharmoniker, uraufgeführt unterLeitung von Pierre Boulez in Salzburg 2006 mit Håkan Hardenbergerals Solist. Für mich ist das Konzept des Films außerordentlich interes-sant. Es hat sehr viel zu tun mit einem Problem, mit dem jeder Filme-macher und jede Filmemacherin zu schaffen hat, sobald er oder sieSchaffensprozesse darstellen möchte. Man kann ja in den Kopf derKünstlerin nicht hineinschauen. Was wir sehen können, ist allein das,was ihre Hand tut, einen Schreibprozess. Denken lässt sich nicht ab-bilden. Du hast für dieses Problem eine sehr interessante Lösung ge-funden: ein Film, der die Probleme des Komponierens abbildet, odersagen wir, zu visualisieren versucht, der aber auch Stichworte gibt,worum es thematisch geht, in der „aria della memoria“, „del piacere“,also der Erinnerung, des Gefallens, „della pace“, des Friedens, „del

pensiero“, des Denkens. Es wird eine Art Feld vor uns ausgebreitet zudiesen Problemen. Vielleicht kannst du erstmal zum konzeptionellenAspekt des Films etwas sagen.

Olga Neuwirth: Ich bin irgendwie besessen davon, was das Hirnmacht, das Hirn eines Komponisten. Das fasziniert mich, seitdem ichsechzehn bin, und deswegen beschäftige ich mich auch seit jeher mitNeurologie. Auch wegen eines Schnittpunktes zwischen Wissenschaftund Kunst, das ja jetzt sehr „in“ geworden ist. Der letzte Film, den ichgemeinsam mit Lillevan schon seit sechs Jahren versuche zu realisie-ren, heißt eben „Composer as Mad Scientist“. Eine Ironisierung derkompositorischen Arbeit, da Komponieren nicht abbildbar ist – wasich ja schon bei der „documenta 12“ zeigen wollte. Ich habe mit Oliver Sacks und Eric Kandel vor 5 bzw. 3 Jahren in New York kurzeGespräche geführt, auch mit anderen Neurologen. Ich wollte, dasswährend des Komponierens die Hirnströme verschiedener Komponis-ten, verschiedener Generationen, gemessen werden sollen. Aber ichkonnte meine Komponistenkollegen noch nicht wirklich dafür begeis-tern... Ich wollte wissen, wo welches Zentrum angeschlagen wird, bei jedem Komponisten wohl unterschiedlich, wenn er im Prozess desKomponierens ist. Man müßte die Komponisten dazu bringen, dasssie während des Komponierens sich die Mess-Sensoren aufsetzen las-sen, so wie z.B. bei Messungen im Schlaf bei zu viel Lärmeinwirkung.Also habe ich es mit mir selber gemacht. Diese Daten habe ich. Dieseseltsame Übertragungsarbeit beim Komponieren ist ja der Wahnsinnund dieses Missverständnis, dass über Jahrhunderte herrscht, dassKomponieren irgendwie etwas mit dem Blitzschlag eines Geniestreichzu tun hat, "tschiiiing" und die Komposition ist da. Das ist ja allesnicht wahr. Das ist nur eine total harte, stundenlange, wochen-,monate lange Knochenarbeit. Das dauert einfach ewig, um das sozu-sagen vom Hirn in ein kodifiziertes Schreibsystem aufs Blatt hinunter-zubringen und in Nanosekunden auseinanderzulegen, was im Hirnschon fertig ist. Das ist eigentlich für unsere schnell-schnell-Zeit voll-kommen veraltet – da wie ein altes Handwerk, das einfach nicht mehreffizient ist, weil es zu lang dauert.

Kompositionen – Filmkompositionen – KomponistenfilmeGespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Miramondo Multiplo Musik und Idee:Olga Neuwirth bearbeitete Aus-schnitte aus dem II. und IV. Satz des Trompeten -konzertes „...mira-mondo multiplo...“Audio Produktion:IEM Graz Kamera: Martin Putz Produktion: Kurt Mayer Film

Dank an Boosey & Hawkes und KurtMayer Courtesy GalerieCharim und documenta12

Dauer: 17:51min 2006/2007

Die Schöpfung Musik und Video:Olga Neuwirth Text/Stimme: Elfriede Jelinek Animation & Post-produktion: Lillevan Featuring: ElfriedeJelinek, Olga Neu-wirth Stimme Gottes:Erwin Steinhauer Hand Gottes: Chris-toph F. Krutzler

Dauer: 10:18 min

Himmel & HaydnEisenstadt 2010

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Mit dieser Diskrepanz muss ich mich aber beschäftigen. WelcheAuswahl treffe ich, wenn im Hirn die Musik schon vollkommen fertigist – auch zeitlich -, aber eben zusammenkomprimiert? Die Musik istja eine Zeit-Kunst. Also muss ich das, was im Kopf komprimiert ist,zeitlich wieder auseinandernehmen. Als ich den Auftrag bekam, ander documenta 12 in Kassel als Nicht-Bildende-Künstlerin teilzuneh-men, wollte ich genau dieses Problem zum Ausgangspunkt nehmen,weil es mich in dem Moment besonders beschäftigt hat.

Einen Komponier-Prozess kann man eben nicht abbilden. Man kanndiesen Prozess nicht visualisieren. Bei Jackson Pollock und Picasso war der unmittelbare Prozess leichter darzustellen mit der Glasplatte,auf die gemalt wurde, weil man eben die Geste des Malens, Farbauf-tragens und wieder Darüber-Malens, den gesamten Prozess eben, abbilden kann. Das detaillierte, präzis gesetzte Komponieren, nichtImprovisieren, bleibt aber im Hirn und das kann nicht abgebildet wer-den. Also habe ich eine Schein-Abbildung eines Prozesses gemacht.Es ging wirklich darum, dass die Kamera, wie bei Jackson Pollock,unter der Glasplatte ist, während ich sozusagen direkt aufs Notenblattschreibe. Dann haben wir das natürlich umgedreht – ich kann zwarlangsam auch, weil ich es geübt habe, wie Mozart von rechts nachlinks schreiben, aber dann bin ich nicht so schnell. Aber auch damitsich der Betrachter des Films nicht langweilt – es sind ja nur 19 Sekun-den Musik, neun Takte Musik, die man im Entstehen sieht – und dashabe ich auch noch etwas beschleunigt am Computer. Ich wollteauch zeigen, dass das eine unglaublich langweilige und langwierigeArbeit ist. Also da oben (zeigt auf ihren Kopf) ist es fertig und bis esda unten am Blatt ist, ist es einfach hauptsächlich eine ziemlich ineffi-ziente, verblödete Schreibarbeit. Man kann noch viel dazu sagen,aber das war der Hauptausgangspunkt.

Ulrich Mosch: Darf ich noch einmal auf diese 19 Sekunden zurück-kommen. Es ist ja höchst interessant, dass Klang und Bild am Anfangweit auseinander liegen. Das heißt, du simulierst einen Anfang mitdem Titel, mit ersten Proportionierungen; dann werden diese wiederwegradiert, dann erscheinen weitere Versuche, immer noch für eineganze Zeit auf einem relativ schmalen Ausschnitt der Seite. Und

irgend wann ist dann der Punkt erreicht, wo es eine Art Take-Off gibt,dann nämlich, wenn plötzlich die Taktstriche nach unten und nachoben gezogen werden. Das ist ein Punkt, den man in den Skizzen vie-ler Komponisten beobachten kann: dass die Entwürfe plötzlich einezeitliche und klangräumliche Dimensionierung bekommen. Das Endedes Films – und das fand ich besonders faszinierend – ist für mich des-halb so überzeugend, weil es sich ja tatsächlich um den Schluss desStücks handelt: Dort, wo es plötzlich heißt: „dopo tutto, ins Offene“,spielt die Trompete dieses charakteristische hohe e. Im Zeitraffer isthier ein Prozess des Schaffens dargestellt, der den Konvergenzpunktganz am Ende hat; erst dort finden Bild und Klang zusammen. In die-sem Falle hast du mit bestehender Musik gearbeitet, das heißt miteiner Aufnahme: Es handelt sich also um eine Simulation des Prozes-ses. Wie ist diese Idee entstanden, den Film so anzulegen? Auch an-dere Formen, diesen einen Prozess darzustellen, wären ja möglichgewesen.

Olga Neuwirth: Beim Kunst-Machen muss man irgendwann einmaleine Entscheidung treffen. Natürlich gibt und gab es auch immerdiese Art von Künstler, die mich immer besonders interessiert haben,diese Bartlebys. Aber ich habe also doch eine Entscheidung getroffen:Es ging mir darum, WIE ich Klänge in mir gehört habe. Das hat michfasziniert. Das Material vom Trompetenkonzert war keine gute Auf-nahme, die kann man zum Beispiel nicht veröffentlichen, also wollteich mit dem Material was anderes machen. Das war ein weiterer Aus-gangspunkt. Die Trompete ist mein Instrument gewesen, ich habmein Instrument verloren bei einem Autounfall mit fünfzehn und dasInstrument ist für mich auf ewig verloren. Es ging mir in dem Stückum Metallklänge in verschiedenen Ausformungen, die mich als Kindschon fasziniert haben an der Trompete – und die noch in meinemKopf sind. Deswegen sind die erklingenden Klänge auch alle etwasgedehnt. Zum Beispiel wenn ich auf der Glasblatte das Zitat schreibe,„Send in the Clowns“ von Sondheim, eines meiner Lieblingslieder, dieich gespielt habe auf der Trompete, dann erklingt es, während manmich schreiben sieht, gedehnt, verzerrt – durch die vergangene Zeitund meine Erinnerung daran. Das Aufschreiben des Zitates und das

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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Erklingen korrelieren hier. Dann gibt es Dinge, die überhaupt nichtkorrelieren, wie Metallklänge in meinem Kopf, die ich immer wiederhöre. Das war der Ausgangspunkt für das ganze Stück. Die hört mansozusagen immer wieder in Variationen. Darum kommen visuell aucheinmal von rechts diese Partiturskizzen rein, die hört man dann auchals eine überlagerte Klangebene. Das waren Teile aus dem Stück, weilman ja oft gleichzeitig vieles hört beim Komponieren. Etwas, dasmuss ich jetzt zwar noch fertig notieren, aber es erklingt schon dasandere gleichzeitig, das aber erst z.B. drei Minuten später kommt.Diese Überlagerungen von Klangmaterial – bei mir im Hirn ist allesgleichzeitig da – die ich eben beim Komponieren aber erst auseinan-der nehmen muss und wieder zusammensetzen, ist die große An-strengung und der immense zeitliche Aufwand.

Diese Schichten von verschiedenem Klangmaterial und -gesten inmeinem Hirn wollte ich quasi „abbilden“. In dem Sinn ist das ja nichtdas wirkliche Stück. Zum Beispiel Akkorde, die ich auf die Glasplatteschreibe – diese Akkorde kommen im gesamten Stück immer wiedervor. Diese schreibe ich als Material auf und die hört man auch auf derKlangspur. Das heißt, es ist Material da, das zwar im Moment exis-tiert, aber auch wieder nicht existiert. Diese seltsamen Zeit-Spiraleneben. (...) Im Film kann man einen Rückblick machen. In der Musik istder Rückblick immer etwas Aufgesetztes: „Aha, das Thema kommtwieder!“ So wie mit einem Holzhammer wird dem Hörer erklärt, dassetwas wiederkehrt. Das fand ich immer eher banal. Im Film kann mandas viel diffiziler machen. So sind es diverse Versuche, meine Hirn-Prozesse sozusagen bildlich-klanglich einzufangen, was natürlich ein„fake“ bleibt.

Ulrich Mosch: Darf ich noch einmal auf den Produktionsprozess zu-rückkommen. Was wir sehen, macht ja den, finde ich, sehr schönenEindruck eines ganz kontinuierlichen Vorgangs, als würden diese19 Takte einfach in einem Zug durchgeschrieben. An einzelnen Stellenvermute ich, dass es Schnitte gab.

Olga Neuwirth: Nein, es gab keinen einzigen Schnitt.

Ulrich Mosch: Aber an einer Stelle ist die schreibende Hand plötzlichweg, und es wird ganz weiß …

Olga Neuwirth: Das ist nur durch meinen eigenen Schatten. Das ent-steht, weil die Kamera und das Licht von unten kamen, dass man auchdie Hand sieht und ich wische so drüber beim Radieren.

Ulrich Mosch: Das heißt, der tatsächliche Produktionsprozess dessen,was wir sehen, vollzog sich nicht in Realzeit. Was wir sehen, ist be-schleunigt oder verläuft zumindest wesentlich schneller als währendder Aufnahme. Gleichwohl muss es sich, da ohne Schnitt aufgezeich-net, um einen vergleichsweise kurzen Entstehungsprozess der Bildergehandelt haben. Ich finde dies bemerkenswert, einfach weil es fürmich zu tun hat mit der Geschlossenheit, die sich in meiner Wahrneh-mung herstellt. Es hat eine ungemeine Schlüssigkeit, so am Ende an-zukommen.

Olga Neuwirth: Bei einer Komposition gibt es einen Anfang und einEnde, den man selber setzt. Es könnte ja unendlich weitergehen wiedie unendliche, rekursive Fibonacci-Reihe. Oder: Es erklingt was undist auch schon wieder weg, wenn nichts mehr angezupft, angeblasenoder angestrichen wird. Es hat ja mit der Realität nicht wirklich waszu tun. Das ist ja eine Behauptung. Ich behaupte einfach, hier beginntes und hier hört es auf. Was den Menschen, den Zuhörern, meist inErinnerung bleibt, ist der Beginn und das Ende. Das Dazwischen wirdoft nur als Passagenwerk wahrgenommen. Und darum fange ich auchmit dem Beginn an und höre wirklich sozusagen mit dem Ende diesesStücks auf, als ob es dazwischen nur darum ginge: „ist eh egal waspassiert“.

Ulrich Mosch: „Setzungen, Behauptungen“ – vielleicht können wirdies als Brücke zu dem zweiten Film nehmen, bei dem die Zusam-menarbeit mit Lillevan die Grundlage für die Produktion war. Erst ein-mal vielleicht zum Kontext dieses Films als Auftragsarbeit?

Olga Neuwirth: Zu Haydns Geburtstag wurde ich gefragt, einen Zeitungsartikel über Haydn zu schreiben. Da ging es übrigens auchum den abgetrennten Kopf von Herrn Haydn. Das hat mich sehr

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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fasziniert, da bin ich sozusagen wieder beim Thema „Hirn und Kom-ponist“ gewesen. Anhänger des Phrenologen Gall haben ihm ja seinen Kopf abgehackt, um zu erforschen, warum er so ein Genie gewesen ist und sich dieses in den Schläfenregion lokalisieren lässt.Dieser Kopf lag bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts in einer Vitrine der „Gesellschaft der Musikfreunde“ im Wiener Musikverein.In der Kirche in Eisen stadt, wo der Schädel dann endlich begrabenwurde, in den 50er Jahren, wurde beschlossen zum 200.Todestag einKonzert zu geben – genau zur Todesstunde Haydns -, da wurde ichgebeten, dass ich ein Stück schreibe, aber ich wollte nicht nur einStück schreiben. Ich wollte aber gern darauf eingehen, dass in derMusikgeschichte die Schöpfung, das Genie immer männlich besetztist. Bis heute. Das ist für mich ein wichtiges, wenn auch traurigesThema: die Schöpfung ist männlich, das Genie ist männlich, gerade in der Musikwelt. Als Frau vegetiert man da nebenbei ein bissele mit,darf als Narr mitlaufen, aber wirklich ernst wird man nicht genom-men. Deswegen habe ich mir gedacht, o.k., da ist dieses große Werkvon Haydn – die Schöpfung, und ich behaupte nun mal – mit zweiFrauen aus Literatur und Musik –, dass es vielleicht ja doch eine weib-liche Schöpfung gibt, auch wenn es als Anmaßung angesehen wird.Der kurze Film ist ironisch gehalten, mit Selbstironie durchdrungen.

Ulrich Mosch: Diese Selbstironie ist unübersehbar an jenen Stellen,wo die beiden Frauen quasi schaffen – „was Großes“, heißt es, oder„was Enormes“ – den genauen Wortlaut habe ich nicht präsent. Es sind alttestamentarische Worte: Ja, wenn Gott spricht ...

Olga Neuwirth: Und Gott schuf die großen Ungeheuer.

Ulrich Mosch zu Lillevan: Dieser Film hat als Thematik das Schaffen,in mehrerlei Hinsicht: Die Schaffenden werden geschaffen, und dieSchaffenden schaffen. Diese Thematik ist im Vergleich zum vorher -gehenden Film auf eine ganz andere Weise visualisiert. Wir hören nichtmehr Klänge, die bereits vorhanden waren und die du sozu sagen mit Bildern ausstattest. Vielmehr erscheint das, was geschrieben wird,hier als vergängliche Spur in Form von Zeichen, die in den Raum ent-

schweben, manchmal wie eine Wolke, die die Hände von Elfriede Jelinek oder deinen Stift umkreisen. In deiner Visualisierung gibt esverschiedene Bildwelten: einmal jene für Schöpfen und Schaffen,dann die anderen sehr klar abgegrenzten Bereiche des Himmels unddessen, was darunter passiert – Wasser in allen möglichen Formen.Die Schöpfungsgeschichte sozusagen auf ein paar emblematische Aspekte komprimiert. Könntest du etwas zu diesem Konzept sagen?

Lillevan: Ich sollte vorher kurz erklären, wie wir zusammen arbeitenoder wie es gekommen ist, das wir jetzt beide hier stehen. Ich binVideo künstler, der normalerweise nicht mit anderen zusammenarbei-tet. (...) es sei denn, beide improvisieren, aber jeder ist Herr seinesProjekts. Hier mit Olga, arbeite ich zum ersten Mal in meinem Lebenmit jemandem, wo die Ideen – man hat ja gesehen Idee und KonzeptOlga Neuwirth – Vorgaben sind von ihr, aber mit wahnsinnig viel Freiheit für mich. Das ist für mich sehr spannend und sehr erfüllend.Zur Frage: das waren alles sehr klare Ideen von Olga. Wann, in wel-chem Moment genau muss etwas sehr präzise kommen. Sie ist ja sehrpräzise. Dazwischen gibt es dann Stellen, da kannst du machen, wasdu willst. Wann die Buchstaben kommen sollen von Elfriede Jelinek –das waren alles Vorgaben von Olga, weil das auch in der Musik sehrwichtig ist, in der Komposition – der Film ist ja auch eine Komposi-tion. Beant wortet das erstmal die Frage?

Ulrich Mosch: Ich möchte gerne noch bei der Bildkomposition blei-ben. Es gibt hier eine klare Gliederung: Wir haben ein Oben, einenRechts-Links-Lauf mit den Wolken. Wir haben unten sozusagen dasBrodelnde und schließlich die Überblendungen der beiden Protagonis-tinnen. War das eine Vorgabe von dir oder ist das eine Entscheidunggewesen, die du getroffen hast aufgrund von den Ideen, die Olgagelie fert hat.

Lillevan: Nein, das sind schon alles sehr klare Vorgaben von Olga. Das ist das einzige Projekt, würde ich sagen, wo ich mir was sagenlasse. Wir haben auch andere Projekte gemacht. Da habe ich vielmehr Freiheit. Aber hier gab es ein Drehbuch.

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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Ulrich Mosch: Du hast ja mit Elfriede Jelinek schon öfter zusammengearbeitet. War die Idee, sie für dieses Projekt zu fragen, mit demAuftrag verbunden? Oder wuchs die Idee aus einer früheren Zusam-menarbeit heraus? Denn sie schreibt ja diesen Text über Vergänglich-keit von Musik -– also über Schaffen und Vergehen. Die Wahl dieserAutorin hat sicher viel mit eurer Geschichte – der Vorgeschichte sozu-sagen – zu tun?

Olga Neuwirth: Das ist ein sehr langer Aspekt, weil es eine langeFreundschaft ist. Dieser Textausschnitt ist eigentlich geschrieben wor-den für den Film „Composer as Mad Scientist“. Der ist immer wiederin Auftrag gegeben und immer wieder abgelehnt worden. Diese Ge-schichte, dass wir immer wieder hergenommen und rausgeworfenwurden, ist ein (trauriger) roter Faden in unserer Zusammenarbeit.Anscheinend sind zwei Frauen zu viel. Diese Aussage scheint ja wahrzu sein, denn ich habe sie von einem Regisseur sogar schriftlich ...Also der Höhepunkt war dann 2004. Für die Salzburger Festspiele,wofür sie mir ein neues Libretto geschrieben hatte 2002, weil man esvon ihr zuerst wollte und sie es für mich gemacht hat und nicht weilwir uns aufgedrängt hatten. Dieses wurde aber zwei Monate vorihrem Nobelpreis endgültig, nachdem es von allen möglichen Musik-institutionen Europas (von den Salzburger Festspielen zur Pariser Oper,zur Berliner Staatsoper, nach Basel und wo sonst noch überall) ange-sehen und dann wieder abgelehnt wurde, eben letztlich 2004 vonallen Herren endgültig abgelehnt. Ich frage mich: warum macht mandas nicht mit der Kollaboration zweier Männer, wo die Librettisten oftnicht mal Schriftsteller sind? Warum werden die nicht so abschätzig,respektlos behandelt? Deswegen habe ich Elfriede Jelinek gebeten,einen Teil dieses Textes einzusprechen für dieses kleine Film-Projekt.Dieses Hernehmen und Wegnehmen, auch Wegstellen, dass die Ge-dankenwelt von Frauen keine Rolle spielt, weil die Herren der Schöp-fung entscheiden, was gut und was schlecht ist, wollte ich mit diesemText-Fragment als „internal joke“ für diesen kleinen ironischen Beitragzeigen. Es war ein Anlass, uns auf eine bestimmte Weise über dieSchöpfung an sich und uns selbst lustig zu machen, weil ich nur mitZwangswitzen die Missachtung der Arbeit und der entgegengebrach-

ten Verachtung mir als Person gegenüber überleben kann. Denn alsFrau, die sich kritisch äußerst, weil sie hinterfragt was hinter den Vor-hängen so läuft und nicht alles hinnimmt, wird ohnehin nur als sinn-entleerte Jammerin hingestellt. Darum gibt es z.B. den Streifenzwischen Himmel und Erde im Film. Die klare Trennlinie. Der Himmelbleibt der Himmel und die Hand kommt immer von oben aus diesemBereich herunter gefahren – ich habe extra eine ganz dicke, große,männliche Hand gesucht, die Gottes Hand repräsentiert. Um zu zei-gen, wir dürfen existieren, aber nur so lange, solange die männlicheHand es erlaubt. Wenn wir weg sind, sind wir halt wieder weg. ImWasser dürfen wir vielleicht wieder wie kleine Ungetüme weiterwu-seln, haben aber keinen Einfluss auf das Geschehen. Oder wir dürfenkurz herausgeholt werden und dann dürfen wir wieder verschwinden.Nur nicht zu lange bleiben bitte! Darum schauen wir zum Schuss auchrauf zum Himmel und sagen: „Naja, sind wir gut genug für Sie?“

Ulrich Mosch: Darf ich noch einmal fragen zur eurer Zusammenarbeitvor diesem Projekt. Du hast gerade gesagt, es sei eine besondere Arbeit für dich gewesen, weil du dir etwas hattest sagen lassen. Nungab es das schon erwähnte Projekt „Kloing!“ für Weimar, wo dieRollen ver teilung ganz anders ausgesehen hat?

Lillevan: Das entstand aus einem anderen Projekt, wo wir uns in Berlin kennen gelernt haben. Da hieß es: „Du kommst nach Triest und bringst die Kamera mit, hier wird was gefilmt.“ Ich hatte keineAhnung, worum es eigentlich geht. Aber wir haben dort in der GrotteGigante gefilmt. Ich habe einfach sehr viel Material gesammelt undimmer überlegt, „Worum geht es jetzt, was wird passieren bei diesemStück?“. Ich habe dann viel recherchiert, kam immer wieder auf dasBösendorfer Klavier, was wir da benutzt haben. Ich hatte viele Ideen,war oft in Wien – da haben wir zusammen mit dem Sound-DesignerPeter Plessers aus Graz, gesprochen. Viele Ideen von mir wurden dannaufgegriffen, noch mal verändert und ich dachte: „Ah, es geht doch,dass man mit jemandem zusammenarbeitet“. Das Interessante an soeiner Art Zusammenarbeit ist, dass man auch über ganz andere Sa-chen spricht, dass man merkt, es gibt eine menschliche Verbindung,

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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oder einen menschlichen Wunsch, etwas zusammen zu erarbeiten indieser Welt. Also „Kloing!“, ist eines der vielschichtigsten Werke, mitdenen ich jemals zu tun hatte. Ich kam gerade aus einem anderenProjekt, wo ich zehn Jahre lang mit jemand gearbeitet hatte. Ich habenur noch gespielt überall auf der Welt, in Philharmonien auftreten,Geld, Hotel, nach Hause. Diese Arbeit war wirklich fast inhaltslos geworden. Aber bei jeder neuen Aufführung von „Kloing!“ entdeckeich immer noch etwas. Weil es Live-Video ist, ich spiele das live. Dahabe ich Vorgaben von Olga. Ganz genau, in der Sekunde muss die-ses Video kommen, mit diesem Klang, aber dann sind 15 Minuten, da kannst du machen, was du willst. (...) Diese Segmente der Mitte,die ich live mixe, die sind jedes mal anders. Hoffentlich besser, weilich mir jedes mal Gedanken mache: „Gut, was hat diesmal gefehlt,wie kann man an der Balance arbeiten?“

Ich mache seit vielen Jahren Live-Film: einen Film erstellen vorPubli kum, mit vielen tausend Schnipseln Video auf zwei Laptops, miteiner Leinwand, mit einem Orchester oder mit Tanzkompanien, undjedes mal ist er anders. Ich komme aus dem Kurzfilm. Ich war frus-triert, dass man nie den Film ändern kann. Ich saß im Publikum beieuropäischen Filmfestivals und dachte: „Jetzt kommt wieder dieserMoment, den ich so gerne geändert hätte“. Dann fing ich an, meineeigenen Filme live vor Publikum zu generieren. Diese Erfahrungen fließen in ein Projekt wie „Kloing!“ und auch in „Nomi“.

Ulrich Mosch: Wir haben es hier mit Prozessen auf der Bildebene zutun, die man bei Musik häufiger antrifft. Zwar möchte ich das jetztnicht unbedingt mit dem Begriff „Improvisation“ bezeichnen, aberdas Verfahren besitzt natürlich den Aspekt der Freiheit der Wahl auseiner ganz bestimmten Situation, aus einem Moment heraus, viel-leicht auch aufgrund der Empfindung, einer Stimmigkeit der zeitlichenDramaturgie Entscheidungen zu treffen, die dann sofort sichtbar werden.

Lillevan: Meine Augen waren als Kind sehr schlecht und ich habeimmer mit meinen Brillen gespielt, um eine Realität selber zu formen,also mit Lichtbrechungen an der Wand. Ob ich jetzt irgendwie mitSuper-8-Projektoren und Kameras und Laptops arbeite, es ist immer

noch die gleiche Beschäftigung. Wir reden viel über Sachen, die wirgerade dazu gelesen haben, was Oliver Sacks gerade geschrieben hat,wie das Auge, wie das Ohr funktioniert. Das sind alles Sachen, diefließen für mich in diese Arbeit ein, vielleicht fürs Publikum gar nichterkennbar bei einer Hommage an „Nomi“.

Ulrich Mosch: Das heißt, es geht immer auch um künstlerische Pro-duktionsprozesse auf beiden Ebenen, in der Verbindung beider Seiten – von Klang und Bild. Ich habe noch eine Frage zu den Klängen ganzam Ende des Schöpfung-Films. Woher kommt diese Klangwelt oder inwelcher Beziehung steht sie zu dem, was wir vorher gesehen und ge-hört haben?

Olga Neuwirth: Das sind alles von mir aufgenommene Glasklänge.Eine meiner Besessenheiten sind Glasklänge, also solche ohne Ober-töne. Ich habe immer wieder eine Glasharmonika gemietet und pro-biert, was kann man mit diesen verschiedenen Glasschalen machen.Habe sie einzeln aufgenommen und in Akkorden, sie sind sozusagenohne elektronische Veränderung, außer wenn ich manchmal ein bisschen mehr Hall drübergegeben habe oder sie so ineinander/über-einander versetzt habe, dass Schwebungen entstehen, dass manglaubt, es könnte ein elektronischer Klang sein. Diese „Unschulds-welt“ des Glases am Ende, – wie eine engelsgleiche, leere Welt, woalles sein kann!

Man hat ja oft Such-Prozesse über Jahre, man sucht sich und mankonzentriert sich einmal auf diesen Moment und dann wieder aufeinen anderes Phänomen, aber es gibt auch Konstanten, für die mansich immer begeistert. Das ist sowohl in meiner kompositorischen Arbeit so, als auch in der Auseinandersetzung mit Film. Ich habe jaFilm studiert und wollte diese Ideen in einen großen Spielfilm mündenlassen, indem ich ein Drehbuch geschrieben habe und auch schon dieBesetzung, mit Zusage, hatte. Aber auch dieses Projekt wurde trotzzweier sehr bekannter Schauspieler, die mit mir arbeiten wollten, ab-gelehnt.

Es geht mir immer um Raum, um Architektur, um die Abgründe desMenschen, die menschliche Stimme, auch um die veränderte mensch-

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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liche Stimme und natürlich auch um Musik in den verschiedenstenFunktionen. Musik kann ja so viele verschiedene Funktionen haben,deswegen habe ich auch Hörspiele, Filmmusiken und Theatermusikengemacht, also auch meine Art für mich selber zu reflektieren: washabe ich überhaupt noch für eine Funktion als klassischer, zeitgenössi-scher Komponist in unserer Zeit?

2009 habe ich eben ein Drehbuch geschrieben, sozusagen wie einzusammenfassendes großes Werk darüber, was mich interessiert undberührt und begeistert. Es ging darum, auf der Basis von HermanMel ville zu sagen: Was ist ein moderner Ishmael? Das ist für michheute eine Frau. Darum heißt die Frau auch Ishmaela. Es ging umdiese Identitätsprobleme heute, die irgendwie jeder hat und speziellauch ich als Komponistin in der sogenannten „zeitgenössischen klassi-schen“ Musik. Also eine Ishmaela, die heute einsam und grübelnddurch New York geht, ihre Identität sucht und vielleicht am Meer,durch das Meer eine eigene findet. Ich bin zu den verschiedenstenOrten von Herman Melvilles Leben gefahren. Er wurde ja 1920 – dasfand ich auch für einen Film ganz schön – ausgegraben und neu be-graben, weil er nun zum Star der amerikanischen Literatur erhobenwurde. Weil er verarmt und völlig vergessen starb, suchte die Familiefür das „schwarze Schaf“, wie sie ihn nannten, weit außerhalb vonManhattan ein Grab. Am Woodlawn Cemetery. 1920, als er dannauch u.a. durch James Joyce’s großes Interesse an Moby Dick und derAuflage von Moby Dick als Kinderbuch berühmt wurde, wurde ereben ausgegraben und mit großem Pomp – das Filmmaterial soll esgeben, aber es wird nicht herausgegeben, ich habe alles möglicheversucht daran zu kommen – wieder eingegraben. Diesen Momenthabe ich hergenommen: Herman Melville gilt heute als der größteamerikanische Dichter, obwohl er zu Lebzeiten völlig ignoriert wurde(auch von Freunden und Kollegen), steht aus seinem Grab auf als„Old Melville“ und landet im heutigen New York, und beobachtet dieses heute mit seiner Figur Ishmaela gemeinsam.

Ich musste nun zwei Hauptdarsteller finden. Manchmal muss manja größenwahnsinnig sein: ich habe Fiona Shaw als Ishmaela ange-schrieben, sie in London getroffen und sie hat zugesagt. Für HermanMelville habe ich eine private Verbindung zu Harvey Keitel bekom-

men, er hat auch zugesagt. Ich habe in der Zeit in New York gelebtund bin keine Filmemacherin, aber zwei Filmstars haben einer Kom-ponistin geglaubt – die Überraschung war groß für mich. Das wurdedann eingereicht im Österreichischen Filmfonds und dieser hat dasvollkommen abgelehnt. Sie haben gemeint, dass es nicht sein kann,dass zwei solche Größen einer österreichischen Komponistin ver-trauen (einem gleichaltrigen Schriftsteller hatte man ein Jahr davorsehr wohl zugetraut einen Film machen zu können und der Film, derauch wirklich eindrucksvoll ist, hat auch viel Aufmerksamkeit erregt).Noch dazu ist der Film auf Englisch: warum also da Geld in eine Kom-ponistin stecken? So konnte ich mein Werk, wo alles drin ist, wasmich bewegt und interessiert, nicht verwirklichen. Zermürbend alles.Vielleicht ist das aber auch gut, sonst hätte ich vielleicht gesagt: „Das ist jetzt mein Gesamtwerk, und jetzt kann ich aufhören“ (lacht).Vielleicht war das der Wunsch. Das Peinliche war aber für mich, dassman dann so zwei großen Schauspielern, da ich mich ja persönlich ansie gewandt habe und die mir vertraut und etwas zugetraut haben,sagen muss: „Entschuldigung. Es ist leider nichts draus worden.“ (allg. Gelächter)

Ulrich Mosch: Ich denke, an diesem Punkt können wir das Wort insPublikum geben. Sind irgendwelche Fragen, Anmerkungen, Kommen-tare?

Publikum: Was ich nicht verstanden habe: Der erste Film entfalteteinen wunderbaren Kosmos, ein Kaleidoskop über verschiedene Zeit-begriffe. Die chronometrische Zeit und die zyklische Zeit und die Erin-nerung und die Gleichzeitigkeit von Zeit in der Vorstellung und ihreEntfaltung usw. usw. Und der zweite Film liefert im Vergleich dazueinen Text, der Zeit auf einen Begriff reduziert, also sozusagen Zeitbe-grifflichkeit geradezu banalisiert. Wie geht das beides zusammen?Das habe ich nicht verstanden.

Olga Neuwirth: Ja, da kann ich nichts machen. Das ist so. Ich ver-steife mich nicht nur auf einen Stil. Ich muss mich nicht immer gleichvervielfältigen, um zu bestätigen, dass alle Welt weiß, Schublade auf:

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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Neuwirth drin. Es geht hier um was anderes. Es geht in diesem Fallnicht darum, den Zeitbegriff filmisch festzuhalten, wie im ersten Film,sondern es geht darum, mit einem ironischen Blick an ein Themaheran zu gehen. Das Thema ist in dem Film wichtiger als der Zeitbe-griff. Also Jelinek zitiert zwar aus ihrem über das Vergehen von Zeit,aber es geht hier nicht um den Begriff der Zeit selbst, sondern eherum diesen Begriff der Schöpfung als einen ironischen Kommentar zuder Schöpfung von Haydn. Der Kontext ist ein vollkommen anderer,darum ist der Film auch völlig anders, darum sind die Mittel vollkom-men anders und deswegen hat es auch einen anderen Zeitbegriff, die Musik ist anders, also alles ist anders. Also diese zwei Filme kannman gar nicht vergleichen.

Publikum: Mich hat fasziniert, wie sinnlich und rhythmisch und ein-fach in diesem anderen Zeitmedium Film die Zeit im Blick dargestelltwar. Gerade in der Unterschiedlichkeit dieser Filme. Es war rhyth-misch so spannend, wie auch die gespeedete Hand sich bewegte. Ich mochte diese Sinnlichkeit der Darstellung. Auch im zweiten, ironi-schen Film: wie die Zeit durch die Visualisierung auf der Leinwand,auf dem Bild entstand. Wie arbeiten Sie im Schnitt oder wie entstehtdieser sinnliche Fluss? Ist das wie bei der Komposition eine Arbeit am Detail, wo man immer wieder was verändert? Also wie wird dasso sinnlich und so leicht dann am Ende?

Olga Neuwirth: Also, es freut mich, wenn es so ist, aber ...

Publikum: Die abstrakte intellektuelle und gleichzeitig sinnliche Arbeit, die dann zu dieser sinnlich-leichten Ausformung und zu die-sem Resultat führt.

Olga Neuwirth: Ich finde, es ist auch eine Art von jüdischer Tradition,das muss man auch sagen. Also es ist ein guter, selbstironischer,selbstkritischer Witz. Ich mache mich über bestimmte Dinge lustig,also über die schrecklichsten Dinge der Welt mache ich mich miteinem Sprachwitz lustig, so kann ich darüber irgendwie hinwegkom-men, um überhaupt weiter existieren zu können. Die Struktur und die

Konstruktion sind absolut streng und präzisest ausgedacht. Aber ichwill mich nicht in mein eigenes Gefängnis sperren. Also: Wie überlisteich mich selbst? Das heißt, was nehme ich weg? Holzhammer-Ironieinteressiert mich nicht. Das Gebrochene, oder eben auch, dass das, so scheinbar leicht und improvisiert wirkende, so gar nicht ist, wennman dahinter blicken bzw. hören möchte bzw würde. Es scheint nurso. Es kommt in einer Maske daher. Bei meinen Stücken wird oft ge-sagt: Das war schön improvisiert! Sage ich: Ja, wunderbar, schauenSie mal die Partitur an.

Mit Lillevan war es deswegen auch so interessant und spannend zu arbeiten, denn ich gebe etwas vor, aber ich nehme mir gleichzeitigmeine Autorität weg, um alles bis aufs Letzte zu entscheiden. DieGrundstrukturen bleiben, aber das „Dazwischen“ kann auch andersgefüllt werden. Aber bei ihm eben nie, um mich bloß zu stellen odermich um zu interpretieren, wie es bei meinen Musiktheatern ständiggemacht wird. Ich überlasse das Mitdenken auch jemand anderem,dem ich eben vertraue. Denn wenn ich ihm nicht vertrauen könnte,könnte meine Arbeit, meine Ideen und ich auch sofort zerstört wer-den, was ja oft genug passiert ist. Es geht um gegenseitigen Respekt.Es gibt mir das Gegenüber die Möglichkeit, in einen anderen Fluss zutreten, den ich mir vielleicht selber verbieten würde. Das finde ichsehr spannend, da ich ja sonst im stillen Kämmerlein alles ganz genaumit mir selber ausmache beim Notieren. Das hat mich auch beimDrehbuchschreiben interessiert, es ist eine Vorlage, die dann verän-dert werden kann durch die Kamera, den Schnitte, den Ton usw. Alsoich versuche, so genau wie möglich einen Ablauf zu gestalten, so wieich ihn haben will. Aber beim Schnitt und auch im Tonstudio kannman dann noch vieles ändern, verändern.

Das heißt, was ich faszinierend finde, ist der zunächst theoretisch,strukturelle Ansatz, der mir sehr wichtig ist, damit ich einen für michstimmigen dramaturgischen Bogen schaffe und dann auch frei agie-ren kann im Rahmen. Ich finde, an eine Dramaturgie zu denken, istwichtig. Dass das Gesamte präzise gedacht ist. Aber dann denkt ichmir oft: „Nein, du kannst da nicht bei deinem starren System bleiben.Weg damit. Grässlich“. Oder es brauchen oft Prozesse mehr Zeit. Also zum Beispiel auch bei der Musik zu Filmen: dieses Hin und Her,

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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bis etwas stimmig ist zu Bildern. Das passiert dann wirklich auch nur,wenn man das eigene und das andere Material bestens kennt. Es istauch oft angenehm für mich, deswegen mit Filmbildern zu arbeiten,weil ich sofort etwas sehe und darauf reagieren kann. Beim Kompo-nieren ist es ja immer nur im Hirn alles abstrakt, da ich mich nur aufmein eigenes Hirn verlassen kann. Das ist oft schrecklich. Aber ichkann es ja noch nicht wirklich hören, nur eben virtuell in meinemHirn. Jeder Mensch ist anders. Das heißt, ich muss zu mir selbst tole-rant sein und zum Anderen in diesen Arbeitsprozessen. Deswegenfinde ich oft die Arbeiten im Schnittstudio und im Tonstudio dasSpannendste, weil ich ständig ausprobieren kann – auch bis manwahnsinnig wird und nichts mehr hört und sieht... Also ich habe Lille-van auch bei diesem kleinen Film gesagt: Bitte noch einmal so oderdann nochmals so ändern. Ich glaube, er war schon ziemlich entnervt.Das ist wirklich was Intuitives, ob es für einen stimmig ist oder nicht.Ich glaube, das kann man auch nicht lehren. Deswegen finde ich zumBeispiel auch Komposition zu unterrichten etwas sehr Problemati-sches. Jeder hat ein anderes Gefühl und eine andere Geschichte undandere Erinnerungen, was für ihn Zeit und Klang bedeuten. Daher istes oft angenehmer, man überlässt es manchmal jemand anderem ...(lacht).

Lillevan: ..., ich habe davon bestimmt 25 Versionen gemacht, die ichdann in die Drop Box reinlege und schreibe: „Olga, lad es dir runter,schau es dir an. Sind die Buchstaben jetzt wie du denkst?“ Undmanchmal meint sie: „Ja, ja, die sind egal, aber die zweiten – damusst du noch ganz viel ...“. Und dann will sie noch sieben Versionenhaben oder so. Also es ist schon sehr präzise am Anfang, aber mit vielFreiheit und viel Toleranz sich selber gegenüber und auch dem Werkgegenüber.

Publikum: Ich würde gern noch etwas Anekdotisches anfügen. Uli Aumüller hat mich mal hier bei The Look of the Sound gefragt, obder Arbeitsprozess nicht sichtbar sein soll. „Hast du eigentlich nachge-dacht? Hast du ein Konzept, bevor du zum Drehen gehst?“ Eigentlichist das ein Riesen-Kompliment. Wenn man im Resultat nicht mehr die

Anstrengung sieht, die es bedeutet hat, es hervorzubringen. HelmutLachenmann hat mal gesagt hat: „Wer ganz genau weiß, was er will,der will nur, was er schon weiß und das ist zu wenig“. Jetzt eineFrage: „Sie haben gesagt, im Kopf ist es zusammengeschoben, allesschon da. Und es muss dann ausgefaltet werden“. Ich meine, dasshaben die Philosophen aller Jahrhunderte seit der Antike immer wie-der beschrieben, das große Thema bei Condillac. Wie kriegt mandiese Intuition, den Geistesblitz, – wie kriegt man das dann in derAusfaltung aufs Papier?

Olga Neuwirth: Deswegen ist, glaube ich, die Freundschaft mit derElfriede Jelinek so eine lange, weil sie sich mit Musik auskennt unddas Problem des Komponierens erkannt hat. Sie hat ja selbst Kompo-sition, Orgel und Viola studiert. Sie hat selbst komponiert und kenntden musikalischen Prozess, an dem man eben verzweifeln kann, des-wegen hat sie auch aufgehört damit, wie sie meint. Es ist eben derPunkt, dass man alles durch ein kodifiziertes System sagen muss, dasist das eigentliche Problem. Man sieht ja auch im Film, sie ist wirklichunglaublich schnell beim Tippen, was gleichzeitig ihr Denken ist. Ichhabe ihr ein Stichwort gegeben und gedacht, sie tippt irgendwas reinund zum Schluss sehe ich: das ist ein vollkommener, perfekter Text!Ich war sprachlos. Ich habe gesagt: „Kamera läuft“, – und sie schreibtund schreibt und schreibt und schreibt – und ich sage: „Entschuldi-gung Elfriede, du kannst schon aufhören“. Ich habe ihr als Stichwortgesagt: „Denk’ bitte für Dich über Gott nach“. Und was war dann imComputer? Ein vollkommener Text mit unglaublich wunderbaren As-soziationen über Gott, den kann man veröffentlichen. Das würde ichauch gern, aber: „kritz, kritz, kratz, kratz“, ich muss so lange herumtun, bis da irgendetwas dann letztlich wirklich erklingt, weil es ja auchnoch andere zum Erklingen bringen müssen. Das Aufgeschriebene istja noch nicht einmal das klingende Resultat. Genau das hat sie ver -hindert, Komponistin zu werden, wie sie meint. Dieses „kodifiziertesSystem“ also, welche Note verwende ich, dass es dann so klingt wieich es im Kopf höre. Wer muss wie wann zusammen spielen, dass dasletztendlich meinen Klangvorstellungen annähernd entspricht. Nocheinmal: Dieser Moment des Schreibens – und ich bin ja auch mit vie-

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len österreichischen Schriftstellern aufgewachsen – ist natürlich auchbeim Schriftsteller immer diese schwere Arbeit: vom Kopf zum Blatt.Aber es ist sozusagen nichts dazwischen. Bei uns Komponisten istimmer dieses blöde kodifizierte System dazwischen, das eben so vieleRegeln erfordert, damit es ein Musiker überhaupt in einer bestimmtenArt und Weise zum Erklingen bringen kann. Es bleibt aber immer eine„fuzzy logic“. Ich bin ja total abhängig von jemand Anderem. Das hatsie (E. J.) auch gesagt: „Also ich schreibe es zumindest so wie ich esmöchte und das ist es dann auch. Ob es dann jemand liest, ist jaegal.“ Das, was ich als Komponistin geschrieben habe, in ein kodifi-ziertes System, ist noch nicht das, was ich wirklich im Kopf höre in allseiner Komplexität (...) Es gibt eben immer diese Grauzone, mit dermuss man leben lernen – und es ist oft sehr frustrierend, denn man istvom Gutwill anderer völlig abhängig.

Wenn der Komponist nicht selbst ein Musiker ist, wie das ja in frü-heren Zeiten und heute wieder im verstärkten Ausmaß üblich war,dass man nicht nur abhängig ist vom Anderen, vom Musiker, dann istes oft sehr frustrierend. Das hat mich eben gerade auch in diesemVergleich zu Elfriede Jelinek interessiert, nämlich, dass ein Denkpro-zess, Arbeitsprozess quasi intuitiver, schneller sozusagen, runter gehtvom Hirn in das was gewollt ist. Und ich immer abhängig bin.

Publikum: Eine Anmerkung zum ersten Film, der mir Mut macht, weil ich glaube, das er jenseits der Diskussion und Themen, die wirhaben, trotzdem funktioniert. Hier sind heute alles Menschen, die den Zusammenhang dechiffrieren können oder sich bemühen, es zutun. 99 Prozent der Menschen, die den Film sehen, fallen sofort raus,weil sie ja diese Fragestellung gar nicht kennen. (...) Ich suche immerKontakt zu den Menschen, in der Welt, in der ich selbst fremd bin.Wenn ich in einem koreanischen Kloster einen buddhistischen Mönchmalen sehe, dann bin ich dort fremd – weil ich seine Chiffren nichtverstehe. Trotzdem, obwohl ich weder den religiösen noch den bild-nerischen Inhalt dechiffriere, bin ich total fasziniert. Diesen Eindruckhabe ich hier auch, dass dieser Film eine große Faszination ausübt –jenseits jeglichen Erkennens von dem, was die meisten Menschenüberhaupt nicht verstehen müssen, dass das, was man hört, irgend-

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

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was mit den Noten zu tun hat. Die vielleicht verblüfft sind: Ah so, dasist ... Und man muss es gar nicht wissen. Ich glaube, dass die Faszina-tion dieses Filmes jenseits von all dem, was gerade besprochen wird,existiert.

Das finde ich sehr ermutigend. Das ist für mich etwas, wie deneige nen Käfig zu verlassen. Ich kann es nicht behaupten, aber ichhabe das Gefühl, dass – wenn man Leute fragen würde, die nicht ausunseren Welten kommen – dass sie trotzdem in diese Faszination hinein kommen. Man sieht einen Schatten. Welcher Mensch ist das?Welche Zusammenhänge? Auch dieser Sog in diesem Film, deshalbfunktioniert er als Film auch wirklich in dieser Verbindung und nichtnur als Kommentar.

Olga Neuwirth: Gut, es hat schon auch diesen grafischen Moment.Diesen grafischen Moment gibt es in allen Kulturen. Ich glaube, dasspielt auch eine Rolle.

Publikum: Haben Sie mal andere Formen des Komponierens überlegt,vielleicht mit dem Computer?

Olga Neuwirth: Der Computer hilft überhaupt nicht, das ist ein gro-ßer Irrtum. Er schränkt das Phantasieren ein. Es ist mehr die Fixationeines Programms, das normiert, das darf man ja nicht vergessen.Cage hat sich ja z. B. auch deswegen aus der Notation befreit, damiter frei ist von diesem langwierigen Niederschreiben. Aber man machtsich dadurch abhängiger von dem Anderen. Das darf man bei Cagenicht vergessen. Das klingt immer ziemlich schön. Aber der Anderemuss die Freiheit übernehmen und es zu etwas machen. Das wird beivielen Diskussionen ausgelassen. Haubenstock-Ramati und viele an-dere Komponisten dieser Zeiten, Earle Brown, haben natürlich auchalle versucht, sich zu befreien aus diesem starren 5-Zeilen-System.Aber je mehr ich aus diesem starren System herausgehe, desto mehrentferne ich mich von der Präzisionsmöglichkeit, was in meinem Hirnist. (...) John Cage hat sicher nicht das Problem gehabt wie ich, dasman bei jedem Stück vor einem Herzinfarkt steht, weil man so nervöswird, weil man das zu notieren versucht, was man hört. Er überlässt

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das den Anderen. Das ist eine philosophische Frage. Die muss jederfür sich selbst beantworten. Der Computer ist für dieses Problemkeine Hilfe. Ich verweigere mich zum Beispiel den Verlagen, die wol-len heute alle, dass man mit dem Computer schreibt, aber das würdemein musikalisches Denken verändern und einengen, weil dasSchreibsystem mir das Komponieren vorgibt und ich kann nur übermeine Handschrift mein Denken erkennen. Ich lasse mir doch nichtvom Computer das Komponieren vorgeben. Das sind dann zwarschön gedruckte, gleichmäßige Notenköpfe, vielleicht für Musikerzufrie den stellend, da die Noten alle schön stramm da stehen, siesagen aber überhaupt nichts über die Musik aus. Das ist das Interes-sant-Unheimliche: Ein Boulez schaut ganz gleich aus wie ein Debussyund ein Haydn im Notenbild des Computersatzes. Man kann fastnichts unterscheiden. Wenn ich meine Partituren sehe, gedruckt, er-kenne ich sie nicht wieder. Es gibt den individuellen Menschen nichtmehr wieder, wie er die Noten/Klänge in der Zeit strukturiert und ausbreitet. Es nivelliert vollkommen. Deswegen verweigere ich mich.Ich kenne das bei Kompositionsstudenten – die kämpfen zuerst allemit diesen Notationsprogrammen und nicht mit dem Inhalt der Musik und dann wollen sie nur noch für dieses System komponieren,damit sie dann gespielt werden, weil das von Orchestern und Ensem-bles so eingefordert wird. Ich sollte doch zuerst mal Fantasie ent -wickeln können und meine Gedankenwelt und muss dann danach einSchreibsystem wählen, das mir meine Ideen überträgt und nicht um-gekehrt.

Das wird viel zu wenig diskutiert. Viele amerikanische Komponistensind unglaublich schnell am Computer, weil es von klein an ganz üb-lich ist. Für die Orchester hat man nur so und so viel Probenzeit undda muss das Stück instant-mäßig funktionieren. Da wird das Blatt hin-gelegt und „schrumm, schrumm, schrumm“. Das hat mit Musik nochüberhaupt nichts zu tun. Das ist vielleicht gut gesetzt, aber es gibtkeine Fantasie und keinen Reichtum mehr. Da bin ich eben total alt-modisch, so lange es möglich ist, dass ich noch mit der Hand schrei-ben kann, will ich mich mit diesem 5-Notenlinien-System abplagen, esso niederzuschreiben, wie es in meinem Kopf am nächsten ist. Das istdas einzig Interessante am Komponieren für mich. (...)

Ulrich Mosch: Mit dem „altmodisch“ haben wir ein schönes Schluss-wort. Ich danke Olga Neuwirth, Lillevan für das Gespräch und ichdanke Ihnen fürs Zuhören.

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch mit Olga Neuwirth

Dr. Ulrich Mosch, Katrin Rabus, Olga Neuwirth

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Komposition – Filmkomposition – Komponistenfilm die Regisseure Andreas Rochholl und Uli Aumüller im Gespräch

Andreas Rochholl: Ich arbeite seit vielen Jahren mit Sidney Corbettzusammen an bestimmten Projekten zwischen Aug und Ohr, zwischender absoluten Musik und der Visualisierung von Musik. Es gab be-stimmte Fragestellungen, die wir untereinander in den letzen Jahrenentwickelt hatten, vor allen Dingen aus dem Film des letzten Jahresmit der Musik von Morton Feldman. Dem Film Half the Heart liegt einLied von Sidney Corbett zugrunde.

Uli Aumüller: Im letzten Jahr haben wir I met Heine on the Rue Fürstenberg von dir gesehen. Bei dieser Musik von Morton Feldmanhast du die Instrumentalisten nach und nach ins Bild gesetzt und inBeziehung zueinander gebracht. Bei Half the Heart sehen wir eine Geschichte, die viel mit der Zauberflöte zu tun hat: ein Mann, der einGlockenspiel betätigt, jemand, der Flöte spielt, einen Tamino, derseine Pamina auf einen Weg führt. Das hat sehr viel mit Symbolen zutun, die wir alle kennen, die wir alle spüren in unserem kulturellen Bewusstsein. Wie kommt es zu der Idee? Wie setzt du dann diese Geschichte mit deinen Schauspielern um, die ja sicherlich auch Mit-spracherecht haben?

Andreas Rochholl: Ich habe letztes Jahr, angeregt auch durch diesesForum, viele Filme, die mit Musik zu tun hatten, gesehen. NichtMusik dokumentationen, sondern Begegnungen zwischen Film undMusik. Die Erfahrung, die ich auf den Filmfestivals gemacht habe, wardiametral anders als die, die ich hier und in der Musikwelt gemachthabe. Auf den Filmfestivals ist ganz klar das Visuelle wichtig und derTon kommt ganz zum Schluss, er dient dem Film. Hier ist es genauumgekehrt. Hier dient das Bild der Musik, erklärt und unterstützt sie.Aber es ist immer klar, was sozusagen unantastbar ist. Mich hateigent lich interessiert, wie kann man diese zwei Bereiche auf Augen-höhe miteinander bringen – ein Problem, was ich aus der Opernweltkenne. Es gibt den reinen O-Ton, wo einfach der optische Raum mitdem akustischen übereinstimmt. Das kennen wir aus der Konzert -

dokumentation. Er richtet sich meistens nach dem Ideal, dass derKlang möglichst schön, möglichst perfekt sein soll. Das ist in der Pop-musik nicht anders als in der Klassik. Nur in der Popmusik hat daseinen anderen Grund. Wenn Madonna z.B. ein Musikvideo macht,dann möchte sie, dass das wiedererkennbar ist.

Aber der Hauptkonflikt bleibt, dass der akustische Raum ein ande-rer ist als der visuelle Raum. Deshalb steigt unser Instinkt eigentlichnie ein. Wir gucken das also intellektuell an. In einem richtigen Film,wo wir einsteigen, müssen die Instinkte mitgehen, das muss eineNähe erzeugen. Wenn ich einen Kamerasprung mache: Nah ran.Dann verändert sich auch die Akustik. Wenn ich das nicht tue, be-haupte ich etwas, was gegen meine Instinkte ist.

Ich sehe einen akustischen Raum, der sich nicht bewegt, weil ereigent lich von der Idealposition, wo die Mikros stehen, ausgeht. Aber die Kamera bewegt sich ständig. Das stimmt im Instinkt nicht.Deshalb unsere Fragestellung: Wie können wir mehr Nähe bringen?Deshalb war die Aufgabe, dass Kameramann und Tonmeister gleichwichtige Personen am Set sind, die beide gleich wichtige Entschei-dungen treffen und miteinander den Drehplan machen. In der Musik-welt dominiert der Tonmeister, oder der Dirigent, der Komponist. DerKameramann darf ganz leise irgendwo eine Position suchen. In derFilmwelt ist es genau umgekehrt. Unsere Ausgangsposition war ersteinmal herauszufinden, wie geht das überhaupt? Was für Materialnehmen wir? Wir haben uns gesagt: es kann sein, dass wir sehr kom-plizierte Dinge ausdenken, also muss das musikalische Material sehreinfach sein. Menschliche Stimme und ein Begleitinstrument mitei-nander in Beziehung zu setzen, so fing es eigentlich an. Das musikali-sche Material verändert sich ja auch. Wie kommt man in ein Lied rein,wenn man es nicht einfach behauptet als fertiges Stück? Da muss ichdas Material verändern. Das haben wir miteinander gemacht. Es gingalso um diese Fragen. So haben wir uns dieses Lied ausgesucht undso entstand dann mit den Schauspielern dieser Film.

Uli Aumüller: Diese Klänge von Pferden und von dieser Maschineusw. – das war alles vorgeplant mit Sidney Corbett?

Kompositionen – Filmkompositionen – KomponistenfilmeGespräch Andreas Rochholl mit Uli Aumüller

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch Andreas Rochholl mit Uli Aumüller

Half the Heart Kurzfilm von Andreas Rochholl Musik: Sidney Corbett Kadmos ProductionBerlin

Dauer: 12:52 min 2012

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Andreas Rochholl: Draußen in der Welt glaubt uns das keiner, dasseine Sängerin sofort mit vollem Ton singt, das ist eine Behauptung.Da haben wir schon 99 Prozent der Menschen verloren. Wir wolltenalso eine Geschichte erzählen: Wie kommt ein Mensch dazu, zu sin-gen? Sie kennen vielleicht diesen Schubert-Film mit Udo Samel. Ichhabe nie etwas Berührenderes gesehen (Anm.: „Mit meinen heißenTränen“).

Andreas Rochholl: ... wie Udo Samel am Klavier sitzt, „Eine Krähe“von Schubert singt. Das ist für mich so authentisch, ich bin selbst aus-gebildeter Bariton, habe es oft gehört. Aber wie er das singt, alsSchauspieler, das galt für mich immer so als Richtung: wie kann manerklären, dass ein Lied überhaupt gesungen wird? Als ich das damalsgesehen habe – es war plötzlich nicht mehr ein Kunstprodukt irgend -wo auf der Bühne da oben, es war die Nähe. Wie entsteht so einKunstprodukt?

Uli Aumüller: Wie kann aus so einer abstrakten Aufgabenstellung amEnde ein solch poetisches Werk werden? Da steckt nicht nur die Ideedahinter, alle Bestandteile, sowohl das Bild als auch die Einstellungen,den O-Ton, also den dokumentarischen Ton und die Musik aufeinan-der abzustimmen in irgendeiner Form, sondern es muss ja ein roterFaden her. Wer spinnt den? Wo kommt der her? Wo führt der hin indem Stück?

Andreas Rochholl: Das war ungefähr ein Dreivierteljahr Entwick-lungsarbeit. Was geht, was geht nicht? Der Pianist hat für diese Rolleerst einmal ein paar Tage als Reinigungskraft in dem Bahnhof gearbei-tet, um einen eigenen Zugang dazu zu haben. Zu sehen, wo könntedenn aus dieser Welt heraus Musik entstehen? Erst als wir gesehenhaben, er hat sich in dieser Arbeitswelt etablieren können – er isternst genommen worden – hatten wir plötzlich diese gesamte Ebeneauf unserer Seite und konnten miteinander etwas entwickeln: Wiekönnen wir im Bahnhof mit diesem Team darstellerisch umgehen? So habe ich dann allmählich eine Geschichte daraus entwickelt, imZusammenspiel mit dem Ort, mit den Klängen und mit den Leuten.

Die Sängerin zum Beispiel hatte die schwierigste Aufgabe. Sie allewissen, was das heißt, zu singen – morgens um fünf Uhr. Was michinteressiert hat: Gelingt es zum Beispiel, wenn ich eine 16-taktigePhrase habe von der Sängerin. Der erste Takt ist irgendwie O-Ton aufder Straße. Dann begleitet die Kamera die Sängerin und ich bleibeimmer bei ihr und sehe, dass sie im Konzertsaal ankommt und habedann ein Crossfade von einem O-Ton in einen Idealton, ohne dass iches merke. Ich bin aber immer lippensynchron. Gelingt das? Solche Fragen haben uns interessiert. ... Also ich habe im Schnitt mit 25 Ton-spuren gearbeitet, also immer diese Entscheidung: Wann komme ichaus der Nähe des O-Tons ganz allmählich in den Idealraum des Klan-ges? Aber wir haben viele Dinge nicht gelöst. Es war eher so eine Be-wegung dahin, ob es zwischen dem optischen und akustischen Raummehr Gestaltungsmöglichkeiten gibt.

Uli Aumüller: Du arbeitest ja schon lange in diesem Bahnhof. Ihr gebtda auch öffentliche Konzerte, d. h., Ihr kennt diesen Raum genau.Vielleicht am Ende ein kurzes Statement dazu.

Andreas Rochholl: Ich bin sicherlich beeinflusst von John Cage: dassder Ort selbst, wenn man sich ganz auf ihn einlässt, ganz viele Ge-schenke mitbringt. Auch im Gegensatz zu der Lyrik von der ChristineLavant, die ja eine äußerst prekäre Lebenssituation mit hineinbringt,als Kontrast zu diesem gewaltigen technischen Bauwerk. In dem sichEinlassen darauf ist uns ganz viel geschenkt worden.

Uli Aumüller: Ich hatte im letzten Jahr hier schon einen kurzen Aus-schnitt aus einer Serie von Studien gezeigt, John Cage kombiniert miteinem Winterbild. Diese Serie hat auch ein Komponist gesehen, derebenfalls daran beteiligt war – Gilles Gobeil. Mit ihm zusammen ent-stand die Idee, anders herum vorzugehen als Andreas Rochholl: eineBildvorlage zu kreieren, die dann als Partitur oder als offenes Buch, alsAnregung zur Musikkomposition vom Komponisten verwendet wer-den kann. Genau wie bei dem Stück von John Cage ist es eine Anima-tion einer Panoramafotografie, aus diesem selben Waldstück. Es ist imHerbst 2012 entstanden.

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch Andreas Rochholl mit Uli Aumüller

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch Andreas Rochholl mit Uli Aumüller

Aus der Serie Der Wald ist derbessere Konzert-saal ... Gilles Gobeil –Nachtlicht Buch und Regie: Uli AumüllerMusik: Gilles Gobeil Produktion Inpetto-filmproduktionFormat: 16:9Dauer: 28’Jahr: 2013www.inpettofilmproduktion.de

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Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch Andreas Rochholl mit Uli Aumüller

Kompositionen – Filmkompositionen – Komponistenfilme Gespräch Andreas Rochholl mit Uli Aumüller

Die Idee war, nicht eine Musik zu nehmen und sie visuell zu interpre-tieren, sondern zuerst eine Bildebene zu kreieren und diese Bildebenedem Komponisten zu geben, dass er auf das Bild die Musik kompo-niert. Stellt sich natürlich die Frage, wie kreiere ich eine visuelle Ebeneohne irgendeinen Anhaltspunkt. Deswegen habe ich zuerst Gilles Gobeil Panoramen geschickt, die für mich in Frage kamen, etwa 60an der Zahl mit der Bitte eines auszuwählen. Unter diesen 60 Bildernwar ein Bild, das dieses Waldstück im Großen ganz zeigt, ganz gegen-ständlich, ganz naturalistisch. Genau das hat er ausgewählt, das un-abstrakteste – was mich erstaunte. Von diesem Bild habe ich zwölfVarianten: ab 12 Uhr Mittag bis 12 Uhr Mitternacht. Wir haben alsodasselbe Waldstück in den verschiedenen Farben des Tages – von derMittagssonne bis zum Nachtlicht (daher der Titel), vom Mond be-schienen in diesem Rousseau-Blau-Grün. Aus diesen zwölf Panoramenmachen wir ein einziges Panorama, das sozusagen rückwärts läuft. Es beginnt mit den Nachtbildern und wechselt dann schön langsam indas Taglicht, wie ein klassisches musikalisches Thema. Durch dieNacht zum Licht. Um mit der Komposition zu beginnen, schickte mirGilles die Ballette aus Daphnis und Chloé von Maurice Ravel auf CDals Dummy, auf diese Musik von Ravel haben wir dann das Bild kom-poniert, also praktisch Ravels Musik interpretiert. Dann hat Gobeil nurdas Bild bekommen und dann in diese Bilder seine Musik komponiert,die Ihr hören werdet, allerdings nur in der Stereoversion. Das mussman mitdenken. Das ist eine elektroakustische Musik, die für 16 Ka-näle konzipiert ist. Also Raumklang nicht nur hinten, vorne und so,sondern auch oben und unten.

Uli Aumüller

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Konzertdokumentation: Schumann at Pier 2

Konzertdokumentation: Schumann at Pier 2

Gespräch Enrique Sánchez Lansch mit Christian Berger

Enrique Sánchez Lansch: Seit ungefähr acht Jahren widmet sich dieDeutsche Welle in Großprojekten der klassischen Musik. Das hat an-gefangen mit den „Monumenten der Klassik“, dann kam „The Promiseof Music“. Du hast dann das dritte Projekt übernommen, „Das Beet-hoven-Projekt“, das ja von den Möglichkeiten, die es innerhalb vonsolchen Großprojekten gibt, schon eine ganz bestimmte Richtung ein-schlägt. Kann man quasi dieses „Schumann at Pier 2“ so als Fortset-zung oder Weiterentwicklung betrachten?

Christian Berger: Das ist jetzt eine komplizierte Frage. Es gibt Gemein-samkeiten bei all diesen Filmen. Ich kann jetzt wahrscheinlich nichtvoraussetzen, dass Sie die alle kennen. Wir versuchen, klassischeMusik zu erklären bzw. klassische Musik so zu präsentieren, dass sieauch Spaß macht und nicht nur Hohe Kunst ist, sondern einen gewis-sen Unterhaltungswert hat.

Enrique Sánchez Lansch: Aber dass man schon auch was erfährt.

Christian Berger: Ja, natürlich. Die Grundidee könnte sein, ein biss-chen mehr Information zu geben, als man es von anderen Produktio-nen kennt. Ich versuche Filme zu machen, die ich mir selber auchgerne angucken würde, bzw. die mir Informationen geben, um auchdie Musik besser verstehen zu können. Ich bin nicht mit klassischerMusik groß geworden, sondern eher mit Rock- und Popmusik. Vondaher bin ich erst über die Jahre hinweg auf den Geschmack gekom-men, was die klassische Musik angeht.

Enrique Sánchez Lansch: Aber das gibt ja auch eine gesunde Dis-tanz. Du bist nicht zu sehr drin, dass du schon alles weißt, sondern dubist dann auch bei deinem Zuschauer. Nach dieser Erfahrung mitBeethoven: Ist es richtig, sich gleich so viele Werke vorzunehmen?.Man könnte ja auch sagen, wir spezialisieren uns lieber und versu-chen, unseren Zuschauern Schumann nahe zu bringen, indem wir unsauf eine Sinfonie begrenzen. War das eine bewusste Entscheidung:wir wollen das gesamte Paket?

Schumann at Pier 2 Mit Paavo Järvi undder Deutschen Kam-merphilharmonieBremen Film von ChristianBerger, DeutscheWelle, 2012 Christian Berger

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Konzertdokumentation: Schumann at Pier 2

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Musik in sich erklärt wird, wo du durch verschiedenste visuelle Ebe-nen uns die Möglichkeit gibst, auch in die Vielschichtigkeit der Musikhinein zu schauen als Zuschauer. Du hast diese einzelnen Musiker ausdem Orchester, teilweise spricht auch der Dirigent. Aber es gibt – so-wohl in den Gesprächen mit dem Dirigenten, als auch noch mal miteinem Off-Erzähler – dann doch sehr vieles zum Äußeren, zur sicher-lich auch sehr spannenden und außergewöhnlichen Biografie vonSchumann. War das ein Element, bei dem wo du dachtest, das mussunbedingt da rein, in das schon sehr dichte Konstrukt? War das sounverzichtbar?

Christian Berger: Ich wollte es sogar ursprünglich noch ausführlichermachen. Ganz am Anfang gab es auch mal die Überlegung mit Reen-actment, also mit Schauspielern, zu arbeiten. Das ist dann aus ver-schiedenen, nicht zuletzt finanziellen Gründen gescheitert. (...) Ichhabe von Anfang an gespürt, dass man es nicht so richtig trennenkann. Hier die Biografie des Komponisten und dort seine Musik. Des-wegen habe ich versucht, Stichworte mit rein zu bringen. Es wurdeteilweise hinterher kritisiert. Bei Amazon kann man die Kundenrezen-sionen auch lesen. (...) Die Grundidee ist doch, Informationen zu lie-fern, welche die Musik dann noch ein bisschen interessanter machenoder besser verständlich.

Enrique Sánchez Lansch: Wir haben die Chance, dass wir einen derbeiden Kameraleute hier haben. Was waren die besonderen Heraus-forderungen bei dem Projekt? Wir haben ja gesehen, dass das in vie-lerlei Hinsicht sehr ausgeklügelt und durchdacht war.

Heiko Rahnenführer: Wir haben versucht, das Bestmögliche vorzube-reiten. Also diese Ebenen vorzudenken im Gespräch, diese Verortung,das Kennenlernen der Musiker. Der Zeitplan war sehr eng. Die Kon-zerte mussten in einer knappen Woche durchgezogen werden. DieStudioaufnahmen später, vor dem Weiß, haben wir in Berlin gedreht.Aber dieses Interview mit Paavo vor diesem Bühnenelement musstequasi an einem Nachmittag in die Kamera, plus der Geschichten drau-ßen vor dem Quai. Was auch nicht ohne ist, das ganze Orchester, ins-

Christian Berger: Das war eine bewusste Entscheidung, wir als Deut-sche Welle machen keine reinen Konzertmitschnitte, sondern dannauch eine Dokumentation. Es ist immer schwer ohne eine Geschichteeinen Film zu machen. (...) Die Sinfonien von Schumann sind ja aufden ersten Blick nicht so spannend.

Enrique Sánchez Lansch: Jetzt gibt es noch andere Ebenen, in derDramaturgie, der Logistik des Projekts. Vieles kann man vorherrecher chieren und planen, welche Fragen werde ich stellen usw. Aber es gibt auch so überraschende Momente. Gab es da positiveÜber raschungen oder auch negative?

Christian Berger: Es gab Probleme und positive Überraschungen. Es gab beides. Letztendlich war ich mit einem Haufen von Materialkonfrontiert, weil wir die Proben komplett mitgeschnitten haben. Das waren jeweils zwei Stunden, aber da waren schöne Stellen drin,die habe ich mir heraus gepickt. Es sind auch Fehler passiert, dasszum Teil Material gelöscht wurde. Wir haben mit Festplatten aufge-zeichnet, da hat dann hinterher Material gefehlt, das ich dringendbrauchte.

Enrique Sánchez Lansch: Das ist mir letztes Jahr auch passiert.

Christian Berger: Das ist die moderne Technik. Man kann dann ebenauf einer Festplatte acht Kameras aufzeichnen – aber man kann sieauch genauso schnell wieder löschen.

Enrique Sánchez Lansch: Neue Medien, neue Träger, neue Probleme.Wer schon seit Mittwoch da war, der hat vielleicht noch den Satz vonPierre Boulez im Ohr, der sich dazu äußert, was sind so Dinge, die inder Musik sind und welche Rolle spielen so Dinge, die von außenkommen? Heute morgen haben wir noch Leonard Bernstein gehört,der sagt: „Also diese ersten Töne der 5. Sinfonie – was hat man daalles an Äußerlichem hineininterpretiert … Was viel interessanter istzu erklären als die Musik, die dann wirklich in den nächsten Taktenkommt.“ Jetzt hast du ja schon eine starke Ebene, wo wirklich die

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Konzertdokumentation: Schumann at Pier 2

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besondere Paavo dazu zu bewegen „Habt Ihr eine Stunde?“ und quasinichts anderes zu machen, als die mit dem Dampfer dort herumfah-ren zu lassen und an dieser Quaimauer zu porträtieren. Aber ich fand,das war es wert. Zum anderen die Herausforderung im Studio, ähn-lich wie beim Beethoven-Projekt, noch einmal eine andere Verbin-dung zu den einzelnen Musikern zu schaffen, sie herauszulösen ausdem üblichen Kontext, in dem sie ja auch untergehen. Wenn man dieMusiker auf diese Art und Weise hört und kennenlernt, ihre eigenenStimmungen versteht, sieht und hört man auch das, was sie im Or-chester musizieren mit ganz anderen Augen und Ohren.

Nicht zuletzt ist auch der Wechsel des akustischen Raumes durch-aus interessant, sowohl des filmischen als auch des akustischen Raumes, ohne dass es auseinander bricht. Das ist eine Herausforde-rung. (...)

Noch eine Herausforderung: All das muss auch mit auch einemsehr engen Budget realisiert werden. Den übergroßen Teil dieses Bud-gets verschlingt tatsächlich allein die Konzertaufzeichnung, HD-Ü-Wagen, riesiger Beamer, der dort die Ornamente baut, acht Kamerasplus Dokumentationskamera, Remotekamera usw ...

Christian Berger: ... auch die Bühnenkulisse wurde extra angefertigt,es gab unterschiedliche Bilder im Hintergrund, Projektionen. EineHeraus forderung war z. B., dass wir am Tag vor der Aufnahme festge-stellt haben, dass der lichtstarke Projektor unter der Decke einfach zulaut ist. Es musste an einem Sonntag ein Schreiner gefunden werden,der ein Gehäuse baute, das ausdämmte und wieder an die Deckehängte. (...)

Enrique Sánchez Lansch.: Gibt es Fragen im Publikum?

Publikum: Ich fand es sehr gut, sehr lang, aber wunderbar. Es gelingt in diesem Film, das musikalische Material zu vermenschlichen.Das ist ein ganz großer Erfolg. Eine technische Frage: Wie gelingteuch die Synchronität der Musik aus dem weißen Raum mit dem Orchester?

Christian Berger: Das ist ein Schwachpunkt der Produktion, den Sieda entdeckt haben. Es gelingt nur durch den Schnitt. Wir mussten unsda ein bisschen heranmogeln. Man hätte es mit Klick machen sollen,habe ich hinterher erfahren. (...) Wir haben es ohne gemacht, deswe-gen waren die Tempogeschichten teilweise ein bisschen unterschied-lich. (...)

Publikum: Das gleiche Problem gibt es da, wo etwa eine Solomusiküber die Musik rübergespielt wird. Da hat man ja im Grunde eineDopplung, wenn man das Instrument nicht aus dem Orchesterheraus zöge. Oder?

Christian Berger: Nein, das ist eine Sache der Mischung. Man kanndas beeinflussen, wenn man – ich weiß nicht – 38 Mikrofone hat. Bei manchen Stellen ging es nicht, weil die Tempi zu unterschiedlichwaren. (...)

Publikum: ... Was Ihnen richtig gut gelungen ist im Subtext, ist diesegute und enge Zusammenarbeit zwischen den Musikern und PaavoJärvi. (...)

Christian Berger: Vielen Dank. Das war auch bei den ersten Gesprä-chen mit Paavo Järvi tatsächlich seine Bitte, dass das durch die Dra-maturgie des Films eben rüberkommt. Deswegen haben wir auchdiesen Aufwand betrieben mit Kran usw. Wir haben versucht, die ver-schiedenen Positionen, die verschiedenen Instrumente miteinander zu verbinden und auch immer die Möglichkeit zu haben, Blickwechselund solche Geschichten darstellen zu können. (...)

Heiko Rahnenführer: Die Idee, die wir auch als Musiker mit so einem Film verbinden, ist natürlich, die Musik wieder in unsere Zeitzurückzubringen. Wir haben ja eine Situation, wo kulturelle Einrich-tungen reduziert werden, wo Orchester sterben oder zusammenge-legt werden. Wir haben eine Situation, wo in den Schulen keinMusikunterricht mehr stattfindet. Eine Situation, in der das Bildungs-bürgertum als tragende Schicht für die Kulturausübung im Grunde

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nicht mehr da ist. Wir zielen auf eine neue Generation, was einenPaavo Järvi hier veranlasst, ich sage mal, weniger sophisticated, undauch weniger intellektuell, über die Dinge zu reden, als er das auchkönnte. (...)

Christian Berger: (...) zu diesem Thema: Es ist tatsächlich eine Fern-sehproduktion und zwar für einen speziellen Sender: die DeutscheWelle. Die Deutsche Welle sendet weltweit in vier Sprachen im Fern-sehen. Für ein akademisch gebildetes Publikum in Deutschland sinddie Sachen dann teilweise vielleicht zu banal, aber für ein Publikum inAsien oder in Südamerika oder Nordamerika ist es dann vielleichtgenau richtig. Ich weiß es nicht.

Publikum: Ich finde, der Film fällt auseinander. Zum einen sieht maneine fantastische Leistung des Orchesters und sieht sehr gut, wie Järvimit seinen Musikern kommuniziert. Ich finde auch die Musiker gutausgewählt. Ich will ja vor mir auch keinen Musikwissenschaftlerhaben, der mir das Werk jetzt darstellt. Aber Järvi, finde ich, stört dazwischendurch, weil es wirklich viele dieser Klischees sind, die manüber Schumann kennt. Und meine Frage ist einfach: Was bringt eszum Verständnis der Musik? Mich stört es. Auch als einen Menschen,der viel Musik hört. Also ich will dann die Musik hören. Ich will das erleben. Ich sehe das filmisch für mich gut umgesetzt. Es ist sehrspannend, alles. Diese Schumann-Reihe überhaupt in den letzten Jah-ren. Thomas Dausgaard hat das ja auch gemacht. Also mit diesenkleineren Besetzungen bei Schumann. Besetzungen der Zeit. Hierkommt zwischendurch immer Järvi auf dem Hocker, ...dann erzählt ervon Clara Schumann oder auch von Genie und Wahnsinn, das warenimmer Zäsuren. Man hatte die Musik, die fabelhaften Arbeit, die Er-läuterungen der Musiker, manche fand ich sehr mitreißend. Da fälltder Film auseinander.

Christian Berger: Es gibt ja auch die vollständigen Konzertmitschnittefür jemanden, den alle Wortbeiträge stören, der kann die vier Sinfo-nien ohne Worte sozusagen hören.

Katrin Rabus: Wenn Sie bitte noch einen letzten Satz sagen zu denProgrammplätzen.

Christian Berger: Der Programmplatz heißt „Im Fokus“ und dakommt alles, – Autoindustrie an einem Tag, an nächsten Tag kommtPaavo Järvi und Schumann, am übernächsten Tag soziale Problemehier und da. Also das geht kreuz und quer.

Katrin Rabus: Das Entscheidende haben Sie schon gesagt: Es ist fürein Publikum auf der ganzen Welt. Wir haben nicht mehr ausschließ-lich unseren europäischen Fokus. Wir haben diese technischen Mög-lichkeiten, die Musik in verschiedenen Medien zu hören, aber auch insKonzert zu gehen. Bei uns sind Orchester ja noch live zu erleben.

Wir haben hier sehr viel über Film und Ästhetik von Filmen geredet.Hier sind wir auf der Ebene: Was ist ein Fernsehprogramm mit klassi-scher Musik? Ich bin Ihnen sehr dankbar für dies überzeugende Bei-spiel, das vielfältige Anregungen liefert.

Enrique Sánchez Lansch: Das ist doch das Schlusswort und ich be-danke mich bei Ihnen.

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Klassikrezeption über TV und Internet: Erfahrungen und Perspektiven Gespräch mit Jan Bremme, Produktionsleiter EuroArts

Katrin Rabus: Lieber Herr Bremme, ich danke Ihnen für Ihre Bereit-schaft, Einblick in die Werkstatt eines Produktionsleiter bei Euroartszu geben. Diese Firma hat Fernsehgeschichte erlebt und gestaltet, sie hat berühmte Konzerte aufgezeichnet und klassische Musikdoku-mentationen geliefert. Wo geht die Reise hin? Sie sind eine Produk -tions firma. Sie müssen Geld in die Hand nehmen. Sie müssen Geldbesorgen. Sie geben Geld aus. Was sind Ihre Leitlinien heute?

Jan Bremme: Ja – die Frage, wo die Reise hingeht, ist natürlich ex-trem schwierig zu beantworten, weil wir auch von der Senderpolitikabhängig sind. Wir produzieren immer in Zusammenarbeit mit Sen-dern. Für uns ist die Situation deutlich schwerer geworden, weil dieBudgets der Sender sich nicht unbedingt vergrößert haben. Es wirdimmer schwieriger, Koproduktionen zusammenzustellen. Es gibtimmer weniger Sender, die bereit sind, auch in die klassische Musik zuinvestieren. Wichtig ist immer noch Japan und ARTE vor allem, dannimmer in Zusammenarbeit mit Sendern der ARD oder mit dem ZDF.Wir arbeiten weltweit mit anderen Sendern, wir machen fast alle TV-Konzerte der Berliner Philharmoniker. Wir machen Opernaufführun-gen. Wir haben jetzt zwei Opern gerade fertiggestellt, im Teatro Realin Madrid: eine „Cosi fan Tutte“ von Michael Haneke und eine neueOper von Philip Glass. Wir arbeiten jetzt auch verstärkt zusammen miteiner französischen Partnerfirma, mit Ideale Audience. So gibt es dieMöglichkeit, in Frankreich auch Fördergelder zu bekommen über diewunderbare Einrichtung des CNC. Das ermöglicht uns viele Produktio-nen zu machen, die wir sonst nicht herstellen könnten. Die Möglich-keit haben wir in Deutschland weniger. Das ist jetzt ein neuer Weg füruns.

Katrin Rabus: Bitte erklären Sie kurz den CNC. Das Instrument habenwir in Deutschland nicht, einen rückfinanzierten Kinofonds.

Klassikrezeption über TV und Internet Gespräch mit Jan Bremme

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Jan Bremme

Jan Bremme, Sandrine Laffont, Katrin Rabus

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Jan Bremme: Es ist wie alle Förderinstitutionen extrem kompliziert.Wenn man CNC-Gelder bekommen möchte, muss ein bestimmter Betrag in Frankreich ausgegeben werden. Also man braucht einenfranzösischen Koproduzenten. Wir als deutsche Produktionsfirmakönnen keine Gelder vom CNC bekommen. Wir brauchen immereinen französischen Partner. Und bestimmte Mittel müssen in Frank-reich ausgegeben werden, um Geld vom CNC zu bekommen.

Katrin Rabus: ... gespeist wird der Topf von den wirtschaftlich erfolg-reichen Kinoüberschüssen. Diese Produktionen, die vorher Förderungbekommen haben, zahlen einen Teil ihrer Gewinne zurück in denCNC-Topf, und damit werden kulturell oder sonst schwer finanzier-bare Projekte subventioniert. Bei uns in Deutschland bekommen nurdie Abspielstätten kulturelle Filmförderung. Oder Sie müssen eine in-ternational Produktion planen, mit Stars und ohne Risiko. Zusammenmit Ilona Schmiel vom Beethovenfest haben wir mit dem Büro vonKulturstaatsminister Neumann zwei, drei Jahre lang daran gearbeitet,wirklich ein Musikfilm-Förderprogramm zu bekommen, gerade auchum Dinge mitzunehmen, die nicht wirtschaftlich sind. Es gab keineChance. Die Gesetzgebung ist so. Die Abspielstellen sind kulturellförde rungs würdig, aber nicht die Inhalte. Film in Deutschland ist einWirtschaftsprodukt und muss auf Einspielergebnisse angelegt sein.

Jan Bremme: Früher haben wir reine TV-Produktionen gemacht. Aber inzwischen ist Kino doch deutlich wichtiger geworden, geradewas jetzt Opernübertragungen anbetrifft und Ballette. Das ist sicherein sehr zukunftsträchtiger Markt. Für Konzerte ist es eher schwierig.(...) Zur Zeit gibt es eine Welle von Opernaufführungen, Opernhäuser,die ihre Sachen ins Kino bringen, so dass der Markt auch inzwischengesättigt ist. Da hat natürlich die Met, als erste Institution, Standardsgesetzt und ist immer noch das erfolgreichste Programm, alle anderentun sich schon sehr schwer damit.

Katrin Rabus: Ist das nur ein Folgeprojekt der TV-Aufzeichnung? Odermachen Sie auch auf eigene Kosten, in eigener Regie Produktionen,wo Sie dann sagen: Wir holen uns einen Star und das machen wir aufeigene Rechnung, für Kino, DVD usw.?

Jan Bremme: Alles steht im Zusammenhang mit Fernsehen. Aber wirhaben einen Nussknacker produziert in St. Petersburg, auch in 3-D,das kam fast ohne Fernsehgelder aus. Es gibt viele Hardwarefirmen,die Interesse daran haben, 3-D-Inhalte auch auf ihren Plattformenund Applikationen zu zeigen. So kann man auch solche Projektefinan zieren. Aber grundsätzlich geht das immer nur mit Fern seh -geldern.

Katrin Rabus: Wie schätzen Sie diese Entwicklung des DVD-Marktsein? Wie passen Sie sich mit Ihren Produkten darauf an?

Jan Bremme: Ich fürchte, der DVD-Markt stagniert und geht eher abwärts. Es gibt natürlich viel auf dem Markt, aber das ist kein Geschäft, was zukünftig noch groß wachsen wird. Das sind unsereErfah rungen. Wir machen dennoch viel, aber wir versuchen Produktezu entwickeln, die mehr in Richtung Luxuseditionen gehen, wie z. B.eine große Edition zum ersten Todestag von Dietrich Fischer-Dieskau.Das sind Luxus-Projekte, die relativ preisintensiv sind, aber da sehenwir eher eine Zukunft als in den DVDs. Die Leute erwarten schoneinen Mehrwert, wenn sie eine DVD kaufen.

Katrin Rabus: Wir haben einen Freundeskreis, der sehr intensiv amMusikleben teilnimmt, selbst musiziert, sich alle neuen Platten, CDskauft. Seit ungefähr einem Jahr kaufen sie, wenn sie ein Konzert ge-hört haben, dieses Konzert als DVD. Und diese Menschen sagen uns:Ich erfahre hier sehr viel mehr über die Msuik. Ich habe das Konzertgehört. Ich habe es von anderen Dirigenten gehört. Jetzt gucke ich esmir an. Das ist ein sehr langwieriger Prozess. Wenn es das Konzert alsDVD gibt, werden sie es als DVD kaufen, nicht mehr als CD. Und ent-scheidend ist dann, dass die Qualität dieser Aufzeichnungen – des-halb auch das Thema in diesem Jahr – der Qualität des Konzerts nochetwas hinzufügt. Aber da sind Sie eher skeptisch? Also der wirklichharte Kern des Konzertpublikums hat sich bisher für Bilder gar nichtinteressiert – in den Opernhäusern ist es anders – aber in den Kon-zerthäusern ist es einfach nicht präsent. Aber diese DVDs kursierenund sie werden diskutiert.

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Jan Bremme

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Jan Bremme

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Jan Bremme: Es gibt natürlich ein gleichbleibendes Interesse an DVD-Veröffentlichungen, aber dass es da jetzt einen Trend nach oben gibt,das können wir leider nicht feststellen.

Publikum: Die Schallplattenverkaufszahlen haben ja auch irgendwannstagniert. Dann kam die Gunst der Stunde, das Medium CD wurdeeingeführt. Da haben die Leute erstmal sich neue Dinge, die dann ehauf CD erschienen, als CD gekauft. Aber irgendwann haben sie auchdie Sachen, die sie eigentlich auf Schallplatte hatten, sich auch nochmal als CD gekauft. Was dann zehn Jahre für ungeheure Zuwachs -raten gesorgt hat. Bis das dann auch irgendwann stagnierte. Tun sichjetzt – von der Entwicklung des DVD-Marktes abgesehen- , nochirgend welche anderen Wege auf ? Sicherlich nicht in so einem klassi-schen Tonträger, den man bei Dussmann kaufen und nach Hause tragen kann, aber gibt es andere Erlöse?

Jan Bremme: Für uns ist auch ein immer interessanterer Markt Video-on-Demand, VOD. Da gibt es schon Steigerungsmöglichkeiten.Das hat sicher noch ein großes Potenzial. Auch Blue-ray als anderesMedium, aber das ist jetzt nicht so, dass Blue-ray DVD abgelöst hat.Es gibt inzwischen viele Plattformen, auf denen man die Sachenherun ter laden und angucken kann. Man kann das jetzt noch gar nichtabschätzen, wo da die Reise hingeht. Aber das ist definitiv ein Zu-kunftsmarkt.

Publikum: Sicherlich werden auch signifikant viele Verkaufszahlen imDVD- wie im CD-Markt auch – dadurch erreicht, dass das so ein tollesGeschenk ist, dass man es sammeln kann, dass man ein ganzes Regaldamit zu Hause füllen kann. Und dafür braucht es ja so eine gewissePhysikalität, die das Video-on-Demand nicht hat.

Jan Bremme: Deswegen auch der Plan, mit den DVDs einen Mehr-wert zuliefern, über die Gestaltung, das Booklet. Das hat eine großeZukunft.

Publikum: Habt Ihr eine Idee wie das sein könnte in der Zukunft beiVOD? Werden die Plattformen von externen Playern gestellt, die Ihrdann beliefert? Oder macht Ihr das selbst? Wird dann dieses VOD –falls es z.B. ARTE macht –, auch zu einer Koproduktion führen, wenndas tatsächlich so signifikant gestiegen ist?

Jan Bremme: Also, ehrlich gesagt, wissen wir auch noch nicht sogenau wie das werden wird. Es gibt natürlich Überlegungen bei uns,ob wir das selber machen, oder ob wir unseren ganzen Katalog an jemand anderen abgeben. Wir sind eigentlich immer noch dabei, denMarkt zu sondieren, und zu schauen, was für Möglichkeiten es dagibt. Eine Option ist sicher auch, das selber zu machen.

Katrin Rabus: Das hat vielleicht auch mit dem Charakter der klassi-schen Musik zu tun. Einen Orchesterklang oder Bruckner würde ichmir jetzt nicht auf einem Tablet angucken. Zudem hat die klassischeMusik auch noch eine bestimmte Distinktionsform. Wir sagen zwar,das Bildungsbürgertum ist nicht mehr da. Aber ich habe das in der Bildenden Kunst erlebt. Plötzlich ist die Bildende Kunst schick gewor-den. Die Bildende Kunst gehört zum Top des Konsums. Will ich Reich-tum zeigen, dann kaufe ich Kunst. Auch die Fußballer – alle habenjetzt Kunst. Bei der klassischen Musik könnte man sich ja vorstellen,ich komme durch die Stars oder Festivals auch dahin – oder eben indirekt über das physische Medium, über den Besitz.

Jan Bremme: Inzwischen sind viele Fernseher auch internettauglich.Das heißt, dass man sich das eben nicht nur auf seinem iPhone an-guckt, sondern dass es dann bestimmte Apps auf dem Fernseher gibtund dass man auch in einer wirklich herausragenden Qualität sich dasKonzert zu Hause angucken kann. Und jeder hat ja inzwischen dieseriesigen Dinger zu Hause stehen. Diese App von den Berliner Philhar-monikern z. B. ist bei Sony auf ihren Fernsehern drauf.

Publikum: Das Kino hat Konkurrenz von Videospielen, die sich inhoher Qualität weiterentwickeln. Gibt es Diskussionen, Überlegungen,Ideen, ob man Musik nicht auch zweigleisig organisieren könnte?

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Jan Bremme

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Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Jan Bremme

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Jan Bremme

Das heißt, dass man nicht nur konsumiert, sondern auch interagiert,mit Apps dazu?

Jan Bremme: ... das gibt es ja auch bei ARTE schon – dass es zu be-stimmten Fernsehprojekten dann Internetaktivitäten gibt, wo es dannauch Interaktion gibt. Bei uns gibt es DVDs, bei denen man dann zwischen den Kameras hin- und herschalten oder sich ein Konzert nuraus der Perspektive des Dirigenten anschauen kann.

Publikum: Wie hoch sind die Kosten, die Ihr in der Regel für eine Auf-zeichnung rechnen müsst? Also auch die Verteilung zwischen Eurer eigenen Beteiligung und dem, was der Sender gibt. Wie verhält sichdas ungefähr? Was habt Ihr dann an Refinanzierung durch die DVD-Verkäufe?

Jan Bremme: Wir versuchen immer Koproduktionen zusammenzuzim-mern, dass nicht nur ein Sender beteiligt ist, sondern fünf, um dasProjekt schon bei der Produktion zu refinanzieren. Für die Kosten istes schwer, das einfach pauschal zu beantworten. Da gibt es eine Riesen-Bandbreite. Der wichtigste Faktor für uns nach der Produktionist der TV-Vertrieb. Wir vertreiben unsere Programme selber an Senderin der ganzen Welt. Die DVD ist vielleicht ein Viertel und drei Viertelist der TV-Vertrieb. Das ist der wichtigste Markt. Dadurch, dass dieseVertriebswege alle so viel komplizierter geworden sind, ist es auchschwieriger geworden, Künstler davon zu überzeugen, uns dieseRechte zu geben. Besonders problematisch ist es bei Künstlern, dieExklusiv-Verträge haben mit Labels. Das macht uns das Leben oft sehrschwer. Oft habe ich auch das Gefühl, dass es gar nicht so sehr im Interesse des Künstlers ist, dass die Labels die Sachen für sich behal-ten und vieles blockieren. Das dient oft gar nicht dem Interesse desKünstler, besonders was die Internetrechte anbetrifft. Es gibt einfachKünstler, die das überhaupt nicht wollen oder Labels, die das verhin-dern.

Katrin Rabus: Viele Künstler übersehen am Anfang ihrer Karrierenoch nicht, welche Rechte sie abtreten. Das gilt aber nicht nur für die

Künstler und für die Labels, es gilt auch für die Fernsehsender. Die Dokumentarfilmer unter Ihnen wissen, dass man tatsächlich vieleRechte sofort abtritt, für das normale, einmalige Fernsehhonorar. Früher konnte man das einzeln nach verhandeln. Das ist jetzt weit -gehend pauschalisiert, insofern gibt es auch Hindernisse von Seitender Sender.

Jan Bremme: Gerade bei internationalen Koproduktionen ist es nichteinfach, mit den Sendern zu verhandeln. Wenn man z.B. in Japaneinen Vertrag hat, dann müssen wir einfach bestimmte Rechte für unsbehalten, wir können sonst das Projekt nicht finanzieren. Das istmanchmal extrem schwierig mit öffentlich-rechtlichen Sendern.

Katrin Rabus: Ich danke Ihnen für diese Offenheit und die Darstel-lung aus der Sicht eines Produzenten und leite über zum Beitrag vonEva Wochner, Redakteurin für Kultur und Musik bei ARTE.

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Klassikrezeption über TV und Internet: Erfahrungen und Perspektiven Eva Wochner, Redaktion Musica ARTE G.E.I.E.

Katrin Rabus: Liebe Frau Wochner, ARTE gab seinerzeit den Anstoßfür The Look of the Sound: Sendungen über Musik sind im Fernsehengefährdet. Ob wir mit der öffentlichen Diskussion daran etwas ändernkönnen? Davon bin ich überzeugt. Aber wir können die Richtungnicht bestimmen. Wir können immer nur Momentaufnahmen machen.Was sind die aktuellen Bedingungen? Wo wollen wir hin? Wer gibtuns Geld? Wer gibt uns kein Geld? Will die Gesellschaft das noch?Gibt es neue Ideen und neue Konzepte?

Die Dreigroschenoper von gestern Abend ist ein schönes Beispielfür eine moderne Fernsehsendung. Viele waren irritiert und sagten:was ist denn das für ein Film? Es ist eine Fernsehsendung. Deshalbmöchte ich Ihnen gleich das Stichwort geben: Sie sind bei einem Sen-der. Was bewegt Sie? Wie wählen Sie aus? Was sind Ihre jetzigenSchwerpunkte?

Eva Wochner: ARTE ist ja ein Sender, der noch relativ jung ist. 2012feierten wir das 20-jährige Bestehen, und wir beide, Frau Rabus, hatten ja das große Glück, von Anfang an mitten in diesem Aben-teuer zu sein. In dieser Zeitspanne haben nicht nur Programmmacher,die zwei ganz und gar verschiedenen Traditionen angehören, zusam-mengefunden, nämlich der französische Zentralismus und der Deut-sche Föderalismus. Auch die Programmpolitik an sich, insbesonderewas die klassischen Musik betrifft, hat sich gewandelt, sowohl die derHierarchien, als auch die der spezialisierten Redakteure.

Der Zugang zur Kultur ist meines Erachtens ein Menschenrecht,und auch die klassische Musik darf nicht einer Elite von Kennernvorbe halten werden. Es ist wichtig, eine gewisse Distanz zum Themazu behalten, um sich in alle Zuschauer hineinversetzen zu können.Vielleicht habe ich dank meines Werdeganges diesen doppelten Blick. Für mich persönlich ist es wirklich ein Anliegen, die Zuschauer –ich würde mal fast sagen – zu zähmen, so wie es der kleine Prinz ausSaint-Exupérys Geschichte mit dem Fuchs tut. Oder vielleicht dem

Zuschauer Gelegenheit zu geben, uns zu zähmen. Das geht nur durchÖffnung des Themas ohne Kompromisse, was die Qualität betrifft.

Sie sagen, wir können nicht bestimmen, wo es hingeht. Ich glaube,das kann keiner bestimmen, das können auch nicht unsere Direktoren.ARTE verändert sich zurzeit stark. Wir haben seit Anfang 2013 eineneue Struktur: Statt der Redaktionen gibt es nun vier Säulen. Die Re-daktion Musik, Theater, Tanz wurde der Säule „Kultur“ angegliedert.Das heißt aber nicht, dass es keine Musik mehr gibt. Maestro ist einfixer Sendeplatz geblieben, ARTE zeichnet Opern auf und ist auch livebei großen Opernevents dabei. Neu ist vor allem die Bimedialität. Esgibt nun keine Redakteure mehr, die speziell für ein Medium arbeiten,Internet oder Broadcast, alle Redakteure arbeiten bimedial. Die Inter-net-Plattform ARTE Creative ist jetzt ebenfalls in der Kultur angesie-delt, sowie die Plattform ARTE Live Web, die schon seit Jahren Musikaller Tendenzen, sowie Opern-, Theater- und Ballettaufführungen

Klassikrezeption über TV und Internet Gespräch mit Eva Wochner

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Eva Wochner

Eva Wochner

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den Internetnutzern zugänglich macht. Die Kollegen von ARTE Francesind auf diesem Gebiet sein vielen Jahren sehr aktiv. Sie haben denrechtlichen Rahmen dazu und die zentralistische Struktur Frankreichsvereinfacht die Verhandlungen. Im Internet sind lange Rechtezeit-räume notwendig, da das Internet nicht in fixen Terminen funktioniert.Die Streams, die von ARTE France geliefert werden, bleiben im Nor-malfall sechs Monate online. In Zusammenarbeit mit großen Festivalswird zum Beispiel ein Live-Abend auf dem Sender mit einem reich -haltigeren Angebot im Netz verbunden. Manchmal werden großeTeile des Programms eines Festivals aufgezeichnet. So geschah es mitden Opernfestspielen von Aix-en-Provence oder dem Festival La Folle Journée von Nantes. Die Folle Journée von Nantes hat 2013 in einemZeitraum von 4 Tagen über 300 Konzerte an einem Ort angeboten(die genauen Zahlen können auf dem Blog der französischen ARTE-Homepage nachgeschlagen werden). ARTE übernimmt alljährlich ca.zehn Konzerte von der Folle Journée und strahlt an einem Tag drei liveaus, von den anderen werden Teile eingespielt, der Sondertag wirdlive aus Nantes moderiert. Alle aufgezeichneten Konzerte sind in ihrerGänze auf ARTE Live Web sechs Monate lang zugänglich. Auf der anderen Seite des Rheins dauerte es etwas länger, aber Deutschlandholt rasant auf.

Ab 22. April 2013 gibt es den sogenannten TV-Guide: Jedes Pro-gramm erhält auf der ARTE-Homepage eine eigene Seite. Die Seitensind über die Rubrik TV-Programm abrufbar und können auch verlinktwerden. Über diese Seite kann auch das zeitversetzte Streaming(ARTE+7) abgerufen werden. Neu ist nun, dass eine Sendung nichterst mit der Ausstrahlung beginnen soll, sondern drei Wochen vorherund auch ein Nachleben hat.

Um auf die Sendungen selbst zurückzukommen. Ich kümmere michneben Live-Übertragungen auch um die 52’-Kulturdokumentation amSonntagnachmittag, einen Sendeplatz, der sich zeitgenössischemebenso wie klassischem kulturellen Schaffen widmet, auch der Musik.Für mich ist es ein Anliegen, die dramaturgischen Mittel, die dem Medium Fernsehen zur Verfügung stehen, hier voll auszuschöpfen:Geschichten zu erzählen, Situationen aufbauen und sich entwickelnzu lassen, Spannungsbögen zu bauen. Ein gutes Mittel, die Struktur

zu verdichten ist es, ein Thema mit einem anderen Thema aufzubre-chen, um ein dramaturgisches Spannungsverhältnis aufzubauen. Inseinen Film über die „Dreigroschenoper“ hat Günter Klein noch einweiteres gutes Mittel eingesetzt, den Guide. Ein großer Brechtspezia-list der Theaterbühne, Ben Becker, zieht durch Berlin auf Brechts Spuren und setzt das Stück in den politischen Kontext, den damaligenund den aktuellen. Ben Becker Suche ist sehr persönlich. Der Filmwird im Rahmen der Sendereihe „Werk entdecken“ am 7. April 2013ausgestrahlt. Axel Fuhrmann und Axel Brüggemann verdanken wireine „Zauberflöte“, die nur eine Woche nach der „Dreigroschenoper“ausgestrahlt wird.

Die Sendereihe „Werk entdecken“ war bereits Teil des ehemaligenSendeplatzes Musica. Dieser Sendeplatz wurde ab Januar 2013 aufzwei Sendeplätze aufgeteilt: Die Sonntag-Kulturdoku und die Kultur-doku am Mittwochabend. Am Sonntagnachmittag gibt es neben derKulturdoku noch 2 Sendeplätze zu je 26’, die ebenfalls der Kultur ge-widmet sind (Kunst und Kultur und Atelier), 12 x pro Jahr ist an dieseStelle Performing Arts geplant, Opern-, Theater- und/oder Ballettauf-führungen.

Publikum: Ich hätte die Bitte um Präzisierung, was jetzt die Doku-mentarsendeplätze angeht. Musica gibt es so nicht mehr. Es gibt ebenden Sonntagnachmittag und den Mittwochabend. Worin unterschei-den die sich? Da sie insgesamt mit anderen Sendeplätzen aus der Kul-tur geteilt werden müssen, bedeutet das sicherlich auch etwas für dieEntscheidungswege, welche Stufen man durchlaufen muss, welcheRunden man passieren muss. Bedeutet das auch einen Unterschied inder inhaltlichen Ausrichtung oder in den Anforderungen?

Eva Wochner: Den Sendeplatz Musica gibt es nicht mehr. Es gibtaber auf deutscher Seite noch immer ein eigenes Budget Musica, unddie Vorschläge für Musikdokumentationen werden, neben Konzert-,Opern- und Ballettaufzeichnungen, immer noch von der Redaktions-gruppe Musica im Vorfeld der Programmkonferenz untersucht. Musica ist sozu sagen ein thematisches Konzept, das zwei Sendeplätzebetrifft. Form und Inhalt eines jeden Vorschlages müssen redaktionell

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Eva Wochner

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Eva Wochner

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den einen oder den anderen Sendeplatz entsprechen. Für den Sonn-tagnachmittag gilt noch mehr das Prinzip der Zugänglichkeit für die ganze Familie. Es ist möglich zugänglich sein und trotzdem in dieTiefe zu gehen. Ich denke, das hat man bei der Dreigroschenoper gesehen. Es gibt viele dramaturgische Mittel um das zu erreichen. Das heutige Beispiel – Die fabelhafte Welt der Anna Prohaska – istauch sehr interessant. Am Mittwoch hingegen ist der Sendeplatz um 22.30 Uhr nach einem Kinosendeplatz angesiedelt. Er ist für einPublikum angedacht, dass avisierter ist. Aber die Dokumentationensollten trotzdem zugänglich bleiben, also nicht rein musikologischsein.

Publikum: Gibt es irgendwelche Gedanken in Richtung Formatierungoder bleibt die bisherige Freiheit, die wir auch auf dem Musica- Sendeplatz kannten, erhalten? Zum andern würde ich gerne wissen,was die Zugänglichkeit am Sonntagnachmittag bedeutet. Bisher habeich mir immer so vorgestellt, na ja, es ist Sonntagnachmittag, dasmuss irgendwie auch besonders geeignet sein als Familienprogrammzum Beispiel. Aber das ist die „Dreigroschenoper“ auch nicht unbe-dingt. Betrifft es also mehr Zugänglichkeit im Sinne von leicht ver-ständlich – es setzt nicht viel voraus, es ist auch leichter konsumierbar,im besten Sinne?

Eva Wochner: Es gibt immer wieder den Gedanken, die Sendungeneines Slots mehr zu formatieren. Aber gleichzeitig sollte die künst le -rische Freiheit erhalten bleiben. Am Sonntag Nachmittag wollen wirein Familienprogramm, das unterhaltend kulturelle Themen vermittelt.Wir suchen Projekte, die einschlägige Themen brechen. Ein musi -kalisches Sujet kann von Zeitgeschichte, Rezeptionsgeschichte, vomFilm und vielen anderen Blickwinkeln aus beleuchtet werden. Für bestimmte Themen bieten sich bestimmt Aspekte regelrecht an: Beet-hovens 9. Symphonie hat eine phantastische Rezeptionsgeschichte,und der Film „Beethovens Neunte“ konnte vor einigen Jahren einendurchschlagenden Erfolg verzeichnen. Praktisch alle dramaturgischenWerkzeuge aus dem Bereich Fiktion und Film können eine dokumen-tarische Struktur bereichern, inneres Erlebnis beim Zuschauer auf-

bauen. Die akustische Stimmung, insbesondere eine reiche Geräusch -kulisse, spielt eine immense Rolle für die Zuschauerbindung und wirdmeines Erachtens nicht genug gewürdigt. Deswegen kämpfen wirauch für eine aufgesplittete IT für die zweite Sprachfassung der zuge-lieferten Sendungen, die ja in Straßburg produziert werden.

Publikum: Ich möchte wissen, wie stark ARTE Live Web genutzt wird.Die zweite Frage, ob Sie Erkenntnisse darüber haben, ob ARTE LiveWeb von anderen Zuschauern genutzt wird, als diejenigen, die ARTEgucken und ob Sie auch für das Live-Web auf eine Art und Weisewerben, die nicht nur die traditionellen Fernsehzuschauer erreicht,sondern andere Kreise. Das sind nämlich Fragen, die im Moment beiuns im Sender immer gestellt werden. Kriege ich einen Antrag aufeinen Live-Stream, dann heißt es: Was erwarten Sie, wie viele Leutewerden sich hinterher das live-gestreamte Konzert denn wohl an -gucken auf den SWR-Seiten? das Zweite: Wie wollen Sie denn über-haupt erreichen, dass Leute sich das angucken, die nicht sowiesoschon SWR 2 hören? Also das sind die Fragen, die mir gestellt wer-den.

Eva Wochner: Ich war bis jetzt nur im TV tätig, ARTE Live Web ist inunserer Redaktion erst im Kommen. Wir sprechen in internen Diskus-sionen weniger von Zahlen, sondern von der Steigerung im Vergleichzu voraus gehenden Perioden. Vor allem die prozentuale Steigerungder Sichtung von ARTE auf Tablets und auf Smartphones liegt imzwei stelligen Bereich.

Publikum: Weil ich selber relativ viel für ARTE Live Web arbeite,wollte ich wissen, wer guckt denn das? In Baden-Baden haben sie mirgesagt: drei Viertel der Nutzer von ARTE Live Web kommen ausFrankreich. In Deutschland ist es noch nicht so verbreitet. Ich habe imDezember für eine „La Traviata“ aus der Oper Brüssel für ARTE LiveWeb die Regie gemacht, live ins Internet gestreamt. Es wurde aucheiniger maßen beworben, am Anfang vom Verdi-Jahr, das waren soüber 20.000 Klicks. Die bleiben natürlich nicht alle für die ganze Oper,sie kommen später rein, gehen früher raus – ist klar. Fazil Say, Artist in

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Eva Wochner

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Residence, postet seine Konzerte selber auf seiner Facebook-Seite,dann gibt es eben auch viele Klicks aus der Türkei. Es geht einmal liveins Internet. Danach dauert es einen halben Tag, dann wird es nochmal hochgeladen. Dann bleibt es dort 30 Tage oder länger, das sindso an die 9000 Klicks, das sind ungefähr die Zahlen, in denen sich dasbewegt.

Eva Wochner: ARTE France verhandelt die Rechte für ARTE Live Webimmer für einen Zeitraum von sechs Monaten, und wir versuchen dasauch auf der deutschen Seite. Im Netz sind kurze Rechtezeiträume uninteressant. Lange Zeiträume erlauben eine bessere Vernetzung.Aber auch die Sichtbarkeit auf der ARTE Homepage selber ist sehrwichtig: Wie schnell kann man sich bis zu einer Sendung durchklicken.Wird sie auf der ersten Seite angekündigt, oder muss man sie erst inden Programmseiten über das Datum ‚erklicken‘? Nur in Ausnahme-fällen stehen Musikprogramme ganz vorne auf der ARTE Homepage.Hier gibt es aber auch andere Möglichkeiten, sich zu vernetzen, auchaußerhalb der ARTE-Homepage.

Publikum: ARTE Live Web ist ja in dem Sinne schon ein gelerntes Format. Das sind Aufzeichnungen von Performing Arts. Aber in demSinne neu und für uns alle noch kein gelerntes Format ist ARTE Crea-tive. Was mich interessieren würde, wenn Sie sagen, ARTE Creativezieht jetzt auch zu ARTE Kultur, wie wird dort die Zusammenarbeitaussehen? Wird es da Möglichkeiten geben, sich ganz neue Formatezu überlegen?

Eva Wochner: Wir sind seit wenigen Monat zusammen. In Frankreichund Paris ist ARTE Live Web und überhaupt ARTE, das Internet, schon länger in der Redaktion Kultur angesiedelt. Es gibt in Paris seit Beginn2012 auch kombinierte Projekte. ARTE Creative sucht kreative Pro-jekte, es gibt keine Vorgaben.

Publikum: Wie kann man denn als junger, aufstrebender Arbeits -suchender sein Produkt bei Ihnen anbringen? Oder: Wie sind da dienormalen Wege, wie kommt man da rein?

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Eva Wochner

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Eva Wochner

Eva Wochner: Für ARTE Creative können Sie einfach posten, AlainBieber, der Leiter der Plattform ist sehr aktiv und offen, und er arbei-tet frei. Am besten, Sie besuchen die Plattform.

Katrin Rabus: Die Frage ging eher dahin, wo können die Jungen, dieIdeen haben und auch was können- wo können die sich einhaken,um auch als Kreative mitzuarbeiten? Live-Web ist für Veranstalter inte-ressant, die das fertige Produkt einstellen.

Eva Wochner: Ja – bei ARTE Creative können Sie unterkommen. Nurin Ausnahmefällen kommen jedoch Projekte aus ARTE Creative auchauf den Sender, weil die Procedere so grundverschieden sind. Wasdas Fernsehen anbelangt, so liegt das Produktionsbudget zum großenTeil bei ARD, ZDF, den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschlandund bei ARTE France in Paris. Straßburg hat wenig bis gar kein Budgetfür die Sendeplätze, die uns hier interessieren. Aber wir sind in inten-siven Kontakt mit den Kollegen in Paris und in Deutschland.

Katrin Rabus: Bei der Vorbereitung auf die Tagung waren wir über-eingekommen, dass wir diese Ergebnisse im nächsten Jahr sehr vielausführ licher vorstellen, auch mit denjenigen, die dann in der Technik,im Marketing schon wissen: So sieht es aus, da und da sind die An-sprechpartner und die Hierarchie. Was ändert sich, wo passieren dieAngebote, und wo kommen auch die jungen Kreativen hinein? Wie Prof. Mattner gestern sagte, wie kommen wir mit Inhalten, dieauf eine langsame Perzeption ausgerichtet sind, in ein Medium, wasimmer fragmentierter und immer kurzschrittiger wird? Da können na-türlich diejenigen, die mit diesen Fragmentierungen schon leben, sehrviel mehr dazu beitragen als wir Alten, die immer noch diese altenZeitvorstellungen haben. Das ist der Ausblick für das nächste Jahr.

Ich danke Ihnen, liebe Frau Wochner, dass sie hier so ausführlich indiesen offenen Prozess eingeführt haben.

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Klassikrezeption über TV und Internet: Erfahrungen und Perspektiven Jonathan Haswell, Redakteur und Regisseur bei BBC TV

Jonathan Haswell: Ich arbeite für BBC-Fernsehen. Ich arbeite in derklassischen Musikabteilung als Regisseur und Produzent. Es ist schwie-rig im Moment in der BBC. In diesem Monat wird die klassische Mu-sikabteilung zusammengelegt mit Music-Entertainment. Das ist einZeichen, das wir nicht ignorieren sollten. BBC 4, das ist einer der vierstärksten Programme in BBC, hat neulich gesagt, sie wollten „thehome of the arts“ werden mit Kunst, Tanz, Literatur usw. Musik waraber nicht dabei.

In den letzten Jahren habe ich nur für Fernsehen gearbeitet, aberjetzt immer mehr für Internet und jetzt Kino. Und ich arbeite sehr vielmit The Royal Opera House und sehe, dass diese großen Institutio-nen – The Royal Opera House, London Symphony Orchestra, LondonPhilharmonic Orchestra – ihr eigener Verlag sein wollen. The RoyalOpera House hat jetzt eine eigene Seite auf YouTube, gestern habeich gesehen, mit 421 Filmen. Aber BBC hat auch eine – ich will nichtsagen Koproduktion – aber sie arbeiten zusammen mit The ArtsCouncil of England. Sie haben die Website „The Space“. Das ist einesehr wichtige Website, ich glaube, weil es nicht so viele Möglichkei-ten gibt, Mainstream zu sein.

Im letzten Jahr war ich ausgeliehen von der BBC an das RoyalOpera House, eine sehr schöne Erfahrung. Ich habe zwei große Pro-jekte gemacht: Royal Ballet live, das war zehn Stunden ununterbro-chen, mit Proben und Klassen und Interviews und Kurzfilmen usw.,direkt auf YouTube. Das war sehr spannend, weil man sofort dasFeedback hatte, von Twitter, von E-Mail, SMS usw. Das war ein Rie sen -erfolg für The Royal Opera House und auch für You Tube. Das TheRoyal Opera hat dann ebenfalls neuneinhalb Stunden live ge sendet.Am Ende haben wir eine Aufnahme gezeigt vom dritten Akt von der„Walküre“, welche ich im November aufgezeichnet hatte. Das will ichnun zeigen als kurzes Beispiel ...

Wir hatten dafür 21 Kameras, aber 18 waren (Cue balls?), diesekleinen Bälle mit einer Kamera, die sind von Ferne gesteuert. Es war

sehr, sehr dunkel und man musste Infrared benutzen. Und wir hattennur drei Kameras, aber von höchster Qualität. Zwei für die Bühneselbst und eine war auf der Schulter und konnte folgen. Es gab liveeinen Kommentar. Was ich hier zeigen werde, ist keine Postproduk-tion. Das ist roh, was wir an diesem Abend aufgenommen haben.

(Filmausschnitt von 10 Minuten: Brian Terfel als Wotan bereitet sichhinter der Bühne auf seinen Auftritt vor, die Kamera folgt ihm bis erauf die Bühne tritt, der Zuschauer sieht die in der Regel dem Publikumverborgene Seite der Opernaufführung).

Nach der Vorführung wird der Vorschlag gemacht hat, im nächstenJahr die Verantwortlichen vom Royal Opera House einzuladen, ihre Erwartungen und Erfahrungen mit dem interaktiven Format vorzustel-len.

Klassikrezeption über TV und Internet Gespräch mit Jonathan Haswell

Klassikrezeption über TV und InternetGespräch mit Jonathan Haswell

Dr. Ulrich Mosch, Jonathan Haswell

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Filmauswahl 2013 Filmauswahl 2013

Gustav Mahler, Sinfonie No 9 Claudio Abbado und das Lucerne Festival Orchestra, Konzertaufzeichnung von Michael Beyer, 2010

Titel: Claudio Abbado und das Lucerne Festival Orchestra:Mahler 9 Regie: Michael Beyer Kamera: Nyika Jancsó Musik: Gustav Mahler Redaktion: Anca Monica PandeleaProduzent: Paul Smaczny Vertrieb: C Major Entertainment Länge: 94:56 Erstsendung: 2010

Claudio Abbado und seine hand-verlesenen Musiker des LucerneFestival Orchestra erreichen einneues Level ihres umjubeltenMahler Zyklus’ mit der Auffüh-rung der fesselndsten und inten-sivsten Mahler Sinfonie – dieNeunte! Claudio Abbado bringtseine klare Vision und Lebens -erfahrung in diese widersprüch -liche Musik ein. Sein „Orchesterder Solisten“, die erstklassigstenInstru mentalisten unserer Zeit,schwelgt in transparentem Or-chesterklang und der Virtuositätvon Mahlers letzter vollendeterSinfonie. „Eine Interpretation …von erstaunlicher Tiefe und Fein-sinnigkeit“ (Daily Telegraph).

Bruckner Sinfonie No 5 Claudio Abbado dirigiert Lucerne Festival Orchestra Konzertaufzeichnung von Michael Beyer, 2011

Claudio Abbado, Lucerne Festival Orchestra Regie: Michael Beyer Kamera: Andrej Nicolay Musik: Anton BrucknerRedaktion: Anca Monica PandeleaProduzent: Paul Smaczny Vertrieb: C Major EntertainmentLänge: 80:33 Erstsendung: 2011

„Weich und kantabel, bisweilengespannt drängend, jederzeitaber erfüllt von der Wärme desGefühls, so geht Abbado dieMusik Bruckners an“ – nicht nurdie Neue Zürcher Zeitung ist volldes Lobes, wenn Claudio Abbadound das Lucerne Festival Orches-tra Bruckner spielen. Ihre Inter-pretation von dessenehrfurchtgebietender FünfterSymphonie spiegelt kongenial dieunübertroffene musikalischeMeisterschaft und das überbor-dende Talent dieses Komponis-ten. Oder wie The Guardian esformulierte: „Vermutlich hättesich der Komponist selbst dazuhinreißen lassen, Abbado als sei-nen idealen Interpreten zu umar-men.“

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Filmauswahl 2013 Filmauswahl 2013

Claudio Abbado –die Stille hören Film von Paul Smaczny, 2003

Regie: Paul Smaczny Buch: Paul Smaczny Kamera: Nyika Jancsó Musik: diverseRedaktion: Dorothea Diekmann,RBB Produzent: Paul Smaczny Vertrieb: EuroArts Music International Sprache: Deutsch, Italienisch,Englisch Länge: 58:30 Erstsendung: 2003

Paul Smaczny hatte die Gelegen-heit, den Ausnahme-KünstlerClaudio Abbado über 13 Jahrehinweg zu begleiten und systema -tisch Bildmaterial zu sammeln. In den „Skizzen zu einem Portrait“äußert sich Abbado in aus führ -lichen, bisher unveröffentlichtenInterviews über sein Leben, seine Arbeit und die Musik. Aus-gewähltes Archivmaterial, Doku-mente seiner Probenarbeit undKonzertaufzeichnungen stehenneben Impressionen seiner aktu-ellen Arbeit. Aussagen von Freun-den und Kollegen (u.a BrunoGanz, Daniel Harding) werfen einneues Licht auf den „stillen Den-ker“ Claudio Abbado.

Süddeutsche Zeitung 24. 09. 03 „Vor allem ist es ein ruhiger Film.Interviews in entspannter Atmo-sphäre, Versuche, das PhänomenClaudio Abbado zu beschreiben,die Größe des Musikers sprach-lich in den Griff zu kriegen ...Abbado gibt sehr selten Inter-views, und so ist dieses Porträtvon Paul Smaczny schon deshalbsehenswert, weil der Maestrohier in aller Ruhe und Freundlich-keit Gedanken äußert, die ersonst für sich behält.“

Paul Smaczny studierte Rechtswissenschaften,französische Literaturwissenschaf-ten, Germanistik und Film- undTheaterwissenschaften in Regens-burg, Hamburg und Berlin. Nach seinem Abschluss als M. A.arbeitete er als Regieassistentund Drama turg in Frankreich, u.a.als Dramaturg am Centre Drama -tique National in Reims undgleichzeitig in verschiedenen Bereichen der Filmproduktion alsProduzent, Autor und Regisseur.Ab 1995 leitete er den BereichEuroArts Music Production, 2001übernahm er die Geschäftsfüh-rung der EuroArts Music Interna-tional GmbH. Im März 2010gründete Paul Smaczny die Pro-duktionsfirma ACCENTUS Musicmit Sitz in Leipzig. Er konzentriertseine Arbeit nach wie vor aufDoku mentationen von internatio-nalen Konzertereignissen sowieKünstler- und Orchesterporträts,oft in Zusammenarbeit mit Fern-sehpartnern wie ZDF, arte, ARD-Anstalten, NHK, der RAI und dem

SF. Er hat mehr als 150 Filme undTV-Programme mit weltweiterVerbreitung produziert, vielfachRegie geführt und die wichtigstenmusikalischen Events der letzten15 Jahre dokumentiert (Staats-oper Berlin, La Scala, Oper Zürich,Salzburger Festspiele, BerlinerPhilharmoniker, Wiener Philhar-moniker, Chicago Symphony Orchestra, Lucerne Festival Or-chestra, Gewandhaus OrchesterLeipzig, St Petersburg Philhar -monic Orchestra, StaatskapelleDresden u.a.).

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John Cage – Journeys in Sound

Regie: Allan Miller und PaulSmacznyBuch: Anne-Kathrin PeitzKamera: Nyika JancsóMusik: John CageRedaktion: Dr. Lothar Mattner,WDRProduzent: Paul SmacznyVertrieb: C Major EntertainmentSprache: Englisch, DeutschLänge: 58:08Vorführformat: HDCAMErstsendung: 2012

Allan Miller „Er ist Amerikas führender Filme-macher von Dokumentarfilmenüber die klassische Musik“, be-zeichnet die New York TimesAllan Miller.

Der mehrfache Oscar-Gewin-ner ist einer der renommiertestenMusikdokumentarfilmer derGegen wart. Allan Miller hat welt-weit über 35 Filme und Fernseh-programme produziert, die mitzahlreichen Preisen ausgezeichnetwurden. Sein Filmschaffen doku-mentiert einige der wichtigstenEreignisse im Bereich der Klassi-schen Musik der letzten drei Jahrzehnte, insbesondere die Be-gegnung von östlicher und west-licher Musikkultur. „Von Mao bis

Mozart – Isaac Stern in China“und „The Bolero“ mit Zubin Mehtaund dem Los Angeles Phil har -monic wurden 1979 in der Kate-gorie „bester abendfüllenderDokumentarfilm“ und 1975 inder Kategorie „Kurzfilm“ jeweilsmit dem Oscar ausgezeichnet. Es folgte eine weitere Oscar- Nominierung für „Small Wonders“im Jahr 1996. Einen Emmy Awarderhielt Miller 1999 für „ItzhakPerlman – Fiddling for the Future“.Neuere Arbeiten sind die sechs-teilige Serie „Master Classes –Baren boim on Beethoven“ undseine Dokumentation „House ofLife – The Old Jewish Cemetery in Prague” von 2007.

Allan Miller (geb. 5.12.1934)studierte Musik in Harvard undim Anschluss Dirigieren bei Hermann Scherchen. Er ist Gast-dirigent des Baltimore SymphonyOrchestra und des Denver Sym-phony Orchestra sowie verschie-dener weiterer amerikanischerOrchester. Allan Miller ist Mitbe-gründer des „Symphony Space“,ein Performing Arts Centre an derUpper West Side in Manhattan,New York.

Paul Smaczny

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John Cage war der wohl schil-lerndste Protagonist der amerika-nischen Avantgardeszene des 20. Jahrhunderts: Als Komponist,Musiker, Philosoph, Literat, Den-ker und Bildender Künstler ginger radikal neue Wege und hinter-ließ Spuren über Genregrenzenhinweg. In ihrer Film-Hommage„John Cage – Journeys in Sound“anlässlich seines 100.Geburts -tages folgen Oscar-PreisträgerAllan Miller und Emmy-PreisträgerPaul Smaczny Cages Spuren bis in die Gegenwart und beleuchtendie Wirkung des Allroundkünst-lers auf das zeitgenössische

Kunstschaffen. Wegbegleiter undFreunde Cages sowie Künstleraller Genres zeichnen als Protago-nisten dieser Dokumentation einfacettenreiches Bild des „Chamä-leons“ Cage. So kommen u.a.Yoko Ono, Christian Wolff, Wolf-gang Rihm, Irvine Arditti, SteffenSchleiermacher, Toshio Hosokawaoder Calvin Tomkins zu Wort. Darüber hinaus entführen erst -malig gezeigtes Archivmaterialund Konzertmitschnitte den Zu-schauer in die Welt, wie JohnCage sie sah.

How to get out of the CageA Year with John Cage Film von Frank Scheffer, 2012

Buch und Regie: Frank Scheffer Produzent: EuroArts Vertrieb: EuroArts Format: NTSC 4:3 / 16:9 Sprache: English, UT dt.,frz., jap. Dauer: 52 min (Documentary), 92 mins (Extra films) New Documentary by FrankScheffer based on his archives onthe occasionof John Cage’s 100. Anniversaryof Birth on September 5, 2012. († 12.8.1992)

With five experimental films by Frank Scheffer

WAGNER'S RING – 1987 –4:24 mins STOPERAS I & II – 1987 –3:05 mins NOPERA – 1995 – 5:56 mins CHESSFILMNOISE – 1988 –17:21 mins RYOANJI – 2011 – 60:37 mins

From 1982 to 1992 Frank Schefferworked with John Cage on manydifferent occasions, which resultedin a unique archive of historicalaudio-visual material. Based onthis unique archive, includinginter views, musical performancesand images of different locationsrelated to his life and work – filmed on16 mm – the filmmakerScheffer created “How To GetOut Of The Cage – A Year WithJohn Cage”

“The famous artist Marina Abramovic introduced me toJohn Cage. She thought it wouldbe worthwhile for me to get intouch with him and right shewas! In June 1982 I did an hour-long interview with him withoutknow ing how influential he was.He loved the fact that it was aninterview without preconcep -tions. It dramatically changed myway of thinking. He had openedmy mind!”

Frank Scheffer

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Pli selon PliPierre Boulez, 1957 – 1962Konzertfilm von Bettina Ehrhardt

mit Yeree Suh (Sopran) Ensemble musikFabrik Leitung: Pascal Rophé

Produktion: bcefilms & more inZusammen arbeit mit ACHT BRÜCKEN-FESTIVALMusik für Köln 2011Format: HD, 16:9Dauer: 60 min Stereo und 5.1Jahr: 2011

Klangmyriaden – Boulez „Pliselon Pli, Porträt de Mallarmé“Dokumentarfilm von Bettina Ehrhardt

(siehe Pli selon Pli) zusätzlich WDR Dauer: 60 min Stereo und 5.1 Jahr 2011

Improvisation III Film von Barrie Gavin Studioaufzeichnung mit Pierre Boulez Format: 4:3 Dauer: 60 min Jahr: 1966, BBC TV

Bettina Ehrhardt studierte Romanistik, Linguistik,Philosophie, Kunstgeschichte und Film in Hamburg, Lyon undMünchen (Magister in LettresModernes und Diplôme d’EtudesCinématographiques der Universi-tät Lyon II). Seit 1992 Dokumen-tarfilmerin, Produzentin (bce filmsand more) und freie Autorin. Bettina Ehrhardt lebt in München.Reportagen und Dokumentar-filme für Arte, 3SAT, ZDF, WDR,BR, SWR, ORF, SF/DRS, SVT, RadioCanada, ARTV u.a.

Musik und Theater (Auswahl): 2012: Klangmyriaden, Pierre Boulez’ „Pli selon pli, Portrait deMallarmé“,2011: Ich bin dein Labyrinth.Wolfgang Rihm . Nietzsche . Dio-nysos, 2011: Dionysos – Eine Opern-phantasie von Wolfgang Rihm, 2010: Kent Nagano – MontrealSymphony, 2006: „Wo ich noch nie war“ –Der Komponist Helmut Lachen-mann, 2004: Intolleranza 2004 – Film zuLuigi Nonos Szenischer Aktion, 2004: Chick Corea und BobbyMcFerrin „We Play“ 2001: Eine Kielspur im Meer – Abbado . Nono . Pollini

Andreas Morell, Bettina Ehrhardt

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Half the HeartKurzfilm von Andreas Rochholl

Bride: Lisa Tjalve, Soprano Wanko, a Worker: Jan Gerdes, Piano Half the Angel,deaf: Heidrun Barth Bride’s Sister: Simone Leona Huebner Wanko’s Collegue: Hans-Günther Bachmann Music: Sidney Corbett Sound Director: Daniel Wein garten Director of Photography: Philipp Grieß

Written, directed and edited by:Andreas Rochholl Production Company: Kadmos Produktion Zeitgenössische Oper Berlin

Camera: Sony PMW F3Duration: 12:52 min Ratio: 16:9 letterbox – looks like2,35:1 Sound: Stereo, Digital 5.1 Year of production: 2012

Between reality and fantasy A poetic music film with a soprano, a deaf Angel, a worker,2 horses and a Central Station. A bride running in deep despairalong the industrial waterside of

a river, when a deaf angel arises.A workman discovers miraclesduring his daily duty of dumpinggarbage. A song being born outof a metropolitan navel into realms of the soul.

Initial point for this music filmis a composition by the Americancomposer Sidney Corbett (*1960)for soprano and piano. The filmexplores cutting-edge mixingtechniques blurring and oscillat -ing the boundaries between thevisual and the acoustic space.

Notes on the Sound Creation. For this music film an extendedsound technique was applied byrecording and mixing O-Soundsand Studio recordings. Initialpoint was a song, a so called“Lied” in its classical form, com-posed 1998 by Sidney Corbett.The idea was to find more possi-bilities in designing a wider rela -tion ship between the visual andacoustic spaces. How does itsound e.g., when a melody is justin your mind, not yet on the lips?

In order to transfer the songinto a filmic structure, the musicitself went through a transforma-tion process during the produc -tion. The musicians, who performas actors in the film, found newforms fusing sounds arising fromtheir acting with sounds from the

composition. The range of theirinterpretation technique grew,compared to the traditional formof performing such a »Lied«.

Sidney Corbett’s compositionis taken from his song cycle »Lie-der aus der Bettlerschale« (1998)for Soprano and Piano, after apoem by Austrian poet ChristineLavant (1915 –1973).

Andreas Rochholl Graduated at Folkwang Universityof the Arts in directing and sing -ing, post-graduate studies in camera technology and cinemato-graphy at the University of Musicand Performing Arts Vienna. 2006, 1997–2012, 1993–1996,1991–1993. Founding of KADMOS Produk-tion, a Company for music filmsFounder and artistic director ofContemporary Opera Berlin Direc -tor and dramaturg, Theatre Basel.Rehearsal director, Vienna StateOpera. Film work, author and director: Half the heart music film, 2012 I met Heine on the Rue Fürsten-berg music film – Music by Morton Feldman, 2011

Sidney Corbettwas born in Chicago in 1960, studied music and philosophy at

the University of California, SanDiego, and con tinued his study ofcomposition at Yale University,where he earned his doctorate in 1989, and at the Hamburg Academy of the Arts with Gyorgy Ligeti. Corbett has been activeprimarily in Europe since 1985.

His works have earned him numerous national and interna-tional awards and prizes andhave been performed and broad-cast worldwide. A particular em-phasis in his recent work hasbeen in the area of music theatre.His most recent opera, UBU, premiered at the opera house inGelsenkirchen in April 2012. Literary and theosophical subjectsalso inspire and inform his works.»Yael«, for solo violin and orches-tra, draws upon the writings ofEdmond Jabès and his SymphonyNo. 3, »Breathing the Water«,commissioned by the Staats -kapelle Berlin employs texts bythe Iraqui poet Amal Al-Jubouriand the late American poet Denise Levertov. A new opera,based on the novel »Das GroßeHeft« by Agota Kristof premieredat the Osnabrück Opera Houseand he works on a new workcommissioned by the SiemensFoundation for Ensemble Aven-ture.

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No Ideas but in ThingsThe composer Alvin Lucier

Film von Viola Rusche und Hauke Harder

Buch und Regie: Viola Ruscheund Hauke Harder Kamera: Martin Zawadski Montage: Viola Rusche Ton: Hauke Harder Produktion: Viola Rusche

Gefördert von der FilmwerkstattKiel der Filmförderung HamburgSchleswig-Holstein GmbH Sprache: englisch Format: 16:9, HD Dauer: 97 min Jahr: 2012

Premiere: 23.03.2013, MaerzMusik, Berlin

Viola Rusche Geb. 1960, lebt in Berlin, Malerin,freie Cutterin und Filmemacherin,zuletzt 2008 „Amor Vati“, ein Portrait des Dichters ChristianSaalberg.

Hauke Harder1963 geboren in Heide/Holstein 1989 Beginn der kompositori-schen Arbeit 1991/92 Privatunterricht bei

Wolfgang von Schweinitz 1989 –1999 Veranstaltung vonKonzerten zeitgenössischer Musikim Rahmen der ‘Gesellschaft fürakustische Lebenshilfe‘ (Kiel) seit 1995 Realisation von Arbei-ten für Alvin Lucier in Europa. seit 2009 Arbeiten im BereichFilm

NO IDEAS BUT IN THINGS – dieseZeile des Dichters William CarlosWilliams zitiert Alvin Lucier gern,wenn er zu seiner künstlerischenHaltung befragt wird. Das Zitatgibt auch die Linie unseres Filmsvor, Lucier vor allem anhand sei-ner Werke vorzustellen. Getreudem Motto „Don’t ask me what Imean, ask me what I’ve made“wird Lucier bei Konzertreisennach Den Haag und Zug (Schweiz)begleitet. Die Spanne reicht vonAufführungen der frühen live-elektronischen Werke der sechzi-ger und siebziger Jahre (MUSICFOR SOLO PERFORMER und BIRDAND PERSON DYNING) bis zur Ur-aufführung des EnsemblestücksPANORAMA 2 im Jahr 2011. Einesder bedeutendsten Stücke Lu-ciers, I AM SITTING IN A ROOM(1969),bildet das zentrale Struk-turelement unseres Films.

Ein eigenes Kapitel widmet sichden Anfängen von Luciers Pio-niertätigkeit. Lucier erzählt, wieer von John Cage und DavidTudor beeinflusst wurde und wieer mit den anderen Mitgliedernder SONIC ARTS UNION abseitsdes Mainstreams der elektroni-schen Musik und der europäi-schen Tradition nach neuenWegen gesucht hat. Cage hatteihm vermittelt, dass Entdeckun-gen zu machen wichtiger sei, alsFehler zu vermeiden – ein Prinzip,dem Lucier sein Leben lang treugeblieben ist. Er erklärt uns jedochauch, worin sich seine Arbeits-weise deutlich von Cage unter-scheidet. Während Cage denZufall als Grundlage von „nature’smanner of operation“ ansah unddaher das Prinzip von Ursacheund Wirkung in seiner Musik ab-lehnte, arbeitet Lucier mit diesemPrinzip, setzt es aber so ein, dassUrsache und Wirkung ihre Vor-hersagbarkeit verlieren.

Viele Stücke Luciers leben vonihrem visuellen und theatrali-schen Reiz. In MUSIC FOR SOLOPERFORMER (1965) sitzt Lucierunbewegt mit Elektroden amKopf vor dem Publikum. Dabeiwerden die Alphawellen seinesGehirns verstärkt und an Laut-sprecher geleitet, deren Membra-

nen Schlaginstrumente zum Klingen bringen. Nur durch dieNicht-Aktivität des Aufführendenkommt das Stück überhaupt zuStande. In einer Parallelmontageverbinden wir neue Aufnahmendieses Stückes aus Den Haag mitArchivmaterial von 1976. In denDünen vor Den Haag liegt auchder „Celestial Vault“, ein künstli-cher Krater von James Turrell. Andiesem Ort wurde Luciers ArbeitSFERICS (1981) aufgebaut, bei dermit Antennen natürliche Radio-wellen aus der Ionosphäre hörbargemacht werden – eine auch visuell einmalige Konstellation.

Die Kamera beobachtet Lucierbei Proben und bei der Arbeit mitTechnikern und Musikern. Aufklare und humorvolle Art erklärtund kommentiert er seine Werke.

H. H.

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George GershwinCuban Overture George GershwinAn American in Paris Herbie Hancock Improvisationenüber zwei Lieder von Gershwin George GershwinRhapsody in Blue Konzertaufzeichnung Enrique Sánchez Lansch

Aus der Walt Disney Concert Hall „A Celebration for Gershwin“Galakonzert

Los Angeles Philharmonic Solist: Herbie Hancock Dirigent: Gustavo Dudamel

Eine Bernhard Fleischer MovingImages Produktion für WDR/arte,THIRTEEN und WNET in Zusam-menarbeit mit Los Angeles Phil-harmonic Association and C Major

Format: HD, 16:9 Länge: ca. 65’ Jahr: 2011

Nominiert für den EMMY 2012in der Kategorie Special ClassPrograms

haben längst diese einzigartigeKammermusikformation zwölfgleicher Instrumente fest im Kon-zertsaal etabliert und ein begeis-tertes Publikum auf der ganzenWelt erobert.

Der Film begleitet die aktuellen12 Cellisten bei Auftritten beimSchleswig-Holstein Musik Festival,bei den Luzerner Festwochen,auf Asientournee in Peking undShanghai. Und dazwischen beider Anspannung kurz vor demAuftritt – und immer wieder beiProben, Proben, Proben. Das giltvor allem für die Arbeit an ihrerjüngsten Uraufführung, Labyrinthvon Sofia Gubaidulina. Der Filmzeigt sie in ihrer ersten Proben-phase mit vielen Fragen an diePartitur über die erste Begegnungmit der Komponistin bis zur Ge-neralprobe und Uraufführung inLuzern. Und der Film stellt Höhe-punkte aus der Geschichte desEnsembles vor und gewährt Ein-blicke in den immer noch leben-digen Austausch der heutigenMitglieder mit ihrer eigenen Tra-dition und der Gründergenerationvon 1972.

Ludwig van BeethovenSinfonie Nr. 3, Es-Dur, op. 55Eroica Konzertaufzeichnung Enrique Sánchez Lansch

Beethovenfest Bonn 2007 aus derBonner Beethovenhalle Simón Bolívar Youth Orchestra ofVenezuela Dirigent: Gustavo Dudamel

Format: HD, 16:9 Länge: ca. 120’ Jahr: 2008

The Promise of Music Film von Enrique Sánchez Lansch

mit Diego Matheuz, Félix Men-doza, Katherine Rivas, EdicsonRuiz, Jhoanna Sierralta, demSimón Bolívar Youth Orchestra ofVenezuela und Gustavo Dudamel

Eine Bernhard Fleischer MovingImages Produktion für DeutscheWelle und Unitel Classica in Zu-sammenarbeit mit ZDF und 3sat

DokumentarfilmFormat: HD, 16:9Länge: 90 minJahr: 2008

The Promise of Music / Der Klangder Hoffnung zeigt den Weg descharismatischen jungen Dirigen-ten Gustavo Dudamel und das„Simón Bolívar Youth Orchestraof Venezuela“ von den Proben inCaracas bis zum Auftritt beimBeethovenfest 2007 in Bonn. Wiesind sie dahin gekommen, undwelcher Traum ist für sie alle inErfüllung gegangen? Aus der Per-spektive fünf junger Musiker zeigtder Film ihren Weg aus Armutund Elend zu glanzvollen Auftrit-ten auf großen Bühnen der Welt.

Die 12mit den 12 Cellisten der BerlinerPhilharmoniker Film von Enrique Sánchez Lansch

Produktion: Die 12 Cellisten derBerliner Philharmoniker

Dokumentarfilm Format: HD, 16:9 Länge: 60’ Jahr: 2012

Die 12 1972 trat die Cellogruppe derBerliner Philharmoniker zum ers-ten Mal allein auf – herausgelöstaus dem Orchester und ohneweitere Instrumente. Die 12 Cel-listen der Berliner Philharmoniker

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Enrique Sánchez LanschIn Gijón, Nordspanien, und Kölnaufgewachsen absolvierte Enri-que Sánchez Lansch ein Musik-studium mit Hauptfach Gesangund eine akademische Ausbil-dung in Romanistik, Philosophieund Germanistik, die er mit einerMagisterarbeit über Literaturver-filmung abschloss. Neben demStudium begann er erst als Regie-assistent, dann als Regisseur undAutor von Musik- und Doku -mentar filmen zu arbeiten. Nacheinigen Jahren als Regisseur undProduzent fiktionaler Serien folgteein Filmstudienaufenthalt an derColumbia University und derUCLA. Enrique Sánchez Lanschlebt in Berlin und ist als Regisseurund Autor vorwiegend von Doku-mentarfilmen tätig, meist in Ver-bindung mit Musik.

Zu seinen Arbeiten gehören: Ouvertüre 1912 – Die DeutscheOper Berlin Die 12 – Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag aus Licht Irgendwo auf der Welt – DagmarManzel entdeckt Werner RichardHeymann Piano Encounters – Begegnungenam Klavier The Promise of Music – Der Klangder Hoffnung „Das Reichsorchester“ – Die Ber liner Philharmoniker und der Nationalsozialismus Sing um dein Leben! RHYTHM IS IT!

Enrique SánchezLansch

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Enrique Sánchez Lansch: Auf besonderen Wunsch von

Katrin Rabus zeige ich jetzt ausmeinem Porträt über die 12 Cellis-ten der Berliner Philharmonikernur einen Teil des Films – die ers-ten 40 Minuten. Das hat mit Kon-zertaufzeichnung zu tun, indiesem Fall auch mit der Auffüh-rung zeitgenössischer Musik. Daist ein ganzer Bogen von der ers-ten Probe bis hin zur Aufführungeines Stücks von Sofia Gubaidu-lina, einem Auftragswerk der 12Cellisten an diese Komponistin,mit der Zusammenarbeit mit derKomponistin selbst. Dies so kurz,um noch einzuleiten in das ThemaKonzertaufzeichnungen. Wir zei-gen einen Ausschnitt aus einemKonzert mit Gustavo Dudamelund dem Simon Bolivar Orchestervon 2007. Das ist im Rahmeneines Dokumentarfilms „The Pro-mise of Music“ aufgezeichnetworden.

Das habe ich schon im Hinblickdarauf aufgezeichnet, dass es pa-rallel dazu eine geschlossene Ver-sion des Konzertes geben sollte.Ich zeige einige Minuten in denzwei verschiedenen Versionen,sozusagen als Einstimmung, umauch noch mal zu sehen, wieman unter unterschiedlichen Prio-ritäten aus demselben Material

Wir wollten einmal durch dieganze Sinfonie und sind dannmutig vom ersten in den drittenSatz und dann noch mal, bei dernächsten Gelegenheit, an dasEnde des vierten gesprungen. Wirhaben natürlich diese unter-schiedlichen Interviewaussagendazwischen gelegt. Aber auch inder Auflösung der einzelnen Kon-zertteile, die dann eben verblei-ben aus dem ersten, dritten undvierten Satz, haben wir dann auchnoch mal den Rhythmus geändertund die Konzentration auf dieProtagonisten natürlich erhöht,dass man sie noch stärker im Or-chester sieht. Aber auch ebendamit gespielt: „Wo liegt es imvierten Satz? Wollen wir natürlichdiese Energie mitnehmen, umzum Ende zu kommen?“/ Habenda noch mal sozusagen ein biss-chen „Speed“ zugegeben, wäh-rend die Abfolge im ersten Satzgerade noch mehr mit der Schnitt-folge, die nun aus dem „norma-len“ Dokumentarfilm – in Anfüh-rungszeichen – kommt, einfachübernommen, damit das so glei-tend da hineingeht. Ich glaube,mehr muss man dazu gar nichtsagen. Mehr ist es nicht. Danke schön.

zwei leicht verschiedene Dingemachen kann.

Wir sehen erst die Konzert -version. Das Ganze zeigt die Vor-bereitungen des Simón BolívarOrchesters mit Gustavo Dudamel.Die reisen dann nach Deutsch-land und in Bonn spielen sie die-ses Konzert, in dessen ZentrumBeethovens Eroica steht. Ich habees im Hinblick darauf aufgezeich-net – aber eben anders als denrestlichen Film – eben nicht miteinem Ein-Kamera-Team oderZwei-Kamera-Team wie bei denProben –, sondern mit Multi- Kamera, mit einem Ü-Wagen, mit11 Kameras waren es sogar. Ichhabe eben versucht, beiden Din-gen gerecht zu werden, den An-forderungen einer Dramaturgieeines ganzen Konzerts, in demman dann nachher nicht nur dieEroica sieht, sondern ein Riesen-Programm mit Bernstein – Tänzenaus der West Side Story, undnoch recht vielen Stücken ausdem lateinamerikanischen Reper-toire des Orchesters. Wir zeigendie ersten Minuten aus der Eroica.In der „normalen“ Version alsreine Konzertaufzeichnung, dannfür dieselbe Stelle für den Doku-mentarfilm anders geschnitten.

Beim Dokumentarfilm muss ichnicht viel dazu sagen, besondersbei diesem Publikum. Auf dereinen Seite hatte ich mich füreine Struktur entschlossen, anderen Ende eben dieses Konzertsteht. Klar kann man nicht dasganze Konzert, auch nicht dieganze Eroica, zeigen. Wie fasstman das zusammen? Und gleich-zeitig: Wie wird es dann nicht nurso ein vordergründiges: Na, diehaben die ganze Zeit geübt, –waren die ganze Zeit gespannt,„Wie kommt das denn da an, wowir das spielen?“ Und dann spie-len sie es“? Sondern wie könnendiese Geschichten, die ja eigent-lich viel wichtiger sind als jetzt soein oberflächliches Strukturele-ment, wie können diese einzel-nen Protagonisten, die wir imLaufe des Films kennen lernen ...Das sind ja beileibe nicht nur Gus-tavo Dudamel, der fast eher soein Neben-Protagonist ist, son-dern es sind die vier Musiker ausdem Orchester, die wir im Laufedes Films kennengelernt haben.Wie kriegen wir die eben in die-ses Konzert reintransportiert, dassdie jetzt auch nicht in dieserMasse von 250 Musikern unter-gehen? Sondern dass deren Ge-schichten auch lebendig bleiben.

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Große Werke entdecken Dreigroschenoper Ein Film von Günther Klein Mit: Ben Becker

Eine Produktion der IFAGE Filmproduktion Redaktion: Martin Schneider, ZDF

Sendelänge: 52‘ 53“ Deutschland 2012

Deutsche und französische Erstausstrahlung ARTE 7. April 2013, 17.05 Uhr

Auszüge aus dem Pressetext: Es war einer der erfolgreichs-

ten Theater-Events des 20. Jahr-hunderts: Die Uraufführung derDreigroschenoper von BertoltBrecht und Kurt Weill am 31. Au-gust 1928 im Berliner Theater amSchiffbauerdamm, das nochheute als „Berliner Ensemble“unter der Leitung des ehemaligenWiener Burgtheater-DirektorsClaus Peymann das Brecht-Erbehochhält.

„Es ist das einzig nennenswerteStück über den Kapitalismus“, istPeymann überzeugt, „und daherebenso wichtig wie aktuell!“

Aber liegt in solch provokant-aktuellen Statements wie „Was istein Einbruch in eine Bank gegen

„Stars“ dieser Oper, die sich nurdeshalb „Oper“ nennt, weil sieunbedingt das Gegenteil sein will.Und wenn die Puppen dannplötzlich lebendig werden, dannführen sie Ben mit Puppen-Powervor, was diese „Oper“ in Wirklich-keit ist: anarchisch, zynisch, bit-terböse – also lustig.

Neben Ben Becker und ClausPeymann erleben wir in dem vonDreigroschenoper-Musik durch-tränkten und durchaus amüsan-ten Film von Günther Klein auchden Brecht-Weill-Spezialisten undMusikwissenschaftler JoachimLucchesi, der angesichts des Vor-wurfs, Brecht habe große Teileseines Stücks aus anderen Dich-tungen zusammengeklaut, zumSchluss kommt: „Gewiss, Brechtist ein Plünderer. Aber das Ent-scheidende ist, dass er in einerGenialität plündert, die ganzgroße Kunst ist!“

die Gründung einer Bank?“ oder„Erst kommt das Fressen, dannkommt die Moral“ wirklich dasganze Geheimnis des Erfolgs be-gründet? War es nicht eher so,dass vor allem die Nähe zur leich-ten Schlagermuse und Schenkelklopfenden Lustigkeit das Stückso populär machte?

Schon bald beklagte Brechtselbst, dass der „Erfolg des Stü-ckes, von all dem herrührt, wasich nicht wollte“. Statt dass derBürger sich in den korruptenBühnen figuren selbstkritisch wie-dererkenne, amüsiere er sichköstlich. Brechts „DialektischesTheater“ (oder wie es die Kritikerauch spöttisch nannten: „Zeige-stock-Theater“) war insofern ge-scheitert – aber es war eine derkommerziell erfolgreichsten Nie-derlagen der Theatergeschichte.

Übrigens auch für Brecht:Enorme 25.000 Reichsmark kas-sierte er allein für die Verfil-mungsrechte. Und schon baldnach der Uraufführung war dasStück in 18 Sprachen übersetzt,waren mehr als 50.000 Textaus-züge verkauft, veröffentlichten 11Plattenlabels die Hits und strickteKurt Weill seine Musik eilig füralle Lebenslagen um: für denKonzertsaal, für den 5-Uhr-Tee,für die lustige Party, fürs Tanzver-

gnügen; Mackie-Messer-Puppenwurden vermarktet, und sogareine Dreigroschenoper-Tapetewurde lizensiert.

Ben Becker, erprobter Brecht-Schauspieler, zwiespältigerBrecht-Verehrer und eingefleisch-ter Berliner, macht sich auf, derUrsprungsgeschichte der Drei -groschen oper nachzuspüren. Er besucht die Originalstätten,findet eine aufregende Spur ineinem Antiquitäten-Laden, durch-lebt in Kaufhäusern und Cafés dieStimmung, in der sich in den 20erJahren Brechts revolutionäres Talent entfaltete. Er stöbert in derSchmutzigkeit und den Schönhei-ten Berlins herum und erlebt dieUnbehaustheit in einer Metro-pole, von der Brecht sagt, sie sei„ ‘ne ziemliche Stadt, da genügt‘ne Sonne nicht!“. Er besucht dieletzte Wohnung Brechts, ent-deckt dort Probenfotos und dasOriginalmanuskript, das er ein-fach mitnimmt, um es am Endedes Films einem ganz besonderenZweck zuzuführen…

Und er entdeckt auf seinerBrecht-Reise durch den Dschungelder Großstadt ein ganzes Lagervoller Puppen. Puppen, die ge-nauso aussehen wie Mackie Mes-ser oder Polly oder Peachum oderSeeräuber-Jenny, also wie die

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Leonard Bernstein Omnibus (1954 – 58), sieben Fernsehsendungen imRahmen der gleichnamigen Reihe

Von 1952 bis 1961 strahlten dieprivaten amerikanischen NetworksCBS, ABC und NBC im wöchent -lichen Rhythmus zu wechselndenZeiten jeweils am Sonntag einevon der Ford Foundation initiierteund die ersten Jahre auch finan-zierte Reihe mit demTitel Omnibusaus. Ziel der Reihe war, mittelsdes damals jungen MediumsFernsehen einem breiten Publi-kum neben Naturwissenschaftenvor allem Literatur, Theater,Archi tektur, Bildende Kunst undMusik näher zu bringen. ZwischenOktober 1954 und März 1958war Leonard Bernstein insgesamtsieben Mal Gast bei Omnibus.

Mit seinen zwischen einer gutenhalben Stunde und fünf ViertelStunden unterschiedlich langenSendungen deckte er ein breitesThemenspektrum ab: „Beetho-ven’s Fifth Symphony“ (CBS, 14.November 1954, 33’), „The Worldof Jazz“ (CBS, 16. Oktober 1955,45’), „The Art of Conducting“(CBS, 4. Dezember 1955, 48’),„American Musical Comedy“(ABC, 7. Oktober 1956, 76’), „In-troduction to Modern Music“(ABC, 13. Januar 1957, 49’), TheMusic of J. S. Bach (ABC, 31. März1957, 49’) und „What MakesOpera Grand?“ (NBC, 23. März1958, 76’).1)

Die Sendungen waren nicht alsReihe konzipiert. Bernstein ent -wickelte sie vielmehr jeweils ganzaus dem einzelnen Thema he-raus. Obwohl live aus dem Studioübertragen, bildeten sie keineKonzertsituation ab. Vielmehrnutzten sie konsequent Montageund Schnitt, um ein möglichstleben diges fernsehgerechtes Pro-dukt hervorzubringen. Mit ganzwenigen Ausnahmen wurden die Musikbeispiele immer live im Studio gespielt. Dokumentar -material, seien es Bilder oderTonauf nahmen, kamen dagegennur ausnahmsweise zum Ein-satz, etwa im Zusammenhang mit

der Jazz- und der Interpretations-geschichte.

Die locker erzählenden Sen-dungen – aus heutiger Sicht viel-leicht etwas textlastig – experi-mentierten auf dem damals neuenund, was Musik betrifft, nochweitgehend unbebauten Feld des„educational television“ mit denMöglichkeiten der Visualisierungvon musikalischen Sachverhaltenund Musik. Noch heute könnensie damit in vielerlei Hinsicht Vor-bildcharakter beanspruchen. Getragen werden sie durchwegvon der Persönlichkeit Bernsteins,seinem Kommunikationstalentund seiner außerordentlichen Aus-strahlung als Künstler.

U. M.

1) 2009 auf DVDveröffentlicht vonE1 EntertainmentU.S.LP unter derNummer E1E DV6731 (© E1 Enter-tainment, Port Wa-shington, NY).

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Schumann at Pier 2 – Konzert- und Dokumentarfilm von Christian Berger

mit Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphil-harmonie BremenRegie: Christian Berger Orginalmusik: Robert SchumannLangfassung: 98 MinutenZweiteiler: 2 x 42.30 Minuten Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch, Arabisch Produktion: Unitel Classica, Deut-sche Welle, Radio Bremen/Arte Ausführender Produzent: Bern-hard Fleischer Moving Images Redaktion Deutsche Welle: Rolf Rische, Reiner Schild Redaktion Radio Bremen: Mechtild Lehning, AndreaZschunke Vertrieb und DVD-Label: C MajorEntertainment GmbH Filmförderung: Nordmedia Ausstrahlung Deutsche Welle: 4. und 11. November 2012DVD/Blu-ray Veröffentlichung: 5. November 2012

sehen sowohl für Klassikfreundewie auch für Neueinsteiger.

Preisverleihungen • Official Selection, The World

Film Festival Montreal 2012,Canada

• Czech Televison Prize, GoldenPrague International TV Festi-val 2012, Czech Republic

• Gold Remi Award, World FestHouston 2013, USA

• Award of Merrit, AccoladeCompetition 2013, USA

• Honorable Mention, Interna-tional Film Festival for Environ -ment, Health and Culture2013, Indonesia

• Intermedia-Gold Award,WorldMediaFestival Hamburg2013, Germany

• Official Selection, Pärnu FilmFestival 2013, Estonia

• Official Selection, Rhode IslandInternational Film Festival2013, USA

Christian Berger Die Produktion „Schumann atPier 2“ ist Christian Bergers zweiteRegiearbeit für einen Dokumen-tarfilm in Feature-Länge. Im Jahr2010 stellte er seinen Film „DasBeethoven-Projekt“ vor, der beiinternationalen Filmfestivals dasPublikum begeisterte, im Aus-landsfernsehen der DeutschenWelle und beim europäischenKulturkanal 3sat ausgestrahltwurde sowie bei Sony Music aufDVD erschien.

Als Redakteur der DeutschenWelle war Christian Berger anpreisgekrönten Musikfilmen wie„Kent Nagano dirigiert Monu-mente der Klassik“ (2006) und„The Promise of Music – GustavoDudamel and the story of theSimón Bolívar Youth Orchestra ofVenezuela“ (2008) beteiligt.

Der Konzertfilm „Schumann atPier 2“ von Deutsche Welle, UnitelClassica und Radio Bremen zeigtdie vier Sinfonien von RobertSchumann aus einem neuenBlickwinkel. Zeitgemäß und frischsind sowohl die Interpretationenvon Dirigent Paavo Järvi und derDeutschen KammerphilharmonieBremen als auch die visuelle Ge-staltung des 98-minütigen Kon-zertfilms.

Für die TV-Produktion wähltedie Fernsehcrew einen unge-wöhnlichen Ort: Das „Pier 2“, eineehemalige Werfthalle im BremerHafen. Dort spielten StardirigentPaavo Järvi und die DeutscheKammerphilharmonie Bremen anmehreren Tagen alle vier Schu-mann-Symphonien vor Publikumein. Für die Konzertaufzeichnun-gen vor industriell geprägter Ku-lisse wurden acht HD-Kameras,Dollys, Kran und Remote-Technikeingesetzt Das Ergebnis: TV-Auf-zeichnungen der Schumann-Sin-fonien, wie es sie so bisher nichtgegeben hat.

Neben Konzertmitschnittenentstand der Konzertfilm „Schu-mann at Pier 2“ von RegisseurChristian Berger. In „Schumann atPier 2“ erläutern Dirigent PaavoJärvi und ausgewählte Orchester-musiker wichtige Passagen derSymphonien und liefern Hinter-gründe zum Leben von RobertSchumann. Dazu gibt der Filmexklu sive Einblicke in die Proben-arbeit und zeigt wichtige Aus-schnitte der Sinfonien. So entstehteine zeitgemäße audiovisuelleReise durch das sinfonische Uni-versum von Robert Schumann.Faszinierend, verständlich undunter haltsam. Klassik außerhalbdes Elfenbeinturmes, Musikfern-

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Filmauswahl 2013 Filmauswahl 2013

Die italienische Art Film von Angelo Bozzolini

Regie und Buch: Angelo Bozzolini Kamera: Lorenzo Scurati Musik: Orchestra dell'AccademiaNazionale di Santa Cecilia Redaktion: Erica Vitellozzi, Francesca Nesler Produzent: Alessandro Melazzini –Alpenway Media ProductionGmbH Vertrieb: EuroArts Music Interna-tional GmbH Sprache: Englisch, Italienisch,Russisch. Untertiteln auf Deutsch Länge: 100 Minuten Vorführformat: DVD, Blu-Ray, DCP. 2013

faszinierende und für gewöhnlichverborgene Welt. Gleichzeitig erzählt er von einer nationalenInsti tution, von einer historischeinzigartigen Entwicklung, voneinem Herangehen ans Leben,das für ein in aller Welt geliebtes,oft aber missverstandenes,manchmal in seinen übersehenenMannigfaltigkeiten geradezuunbe kanntes Land charakteris-tisch ist.

Wie kommt man dazu, klassi-sche Musik zu machen? Welchealltäglichen Kräfte erfordert die-ser Beruf? Was für eine beson-dere Beziehung pflegt jederInterpret zu seinem Instrument?Was erlebt er auf der Bühne? Wie lässt sich die Verwandlungder größten Spannung währenddes Konzertes in überbordendeFröhlichkeit nach der Aufführungerklären? – Auf diese Fragen ant-wortet der Dokumentarfilm miteiner großen, mitreißenden, viel-stimmigen Erzählung.

Angelo Bozzolini (*1973, Rom)studierte Literatur und Philoso-phie an der Università La SapienzaRom und hat sich in der Folge amVictoria College of the Arts inMelbourne auf den Film speziali-siert.

Im Bereich der Musik hat erRegie geführt bei Anno Zero(2001) über das European YouthOrchestra von Claudio Abbado,The Piano Is the World (2006)über die International Piano Academy am Comer See. In Zu-sammenarbeit mit RAI hat er bei Mendelssohn inedito (2009), Fryderyk Chopin (2010; ausge-zeichnet beim Festival del Cinemain Rom), Franz Liszt: il grande virtuoso (2011) das Drehbuch ge-schrieben und Regie geführt.2005 wurde De la famille et d’unamour immodéré über RobertGuediguian und Ken Loach aufdem Festival del Cinema in Turinausgezeichnet. Von 2008 bis2010 hat er an der italienischenFernsehserie Anno Zero mitgear-beitet, wobei er die Regie derDoku-Dramen übernahm. 2013hat er an Ballerine gearbeitet,einem Reality-Doku über Tänze-rinnen des Teatro San Carlo Napoli für MTV Italien.

Die italienische Art: ein Filmüber Musik, ein Film in derMusik. Die italienische Art ist die Ge-schichte eines der renommiertes-ten Orchester der Welt, ange-reichert durch Archivaufnahmenaus den letzten dreißig Jahrenvon den großen Dirigenten, dieauf dem berühmtesten PodiumRoms gestanden haben. Heutegehört dieser Posten Sir AntonioPappano, einem Angloamerikanermit Beneventer Wurzeln, der aufdem Podium des Orchestra Na-zionale di Santa Cecilia einen es-sentiellen Teil seiner italienischenUrsprünge wiedergefunden hat.

Die Handlung des Dokumen-tarfilms entfaltet sich lebhaft undzeigt, wie eine große Aufführungprojektiert und umgesetzt wird,wie sich der Klang von der erstenProbe an bis zum Schlussapplausdes ausverkauften Saales entwi-ckelt, was mit den Musikern vorsich geht, bevor sie die Bühne be-treten, und wie die Interpretenam Ende eines Konzerts die Span-nung abbauen.

Mit den persönlichen Ge-schichten der Orchestermitgliederund ihres Dirigenten, die auch anden Orten ihrer Herkunft gefilmtwerden, gibt Die italienische Artdem Zuschauer Einblicke in eine

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Filmauswahl 2013 Filmauswahl 2013

Die Fabelwelten der Anna Prohaska Film von Andreas Morell

Regie & Buch: Andreas Morell Kamera: Thomas Frischhut, Carsten Schönijahn, Andreas Morell Schnitt: Nina Mühlenkamp Kostüme: Darya Kornysheva Musik: Cavalli, Händel, Monte-verdi, Purcell, Vivaldi Francesco Cavalli (La Calisto): Restino imbalsamate

Georg Friedrich Händel (Alcina):Tornami a vagheggiar Georg Friedrich Händel (Rinaldo):Furie Terribili Claudio Monteverdi: Lamentodella Ninfa Henry Purcell (The Fairy Queen):See, even Night herself is hereHenry Purcell (The Fairy Queen):O, let me forever weep Antonio Vivaldi (La fida ninfa):Alma oppressa Redaktion: Dorothea Diekmann,Christian von Behr, arte/RBB Produzent: Bernhard von Hülsenfür AVE Film- & Fernsehproduk-tion Vertrieb: –Sprache: deutsch Länge: 43’30 Vorführformat: HD

Der Film „Die Fabelwelten derAnna Prohaska“ zeigt eine mo-derne Frau, die einem barockenRepertoire Unmittelbarkeit undLebendigkeit verleiht: ganzgleich, ob es eine Eifersuchtsarieauf dem Bahnhof Berlin-Alexan-derplatz ist (Vivaldis „AlmaOpressa“), ein modernes Liebes-Märchen (Händels „Tornami“),oder ein herzzerreißendes Lamento (Monteverdi) in einemalbtraumhaften Krankenhaus.

Jahr: 2013 Erstsendung: 17.03.2013

Andreas Morell, Regisseur,Autor Spielfilme (Unschuld, Lenz) / Fern-sehspiele (Hexenfeuer) / Serien(Soko Leipzig, Allein gegen dieZeit) und diverse Soaps (Mallorca,Verliebt in Berlin, Alles was zählt) /Dokumentarfilme, über sozialeThemen (Friedhof der Illegalen),vor allem aber über Musik (TanDun, Tzimon Barto, Igor Levit,Anna Prohaska u.a.) und Ballett(Mauro Bigonzetti, Boris Eifman,Joachim Schloemer, PremierDanseur) / Aufzeichnungen vonOpern, Theaterstücken und Kon-zerten / Commercials und Corpo-rates, vor allem in England /Eigene Theater- und Operninsze-nierungen (Almeida Theatre Lon-don, Hans-Otto-Theater Potsdam,Prater der Volksbühne Berlin). Gewinn diverser Preise, z.B. desCivis Medienpreises 2013, desDeutschen Filmpreises für Kurz-filme sowie der Hauptpreise beiFestivals in Montreal, Asolo undRom, darüber hinaus Nominie-rungen für Dance Screen Award,International Emmy und Deut-schen Fernsehpreis. Morell lebt inBerlin, Südfrankreich und Lon-don.

Anna Prohaska ist sicherlich dieaufregendste junge Sängerin un-serer Zeit: Sie ist nicht nur jungund hübsch und unglaublich be-gabt – das sind andere auch – sieist vor allem modern, zeitgemäßund im besten Sinne „heutig“.Anna Prohaska ist wirklich anders:Sie ist ein Star für unsere Zeit, jemand der die Klassik ohne Attitüde und offenbar anstren-gungslos nahezu im Alleingangentstaubt!

Anna Prohaska lässt die Musik,die sie singt, wie Musik klingen,die gerade eben geschriebenwurde und nicht schon hundertevon Jahren alt ist. Sie macht ausden Bühnenfiguren, die sie ver-körpert, Charaktere unserer Zeit,Menschen, die man täglich aufder Straße treffen könnte. Gleich-zeitig aber liebt Anna ProhaskaFabelwelten: manchmal verwan-delt sie sich in Feen und Nym-phen, in böse und guteZauberinnen. Sie bewegt sichebenso in der Welt der Fantasywie in fancy Welten ...

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Filmauswahl 2013 Filmauswahl 2013

Karajan – Das zweite Leben (Karajan – The Second Life)

Buch und Regie: Eric Schulz Produzent: Centauri GmbH

Redaktion: Frank Gerdes, ServusTV Vertrieb: ServusTV

Länge: 80 minSprachen: Deutsch und Englisch

Jahr: 2012Erstsendung: 25.12.2012 ServusTV

Eric Schulz, geboren 1979, studierte Opern -regie an der Hochschule für Musikund Theater in Hamburg. Nebenersten Regiearbeiten befasste ersich während dieser Zeit mit denfilmischen Elementen der zwi-schen Oper und Kino angesiedel-ten Theateridee Richard Wagners.

Seine Arbeit als Filmemacherbegann mit der Dokumentation„Wagners Meistersänger – HitlersSiegfried“ über den HeldentenorMax Lorenz. Es folgte mit „Tracesto Nowhere“ die erste filmischeAuseinandersetzung mit demDiri genten Carlos Kleiber. Hierfürwurde er mit dem Jahrespreis derDeutschen Schallplattenkritik,

dem ECHO Klassik, dem Gramo-phone Award, sowie dem Inter-national Classical Music Awardausgezeichnet.

Der Film „Karajan – Das zweiteLeben“, erhielt jüngst den öster-reichischen Fernsehpreis Romy.

Bei der Arbeit an der Doku-mentation „Karajan – Das zweiteLeben“ ging es um zweierlei: erstens anhand von größtenteilsbislang unveröffentlichter undhiermit erstmals freigegebenerFilmaufnahmen ein möglichstunver fälschtes Bild von KarajansArbeit in Studio und Konzert zuvermitteln und zweitens darum,seine Beteiligung am Postproduk-tionsprozess zu beleuchten, umein Bewusstsein wiederzubeleben,welches zu verblassen scheint,nämlich von der Musikaufnahmeals eigenständigem Kunstwerk.

Es ist meine Hoffnung, dassunser Film dazu beitragen wird,die Neugier an Karajans Ver-mächtnis zu wecken und das In-teresse am Medium der reinenMusikaufnahme zu beleben.Denn wie formulierte es Karajanselbst: „Nur auf der Aufnahmebekommen Sie einen Klangein-druck, wie ihn der Dirigent aufdem Podium hat, aber nicht imSaal.

Eric Schulz

Maximilian Williams,Tatjana Frumkis,Bruno Monsaingeon

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Junges Forum – Workshop und Kurzfilmwettbewerb

Das Forum The Look of the Sound in Bremen bildet hervorragendeVoraussetzung, junge Nachwuchskünstler aus Musik und Film mit denprofessionellen Vertretern der Branche in Kontakt zu bringen.

Entsprechend der Zielsetzung des Forums, geht es auch bei denkurzen Formaten ausschließlich um Darstellung von Musik im Filmund weniger um szenische Formen von Multimedialität, die auf ein-malige Aufführungen ausgerichtet sind. Ziel bleibt, Talente für denMusikfilm früh zu entdecken und zu fördern: „Man muss viel Freiheitgeben, nur dann entsteht eine Ästhetik, die nicht dem standardisier-ten Fernsehformat entspricht. Diese Freiheit kann man nur haben imkurzen Format. Das trägt oft noch nicht lang und das kann auch nurgelingen, wenn man technisches Equipment, finanzielle Unterstüt-zung – wenigstens minimal – hat und eine Einrichtung im Hintergrundsteht, die sagt: ,Wir halten dazu, probier das mal, mach das mal.’“

Nach Meinung von Thorsten Lorenz, ehemals Redakteur beim SWRund jetzt Lehrstuhlinhaber für Medienpädagogik, muss man sich„... bei Kurzformen viel brutaler entscheiden. Viel schneller, als bei 45-Minuten-Formen. Da kann man ein bisschen mehr schludern imEinstieg. Man kann ein bisschen atmosphärischer werden. Bei Kurz-formen muss man innerhalb von ich sag mal,15, 20 Sekunden imGenre-Point sein: Was ist es genau für ein Format? Das ist eine sehrharte Schule.“

Im letzten Jahr hat der Studiengang für Musikjournalismus an derMusikhochschule Karlsruhe seine Arbeitsergebnisse gezeigt. 2013konnten über den Kurzfilmwettbewerb „The Look of the Sound“ überden Hochschulbereich hinaus bis zu zehn Stipendiaten eingeladenwerden, sich mit Arbeitsproben und Konzepten um die Teilnahme amJungen Forum zu bewerben. Für die Auswahl der Stipendiaten wählteine Jury aus den eingereichten Konzepten fünf Beiträge aus. Die mitdem Preisgeld realisierten Kurzfilme werden auf dem Fernsehforumfür Musik dem Fachpublikum in loser Folge vorgeführt und diskutiert.Aus dem Netzwerk des Fernsehforums wählen sich die KandidatenMentoren und Ratgeber für ihre künstlerischen und professionellenFragen.

2013 wurden einige Filme des Jungen Forum auf der Out Now! Ver -anstaltung im Juni 2013 in Bremen gezeigt, anschließend zeigt dasInter nationale Beethovenfest Bonn ausgewählte Kurzfilme des JungenForum im Rahmen von „Look at Beethoven“ in einer gesondertenVeran staltung am 2.10. 2013.

Der Workshop in Bremen fand statt in Kooperation mit der Musik-hochschule Karlsruhe (Dozenten Syrthos Dreher, Jörg Lohner undKatha rina Herkommer) und dem Atelier für Neue Musik der Hoch-schule Bremen (Prof. Kilian Schwoon). Koordinator und Mentor fürden Kurzfilmwettbewerb ist der Regisseur Enrique Sánchez Lansch.

Weitere Teilnehmer am Workshop waren Uli Aumüller, DorotheaDiekmann, Bettina Ehrhardt, Axel Fuhrmann, Prof. Jean Francois Guiton,Jonathan Haswell, Prof. Dr. Thorsten Lorenz, Dr. Peter Moormann,Eric Schulz.

Auswahl aus den Diskussionsbeiträgen:

Das Geräusch ist der Anfang von Musik Film von Rafael Hustedt, 2012

Publikum: was immer sehr schwer ist, Themenfilme zu machen. Alsonicht Portraits oder Konzertaufzeichnungen, sondern Themen. (...)Dein Film ist erstmal ein schönes Beispiel dafür: es ist ein Thema. Daskann man erstaunlicherweise, haben wir auch gelernt, filmisch umset-zen. Das zweite – was damit zusammenhängt – ist das Texten, da hat man natürlich einen Wechsel in der Wahrnehmung. Man könntesagen, es ist ein Erklärfilm. Hier wird das unter dem journalistischenFilm gehandelt. Das ist auch etwas, was wir kaum noch haben. Wirhatten viele Jahre lang – man könnte sagen, eine Übertextung. Danngab es so in den 80er-Jahren einen Return, zu sagen: „Nur mit O-Tönen arbeiten“. Ist wahnsinnig schwer, nur mit O-Tönen was zu ma-chen. Und bis zum heutigen Tage haben wir O-Ton-Montagen. Wirhaben nicht den leisesten Text. Das ist natürlich Arthouse – nur mitO-Tönen zu arbeiten. Aber damit kriegst du bestimmte Sachen nicht.Und damit kriegst du eben auch keine Themenfilme mehr.

Workshop Junges Forum Workshop Junges Forum

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Publikum: Dass die verschiedenen Stränge sich jetzt einer durchge-henden Erzählung widersetzt haben, eröffnet ja eine ganz andereMöglichkeit, die ich jedenfalls als Zuschauer wahrgenommen habe.Für mich ist ein Themenspektrum eröffnet worden, und zwar fragend.In Bezug auf den Begriff, den Sie eben sagten – Erklärfilm - also ichhabe gar keinen Erklärfilm gesehen, sondern einen, der eigentlichmich Fragen stellen lässt. Zu diesem ganzen Themenspektrum vonGeräusch, Klang und Ton. Und genau das hat mir eigentlich sehr gutgefallen. Also inhaltlich, dass das eher so kaleidoskopartig, oder wiedu gesagt hast, setzkastenartig aufgemacht wird, da kann ich extremviel mit anfangen.

Publikum: ... vermutlich sind durch die Aufgabenstellung eher Filmezu erwarten, die sehr stark mit Kommentar arbeiten. War sehr positivüberrascht über den allerersten Film, den wir gesehen haben, überdas Professorenportrait. ... also nicht auf Biegen und Brechen – aberwenn es aufgeht, finde ich schon, dass ein O-Ton-Film in der Lage ist,mir Dinge, auch Informationen, Hintergründe, Verbindungen, die wei-tere Bausteine sind, in einem Thema, in einer Argumentation, nochmal mit einer anderen Eindringlichkeit zu präsentieren. Einen Off-Kom-mentar finde ich immer ein bisschen schwerer verdaulich. O-Ton-Filmesind dann auch meistens die Filme, die für mich auch noch mal eingrößeres emotionales Potenzial haben.

Wenn man sich entschließt, unter einem Kommentar zu arbeiten,sollte man sich doch auch noch mal das Panorama der Möglichkeitenklarmachen. Auch wenn wir in diesen letzten Tagen, in diesem Jahr,eben außergewöhnlich viele Filme gesehen haben, die O-Ton-Filmewaren, ist es weder hier, und schon gar nicht in der Fernsehwelt, egal.Ob es jetzt den Musikfilm oder überhaupt Dokumentarfilme im Fern-sehen betrifft, sehen wir meistens ja Filme mit Kommentar. Aber –und das möchte ich gerade auch den jungen Filmemachern mitgeben – es lohnt sich schon, sich bewusst zu machen: Wie kann man Kom-mentar auch noch mal anders einsetzen? Wie kann ich zum Beispieleinen persönlichen Kommentar machen, der mir auch elegant ermög-licht, geschickt durch den Film zu führen, aber in dem ich von einerganz persönlichen Geschichte ausgehe, wie komme ich zu diesem

Thema und wie verfolge ich das im Laufe des Films. Und das ermög-licht mir auch, leichter an ein schwereres Thema heranzugehen, dass dann schon fast in den Essay-Film geht.

Publikum: Wiewohl ich zustimme, dass in vielen O-Ton-Filmen wirk-lich viele Null-Aussagen verbraten werden, muss ich sagen, der O-Ton-Film hat auch den Vorteil, Sachaussagen, Informationsaussagenunterzubringen, die ich mit einem Off-Text nicht unterbringen könnte,weil es nicht passen würde. Ein Beispiel fällt mir gerade ein: In einemFilm von mir erzählt jemand über den Unterschied zwischen Kugel-und Nierenmikrofon. Wenn das ein Off-Kommentar bringen würde,würde man sagen, das passt in einen Film über einen Dirigenten – Karajan – nicht rein. Wenn das aber jemand sagt, dann kann ich Sach -infor ma tionen, die eigentlich nicht passen, weil sie zu weit führen und zu speziell sind, verstecken und trotzdem unterbringen. Der O-Ton-Film hat einerseits die Gefahr, dass man Null-Aussagen verwendet,weil die emotionale Komponente noch dabei ist. Aber andererseitsbietet es Chancen, Sachinformationen zu verstecken, wo man eigent-lich sagen würde, die sind zu komplex.

Hi Culture – Die Klassikshow Regie Maximillian Williams

Publikum: Das war unglaublich erfrischend. Einige haben ja letztesJahr gesehen, was du da gezeigt hast. Das hat einen Riesensprungnach vorne gemacht. Der hat auch noch mal eine größere Geschlos-senheit und Stilgefühl entwickelt, und toll finde ich auch immer wie-der die Balance zwischen Elementen, die ja das Bildungsfernsehenauch so ein bisschen karikieren, auf so eine freche Art angehen, aberauch, dass du das totale Gegenteil, nämlich, alles ist cool und jungund so – dass du das genauso karikierst. Und dadurch kommt alsMessage auch wieder rüber, dass das Eigentliche, um das es geht,dass dir die Musik und die Musiker, dass du das wiederum sehr ernstnimmst. Das transportiert sich dadurch auf eine unheimlich schöneArt. Selbst in so Details, wo du Sachen wie Puccini, La Bohème, oderBrahms Dritte Sinfonie dann so einblendest, und die Schrift, die du

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wählst – hat es auf der einen Seite etwas unglaublich Lustiges undgleichzeitig ist es auch eine wichtige Information. Die umso wichtigerist für Leute, bei denen das nicht gleich Klick macht, aber die schonanders damit umgehen können, wenn sie es einfach auch noch malgelesen haben. Also da sind ganz viele Sachen, die sehr elegant sind.Woran ich arbeiten würde, ist so ein bisschen an den Längen. Da hatte ich manchmal das Gefühl, da ist noch einiges Potenzial. Aber grundsätzlich ist das ein toller Schritt in die richtige Richtung.Danke.

Publikum: Ich habe es sehr bewundert, ich würde überhaupt keineKritik anmelden wollen. Warum auch? Das hatte so einen runden Zugriff, es war in keiner Sekunde langweilig, so was von frisch undunmittelbar. Und du hast deine Protagonisten in eine wunderbareSitua tion der Entspanntheit gebracht – und Spannung gleichzeitig.Also was Besseres kann man ja gar nicht machen. Und der ganze Witzund Ironie und dass du jetzt vor uns hier hertrittst und sagst: „Ichwürde jetzt alles ganz anders machen“. Also ich finde auch, eben derZugriff auf die Zeit, das kann alles auch mal ein bisschen klappern.Das gehört ja irgendwie auch dazu, zu deinem Konzept, dass da miteinem Mal ein Messer liegt. Aber wie du mit diesen ganzen Elemen-ten umgegangen bist, bis hin zu deinem Rap da noch, zum Schluss –ich fand das wunderbar. Diese Dichte und so mittendrin zu sein in derSituation, das ist ja das, was wir wollen. Wodurch langweilt man? Das einzige, was man nicht machen darf, ist langweilen. Ja, genau.Hast alles richtig gemacht, finde ich.

Publikum: ... was auffällt, das war die Dynamik der Kamera. Das warimmer ein ganz dynamisches Bild, das fiel richtig auf. Und außerdem,wenn die Musik wirklich kam, dann wurde es ernst, und dann hat dieMusik auch Raum gekriegt. Das war sehr schön, dass man die Musikdann doch in relativ voller Länge auch mal durchhören konnte. Ganzvielen Dank.

Grüntrübe Ritornelle beim Verlassen des Territoriums Film von Tobias Klich und Paul Melzer, 2012

Tobias Klich: Vielleicht muss man zu dem Gitarren-Solostück nochwissen: Das ist ein Stück für Gitarre und Klangregie. Die Gitarre istpräpariert, man hat es gesehen, mit zwei Löffeln und Kapodaster. Siewird verstärkt mit vier Kontaktmikrofonen. Um das Publikum herumbefinden sich mehrere Lautsprecher, mindestens acht. Ich hatte esauch einmal mit 45 Lautsprechern gemacht. Von einem Klangregisseurwerden die Gitarrenklänge im Raum, auf diesem Lautsprechersystem,bewegt und in den Raum projiziert. So dass man als Publikum das Gefühl hat, in diesem Gitarrenraum zu sitzen. Das kriegt man jetzthier in diesem Video nicht mit und in dieser Stereoversion.

Publikum: Was hat dich dazu bewogen, diesen Tabubruch zu voll -ziehen, Ton und Bild asynchron laufen zu lassen? Was ich wunderbarfand. Mich hat das sehr gefreut: „Endlich macht's mal einer.“ (Geläch-ter) Wir mühen uns alle furchtbar ab, eine Synchronität herzustellen.Wenn wir mal falsche Bilder einsetzen – was ja häufig vorkommt.Also wenn wir von einem Konzert zwei Durchläufe nehmen, und vondem einen Durchlauf ist das Bild klasse und von dem anderen derTon. Dann wird da mächtig viel geschoben. ... Und bei dir ist es –„basch“ – endlich mal ein Stilmittel. Also deine Motive würde ichgerne hören.

Tobias Klich: Auflage von der Gaudeamus-Musikwoche war, dasssich die Komponisten, die für das Festival ausgewählt sind, präsentie-ren in einem kurzen Video von drei bis sechs Minuten Länge, ent -weder sich selber oder ihre Musik vorstellen. Mir war wichtig nichtmeine Person in den Vordergrund zu stellen, sondern das Stück, dasdort dann zu hören sein wird. Mir war von Anfang an klar, das gehtnicht, das Stück, also die Aufführung zu dokumentieren. Eher dieserWunsch, eine eigene künstlerische Arbeit daraus zu machen. Eher in diesem Sinne – wie diese Mikrofone an der Gitarre – ganz nah andiese Gitarre ranzukommen, mit diesem Bild ganz nah an die Produk-tionsweise heranzukommen. Das, was man so im Konzert nicht er -

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leben kann. Ich habe da zusammen mit Paul Melzer, einem Künstleraus Dresden gearbeitet. Wir kamen in der Arbeit, die sehr offen, ohneein festes Konzept entstand, dann eben dazu, eher von diesem Rhyth-mus der Musik auszugehen und die Bilder damit zu vernetzen, als das synchron zu schalten. Genau wie in der Musik ganz viele Sachen,die absolut gegensätzlich sind, gleichzeitig passieren, wollte ich dieseEbene auf das Bild übertragen. Dass also in der Musik was völlig anderes passiert, als das, was man im Bild sieht. Dass da noch mal soeine Reibungsfläche dazwischen entsteht und sich ein Raum öffnet.

Publikum: Mich hat es etwas ratlos gemacht. Und zwar habe ichmich gefragt, sind die beiden Ebenen noch aufeinander bezogen?Nein, sind sie nicht, war dann festzustellen. Und dann habe ich michgefragt: Wieso soll ich mir eigentlich die Bilder angucken? Also – ichhabe gerne der Gitarre zugehört und habe auch am Anfang gerne die Bilder gesehen. Und dann habe ich mich gefragt: Wie hast du esgebaut? Ich fing an, über die Struktur nachzudenken. Habe dann gesehen, dass sich viele Bildelemente wiederholten. Und habe, alsofür mich, keine Spannung und keinen Bezug sehen können, der michinteressiert hätte zwischen Bild und Ton. Also mir ging es anders alsdir – ich hätte mir vielleicht das Bild ohne Ton gerne angeguckt undhätte gerne den Ton ohne Bild gesehen. Und beides zusammen warfür mich zuviel.

Publikum: Ich habe natürlich auch einen Augenblick gebraucht, bissich mir das erschlossen hat: Aha, jetzt verlassen wir die Ebene derSynchronität. Aber als ich das begriffen habe, habe ich gleichzeitig so spannende Beziehungen zwischen den beiden Händen wahrge-nommen. So als würden da zwei verschiedene Menschen, wie auchimmer, miteinander kommunizieren. Aber ich habe das Gefühl ge-habt, dass gerade die Entscheidung, dort von der Synchronität weg-zugehen, aber gleichzeitig im geschlossenen Raum zu bleiben, beiden gesetzten Elementen, die mit der Musik, die ich nach wie vorhöre, ja auch Sinn machen. Aber dass das alles mir einen größerenSpielraum freisetzt für meine Fantasie, da noch eine ganz andereEbene auszufüllen, als wenn die Synchronität komplett durchgehaltenworden wäre. Insofern fand ich das eine tolle Progression.

Publikum: Vielleicht nur ergänzend: Weil ich viele Live-Aufführungenauch mitgekriegt habe, von dem Stück, fand ich das jetzt sehr span-nend, wie sehr du verzichtet hast, die Technik zu zeigen. Eigentlich istdie Gitarre ja total verkabelt. Man konzentriert sich also ganz aufdiese Materialität der Tonerzeugung. Und, wenn ich meine eigeneWahrnehmung noch kurz beschreiben darf: Mir ging es ganz stark beidiesen Bildern so, dass ich von den Bildern ausgelöst zusätzlicheKlänge gehört habe, oder ähnliche Klänge, und dass sich dadurcheine Polyphonie ergab. Also von daher: Ich denke, ich würde die Bilderauch nicht so sehr alleine sehen wollen, sondern in diesem Gewebe,eben dem Live-Klang.

Tobias Klich: Also Polyphonie ist genau der richtige Begriff dafür. Wasmich interessiert an dem Stück selber: Eigentlich ein richtiges Orches-ter auf diese Gitarre zu bannen. Das mit einem Spieler zu machen undsehr viele parallele polyphone Schichten zu überlagern. Das noch malzu doppeln in dem Film. Da auch noch eine polyphone Schicht zuhaben. Zum Beispiel, wie dieses Schweben von dem Löffel, das warganz am Anfang, wie der vibriert, wie das korrespondiert zu denSchwebungen, die durch die mikrotonale Harmonie entsteht. Bei denKlängen, die ich da am Anfang gespielt hatte.

Rasumowski Film von Andreas Kessler, 2011

Andreas Kessler: Ich wollte ein Quartett verfilmen oder irgendwieMusik so inszenieren, wie ich sie sehe, weil ich mich schwer getanhabe mit vielen Live-Aufzeichnungen. Und weil ich immer das Gefühlhatte, da geht dieser Live-Effekt – wenn du im Publikum irgend wie in der ersten Reihe sitzt - einfach verloren durch eine Aufzeichnung.Ich wollte da was draufsetzen, visuell, um diesen Live- Effekt, der ver-loren geht, zu kompensieren. Einfach diese Action in der Musik dar-stellen, (...) es geht sozusagen wirklich um das Ding selbst, um dieSache selbst.

Publikum: Zur Interaktion zwischen den Musikern: Spielen die immerso?

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Fuge aus dem Opus 59.3 von Ludwig vanBeethoven

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Kessler: Nein, auch das war alles mehr oder weniger inszeniert. (...)Film hat einfach seine eigenen Regularien, wie er funktioniert, odereben auch nicht. Und dann habe ich das angepasst. Dieses mit demGucken, gerade auch am Anfang, das war auch inszeniert. Weil sonstspielen die ja immer aus Noten, leider ...

Publikum: Ich finde, Ihnen ist damit etwas gelungen, Sie haben jetztfür mein Sehen eine Information weitergegeben, wie unglaublich vieldas zu tun hat mit Kommunikation.

Publikum: Ich würde das gerne ergänzen. Ich fand das einen blitz -artigen Umschlag der Musikeinfälle, die Beethoven ja hier einfach enmasse ausstreut, ins Visualisierte der Gesichter. Also diese perma-nente Übertragung. Da wollte ich jetzt nur noch fragen: Wie weitfolgte das dem kontrapunktischen Spiel in der Partitur, oder wie weitwar das Ihre eigene Entscheidung?

Kessler: ... es war schon sehr genau an der Partitur festgehangen. (...)Klar, beim Film, wenn man dann dreht, passiert halt trotzdem immerwieder – Gott sei Dank – auch viel durch Zufall. Dann macht der Mu-siker irgendwas, was man doch nicht vorhergesehen hat, was abersupertoll ist usw.

Gerade Beethoven hat in seiner Musik schon dramaturgische Struk-turen drin, die dem Film extrem nahe kommen, auch, wie er jetztdiese Fuge inszeniert, wie diese Stimmen durch diese ganze Massevon Noten da irgendwie durchfahren, und es aber trotzdem nie lang-weilig wird, sondern er manchmal es reduziert. Aber dann auch wieder gleich mit so einer krassen Logik, dass man genau, irgendwie,nachvollziehen kann, welche Geschichte gerade erzählt wird. Aber ich meine, Beethoven ist halt einfach ...

Publikum: Du wolltest kompensieren, dass der Live-Moment nicht daist. Aber ich finde der Film hat viel mehr gebracht, diese ganze Sinn-lichkeit, so wirklich hautnah an diesem Cello und an den Bögen dranzu sein. Die Vorbereitung, die man sonst in einem Konzertsaal ebennicht hat. Wirklich sehen können, dass die Saiten vibrieren und dieses

Close-Up. Ich finde das hat noch viel mehr dazu gebracht, einfachdieses Total-nah-dran-sein. Das hat kein Mensch in einem Live-Kon-zert. Es sei denn, man gruppiert die Leute wirklich so ganz außenrum.

Publikum: Ich war ebenso überwältigt von diesen – wie viel waren es,sechs Minuten? Muss allerdings sagen, nach sechs Minuten war ichauch fertig. Also länger kannst du es nicht aushalten, diese Flut vonBildern usw. Und wenn man sich nun vorstellen würde, so ein ganzesKonzert mit einem Streichquartett ... das ist ja das, was bei uns häufigdie Aufgabe ist, ein Konzert mitzuschneiden oder aufzuzeichnen. Undda wäre ich gespannt. Also das wird dir sicherlich in deiner Laufbahn,die ich dir prophezeie, als Aufgabe gestellt werden: Wie löse ich diese40 Minuten, 60, 90 Minuten jetzt mit diesem Ansatz? Also wie gehtdie Gestaltung weiter, wenn dann der langsame Satz kommt usw, (...)so dass das Auge sich wieder erholen kann?

Kessler: Ja, gut, aber diese Beethoven-Fuge, die ist ja echt. Die istsechs Minuten lang und die ist Non-Stop auf Anschlag. (...) Aber ichweiß jetzt nicht, ob es auf einen 45-Minüter einfach so erweiterbarist. Ich will auch nicht, dass es sich abnutzt. Es soll eigentlich mehr soein Moment sein, als dass man stundenlang da wunderschönenInsze nierungen zuguckt.

Publikum: Aber ich glaube, die Grundlage für dieses Stück war jaeine völlig andere. Du warst begeistert von der Musik. Du hast darinCharaktere erkannt. Und die Art des Skriptens von Hollywoodfilmen,die finde ich einfach total klasse, mal zu sehen, wie sie auf klassischeMusik umgesetzt ist. Weil jede Person dort, jeder Instrumentalist,kriegt eine Rolle. Allein zu sehen, wie du damit umgegangen bist, (...)deswegen hätte ich mir gewünscht, den langsamen Satz dann auchnoch zu sehen.

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Der Kampf mit sich? Buch und Regie: Jonathan Hademund Margarete Jall Kamera und Schnitt: JonathanHadem und Margarete Jall Produktion: Hochschule für MusikKarlsruhe Vorführformat: 1920 x 108025p/sLänge: 4:05 min Jahr: 2013

Musik und Kampfsport – daspasst auf den ersten Blick nichtwirklich zusammen. Der Gesangs-professor Friedemann Röhlig be-weist mit seiner Leidenschaft fürdie japanische Kampfkunst Iaidoaber das Gegenteil. Er zeigt sei-nen Studenten, dass vieles ausdem Kampfsport auch für denGesang nützlich ist. Iaido verbes-sert seine Fähigkeit sich zu kon-zentrieren, das Gefühl für deneigenen Körper und den Umgangmit seiner Umwelt. Wo stehe ichauf einer Bühne? Wer ist meinGegenüber? Welche Aufgabehabe ich in einer bestimmtenSitua tion? Diese Fragen stellensich ihm eben nicht nur auf derOpernbühne, sondern auch im

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Iaido. Wenn er sein extrem schar-fes Schwert zieht muss jede Be-wegung sitzen, jeder Atemzugfolgt einem bestimmten Schema.Sein Ziel ist es, sowohl musika-lisch als auch kämpferisch mög-lichst exakt zu arbeiten, sichselbst immer wieder in Frage zustellen. Und genau das gibt erauch an seine Studenten weiter:Den Kampf mit sich!

Der Film war von der Hoch-schule für Musik als Professoren-Portrait verlangt. Da wir keinklassisches Portrait mit ein paarGesangsszenen und Interviewmachen wollten, haben wir über-legt, was eigentlich das span-nende an diesem Thema ist. Dakam die Idee mit dem Kampf-sport auf. So konnten wir dasThema aufbrechen und auch Bil-der holen, die über das klassischePortrait hinausgehen.

M.J.

Camille Corot – Klangfarben

Drehbuch/Regie: Kathrin Kreuselund Hanna Sophie Lüke Kamera / Schnitt / Ton: KathrinKreusel und Hanna Sophie Lüke Moderation: Hanna Sophie Lüke Musik: Studierende der Hochschule für Musik Karlsruhe Länge: 6:47 min Vorführformat: mp2, 1920 x 1080,Full HD Jahr: 2013

Jeder Künstler braucht Inspiratio-nen. Der französische Maler Camille Corot hatte gleich meh-rere: Frauen, Landschaften –und vor allem die Musik!

Endlich hat es sein Werk nachDeutschland geschafft – dieStaatliche Kunsthalle Karlsruhewidmete Camille Corot vom29.09.2012 bis 20.01.2013 eineEinzelausstellung. Und nicht nurdas: Zusammen mit der Hoch-schule für Musik Karlsruhebrachte sie die Bilder zum Klin-gen.

Ein Film von Kathrin Kreuselund Hanna Sophie Lüke, Master-Studentinnen im Studiengang„Musikjournalismus für Rundfunkund Multimedia“, zur Zeit der Entstehung des Films im drittenSemester.

Anlass des Filmprojektes war,in einem Film von wenigen Minu-ten die Kooperation zwischen derHochschule für Musik Karlsruheund der Staatlichen KunsthalleKarlsruhe zu zeigen, die daraufberuht, dass Konzerte und Aus-stellungen miteinander verknüpftwerden.

Wir wollten zusätzlich dazu an-regen, sich mit dem französischenMaler Camille Corot zu beschäfti-gen und zeigen, wie Musik undKunst sich gegenseitig inspirierenkönnen.

H.S.L.

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Die Titanic-Orgel – Eine Legende im Rampenlicht(VÖ: 15.8.2013)

Regie, Buch, Schnitt: JohannesForster Kamera: Johannes Forster, Thomas Simon Musik: Aufnahmen der Titanic-Orgel (Beilage des Ausstellungs-führers) Länge: 10.31 Vorführformat: mp2, 1920 x1080 Jahr: 2013

15. April 1912. Die Titanic ver-sinkt in den frühen Morgenstun-den im Nordatlantik.

Große Reichtümer der Passa-giere aus der ersten Klasse, wert-volle Gemälde und Meisterwerkeder Handwerkskunst verschwin-den in 3.800 Metern Tiefe. Allesscheint für immer verloren. Dochdurch einen glücklichen Zufallliegt die extra für die Titanic an-gefertigte große Konzertorgelheute nicht auf dem Meeres-grund, sondern steht voll funk -tionsfähig im Deutschen Musik-automatenmuseum im SchlossBruchsal.

Außer der Bruchsaler Orgel gibtes weltweit nur noch 4 vergleich-bare Exemplare, die in Deutsch-land, Japan und den USA stehen.

Im Film wird die hundertjährigeGeschichte dieses einmaligenInstru mentes nachgezeichnet.Einen historischen Touch be-kommt der Film durch den Ein-satz von Stummfilmsequenzenaus „In Nacht und Eis“, dem ers-ten Titanic-Film, welcher bereitsvier Monate nach der Katastro-phe in die Kinos kam.

Thema des Films ist die Ge-schichte der Titanic-Orgel, warumsie nicht mit der Titanic unter-ging, wie sie über verschiedeneUmwege in den Besitz des Bruch-saler Musikautomatenmuseumskam und mit welcher Technikdiese Orgel bereits vor hundertJahren von selbst spielte. Der Filmendet mit dem Choral „NearerMy God To Thee“, gespielt vonder Titanic-Orgel. Allerdings wirdfestgestellt, dass das Werk, ent-gegen landläufiger Meinung,wohl nie auf der Titanic gespieltwurde.

Während der Detailaufnahmender Orgel und der Stummfilmaus-schnitte sind Lieder aus dem Re-pertoire der Orgel zu hören, denSchluss bilden Ausschnitte derUntergangsszenen des Films.

HI CULTURE – Die KlassikshowFolge 1 – Percussionduo KrausFrink

Regie: Maximilian Williams Titelmusik: Anna Zassimova spieltDeux Poemes Op. 32 (AlexanderScrijabin) Musik: KrausFrink spielen Exclam-tion Point (KrausFrink), ClappingMusic (Steve Reich), Welcome toKF Club Buch: Maximilian Williams Vorführformat: HDTV Länge: 22:34 Jahr: 2012

HiCulture ist eine Unterhaltungs-sendung, die klassische Musik aufunkonventionelle Weise vermit-telt. Die Sendung ermöglicht es,„Hochkultur“ kennenzulernenund neu zu entdecken. Hierbeisoll sie vor allem Laien anspre-chen, aber gleichzeitig auch fürausgebildete Musiker interessantsein. Der belehrende Ton, wel-cher oft in Wissenssendungenvorherrscht, soll bewusst vermie-den werden.

In jeder Folge ist ein Musikerbzw. eine Musikgruppe zu Gast.Gesprächsthemen sind unter anderem der musikalische Werde-gang der Gäste und ihre Heran-gehensweise an die Musik.Darüber hinaus stellen die Gäste

ihr Instrument in Aktion vor undmachen live Musik in der Sen-dung.

Jede Folge ist in einem ande-ren Sendungsstil realisiert. Dabeikann man als Zuschauer beob-achten wie sich die Musik in un-terschiedlichen Kontexten verhält.Der Zuschauer wird so immerwieder überrascht, da die Sen-dungen nicht vorhersehbar sind.

Der Zuschauer verliert dieScheu gegenüber dieser Art vonKultur. Die Hochkultur steigt vonihrem Podest und ist so auchMenschen zugänglich, die sonstnichts damit zu tun haben.

In der ersten Folge ist das Per-cussionduo KrausFrink zu Gast.

Das Duo KrausFrink Percussionbesteht seit 2006 und zeichnetsich durch eine enorme Vielseitig-keit und unbändige Lust am Spie-len aus: Recitals im klassischenSinne, Live- Stummfilmvertonun-gen, Filmmusikeinspielungen undDrumacts in Clubs gehören ge-nauso zu ihrem Métier wie auchWorkshops und Meisterklassen.2008 widmet der renommierteungarische Komponist MártonIllés sein Werk „Torso VII“ Kraus-Frink Percussion. Bei Konzertenund Festivals quer durch Europaversetzen die Beiden Ihr Publikumregelmäßig ins Staunen.

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grüntrübe Ritornelle beim Verlassen des Territoriums(2009 –11) für präparierte, verstärkte Gitarreund Klangregie

Musikfilm von Tobias Klich undPaul Melzer Komposition & Gitarre: Tobias Klich Kamera: Paul Melzer Schnitt & Bearbeitung: Paul Melzer& Tobias Klich Video Dauer: 8’46” 2012

In der Komposition grüntrübeRitor nelle beim Verlassen desTerri toriums wird die Gitarre um-gestimmt (3. bis 11. Teilton von A)und durch die Präparation mit Kapodaster und 2 Metall-Löffelnin mehrere Abschnitte geteilt, die getrennt voneinander spielbarsind. Auf diese Weise entsteht ein nicht normiertes Tonsystem.Mit Hilfe von Kontaktmikrophonenwerden die Gitarrenklänge in den5 verschiedenen Spielbereichenakustisch unter die Lupe genom-men und auf mehrere Lautspre-cher im Raum projiziert, bewegtund somit auf einer weiterenEbene deterritorialisiert. Für dasPublikum ist der Gitarrist nur imProfil sichtbar. Die Aufführung

verwandelt sich in ein instrumen-tales Musiktheater, in eineChoreo graphie für zwei Händeauf einer Gitarre.

Das Video zu diesem Stück ent-faltet eine eigene kontrapunkti-sche visuelle Ebene. Die extremnahe Mikrophonierung der Gitarrefindet ein visuelles Äquivalent.

Das Ritornell bezeichnet dieWiederkehr eines Motivs, für Deleuze/Guattari bedeutet das Ritornell ein „Zwischen“, den Bereich zwischen Ordnung undChaos: „Ein Kind, das im Dunklen Angstbekommt, beruhigt sich, indemes singt. Im Einklang mit seinemLied geht es weiter oder bleibtstehen. Hat es sich verlaufen, ver-steckt es sich so gut es geht, hin-ter dem Lied, oder versucht, sichrecht und schlecht an seinemLied zu orientieren. Dieses Lied istso etwas wie der erste Ansatz fürein stabiles und ruhiges Zentrummitten im Chaos. Es kann sein,daß das Kind springt, während essingt, daß es schneller oder lang-samer läuft; aber das Lied selberist bereits ein Sprung: es springtaus dem Chaos zu einem Beginnvon Ordnung im Chaos, und esläuft auch jederzeit Gefahr zuzerfallen.“ *)

Rasumowsky

Buch, Regie, Produktion: Andreas Kessler Kamera: Luca Oltenau Format: DVD, BluRay oder alsDatei in Full HD (Codecs: h.264) Dauer: 08:02 Min Jahr: 2011

Zusammen mit dem „Elliot O.Quartett“ entstand diese film-technische Interpretation der be-rühmten Fuge aus dem Opus59/3 von L. v. Beethoven, mit demZiel, klassische Musik nicht mit-hilfe von Landschaftsbildern oderjeglichen assoziatorischen, sym-bolgeladenen Bildern zu visuali-sieren, sondern Themen, Motive,Überleitungen mit Einstellungs-größen, Kamerawinkeln undmusi kalischem Schnitt so zu ver-knüpfen, dass visuell eine Dyna-mik und Komplexität erreichtwird, die die Musik unterstützt,interpretiert und die genauso mitreißend wirkt wie ein Konzert-besuch. Das Drehbuch wurdedurch die Partitur ersetzt und derFilm zeigt, dass eine Unterhaltungzwischen vier Menschen nichtzwingend auf sprachlicher Ebeneablaufen muss.

Short Bio-/Filmography Director First Experiences/First Shorts (Selection) 2009 Pomme d’Amour (2010 Pre-miere im Xenonkino Berlin) 2010 Visualizing Kalkbrenner (Videoart) 2010 Phist Eins (Literaturefilm) 2011 RASUMOWSKY, gedreht aufRED (Kinokamera) (Präsentationbeim Beethovenfest Bonn anläss lich „Look at Beethoven“,Publikumspreis bei „Goldener Hirsch“; Ankauf fürAusstrahlung auf zdf.kultur); 2011/12 „Die Kinder Schostako-vichs“ (60 Min, Dokumentation)(in Arbeit)

Festivals/Prices/Current Projects(Selection): 2007 record („Das Ding“ im SWR;„YOUKI-Int. Jugend Medien Festival“) 2008 Hanna („Goldener Hirsch“/1. Preis; „JugendmedienfestivalBerlin“/ Goldener Clip; „Up andComing Festival Hannover“; „video-/filmtage in Gera“/Sonder-preis der Ostthüringer Zeitung; Nominiert für das „Seoul Interna-tional Youth Film Festival“ in Süd-korea) 2009 Persona („Up and ComingFestival Hannover“; „Jugendfilmpreis“/beste Kamera)

*) Gilles Deleuze/Felix Guattari: „Zum Ritornell“ in„Tausend Plateaus“

Premiere:09.03.2013 | TheLook of the Sound2013 | Internationa-les Fernsehforumfür Musik | Bremengefördert von: TheLook of the Sound2013 | ConradNaber Stiftung Bre-men mit besonde-rem Dank an KatrinRabus

Aufführung bei derGaudeamusMuziek week 2013in Utrecht: Gaudeamus-Preis2013

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Paul Archbold Institute for Musical Research LondonNiklas Arens Arthaus Musik GmbH Tom MacArthur Arthaus Musik GmbH GünterAtteln Regisseur, Produzent Accentus Music GmbH Uli Aumüller Regisseur, Inpettofilmproduktion Frédéric Baldassari Ensemble Alternance Oliver Becker Regisseur, IDAGI Claudia Beißwanger OUTNOW!Festival, Schwankhalle Bremen Christian Berger Deutsche Welle Mia Biermann-Rathjen Kurzfilmregisseurin Corinna Blaich Studentin, Hochschule für Musik Karlsruhe Andreas Bolle Regisseur, bollemedia Angelo Bozzolini Regisseur Jan Bremme Euroarts Prof. Jürgen Christ HfM Karlsruhe Jean Marie Cottet Ensemble Alternance Gösta Courkamp Regisseur, inpettofilmproduktion Dorothea Diekmann RBB Syrthos Dreher Regisseur, Dozent HfM Karlsruhe Bettina Ehrhardt Regisseurin, bce film Dorothea Enderle SWR Anne Feudel Regieassistentin Johannes Forster stellvertr. Redaktionsleiter Lernradio Tatjana Frumkis Musikwissenschaftlerin Axel Fuhrmann Regisseur, DokFilm Frank Gerdes Redaktion Servus TV Jacques Ghestem Ensemble Alternance Dr. Helge Grünewald Berliner Philharmoniker Prof. Jean Francois Guiton Hochschule für Künste Bremen Jonathan Hadem Student Hochschule für Musik KarlsruheHauke Harder RegisseurJonathan Haswell BBC TVMatthias Henneberger Deutsche Oper BerlinFelix Hentschel Regisseur, Vogl & Hentschel FilmatelierKatharina Herkommer Regisseurin, nmzmedia Detlef Heusinger SWR Experimentalstudio

Jörg Holkenbrink Universität Bremen Myriam Hoyer Regisseurin Bernhard von Hülsen Produzent, 3B-Produktion GmbH Raphael Hustedt Student, Hochschule für Musik Karlsruhe Margarete Jall Studentin, Hochschule für Musik KarlsruheAndreas Kessler Kurzfilmregisseur Günther Klein Regisseur Tobias Klich Komponist Sophie Klötzner Kurzfilmregisseurin Christian Kötter-Lixfeld Intendant Bremer Philharmoniker Franziska Kutschera Musikwissenschaftlerin Sandrine Laffont Euroarts Dr. Nadège Le Lan Direktorin Institut Francais Irina Lehnert ARTE Strassburg Elisabeth von Leliwa Musikdramaturgin Lillevan Videokünstler Jörg Lohner Regisseur, nmzmedia Prof. Dr. Thorsten Lorenz Pädagogische Hochschule HeidelbergDr. Harmut Lück Musikwissenschaftler Hanna Sophie Lüke Studentin, Hochschule für Musik Karlsruhe Simon Makhali Theater der Versammlung Prof. Dr Lothar Mattner WDR Alessandro Melazzini Alpenway Media Production GmbH Magdalene Melchers Musikjournalistin Jean Luc Menet Ensemble Alternance Claire Merlet Ensemble AlternanceDr. Peter Moormann Musikwissenschaftler, FU Berlin Andreas Morell Regisseur Dr. Ulrich Mosch Paul Sacher Stiftung Basel Olga Neuwirth Komponistin Heiko Rahnenführer Kameramann Prof. Dr. Matthias Rebstock Musikwissenschaftler Elisabeth Richter Musikjournalistin Andreas Rochholl Regisseur, Zeitgenössische Oper Berlin Viola Rusche Cutterin Enrique Sánchez Lansch Regisseur

Gäste 2013 Gäste 2013

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Gäste 2013

Prof. Dr. Nico Schalz Musikwissenschaftler, HfK Bremen Ute Schalz Musikwissenschaftlerin Martin Schneider ZDF Eric Schulz Regisseur Prof. Kilian Schwoon Komponist, Hochschule für Künste Bremen Thomas Simon Campus TV, Hochschule für Musik KarlsruhePaul Smaczny Accentus Music Marita Stocker Regisseurin Hans Thomalla Komponist Severin Vogl Regisseur, Vogl & Hentschel Filmatelier Jana Weissenfeld Musikwissenschaftlerin Maximilian Williams Regisseur Eva Wochner ARTE Strassburg Georg Wübbolt Regisseur

Junges Forum 2013

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Conrad Naber Stiftung

Heinrich Böll Stiftung :Bremen

Arte-Premiere Kino Atlantis

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Tritonus Verein zur Förderung der zeitgenössischen Musik e.V.Plantage 13, D-28215 Bremen

Redaktion: Katrin RabusFotos: lightup-studios Bremen, Katharina Martin, Lillevan Auflage: 500 Jahr: September 2013 Herstellung: SMS Scheer GmbH, Bremen Druck: Pinax, Rostock

Bezugsadresse: Katrin Rabus Kulturprojekte, Plantage 13, D-28215 Bremen [email protected], Tel. +49 421356568

www.fernsehforum-musik.de