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Manche kinder brauchen zwei Mamas und zwei Papas! Manche Kinder brauchen zwei Mamas und zwei Papas Pflegefamilien im Werra-Meißner-Kreis

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Manche kinder brauchen zwei Mamas und zwei Papas!

Manche Kinderbrauchen zweiMamasund

zwei Papas

Pflegefamilien im Werra-Meißner-Kreis

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EinleitungDie Erziehung von Kindern in Pflegefamiliengehört neben der Heimerziehung zum klassi-schen Hilferepertoire der Jugendhilfe. Siewird auch künftig in einem weiterhin diffe-renzierten und fortentwickelten Hilfesystemihren Stellenwert behalten, denn Pflegestellenbieten ein pädagogisches und soziales Klima, das gute Voraussetzun-gen für die weitere Entwicklung der Kinder schafft. Der Erziehungser-folg in Pflegefamilien ist statistisch gesehen größer als in anderenHilfeformen.

Umfassende Informationen zum Thema Pflege-kind, Pflegefamilie und zur Zusammenarbeit mitdem Fachbereich Jugend, Familie, Senioren undSozialen finden Sie in dieser Broschüre. Auchüber die wichtigsten rechtlichen Grundlagen undfinanziellen Rahmenbedingungen gibt die Bro-schüre Aufschluss.

Diese Broschüre ersetzt nicht den Kontaktzum Fachbereich Jugend, Familie, Seniorenund Soziales. Selbstverständlich stehen Ihnendie Mitarbeiterinnen des Pflegekinderdienstesberatend zur Seite und beantworten gerne IhreFragen. Beide Diplomsozialpädagoginnen bli-cken auf eine jahrzehntelange Berufserfahrungim Sozialen Dienst des Fachbereichs zurückund begleiten Pflegefamilien und deren Kinderoft bis zur Verselbständigung.

Ilona FriedrichFachbereichsleiterin

Karin Meissner-ErdtPflegekinderdienst

Jutta SchneiderPflegekinderdienst

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Grußwort des LandratesDer Lebensraum „Familie“ hat sich in unse-rer Gesellschaft stark verändert und ist wei-teren Wandlungen unterworfen.Kinder erleben im Laufe ihres Heranwach-sens regelhaft den Wechsel von Bezugs-personen. Immer mehr gewöhnen wir unsan neue, wechselnde Formationen vonFamilie: Vater-Mutter-Kind-Familie, Stiefelternmit und ohne neue Geschwisterkombinationen, Alleinerziehende,gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Adoptionsverhältnissen - jede Lebensform kann auch eine Pflegefamilie sein.

Kinder- und Jugendhilfe hatte schon immer die Aufgabe, eine kin-der- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffenund für Krisensituationen Leistungen und Angebote vorzuhalten, diegeeignet sind, eingetretene Gefährdungen zu beseitigen.

Für manche Kinder ist die Unterbringung in einer Pflegefamilie eineneue Chance, in einem Familienverbund aufzuwachsen.

Mit dieser Broschüre wendet sich der Fachbereich Jugend, Familie,Senioren und Soziales des Werra-Meißner-Kreises an Familien undPersonen, die als Pflegefamilie arbeiten und informiert solche Men-schen, die sich für das Thema Pflegefamilie interessieren.

Stefan ReußLandrat

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Die Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien hat im Werra-Meißner-Kreis seine Tradition. Der Pflegekinderdienst hat in 1999seine Arbeit aufgenommen. Er ist als Spezialdienst mit der Suche,Vermittlung, Begleitung und Fortbildung von Pflegeeltern beauftragt. Die Zahl der im Werra-Meißner-Kreis bestehenden Pflegeverhältnissestieg in den letzten Jahren kontinuierlich an. Ende 2015 lebten 130Kinder in ca. 95 Pflegefamilien.

Ein guter Grund, an dieser Stelle unseren verantwortungsbewusstenund engagierten Pflegefamilien einen besonderen Dank auszuspre-chen. Ohne ihr persönliches Engagement, ohne ihre ganz individuelleBereitschaft ein fremdes Kind in die Familie aufzunehmen, Beziehun-gen zu entwickeln, auch mit dem Wissen, dass eines Tages dieseBeziehung enden kann, und ohne die Bereitschaft, mit dem Fach-dienst und einer anderen Familie zu kooperieren, könnte der Werra-Meißner-Kreis seiner Aufgabe nicht gerecht werden.

Wir möchten alle interessierten Personen ermutigen, den Kontaktzum Pflegekinderdienst zu suchen, sich dort informieren und beratenzu lassen, um Entscheidungshilfen für einen möglichen Weg mit Pfle-gekindern zu erhalten.

Allen bestehenden und neuen Pflegefamilien wünschen wir viel Kraftund Geschick, um zum Wohl der uns anvertrauten Kinder handeln zukönnen.

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1. Vollzeitpflege

1.1 Kurzzeit- und Dauerpflege 81.2 Sonderpädagogische Pflege 91.3 Bereitschaftspflege 101.4 Verwandtenpflege 11

2. Das Pflegekind

2.1 Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie 142.1.1 Einleitung der Hilfe 152.1.2 Leben mit zwei Familien 182.1.3 Besuchskontakte 20

3. Der Weg zum Pflegekind

3.1 Bewerberverfahren 233.2 Erwartungen an eine Pflegefamilie 263.3 Vermittlungsgrundsätze 273.4 Ausschlusskriterien 283.5 Vermittlungsverfahren 29

4. Gesetzliche Grundlagen

4.1 Auszüge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) 354.1.1 Angelegenheiten des täglichen Lebens 384.2 Auszüge aus dem Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) 40

Inhaltsverzeichnis

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5. Integration in eine Pflegefamilie

5.1 Anpassungsphase 455.2 Konfliktphase 465.3 Phase des Beziehungsaufbaus 485.4 Beendigung des Pflegeverhältnisses 49

6. Begleitung und Unterstützung durch das Jugendamt

6.1 Der Pflegekinderdienst 536.2 Allgemeiner Sozialer Dienst 546.3 Supervision 556.4 PFAD 56

7. Finanzielle Leistungen

7.1 Höhe des Pflegegeldes 597.2 Weitere Leistungen 607.2.1 Nebenleistungen 607.2.2 Kindergeld 617.2.3 Krankenversicherung 617.2.4 Elterngeld, Elternzeit 627.2.5 Leistungen für Volljährige 627.2.6 Haftpflicht 637.2.7 Altersvorsorge 637.2.8 Unfallversicherung 63

Impressum 64

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1. Vollzeitpflege

„Meine Pflegeeltern begleiten mich durch die Kindergarten-

und Schulzeit.“

1. Vollzeitpflege1.1 Kurzzeit- und Dauerpflege1.2 Sonderpädagogische Pflege1.3 Bereitschaftspflege1.4 Verwandtenpflege

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1. Vollzeitpflege

Familienpflege ist neben der Heimerziehung eine traditionelle Form der Erziehung außerhalb des Elternhauses. Sie ist aber auch die einzigeHilfeform, die Kindern weiterhin ein Leben in familiären Strukturen er-möglicht. Kinder, die in ihrer Herkunftsfamilie nicht mehr bleiben kön-nen, brauchen eine neue Heimat und eine zweite Chance für eineandere Lebenserfahrung.

Eine gute und verlässliche Bindung eines Kindes ist ein Grundbedürfnisund Voraussetzung einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung.

Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII ist die Unterbringung eines Kin-des in einer anderen Familie für Tag und Nacht. Die Hilfe soll entspre-chend dem Alter des Kindes, seinen persönlichen Bindungen und denVeränderungsmöglichkeiten der Herkunftsfamilie eine zeitlich befristeteErziehungshilfe sein oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten.

Die Gründe für die Unterbringung in einer Pflegefamilie sind unter-schiedlich. Daraus ergeben sich verschiedene Betreuungsformen. Im Folgenden unterscheiden wir die Vollzeitpflege in Dauer- oder Kurz-zeitpflege, sonderpädagogische Pflege und Bereitschaftspflege.Eine besondere Stellung nimmt die Verwandtenpflege ein.

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1.1 Kurzzeit- und Dauerpflege

Wenn Eltern für eine begrenzte Zeit ausfallen, z.B. wegen einer Langzeit-therapie, und zu erwarten ist, dass sie danach ihre Erziehungsverant-wortung wieder übernehmen können, so lebt ein Kind zunächst zeitlichbefristet in einer Kurzzeitpflegestelle. Von den Pflegeeltern und denHerkunftseltern wird hierbei eine hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeiterwartet. Die Kinder haben in der Regel viele und enge Kontakte zuihren Herkunftseltern.

Kann keine Förderung und Lebensperspektive zum Wohl des Kindes in der Herkunfts familie entwickelt werden, wird ein Pflegeverhältnis aufDauer angelegt. Eine Kurzzeitpflege kann auch in eine Dauerpflege münden. Der junge Mensch „beheimatet“ sich in der neuen Familie und verbleibt meist bis zur Verselbständigung in der Pflegefamilie. Man spricht nun von einer Dauerpflegestelle.

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1.2 Sonderpädagogische Pflege

Kinder mit besonderen Entwicklungsproblematiken, Verhaltens-störungen oder Beeinträchtigungen werden in sonderpädagogischenPflegestellen betreut.

Die Einrichtung einer sonderpädagogischen Pflegestelle richtet sich individuell nach dem erhöhten Erziehungs- und Bertreuungsbedarf desKindes.

Angesichts der erhöhten Anforderungen und Belastungen, denen diePflegepersonen hier ausgesetzt sind, sollte ein Elternteil eine besonderepädagogische Qualifikation vorweisen, oder die Familie schon Erfahrungmit Pflegekindern gesammelt haben. Die sonderpädagogische Pflege ist ebenso langfristig angelegt wie dieübliche Dauerpflege und wird durch den Fachbereich mit der Zahlungeines erhöhten Erziehungsgeldes honoriert und intensiver fachlich be-treut.

Hier richtet sich der Werra-Meißner-Kreis nach der Konzeption für son-derpädagogische Pflegestellen, die von den nordhessischen Jugend-ämtern verabschiedet wurde.

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1.3 Bereitschaftspflege

In Notsituationen und bei akuten Familienkrisen werden Kinder zeitlichbegrenzt in Bereitschaftspflegestellen aufgenommen, um die weitere Lebensperspektive mit allen Beteiligten zu klären. In der Regel solltendie Kinder nicht länger als sechs Wochen in einer solchen Pflegefamilieverbringen. Diese Betreuungsform verlangt von den Pflege familien einhohes Maß an Flexibilität und persönlicher Belastbarkeit.

Erfahrungen im Zusammenleben mit Pflegekindern, das Bereithalten vonRäumlichkeiten, sowie eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft, wird voraus-gesetzt.

Besondere Vereinbarungen, die speziell mit den Bereitschaftspflege-eltern und dem Fachbereich Jugend, Familien, Senioren und Sozialesgetroffen werden, regeln die Bezahlung der Bereitschaftspflegestellen.

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1.4 Verwandtenpflege

Nehmen Großeltern, Tante, Onkel oder Geschwister ein verwand-tes Kind auf, betreuen und erziehen es ohne die leiblichen Elternim eigenen Haushalt über einen längeren Zeitraum, so sprichtman von Verwandtenpflege („Vollzeitpflege bei Großeltern undVerwandten“).

Die leiblichen Eltern können ein privates Pflegeverhältnis mit denVerwandten verabreden ohne Unterstützung des Jugendamtes. Andernfalls beantragen sie eine „Hilfe zur Erziehung“. Dadurchentsteht ein „öffentliches Pflegeverhältnis“ mit Hilfeplanung undUnterstützung durch das Jugendamt.Das Jugendamt ist verpflichtet, ebenfalls eine Eignungsprüfungbei den „verwandten“ Pflegeeltern durchzuführen.

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2. Das Pflegekind

2. Das Pflegekind2.1 Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie2.1.1 Einleitung der Hilfe2.1.2 Leben mit zwei Familien2.1.3 Besuchskontakte

„Ich brauche Pflegepersonen, die mich auffangen."

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2. Das PflegekindKinder, die nicht mehr in ihrer Familie bleiben können, haben meisteines gemeinsam: Sie haben akute Krisensituationen erlebt und ihreEltern waren aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in der Lage,das körperliche, geistige oder seelische Wohl zu sichern. Die Ursachenliegen oft in einer Überforderung der leiblichen Eltern, schwierigen Lebensverhältnissen, problematischen Beziehungssystemen, Sucht-erkrankung oder psychische Störungen der Elternteile und führen zu vorübergehender oder dauerhafter Erziehungsunfähigkeit. Die Lebens-situation der Kinder ist gekennzeichnet durch Beziehungsprobleme,häufigen Wechsel der Bezugspersonen, Trennungen, Alkohol- oderDrogenmissbrauch, Überforderung mit Alltagsproblemen und sozia-len bzw. finanziellen Notlagen. Manche Kinder sind geschlagen, ein-gesperrt oder allein gelassen worden, sie haben mangelnde Erziehungund Versorgung erlebt, waren Vernachlässigung und Gewalt unter-schiedlicher Art ausgesetzt.

Die Kinder bringen unterschiedlichste Verhaltensweisen mit, die sichin Entwicklungsdefiziten im sprachlichen, motorischen oder emotio-nalen Bereich, aber auch in Auffälligkeiten im sozialen Bereich, wieAggressivität oder Distanzlosigkeit äußern können. Symptome wieÄngstlichkeit, Konzentrationsmangel, Trotz, Aggressivität, motorischeUnruhe oder Orientierungslosigkeit können die Folge sein. Säuglinge,Kleinkinder und ältere Kinder sind durch ihrer Herkunftsfamilie in ihrerPersönlichkeitsstruktur geprägt worden und haben spezifische Über-lebensstrategien entwickelt.

Diese Erfahrungen aus der Herkunftsfamilie können mit dem Wechselzur Pflegefamilie nicht gelöscht werden, sondern unter günstigen Bedin-gungen allmählich durch neue, positive Erfahrungen ergänzt werden.

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2.1 Unterbringung eines Kindes in der Pflegefamilie

Die Rechte von Kindern und Eltern sind im Bürgerlichen Gesetzbuch(BGB) geregelt. Das Gesetz geht davon aus, dass sich Eltern inschwierigen Situationen freiwillig an das zuständige Jugendamt wen-den und Hilfe annehmen. Ein Kind sollte somit mit dem Einverständ-nis und auf Antrag der leiblichen Eltern in eine geeignetePflegefamilie vermittelt werden.

In der Regel ist die Situation der Herkunftsfamilie dem Jugendamtschon längere Zeit bekannt und es wird versucht, gemeinsam mitden leiblichen Eltern eine geeignete Hilfe zur Verbesserung des Er-ziehungsverhaltens und der familiären Rahmenbedingungen zu errei-chen. Dies kann eine ambulante Hilfe in Form von Beratung bis hinzur Sozialpädagogischen Familienhilfe sein. Wenn diese Hilfen nichtausreichen, sind stationäre Hilfen, wie die Unterbringung in einerHeimeinrichtung oder in einer Pflegefamilie angezeigt.

Sollte die Herkunftsfamilie kein Problembewusstsein zeigen und/oderdie Zusammenarbeit mit dem Jugendamt verweigern, kann zumWohle des Kindes beim zuständigen Familiengericht der Entzug dergesamten elterlichen Sorge oder zumindest von Teilbereichen, wiedem Aufenthaltsbestimmungsrecht, der Gesundheitsfürsorge oderdes Rechtes auf Beantragung von Sozialleistungen beantragt werden(§ 1666 BGB). In diesen Fällen wird für das Kind vom Familiengerichtein Vormund bzw. Pfleger (bei Teilbereichen der elterlichen Sorge)

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bestellt. Der Vormund/Pfleger hat regelmäßig Kontakt zu dem Pflegekind und übernimmt bestimmte Aufgaben der elterlichen Sorge. Möglicherweise lebt das Kind dann gegen den Willen seiner Herkunftseltern in einer Pflegefamilie, wodurch häufigdie Zusammenarbeit zwischen leiblichen Eltern, den Pflegeeltern unddem Jugendamt erschwert wird.

2.1.1 Einleitung der Hilfe

Im Sozialgesetzbuch VIII sind die Hilfen und Leistungen geregelt, diedas Jugendamt den Familien, Kindern und Jugendlichen anbietet.Gemäß § 27 des SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei derErziehung eines Kindes oder Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfezur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichenentsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist. Eine der möglichenHilfen zur Erziehung ist die Vollzeitpflege, gem. § 33 SGB VIII. Vor derEntscheidung über eine Hilfe haben Familien Anspruch auf Beratung.

Wenn leibliche Eltern oder ein Vormund bzw. ein Pfleger einen Antragauf Hilfe zur Erziehung stellen, prüft das örtlich und sachlich zustän-dige Jugendamt zunächst die Anspruchsvoraussetzungen und, ent-sprechend dem erzieherischen Bedarf des jungen Menschen, die Artund den Umfang der Hilfe. Bei Hilfen außerhalb der eigenen Familiesind die Personensorgeberechtigten und der junge Mensch bei derAuswahl der Einrichtung oder Pflegestelle zu beteiligen und derenWünschen ist zu entsprechen, sofern sie nicht mit unverhältnismäßi-

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gen Mehrkosten verbunden sind (§ 36 SGB VIII, Satz 1). Die Entscheidung über die im Einzelfall geeignete Hilfe wird im Team des Jugendamtes in der sogenannten pädagogischenFachkonferenz getroffen.

Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe erstellt der Mitarbeiterdes Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), einen Hilfeplan, in demFeststellungen über den Bedarf, die Art der Hilfe und die notwendi-gen Leistungen enthalten sind (Dokumentation der Hilfeplanung). ImVerlauf der Hilfe wird regelmäßig mit allen Beteiligten (Personensor-geberechtigte, der junge Mensch, Pflegepersonen und ggf. der Vor-mund oder Pfleger) die Geeignetheit und Notwendigkeit der Hilfeüberprüft (Hilfeplan). In diesem Hilfeplan wird das sogenannte Wir-kungsziel beschrieben, das der Allgemeine Soziale Dienst bei Einlei-tung der Hilfe mit den Sorgeberechtigten erarbeitet hat. DiesesWirkungsziel benennt den Lösungszustand, der bei Beendigung derHilfe erreicht sein soll. Bei der sogenannten Dauerpflege heißt dasWirkungsziel meist „ eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bie-ten“. Die sogenannten Teilziele sind dem Wirkungsziel untergeordnet,d.h. sie beschreiben den notwendigen Prozess zur Erreichung desWirkungszieles. Es werden dabei konkrete Handlungsschritte verein-bart, die z.B. bei der Vollzeitpflege die leiblichen Eltern, die Pflegefa-milie und/oder der junge Mensch umzusetzen haben (wer tut was inwelchem Zeitraum?). Der Hilfeplan wird von allen Beteiligten gemein-sam erstellt, unterschrieben und an diese ausgehändigt.

Wenn eine Hilfe zur Erziehung außerhalb der Herkunftsfamilie statt-findet (z.B. in einer Pflegefamilie), ist dies eine besonders einschnei-

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dende Maßnahme, darf aber nicht zum Abbruch der Beziehungen zur leiblichen Familie des jungen Menschen führen. So bedeutet Hilfe zur Erziehung auch Hilfe für die Eltern, damit sie ihrer Erziehungsverantwortung besser gerecht werden, ohne das Recht des Kindes auf verlässliche Bindungen, z.B. zu denPflegeeltern, zu vernachlässigen.

Bei der Entscheidungsfindung, ob die Unterbringung des jungen Menschen in einer Pflegefamilie gem. § 33 SGB VIII die geeignete Hilfeist, müssen verschiedene Gesichtspunkte berücksichtigt werden:

Je jünger das Kind ist, desto familiärer sollte die Unterbringungsform sein. Je kurzfristiger die Unterbringung angelegt ist, desto weniger sollte in die Bindung des Kindes zu den neuen Bezugspersonen investiert werden. Ist die „Nähe“ eines Familienverbandes für das unterzubringende Kind erträglich? Könnten Pflegeeltern durch die möglichen Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsrückstände des Kindes überfordert sein? Steht für das spezielle „verhaltensoriginelle“ Kind tatsächlich eine geeignete, entsprechend vorbereitete und belastbare Pflegefamilie zur Verfügung?

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2.1.2 Leben mit zwei FamilienVollzeitpflege wird, im Gegensatz zu anderen stationären Hilfen,immer in einer anderen Familie, ganztägig, d.h. über Tag und Nacht,geleistet. Die Herkunftsfamilie bleibt aber immer in unterschiedlicherIntensität präsent. Deshalb sind Pflegefamilien als „Ergänzungsfami-lien“ zu sehen.

Pflegekinder haben zwei Mamas und zwei Papas!

Pflegekinder erleben die Trauer über den Verlust von bisher wichtigenMenschen (leibliche Eltern, Geschwister, Großeltern). Sie erfahreneinen Umgebungswechsel, erleben Besuchskontakte und könnensich im Loyalitätskonflikt gegenüber den Erwachsenen befinden.

Für die Pflegefamilie bedeutet die Aufnahme eines Pflegekindes, mitzwei Familien zu leben. Dies ist nicht immer einfach. Zur Konfliktver-meidung und als Basis für eine gute Zusammenarbeit ist es notwen-dig, dass für alle Beteiligten die Rollen- und Aufgabenverteilunggeklärt ist.

Folgendes Schaubild soll diese Rollenverteilung verdeutlichen:

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Durch die Geburt des Kindes entsteht die leibliche Elternschaft. Sie wird immer bestehen bleiben und ist unveränderbar. Die seeli-sche und soziale Elternschaft wird dagegen von Personen übernom-men, mit denen das Kind zusammen lebt. Pflegeeltern übernehmensomit die seelische und soziale Elternschaft und entscheiden überDinge des alltäglichen Lebens. (Nähere Erläuterungen siehe 4.2.2.)

Die rechtliche Elternschaft wird entweder durch die Herkunftselternoder einen Vormund/Pfleger wahrgenommen. In bestimmten Fällenkönnen auch Pflegeeltern die Vormundschaft oder Teile der elterli-chen Sorge übernehmen.

Das Jugendamt zahlt einen Unterhaltsbeitrag an die Pflegeeltern.Wenn Herkunftseltern über ein ausreichendes Einkommen verfügen,werden sie durch das Jugendamt zu Unterhaltsleistungen herange-zogen und erfüllen somit die zahlende Elternschaft.

Zur Regelung der Rechte und Pflichten der Pflegefamilie, der Her-kunftseltern und des Jugendamtes, bestehen Vollmachten und Verein-barungen, die zu Beginn eines Pflegeverhältnisses mit allen Beteiligtenbesprochen und von allen unterschrieben werden. Dadurch werdenmögliche Unsicherheiten ausgeräumt und Aufgaben klar verteilt.

Unabhängig von diesen Regelungen, ist es für das Kind und imSinne einer konstruktiven Zusammenarbeit der Beteiligten von großerBedeutung, dass die Herkunftseltern dem Pflegekind die „Erlaubnis“geben, in der Pflegefamilie zu leben und sich dort wohl fühlen zudürfen. Von den Pflegeeltern hingegen benötigt das Kind die Sicher-heit, dass die leiblichen Eltern akzeptiert werden und das Kind ihnenpositive Gefühle entgegenbringen darf.

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2.1.3. Die BesuchskontakteBesuche zwischen Pflegekind und leiblichen Eltern bedeuten für das Kind eine Verbindung und Bindeglied zur Vergangenheit, die ja immer zu seinem Leben dazu gehört. Die Besuche vermittelndem Kind das Gefühl, nicht vergessen zu sein. Manche Kinder versichern sich auch bei den Kontakten, ob es der Mutter, dem Vater oder den Geschwistern auch gut geht. Für die Identitäts- undPersönlichkeitsentwicklung ist es sehr wichtig, die eigenen Wurzelnzu kennen und ein reales Bild von den leiblichen Eltern entwickeln zu können.

Kinder, die keinerlei Kenntnis über ihre leiblichen Eltern haben, neigen dazu, diese stark zu idealisieren. Es können auch Phantasienentstehen, dass die Pflegeeltern die Kinder den leiblichen Elternweggenommen haben.

Besuchskontakte verlangen von allen Beteiligten ein hohes Maß anVertrauen in die Qualität der Beziehung zum Pflegekind und die Fähigkeit zur Auseinandersetzung. Besuchskontakte gehören zu denstöranfälligsten Bereichen des Pflegeverhältnisses. Deshalb ist eswichtig, das in Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Herkunftsfa-milie und Pflegefamilie klare Absprachen getroffen und diese im Hilfeplan schriftlich festgehalten werden.

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Bei den Besuchskontakten müssen unterschiedlichste Aspekte berücksichtigt werden, wie z.B.:

Alter des Kindes Erlebnisse aus der Vergangenheit des Kindes Zeitliche Perspektive des Pflegeverhältnisses (Dauerpflege oder Rückkehroption) Kooperationsmöglichkeiten zwischen Herkunfts- und Pflegefamilie Akzeptanz des Pflegeverhältnisses durch die leiblichen Eltern Besuchsort (in der Pflegefamilie, neutraler Boden…) Auswirkungen der Besuche auf das Kind

In manchen Fällen stellen Besuchkontakte für die Pflegekinder einehohe Belastung dar. Sie sind vor den Besuchen aufgeregt, verunsichertob die leiblichen Eltern wirklich kommen und ob das Zusammenseinauch schön wird. Hinterher sind die Kinder oft traurig oder verstört,manchmal wachen sie nachts wieder auf, nässen ein, weinen oder sindunkonzentriert in der Schule. Dann ist von den Pflegeeltern zur Nachbe-reitung des Besuches Hilfestellung, Einfühlungsvermögen und Gedulderforderlich. Wenn durch die Besuchskontakte das Kindeswohl immerwieder nachhaltig gestört ist und eine einvernehmliche Regelung desUmgangs mit den eltern zum Wohl des Kindes nicht möglich ist, kanneine Regelung der Umgänge durch das Familiengericht notwendig werden.

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3. Der Weg zum Pflegekind

3. Der Weg zum Pflegekind3.1 Bewerberverfahren3.2 Erwartungen an eine Pflegefamilie3.3 Vermittlungsgrundsätze3.4 Ausschlusskriterien3.5 Vermittlungsverfahren

„Bei meinen Adoptiv- oder

Pflegeeltern möchte ich

bleiben bis ich groß bin.“

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3. Der Weg zum PflegekindIm Folgenden wird aufgezeigt, welche Schritte seitens der Pflegestellenbewerber nötig sind, um die Vorraussetzungen zur Aufnahme eines Pflegekindes zu erfüllen.

3.1 Das BewerberverfahrenDer Pflegekinderdienst des Werra-Meißner-Kreises hat ein einheitliches Verfahren für Bewerberfamilien erarbeitet. Es gliedertsich in Teilschritte, die nachfolgend beschrieben werden. Nachjedem Schritt wird von der Familie oder Einzelperson Eigeninitiativebezüglich der Bewerbung erwartet. Alle Veranstaltungen bieten Entscheidungshilfen, um sich für oder gegen die Aufnahme einesPflegekindes zu entscheiden.

Der Erstkontakt findet in der Regel telefonisch oder persönlich im Jugendamt statt. Ein individuelles Informationsgespräch mit denFachkräften des Pflegekinderdienstes kann jederzeit vereinbart werden.

Mehrmals im Jahr veranstaltet der Pflegekinderdienst in Kooperationmit der Volkshochschule Werra-Meißner Informationsabende.

Hier bekommen die interessierten Menschen einen ersten Überblicküber die Zusammen hänge, in denen ein Pflegekind und die Pflegefa-milie zu sehen sind.

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Informiert wird über folgende Themen:

Organigramm des Fachbereichs Jugend, Familie, Senioren und Soziales Kurzer rechtlicher Überblick Erwartungen an Pflegepersonen Vermittlungsgrundsätze

Die Abende sind unverbindlich und kostenlos.

Das Vorbereitungsseminar wird von den Mitarbeiterinnen des Pflegekinderdienstes gestaltet. Es findet regelhaft zweimal im Jahr,an zwei Tagen, einem Freitag und an dem darauf folgenden Sams-tag statt. Das Seminar ist informativ, lebendig und sehr aufschluss-reich, insbesondere durch die verschiedenen Möglichkeiten, selbstErfahrungen zu sammeln. Die Seminargruppe lernt sich kennen,meist entsteht ein sehr vertrauter Rahmen.Erarbeitet werden die Themen:

Veränderungen im Familiensystem Bindung und Trennung Vom Kind zum Pflegekind Integrationsphasen in der Pflegefamilie Rechte und Pflichten von Pflegeeltern Berichte aus dem Alltag einer Pflegefamilie

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Nach dem Seminar, melden sich die Bewerber mit einem Auswertungsbogen zurück. Danach verabredet der Pflegekinderdienst mit den Bewerbern das persön liche Auswertungsgespräch und den Hausbesuch.

Im Auswertungsgespräch bei den Bewerbern zu Hause erörtern die Beteiligten (Pflegekinderdienst und Bewerber/Innen) offene Fragen, Unsicherheiten, Vorlieben und Abneigungen. Im Haushalt lebende Personen, i. d. R. Kinder, nehmen am Gespräch teil und haben hier dieMöglichkeit, ihre Fragen zu stellen, ihre Erwartungen auszudrücken, evtl. ihre Ängste zu benennen.

Ein Profil der Pflegefamilie entsteht und ihre individuellen Möglichkeitensind herausgearbeitet.

Nach dem Hausbesuch werden die Bewerbungsunterlagen noch durcheine amtsärztliche Untersuchung und das Führungszeugnis vervollstän-digt. Eine Einladung zum Erste-Hilfe-Kurs erfolgt.

Die Pflegefamilie erhält ein abschließendes Schreiben und wird bei Anerkennung durch den Pflegekinderdienst in den Pool der zur Verfügung stehenden Familien aufgenommen.

Eine Pflegeerlaubnis oder Pflegebescheinigung erhält die Familie nurkindbezogen, d. h. bei einer erfolgreichen Vermittlung. Eine Garantie für eine zeitnahe Vermittlung kann nicht gegeben werden.

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3.2 Erwartungen an eine PflegefamilieFür Kurzzeit-, Dauerpflege, sonderpädagogische Pflege und Bereitschaftspflege gelten unterschiedliche Voraussetzungen, die die Pflegeeltern erfüllen müssen. Auch die Verwandtenpflegeist differenziert zu betrachten.

Grundsätzlich müssen Pflegeeltern, die ein Kind aufnehmen wollen,keine pädagogische Ausbildung haben. Verheiratete, nicht verheirateteoder gleichgeschlechtliche Paare, aber auch Einzelpersonen mit oderohne eigenen Kindern, können Pflegepersonen werden.

In der Regel werden von Pflegefamilien „Vater und Mutter“ als Rollenvorbilder erwartet. Positiv gesehen wird, wenn eigene Kinder der Pflegeeltern dem Pflegekind Vorbild und Partner für soziales Lernen sein können.

Pflegeeltern sollten grundsätzlich Zeit und Freude am Zusammenlebenmit Kindern haben, die Fähigkeit besitzen, dem Kind Liebe und Geborgenheit entgegenzubringen und bereit sein, neue Erfahrungen zusammeln. Geduld und Belastbarkeit werden auf jeden Fall auf die Probegestellt!

Persönlichkeitsreife der Pflegeeltern und grundsätzlich stabile familiäreund soziale Bindungen sowie wirtschaftliche Absicherung sind Grundvo-raussetzungen.

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Erwartet wird auch Offenheit und Toleranz gegenüber ungewöhn lichen oder fremden Verhaltensweisen. Besondere Bedeutung hat die positive Grundein stellung und Wertschätzung der Eltern des Pflegekindes.Für Pflegepersonen ist die Zusammenarbeitmit dem Fachdienst und gegebenenfalls einem Vormund/Pfleger ebensounerlässlich, wie das Erstellen von Entwicklungsberichten und die Ko-operation mit diversen anderen Fachstellen.

3.3 VermittlungsgrundsätzeWichtig ist, dass sich Pflegeeltern und ihre Familien vor der Entscheidungfür ein Pflegekind mit gewissen Fragen ehrlich und kritisch auseinander-gesetzt haben. Deshalb gehört die Teilnahme am Vorbereitungsseminarund die Bereitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Fach-bereich Jugend, Familie, Senioren und Soziales unbedingt zur Vorberei-tung einer Vermittlung.

Die Erfahrungen zeigen, dass es in der Regel günstig ist, wenn der Al-tersabstand zwischen Pflegepersonen und Pflegekind einem natürlichenEltern-Kind-Verhältnis entspricht. Im Werra-Meißner-Kreis ist das Pflege-kind immer das jüngste Kind in der Geschwisterreihe der Pflegefamilie.Geschwisterkinder werden meist in unterschiedliche Pflegefamilien ver-mittelt, damit jedes Kind eine individuelle Chance auf eigene Entwick-lung und uneingeschränkte Betreuung durch die Pflegepersonen hat.

Regionale Gründe, das heißt die Nähe zu den leiblichen Eltern und/oderdas Schutz bedürfnis des Pflegekindes, sind ausschlaggebend für sei-nen zukünftigen Wohnort.

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3.4 AusschlusskriterienIn einem Pflegeverhältnis muss gewährleistet sein, dass die Pflegeeltern mit großer Wahrscheinlichkeit über einen planbaren Zeitraum physisch und psychisch in der Lage sind, die erzieherischeund pflegerische Versorgung des Pflegekindes sicherzustellen.So scheiden straffällige, suchtmittelabhängige oder ernsthaft erkranktePersonen als Pflegeeltern aus.

Einem Kind ist nicht geholfen, wenn:

es nur Spielkamerad für eigene Kinder sein soll, es Probleme der Pflegeeltern mit ihren eigenen Kindern oder der Pflegeeltern untereinander überbrücken helfen soll, es nur über Einsamkeit hinweghelfen soll, es aus sozialer Verantwortung aufgenommen wird und als Gegenleistung Dankbarkeit und Liebe erwartet wird, Pflegeeltern ständig zweifeln, ob sie alles richtig machen oder finanzielle Aspekte hauptsächlich der Grund zur Aufnahme eines Pflegekindes sind.

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3.5 VermittlungsverfahrenIm Vorfeld der Vermittlung eines Kindes in eine Pflegefamilie steht die Anfrage des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD). Dieser ist Anlaufstelle für alle Bürgerinnen und Bürger, die Hilfe zur Erziehung beantragen. Die sozialpädagogischen Fachkräfte nehmendann bei geplanter Unterbringung in einer Pflegefamilie Kontakt zumPflegekinderdienst auf.

Der Pflegekinderdienst trifft unter Abwägung aller Vor- und Nachteile,und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes, eine Auswahlmöglicher Pflegefamilien, bzw. einer Pflegefamilie.

Nachdem in der Pädagogischen Fachkonferenz im Fachdienst SozialeDienste der Antrag auf Hilfe zur Erziehung beraten und grundsätzlichbeschlossen wurde, wird die in Frage kommende Pflege familie über einemögliche Belegung informiert. Sie erhält alle wichtigen Informationenüber das Kind und dessen Perspektive, sofern diese schon geklärt ist.

Die ausgewählte Pflegefamilie hat in der Regel einige Tage Zeit, um dieBereitschaft zur Aufnahme des Pflegekindes zu beraten und zu bespre-chen. Oftmals steht sie in engem Kontakt mit dem Pflegekinderdienstund nutzt auch dessen Beratungsangebot.

Da jedes Pflegeverhältnis anders ist, auch unter anderen Voraussetzun-gen startet, sind Probezeiten und Kennenlernzeiten individuell auszu-handeln.

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Der Idealfall ist, wenn sich Pflegekind, Herkunftseltern und Pflegeeltern im Vorfeld kennen lernen und ein gut begleiteter Übergang in die Pflegefamilie stattfindet. Leider zeigt die Praxis oft,dass ein schnelles Entscheiden und Handeln angezeigt ist und wenigZeit für die Diagnose im Vorfeld und für die Anbahnung bleibt.

Da dem Jugendamt bei Inobhutnahmen Bereitschaftspflegestellen zurVerfügung stehen, kann von hier aus oftmals ein guter Übergang in diePflegefamilie organisiert werden.

In den ersten 6 Wochen wird die Pflegefamilie in der Regel intensiv von dem Allgemeinen Sozialen Dienst und dem Pflegekinderdienst begleitet. Federführend für die Hilfeplanung ist weiterhin der AllgemeineSoziale Dienst, er regelt auch die Gewährung von Beihilfen und Zu-schüssen, z. B. für eine Erstausstattung, und stellt die Pflegebescheini-gung aus.

Hier eine Checkliste bei Aufnahme eines Kindes:

Bestätigung der Aufnahme des KindesDie Pflegeeltern erhalten eine Pflegebescheinigung. Diese dient als Legitimation und zur Vorlage bei Behörden.

VereinbarungenWerra-Meißner-Kreis, Herkunftsfamilien oder Vormund und die Pflege-familie schließen untereinander schriftlich Vereinbarungen, aus denenRechte und Pflichten für das spezielle Pflegeverhältnis hervorgehen.

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VollmachtPflegeeltern erhalten, nach Absprache mit dem Fachdienst eine Vollmacht von den Herkunftseltern oder dem Vormund über alltäglich zu regelnde Dinge wie z. Bsp. Gesundheit, Schule, Freizeit..

MeldepflichtDas Pflegekind wird am Wohnsitz der Pflegeeltern angemeldet. Hierfürbenötigen die Pflegeeltern die Pflegebescheinigung und Geburtsurkunde.

KindergeldDen Antrag auf Kindergeld stellen die Pflegeeltern bei der Kindergeld-kasse. Hierzu wird die Pflegebescheinigung benötigt.

Elternzeit/ErziehungsurlaubDie Elternzeit kann entsprechend des Alters des Pflegekindes beim Arbeitgeber beantragt werden. Elterngeld steht Pflegeeltern nicht zu. Sie erhalten Pflegegeld.

SteuerkarteIn den meisten Fällen kann das Pflegekind auf der Lohnsteuerkarte einerPflegeperson eingetragen werden, auch hier muss die Pflegebescheini-gung vorgelegt werden.

KrankenversicherungIst das Pflegekind nicht bei seinen leiblichen Eltern krankenversichert,oder geht aus dem Hilfeplan hervor, dass das Kind besser bei den Pflegeeltern versichert sein sollte, so kann das Kind mit Zustimmung derleiblichen Eltern oder des Vormundes in der gesetzlichen Krankenkasseeiner Pflegeperson mitversichert werden.

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HaftpflichtHier kann das Pflegekind mit der Pflegefamilie versichert sein, in der Regel reicht es, wenn die Pflegefamilie die Aufnahme des Kindes mitteilt. Schäden innerhalb der Pflegefamilie werden über dieVersicherung des Werra-Meißner-Kreises geregelt.

Krankenkarte,Vorsorgeheft, Impfpass, KinderausweisDie Pflegeeltern sollten darauf achten, dass ihnen diese Unterlagen ausgehändigt werden.

ErstausstattungKosten für Bekleidung und Möbel werden bis zu einer bestimmten Höheübernommen. Zu beachten ist, dass der Antrag vor der Anschaffung imJugendamt gestellt sein muss. Nach der Bewilligung der Leistung sinddie Rechnungen und Quittungen als Nachweise vorzulegen.

SonderleistungenAuch andere Sonderleistungen oder Zuschüsse können von den Pflegeeltern für das Kind beantragt werden. Diese sind im Hilfeplan zu benennen und im Vorfeld der Anschaffung zu beantragen.

EntwicklungsberichtDie Pflegeeltern reichen ca. zwei Wochen vor dem Hilfeplan, der in derRegel zwei mal im Jahr stattfindet, bei dem zuständigen ASD Mitarbeitereinen Entwicklungsbericht ein, der als Grundlage des Hilfeplans dientund allen Beteiligten zur Verfügung gestellt wird.

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4. GesetzlichenGrundlagen

4. Gesetzliche Grundlagen4.1 Auszüge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)4.1.1 Angelegenheiten des täglichen Lebens4.2 Auszüge aus dem Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII)

„Ich stelle euren Alltag

auf den Kopf...“

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4. Gesetzlichen Grundlagen„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (SGB VIII, §1, Satz 1)

Dieser erste Satz des Sozialgesetzbuches ist auch gleichzeitig das Zieldes Kinder- und Jugendhilferechtes. Ein grundsätzliches zentrales Anliegen des SGB VIII ist die umfassendeFörderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Die Leistungen der Jugendhilfe sollen die Erziehung in der Familie unterstützen und ergänzen. Frühzeitige fachlich kompetente Beratungs-angebote sollen vermeiden, dass die Erziehung in der Familie nichternsthaft gefährdet ist und eine Trennung von Eltern und Kindern nichtnötig wird. Wenn trotz Beratung oder anderer ambulanter Hilfsangebote,wie z.B. Sozialpädagogische Familienhilfe oder Betreuungshilfe, ein Verbleib des Kindes in der Familie nicht möglich ist, bietet die Unter-bringung in einer Pflegefamilie eine zeit- und zielgerichtete Erziehungs-hilfe. Im Interesse der Bindung des Kindes zielt sie auf eine baldigeRückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie oder auf eine stabile, langfristige Bindung an die Pflegefamilie ab, wobei die Beziehung zurHerkunftsfamilie nach Möglichkeit aufrecht erhalten werden soll.

Ist ein Kind in einer Pflegefamilie untergebracht, dann sind die gesetzli-chen Vorschriften, die Rechte und die Beziehung zwischen leiblichen Eltern, Pflegeeltern, Kind und Jugendamt regeln, sowohl in BGB (Bürger-lichen Gesetzbuch) als auch im SGB VIII (Sozialgesetzbuch VIII) zu finden.

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Die Formen der Vollzeitpflege sind im SGB VIII beschrieben. Der Begriff Vollzeitpflege nach §§ 27,33 SGB VIII umfasst alle Unterbringungen in einem familiären Setting über Tag und Nacht, wie z.B. Kurzzeit-, Langzeit- oder Dauerpflege, Verwandtenpflege, Bereitschaftspflege, Sonderpädagogische Pflege.

Im BGB geht es im Wesentlichen um Rechte und Pflichten von Eltern gegenüber ihren Kindern (z.B. Sorgerecht/Sorgepflicht, Umgangsrecht).Ebenso geregelt sind hier die Vormundschaften und Pflegeschaften

Im folgenden Teil werden wichtige, für Pflegeverhältnisse relevante, gesetzliche Bestimmungen aus dem BGB und dem SGB VIII benannt.

4.1. Auszüge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)Im BGB werden u.a. die Rechte und Pflichten von Eltern gegenüber denKindern geregelt. Hierbei geht es immer um die „elterliche Sorge“, einenGrundstein in unserem Rechtsgut.

Mit Geburt eines Kindes besitzen verheiratete Eltern in der Regel immerdie elterliche Sorge. Gemäß §1626, Satz 1 BGB haben Vater und Mutter das Recht, aber auch die Pflicht, für ein minderjähriges Kind zusorgen. Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen (Vermögenssorge)

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Wenn Eltern dieser Pflicht nicht nachkommen und eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, kann die elterliche Sorge durch Beschluss des Familiengerichtes eingeschränkt oder ganz entzogen werden (§ 1666 BGB, Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls).

Zur Ausübung des Sorgerechtes wird in genanntem Fall ein Vormund (§ 1773 BGB), bzw. Pfleger (bei Teilen der elterlichen Sorge) bestellt, dies kann ein Vormund des Jugendamtes oder eine geeignete Privatper-son sein. Der Vormund hat die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten (§ 1800 BGB) und soll mit seinem Mündel persönlichen Kontakt halten und es in der Regel einmal imMonat in dessen übliche Umgebung aufsuchen (§ 1793 Absatz 1a BGB).

Bei einem Pflegekind können drei wichtige Sorgerechtsregelungen vorliegen:

1. Die leiblichen Eltern besitzen das uneingeschränkte Sorgerecht undhaben einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflegegem. § 33 SGB VIII beim Jugendamt gestellt. 2. Werden Teile der elterlichen Sorge entzogen (z.B. Gesundheitsfür-sorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Recht Anträge nach dem SGB VIIIzu stellen), wird ein Pfleger bestellt. Die Unterbringung des Kindes er-folgt dann oft gegen den Willen der leiblichen Eltern.3. Beim vollständigen Entzug der elterlichen Sorge, wird ein Vormundbestellt. Auch in diesem Fall erfolgt die Unterbringung in der Regelgegen den Willen der Eltern.

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In allen drei Fällen werden die Pflegeeltern vom Jugendamt mit der Erziehung des Kindes beauftragt. Sie üben große Teile der elterlichen Sorge aus und regeln Dinge des alltäglichen Lebens(siehe auch 4.1.1)

Bei allen genannten Sorgerechtsregelungen haben leibliche Elternimmer ein Umgangsrecht (§1626, Satz 3, BGB).

Das Kind wiederum hat gem. § 1684 BGB (Umgang des Kindes mitden Eltern) ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Diese wiederumhaben das Recht, aber auch die Pflicht zum Umgang mit ihrem Kind.Auch Großeltern, Geschwister und andere wichtige Bezugspersonen(wie z.B. Pflegeeltern) haben gem. § 1685 Satz 1 und 2, BGB ein Rechtauf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohle des Kindes dient.

Der § 1632 Satz 4 BGB (Wegnahme von Pflegepersonen), auch Verbleibensanordnung genannt, ist die einzige rechtliche Möglichkeit fürPflegeeltern, über einen Antrag beim Familiengericht, den Verbleib desKindes bei ihnen anordnen zu lassen.

Lebt ein Kind längere Zeit in Familienpflege, so ist die Pflegeperson berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheidensowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zuvertreten (§ 1688 Absatz 1 BGB, Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson).

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4.1.1 Angelegenheiten des täglichen LebensWie oben beschrieben, können Pflegeeltern gem. § 1688 BGB in

Angelegenheiten des täglichen Lebens für das Pflegekind entscheidenund die Inhaber der elterlichen Sorge vertreten, außer wenn diese etwasanderes entscheiden oder das Familiengericht anders beschließt.

Angelegenheiten des täglichen Lebens sind alle Entscheidungen, diehäufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen aufdie Entwicklung des Kindes haben (z.B. Anmeldung zu einer Klassen-fahrt). Grundsatzentscheidungen von erheblicher Tragweite obliegenweiterhin den Personensorgeberechtigten. Im Zweifels- bzw. Konfliktfallsoll das Jugendamt als Vermittler eingeschaltet werden (§ 38 SGB VIII).

Da die Angelegenheiten des täglichen Lebens im Gesetz nicht näherspezifiziert sind, gib es im Werra-Meißner-Kreis Vereinbarungen und eine Vollmacht, die Rechte und Pflichten der Personensorgeberechtigten,der Pflegeeltern und des Jugendamtes regen. Bei jedem neu gegründetemPflegeverhältnis werden diese Unterlagen mit allen Beteiligten besprochenund von diesen unterschrieben.

In der Vollmacht zwischen Eltern/Personensorgeberechtigten undden Pflegeeltern erklären die Inhaber der Personensorge ihr Einver-ständnis, dass während des Pflegeverhältnisses bestimmte Rechte undPflichten gegenüber dem Pflegekind, an die Pflegeeltern abgetretenwerden.

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Die Vereinbarung bei Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII regelt die jeweiligen Pflichten von Eltern/Personensorgeberechtigten und Pflegepersonen gegenüber dem jungen Menschen. Schwerpunkt ist dabei auf die Alltagssorge gerichtet. Die Pflegepersonen werden von den Sorgeberechtigten bevollmächtigt Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens für den jungen Menschen auszuüben. Dazu gehört z.B. die Wahrnehmung von schulischen und beruflichen Angelegenheiten oder die gesundheitliche Betreuung des Pflegekindes. Bei geplanten operativenEingriffen hingegen muss grundsätzliche die Zustimmung des gesetzlichenVertreters des Kindes vorliegen. Solche Entscheidungen gehören nicht zurAlltagssorge. Nur bei Gefahr im Verzuge z.B. bei einem Unfall, kann unsmuss ohne Genehmigung des Personensorgeberechtigten im Ermessendes behandelnden Arztes sofort gehandelt werden. Auch finanzielle Regelungen im Verlauf der Hilfe, Haftungsansprüche und weitere grundle-gende Dinge sind in der Vereinbarung geregelt.

Die Rechte und Pflichten des Jugendamtes und der Pflegepersonen untereinander sind in der Vereinbarung zur Regelung der Rechte und Pflichten der Pflegepersonen im Verhältnis zum FachbereichJugend, Familie, Senioren und Soziales geregelt. Hier geht es z.B. umdie finanzielle Ausstattung der Pflegfamilie, deren Begleitung und Unter-stützung durch das Jugendamt, aber auch um administrativer Erforder-nisse und Informationspflicht der Pflegepersonen gegenüber dem Amt.

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4.2. Auszüge aus dem Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII)Sorgeberechtigte, die die zum Wohle des Kindes erforderliche Erziehungnicht gewährleisten können, haben die Möglichkeit beim Jugendamteinen Antrag auf Hilfe zur Erziehung, gem. § 27 SBG VIII, zu stellen. DieHilfearten (§28 bis § 35 SGB VIII) reichen von ambulanten über teilstatio-nären bis zur vollstationären Hilfe. In § 33 SGB VIII ist die Vollzeitpflegegeregelt:

§ 33 Vollzeitpflege„Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter undEntwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen per-sönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten zur Verbesserung der Er-ziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichenin einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eineauf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbe-einträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Famili-enpflege zu schaffen und auszubauen.“

Der ersten Satz des § 36 (Mitwirkung, Hilfeplan) erwähnt das Wunsch-und Wahlrecht der Sorgeberechtigten bei der Unterbringung des Kindes,sofern die Wünsche nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbundensind Im zweiten Satz dieses Paragraphen ist die Beteiligung der Personen-sorgeberechtigten an der Hilfeplanung geregelt.

Der § 37 SGB VIII (Zusammenarbeit bei Hilfen außerhalb der eige-nen Familie) regelt die Zusammenarbeit der Beteiligten. Wenn Kinder

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außerhalb der eigenen Familie untergebracht sind, sollen die leiblichen Eltern und die Pflegepersonen (Pflegeeltern oder Mitarbeitereiner Einrichtung) zum Wohle des Kindes oder Jugendlichen zusammenarbeiten. Die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie sollendurch Beratung und Unterstützung so verbessert werden, dass sie dasKind wieder selbst erzeihen können. Die Beziehung zur Herkunftsfamiliedes jungen Menschen soll gefördert werden. Wenn keine nachhaltigeVerbesserung der Erziehungsbedingungen erreicht werden kann, solleine dem Wohle des Kindes oder Jugendlichen förderliche und aufDauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden. Auch Pflegeper-sonen haben vor der Aufnahme eines jungen Menschen und währendder Dauer der Pflege Anspruch auf Beratung und Unterstützung durchdas Jugendamt. Die Erziehung des Jungen Menschen in der Pflegefami-lie kann entsprechend den Erfordernissen des Einzellfalles durch dasJugendamt an Ort und Stelle überprüft werden.Die Pflegeeltern sind verpflichtet das Jugendamt über wichtige Ereig-nisse, die das Wohl des Kindes oder Jugendlichen betreffen, zu unter-richten Diese Mitteilungspflicht umfasst insbesondere:

Wohnort- oder Wohnungswechsel der Pflegefamilie Veränderungen im Zusammenleben der Pflegefamilie (Geburt oder Adoption eines Kindes, Tod einer Person, Trennung der Pflegeeltern) Schwere Krankheiten in der Familie Schulwechsel des Kindes Unfall oder schwere Krankheiten des Pflegekindes Längere Auslandaufenthalte der Pflegefamilie

Langer Krankenhausaufenthalt und Tod des Pflegekindes

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Im § 39 SGB VIII (Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen) wird festgelegt, dass der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen ist. Dieser Unterhalt umfasst die Kosten des Sach-aufwandes sowie für die Pflege und Erziehung des jungen Menschen Einmalige Beihilfen und Zuschüsse für das Kind können darüber hinausbeantragt werden. Diese Anträge sollen immer im Voraus gestellt werden.Sowohl der junge Mensch wie auch die leiblichen Eltern können nachÜberprüfung der Einkommensverhältnisse zur Kostenbeteiligung heran-gezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass bei jungen Erwachsenen,die über Einkommen verfügen (Lehrlingsvergütung ab dem 14. Lebens-jahr), lediglich ein Selbstbehalt von 25 % bleibt. Wenn Vermögen beidem jungen Menschen ab dem 18. Lebensjahr vorhanden ist, wird die-ses bis auf einen Freibetrag von derzeit 6.693 € angerechnet. Es kannauch vorkommen, dass volljährige Pflegekinder für die leiblichen Elternmit zum Unterhalt herangezogen werden, wenn diese öffentlich Gelderin Anspruch nehmen.

Pflegeeltern haben gem. § 39, Satz 4 SGB VIII Anspruch auf Zuschüsse zur Unfallversicherung und zur Altersvorsorge.

Auch nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres hat der jungeMensch Anspruch auf Gewährung von Hilfe. Im § 41 SGB VIII (Hilfe für junge Volljährige) ist geregelt, dass der junge Volljährige Hilfe zurPersönlichkeitsentwicklung und zur eigenverantwortlichen Lebendfüh-rung gewährt werden kann, wenn und solange die Hilfe aufgrund der in-dividuellen Situation notwendig ist. In der Regel wird diese Hilfe bis zurVollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Ausnahme-

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fällen für einen begrenzten Zeitraum auch darüber hinaus. Auch nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung hat der junge Volljährige Anspruch auf Beratung und Unterstützungim notwendigen Umfang (§ 41, Satz 3 SGB VIII).

Im § 42 SGB VIII ist auch die sogenannte Inobhutnahme von Kindernund Jugendlichen als vorläufige Schutzmaßnahme geregelt. Viele Pflegekinder sind vor Beginn eines Pflegeverhältnisses im Rahmen einerInobhutnahme aus der Herkunftsfamilie genommen und vorübergehendin einer Bereitschaftspflegefamilie oder einer anderen Unterbringungs-form aufgenommen worden.

Entsprechend des § 44 SGB VIII bedarf eine Pflegefamilie der Erlaubniszur Vollzeitpflege. Das Jugendamt im Werra-Meissner-Kreis stellt denPflegepersonen eine Bescheinigung zur Vorlage bei Behörden aus, damitihr Status nachweisbar ist. Zusätzlich stellen wir eine Bescheinigung inAusweisform aus, die gut auf Reisen mitgenommen werden kann.

Auch Pflegeeltern haben entsprechend des § 8a SGB VIII (Schutzauf-trag bei Kindeswohlgefährdung) die Pflicht, das Jugendamt zu infor-mieren, wenn ihnen die Gefährdung eines Kindes oder Jugendlichenbekannt wird. Zusammen mit der sogenannten „Kinderschutzfachkraft“des Jugendamtes erfolgt eine Abschätzung des Gefährdungsrisikos.

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5. Integration ineine Pflegefamilie

5. Integration in eine Pflegefamilie5.1 Anpassungsphase5.2 Konfliktphase5.3 Phase des Beziehungsaufbaus5.4 Die Beendigung

„Wer nimmt mich so

wie ich bin?“

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5. Integration in eine Pflegefamilie

Ist ein Kind in eine Pflegefamilie vermittelt worden und der Start in der neuen Familie gelungen, kann nicht automatisch ein kontinuierlicher Verlauf des Pflegeverhältnisses erwartet werden.Die Kinder bringen viele Lebenserfahrungen mit und können diese nicht einfach abschütteln oder vergessen. Mit der Zeit und mit vielLiebe, Geduld, Ausdauer, Regelmäßig keit und Zuversicht kann dasPflegekind aber andere Lebenserfahrungen sammeln.Psychologen sprechen von einer gewissen Regelmäßigkeit im Verlaufder Integration des Kindes in der Familie und beschreiben diesen Verlaufin drei Phasen. Sind sich Pflege eltern dieser Phasen bewusst, so fällt esihnen leichter, gewisse, ihnen unverständlich erscheinende Verhaltens-weisen des Pflegekindes besser zu verstehen oder einzuordnen. Insge-samt dauert die Integrationsphase je nach Alter des Kindes 2-3 Jahre.

5.1 Anpassungsphase

In der ersten Phase orientiert sich das Kind altersgemäß an dem neuenLebensraum, ist neugierig, zeigt Interesse für neue Erfahrungen undlernt, wie das fremde Familiensystem funktioniert und akzeptiert dessenRegeln. Das Kind nimmt die Erfahrungen mit der neuen Familie in sichauf, entwickelt aber noch kein Vertrauen und noch keine Bindung zu denPflegeeltern.

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Das Kind versucht, seine starke Verunsicherung und seine Ängste, die es durch die Trennung zu seinen Eltern und die Veränderung seines Lebensumfeldes hat, durch das Neugier-verhalten zu kompensieren und eine Orientierung zu bekommen. Aus diesem Grund ist es ganz wichtig, dass das Kind klare und überschaubare Strukturen vorfindet. Zu einer absoluten Überforderungkommt es, wenn die Pflegefamilie in den Urlaub fährt oder das Kind mitvielen Verwandten oder Nachbarn konfrontiert.

Parallel zum „Ankommen“ in der Familie wird vom Kind der Einstieg ineinen neuen Kindergarten oder eine andere Schule erwartet.

5.2 Konfliktphase

Diese Phase wird auch Übertragungsphase und Phase der Prüfung vonVertrauen, Grenzsetzung und Eigenständigkeit genannt.

Der Übergang von der Anpassungsphase in die Konfliktphase stellt sichoft als Rückschritt dar. Die Konfliktphase ist jedoch ein weiterer Schrittauf dem Weg des Kindes, neue Beziehungen wieder aufbauen zu können. Das Kind beginnt hier zunehmend, eigene Bedürfnisse und Wünsche zuentwickeln, zeigt aber auch Symptome und Folgen von seinen traumati-schen Erfahrungen. Es verhält sich wie früher oder einfach anders undprüft damit, ob die Pflegeeltern das bekannte Elternverhalten wiederho-len oder neue Erfahrungen vermitteln. In dieser Phase werden die altenBeziehungen mit den neuen Eltern zum Teil sehr perfekt inszeniert, neue

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Eltern mit den alten Bezugspersonen verwechselt. Das Pflegekind überträgt Gefühle und Erfah rungen, die eigentlich den leiblichen Eltern gelten, auf die Pflegeeltern. Das heißt, die Pflegeeltern werden eigentlich nicht als die Personen wahrgenommen,die sie sind und sollten diese „Angriffe“ nicht persönlich nehmen.

Kinder, die die Erfahrung gemacht haben, dass familiäre Beziehungenunzuverlässig sind und zerbrechen können, bringen diese Erfahrung mitin die Pflegefamilie. Gerade wenn die neue Beziehung attraktiv wird,entsteht gleichzeitig die Angst, dass auch diese Beziehung wieder zer-brechen kann. Aus diesem Grund testet das Pflegekind immer wiederaus, wie viel das Kind den Pflegeeltern wert ist, wie sicher sie zu ihmhalten und was sie alles aushalten können.

Wichtig ist hier, dem Pflegekind in diesen Situationen immer wieder zuzeigen, dass die Pflegepersonen das Kind annehmen, mögen und festzu ihm halten trotz seines schwierigen Verhaltens. Nur wenn sich dasKind auf die Pflegefamilie verlassen kann, kann es die alten hinderlichenVerhaltensweisen allmählich ablegen. Gelingt es den Pflegeeltern, trotzdeutlicher Grenzsetzung, dem Kind das Gefühl zu vermitteln, dass esangenommen und akzeptiert ist, so gewinnt das Kind zunehmend an Sicherheit. Hilfreich in dieser Phase ist die Kenntnis der Geschichte desKindes, um verschiedene Verhaltensweisen verstehen und distanzierterbetrachten zu können.

Die Konfliktphase in der sich das Kind zunehmend an die Pflegefamiliebindet und hineinwächst, ist die bedeutsamste im Rahmen des Pflege-verhältnisses und stellt gleich zeitig die größte Herausforderung an die

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Familien dar. Für das Pflegekind ist dies aber ein überaus notwendiger und gesunder Entwicklungsschritt. Wenn das Kind alte Erfahrungen bearbeitet hat und in der Pflegefamilie genügend Geborgenheit, Vertrauen und Sicherheit gefunden hat, kann die dritte Phase beginnen.

5.3 Phase des Beziehungsaufbaus

Beginn und Dauer der Phase des Beziehungsaufbaus ist sehr vom Alterund von den seelischen Verletzungen des Kindes abhängig. Es kehrtnun häufig auf frühere, frühkindliche Entwicklungsstufen zurück, holtdamit Erfahrungen nach und erlebt, dass es befriedigende Beziehungenhaben kann. Das rückschrittliche und kleinkindhafte Verhalten erstreckt sich auf bestimmte Lebensbereiche, so dass sich ein Nebeneinander von klein kindlichem und altersgemäßem Verhalten beobachten lässt. Durchdie Chance, nochmals seine früheren Bedürfnisse ausleben zu dürfenund deren Befriedigung zu erfahren, ist die Grundlage für eine weiterealtersgerechte Entwicklung. Dies begünstigt den Aufbau sicherer, stabi-ler Beziehungen.

Das Kind sammelt neue Erfahrungen wie „Ich bin wertvoll!“, „ Ich werdegeliebt!“ oder „ Ich werde so angenommen, wie ich bin!“

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5.4 Die Beendigung

Für die Beendigung eines Pflegeverhältnisses gibt es unterschiedliche Gründe:

Das Pflegekind ist erwachsen geworden und verlässt aufgrund der eigenen Selbständigkeit und dem eigenen Wunsch die Pflegefamilie.Häufig ist hier das Kind inzwischen volljäh rig und hat eine Berufsausbil-dung begonnen oder abgeschlossen.

Manchmal willigen leibliche Eltern nach vielen Jahren in eine Adoptionein, dann wird das Pflegeverhältnis beendet und die Pflegeeltern adoptieren das Kind. Manche Pflege eltern adoptieren ihr Pflegekindauch nach dessen Volljährigkeit, da bei einer Erwachse nenadoptionnicht mehr die Einwilligung der leiblichen Eltern erforderlich ist.

Hat sich die Lebenssituation der Herkunftseltern langfristig stabilisiert,kann das Kind bei guter Prognose und intensiver Zusammenarbeit allerBeteiligten wieder zurück zu den Eltern. In diesem Fall war das Pflege-verhältnis in der Regel von Anfang an auf Zeit geplant und auch so mitden Pflegeeltern vereinbart.

Manchmal verlangen Herkunftseltern außerplanmäßig oder überra-schend die Rückführung ihres Kindes. Das Jugendamt prüft dann in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht, ob dies mit dem Wohle desKindes vereinbar ist.

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Lebt das Kind bereits länger in der Pflegefamilie und hat dort stabile Beziehungen aufgebaut, kann das Familiengericht auch auf Antrag der Pflegeeltern anordnen, dass das Kind weiterhin in der Pflegefamilie bleibt.

In manchen Fällen sind die Schwierigkeiten, die ein Kind mitbringt, so groß, dass sie die Pflegefamilie zu sehr belastet ist. Sollten dann keine geeigneten Ressourcen mehr in der Pflegefamilievorhanden sein oder die Konflikte nicht mehr aufzulösen sein, so mussdas Pflegeverhältnis beendet und eine andere geeignete Maßnahme fürdas Kind gesucht werden.

Da alle Pflegeeltern eine Eltern-Kind-Bindung zu dem Pflegekind auf-bauen, haben viele Pflegeeltern gleichzeitig große Befürchtungen, dassdas Pflegeverhältnis frühzeitig beendet wird. Dies wird in einigen Pflege-familien als große Belastung erlebt. Grundsätzlich ist es seitens des Ju-gendamtes oder des Familiengerichtes auch nicht möglich, einenlangfristi gen Verbleib des Kindes tatsächlich zu garantieren.

Das Jugendamt ist immer bemüht, bereits im Vorfeld der Vermittlungeines Kindes eine klare Perspektive, das heißt, auch die Dauer der Hilfemit allen Beteiligten herauszuarbei ten. Dies ist allerdings nicht immer mit der Herkunftsfamilie möglich.

Häufig müssen auch zunächst befristete Hilfen (Kurzzeitpflegen) in unbefristete Dauerpflegen umgewandelt werden, wenn es der Her-kunftsfamilie nicht gelingt, ihre Ressourcen in einem angemessenemZeitraum wiederherzustellen.

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6. Begleitung und Unterstützungdurch das Jugendamt

6. Begleitung und Unterstützung durch das Jugendamt6.1. Der Pflegekinderdienst6.2 Allgemeiner Sozialer Dienst6.3. Supervision6.4. PFAD Interessengemeinschaft für Pflege- und Adoptivfamilien

„Mit eurer Hilfe schaffe ich den

Schritt in die Selbständigkeit.“

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6. Begleitung und Unterstützung durch das Jugendamt

Pflegekinder kommen oft aus einer zugespitzten Krisensituation in derHerkunftsfamilie und können seelische oder körperliche Verletzungen erlitten haben. Die daraus resultierenden Entwicklungsdefizite und Ver-haltensauffälligkeiten, können Pflegefamilien, die dem Kind ein Zuhausegeben und es auf dem Weg in ein selbständiges Leben begleiten wollen,vor einer großen Herausforderung und Belastung stellen. Um diese Auf-gabe besser zu bewältigen zu können, erhalten Pflegeeltern vom Ju-gendamt regelmäßig Beratungen, Fortbildungen undHilfeplangespräche für das Pflegekind. Grundsätzlich haben die Fach-kräfte des Jugendamtes Kontakt zu den abgebenden Eltern, den Pflege-familien und den Pflegekindern. Ziel ist, das Pflegeverhältnis zu stärkenund zu stützen und im Sinne des Kindeswohles zu handeln. Da Pflegeel-tern oft sehr gefordert und mit schwierigen Situationen konfrontiert wer-den, sollen sie sich mit allen Fragen und Problemen an die Mitarbeiterdes Jugendamtes wenden können.

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6.1. Der Pflegekinderdienst

Seit April 1999 gibt es Werra-Meißner-Kreises denPflegekinderdienst/die Adoptionsvermittlungsstelle, mit zwei Mitarbeiterinnen, als Spezialdienst im Fachbereich Jugend, Familie, Senioren und Soziales. Die Fachkräfte sind für die Vorbereitung undAuswahl der Pflege- und Adoptivbewerber zuständig. Kommt es überden Allgemeinen Sozialen Dienst zur Vermittlung eines Pflegekindes,wird dieser Prozess von den Mitarbeiterinnen des Pflegekinderdienstesbegleitet und unterstützt. Auch bei Hilfeplangesprächen und in Krisen-situationen kann der Pflegekinderdienst beteiligt werden. Darüber hinaus werden regelmäßig Fortbildungen zu unterschiedlichsten, für diePflegefamilien relevanten Themen, angeboten. Dies können Veranstal-tungen von Abendvorträgen über Tagesveranstaltungen, bis hin zu Wochenendveranstaltungen, mit Kinderbetreuung, sein. Ziel solcher Veranstaltungen ist einerseits die Wissensvermittlung, aber auch dasgegenseitige Kennenlernen und der Austausch der Pflegefamilien unter-einander. Oftmals ist in der Gruppe die Reflektion der eigenen Situation,bzw. Schwierigkeiten leichter möglich. Dies kann für die Pflegeeltern imAlltag mit dem Pflegekind unterstützenden und stärkenden Charakterhaben.Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist meist kostenlos und basiertauf Freiwilligkeit.

Zum Ende eines Jahres erhalten alle Pflege- und Adoptivfamilien einenschriftlichen Überblick zu den geplanten Veranstaltungen im Folgejahr.Rechtzeitig vor den jeweiligen Veranstaltungen bekommen die Familieneine Einladung mit detalierter Darstellung über den Inhaltes und Verlauf.

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6.2 Allgemeiner Sozialer Dienst

Grundsätzlich ist für die Pflegefamilie und den Verlauf einer Hilfe ein/e Mitarbeiter/in vom Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) fallzu-ständig. Der Mitarbeiter kennt in der Regel die Herkunftsfamilie und dieUmstände, die die Herausnahme eines Kindes erforderlich machen. Bei den regelmäßigen Hilfeplangesprächen (siehe auch Punkt 2.1.1. Absatz 3) werden mit allem Beteiligten Ziele besprochen und schriftlichfixiert. Damit kann der Hilfeplan eine Orientierungs- und Handlungsvor-lage sein, die den. Pflegefamilien ein Stück Klarheit und Sicherheit imZusammenleben mit dem Kind und in der Bewältigung, der nicht immer alltäglichen Herausforderungen, gibt. Aber auch über das Hilfeplange-spräch hinaus, ist der Mitarbeiter des ASD der erste Ansprechpartner fürdie Pflegefamilie. Von Erziehungsberatung, der Suche nach therapeuti-scher Hilfe für das Kind, bis hin zu Gesprächen mir Lehrern und Erziehernreichen die Unterstützungsangebote der Mitarbeiter des Jugendamtes.

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6.3. Supervision

Wenn sich Pflegefamilie in besonderen Krisen befinden und das Unterstützungsangebot der Jugendamtsmitarbeiter nicht mehr ausreichend ist, kann im Einzelfall Supervision angeboten werden. Supervision ist eine Beratungsmethode, die eine Auseinandersetzungmit Situationen und Schwierigkeiten im Alltag als Pflegeeltern zum Inhalthat. (z.B. Auswirkungen des Pflegeverhältnisses auf die Partnerschaftund die Familie, Ungangsweisen mit dem Pflegekind…). Mit Supervision kann die eigene Situation reflektiert werden, um eineVerbesserung der Entscheidungs- und Handlungskompetenzen zu erreichen. Supervision darf nur von ausgebildeten und anerkanntenFachkräften ausgeübt werden. Diese stehen dem Jugendamt gegenüberunter Schweigepflicht. Pflegeeltern müssen bei Bedarf bei dem zuständi-gen ASD Mitarbeiter einen Antrag stellen und entsprechend begründen.Nach Prüfung und Bewilligung des Antrages wird ein Kontrakt zwischendem Supervisor/ der Supervisorin, den Pflegeeltern und dem Jugendamtgeschlossen. Das Jugendamt übernimmt die Kosten für die Supervision.

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6.4. PFAD Interessengemeinschaft für Pflege- und Adoptivfamilien

Der Verein PFAD e.V. ist eine Interessengemeinschaft für Pflege- undAdoptivfamilien im Werra-Meissner-Kreis sowie Kassel Stadt und Land.Der Verein bietet Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch mit anderenPflegefamilien, veranstaltet Seminare, informiert über wirtschaftlicheRahmenbedingungen, organisiert gemeinsame Freizeitaktivitäten und vie-les mehr. Pflegefamilie können Beratung und Unterstützung bei konkretenProblemen, sowie Begleitung bei Gesprächen im Amt erhalten.In den letzten Jahren hat sich zwischen PFAD und dem Fachbereich Jugend, Familie, Senioren und Soziales des Werra-Meißner-Kreises einekonstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit entwickelt, mit demZiel Pflegefamilien zu beraten und zu unterstützen. Darüber hinaus fördert die gute Zusammenarbeit die ständige Weiterentwicklung vonQualitätsstandards im Pflegekinderwesen. Es findet ein regelmäßigerAustausch mit der Vereinsvorsitzenden von PFAD und den Mitarbeiterin-nen des Pflegekinderdienstes, aber auch mit der Fachdienst- und Fach-bereichsleitung statt. Schwierigkeiten werden benannt und gemeinsameLösungsmöglichkeiten gesucht. Weiterhin werden Fortbildungsveran-staltungen von PFAD und dem Pflegekinderdienst miteinander abge-stimmt und in vielen Fällen auch in Kooperation miteinander vorbereitetund durchgeführt. Personen, die noch unentschlossen sind, ob siePflege- oder Adoptivfamilie werden wollen, können neben den Gesprä-chen mit den Mitarbeiterinnen des Pflegekinderdienstes, auch mit PFADKontakt aufnehmen, um von erfahrenen Pflegefamilien Informationenund Eindrücke aus dem Pflegefamilienalltag zu bekommen.Die Kontaktadresse von PFAD: Margaret Buhle, Tel. (0 56 02) 12 36,[email protected]

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7. Finanzielle Leistungen

7. Finanzielle Leistungen7.1 Pflegegeld7.2 Weitere Leistungen7.2.1 Nebenleistungen7.2.2 Kindergeld7.2.3 Krankenversicherung7.2.4 Elterngeld, Elternzeit, Anrechnung von Erziehungszeiten7.2.5 Leistungen für Volljährige7.2.6 Haftpflichtversicherung7.2.7 Altersvorsorge7.2.8 Unfallversicherung

...weil ich es wert bin.

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7. Finanzielle Leistungen

Vollzeitpflege ist eine Leistung der Hilfe zur Erziehung, zu deren Kostender junge Mensch selbst bzw. der oder die Personensorgeberechtigtenherangezogen werden. Dies regelt das für die Jugendhilfemaßnahme zuständige Jugendamt. Bei Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege ist der notwendige Unterhalt desKindes bzw. des Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustel-len. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf des jungenMenschen. Zusätzlich wird ein Erziehungsbeitrag gezahlt, der sich nachder Leistung der Pflegeperson/Pflegefamilie richtet und mit den Unter-haltsbetrag an die Pflegefamilie ausgezahlt wird. Diese beiden Beträgebilden das „Pflegegeld.

Das Pflegegeld setzt sich also zusammen aus einem monatlichem Pauschalbetrag für den gesamten laufenden Unterhaltsbedarf des Pflegekindes und dem Erziehungsbeitrag für die Pflegeeltern. Mit demPauschalbetrag sind alle regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungenfür das Pflegekind (Nahrung, Kleidung, Hygiene, Miete, Strom, Heizung,Schulmaterialien, Taschengeld, Spielzeug, Beiträge für Sportvereineusw.) abgedeckt.

Der Erziehungsbeitrag ist als Honorierung für den pädagogischen Einsatz der Pflegeeltern gedacht.Es stellt allerdings keine „Bezahlung“ im lohnrechtlichen Sinne dar, dadie Arbeit von Pflegeeltern als Ehrenamt eingestuft wird.

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7.1 Pflegegeld

Die Höhe des eigentlichen Pflegegeldes ist bei Vollzeitpflege gestaffeltnach dem Alter des Kindes (0 – 6 Jahre, 7 – 13 Jahre und ab 14 Jahre).Der gesamte Betrag wird in einem monatlichen Pauschalbetrag gezahlt.Die Höhe des Pflegegeldes ist per Erlass des Hess. Sozialministeriumshessenweit einheitlich geregelt und wird in der Regel zum 01.07.einesjeden Jahres geändert.

Das Jugendamt des Werra-Meißner-Kreises hat die Sätze des erhöhtenPflegegeldes für sonderpädagogische Pflegestellen mit den anderennordhessischen Jugendämtern abgestimmt.

Bereitschaftspflegestellen:Bereitschaftspflegestellen erhalten keinen Pauschalbetrag, sondern beiBelegung erhöhte Tagessätze. Dies wird in speziellen Vereinbarungenmit den Bereitschaftspflegestellen ausgehandelt, ebenso mit sogenann-ten Notfamilien, die bereit stehen, wenn alle Bereitschaftspflegestellenbelegt sind.

Ferienzuschuss und Weihnachtsbeihilfe:Der Ferienzuschuss wird pauschal für jedes Pflegekind im Juli einesjeden Jahres, die Weihnachtsbeihilfe im Dezember mit dem Pflegegeldausgezahlt.

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7.2 Weitere Leistungen

Unabhängig von dem Pflegegeld können weitere Leistungen in Anspruch genommen werden

7.2.1 Nebenleistungen Mit dem monatlichen Pflegegeld sind keine Aufwendungen für einmaligeAnlasse abgegolten. Gemäß § 39 Abs. 3 SGB VIII können hierfür Beihilfenund Zuschüsse gewährt werden. Die Gewährung von Nebenleistungen erfolgt auf der Grundlage der Empfehlungen des Hessischen Städte- undLandkreistages und wird regelmäßig angepasst. Einmalige Beihilfen undZuschüsse für werden u.a. gewährt für:

Bekleidungs- und Möbelerstausstattung Aufwendungen für persönliche Anlässe wie Taufe, Einschulung Kommunion/ Konfirmation Kinderwagen, Kindersitz, Kinderfahrrad Mofa oder Moped Kindergartenbeitrag Führerschein Schulfahrten, Vereinsfahrten

Einmalige Beihilfen und Zuschüsse werden nur auf schriftlichen Antragvor Inanspruchnahme der Leistung gewährt. Die Verwendung der Leis-tungen ist gegenüber dem Jugendamt durch Belege nachzuweisen.(Ausnahme Weihnachts- und Ferienbeihilfe).

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7.2.2 KindergeldBei Dauerpflege und Adoptionspflege erwerben die Pflegeeltern einen Anspruch nach dem Bundeskindergeldgesetz.Als Kinder werden berücksichtigt: Pflegekinder, die der Antragsteller in seinem Haushalt aufgenommen hat und mit denen er durch ein familienähnliches, auf längere Dauer ange legtes Band verbunden ist. Ein Pflegekind muss wie ein eigenes Kind zur Familie gehören und nichtmehr in einem Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern stehen; ferner muss der Antragsteller ein solches Pflegekind zu einemnicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhalten.

§ 39 Abs. 6 SGH VIII sieht jedoch zwingend die Anrechnung von Kinder-geld und vergleichbaren Rentenbestandteilen auf den monatlichenPauschal betrag der Unterhaltsleistung vor.

7.2.3 KrankenversicherungIn der Regel sind Kinder, die sich in einer Pflegefamilie befinden, über ihre Herkunfts eltern krankenversichert.

Pflegekinder können aber auch in der gesetzlich Krankenversicherungder Pflegeeltern familienversichert werden. Diese Möglichkeit bedarf derZustimmung der leiblichen Eltern oder des Vormundes und wird in einerVereinbarung geregelt.

Die Aufnahme in eine private Krankenversicherung ist mit Kosten ver-bunden, die nicht vom Jugendamt übernommen werden.

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7.2.4 Elterngeld, Elternzeit, Anrechnung von ErziehungszeitenPflegeeltern haben keinen Anspruch auf Erziehungsgeld, da sie Pflegegeld erhalten. Die Elternzeit kann auch ohne Bezug von Erziehungsgeld über den Arbeitgeber der Pflegeperson bei entsprechendem Alter des Pflegekindes beantragt werden.

Pflegepersonen können Kindererziehungszeiten ihres Pflegekindes aufihre Renten versicherung anrechnen lassen, soweit das Kind im Zeitraumseiner ersten 3 Lebensjahre von ihnen betreut wurde. Als Nachweis derAufnahme eines Kindes kann eine Bescheini gung des zuständigen Jugendamtes nützlich sein, aus der sich die Art des Pflegeverhält nissesund die Dauer der häuslichen Gemeinschaft ergibt.

7.2.5 Leistungen für VolljährigeJunge Erwachsene können vor Erreichung der Volljährigkeit eine Weiter-führung der Hilfe über das 18. Lebensjahr hinaus gemäß § 41 i.V.m. § 33SGB VIII schriftlich beim Fachbereich Jugend, Familie, Senioren und Soziales des Werra-Meißner-Kreises beantragen.

Darüber können für junge Volljährige, die sich in einer eigenen Wohnungverselbständigen und das Pflegeverhältnis beenden, Zuschüsse fürHausrat und Wohnungseinrichtung beantragen. (siehe Nebenleistungen)

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7.2.6 HaftpflichtversicherungDer Werra-Meissner-Kreis hat für Pflegekinder bei der GVV- Kommunalversicherung eine Sammelhaftpflicht abgeschlossen.Da der Versicherungsschutz subsidiär gewährt wird, sind schon beste-hende Haftpflichtversicherungen über leibliche Eltern oder die Pflegefa-milie vorrangig zur Leistung verpflichtet. Über die GVV Versicherung istdie persönliche Haftpflicht der Pflegekinder gegenüber Dritten, aberauch im Innenverhältnis abgesichert. Somit sind auch Ansprüchen derPflegepersonen gegenüber dem Pflegekind und umgekehrt versichert.

7.2.7 AltersvorsorgeBei der wirtschaftlichen Jugendhilfe des Jugendamtes kann ein Pflege-elternteil Beiträge für die Altersvorsorge, in Höhe von maximal 40.00 €monatlich beantragen. Der Betrag muss durch eine entsprechende Po-lice nachgewiesen werden.

7.2.8 UnfallversicherungAuf Antrag können Pflegeeltern bei der Wirtschaftlichen Jugendhilfe proJahr einen festen Betrag als Zuschuss für eine bestehende Unfallversi-cherung der Pflegepersonen erhalten. Die Erstattung muss jährlich neubeantragt werden. Ein Nachweis über den gezahlten Versicherungsbei-trag muss vorgelegt werden.

ImpressumDiese Broschüre entstand unter Mitarbeit der Fachkräfte des Pflegekinderdienstes im Werra-Meißner-Kreis

Herausgeber:Werra-Meißner-Kreis Der KreisausschussFachbereich Jugend, Familie, Senioren und Soziales Fachdienst 4.6.2 Pflegekinderdienst/AdoptionsvermittlungSchlossplatz 137269 Eschwege

Gestaltung:www.jathodesign.com

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Werra-Meißner-KreisFachbereich Jugend, Familie, Senioren und Soziales

Pflegekinderdienst/Adoptionsvermittlungsstelle Nordbahnhofsweg 137213 Witzenhausen

DiplomsozialpädagoginKarin Meissner-ErdtTel. (0 55 42) 958 [email protected]

DiplomsozialpädagoginJutta SchneiderTel. (0 55 42) 958 [email protected]