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Dr. Ulrich Kuther hessenstiftung – familie hat zukunft Darmstädter Straße 100 64625 Bensheim Tel.: 0 62 51/70 05-31 Fax. 0 62 51/70 05-77 E-Mail: [email protected] Dr. Jürgen Wüst IFOK GmbH Berliner Ring 89 64625 Bensheim Tel.: 0 62 51/84 16-56 Fax. 0 62 51/84 16-901 E-Mail: [email protected] Dokumentation Männer in der Kindertagespflege Ergebnisse des Gesamtprojektes Ansprechpartner Bensheim, Mai 2009

Männer in der Kindertagspflege

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Durch das Projekt wurde deutlich, dass es sehr viel mehr aktive Tagesväter in Hessen gibt, als auf den ersten Blick vermutet wurde. Auch wenn keine wissenschaftlich fundierte Erhebung durchgeführt wurde, konnte durch den Rücklauf auf die Befragung der Träger durch das Hessische Kindertagespflegebüro der Kontakt zur vielen interessierten Tagesvätern hergestellt werden. In der Praxis erleben sie sich selbst oft als Exoten, die eine Sonderrolle genießen oder erdulden.

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Dr. Ulrich Kutherhessenstiftung – familie hat zukunftDarmstädter Straße 10064625 Bensheim

Tel.: 0 62 51/70 05-31Fax. 0 62 51/70 05-77E-Mail: [email protected]

Dr. Jürgen WüstIFOK GmbHBerliner Ring 8964625 Bensheim

Tel.: 0 62 51/84 16-56Fax. 0 62 51/84 16-901E-Mail: [email protected]

Dokumentation

Männer in der Kindertagespflege

Ergebnisse des Gesamtprojektes

Ansprechpartner

Bensheim, Mai 2009

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Inhalt1 Hintergrund und Zielsetzung.....................................................................................................1

Kindertagespflege auf Wachstumskurs........................................................................................1

Kindertagespflege – (k)ein Arbeitsfeld für Männer?.....................................................................2

2 Männer in der Kindertagespflege – erste Annäherungen.........................................................3

3 Den Blick weiten – der Expertenworkshop ...............................................................................4

Der Wandel der Geschlechterrollen in der Gesellschaft ..............................................................7

Das Fehlen eines positiven Berufsbilds der Kindertagespflege ...................................................8

Qualifizierung - geschlechtsbezogene Anforderungen an den Tagesvater .................................9

Fazit des Expertenworkshops ......................................................................................................9

4 Herausforderungen - Konsequenzen – Perspektiven: Wie kann es weiter gehen? ...............10

Anhang: Teilnehmendenliste des Expertenworkshops am 29. September 2008 ..........................12

1 Hintergrund und ZielsetzungKindertagespflege auf WachstumskursDie Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht ganz oben auf der Tagesordnung inPolitik und Gesellschaft. Für ein besseres Gelingen der Vereinbarkeit spielt dasBetreuungsangebot für Kinder eine wichtige Rolle. Mit der für 2013 geplanten Einführung einerBetreuungsplatzgarantie für Kinder unter drei Jahren soll die Diskrepanz zwischen Angebot undNachfrage beseitigt werden. Dazu soll auch der Bereich der Kindertagespflege beitragen. Nachden aktuellen Planungen der Bundesregierung sollen bis 2013 für 35 % der zu betreuendenKinder unter drei Jahren Plätze bei Tagespflegepersonen zur Verfügung stehen. Dies kannallerdings nur gelingen, wenn die Zahl der verfügbaren Tagespflegepersonen weiter ansteigt.Nach Angaben des Deutschen Jugendinstituts hat sich die Zahl der Kindertagespflegepersonenvon 30.427 (2006) auf 36.389 (2008) erhöht, was einem Zuwachs von 19,6 % entspricht.Gleichzeitig liegt aber die Zahl der Betreuungsplätze in der Kindertagespflege noch hinter dengesetzten Zielen: „Der mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz TAG und KinderförderungsgesetzKiFöG (...) eingeleitete Ausbau der Kindertagesbetreuungsplätze verläuft nach aktuellenBerechnungen des DJI derzeit noch in einem Tempo, das deutlich gesteigert werden muss, umdie gesetzten Ziele zu erreichen: Von 2007 bis 2008 hätten laut Plan 19.000 neueBetreuungsplätze statt der 7.000 neu registrierten geschaffen werden müssen." (Online imInternet am 17.4.2009: http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=877&Jump1=LINKS&Jump2=15). Der Bedarf an zusätzlichenKindertagespflegepersonen zur Erreichung der angestrebten Betreuungsquote wird auf ca.30.000 geschätzt. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, hat das BMFSFJ 2008 das

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Aktionsprogramm Kindertagespflege gestartet (http://www.esf-regiestelle.eu/content/aktionsprogramm_kindertagespflege/index_ger.html).

In aller Regel waren und sind es Frauen, die sich als Tagesmutter (die eine oder mehrere Kinderbei sich zu Hause betreut) oder Kinderfrau (die zur Betreuung in das Haus kommt) betätigen.Aber lässt sich dieser quantitative Mehrbedarf an Tagespflegepersonen alleine durch Frauendecken oder könnte dies nicht auch für Männer eine berufliche Perspektive sein? Und sind nichtgerade im vom weiblichen Fachkräften dominierten Feld der Betreuung und Bildung in früherKindheit männliche Bezugspersonen für die Sozialisation besonders wünschenswert? Diese undandere Fragen standen am Anfang der Überlegungen sich intensiver mit Männern in derKindertagespflege zu beschäftigen.

Noch bevor 2008 auf Bundesebene mit der Betreuungsplatzgarantie für unter Dreijährige neueRahmenbedingungen geschaffen wurden, hat sich Hessen den Perspektiven des weiterenAusbaus der Kindertagespflege angenommen. Die Kindertagespflege hat in Hessen eine langeTradition und wird als Angebot zur Wahlfreiheit der Eltern von der Landesregierung intensivgefördert. Mit dem Hessischen Kindertagespflegebüro (www.hessisches-tagespflegebuero.de)gibt es eine landesweite Service- und Beratungsstelle, die den quantitativen und qualitativenAusbau begleitet. Mit dem 2007 landesweit ausgeschriebenen Pilotprojekt „Kindertagespflege –Qualität und Professionalität durch Kontinuität und sichernde Rahmenbedingungen“ wurdenStandorte gesucht, die sich mit der Entwicklung sicherer Rahmenbedingungen in derKindertagespflege beschäftigen wollten. Gleichzeitig wurden durch Arbeitsgruppen undFachveranstaltungen begleitende Strukturen für einen Erfahrungsaustausch geschaffen.

Kindertagespflege – (k)ein Arbeitsfeld für Männer?An diese Strukturen hat das Projekt „Männer in der Kindertagespflege“ der hessenstiftung –familie hat zukunft angeknüpft. Aufbauend auf den zahlreichen Stiftungsprojekten rund um dieThemen Vaterschaft und Mannsein, und hier speziell in der Weiterführung von Projekten zurFörderung von Männern im Erzieherberuf, sollte das Projekt erstmals die Frage nach denPerspektiven der Kindertagespflege für Männer aufgreifen. Im Mittelpunkt stand dabei der Dialogzwischen Theorie und Praxis. Bezogen auf die aktuelle Situation in Hessen sollte geklärt werden,ob Männer schon als Tagesväter in nennenswertem Umfang aktiv sind, warum sie sich in diesemGebiet beruflich engagieren und welchen besonderen Anforderungen sie sich ausgesetzt fühlen.Um eine größtmögliche Praxisrelevanz zu erreichen, wurden die bestehenden Strukturen desPilotprojektes „Kindertagespflege – Qualität und Professionalität durch Kontinuität und sicherndeRahmenbedingungen“ genutzt und durch einen eigenständigen Expertenworkshop außerhalb desPilotprojektes erweitert. Durch die Anbindung an das Pilotprojekt wurde gewährleistet, dass

• eine große Zahl von in der Kindertagespflege in Hessen aktiven Akteuren direkt erreichtund eingebunden werden konnte und

• Ergebnisse aus dem geplanten Expertenworkshop wieder unmittelbar in die Praxiszurückfließen konnten.

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Das Projekt der hessenstiftung zielte damit auf eine Reflexion der Praxis und auf die Klärung derRelevanz des aufgegriffenen Themas.

2 Männer in der Kindertagespflege – erste AnnäherungenAm 13. Dezember 2007 startete das Pilotprojekt Kindertagespflege in Wiesbaden mit eineröffentlichen Auftaktveranstaltung und einem sich daran anschließenden erstenErfahrungsaustausch der sieben ausgewählten Pilotstandorte des Projektes. Für denErfahrungsaustausch waren im Vorfeld die, aus Sicht der Standorte, relevanten Themen- undFragestellungen ermittelt worden. Zusätzlich wurde das Thema „Männer in derKindertagespflege“ aufgenommen. Zu der Fragestellung „Welche Erfahrungen haben Sie mitMännern in der Kindertagespflege? Welche Herausforderungen sehen Sie?“ waren dieTeilnehmenden aufgefordert die, aus ihrer Sicht zentralen Herausforderungen zu benennensowie von eigenen Erfahrungen und praktizierten Lösungen zu berichten.

Damit sollte einerseits in Erfahrung gebracht werden, ob das Thema für die Teilnehmendenüberhaupt von Bedeutung war und in der Praxis der Kindertagespflege Relevanz besaß,andererseits sollte eine Bestandsaufnahme der Erfahrungen in der Praxis geleistet werden. Diewichtigsten Ergebnisse des Austauschs waren, dass

• an den Pilotstandorten nur wenige Männer als Tagesväter aktiv sind und einige davonihre als Tagesmütter aktiven Ehefrauen unterstützen;

• mehr Männer als Tagesväter als notwendig erachtet werden und es hier auch beialleinerziehenden Frauen eine gewisse Nachfrage gibt, gleichzeitig aber auch beianderen Gruppen (genannt wurden Familien mit Migrationshintergrund) sehr großeAkzeptanzprobleme bestehen;

• mit einer stärkeren Einbindung von Männern in die Kindertagespflege viele Erwartungenfür positive Impulse verbunden sind, gleichzeitig die aktuellen Strukturen aber als wenigattraktiv für Männer eingeschätzt werden (beispielsweise die geringe gesellschaftlicheAnerkennung sowie das niedrige Einkommen);

• es wenig fundierte Erkenntnisse über die Bedürfnisse von Tagesvätern gibt,beispielsweise über deren Bedarf an Fortbildungen (kritisch diskutiert wurde dabei auch,ob es einen Bedarf an männlichen Fortbildern gibt);

• Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung als wichtige Schlüssel auf dem Weg zu mehrAkzeptanz für Tagesväter sowie für eine höhere Attraktivität der Tagespflege für Männeranzusehen sind.

Damit wurde deutlich, dass das Thema Relevanz und Potenzial besitzt und auch weiterhin einewichtige Rolle beim Erfahrungsaustausch spielen sollte. Gleichzeitig wurde deutlich, dass dieEinbeziehung von männlichen Tagespflegepersonen in den weiteren Prozess als notwendig

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erachtet wurde, damit deren Bedürfnisse und Sichtweisen ganz unmittelbar aufgenommenwerden könnten.

Eine Weiterführung erfuhr der Erfahrungsaustausch bei der Sitzung der projektbegleitendenArbeitsgruppe am 14. Mai 2008. Zu der Frage „Wie kann die Attraktivität der Kindertagespflegefür Männer gesteigert werden?“ wurden erste Ideen entwickelt. Ausgangspunkt war dieÜberlegung, dass Klischees und Vorbehalte abgebaut und die positiven Argumente stärkerhervorgehoben werden sollten. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei denEntwicklungschancen der Kinder durch männliche Bezugspersonen gewidmet werden. Für dieUmsetzung wurden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

• Die Förderung von Tageselterntandems: Die gemeinsame Tätigkeit als Tageselternwirkt Akzeptanzproblemen seitens der Eltern entgegen. Gleichzeitig bieten sichLernchancen für alle Beteiligten.

• Aktive Tagesväter sollten als Vorbilder genutzt werden: Dies kann vor Ort durchBerichte in der Lokalpresse, aber auch auf Landes- und Bundesebene durch eineentsprechende Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden. Dabei sollten Tagesväter nicht alsExoten vorgestellt, sondern der Alltag eines Tagesvaters als Normalität präsentiertwerden.

• Neue Angebote und Strukturen in der Qualifizierung von Tagespflegepersonen:Durch gemischte Supervisionsgruppen sowie durch die Einbeziehung von männlichenReferenten in die Qualifizierungsangebote sollen diese für Männer attraktiver werden.

3 Den Blick weiten – der ExpertenworkshopDer erste Austausch innerhalb des Pilotprojektes Kindertagespflege hatte im Dezember 2007eine wichtige Herausforderung benannt: die Notwendigkeit eines direkten Dialogs mitTagesvätern. Da an sieben Pilotstandorten des Projektes nur vereinzelt Tagesväter aktiv waren,gab es über deren Situation und Bedürfnisse nur wenige Informationen. Die vorhandenenStrukturen der Qualifizierung und die Austauschmöglichkeiten für die Tagespflegepersonenhatten noch keine Erkenntnisse über die Tagesväter geliefert. Daher sollte außerhalb dieserStrukturen durch das Angebot eines Expertenworkshops Raum für einen ersten Austauschgegeben werden.

„Männer in der Kindertagespflege“, so lautete der Titel des Expertenworkshops zu dem diehessenstiftung – familie hat zukunft am 29. September 2008 nach Frankfurt in das Haus am Domeingeladen hatte. Der Expertenworkshop sollte den Austausch über die Rolle von Männern imBereich der Kindertagespflege fördern.

Eingeladen waren aktive Tagesväter aus Hessen sowie Vertreterinnen und Vertreterverschiedener Institutionen, die sich mit Kindertagespflege oder mit Fragen der Männer-/Väterforschung beschäftigen. Der Einladung waren 15 Personen (siehe Teilnehmendenliste im

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Anhang) gefolgt. Schon bei der Vorstellungsrunde wurde deutlich, dass die Unterschiedlichkeitder Zugänge zum Thema sowie die Erfahrungs- und Forschungshintergründe der Teilnehmendeneinen spannenden Austausch versprachen.

Um den Teilnehmenden eine gemeinsame Basis für den Austausch zu liefern, wurde derExpertenworkshop mit zwei Impulsreferenten eröffnet. Ursula Diez-König, Leiterin desHessischen Kindertagespflegebüros in Maintal, gab in ihrem Beitrag einen kurzen Abriss derEntwicklung der rund 30-jährigen Geschichte der Kindertagespflege in Deutschland sowie derenaktuellen Herausforderungen in der Gegenwart. Im zweiten Beitrag präsentierte Kerstin Uhrig,ehemalige Mitarbeiterin der Frankfurter Agentur für Innovation und Forschung, Ergebnisse einerStudie, die 2005 unter Erziehern in Frankfurt durchgeführt wurde (Uhrig Kerstin/Englert Wolfgang,2006: Motivationslage männlicher Fachkräfte und Evaluierung vonPersonalgewinnungsmaßnahmen für männliche Fachkräfte im Tätigkeitsbereich vonKindertageseinrichtungen in städtischer und freier Trägerschaft in Frankfurt am Main,Hessenstiftung).

Der Einstieg in die Diskussion erfolgte im Anschluss an die Impulsvorträge in drei Kleingruppen.Damit sollten einerseits eine größere Intensität des Austauschs erreicht und andererseitsHemmschwellen durch das Gespräch in einer kleineren Gruppe abgebaut werden. Der Austauscherfolgte zu der für alle drei Gruppen gleichen Leitfrage: „Was sind die Herausforderungen fürMänner in der Kindertagespflege?“ Die wichtigsten Ergebnisse des Austausches wurden von denTeilnehmenden dokumentiert und diese im Anschluss der Gesamtgruppe präsentiert. Diegemeinsame Zusammenführung der Arbeitsergebnisse ergab fünf thematische Schwerpunkte alsHerausforderung für Männer in der Kindertagespflege:

• Der Wandel der Geschlechterrollen in der Gesellschaft: Die Geschlechterrollen sindim Wandel. Einerseits finden Entstereotypisierung statt, anderseits wirken dieGeschlechterstereotypen noch immer fort. Auch Männer erleben dies in derKindertagespflege als von außen herangetragene Erwartung (und/oder als Vorbehalt),aber auch als selbst erlebte Rollenteilung in der gemeinsamen Arbeit mit einer Partnerinals Tageseltern. Gleichzeitig gibt es das Phänomen des „gatekeeping“: Frauen halten(unbewusst) das Tor für das Eindringen von Männern in ihre Kompetenzbereichegeschlossen.

• Das Fehlen eines positiven Berufsbilds der Kindertagespflege: Wer sich alsTagesvater beruflich engagiert, gerät nicht nur gegenüber anderen Männern inErklärungsnot. Denn der Kindertagespflege mangelt es an der gesellschaftlichenAnerkennung als Berufsbild. Diese fehlende gesellschaftliche Anerkennung steht imGegensatz zu der von Männern erlebten Vielfalt dieses Arbeitsfeldes. Die Arbeit alsTagesvater wird persönlich als wertvoll und gewinnbringend erlebt. Gleichzeitig sind diefinanziellen Rahmenbedingungen für Männer und Frauen gleichermaßen schwierig.Männer sehen sich damit einer doppelten Herausforderung gegenüber: Sie arbeiten ineinen „Frauenberuf“ mit einem niedrigen Einkommensniveau.

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• Berufliches Patchwork: Die Tätigkeit als Tagesvater ist für die wenigsten Männer eineVollzeittätigkeit auf Dauer. Sie wird teilweise gemeinsam mit der Partnerin (gleichzeitigoder auch in Wechsel) oder in Teilzeit in Verbindung mit einem anderen Beruf ausgeübt.Die Kindertagespflege wird dabei als eine flexible Ergänzung oder als Übergangstätigkeiterlebt.

• Qualifizierung: Die Anforderung an die Qualifizierung von Kindertagespflegepersonensteigen mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Wertigkeit von Bildung undErziehung in früher Kindheit. Das vom DJI erarbeitete Curriculum mit einem Umfang von160 Stunden entwickelt sich zum Standard und trägt zur Anerkennung des Berufsbildesbei. Aus der Sicht der Tagesväter ist aber bei allen Angeboten spürbar, dass Frauen dieZielgruppe sind. Dies zeigt sich nicht nur in den Inhalten, sondern auch bei derDurchführung, die ebenfalls fast ausschließlich durch Fortbildnerinnen geleistet wird. FürMänner wichtige Themen tauchen weder in den Qualifizierungs- noch in denWeiterbildungs- und Supervisionsangeboten auf. Dies erschwert den Einstieg undhemmt das Weiterbildungsinteresse.

• Vernetzung: Die Vernetzung von Tagespflegepersonen im Allgemeinen ist ein wichtigesThema für viele Träger. Denn die Tagespflegeperson hat in ihrem Arbeitsalltag in derRegel keine Kolleginnen oder Kollegen. Sie arbeitet alleine und zu Hause. Diebestehenden Angebote für den Austausch erleben Männer als Frauengruppen. Geradeweil die Qualifizierung wenig Raum für geschlechtsspezifische Aspekte bietet, wird einErfahrungsaustausch mit anderen Tagesvätern besonders vermisst.

Mit diesen fünf Schwerpunkten waren die zentralen Herausforderungen aus Sicht derTeilnehmenden benannt. Gleichzeitig wurde damit die Komplexität des Themas deutlich. DieFrage nach der gegenwärtigen und zukünftigen Rolle von Männern in der Kindertagespflegeberührt Grundfragen unserer modernen Gesellschaft und ist eng mit der Dynamik desgesellschaftlichen Wandels verknüpft.

Anderseits weisen die Herausforderungen aber auch auf Handlungsmöglichkeiten hin. DieseHandlungsmöglichkeiten zu ermitteln und konkret in Form von Lösungsvorschlägen zu benennenbildeten den zweiten Teil des Expertenworkshops. Von den fünf Schwerpunkten wurden drei alsbesonders relevant bewertet und für den weiteren Diskussionsprozess ausgewählt.

• Der Wandel der Geschlechterrollen in der Gesellschaft

• Das Fehlen eines positiven Berufsbilds der Kindertagespflege sowie

• Qualifizierung - geschlechtsbezogene Anforderungen an den Tagesvater

Zu jedem der drei Schwerpunkte bildete sich eine Kleingruppe. Zielsetzung war neben derBenennung der aktuellen Probleme die Suche nach Lösungen und die Formulierung vonkonkreten Empfehlungen.

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Der Wandel der Geschlechterrollen in der Gesellschaft

Was ist das Problem?Erziehung, und besonders der Umgang mit kleinen Kindern, wird Männern (noch) nicht zugetraut.Gerade bei kleinen Kindern sind viele Eltern unsicher, ob ein Mann den Aufgaben undAnforderungen gewachsen ist. Fußballspielen, werken, experimentieren oder mit den Kindernraufen, diese Geschlechterstereotypen als typisch männliche Fähigkeiten im Umgang mit Kindernstecken noch in vielen Köpfen. Doch wie sieht es mit den anderen Anforderungen aus?Emotionale Zuwendung geben, Lieder singen, Essen zubereiten oder Windeln wechseln werdenMännern oft nicht zugetraut. Hinzu kommt die (meist nicht ausgesprochene) Angst vorPädophilie.

Wie kann die Lösung aussehen?Da es nur wenige Männer in der Kindertagespflege gibt, werden diese Themen bisher auch nochnicht bearbeitet. Dies ist aber notwendig, damit sich mehr Männer in der Kindertagespflegeengagieren. Es gilt die Vielfalt der Geschlechter als Chance für die Kinder und gleichzeitig dieVielfalt in der Differenz zu betonen. Männer und Frauen bringen als Bezugspersonen für Kinderganz unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen ein und erleben diese selbst wiederum alsBereicherung. Die Überwindung der Geschlechterstereotypen wird aber nur gelingen, wenn sichder Stellenwert von Kindern in der Gesellschaft generell erhöht.

Welche konkreten Empfehlungen werden vorgeschlagen?

• Männer müssen als Zielgruppe entdeckt und zielgruppengemäß angesprochen werden.Die bisherigen Werbeaktionen für Kindertagespflegepersonen erreichen Männer nicht.Die Tagesväter sollten daher aktiv an der Erarbeitung von Werbematerialien beteiligtwerden und damit sicher stellen, dass sich auch Männer angesprochen fühlen.

• Es werden Netzwerke von Männern in der Kindertagespflege benötigt, die einenAustausch ermöglichen. Damit können Einzelkämpfertum und Exotenstatus überwundenwerden. Einen Einstieg in die Vernetzung könnte beispielsweise die Durchführung einerFachtagung für Tagesväter durch das Hessische Kindertagespflegebüro leisten. Auchvorhandene Strukturen, wie der Newsletter des Hessischen Kindertagespflegebüros,könnten für Berichte über Tagesväter genutzt werden und so gleichzeitig zurSensibilisierung für das Thema beitragen.

• In der Ausbildung sollte das Thema Gender stärker reflektiert werden. Welche fürmännliche Tagespflegepersonen relevanten Themen fehlen bisher? Sind die Methodenund das Setting der Qualifizierungsveranstaltungen auch für Männer attraktiv? Diesenund weiteren Fragen sollte in Zukunft größere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

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Das Fehlen eines positiven Berufsbilds der Kindertagespflege

Was ist das Problem?Die Kindertagespflege ist im Umbruch. Dies zeigt sich nicht nur an dem geplanten quantitativenAusbau, sondern auch in den Veränderungen bei der Vergütung und Besteuerung sowie in denwachsenden Anforderungen an die Qualifizierung. Derzeit fehlt es jedoch an verbindlichenStandards, was zu einer großen Unsicherheit führt. Hinzu kommt die geringe gesellschaftlicheWertschätzung. In der Summe mangelt es der Kindertagespflege daher derzeit noch anAttraktivität.

Wie kann die Lösung aussehen?Ein wichtiger Schlüssel zur Steigerung der Attraktivität sind verbindliche Standards bei derQualifizierung sowie die Entwicklung von allgemeinen Qualitätsstandards für dieKindertagespflege. Letztere können auch dem Phänomen des „gatekeepings“ entgegen wirken.Gleichzeitig wird damit eine höhere Planungssicherheit für die Tagespflegepersonen erreicht.Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erarbeitung einer Berufsbildbeschreibung, welche dieAnforderungen, Aufgaben und Tätigkeiten einer Tagespflegeperson darlegt. Eine solcheBerufsfeldbeschreibung kann dann auch zur Steigerung der gesellschaftlichen Anerkennungbeitragen und eine Verberuflichung der Kindertagespflege fördern. Sicherheit ist auch hinsichtlichder Entlohnung notwendig. Diese sollte insgesamt der gewachsenen Bedeutung derKinderbetreuung angepasst werden.

Welche konkreten Empfehlungen werden vorgeschlagen?

• Die Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiges Instrument, um die Anerkennung undWertschätzung für die Kindertagespflege zu fördern. Sie ist gleichzeitig zentral für dieGewinnung von Tagespflegepersonen. Die Information über das Berufsbild derKindertagespflegeperson muss frühzeitig ansetzen und sollte schon in den Schulenerfolgen. Eine Möglichkeit bietet der Boys-Day, der, analog zum Girls Day, Jungen neuePerspektiven bei der Berufswahl ermöglichen soll. Hier sollte die Kindertagespflege alsein Angebot präsent sein.

• Die finanzielle Aufwertung der Kindertagespflege durch eine der Bedeutung der Bildung-und Erziehungsarbeit angemessene Bezahlung ist ein wichtiger Schlüssel für einenachhaltige Steigerung der Attraktivität dieser Tätigkeit. Dies ist für Frauen wie Männergleichermaßen von Bedeutung. Der quantitative und qualitative Ausbau derKindertagespflege wird nur möglich sein, wenn die Entlohnung nicht nur eine Neben-sondern auch eine Vollerwerbstätigkeit zulässt.

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Qualifizierung - geschlechtsbezogene Anforderungen an den Tagesvater

Was ist das Problem?Die Frage, ob die bisherigen Qualifizierungsangebote auf die Herausforderungen der Praxis alsTagesvater ausreichend vorbereiten, lässt sich mit „bedingt“ beantworten. Viele der Themen undInhalte der Qualifizierungsangebote sind für Frauen und Männer gleichermaßen wichtig. Es gibtaber auch geschlechtspezifische Aspekte, die noch nicht berücksichtigt werden. Beispielsweiseder Umgang mit der Erwartung ein Ersatzvater zu sein. Auch im Umgang mit anderen Kulturenstellen sich besondere Herausforderungen, wenn beispielsweise die Betreuung von Kinderndurch einen Mann nicht akzeptiert ist.

Wie kann die Lösung aussehen?Die Qualifizierungsangebote müssen Raum für die Reflexion geschlechtspezifischerAnforderungen und Erfahrungen bieten. Was dies im Einzelnen sein kann, kann über Angebotezum Austausch für Tagesväter ermittelt werden. Gleichzeitig sollte die Zusammenarbeit mitKindertagesstätten gefördert werden. Einerseits ist dies in der Praxis eine ohnehin vorhandeneSchnittstelle, anderseits sind Austausch und Kooperation für die Fachkräfte auf beiden Seitengewinnbringend.

Welche konkreten Empfehlungen werden vorgeschlagen?

• Für die Tagesväter in Hessen soll das Hessische Kindertagespflegebüro eine Schulunganbieten, die dazu dient die Anforderungen von Männern an die Qualifizierung alsTagespflegeperson zu erarbeiten. Die erarbeiteten Ergebnisse sollten dann an dieTräger der Qualifizierungsangebote weiter gegeben und durch Modifikationen undErweiterungen der Angebote umgesetzt werden.

• Ein Qualifizierungsmodul „Wie präsentiere ich mich als Tagesvater?“ kann auf dieBesonderheiten im Umgang mit den Anforderungen von Eltern vorbereiten und dazubeitragen, die Nachfrage seitens der Eltern zu steigern.

• Durch gemeinsame Qualifizierungsangebote für Erzieherinnen und Erzieher sowieTagespflegepersonen können Vorbehalte abgebaut werden. Eine engere Verzahnungvon institutioneller Betreuung und Kindertagespflege kann damit gefördert werden.

Fazit des ExpertenworkshopsAm Ende des Austauschs waren sich die Teilnehmenden einig: Der Workshop war wichtig undgewinnbringend. Alle Teilnehmenden konnten dank der breiten Zusammensetzungunterschiedlicher Institutionen und der Verbindung von Wissenschaft und Praxis konkreteAnregungen, Impulse und erste Aufgaben mitnehmen. Gleichzeitig war deutlich geworden, dass

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Wissenschaft und Praxis gleichermaßen Neuland betreten. Neben Untersuchungen zur Situationvon Männern in der Kindertagespflege sind auch Strukturen zur Vernetzung und zum Austauschnotwendig. Idealerweise sollte beides Hand in Hand gehen.

Der quantitative und qualitative Ausbau der Kindertagespflege bieten die Chance dieseErkenntnisse in die laufenden Aktivitäten einzubeziehen. Beispielsweise in die Weiterentwicklungdes DJI-Curriculums für die Qualifizierung von Tagespflegepersonen, das sich zu einemzukünftigen Standard zu entwickeln scheint.

4 Herausforderungen - Konsequenzen – Perspektiven: Wie kannes weiter gehen?

Durch das Projekt wurde deutlich, dass es sehr viel mehr aktive Tagesväter in Hessen gibt, alsauf den ersten Blick vermutet wurde. Auch wenn keine wissenschaftlich fundierte Erhebungdurchgeführt wurde, konnte durch den Rücklauf auf die Befragung der Träger durch dasHessische Kindertagespflegebüro der Kontakt zur vielen interessierten Tagesvätern hergestelltwerden. In der Praxis erleben sie sich selbst oft als Exoten, die eine Sonderrolle genießen odererdulden. Die Erwartungen der Eltern sowie die Reaktionen des Umfeldes erleben sie dabei alsdurchaus ambivalent. So kann das Mannsein ein Wettbewerbsvorteil mit Risiken sein (Stichwort„Ersatzvater“), aber auch als Nachteil wirken (Stichwort „Pädophilie-Verdacht“). Die Dynamik desWandels der Rollenbilder ist hier auf vielfache Weise spürbar und bewirkt auf allen SeitenUnsicherheit.

Diese Unsicherheiten benötigen im ersten Schritt Räume, in denen sie artikuliert werden können.Für die Tagesväter sind Angebote zur Vernetzung und zum Erfahrungsaustausch notwendig. Insolchen geschützten Räumen kann das Erlebte reflektiert und der Umgang mit Unsicherheiteingeübt werden. Dabei ist zu beachten, dass keine Sonderstrukturen aufgebaut werden,sondern die gewonnenen Erkenntnisse zurückfließen in die Praxis der Kindertagespflegeinsgesamt.

Durch die Anbindung an das Pilotprojekt Kindertagespflege und die Einbindung der für dieKindertagespflege relevanten Institutionen in den Expertenworkshop konnte dies gewährleistetwerden. Erkenntnisse aus den verschiedenen Standorten sind in die Diskussion derExpertenrunde eingeflossen und Vorschläge und Anregungen des Workshops werden imRahmen des Pilotprojekts weiter entwickelt. So fanden im Oktober und Dezember 2008 zweiweitere Veranstaltungen mit den Pilotstandorten statt in denen die Ergebnisse desExpertenworkshops einfließen konnten. Die Diskussion bestätigte die erarbeiteten Lösungen unddie vorgeschlagenen Empfehlungen. Gleichzeitig erhielten die Pilotstandorte neue Impulse für dieArbeit vor Ort.

Deutlich wurde aber auch, dass nicht alles unter dem Fokus des Geschlechts betrachtet werdenmuss. Die gesellschaftliche Wertschätzung der Kindertagespflege, deren Vernetzung mit den

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Erzieherinnen und Erziehern sowie eine Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit sindwichtige Herausforderungen für die Tagespflegepersonen und für die Träger.

Die Relevanz des Themas ist durch die Ergebnisse des Projektes damit belegt und der Einstiegin einen Diskussionsprozess ist gelungen. Nun gilt es den Impuls aufzunehmen und durchweitere Angebote die Bearbeitung der ermittelten Herausforderungen zu ermöglichen. Dazu sollauch die für Dezember 2009 geplante Abschlussveranstaltung des PilotprojektesKindertagespflege dienen. Die gewonnenen Erkenntnisse über die gegenwärtige Rolle vonMännern in der Kindertagespflege und die vorgeschlagenen Empfehlungen zur Steigerung derAttraktivität einer Tätigkeit als Tagespflegeperson für Männer werden dort mit Akteuren aus derPraxis der Kindertagespflege diskutiert und weiter entwickelt. Schließlich werden die Ergebnisseauch in den Praxisleitfaden des Pilotprojektes aufgenommen.

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Anhang: Teilnehmendenliste des Expertenworkshops am 29.September 2008

Nr. Name Institution

1. Bechtel, Klaus Tagesvater

2. Cremers, Michael Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin

3. Diez-König, Ursula Hessisches Tagespflegebüro

4. Eickhorst, Dr. Andreas Universitätsklinikum Heidelberg - Institut fürPsychosomatische Kooperationsforschung undFamilientherapie

5. Heitkötter, Dr. Martina Deutsches Jugendinstitut e. V.

6. Hofmann-Salzer, Heike Hessisches Sozialministerium

7. Kalden, Christoph Tagesvater

8. Krabel, Jens Dissens e.V. Berlin

9. Kunkel, Michael pme Familienservice GmbH

10. Marx, Volker Tagesvater

11. Miethe, Lothar Tagesvater

12. Ortwein, Christel Katholische Familienbildung Frankfurt

13. Seyer, Richard Tagesvater

14. Taylor, Martina Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e.V.

15. Uhrig, Kerstin Wilhelm-Merton-Schule

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