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MAGISTERARBEIT Titel der Magisterarbeit “ K u l t u r j o u r n @ l i s m u s _ 2 . 0 ” Wie Social Media die Kunstberichterstattung in Österreich verändern (könnten) Verfasser Florian Wörgötter, Bakk.phil. angestrebter akademischer Grad Magister der Philosophie (Mag.phil.) Wien, April 2013 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 066 / 841 Studienrichtung lt. Studienblatt: Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Betreuerin / Betreuer: PD Mag. Dr. Gerit Götzenbrucker

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MAGISTERARBEIT

Titel der Magisterarbeit

“ K u l t u r j o u r n @ l i s m u s _ 2 . 0 ”

Wie Social Media die Kunstberichterstattung in Österreich verändern (könnten)

Verfasser

Florian Wörgötter, Bakk.phil.

angestrebter akademischer Grad

Magister der Philosophie (Mag.phil.) Wien, April 2013 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 066 / 841 Studienrichtung lt. Studienblatt: Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Betreuerin / Betreuer: PD Mag. Dr. Gerit Götzenbrucker  

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Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne

Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden Quellen

direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.

Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde

vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.

Wien, 6. April 2013

Florian Wörgötter

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Großer Dank ...

... an meine Freundin Giulia für ihren unermüdlichen Rückhalt und ihr endloses Vertrauen.

... an meine Mutter und meine Familie für all die finanzielle und moralische Unterstützung,

die Geduld und die Freiheit, die sie mir in meiner Studienzeit anvertraut haben.

... an meine treuen Begleiterinnen und Begleiter Moni, Teresa, Evelyn, Nina, Vera, Steffi,

Christina, Xzaya, Phil, Martin, Mogli und Lorenz für den Gedankenaustausch, die

Aufmunterung, das Mitleiden und die Kritik.

... an meine Betreuerin für ihr Coaching und den InterviewpartnerInnen für eine Menge an

inspirierenden Gesprächen.

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„The order is rapidly fadin'

and the first one now will later be last.

For the times they are a-changin'“

(Bob Dylan, 1964)

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I N H @ L T

1. EINFÜHRUNG 1

1.1. PROBLEMAUFRISS 1 1.2. FORSCHUNGSÜBERBLICK 2 1.2.1. Forschungsstand Journalismus und Social Media 2 1.2.1.1. Social Media im internationalen Journalismus 4 1.2.1.2. Social Media im österreichischen Journalismus 5 1.2.2. Forschungsstand Kulturjournalismus 6 1.2.2.1. Kulturjournalismus im deutschen Sprachraum 6 1.2.2.2. Kulturjournalismus international 10 1.3. ERKENNTNISINTERESSE 11 1.4. WEGWEISER 15

2. SOCIAL MEDIA 17

2.1. VOM WWW ZUM SOCIAL WEB 18 2.1.1. Das Web 2.0 18 2.1.2. Das Social Web und die Sozialen Medien 18 2.2. GRUNDPRINZIPIEN DES SOCIAL WEB 20 2.2.1. Partizipation und Interaktivität in einer Neuen-Medien-Welt 20 2.3. SOCIAL COMMUNITIES 22 2.4. SOCIAL MEDIA UND DIE WICHTIGSTEN ANWENDUNGEN 24 2.4.1. Facebook 24 2.4.2. Twitter 26 2.4.3. Weblogs 29 2.4.4. Youtube 31

3. KULTURJOURNALISMUS 35

3.1. KULTUR UND JOURNALISMUS 36 3.2. KULTURJOURNALISTINNEN UND IHRE ARBEITSPRAXIS 39 3.2.1. Zwischen subjektiver Kritik... 40 3.2.2. ...und objektiven Nachrichten 42 3.2.3. KulturjournalistInnen in Österreich 43 3.3. KULTURJOURNALISMUS UND DAS INTERNET 44

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3.3.1. Konkurrenz oder Ergänzung? 44 3.3.2. Journalistische Recherche im Social Web 46 3.3.3. Interaktion mit dem Publikum 48 3.3.4. Publizieren im Social Web 51

4. STRUKTURATIONSTHEORIE 57

4.1. STRUKTURATION UND JOURNALISMUS 57 4.2. AKTEURIN 58 4.3. HANDELN 59 4.4. STRUKTUR 60 4.5. REGELN 62 4.6. RESSOURCEN 63

5. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG 67

5.1. FORSCHUNGSZIEL 67 5.1.1. Wissenschaftliche Fragestellung 68 5.1.2. Forschungsfragen 68 5.2. UNTERSUCHUNGSMETHODEN 68 5.2.1. Erhebung: ExpertInneninterview 68 5.2.1.1. Auswahl der Stichprobe 69 5.2.1.2. Datenerhebung 71 5.2.2. Auswertung: Qualitiative Inhaltsanalyse 71 5.2.2.1. Transkription 72 5.2.2.2. Entwicklung der Untersuchungskategorien 73 5.2.2.3. Themenmatrix 74 5.2.2.4. Einzelanalyse 74 5.2.2.5. Aufbereitung 75 5.2.2.6. Gesamtanalyse 75 5.2.2.7. Themenorientierte Darstellung 77 5.3. ERGEBNISSE 79 5.3.1. Social Media-Nutzung im professionellen Kulturjournalismus 79 5.3.1.1. Recherche 79 5.3.1.1.1. Recherche in Facebook 80 5.3.1.1.2. Recherche in Twitter 81 5.3.1.1.3. Recherche in Youtube 84 5.3.1.1.4. Recherche in Weblogs 85

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5.3.1.1.5. Weitere Social Media-Plattformen 88 5.3.1.2. Interaktion mit dem Publikum 89 5.3.1.3. Publizieren von Inhalten 94 5.3.2. Chancen und Nutzen von Social Media 98 5.3.2.1. Vorteile der Recherche in Social Media 98 5.3.2.2. Vorteile der Interaktion mit dem Publikum 99 5.3.2.3. Vorteile des Publizierens in Social Media 100 5.3.3. Risiken und Gefahren von Social Media 101 5.3.3.1. Risiken der Recherche in Social Media 101 5.3.3.2. Risiken der Interaktion mit dem Publikum 104 5.3.3.3. Risiken des Publizierens in Social Media 105 5.3.4. Wandel der journalistischen Praxis durch Social Media 106 5.3.4.1. Neue Handlungsweisen im Kulturjournalismus 106 5.3.4.2. Strukturelle Veränderungen in den Redaktionen 107 5.3.4.3. Verhältnis zwischen PR und Kulturjournalismus 109 5.3.5. Zukünftiges Potenzial für den Kulturjournalismus 110

6. DISKUSSION 113

7. 20 THESEN ZUM KULTURJOUN@LISMUS_2.0 125

8. AUSBLICK 129

9. QUELLEN 133

10. ANHANG 149

11. ABSTRACT 195

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1

1. EINFÜHRUNG „Auf der Einbahnstraße herrscht nun Gegenverkehr!“

(Neuberger 2008)

1.1. Problemaufriss

„Four more years“ - im Jahr 2012 raste im Kurznachrichtendienst Twitter keine

Botschaft öfter um den Globus als diese. Mit jenen drei kurzen Worten und einem

perfekt inszenierten Foto verkündete der US-amerikanische Präsident Barack

Obama der Welt seine Wiederwahl.1 Und zwar noch bevor er auf die Bühne ging,

um seinen Wahlsieg zu bestätigen. Und noch bevor alle Medien davon berichtet

hatten. Mit diesem entfachten Lauffeuer brach Obama nicht nur sämtliche

Rekorde auf Twitter, sondern auch die Kette des traditionellen Nachrichtenflusses.

Social Media haben in den letzten Jahren die Art und Weise verändert, wie

Nachrichten entstehen, verbreitet und konsumiert werden. (vgl. HERMIDA 2012)

Partizipative Medientechnologien wie Soziale Netzwerke, Weblogs,

Videoplattformen oder Wikis ermöglichen ihren NutzerInnen, sich im Internet zu

vernetzen, zu organisieren und miteinander zu kommunizieren. Dank dem Prinzip

der Disintermediation (SHAPIRO 1999; NEUBERGER 2008) stehen nun für

Menschen mit einem Internetzugang die Schleusen zur Medienöffentlichkeit offen.

Die traditionellen Selektionsinstanzen wie Rundfunk und Presse haben ihr

Monopol des einstigen Gatekeepers zugunsten einer aktiven Teilhabe ihres

Publikums aufgegeben. Davon profitieren MedienkonsumentInnen, die nun im

Social Web eigene Texte, Bilder, Videos oder Podcasts veröffentlichen können.

Auch im Kulturbereich umgehen KünstlerInnen und Kultureinrichtungen

zunehmend die traditionellen Medien und wenden sich über Social Media direkt

und unvermittelt an ihr Publikum, aber auch an die JournalistInnen: So kündigt

der Regisseur David Lynch auf Facebook seinen neuen Film an. Der

Musikproduzent Flying Lotus twittert am Veröffentlichungstag seines Albums zu

jedem seiner Songs einen erklärenden Kommentar. Das Staatsballett Berlin stellt

ein selbstproduziertes Video seines Flash Mobs im Einkaufszentrum auf Youtube.

Und das Museumsquartier Wien führt in Fotostrecken auf der sozialen Pinnwand

Pinterest durch sein Areal. 1

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Diese neuen Beziehungen zwischen Medien und Publikum bzw. JournalistInnen

und KünstlerInnen stellen KulturjournalistInnen vor neue Herausforderungen,

bringen jedoch auch Chancen für ihre Berufspraxis. Der Kulturjournalismus ist

eine Spezialform des Journalismus, die in einem Spannungsfeld zwischen Ästhetik

und Journalismus operiert, zwischen subjektiver Kritik und objektiver

Berichterstattung, zwischen „Reviewing“ und „Previewing“ (vgl.

HELLMAN/JAAKOLA 2012). Als ein „Labor der Gegenwartsbeobachtung“ (vgl.

POROMBKA 2010) experimentiert der Kulturjournalismus stets mit neu

aufkommenden Medientechnologien: Der Feuilletonismus und der Reportagekult

der 1920er Jahre reflektierte, wie Zeitungen die Kultur massenmedialisierten. Der

New Journalism der sechziger Jahre beobachtete, wie Radio und Fernsehen die

Kultur elektrifizierten. Und der Popjournalismus der neunziger Jahre begleitete

eine vernetzte und digitalisierte Kultur, die das Leben dynamisiert hat und seine

Hierarchien abflachte. (vgl. POROMBKA 2010: 13). Sein nächstes Labor der

Gegenwartsbeobachtung hat sich im Web 2.0 eingerichtet. Allerdings ist dieses von

der Kommunikationswissenschaft bislang noch wenig ausgeleuchtet worden.

Diese Arbeit möchte ein wenig mehr Licht ins Dunkel bringen.

1.2. Forschungsüberblick

Zuerst ist es notwendig, den gemeinsamen Wissenskorpus der Wissenschaft

offenzulegen. In einem Überblick auf den bisherigen Forschungsstand werden die

für die Untersuchung relevantesten Ergebnisse dargestellt. Diese gliedern sich in

drei Kategorien: „Forschung zu Journalismus und Social Media“,

„Deutschsprachige Forschung zum Kulturjournalismus“ und „Internationale

Forschung zum Kulturjournalismus“.

1.2.1. Forschungsstand Journalismus und Social Media

Partizipative und interaktive Medientechnologien haben im Internet potenziell

jedem/jeder InternetnutzerIn das Veröffentlichen von Texten, Bildern und Videos

ermöglicht (vgl. SIAPERA 2012). In der Wissenschaft wird dieses Phänomen eines

aktiven Publikums als BürgerInnenjournalismus oder Citizen Journalism (vgl.

GILLMOR 2004; NIP 2006), als Eye-Witness-Journalism (vgl. JARVIS 2008), Activist

Journalism (vgl. ASHURI 2012) oder auch als Partizipativer Journalismus (vgl.

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ENGESSER 2008) bezeichnet. Diese Entwicklungen stehen der Forschung zufolge

oft in einem Konkurrenzverhältnis zum traditionellen Journalismus. In einem

veränderten Mediensystem wandelt sich deshalb auch die Rolle von

JournalistInnen vom Gatekeeper zum Gatewatcher (vgl. NEUBERGER 2008;

BRUNS 2005), der/die Informationsströme nicht mehr nur selektiert, sondern diese

auf Quellen überwacht und sie dem Publikum bereitstellt. Medien haben

begonnen, diese nutzerInnengenerierten Inhalte in ihre Arbeitsweisen zu

integrieren (vgl. NEWMAN 2009): in Form von Weblogs (vgl.

DOMINGO/HEINONEN 2008), nutzerInnengenerierten Plattformen wie

Wikipedia oder Youtube (vgl. PEER/KSIAZEK 2011) und Sozialen Netzwerken

wie Facebook (vgl. LAVRUSIK/CAMERON 2011) oder Twitter

(NEUBERGER/VOM HOFE/NEUBERGK 2011).

Hermida (2012) spricht vom „Ambient Journalism“, einem allgegenwärtigen

Journalismus, in dem Social Media soziale Bewusstseinsströme erzeugen, die ihren

NutzerInnen Informationsflüsse von professionellen JournalistInnen und anderen

NutzerInnen zuführen. Eine Methode, mit der die Kommunikationswissenschaft

diese Beziehungen zwischen JournalistInnen und ihrem Netzwerk zu messen

versucht, ist die Soziale Netzwerk-Analyse (vgl. PLOTKOWIAK/STANOEVSKA-

SLABEVA/EBERMANN/MECKEL/FLECK 2012)

Mehrere Studien zeigen, dass JournalistInnen die Sozialen Medien in ihren

Berufsalltag integrieren. Sie nutzen diese immer häufiger für die Recherche (vgl.

NEUBERGER/NUERNBERGK/RISCHKE 2009, MACHILL/BEILER/ZENKER

2008; NEUBERGER/WELKER 2008), denn Quellen aus dem Web 2.0 könnten die

Qualität der Berichterstattung tatsächlich steigern (vgl. EBERWEIN/PÖTTKER

2009): Wikis geben einen schnelleren Überblick und bieten weitere Links für die

Tiefenrecherche. Blogs helfen Themen zu generieren, ExpertInnen zu finden und

Hintergrundwissen zu erschließen In Sozialen Netzwerken wie Facebook oder

Twitter finden sich neue Quellen und Themen. Außerdem unterstützen diese bei

der Vernetzung mit verschiedensten Communities. (vgl.

PLOTKOWIAK/STANOEVSKA-SLABEVA/EBERMANN/MECKEL/FLECK

2012) Insbesondere in politischen Krisengebieten, in denen JournalistInnen nur

schwer präsent sein können, unterstützen nutzerInnengenerierte Inhalte die

Recherche und die Berichterstattung. (vgl. REICH 2008; TUFEKCI/WILSON 2012;

MURTHY 2011)

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Auch die publizistische Bedeutung von Blogging-Diensten und Sozialen

Netzwerken als Distributions- und Kommunikationskanal für mediale Inhalte

wächst. (KRAMP/WEICHERT 2012) Schon ein Großteil der Medienmarken

integrieren Facebook als Kommunikations- und Distributionsplattform in ihren

Online-Auftritt. Nur wenige aber nutzen das Potenzial zur Interaktion mit den

RezipientInnen. (vgl. KLINGLER/VLASIC/WIDMAYER (2012) Auch Twitter wird

hauptsächlich als weiterer Werbekanal für die hauseigenen journalistischen

Produkte verwendet. (vgl. FOEG 2013) Die Möglichkeiten, sich mit seinem

Publikum auszutauschen, seien bislang kaum ausgeschöpft (vgl. WYSS 2012) und

werden von JournalistInnen noch immer als ambivalent gesehen (vgl. NIELSEN

2012). Diese Untersuchungen ergeben auch, dass immer noch genügend

JournalistInnen den Sozialen Medien mit Skepsis gegenüberstehen.

Im Folgenden werden die aktuellsten Studien zur Social Media-Nutzung von

internationalen und österreichischen JournalistInnen vorgestellt:

1.2.1.1. Social Media im internationalen Journalismus

Weltweit beurteilen und nutzen JournalistInnen Social Media auf unterschiedliche

Weise. CISION untersuchte gemeinsam mit der Canterbury Christ Church

University, wie JournalistInnen in Nordamerika, Europa und Australien sich in

Social Media engagieren („Engagement“), wie sie diese im Berufsalltag anwenden

(„Praxis“), mit welchem Wissen („Kenntnisse“) und mit welchen Einstellungen

(„Einstellung/Haltung“) sie ihr Verhalten steuern (siehe Abb.1).

Abb. 1: Social Media-Nutzung von JournalistInnen weltweit. CISION (2012)

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Am fortgeschrittensten ist die Nutzung im nordamerikanischen Raum (Kanada

und USA), wo eine große Anzahl von JournalistInnen aller Altersklassen,

Mediengattungen und Organisationsgrößen Social Media aktiv in ihr tägliches

Setting einbeziehen. (CISION 2012: 10f.)

Europas SpitzenreiterInnen in der Social Media-Nutzung sind die britischen

JournalistInnen, die ein hohes Engagement aufweisen, dieses aber eher mit

Pflichtbewusstsein erklären. Dort steigen mit der Nutzung von Social Media auch

die Zweifel an deren Einfluss auf den journalistischen Wandel. In Schweden kehrt

sich dieses Verhältnis um: ein eher beschränktes Know-How und der Einsatz

weniger Web 2.0-Anwendungen stehen der Überzeugung gegenüber, Social Media

würden in Zukunft eine wichtige Rolle für den Journalismus spielen. (CISION

2012: 10f.)

Deutsche JournalistInnen zeigen mit nur wenigen Stunden Social Media-Arbeit pro

Tag das geringste Engagement unter allen teilnehmenden Nationen. Im Vergleich

zum Jahr 2011 sind dort die berufliche Nutzung von Sozialen Medien und die

Einstellung ihnen gegenüber gefallen bzw. negativer geworden. (CISION 2012:

10f.) Die StudienautorInnen sprechen von einer klaren Polarisierung unter

deutschen JournalistInnen zwischen enthusiastischen NutzerInnen einerseits und

SkeptikerInnen andererseits. Dabei ist unklar, ob die Zweifel an Social Media mit

kulturpessimistischen Motiven zu erklären sind, ob ihre Gegner erst am Anfang

der Lernkurve stehen oder ob sie Social Media für die journalistische Arbeit

schlichtweg als ungeeignet empfinden. (CISION 2012: 12) Klarheit herrscht

darüber, dass das Lebensalter und die Mediengattung ihre Nutzungsweisen stark

beeinflussen: Jüngere JournalistInnen integrieren Social Media weit häufiger in

ihren Berufsalltag. Hingegen bewerten PrintjournalistInnen die Auswirkungen von

Social Media auf den Journalismus am geringfügigsten und zählen zu ihren

größten Kritikern. (CISION 2012: 2)

1.2.1.2. Social Media im österreichischen Journalismus

Das Nutzungsverhalten österreichischer JournalistInnen ist bereits in mehreren

Untersuchungen erforscht worden. Zuletzt geschah dies im Auftrag des PR-

Agenturnetzwerkes ECCO (2012) in einer länderübergreifenden Online-Befragung

in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Mit dem Ergebnis: Von den 126

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befragten JournalistInnen verwenden zwei Drittel Social Media täglich zur

Unterstützung ihrer Arbeit, hauptsächlich als Trendbarometer und um

Stimmungen einzufangen. Mehr als die Hälfte suchen in Sozialen Netzwerken

schnelle Informationen und folgen den Postings von MeinungsführerInnen in

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Unter den JournalistInnen besteht aber keine

Angst vor Verdrängung, viel mehr werden sie komplementär als Ergänzung zum

journalistischen Handwerk gesehen. (vgl. ECCO 2012)

Die zunehmende Verbreitung von Social Media unter heimischen JournalistInnen

und PR-Fachleuten untermauert auch eine Studie des IKP und des

Branchenmagazins „Der Österreichische Journalist“: 2010 beeinflussten Social

Media laut den RessortleiterInnen österreichischer Redaktionen am meisten die

redaktionellen Inhalte. Insbesondere die Freien RedakteurInnen vermuteten einen

Zuwachs in der Reichweite und der LeserInnenstruktur. Trotz allem äußerte ein

großer Teil neben Bedenken am unzureichenden Datenschutz und der Auflösung

der Privatsphäre auch Kritik am zusätzlichen Zeitaufwand und der

Unglaubwürdigkeit von Informationsquellen. (BRANDSTETTER/

HÖRSCHINGER: 2010: 15-17) Betrachtet man die Entwicklung der Recherche in

Österreichischen Medien über das vergangene Jahrzehnt, wird eine Trendwende

zu digitalen Ressourcen sichtbar. (vgl. GÖTZENBRUCKER 2009).

Die bekannten Untersuchungen haben gemeinsam, dass sie keine

ressortspezifischen Unterschiede machen. So existiert nach den Recherchen des

Autors in Österreich keine Studie, die sich speziell der Nutzung von Social Media

im Kulturjournalismus verschrieben hätte. Im Folgenden soll im Überblick die

Forschung zum Thema Kulturjournalismus dargestellt werden.

1.2.2. Forschungsstand Kulturjournalismus

1.2.2.1. Kulturjournalismus im deutschen Sprachraum

Das Nischendasein der Kulturberichterstattung spiegelt sich auch in der

Forschungspraxis der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft wieder.

Auf dem Weg von der Zeitungskunde zur sozialwissenschaftlichen

Massenkommunikationsforschung wanderte das Feuilleton aus den

Forschungsdesigns der Publizistik in jene der Geisteswissenschaften (vgl. REUS

2005). Dieses „beeindruckende Desinteresse“ zeigt sich auch in der Agenda der

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deutschsprachigen Fachzeitschriften, die zum Großteil von der politischen

Kommunikation dominiert ist. Forschungsarbeiten zur Musik-, Theater oder

Kunstkritik finden sich nur selten. (HARDEN/REUS 2007: 267)

Einen umfassenden Überblick auf den Kulturjournalismus im deutschsprachigen

Raum und seine wichtigsten Stimmen aus der Praxis und der Wissenschaft liefert

Lamprecht (2012) mit dem Kompendium „Weißbuch Kulturjournalismus“. Für

eine vertiefende Darstellung des Forschungsüberblicks siehe auch Bonfadelli 2008

und Harden/Reus 2007.

Im Zentrum der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft stehen die

Ökonomisierung des Feuilletons, eine damit einhergehende Ausdehnung des

Kulturbegriffes auf Alltagskultur sowie die Politisierung des Feuilletons. Diese

Veränderungen sind meist in quantitativen Inhaltsanalysen gemessen worden.

Bonfadelli (2008: 300-319) versammelt in einer Meta-Studie sämtliche

inhaltsanalytische Befunde diverser Studien zu den aktuellen Strukturen der

deutschsprachigen Presse2. Seine Ergebnisse entkräften - zumindest zum

damaligen Zeitpunkt - die Vorwürfe in Bezug auf einen „marginalisierten

Stellenwert, angebliche Popularisierung, abnehmende Kritikbereitschaft und einen

Bedeutungsverlust der Rezension als traditionelle Form der Kritik“. Das Feuilleton

und die Kulturberichterstattung im deutschsprachigen Raum sei seit den 80er

Jahren nicht abgebaut, sondern sogar ausgebaut worden. (vgl. BONFADELLI

2008).

Stegert wiederum diagnostizierte in seiner Studie „Feuilleton für alle“, dass

deutsche Kulturredaktionen ihren Kulturbegriff radikal erweiterten und auch

Alltagskultur, Mode und Lifestyle in ihren Kanon mit auf nehmen. (vgl. STEGERT

1998)

In den letzten zehn Jahren hat die Kommunikationswissenschaft vermehrt die

Seismographiefunktion des Kulturjournalismus (vgl. TODOROW 2008) aufgegriffen

und diagnostizierte eine Politisierung des Kulturellen (vgl. HALLER 2002;

REUS/HARDEN 2005). Das Feuilleton übernimmt immer mehr die Aufgabe eines

„Debattenfeuilletons“ und wird zum Austragungsort gesellschaftlicher

Diskussionen über politische Entwicklungen, soziale Probleme oder kulturelle

Veränderungen. Diese publizistischen Diskurse werden in deutschen

2 Bonfadellis Analyse konzentriert sich in der Ergebnisdarstellung nur auf Deutschland und die Schweiz. Österreich wurde insoweit ausgeklammert, da mit Gstettner (1979) nur ein Befund vorliegt, dieser aber wenig aktuelle Bedeutung hat.

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Qualitätszeitungen nicht nur von den MitarbeiterInnen, sondern auch von

GastkommentatorInnen abseits der Blattlinie geführt. (vgl. TROTIER 2011)

Auch die deutschsprachige Publikumsforschung blickt auf eine bescheidene

Forschungstätigkeit zurück, die hier in einer Auswahl dargestellt wird.

Harden/Reus (2007) fassen einige Ergebnisse der deutschsprachigen

Rezeptionsforschung wie folgt zusammen: Feuilleton-RezipientInnen bilden ein

vergleichsweise kleines „Teilpublikum“, dessen breitgefächerte Kulturinteressen

zwischen Hoch- und Alltagskultur „gestreut“ sind (vgl. KUCHENBUCH 2005).

Eine Befragung von Kino- und TheatergeherInnen zeigte aber, dass die

Kulturaktivitäten und Feuilletonpräferenzen trotz ähnlich hohem Bildungsniveau

sich unter den Befragten unterscheiden. Obwohl beide Gruppen denselben

Kulturteil lesen, neigen TheatergeherInnen inhaltlich zu hochkulturellen Themen

und Kinofans mehr zur Unterhaltungskultur. (vgl. HARDEN/REUS 2007)

Außerdem scheinen sich Leser von der Deutungshoheit der KritikerInnen

emanzipiert zu haben. Die Information in einer Rezension wird mehr geschätzt als

ihre Beurteilung, während KritikerInnen hingegen die Bewertung als wichtigstes

Element einer Besprechung hochhalten (vgl. RÖSSLER 1997).

In den letzten Jahren veränderte das Internet auch das Mediennutzungsverhalten

von Kulturinteressierten. Neuwöhner/Klingler (2011) haben in einer

repräsentativen Umfrage in Deutschland bewiesen, das Internet ist für unter 50-

jährige das Hauptinformationsmedium für Kultur. Dort werden kulturelle

Angebote eher gezielt von speziell Interessierten genutzt, während elektronische

Medien wie das Radio und das Fernsehen auch Mehrheiten jenseits des

Stammpublikums erreichen. (vgl. NEUWÖHNER/KLINGLER 2011)

Die Rezeption von Kulturnachrichten wurde kürzlich im Zuge einer Untersuchung

zur Nutzung journalistischer Angebote im Internet (vgl. NEUBERGER 2012)

inkludiert. Wer viel Zeitung liest, nutzt auch das Internet stärker, um sich zu

informieren. Das Kulturpublikum bildet hier aber eine Ausnahme. Von den

ZeitungsleserInnen suchen weniger, nämlich nur jede/jeder fünfte, im Internet

nach Informationen aus dem Kulturbereich wie Literatur, Musik, Film und

Theater. Von denjenigen, die auf die Zeitungslektüre komplett verzichten, schaut

nur jeder zehnte in das Online Kulturressort. (NEUBERGER 2012: 53)

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Aktuell befindet sich der Forschungsstand im deutschsprachigen Raum zum

Thema Kulturjournalismus und Neue Medien - um es im Duktus der

Internetsprache zu sagen - „under construction“. Die kommunikations- und

geisteswissenschaftlichen Untersuchungen widmeten sich bislang fast

ausschließlich dem klassischen Feuilleton in der Zeitung und haben sich selbst dort

auf wenige Spezialgebiete limitiert. Porombka/Schütz (2008) kritisieren

ZeitungswissenschafterInnen dafür, in ihren Problem- und Fragestellungen nach

stabilen Ressortgrenzen zu suchen, welche durch die „Auflösung von

Mediengrenzen“ längst obsolet geworden sind.

Meistens sind es junge ForscherInnen, die sich hauptsächlich in ihren

Abschlussarbeiten dem Kulturjournalismus im Netz zuwenden (vgl. BIKOS 2011).

Die Debatten über den Einfluss von Social Media auf den Kulturjournalismus und

die Kunstberichterstattung finden demgemäß - wie könnte es anders sein - mehr in

Blogs und Onlinemagazinen als in wissenschaftlichen Fachjournals statt.

Die wenigen Ansätze der Feuilletonforschung, sich mit dem Internet

auseinanderzusetzen, widmen sich hauptsächlich dem Konkurrenzverhältnis

zwischen professionellem Kulturjournalismus und partizipativen Kulturangeboten

im Internet: Stücheli-Herlach/Widmer/Perrin (2012) beobachten im

Kulturjournalismus einen von der Medienkonvergenz eingeläuteten

Funktionswandel und eine zunehmende Popularisierung und Generalisierung in

den Kulturressorts. Onlinemedien wären dann erfolgreich, wenn sie es schaffen,

ein Stammpublikum mit immer spezielleren Inhalten zu versorgen.

Bikos (2011) ermittelte in einem Vergleich zwischen kulturjournalistischen

Angeboten in Zeitung und Internet, dass partizipative Online-Angebote mit

kulturjournalistischer Ausrichtung in ihrer heutigen Form das klassische

Zeitungsfeuilleton nicht bedrohen, sondern in ihrer publizistischen Leistung

ergänzen. Erst im Zusammenspiel mit den traditionellen Medien erfüllen diese

eine Funktion der „Selbstverständigung einer Gesellschaft“ (vgl. LÜNENBORG

2005).

Stegert (2012) entwickelte auf Basis von 800 Rezensionen ein Untersuchungsmodell

für Kritiken, das auch für die Analyse von Online-Texten dient. Vor allem die

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anspruchsvolle Kritik - solange sie auf den Säulen der journalistischen Sorgfalt3

gebaut ist - habe „in einer Masse der halbwerblichen oder gar dilettantischen

Angebote“ im Internet große Chancen und könne einem Medium Profil verleihen.

Allerdings sei der Weg zum „kreativen und auch inhaltlich anspruchsvollen“

Kulturjournalismus im Internet noch weit. (vgl. STEGERT 2012)

Machill/Beiler/Zenker (2008) haben in ihrer umfassenden Untersuchung

„Recherche im Internet“ das Rechercheverhalten von deutschen JournalistInnen im

Internet untersucht und ermittelten, dass computergestützte Recherchemittel4 im

Kulturressort am zweithäufigsten zum Einsatz kommen, interaktive Formen wie

Wikis und Blogs dort von allen Ressorts am wenigsten genutzt.5 Die

zurückhaltende Nutzung mag vielleicht ein Grund dafür sein, warum das

Forschungsinteresse der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft bislang

einen weiten Bogen um das Kulturressort und sein Verhältnis zum Social Web

gemacht hat. Ein mangelndes Publikumsinteresse kann nicht der Grund dafür sein.

1.2.2.2. Kulturjournalismus international

Auch in der internationalen Forschung wird dem Kulturjournalismus

vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im Zentrum von Studien zum

Wandel der journalistischen Praxis stehen größtenteils die Ressorts Wirtschaft,

Politik und Ausland. In den seltensten Fällen konzentrieren sich Fachbeiträge in

akademischen Journals auf die Kultur- und Kunstberichterstattung. Die FinnInnen

Hellmann/Jaakola (2012) begründen dieses Forschungsdesiderat damit, der

Kulturjournalismus sei ein „unrepresentative case of journalism“, weil er zwischen

einem journalistischen und einem ästhetischen Paradigma operiert.

KulturberichterstatterInnen seien „journalists with a difference“ (FORDE 2003),

aber gerade diese Sonderstellung innerhalb des Journalismus mache ihn/sie für die

Forschung besonders interessant (HARRIES/WAHL-JORGENSEN 2007). Dies

führt zu mehreren Untersuchungen des Selbstbildes von KulturjournalistInnen.

Zum Beispiel dokumentierten Harries/Wahl-Jorgensen (2007) bei britischen

KritikerInnen der Hochkultur, dass diese sich wegen ihrer engen Verbundenheit

3 = „das Recherchieren, Selektieren, Prüfen, professionelle Präsentieren und profunde Kommentieren“ (STEGERT 2012: 560) 4 Kulturjournalisten schreiben die meisten Emails und nutzen am häufigsten externe Datenbanken, am wenigsten dafür hausinterne Archive. Onlineangebote und Suchmaschinen werden durchschnittlich oft genutzt. (MACHILL/BEILER/ZENKER 2008: 119ff) 5 Zum damaligen Zeitpunkt bildeten die Interaktiven Formen einen Minimalanteil von 0,5 % an der gesamten Tagesrecherche (MACHILL/BEILER/ZENKER 2008: 119ff).

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mit dem Kunstsektor nicht nur als JournalistInnen sehen.

Zum Thema Social Media und Kulturjournalismus finden sich auch in den

englischsprachigen Fachjournals kaum Untersuchungen. Goldstein ermittelte 2004,

dass sich die Onlineauftritte der Kulturseiten von US-amerikanischen

Tageszeitungen nur minimal von den Themen der Printausgaben unterscheiden

und die Verwendung partizipativer Angebote im Netz steigt: „As message boards,

listservs and blogs have demonstrated, people don’t need supposedly authoritative

voices for either listings or reviews.“ (GOLDSTEIN 2004: 124)

Golin/Cardoso (2009) dokumentieren in ihrem Forschungsüberblick auf Brasilien,

dass digitale Medien vielfältige neue Praktiken und multimediale Formate

entwickeln, welche die konzeptuelle Grenzen des klassischen Kulturjournalismus

erweitern und die Verbreitung von Kulturinformationen revolutionieren könnten

(vgl. ALZAMORA 2005).

Mc´Leese (2010) vergleicht in einem Essay die strukturellen Probleme des (Musik-

)Journalismus mit denen der Musikindustrie und kommt zum Schluss, dass jungen

KulturjournalistInnen mit Social Media eine Vielzahl von Tools zur Verfügung

stehen, die nicht nur behilflich sein können, die Kunst zu veranschaulichen und

mit dem Publikum in Kontakt zu treten, sondern mit einem großen Kreis an Fans

und FollowerInnen auch ihre Autorität als KritkerInnen zu steigern. Denn diese

würde nicht mehr länger bestimmt sein von den sich wandelnden Medienmarken,

für die sie schreiben. (vgl. MC´LEESE 2010)

Wie KulturjournalistInnen aber Social Media konkret für ihre tägliche Arbeit

verwenden, ist den Recherchen des Autors zufolge noch nicht explizit erforscht

worden. Und hier soll die Arbeit ansetzen, um diese Lücke zu füllen.

1.3. Erkenntnisinteresse

Mit den partizipativen und interaktiven Social Media steht auch den

österreichischen KulturjournalistInnen eine weitere Ressource in ihrer

journalistischen Handlungspraxis zur Verfügung. Diese Magisterarbeit möchte

herauszufinden, welche Rolle spielen diese Ressourcen im österreichischen

Kulturjournalismus und inwiefern haben sich Österreichs KulturjournalistInnen

ihr Labor der Gegenwartsbeobachtung bereits im Web 2.0 eingerichtet.

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Das theoretische Fundament zur Arbeit legt der britische Soziologe Anthony

Giddens mit seiner Strukturationstheorie (1997). Überträgt man seine

Überlegungen auf den (Kultur-)Journalismus, ermöglichen dessen AkteurInnen,

die KulturjournalistInnen, mit ihrem Handeln die Strukturen im gesellschaftlichen

Teilsystem Journalismus. Dieses soziale Handeln bezieht sich auf Ressourcen und

Regeln, die als Teil der Struktur wiederum die Handlungsspielräume der

KulturjournalistInnen ermöglichen oder beschränken. Giddens geht davon aus,

dass kompetente AkteurInnen mit ihrem Handeln die Strukturen verändern

können. Dieses Veränderungspotenzial eignet die Strukturationstheorie für die

Analyse eines kommunikativen Wandels, wie ihn das Internet und die Sozialen

Medien ausgelöst haben. (vgl. ZERFASS 2007). In der Journalismusforschung

wird die Theorie auch gerne verwendet, weil sie eine Brücke zwischen Handlungs-

und Systemtheorie schlägt. Im Gegensatz zur Handlungstheorie berücksichtigt sie,

dass die wiederholte Anwendung sozialer Praktiken von JournalistInnen das

journalistische System und dessen Regeln rückwirkend beeinflussen. (vgl.

WYSS/KEEL 2008)

Ziel dieser Studie ist es, ein handlungstheoretisches Profil von

KulturjournalistInnen zu erstellen, indem das Zusammenspiel zwischen der

Ressource Social Media und dem journalistischen Handeln untersucht wird. Also

inwiefern beeinflussen partizipative und interaktive Anwendungen wie Facebook,

Twitter, Youtube, Weblogs, etc. die Recherche, die Interaktion mit dem Publikum

und das Publizieren von Inhalten. (NUTZUNG) Dabei steht der geschulte und

kreative Umgang mit Social Media im Vordergrund, um aufzuzeigen, wie

journalistische Produktivität gesteigert werden kann, wenn man diese richtig

einsetzt. Neben den Vorteilen und Chancen werden auch die Probleme und Risiken

von Social Media identifiziert. (CHANCEN/RISIKEN)

Außerdem werden von Social Media ausgelöste Veränderungsprozesse

dokumentiert. Also inwiefern hab diese Ressourcen bisherige Handlungsweisen im

Kulturjournalismus beeinflusst, erweitert oder ersetzt. Ebenso gilt es

herauszufinden, ob diese Handlungen mit Social Media die Strukturen im

österreichischen Kulturjournalismus modifizieren. (WANDEL) Ein Blick in die

Zukunft gibt Auskunft über ein mögliches Potenzial, das Social Media noch im

Kulturjournalismus entfalten könnten. (POTENZIAL)

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Diese Überlegungen führen zu folgender Wissenschaftlicher Fragestellung:

Wie verändern die auf Partizipation und Interaktion basierenden

Ressourcen des Social Web das kulturjournalistische Handeln und wie

beeinflussen jene neuen sozialen Praktiken rekursiv die Struktur im

professionellen Kulturjournalismus in Österreich?

Diese forschungsleitende Frage wurde mit weiteren vier Forschungsfragen und

ihren Unterfragen untersucht.

F1: Wie beeinflusst die Ressource Social Media das kulturjournalistische

Handeln? (NUTZUNG)

Forschungsfrage 1 behandelt die kulturjournalistische Nutzung von Social Media

und wird mit den folgenden vier Unterfragen beantwortet:

F1/a: Wie nutzen KulturjournalistInnen mit besonderer Affinität zum Social Web die

Angebote Facebook, Twitter, Youtube und Weblogs für die Recherche?

F1/b: Wie nutzen KulturjournalistInnen mit besonderer Affinität zum Social Web die

Angebote Facebook, Twitter, Youtube und Weblogs für die die Interaktion mit dem

Publikum?

F1/c: Wie nutzen KulturjournalistInnen mit besonderer Affinität zum Social Web die

Angebote Facebook, Twitter, Youtube und Weblogs für das Publizieren und

Vermarkten von Inhalten?

F1/d: Welche weiteren Social-Web-Angebote nutzen die KulturjournalistInnen noch

für die Recherche, die Interaktion mit dem Publikum und das Publizieren von

Inhalten?

F2: Was bietet die Ressource Social Media dem kulturjournalistischen

Handeln für Vorteile/Nachteile? (CHANCEN/RISIKEN)

Forschungsfrage 2 fokussiert die Vorteile und Nachteile, die Chancen und Risiken,

den Nutzen und die Gefahren, die durch die kulturjournalistische Nutzung von

Social Media entstehen.

F3: Wie hat die Ressource Social Media das kulturjournalistische Handeln

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in den letzten Jahren verändert? (WANDEL)

Forschungsfrage 3 untersucht die Veränderungen im Handeln, den Wandel im

Kulturjournalismus durch Social Media. Dieser wird mit den folgenden vier

Unterfragen erläutert:

F3/a: Welche Handlungsweisen entstehen mit dem Einsatz der Ressource Social Media

und welche wurden ersetzt?

F3/b: Wie haben Social Media das Verhältnis zwischen Kulturjournalismus und PR

verändert?

F3/c: Wie verändert das journalistische Handeln mit der Ressource Social Media die

Strukturen im Medium?

F3/d: Wie wirken strukturelle Regeln im Medium auf das kulturjournalistische

Handeln im Umgang mit der Ressource Social Media?

F4: Wie könnte die Ressource Social Media das kulturjournalistische

Handeln noch optimieren? (POTENZIAL)

Forschungsfrage 4 versucht in die Zukunft zu blicken, Visionen zu finden und

erforscht das Potenzial, das der Kulturjournalismus noch aus Social Media

schöpfen könnte.

Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurden Qualitative

ExpertInneninterviews mit acht KulturjournalistInnen von österreichischen

Qualitätsmedien geführt (Online, Tageszeitung, Magazin, Radio, TV und

Agentur). Alle Befragten gelten wegen ihrer überdurchschnittlichen Erfahrung mit

Social Media als hoch affin. Ziel ist es, am geschulten Umgang mit Social Media zu

demonstrieren, wie ein solcher die Recherche, die Beziehung zum Publikum und

die Verbreitung von Inhalten verbessern könnte. Ihr Handeln und ihre Motive

dafür geben Aufschluss, inwiefern Facebook, Twitter, Youtube oder Weblogs einen

strukturierenden Einfluss auf die journalistische Handlungspraxis nehmen bzw.

auf welche weiteren Ressourcen und Regeln sich die JournalistInnen in ihrem

Handeln im Social Web beziehen und inwiefern sie mit diesem Handeln die

Struktur des Systems Journalismus verändern.

Die Ergebnisse dieser explorativen Studie werden abschließend in zwanzig Thesen

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zum Kulturjournalismus_2.0 formuliert, die der Wissenschaft einen

Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen liefern. Diese Studie richtet sich aber

auch an die Praxis des (Kultur-)Journalismus. Die Ergebnisse aus den

praxisnahen Interviews veranschaulichen relevante Handlungsmuster in der

journalistischen Berufsrealität, die für (Kultur-)JournalistInnen und

MedienmacherInnen durchaus als Handlungsempfehlungen nutzbar sein können.

1.4. Wegweiser

Wie Social Media die öffentliche Kommunikation revolutioniert haben, steht im

Zentrum von Kapitel 2. Dieses zeichnet einen kurzen Entwicklungsweg von Social

Media vom mono-direktionalen Informationsmedium des WWW hin zum dialog-

orientierten Partizipationsmedium. (Kapitel 2.1.) Die Grundprinzipien

Partizipation und Interaktivität (Kapitel 2.2) führten zu Social Communities

(Kapitel 2.3.) und einem veränderten Medienumfeld. Mit Facebook (Kapitel

2.4.1.), Twitter (Kapitel 2.4.2.), Weblogs (Kapitel 2.4.3.) und Youtube (Kapitel

2.4.4.) werden die für den Journalismus am relevantesten Anwendungen im Social

Web charakterisiert.

Der Kulturjournalismus steht im Fokus von Kapitel 3. Einer

Entstehungsgeschichte im Zeitraffer folgt eine Definition von Kulturjournalismus

(Kapitel 3.1.), seiner Arbeitspraxis zwischen subjektiver Kritik und objektiver

Berichterstattung (Kapitel 3.2.) und seinem Zusammenspiel mit den Neuen

Medien (Kapitel 3.3.). Es wird ein theoretisches Fundament gelegt, inwieweit der

technologische Wandel auch den Kulturjournalismus betrifft. Ergänzen oder

bedrohen partizipative Internetangebote den professionellen Kulturjournalismus

(Kapitel 3.3.1). Und wie beeinflussen Social Media bisher die journalistische

Recherche (Kapitel 3.3.2.), die Beziehung zum Publikum (Kapitel 3.3.3.) und das

Publizieren von Inhalten (Kapitel 3.3.4.).

In Kapitel 4 wird der theoretische Unterbau, die Strukturationstheorie von

Giddens, auf den Journalismus angewandt (Kapitel 4.3.) und mit der AkteurIn

(Kapitel 4.2.), dem Handeln (Kapitel 4.3.), der Struktur (Kapitel 4.4.), den Regeln

(Kapitel 4.5.) und der Ressourcen (Kapitel 4.6.) ihre zentralen Begriffe in Bezug

auf den Journalismus definiert.

Die Ergebnisse aus der empirischen Untersuchung sind in Kapitel 5 aufbereitet.

Einer detaillierten Methodenbeschreibung (Kapitel 5.1 und 5.2) folgen die

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Resultate der Interviews mit den acht KulturjournalistInnen. Diese

dokumentieren, wie österreichische KulturjournalistInnen in Facebook, Twitter,

Youtube, Weblogs und weiteren Social Media-Anwendungen recherchieren

(Kapitel 5.3.1.1.), wie sie über diese mit ihrem Publikum in Kontakt treten

(Kapitel 5.3.1.2.) und wie sie ihre Meinungen, Texte und Sendungen

veröffentlichen und vermarkten (Kapitel 5.3.1.3.). Anschließend werden die

Chancen (Kapitel 5.3.2.) und Risiken (Kapitel 5.3.3.) der Recherche, der Interaktion

und des Publizierens in Social Media dargestellt und erklärt, ob diese die

Handlungsweisen im (Kultur-)Journalismus (Kapitel 5.3.4.1.), die redaktionellen

Strukturen (Kapitel 5.3.4.2.) oder sein Verhältnis zur Öffentlichkeitsarbeit (Kapitel

5.3.4.3.) verändert haben. Zu guter letzt offenbart ein Blick in die Glaskugel einige

Visionen einer bewegten und spannenden Zukunft des (Kultur)Journalismus.

(Kapitel 5.3.5)

Abschließend werden die zentralen Ergebnisse dieser empirischen Studie nach ihrer

Diskussion (Kapitel 6) in zwanzig Thesen zum Kulturjourn@lismus_2.0 (Kapitel

7) zusammengeführt.

Frohes Geleit.

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2. SOCIAL MEDIA „Das Web 2.0 hat nicht nur das Internet radikal verändert - es hat die digitale Medienrevolution, die einzig vergleichbar ist mit den großen Umwälzungen durch die Erfindung des Buchdrucks oder der Elektrifizierung, zu ihrem gegenwärtigen Höhepunkt geführt.“ (MÜNKER 2010: 40)

Kommunikation, Interaktion und Partizipation - diese drei Schlagworte

arrangieren das Triptychon des Web 2.0. Virtuelle Angebote wie Social

Communities und Informations- und Unterhaltungsplattformen haben nicht nur

das Mediennutzungsverhalten der Menschen verändert, sondern auch die gesamte

westliche Gesellschaft und ihre Kommunikationswege erfasst. Die öffentliche

Kommunikation wandelt sich „von einer sozial selektiven, linearen und einseitigen

hin zu einer partizipativen, netzartigen und interaktiven Kommunikation“

(NEUBERGER 2008: 22). Was im virtuellen Raum des Internets begonnen hat,

setzt sich nun im realen Leben der Menschen fort. Ob Verwaltungsbehörden oder

Vereine, PolitikerInnen oder ihre Parteien6, Unternehmen oder Werbeagenturen,

SportlerInnen7 oder KünstlerInnen - alle AkteurInnen des gesellschaftlichen Lebens

haben die Notwendigkeit erkannt, im Social Web präsent zu sein. So auch Medien

und ihre JournalistInnen. Für deren Arbeit bieten partizipative Angebote im Web

2.0 neue technische Ressourcen und mit dem aktiven Publikum auch einen

weiteren Interaktionsprozess mit neuen AkteurInnen.

Im Folgenden wird eine kurze Entstehungsgeschichte des Social Web geschrieben,

wie es sich von einem mono-direktionalen Informationsabrufmedium hin zu einem

dialog-orientierten Partizipationsmedium emanzipiert hat. Im Anschluss werden

die Grundprinzipien Partizipation und Interaktivität in einem von der

Digitalisierung veränderten Medienumfeld erläutert, gefolgt von einer

Charakterisierung von Social Communities wie Facebook, Twitter und Youtube und

einer kurzen Darstellung von Weblogs. Diese Social Media Anwendungen sind die

unter den NutzerInnen am Populärsten und daher am relevantesten für

JournalistInnen.

6 vgl. Studien zur politischen PR 2.0 von Thimm/Einspänner/Dang-Anh (2012) zur Twitternutzung von Politikern im Wahllkampf, von Wegmann (2012) zum Onlinecampaining in parizipativen Netzwerken in Deutschland und Einspänner (2012) zur Nutzung von Blogs im US-Wahlkampf. 7 vgl. HUTCHINS (2011)

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2.1. Vom WWW zum Social Web

Zuerst werden die Begriffe Web 2.0, Social Web und Social Media definiert.

2.1.1. Das Web 2.0

Neue Medien tendieren am Beginn ihrer Einführung dazu, sich an den

traditionellen Medien zu orientieren. Ihr vollständiges technisches Potenzial

schöpft sich erst aus, wenn das Medium institutionalisiert wird, wenn also

Akteure den Gebrauch eines Mediums sich aneignen und dieser sozial verbindlich

wird. (NEUBERGER 2008: 21) Das Web 2.0 beschreibt diesen erreichten Zustand

des Internets, nach dem dieses sich von den Regeln der Massenkommunikation

und den Massenmärkten emanzipiert hat. (ebda.: 21) Sein Namensgeber O´Reilly

definiert 2005 das neue Netz als eine Plattform mit wachsender Dezentralität, die

durch Vernetzung und Partizipation die Gleichheit ihrer NutzerInnen fördert. (vgl.

O´REILLY 2005) Der Gedanke einer offenen Kultur führte auch zu neuen

Geschäftsmodellen, Softwareentwicklungen und Nutzungspraktiken im Internet,

die alle im Schlagwort Web 2.0 zusammengefasst sind. (SCHMIDT 2008: 19)

Schmidt konstatiert in seiner Begriffskritik, dass sich das Web 2.0 sehr wohl als

Sammelbegriff diverser Anwendungen eignet, der implizierte Bruch mit früheren

Phasen des Internets aber nicht gerechtfertigt ist. Ebersbach/Glaser/Heigl (2008:

23) sehen im Web 2.0 ebenfalls nur eine „gefühlte Veränderung des WWW“ nach

dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000.

2.1.2. Das Social Web und die Sozialen Medien

Aus dem Web 2.0 kristallisierte sich der Begriff des Social Webs bzw. der im

englischsprachigen Diskurs geläufigere Terminus der Social Media. In der Praxis

werden die Begriffe synonym verwendet, in der Wissenschaft hat sich das Social

Web bzw. Social Media als jener Bereich des Internets etabliert, der soziale

Strukturen unterstützt und Interaktionen über das Netz fördert.

(EBERSBACH/GLASER/HEIGL 2008: 29).

Im Zentrum des Social Web steht also das Individuum, das als Person in

Erscheinung tritt, sich mit anderen Individuen vernetzt und in Gruppen integriert.

Im Groben erlauben Social Media den NutzerInnen, „to create, download and

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share content, to publish their profile and personal information, and to connect

with others“ (SIAPERA 2012: 202).

Zum einen besteht das Social Web aus webbasierten Anwendungen, die Menschen

beim Informationsaustausch, Beziehungsaufbau und deren Pflege sowie bei deren

Kommunikation und kollaborativen Zusammenarbeit in einem gesellschaftlichen

oder gemeinschaftlichen Kontext unterstützen. Zum anderen besteht es aus den

dabei entstehenden Daten und den Beziehungen zwischen den Menschen, die diese

Anwendungen nutzen. (EBERSBACH/GLASER/HEIGL 2008: 31) Auch Schmidt

(2008: 22) schloss sich für eine kommunikationssoziologische Betrachtung dem

Terminus des Social Web an, weil er

1. nicht zwischen zeitlichen Phasen unterscheidet 2. auf das WWW als zunehmend universalen Dienst des Internets verweist und 3. den grundlegenden sozialen Charakter des Internets betont, der

Kommunikation und soziales Handeln zwischen NutzerInnen fördert.

Der Begriff Social Web charakterisiert also zum einen die mit dem Internet

verwurzelte technologische Infrastruktur, zum anderen einen sozialen

Handlungsraum (vgl. ANASTASIADIS/THIMM 2012: 12) für die Interaktionen

ihrer NutzerInnen und eine Plattform für NutzerInnengenierte Inhalte.

In den letzten Jahren haben sich die Nutzungsweisen von partizipativen

Anwendungen aber diversifiziert und mit ihnen auch die Online-Kommunikation,

die sich zunehmend vom Schreibtisch auf „mobile Endgeräte, klassische Medien

und Spielkonsolen“ ausweitet (ANASTASIADIS/THIMM 2012: 12f). Auch wenn

das Internet die zentrale Datenquelle für die Nutzung des Social Web bleibt,

schlagen Anastasiadis/Thimm vor, um diesem „Gerätesprung“ gerecht zu

werden, den Begriff Social Web mit dem im englischsprachigen Diskurs

geläufigeren Terminus „Social Media“ zu aktualisieren, „da so die Einbeziehung

Social Web-fähiger Geräte und vor allem die Erweiterung möglicher

Nutzungskontexte erfasst werden kann“ (ANASTASIADIS/THIMM 2012: 13). In

der vorliegenden Untersuchung wird zwar nicht zwischen einer mobilen und

stationären Nutzung partizipativer Anwendungen im Web 2.0 unterschieden,

trotzdem wird im weiteren Verlauf der Arbeit mit dem Terminus Social Media

gearbeitet, der synonym mit dem Begriff Social Web verwendet wird. Und wenn

vom Web 2.0 die Rede ist, dann liegt der Fokus auf der Nutzung partizipativer

Anwendungen, sozialer Interaktionen ihrer NutzerInnen und

NutzerInnengeneriertem Content.

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2.2. Grundprinzipien des Social Web

Im Folgenden werden die beiden Begriffe Partizipation und Interaktivität vor dem

Hintergrund einer wandelnden Öffentlichkeit noch genauer definiert.

2.2.1. Partizipation und Interaktivität in einer Neuen-Medien-Welt

Das Konzept der Partizipation entspringt der Demokratietheorie und wurde

hauptsächlich verwendet als Teilhabe am politischen Geschehen. (vgl. HÖCKER

2006) In dieser Arbeit wird Partizipation aber als „aktive Teilhabe an der

Medienöffentlichkeit“ (ENGESSER 2008: 66) verstanden, die nicht zwingend

politisch motiviert sein muss. In dem von Partizipation bestimmten

Medienumfeld des Web 2.0 verschwimmen die einst starren Grenzen zwischen

Medien und Menschen. Internetangebote ermöglichen ihren NutzerInnenn aber

einen unterschiedlich hohen Grad an der Teilnahme. Während NutzerInnen auf

kommerziellen Plattformen wie jener des amerikanischen Onlineshops Amazon

bereits bestehende Angebote kommentieren und bewerten, bietet die Enzyklopädie

Wikipedia einen von NutzerInnenn kontrollierten Raum für rein

NutzerInnengenerierte Inhalte. „Partizipative Medientechnologien haben einen, in

Quantität und Qualität mittlerweile etablierten, vielfältigen Ermöglichungsraum

mediatisierten sozialen Handelns hervorgebracht, der ebenso vielfältige Nutzungs-

und Aneignungsformen ermöglicht.“ (ANASTASIADIS/THIMM 2012: 14) Diese

neuen Handlungsweisen und Nutzungsformen betreffen aber nicht nur die

AnwenderInnen, sondern auch den professionellen Journalismus. Während im

Web 1.0 die Internetseiten traditioneller Medien mono-direktional Inhalte sendeten,

wie sie es schon in Print und Rundfunk machten, zwingt die Logik des Social Web

die Medien, auf die kommunikativen Bedürfnisse eines aktiven Publikums zu

reagieren. „Social Media are transforming the way news is gathered, disseminated

and consumed, and influencing the direction and practice of journalism.“

(HERMIDA 2012: 672) Diese Veränderungen betreffen nicht nur die Art und

Weise, wie Nachrichten berichtet und verbreitet werden, sondern auch wer sie

verfasst. Technische, ökonomische, kognitive und rechtliche Barrieren von Presse

und Rundfunk stehen dem Publizieren nun nicht mehr im Weg (siehe Abb. 2).

Dank benutzerInnenfreundlichen Onlinetools, weit verbreiteten

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Internetanschlüssen mit leistungsfähigen Verbindungen und mobilen

Empfangsgeräten wie Laptops, Smartphones oder Tablets engagieren sich mehr

NutzerInnen in Sozialen Netzwerken oder veröffentlichen nutzerInnengenierten

Inhalte. (NEWMAN 2009: 2)

Abb. 2: Öffentlichkeit 2.0. NEUBERGER (2008: 23)

Im Prinzip kann nun jede InternetnutzerIn ohne großen Aufwand als

KommunikatorIn auftreten und über digitale Vernetzung auf

NutzerInnenplattformen mit eigenen Texten, Fotos, Videos, etc. ein Publikum

erreichen. Das Prinzip der Disintermediation (vgl. SHAPIRO 1999) besagt, dass

die traditionellen Selektionsinstanzen Presse und Rundfunk ihr Monopol als

Schleusenwärter für die öffentliche Information verloren haben, die NutzerInnen

hingegen theoretisch alle Chancen eines erweiterten kommunikativen Zugangs

gewinnen. (NEUBERGER 2008: 21-24)

In der Praxis aber bleiben die Hoffnungen in ein demokratisiertes Individuum, das

durch Partizipation im Internet das politische Geschehen beeinflussen könne, weit

hinter den Erwartungen zurück. Wenn auch in den vergangenen Jahren

Ausnahmen das Gegenteil bestätigten, wie beispielsweise die politischen

Umbrüche im Arabischen Frühling oder die grüne Revolution im Iran, die von

Sozialen Medien getragen waren. Insbesondere Facebook verhalf den

Demonstranten, die staatliche Zensur zu umgehen und Informationen

auszutauschen, um die Proteste organisieren zu können. (vgl. TUFEKCI/WILSON

2012). In Europa koordinierten sich Bürgerproteste wie die Occupy-Initiative, die

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Demonstrationen gegen das Bauprojekt Stuttgart 21 oder die Hörsaalbesetzungen

der Unibrennt-Bewegung an österreichischen Hochschulen über

Mobilisierungsplattformen wie Facebook oder Twitter. (vgl.

HERWIG/KOSSATZ/MARK 2010) Und die partizipative Enthüllungsplattform

Wikileaks erschütterte mit der Veröffentlichung geheimer und anonym

hochgeladener Dokumente die Weltdiplomatie. (vgl. SAGAR 2011)

Grundsätzlich bilden im deutschsprachigen Raum die aktiven NutzerInnen aber

immer noch eine Minderheit. Nur ein geringer Anteil von Personen im Social Web

produziert selbst einen großen Teil der Inhalte. (vgl. SCHMIDT/FREES/FISCH

2009; NIELSEN 2006) Die Online-Enzyklopädie Wikipedia und das Videoportal

Youtube werden hauptsächlich passiv genutzt. Am stärksten ausgeprägt ist die

Partizipation der NutzerInnen aber in Social Communities. (vgl.

BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 389)

2.3. Social Communities

In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts verschmolzen Content-Sharing-

Plattformen wie Flickr oder Youtube, auf denen NutzerInnen eigens produzierte

Fotos oder Videos (User-generated-Content) veröffentlichen, teilen und

kommentieren, mit Social Networks zum populären Zeitvertreib einer großen

Menge an InternetNutzerInnen. (SIAPERA 2012: 202) Social Networks oder Social

Communities sind internetbasierte Plattformen, auf denen sich registrierte

NutzerInnen innerhalb eines geschlossenen Systems ein (halb-)öffentliches Profil

kreieren, dieses mit anderen NutzerInnenprofilen verknüpfen und ein persönliches

Netzwerk aufbauen, das sie verfolgen, pflegen und erweitern können. (vgl.

BOYD/ELLISON 2007; EWIG 2012: 289).

Viele Social Communities im Internet basieren auf Selbstorganisation und

freiwilliger Arbeit und gestalten ihre Inhalte sowie Verhaltensnormen nach den

Bedürfnissen der NutzerInnen. Dabei wird oft verheißungsvoll von einer

„Demokratisierung“ durch das Web 2.0 gesprochen (vgl.

EBERSBACH/GLASER/HEIGL 2008: 31). In einem sozialen

Rückkoppelungsprozess bewerten und kommentieren die NutzerInnen die

Beiträge anderer und schaffen durch interaktive Kommunikation und die

Verknüpfung von Beiträgen ein kollektives Wissen, das oft auch als

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Schwarmintelligenz oder die Weisheit der Massen angepriesen wird. Es zählen

weniger die einzelnen Inhalte, sondern ihre Beziehung zueinander. (vgl.

EBERSBACH/GLASER/HEIGL 2008: 31, HIPPNER 2006)

Zu den wichtigsten Social Networks gehören Google+, LinkedIn, Xing, Studi VZ,

Myspace, Last.fm, Songkick, Tumblr, Pinterest, Instagram, Flickr. Allen voran

liegt aber Facebook (siehe Kapitel 2.4.1.). Busemann/Gscheidle sprechen von einer

fortschreitenden „Habitualisierung“ von Social Web-Angeboten durch ihre

NutzerInnen, d.h. die Differenz zwischen gelegentlicher und regelmäßiger

Nutzung wird immer geringer. Wenn auch die Wachstumsraten von Sozialen

Netzwerken moderater steigen als in den Jahren zuvor.

(BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 389) Besonders junge Erwachsene zählen

Social Communities zu ihrer Alltagsroutine (70%). Rund 35 % der 12-29 Jährigen

surfen mehrmals täglich in Communities. 85 % sind zumindest Mitglied in einer.

(KLINGLER/VLASIC/WIDMAYER 2012: 434)

Der Motor, der soziale Netzwerke antreibt, ist ihre „sozial-kommunikative

Funktionalität“ (vgl. THIMM 2012: 40). Die NutzerInnen koppeln in Social

Communities verschiedene Funktionen zur Organisation ihres Privatlebens:

Kommunikation, Organisation der Freizeit, Information, Selbstdarstellung, soziale

Orientierung, etc. (KLINGLER/VLASIC/WIDMAYER 2012: 443). Damit werden

diese zu einem „integralen Element des Ökosystems Internet, das nicht nur neue

Kompetenzen schafft, sondern vielfältige menschliche Bedürfnisse befriedigen

kann“ (THIMM 2012: 40). Diese Kompetenzen und Bedürfnisse haben sich mit

der Online-Präsenz von Unternehmen, Produkten, Institutionen, öffentlichen

Personen und nicht zuletzt durch Medien gewandelt. Sie haben zur Konsequenz,

dass sich die Privatsphäre immer mehr mit dem öffentlichen Leben vermischt.

(KLINGLER/VLASIC/WIDMAYER 2012: 443).

Hermida nennt Social Media-Plattformen mit einem Nachrichtenstrom, wie ihn

etwa Facebook oder Twitter zum Teilen von Kommentaren, Links, Fotos oder

Videos anbieten, „Social Awareness Streams“. Die Hauptaktivitäten der

NutzerInnen beschränken sich innerhalb dieser sozialen Bewusstseinsströme auf

„daily chatter, conversation, sharing information and reporting news (HERMIDA

2012: 673) Insbesondere das Teilen von Informationen und das Vermitteln von

Nachrichten sind Kernkompetenzen des Journalismus, die nun von NutzerInnen in

Social Communities übernommen werden. Gerade in Social Communities machen

NutzerInnen immer mehr eigene Inhalte einem potenziell größeren Empfängerkreis

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zugänglich, was auf einen Wandel zu einer One-to-many-Kommunikation

hindeutet. (vgl. BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 382) Für den Journalismus

bedeutet das, NutzerInnen können durch ihr Sharingverhalten als

MultiplikatorInnen für Medienberichte auftreten. Gerade Empfehlungen von

Freunden vergrößern deren Aufmerksamkeit auf neue Themen.

2.4. Social Media und die wichtigsten Anwendungen

Die für die vorliegende Untersuchung am wichtigsten und gleichzeitig am

dominantesten Social Communities Facebook, Twitter und Youtube werden folgend

im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Journalismus genauer vorgestellt.

Daraufhin wird das Phänomen Weblogs genauer beleuchtet.

2.4.1. Facebook

Kurz nach seiner Gründung im Jahr 2006 durch den IT- und Psychologie-

Studenten Mark Zuckerberg etablierte sich Facebook als ein soziales Netzwerk

exklusiv für StudentInnen an amerikanischen Elite-Universitäten8. Heute

dominiert Facebook mit knapp einer Milliarde registrierten NutzerInnen9 das

Social Web und die öffentliche Kommunikation. „Facebook is increasingly

integrated into marketing of products, into popular culture, and into the lives of

individuals“ (DUBROFSKY 2011: 115).

Im sozialen Netzwerk Facebook wird mit der Währung Freundschaft gehandelt.

Seine NutzerInnen beziehen sich stark auf das Hier und Jetzt, in dem sie mittels

Status-Update in Echtzeit ihre momentanen Befindlichkeiten mitteilen oder die

neuesten Anwendungen in ihren Account integrieren. (DUBROFSKY 2011: 123)

Soziale Netzwerke im Allgemeinen und Facebook im Besonderen übernehmen

immer mehr die Funktion eines „All-in-one-Mediums“ (vgl.

BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 384), das sämtliche kommunikativen

Handlungen im Web 2.0 auf sich konzentriert. Beispielsweise haben deutsche

NutzerInnen angegeben, mittlerweile ihren Freunden mehr netzwerkinterne

Nachrichten und weniger Emails zu schreiben. Auch schauen immer mehr

8 Im Gegensatz zu Google und Twitter erregte Facebook erst vergleichsweise spät die Aufmerksamkeit der englischsprachigen Massenmedien (vgl. USKALI 2009). 9 Die meisten NutzerInnen leben in den USA, Indien und Brasilien. Im November 2012 waren in Deutschland 24.869.040 und in der Schweiz 3.017.520 Facebook-Accounts registriert. Vgl. http://www.allfacebook.de/userdata/.

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NutzerInnen geteilte Videos sofort im Nachrichtenstrom des Netzwerks und nicht

mehr auf der Herkunftsseite des Videos. (ebda.) Außerdem fungiert Facebook

durch die Integration sämtlicher Gruppen und Fanpages in den Nachrichtenstrom

als globaler RSS-Reader10 .

Hierzulande besitzen insgesamt 2.844.900 ÖsterreicherInnen einen Facebook-

Account, von denen die meisten NutzerInnen zwischen 20 und 29 Jahren alt sind.

(siehe Abb. 3)

Abb. 3: Facebook-UserInnen nach Alter und Geschlecht in Österreich. Oktober 2012. SOCIALMEDIARADAR.AT. Rosa: Frauen / Blau: Männer

Organisationen, Unternehmen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens

betreiben zusätzlich zum Profilaccount noch eigene Fanseiten und nutzen diese als

„Schaufenster im Sozialen Netz“ (LANGER/SCHWINDT 2011: 6) für Werbung,

Nachrichten und zur Kunden- bzw. Publikumsbindung.

Am meisten Facebook-Mitglieder (vgl. SOCIAL MEDIA RADAR 2012) folgen in

Österreich den Seiten der international agierenden Marken von Red Bull

(30.880.654 Fans) und Swarovski (2.719.927 Fans), gefolgt vom Schauspieler und

Ex-Politiker Arnold Schwarzenegger (2.236.024 Fans), den „peinlichsten und

lustigsten FB Status Einträgen & Fotos“ (1.039.956 Fans) und KTM Racing

(801.441 Fans).

Auch Medien haben erkannt, dass es sinnvoll ist, ihre Inhalte auf Facebook-

Fanseiten zu verbreiten. Allerdings kommt mit dem ORF-Radio Ö3 und seinen

283.881 Fans die erste Medienmarke erst auf Platz 15 ins Spiel, gefolgt von den

Radiosendern Kronehit (246.260 Fans) auf Rang 19 und Radio FM4 (135.697

Fans) auf Rang 36. Erst auf Platz 68 erscheint mit dem ZIB2-Anchorman Armin

Wolf (75.986 Fans) der erste Journalist mit eigenem Account. Dies bestätigt die

Ergebnisse der Studie von KLINGLER/VLASIC/WIDMAYER (2012), dass es

dem Radio über Facebook am besten gelingt, „die NutzerInnen wirkungsvoll

10 Für eine genaue Beschreibung der Architektur des sozialen Netzwerks vergleiche DUBROVSKY (2011).

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anzusprechen und in die Kommunikation einzubinden.“

(KLINGLER/VLASIC/WIDMAYER 2012: 440) Im Gegensatz zu Printmedien

schaffen Hörfunksender durch direkte und persönliche Ansprache an das

Publikum eine ausgeglichene Beteiligung zwischen SenderInnen und HörerInnen

und profitieren von einer regen Anschlusskommunikation. (ebda.: 440)

Die weiteren Medienmarken im Pagerank des Social Media Radar sind der

Salzburger Privatsender Servus TV auf Platz 143 (34.124 Fans), derStandard.at

auf Platz 188 (26.656 Fans), das Privatradio Antenne Steiermark auf Platz 193

(26.250 Fans), auf Platz 225 derStandard.at/Web (21.818 Fans), auf Platz 226

oe24.at, der Onlineauftritt der Tageszeitung Österreich (21.500 Fans), auf Rang

271 die Salzburger Nachrichten (16.243 Fans), auf Platz 298 DiePresse.com

(14.350 Fans), auf Platz 344 die Wiener Stadtzeitung Falter (11.275 Fans) und auf

Platz 464 das wöchentliche Nachrichtenmagazin profil mit 7.527 Fans. Die

Dachmarken der tagesaktuellen und wöchentlich erscheinenden Medien verlinken

natürlich auch Kulturnachrichten, Rezensionen oder Reportagen über

kulturrelevante Themen. Am ehesten der reinen Kulturberichterstattung

zuzuordnen sind die folgenden Formate: der Musikfernsehsender Gotv auf Rang

144 (34.094 Fans), das Musikmagazin Volume.at auf Platz 196 (25.854), der

ORF-Moderator und Entertainer Herr Hermes auf Platz 230 (20572 Fans), das

Wiener Onlinemagazin stadtbekannt.at auf Platz 338 (12039 Fans), auf Platz 453

das monatliche Popkultur- und Musikmagazin The Gap (7803 Fans), auf Platz

526 das mittlerweile eingestellte Musik- und Medienmagazin TBA (6.364 Fans),

auf Platz 568 das Lifestyle und Szene-Magazin VICE AUSTRIA (5697 Fans), auf

Platz 833 der Kulturverein denkfabrik.at (2646 Fans), auf Platz 914 das

Szeneportal hiphop.at (2172 Fans), auf Platz 965 SKIP - das Kinomagazin und

auf Platz 975 der Kulturkalender freikarte.at mit 1863 Fans.

Unter den ersten tausend Angeboten finden sich keine KulturjournalistInnen mit

eigener Fanpage. Am ehesten wäre noch der Schriftsteller und Kolumnist Daniel

Glattauer auf Platz 267 mit 16484 Fans an dieser Stelle anzuführen. In Facebook

steckt also für KulturjournalistInnen noch genug Potenzial, ein festes Publikum

regelmäßig mit Inhalten zu versorgen.

2.4.2. Twitter

Twitter ist der populärste Vertreter des Microbloggings, das gerade wegen der

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kurzen Mitteilungen und ihrer schnellen Verbreitung für eine mobile Nutzung

qualifiziert ist („SMS of the Internet“). Seit der Gründung im Jahr 200611 hat das

amerikanische Unternehmen Twitter Inc. seine globale Reichweite auf 520

Millionen Accounts12 gesteigert (vgl. SEMIOCAST 2012). In Österreich waren im

September 2012 von 95.117 registrierten UserInnen aber nur 53.258 aktiv: 33.937

von ihnen schreiben, 15.904 lesen nur. (vgl. SOCIALMEDIARADAR 2012)

Im Unterschied zu Weblogs verschwimmen die Rolle der AutorIn und der

KommentatorIn. (NEUBERGER/VOM HOFE/NUERNBERGK 2010: 24). Twitter

ist auch kein soziales Netzwerk wie Facebook im engeren Sinne, sondern eine

„asymmetrische Kommunikationsplattform“ (LANGER/SCHWINDT 2011: 3),

auf der die NutzerInnen zum einen Nachrichten in der Länge von 140 Zeichen

(„Tweets“) von anderen Mitgliedern abonnieren („Following“), zum anderen diese

weiterleiten („Retweeting“) oder eigene Nachrichten einem benutzdefinierten

Empfängerkreis zugänglich machen („Follower“)13 . Ihre Vernetzung untereinander

ist im Gegensatz zu Facebook und seinen Statusmeldungen oft nur einseitig und

resultiert aus einer Verschiebung der Interessen: „Weniger die Pflege sozialer

Beziehungen als vielmehr Themeninteressen motivieren dazu, einem Twitter-

Stream zu folgen. Dadurch werden auch Fremde eher in das eigene Netzwerk

eingebunden“ (NEUBERGER/VOM HOFE/NUERNBERGK 2010: 21; vgl.

RAVIKANT/RIFKIN 2010) Die rasche Verbreitung von Nachrichten, die einfache

Bedienung und das Informationsbedürfnis der Twitter-NutzerInnen, einer

„Netzavantgarde“ (NEUBERGER/VOM HOFE/NUERNBERGK 2010: 83), die

häufig dem Internet und der öffentlichen Kommunikation beruflich nahe stehen,

machen Twitter zu einem relevanten Kommunikationstool für einen Journalismus

in Echtzeit. Die dichte Vernetzung unter den Twitter-Accounts beschleunigt den

Informationsfluss über nur wenige Kommunikationsstufen. (NEUBERGER/VOM

HOFE/NUERNBERGK 2010: 83) (NEUBERGER/VOM HOFE/NUERNBERGK

2010: 83)

11 Für die mediale Rezeption der frühen Phase von Twitter als Start-Up-Unternehmen siehe USKALI 2009. 12 Es existieren keine Statistiken über die Anzahl der aktiven Nutzer bzw. wie viele Personen weltweit über die registrierten Accounts verfügen. 13 Für die Funktionen von Twitter vergleiche HONEYCUTT/HERRING (2009).

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Abb. 4: Twitter Ranking Österreich. September 2012. SOCIALMEDIARADAR.AT.

Auch in Österreich dominieren JournalistInnen das Interesse der aktiven Twitter-

NutzerInnen. Unter den Top 30 der meistgefolgten Accounts14 (vgl. SOCIAL

MEDIA RADAR 2012) finden sich siebzehn JournalistInnen, die im eigenen

Namen twittern und fünf weitere Accounts von Onlinemedien (derStandard.at,

profil online, derStandard.at/Web, Radio FM4, Futurezone des Kurier). Die

meisten Österreicher interessieren sich für die Nachrichten des ZIB2-Moderators

Armin Wolf, gefolgt vom Account des Hacker-Kollektivs Anonymus und dem

Account von derStandard.at.

Vergleicht man diese dichte Anzahl an JournalistInnen auf den vorderen Rängen

mit den verhältnismäßig spärlich vertretenen JournalistInnen auf Facebook, wird

klar, dass Twitter ein hauptsächlich der Kommunikationsbranche dienliches

Instrument ist. Währenddessen repräsentiert die breite gesellschaftliche

Beteiligung auf Facebook durch Unternehmen, Institutionen, Marketing und

Freizeitgruppen den hohen Stellenwert des Netzwerks im täglichen Leben der

ÖsterreicherInnen. Entweder diese Unternehmen haben Twitter noch nicht in dem

Ausmaß entdeckt oder die Medien haben ihr volles Potenzial auf Facebook noch

nicht ausgeschöpft.

14 Das Ranking bestimmen nur die aktiven österreichischen User, die einem heimischen Account folgen. vgl. http://socialmediaradar.at/twitter_charts_followers_AT.php (12.11.2012)

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2.4.3. Weblogs

Ob nun von Laien oder von professionellen JournalistInnen verfasst, Weblogs

symbolisieren den Beziehungswandel zwischen BürgerInnen, Medien und

JournalistInnen (DOMINGO/HEINONEN 2008: 3). Formal definieren sie sich als

regelmäßig aktualisierte Websites, auf denen Postings und Links der AutorIn in

umgekehrter Reihenfolge sortiert werden. Diese sind einzeln mit URLs (Uniform

Resource Locators) versehen und können von LeserInnen kommentiert werden.

(vgl. WIED/SCHMIDT 2008: 179) Inhaltlich orientieren sie sich an

unterschiedlichen Zwecken: Sie dienen als persönliche Homepage, als Online-

Tagebuch, als kommentierte Linkliste, als E-Learning-Plattform, als internes

Organisationstool, etc. (ebda.: 179)

Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2012 zählen Weblogs zwar zu den wenig

genutzten, aber „aufmerksamkeitsstarken“ Social-Media-Anwendungen.

Konstante sieben Prozent der deutschen OnlineNutzerInnen befassen sich, meist

sporadisch, mit den Onlinejournalen. Nur jedeR zehnte dieser Minderheit führt

auch einen eigenen Blog. (BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 388) Im Vergleich

dazu zeigen sich die Twitter-NutzerInnen als die aktiveren SenderInnen; vier von

zehn haben schon einen Beitrag im Kurznachrichtendienst gepostet. (ebda.: 387)

Die ApologetInnen der emanzipatorischen Wunderkraft des Web 2.0 hegten in

Weblogs immer schon die größten Hoffnungen, dass eine möglichst breite

Partizipation weltweit die einfache InternetuserIn zum/zur mündigen Netizen (=

Internet + Citizen) erziehen könne. „When anyone can be a writer, in the largest

sense and for a global audience, many of us will be“, prophezeit Gilmor (2004:

236) in seinem Plädoyer für einen Graswurzeljournalismus - von den Menschen

für die Menschen - mit dem programmatischen Titel We the Media. Und immer

schon begleitet diesen Optimismus ein kritischer Realismus von

KommentatorInnen wie Hafner, die in der New York Times schrieb: „Never have

so many people written so much to be read by so few“ (HAFNER 2004)

Inwiefern nun BloggerInnen das Ideal des partizipativen Journalismus realisieren

können und durch aktive Beteiligung die Demokratie zu stärken vermögen, ist

daran gekoppelt, ob ihre Reichweite die Aufmerksamkeit der traditionellen Medien

weckt. Denn nur über einen mehrstufigen Informationsfluss, mit den

Massenmedien als Verstärker, gelangen die Inhalte aus der Blogosphäre an eine

breite Öffentlichkeit. (HOLLER/VOLLNHALS/FAAS 2008: 97) Erst dieses

interaktive Verhältnis zum professionellen Journalismus lässt bei den

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RezipientInnen die Wahrnehmung einer hohen Glaubwürdigkeit entstehen. (KIM

2012: 430) Diese achten beim Nachrichtenkonsum insbesondere auf Motivation

und Verlässlichkeit des Medienangebots. (vgl. JOHNSON et. al. 2008)

Das Fehlen journalistischer Standards in der Blogosphäre sorgt immer wieder für

Ungenauigkeiten in der Abgrenzung eines Laienjournalismus zum professionellen

Journalismus. Diese unscharfe Grenze präzisieren DOMINGO/HEINONEN

(2008: 6-11) mit ihrer Typologie journalistischer Weblogs, indem sie diese in vier

Kategorien differenzieren: Citizen Blogs, Audience Blogs, Journalist Blogs und Media

Blogs.

Abb. 5: Typologie journalistischer Weblogs. DOMINGO/HEINONEN (2008: 7)

Citizen Blogs werden von BürgerInnen außerhalb medialer Organisationen

geschrieben, orientieren sich aber an journalistischen Standards, wie beispielsweise

Watchblogs oder ExpertInnenblogs. Audience Blogs integrieren diese

BürgerjournalistInnen in die Agenda traditioneller Medien und stärken somit die

Bildung einer Community. Journalist Blogs werden betrieben von professionellen

JournalistInnen außerhalb ihrer Medieninstitutionen als ein zusätzlicher Freiraum,

um weitere Aspekte oder Perspektiven in einem persönlicheren Umfeld zu

vertiefen. Media Blogs beschäftigen professionelle JournalistInnen auf den

Webseiten ihrer eigenen Medien. Die stilistischen Anforderungen an einen Blogpost

sind in der Regel geringer als im analogen Medium, trotzdem werden sie meistens

einer redaktionellen Kontrolle unterzogen.

Im deutschsprachigen Raum nutzen die LeserInnen von Blogs (nicht differenziert

nach den oben genannten Kriterien) diese für eine breite Palette an Interessen: am

wichtigsten sind Blogs für Nachrichten zum aktuellen Tagesgeschehen, gefolgt von

Technikthemen aus den Bereichen Computer, IT und Elektronik. Danach kommen

Kulturthemen wie Literatur, Theater oder Kunst. (BUSEMANN/GSCHEIDLE

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2012: 388) Besonders die NutzerInnengruppe der „Modernen Kulturorientierten

(18 %)“ sucht Informationen in Weblogs. (ebda.)

Die BloggerInnen, ein geringer Anteil von 15% aller BlogleserInnen, setzen ihre

Themen aber nach anderen Maßstäben, als sie für die Rezeption gelten. Das

Ranking der am meisten behandelten Themen bestimmen Urlaub, Reise und

Hotelbewertungen, gefolgt von Technikthemen sowie Hobbys und

Bildungsthemen. (BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 388) Demnach herrscht,

zumindest in Deutschland, offenbar ein Ungleichgewicht zwischen dem Angebot

an kulturorientierten Blogs und der Nachfrage durch ein kulturinteressiertes

Publikum. Für (Kultur-)JournalistInnen bieten Weblogs neue Chancen, auch wenn

sie den etablierten journalistischen Standards und Normen teilweise

widersprechen. Ihre Stärken liegen in ihrer ungefilterten und unmittelbaren Natur,

in der erweiterten Perspektive durch Hintergrundanalysen (vgl. SINGER 2006)

und nicht zuletzt in einem subjektiven, auch unkonventionellen Zugang, mit dem

JournalistInnen sich dem Publikum auf einer persönlichen Ebene nähern können.

(HERMIDA 2012: 679)

2.4.4. Youtube

„Broadcast yourself“ - der Slogan ist Programm auf der nach wie vor

einflussreichsten Videoplattform im Internet (vgl. PEER/KSIAZEK 2011: 47;

BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012: 388). Das Prinzip, dem Individuum in seinen

sozialen Handlungen einen Freiraum zu bieten, wird mit Youtube auf eine audio-

visuelle Ebene gehoben, was mitunter die „Post-Television“-Ära (vgl. TOLSON

2011) eingeläutet hat. Im Gegensatz zum traditionellen Fernsehen funktioniert das

2006 gegründete Videoportal Youtube dezentralisiert und sendet über ein soziales

Netzwerk, in dem seine vernetzten UserInnen per Mausklick bestimmen können,

was sie sehen wollen und was sie davon halten. Die institutionalisierte Stimme des

Fensehens wird also erweitert um ein vielfältiges Gemisch individueller Stimmen,

die nicht mehr nur passiv Inhalte konsumieren, sondern eigens produzierte Videos

veröffentlichen, diese bewerten, kommentieren, weiterleiten oder auf der eigenen

Webseite einbetten. Die Sendungshoheit wandert von professionellen

MedienproduzentInnen hin zu gewöhnlichen Menschen, die mit Authentizität und

einer gewissen Expertise hohe Bekanntheit erreichen können. (TOLSON 2011: 285)

Die technischen Voraussetzungen dafür erfüllt heutzutage bereits jeder Computer

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mit einer integrierten Kamera, einem Mikrofon und vorinstalliertem Video- bzw.

Audio-Schnittprogramm. Eine direkte Vernetzung mit den Sozialen Netzwerken in

den Programmen beschleunigt den Upload von Videos mit nur wenigen

Mausklicken.

Allerdings erfolgt die Nutzung von Videoportalen fast ausschließlich passiv.

Knapp 60 % aller deutschen Online-UserInnen surfen auf Videoplattformen wie

Youtube, MyVideo oder Vimeo und schauen dort Musikvideos (72 %),

selbstgedrehte Videos (42 %), Film- oder Fernsehtrailer (36 %), Tutorials (26 %),

Fernsehsendungen oder Filme (25 %). (vgl. BUSEMANN/GSCHEIDLE: 388f.)

Unter allen Videoplattformen im Internet ist Youtube aber nach wie vor der

bestimmende Marktplatz für bewegte Bilder. Darauf müssen die traditionellen

Medien reagieren. Für diese bedeutet Youtube zum einen verlorene Klicks auf den

eigenen Webseiten, da ein Großteil der Videos auf den Sharing-Seiten konsumiert

wird. Zum anderen hat die dezentralisierte Produktion und Verbreitung von

Nachrichten dazu geführt, dass Medien verstärkt versuchen müssen, ihrem

Publikum über diese Kanäle zu folgen, indem sie ihre Produkte auch auf Youtube

zugänglich machen. (vgl. PEER/KSIAZEK 2011: 47) Interessanterweise erreichen

aber gerade jene professionellen Nachrichtenvideos die meisten Youtube-

NutzerInnen, die mit den Standards der traditionellen Fernsehproduktion brechen.

(vgl. PEER/KSIAZEK 2011: 56) Dieses steigende Interesse bedingt aber weniger

eine mindere Qualität in deren technischer Machart - diese hat keine Auswirkung

auf die Rezeption -, sondern eher der subjektive, meist unkonventionellere Zugang

zum Thema zieht die NutzerInnen mehr an. (ebda.) Für JournalistInnen bedeutet

das, nicht nur neue Fertigkeiten zu entwickeln und ein offenes Auge für neue

Trends zu haben, sondern sich auch auf die Besonderheiten sozialer Medien und

die Bedürfnisse ihrer NutzerInnen einzulassen.

Wie nachhaltig alle diese Communities oder ihre Nachfolger das

Nutzungsverhalten diverser Alterskohorten prägen wird, ist schwer zu

prognostizieren. Klingler/Vasic/Widmayer (2012: 440-444) sind aber der

Überzeugung, „ein Zurück zu einem Internet ohne Communitys wird es nicht

mehr geben.“ Also muss auch die Forschung ihren Fokus anpassen. „Angesichts

der beobachtbaren Vollabdeckung stellt sich künftig also weniger die Frage, ob

Communitys genutzt werden, sondern vielmehr zu welchem Zweck dies geschieht

und welche Anbieter dies optimal bedienen“ (ebda.: 444).

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Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es herauszufinden, inwiefern diese Social

Communities mit ihren kommunikativen Regeln eine neue Ressource für die

journalistische Arbeit darstellen und zu welchem Zweck österreichische

KulturjournalistInnen diese in ihrem Work-Flow verwenden. Im nächsten Kapitel

wird der Kulturjournalismus und seine Arbeitspraxis genauer vorgestellt.

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3. KULTURJOURNALISMUS „Gelungene Kritik ist immer auch das Bemühen um einen Dialog. Auf den Kritiker als Scharfrichter können wir verzichten.“

(SCHMIDT, s. a. )

Der klassische Ort, an dem Kulturjournalismus betrieben wird, war schon immer

das Feuilleton. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert verstand man darunter

Vieles: Erstens war es immer schon ein Fachressort für KritikerInnen und ihre

Rezensionen über Veranstaltungskultur und Belletristik. Zweitens bot es Dichtern

und Denkern eine Bühne für ihre geistreich-kritischen Texte über Kunst,

Wissenschaft und Zivilisation. Drittens experimentierten sie mit ihren kritischen

Federn mit neuen Darstellungsformen wie analytischem Essay, Betrachtung und

Erzählungen, meist mit dem Ziel, die Gesellschaft literarisch aufzuklären. Und

viertens bot es neben zeitgeistigen Alltagsbeobachtungen auch einen Platz für

fiktionale Unterhaltungsformen wie dem Zeitungsroman oder

Fortsetzungsgeschichten. (HALLER 2002: 12f)

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Feuilleton sukzessive vom

„Kulturteil“ bzw. der „Kultur“ abgelöst und habe laut Porombka/Schütz (2008)

in Radio, Fernsehen und Internet zu neuem Profil und Selbstverständnis geführt.

Politik, Ökonomie und Neue Medien haben in den letzten zehn Jahren das

Feuilleton bzw. Kulturressort vor neue Herausforderungen gestellt. Diese Arbeit

möchte diese Veränderungen, insbesondere jene durch das Internet, genauer

aufspüren. Zuvor stehen aber der Kulturjournalismus und seine Sonderstellung

im System Journalismus im Rampenlicht. Eingangs wird jene Kultur definiert, die

der Kulturjournalismus beobachtet, reflektiert und bewertet. Danach werden mit

den KulturjournalistInnen seine AkteurInnen und deren Arbeitspraxis mit all ihren

Besonderheiten vorgestellt, gefolgt von einem kurzen Exkurs in die berufliche

Situation österreichischer KulturjournalistInnen. Danach wird die Bedeutung des

Kulturjournalismus im Wandel durch das Internet im Allgemeinen und im

Besonderen durch Social Media erörtert und inwiefern diese die (kultur)-

journalistische Recherche, die Beziehung zum Publikum und das Verbreiten von

Inhalten beeinflussen.

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3.1. Kultur und Journalismus

Wenn es darum geht, Kultur als Typisierungsmerkmal für journalistische

Tätigkeit festzumachen, schafft der Begriff „mehr Unklarheiten, als er

einleuchtende Abgrenzungen zu anderen journalistischen Metiers [...] erlaubt.“

(HÄNECKE 1987: 53) Der semantische Raum von Kultur sei potenziell zu groß

für eine präzise Definition des Begriffes, mit der feststellbar ist, wo endet „unsere“

Kultur? Wo endet sie in den Medien? Und vor allem, wo verlaufen ihre Grenzen zu

Unterhaltung und Nachrichten? (ebda.)

Der Diskurs über die Definition von Kultur könnte seitenfüllend abgehandelt

werden, sprengt aber den Rahmen dieser Arbeit. Deshalb wird hier Kultur in einem

weiten Sinn als Beobachtungsgegenstand des Kulturjournalismus, und in einem

engen Sinne als Objekt der Kunstberichterstattung definiert.

Betrachtet man den Begriff in einem kulturwissenschaftlichen Sinn losgelöst von

der Berichterstattung darüber, kann Kultur verstanden werden als „flexible[r]

Bedeutungszusammenhang“ (POROMBKA 2007: 33):

Bedeutung wird als etwas gedacht, das selbst kulturell konstruiert ist und wegen seiner Konstruiertheit auch wieder dekonstruiert, rekonstruiert oder neu konstruiert werden kann. Kultur wird erst durch diese Bedeutungskonstruktionen, -dekonstruktionen und -rekonstruktionen hindurch entworfen. Sie entsteht, hält und verändert sich aufgrund einer fortwährenden kulturellen Deutungsarbeit, durch die Bedeutungen bestätigt, verschoben, aufgelöst oder ersetzt werden. Was auch immer in einer Kultur Bedeutung hat, ist Ergebnis dieser kulturellen Konstruktionsarbeit.

Kultur wird also von den Menschen sinnhaft mitgeprägt, transformiert und

ständig neu definiert. Kulturjournalismus im weiteren Sinne „beobachtet,

beschreibt und reflektiert“ Kultur als ein „in dauernder Herstellung befindliches

Sinnkonstrukt“, das sich nach kulturellen Regeln weiterentwickelt.

(POROMBKA/SCHÜTZ 2008: 15) Dabei konstruiert Kulturjournalismus den

Sinn von Kultur mit, wenn er Phänomene der Kultur ebenso aus der Perspektive

von Kultur beobachtet. (ebda.: 13)

REUS definiert Kulturjournalismus aus dem Blickwinkel des Mediensystems

ebenfalls auf einem breiten Niveau, als „die beschreibende, analysierende und

bewertende Berichterstattung über kulturelle Ausdrucksformen, ihre

Zusammenhänge und ihren Wandel“ (REUS 2005: 194). Diese Definition

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thematisiert nicht nur künstlerische Artefakte, sondern „alle Ausdrucksformen

des menschlichen Lebens und der Gesellschaft [...] unabhängig davon, ob es sich

nun um Hoch- bzw. Elitekultur, Volkskultur oder Populär- und Alltagskultur

handelt“ (BONFADELLI 2008: 300)

Golin/Cardoso (2009: 69) finden eine breit gegriffene Definition von

Kulturjournalismus innerhalb eines Spannungsfeldes zwischen Medien, Kunst,

Markt und Konsum:

Cultural journalism is in a heterogeneous zone of media, genres and products which encompasses the production, circulation and consumption of symbolic goods in the fields of the arts, literature, social and human sciences for different purposes: creative, critical or simply making them public. This specialized field is noticeably broad in terms of content.

Dem Fach Publizistik zufolge beobachtet, beschreibt und reflektiert

Kulturjournalismus die Kultur im engeren Sinne in Form von Kunst, also jenem

gesellschaftlichen System, „das primär mit expressiven Symbolen ästhetische

Synthesen hervorbringt“ (SAXER 1995: 5) Kunst ist in diesem Sinne also nicht -

wie im alltäglichen Sprachgebrauch oft üblich - auf den Terminus der Bildenden

Künste zu beschränken, sondern erweitert diesen Begriff auf alle Künste wie

Architektur, Darstellende Kunst und Theater, Film und Fernsehen, Literatur,

Musik, aber auch Geistiges Leben und Historisch-Kulturelles15 sowie den

Subsparten dieser Künste. (vgl. STEGERT 1998: 107) Der Kulturbegriff der

journalistischen Praxis lässt sich aber schwer nur nach Kunstsparten gliedern, da

Kulturseiten immer mehr auch Themen der Technik, der Wissenschaften, der

Ökonomie und vor allem der Politik integrieren. (vgl. LAMPRECHT 2012,

REUS/HARDEN 2004; HALLER 2002; HALLER 2012; TROTIER 2011) Der

Kulturbegriff, nach dem deutschsprachige Medien ihre Kulturressorts ausrichten,

hat sich in den letzten Jahren also stark in die Breite gedehnt.16 (vgl.

BONFADELLI 2008)

Im engeren Sinn also widmen sich kulturjournalistische Texte Artefakten,

Ereignissen und Themen der Künste, (vgl. POROMBKA 2007: 32) mit denen

KunstkritikerInnen das gesellschaftliche Streitgespräch über den Qualitätsgehalt

von Kunst moderieren. Sie „eröffnen die Diskussion, geben Informationen und

15 Wie schwierig die Definition von Kultur nach Kunstsparten sein kann, siehe bei Stegert (1998: 75-107) 16 Dass Populäre Kultur seit den 1980ern immer mehr deutschsprachige Kulturseiten füllt, begründet POROMBKA (2007: 32f) mit dem bahnbrechenden Einfluss der Pop-Art der 1960er Jahre auf nachfolgende Kunstströmungen, mit kulturpolitischen Weichenstellungen seit den 1970ern in Richtung Kultur für Alle und einer Medialisierung der Gesellschaft.

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Einschätzungen vor, fassen zusammen und halten Ergebnisse fest“

(SCHALKOWSKI 2005: 10). Mit der Berichterstattung dokumentieren

KritikerInnen nicht nur Kultur und schaffen Parameter für eine nachträgliche

Interpretation von Gegenwartskultur, sie dynamisieren auch den Kunstbetrieb,

indem sie das Publikum auf KünstlerInnen und deren kulturelle Erzeugnisse

aufmerksam machen und gleichzeitig seinen Horizont erweitern.

(GOLIN/CARDOSO 2009: 69) Insofern sind KulturjournalistInnen nicht nur

AlltagshistorikerInnen, sondern erfüllen auch missionarische und pädagogische

Funktion.

Traditionell erfolgt die Operationalisierung des Kulturbegriffes unter den

Gesichtspunkten der Elitären und der Populären Kultur, also einer Trennlinie

zwischen gehobener und alltäglicher Kultur, der E- und der U-Kultur. Diese

Kategorien erweist sich heutzutage als wenig zeitgemäß und unscharf. Pöttker

(2010: 4) zufolge diente die Abgrenzung ohnehin nur dem Bildungsbürgertum,

um seine Herrschaft aufrechtzuerhalten und würde den Kulturjournalismus

eingrenzen: „Unter dem Druck von Globalisierung, digitaler Revolution und

Medienkrise scheinen [...] im Kulturjournalismus solche Trennungen allmählich

aufzuweichen, die aus journalistischer Sicht ja Kommunikationsbarrieren,

Einschränkungen von Öffentlichkeit darstellen.“ (PÖTTKER 2010: 4) Mit seinem

klaren Fokus auf den Zeitgeist und seine gesellschaftlichen Auswirkungen ist der

Kulturjournalismus ein „Labor der Gegenwartsbeobachtung“

(POROMBKA/SCHÜTZ 2008: 15) und soll demzufolge Öffentlichkeit nicht nur

herstellen, sondern auch abbilden. Eine zunehmend medialisierte Gesellschaft hat

die Menschen und ihren Umgang mit Medien und Kultur verändert. Immer mehr

von ihnen orientieren sich in ihrer Freizeitgestaltung an populärkulturellen Themen

wie Musik, Tanz, Kino, Kochen, Mode oder Design. (REUS 2010: 19) Zum

Kulturbegriff der Medien zählen seit dem nicht mehr nur „überzeitliche, der

ästhetischen Bildung des Rezipienten verpflichtende Werke“, sondern alles, „was

eine Gesellschaft an Artefakten hervorbringt, in denen der Zustand der Kultur

zeichenhaft verkörpert ist“ (POROMBKA 2007: 32f). Mit den Ansprüchen eines

medialisierten Publikums wächst also auch die Verpflichtung des Kulturressorts,

als Labor der Gegenwartsbeobachtung, diese zu erfüllen. Das nächste Labor hat

sich im Web 2.0 eingerichtet. (vgl. POROMBKA 2010: 13)

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In dieser Arbeit soll dieses Spannungsfeld zwischen Kulturbeobachtung und

Neuer Medien mit seinen Auswirkungen auf die journalistische Arbeitspraxis

beleuchtet werden. Der Begriff Feuilleton wird im weiteren Verlauf der Arbeit mit

dem des Kulturressorts gleichgesetzt und charakterisiert als ein Fachressort für

professionelle KritikerInnen und Rezensenten von kulturellen Ereignissen und

Produkten, die aber auch recherchierende und vermittelnde Berichterstattung über

den Kunstmarkt, KünstlerInnen und ihre Erzeugnisse betreiben. Um

Kulturjournalismus genauer zu definieren, werden im nächsten Kapitel seine

AkteurInnen und ihre Arbeitspraxis vorgestellt.

3.2. KulturjournalistInnen und ihre Arbeitspraxis

KulturjournalistInnen arbeiten in einem freien oder fixen Dienstverhältnis für das

Kulturressort im Radio oder im Fernsehen, bei Zeitungen und Magazinen oder

Onlinemedien und Nachrichtenagenturen. Ihre Arbeit unterscheidet sich nicht

grundlegend von jener in anderen Ressorts. Sie ist bestimmt von Recherche, von

Programm- und Themenentwicklung und von der Ausarbeitung und

Ausformulierung sowie der redaktionellen Verarbeitung von Texten. Im Rundfunk

oder in multimedialen Beiträgen für das Internet werden diese Tätigkeiten noch

um den Audio- oder Videoschnitt und das Einsprechen oder die Moderation

ergänzt. (POROMBKA 2007: 30f.) Bestimmte Besonderheiten im Status, in ihrer

Ideologie und den Arbeitsweisen verleihen den KulturjournalistInnen aber eine

Sonderstellung im redaktionellen Umfeld und machen aus ihnen „journalists with

a difference“ (FORDE 2003: 113).

HARRIES/WAHL-JORGENSEN haben britische KulturjournalistInnen, die sich

den hochkulturellen Künsten verschrieben haben, nach ihrem Selbstbild befragt.

Diese betrachten sich als Teil des journalistischen Systems, beharren aber auf einer

privilegierten Position innerhalb dessen („art exceptionalism“). Ihre Rolle

empfinden sie als RetterInnen des guten Geschmacks und als KämpferInnen für

die öffentliche Wertschätzung von Kunst. Sie sehen sich als besser qualifiziert wie

ihre KollegInnen aus anderen Ressorts, von denen sie sich wegen ihrer manischen

Leidenschaft auch missbilligt fühlen. (vgl. HARRIES/WAHL-JORGENSEN 2007)

Auch deutsche KulturjournalistInnen sehen sich als PädagogInnen und

ErzieherInnnen und weniger als neutrale VermittlerInnen. Sie setzen sich zwar für

Werte und Ideale ein, wollen aber nicht unbedingt politische Entscheidungen

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beeinflussen. (vgl. REUS/SCHNEIDER/SCHÖNBACH 1995)

Österreichische KulturjournalistInnen unterscheiden sich im Selbstbild besonders

in zwei Punkten von ihren KollegInnen: Zum einen ist es ihnen wichtig, „neue

Trends aufzuzeigen“, zum anderen legen sie weniger Wert auf „Neutralität und

eine imaginierte Wirklichkeit“. (vgl.

KALTENBRUNNER/KARMASIN/KRAUS/ZIMMERMANN 2008)

Porombka beschreibt diesen Unterschied, der KulturjournalistInnen

charakterisiert, in ihrer Methode, die darin besteht, „dass der Gegenstand von

innen her verstanden, aber kulturell kontextualisiert und symptomatisiert wird

und formal in einer Mischung von journalistischen und literarischen Erzählweisen

vorgeführt und in streitbarer Absicht mit dem Index des exemplarischen Zugriffs

durch den Autor in die literarische Öffentlichkeit eingebracht wird.“ (POROMBKA

2007: 37)

Kulturjournalismus arbeitet Hellman/Jaakola (2012: 788f.) zufolge in einem

Spannungsfeld zwischen zwei Paradigmen: zum einen in meinungsbasierter,

bewertender und erziehender Mission in einem ästhetischen Paradigma. Zum

anderen mit informativer, faktentreuer Berichterstattung auf Basis von

Nachrichtenfaktoren in einem journalistischen Paradigma. (siehe Abb. 6)

Abb. 6: Die zwei Paradigmen des Kulturjournalismus. HELLMAN/JAAKOLA (2012: 788)

Diese idealtypische Unterscheidung lässt sich in der Praxis natürlich nicht in

dieser dichotomen Form aufrechterhalten, soll hier aber als Leitfaden dienen, um

die Besonderheiten des Kulturjournalismus und seinen AkteurInnen zu erklären.

3.2.1. Zwischen subjektiver Kritik...

Das Ästhetische Paradigma wird dominiert von der Kernaufgabe des

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Kulturjournalismus, der meinungsbetonten Kritik. KritikerInnen in Kulturressorts

genießen meist den Ruf einer/s SpezialistIn in ihrem Kunstgenre und besitzen

hohes kulturelles Kapital, das ihre Deutungshoheit als ExpertIn erst legitimiert.

Meist sind die KritikerInnen auch außerhalb ihrer Funktion als

MedienvertreterInnen eng mit dem Kunstbetrieb verbunden, was einerseits zu

möglichen Abhängigkeiten führen kann, andererseits bei dem/bei der LeserIn und

der Kunstwelt deren Glaubwürdigkeit erhöht. (ebda.: 797) Als VermittlerInnen

zwischen Medien und Kunstbetrieb interpretieren sie in ihren Texten kulturelle

Ereignisse und verorten diese für ihr Publikum in einem gesellschaftlichen Diskurs

über Kunst. (HELLMAN/JAAKOLA 2012: 787)

Kulturjournalistische Texte mit ästhetischer Wertung sind idealer Weise

„pointierte, oft polemische Texte, in denen starke Thesen vertreten oder einzelne

Beobachtungen nachdrücklich symptomatisiert werden.“ (POROMBKA/SCHÜTZ

2008: 13) Da sie aktuelle Bewegungen der Gesellschaft seismographisch

aufzeichnen, sind sie zugleich

vorläufige Texte mit einer Poetik der Skizze, der Notiz, des Entwurfs, einer Poetik des Flüchtigen, Ausschnitthaften, Fragmentarischen, auch des Experimentellen, Zufälligen und Beliebigen und nicht zuletzt des Subjektiven. [...] Vor allem operieren sie mit literarischen Formeln und Techniken, um das Mitgeteilte durch Mehrdeutigkeit [...] in Bewegung zu halten. (ebda.)

Subjektive Kritik kann naturgemäß in qualifizierenden Darstellungsformen (vgl.

BONFADELLI 2008: 311f.) wie Kommentaren und Glossen, aber auch in

Interviews geäußert werden, ihre klassische Anwendung findet sie aber in der

Rezension. Diese soll an dieser Stelle noch genauer erläutert werden.

Die Rezension

JournalistInnen bewerten in Rezensionen bereits rezipierte kulturelle Ereignisse, wie

Kulturprodukte (Buch, CD und Film) oder Kulturveranstaltungen (Lesungen,

Konzerte, Ausstellungen oder Festivals) (STEGERT 2012: 550) und unterrichten

das Publikum davon (LAROCHE 2008: 157). Traditionsgemäß beschreibt und

beurteilt eine Rezension ein Kunstwerk und vermittelt ergänzende Informationen

über den/die KünstlerIn und sein/ihr Werk. Die Qualität einer Rezension hängt

davon ab, ob ihr/e VerfasserIn das Kunstwerk verstanden hat, ob er/sie

Argumente für ein Urteil darüber formulieren kann und im Stande ist, seine/ihre

Erkenntnis dem Publikum verständnisorientiert zu vermitteln (SCHALKOWSKI

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2005: 105-108). Rezensionen erlauben dem/der JournalistIn daher, sich dem

Thema aus einer subjektiven Perspektive anzunähern und Bericht und Meinung zu

verquicken. (LAROCHE 2008: 157) Stegert (2012: 553) differenziert die

Bestandteile einer Rezension weiter in folgende funktionale Bausteine:

• das Berichten von Faktischem über den Künstler oder das Kunstwerk, z.B. die Vorstellung eines Künstlers im Gesamtkunstwerk, das Skizzieren der Exposition und die Zusammenfassung des Inhalts.

• das Beschreiben der sinnlichen Eigenschaften eines Kunstwerks soll es in seiner tatsächlichen Form wiedergeben.

• das Schildern als szenische Darstellung verortet das Kunstwerk in Raum und Zeit.

• das Erzählen verknüpft alle Bausteine mit sprachlichen Mitteln zu einer spannungsfördernden Dramaturgie.

• das Erläutern von unklaren Ausdrücken, Titeln, Zusammenhängen schafft Verständnis für die Kunst.

• das Erklären beantwortet das Wie, das Warum und das Wozu, z.B. durch Vergleiche mit anderen Künstlern oder Kunstwerken, die Deutung und Einordnung im kulturellen, politischen oder wirtschaftlichen Kontext, die Analyse von Strukturen, Motiven und Aspekten, mit dem Ziel, entlang einer fundierte Argumentationslinie das Kunstwerk zu bewerten.

Diese funktionalen Bausteine sind auch in anderen Beitragsformen enthalten. Erst

die Kombination mindestens zweier zeichnet eine Rezension aus. Stegert weist

aber darauf hin, keine prototypische Anordnung bestimmen zu können und betont

eine Vielzahl gleichwertiger Rezensionspraktiken wie z.B. Kurz-, Bild- oder

Sammelrezension bzw. Review, Verriss oder Hymne. (STEGERT: 553f.)

Die Rezension steht exemplarisch für den subjektiven Zugang eines

Kulturkritikers, der aber auch nach journalistischen Grundsätzen arbeitet.

3.2.2. ...und objektiven Nachrichten

Dem ästhetischen Paradigma gegenüber steht das journalistische Paradigma.

Dieses ist dem traditionellen Wertesystem des Journalismus verhaftet, also

journalistische Grundsätze wie Objektivität und Unabhängigkeit bestimmen das

Handeln von KulturjournalistInnen, die für ihre Beobachtungen auf

unterschiedliche Quellen und Meinungen aus dem Kulturbetrieb stützen, welche

sie dem/der LeserIn in Form von sachorientierter und faktentreuer Informationen

in den meisten Fällen vor dem Eintritt eines Kulturereignisses bieten.

(HELLMAN/JAAKOLA 2012: 788) Formal geschieht das in objektivierenden

Darstellungsformen wie Meldungen und Vorschauen, Berichten und

Ankündigungen. Diese primär sachorientierten Beiträge dominieren auch die

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Kulturberichterstattung im deutschsprachigen Raum. (vgl. BONFADELLI 2008)

Laut Porombka können kulturelle Themen und Ereignisse aber nur schwer mit den

Mitteln des klassischen Nachrichtengeschäfts abgehandelt werden und bedürfen

einer „individuellen und zugleich universellen“ Beobachtung, Beschreibung,

Analyse und Bewertung. (POROMBKA 2007: 32)

Konkret bedeutet das, KulturjournalistInnen informieren zwar über Neuigkeiten

aus dem Kulturbetrieb und beschreiben und erklären dem Publikum jene

Artefakte, Themen und Ereignisse, die diesem entwachsen. Im Zentrum steht

jedoch immer die Deutung dieser Gegenstände im Wissen, dass diese mehrdeutig,

also polyvalent sind und dementsprechend interpretiert werden müssen. Diese

Interpretation übersteigt die reine Information samt dem vom klassischen

Nachrichtenjournalismus eingeforderten Objektivitätsanspruch. (POROMBKA

2007: 36)

In der Praxis kommt es zu Mischformen der beiden Herangehensweisen, die zu

den Authentisierenden Darstellungsformen geführt haben. Sie haben das Ziel in

einer sprachlich freien Form von Ereignisberichten, Reportagen, Features, Portraits

oder Interviews den LeserInnen die Kunst- und Kulturereignisse so nahe wie

möglich zu bringen. Dabei richtet sich der Fokus weniger auf die Kunst selbst als

auf den Kunstevent als sozialen Anlass. Auch Personalisierung spielt hierbei eine

wichtige Rolle. Erstaunlicherweise verzeichnen diese leserorientierten

Darstellungsformen in der Presse keine Zunahme. (BONFADELLI 2008: 312)

Kulturjournalismus ist also eine duale Spezialform zwischen Ästhetik und

Journalismus, zwischen subjektiver Kritik und objektiver Berichterstattung,

zwischen „Reviewing“ und „Previewing“.

3.2.3. KulturjournalistInnen in Österreich

In Österreichs Medien arbeiteten im Jahr 2007 rund 400 JournalistInnen - das sind

6 % der gesamten Branche - hauptberuflich und voll erwerbsfähig im einschlägigen

Kulturressort. Im Schnitt sind Österreichs KulturjournalistInnen 42,2 Jahre alt und

damit zwei Jahre älter als der Branchendurchschnitt.

(KALTENBRUNNER/KARMASIN/KRAUS/ZIMMERMANN 2007 zitiert in

KALTENBRUNNER 2012: 351) Der Anteil der weiblichen Kulturjournalistinnen in

Rundfunk, Agenturen, Print- und Onlinemedien ist überdurchschnittlich hoch und

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entspricht beinahe dem der männlichen Kollegen. Das Nettoeinkommen aller

KulturjournalistInnen liegt mit 2.088 Euro im Monat unter jenem der Kollegen aus

Politik (2.719 Euro), Wirtschaft (2.266 Euro), Sport (2.510 Euro) oder

Wissenschaft (2.227 Euro). Nur im Ressort Chronik/Lokales verdienen

JournalistInnen ähnlich wenig. Faire Gehaltsbedingungen für Mann und Frau

haben sich aber auch im Journalismus noch nicht überall durchgesetzt. (ebda.:

352f) Trotz seiner suboptimalen Zukunftsaussichten zieht der Kulturjournalismus

noch immer genügend Nachwuchs an. Zumindest versprechen das Studien.

Besonders Frauen, zwei von drei Studentinnen, streben eine Karriere im

Kulturressort an, vorzugsweise im Printbereich. Von den männlichen Anwärtern

will das immerhin jeder zweite. Die Kultur zählt gemeinsam mit der Politik zum

beliebtesten Fachgebiet unter österreichischen Journalismus-StudentInnen. (ebda.:

353)

3.3. Kulturjournalismus und das Internet

Das Internet mit seinen neuen Ressourcen hat einen technologischen Wandel im

System Journalismus ausgelöst, der sich auch auf den Kulturjournalismus

auswirkt. Wie in Kapitel 1 erläutert hinkt die Wissenschaft als Beobachterin diesem

Fortschritt naturgemäß etwas hinterher. Deshalb müssen für eine realistische

Zustandsbeschreibung der aktuellen Lage des Kulturjournalismus auch

Meinungen aus dem Feuilleton und dem Internet in diese einfließen.

3.3.1. Konkurrenz oder Ergänzung?

Mit den neuen Medien sind im Internet eine Fülle von partizipativen Formaten wie

Blogs oder Rezensionsplattformen entstanden, auf denen LaienjournalistInnen

bzw. AmateurkritikerInnen auf eine persönliche Art und Weise

Kulturberichterstattung betreiben. Einige erfolgreiche Beispiele im deutschen

Sprachraum dafür wären im Bereich Theater die Plattform nachkritik.de, in der

Literatur literaturkritik.de, und in der Kunst rebelart.net oder creative.arte.tv. Das

ambitionierteste Format ist wohl perlentaucher.de, eine Art Meta-Feuilleton, das in

einem täglichen Pressespiegel über die Inhalte deutschsprachiger Feuilletons in

Rundfunk und Zeitung informiert. Außerdem bündelt es eine Vielzahl an

Buchrezensionen und prominenten Gastkommentaren. Ähnlich wie

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perlentaucher.de, stehen die meisten relevanten Online-Kulturplattformen an der

Schnittstelle zwischen analogen und digitalen Medien. (LENZ 2011: 12)

Über den Erfolg dieser Formate und inwiefern sie den traditionellen

Kulturjournalismus herausfordern, scheiden sich die Geister. Während

Literaturblogs aus den USA wie „The Book Bench“ des Magazins New Yorker

weltweit die KritikerInnen in Blogosphäre und Massenmedien gleichsam

inspirieren, gelingt es im deutschen Sprachraum nur schwer, „eine stabile

intellektuelle Infrastruktur aufzubauen, in der sich öffentliche Geltung über einen

längeren Zeitraum hinweg akkumuliert.“ (STEINFELD 2011: 29) Der SZ-

Feuilletonchef ist überzeugt, das Feuilleton müsse sich vor einer Bedrohung aus

dem Internet nicht fürchten (ebda.: 24):

Die vor zehn Jahren sehr beliebte Vorstellung, der Amateurrezensent oder der Blogger könne dem professionellen und vor allem an die Zeitungen gebundenen Kritiker ernsthafte Konkurrenz machen, ist definitiv nicht eingetreten: Zwar gibt es diesen Dilettanten, und der umsichtige professionelle Kritiker wird ihn zuweilen lesen, falls er ihn findet – nicht zuletzt, weil der Amateur oft über einen grossen [sic] Reichtum an positiven Kenntnissen verfügt.

Partizipative Online-Angebote mit kulturjournalistischer Ausrichtung können in

ihrer heutigen Form also das klassische Zeitungsfeuilleton nicht in einem

gefährlichen Ausmaß bedrohen, aber in ihrer publizistischen Leistung durchaus

ergänzen. Ihre Stärke entfalten sie erst im Zusammenspiel mit den traditionellen

Medien, wenn diese auf sie aufmerksam werden. (vgl. BIKOS 2011) Dabei

könnten partizipative Onlinemedien - zumindest theoretisch - die Schwächen der

Zeitung kompensieren. Da viele dieser Angebote sehr spezialisiert Themen

außerhalb des massenmedialen Radars aufgreifen, gelingt es ihnen, wenn auch nur

in ihrer Gesamtheit, die kulturelle Realität detaillierter zu erfassen. Oftmals

resultiert eben diese Konzentration des Feuilletons auf mehrheitsfähige Themen

aus einem Platzmangel, der im Internet außer Kraft gesetzt ist. Den Vorteil des

vorhandenen Rückkanals können partizipative Formate bislang nur bedingt für

eine qualitätssichernde Kontrolle nutzen, da in der Praxis deren Nutzung sich im

Rahmen hält. (BIKOS 2011: 28-57)

Natürlich basieren Kulturblogs und partizipative Onlinemedien hauptsächlich auf

dem ehrenamtlichen Engagement ihrer BetreiberInnen und verfügen nicht über jene

Ressourcen eines professionellen, institutionalisierten Nachrichtenmediums. Ihnen

fehlen Recherchekapazitäten, eine interne Qualitätssicherung und meistens auch

die Qualifikation ihrer AkteurInnen in Form von Bildung und Erfahrung. Noch

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erzielen traditionelle Medien eine weitaus höhere Reichweite und werden wegen

der hohen Markentreue vom Publikum als glaubwürdiger eingeschätzt. (ebda.)

Diese haben auf aber auf die potenzielle Konkurrenz reagiert, indem sie Blogs für

ihr eigenes Angebot nutzen. So leisten sich heute beinahe alle Medienhäuser,

Zeitschriften und Tageszeitungen auf ihren Internetseiten professionell betriebene

Blogs, meistens jene ihrer eigenen MitarbeiterInnen. Generell gilt: „Je mehr Gewicht

der Kultur im Primärmedium beigemessen wird, desto höher ist auch die Qualität

der Kulturblogs.“ (LENZ 2011: 13)

Eine wesentliche Aufgabe von KulturjournalistInnen ist das Filtern relevanter

Neuerscheinungen auf einem überfüllten Kulturmarkt. Nun entwickelten aber

Internet-DienstleisterInnen wie Amazon, last.fm, Spotify oder Jinni in den letzten

Jahren ausgefeilte Empfehlungssysteme, die den KulturkonsumentInnen via

komplexer Algorithmen treffsicherer über Neuheiten beraten, „als das ein

Filmkritiker, eine Buchhändlerin oder die Freunde auf Facebook jemals könnten“

(PASSIG 2011: 15). Sie stellen KritikerInnen in alten und neuen Medien vor weitere

Herausforderungen eines sich zunehmend verändernden Berufsfeldes. Inwiefern

KulturjournalistInnen diese Energie aus dem Social Web in einen positiven Fluss

umleiten (können), wird im nächsten Kapitel am Beispiel der journalistischen

Recherche, den Möglichkeiten mit dem Publikum in direkten Kontakt zu treten

und der Verbreitung und Vermarktung von Inhalten dargestellt.

3.3.2. Journalistische Recherche im Social Web

Gute Recherche ist das Um und Auf jeder journalistischen Arbeit. Sie bestimmt in

wesentlichem Maße die Qualität eines Textes. In ihrem Kern steht die

„Beschaffung, Überprüfung, Bewertung und Deutung des Neuen im Rahmen des

schon Bekannten.“ (HALLER 2004: 41). In Anlehnung daran definieren

Machill/Beiler/Zenker (2008: 34) als Recherche alle Handlungen zum

journalistischen Wissensgewinn, die zumindest eines der folgenden Ziele verfolgen:

• Evaluation der Relevanz eines Themas, • Überprüfung von bereits verfügbaren Informationen, • Erweiterung von Ausgangsinformationen bzw. Finden von neuen Informationen

Das Internet bietet JournalistInnen neue oder verbesserte Nutzungsoptionen für

die Recherche (NEUBERGER/WELKER 2008: 23): Dank seiner globalen

Verbreitung eröffnet das Internet den Zugang zu internationalen Quellen und

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erleichtert das Koordinieren von Recherchen über große räumliche Distanzen.

Informationen können multimedial aufbereitet werden und in Form von Text, Bild,

Grafik, Video- oder Audiodatei zum Download verfügbar gemacht werden, was

für JournalistInnen auch die Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeitsarbeit

erleichtert. Langzeitrecherchen großer und langfristiger Themen können fortlaufend

um neue Informationen ergänzt und daher leichter publiziert werden. Dank

Hypertextualität und Multimedialität im Internet können komplexe Recherchen

übersichtlich und leserfreundlicher präsentiert werden. (NEUBERGER/WELKER

2008: 23)

NEUBERGER/NUENBERGK/RISCHKE (2009: 297) definieren Recherche als

aktive Informationsbeschaffung und differenzieren in Quellen und Suchhilfen.

• Quellen können sowohl AkteurInnen sein, die per Email, telefonisch oder

persönlich Informationen bereitstellen, aber auch Dokumente, die Informationen enthalten. Partizipative Angebote wie Weblogs, Wikis und Nutzerplattformen wie Facebook bieten BürgerInnen und Interessensgruppen ein Forum. Für JournalistInnen sind sie neue Quellen.

• Suchhilfen hingegen sind die Wegweiser, die helfen, Quellen zu identifizieren

und Kontakt zu ihnen herzustellen, z.B. KollegInnen, ExpertInnen, Datenbanken, Verzeichnisse, Medienberichte, aber auch Suchmaschinen.

Im Social Web verschmelzen Suchhilfen und Quellen. Beispielsweise konzentrieren

Social Networks wie Facebook immer mehr die Nachrichtenflüsse von

Onlinemedien und werden von den Nutzern selbst an ihren Bekanntenkreis

weitergeleitet. Davon profitieren auch JournalistInnen, die so auf neue

Informationen gelenkt werden. Ebenso verfügt beispielsweise Twitter über

Suchfunktionen, die relevante Beiträge von ExpertInnen, Hinweise auf Studien

oder andere Medienberichte auflisten. JournalistInnen können, indem sie für ihre

Arbeit relevante Persönlichkeiten folgen, ein Informantennetzwerk aufbauen.

(HERMIDA 2012: 676) Social Communities vereinen also dank dem erweiterten

kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit AkteurInnen, Dokumente und

Wegweiser und bieten JournalistInnen eine Vielzahl neuer Quellen und Kontakte.

Redaktionen sehen in den von NutzerInnen generierten Inhalten, dem so genannten

User-generated Content, die auch über Soziale Medien den journalistischen Radar

erreichen, einerseits brauchbares Material für massenmedial taugliche Geschichten,

andererseits handle es sich sehr oft um Nonsens und diesen vom Wesentlichen zu

filtern, bedarf eines enormen Zeitaufwands. (vgl. WYSS 2012: 9)

Die Handlungsanweisungen der BBC wie ihre MitarbeiterInnen mit Social Media

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umgehen sollen (zitiert in NEWMAN 2009: 10), verdeutlichen den ambivalenten

Charakter von Social Media für die Recherche:

Social media sites are the new towns, or cities or neighbourhood bars, the places where the public gather and discuss things. Just as you wouldnʼt take a conversation from the neighbourhood bar and broadcast it as the truth, you need to do your own checking and verification and all those things still need to happen in your use of social media too.

Wenn österreichische JournalistInnen in Social Media recherchieren, dann tun das

die meisten im Kurznachrichtendienst Twitter (65%), im Sozialen Netzwerk

Facebook (55%), auf Blogs oder dem Videoportal Youtube (beide 28 %)17 . Am

besten eignen sich diese Formate als Trendbarometer, um Stimmungen

einzufangen, für schnelle Informationen und um MeinungsführerInnen aus Politik,

Wirtschaft und Gesellschaft zu folgen. Insgesamt aber dominiert die Recherche

nach wie vor das persönliche Gespräch und das Telefonat, gefolgt von den

digitalen Suchhilfen Suchmaschine und Email, den Nachrichtenagenturen,

Unternehmens-Websites und Presseportalen. Erst dann kommen Social Media,

RSS-Feeds und Audioportale. (vgl. ECCO 2012)

Den JournalistInnen stehen im Internet nun um einiges mehr Quellen für ihre

Recherche zur Verfügung. Die erleichterte Zugänglichkeit zum Online-Angebot der

Konkurrenz fördert aber den Einfluss auf die eigene Themensetzung von Medien.

WYSS (2012: 8) spricht von einer „Ko-Orientierung unter den Journalisten [...],

welche die Gefahr in sich birgt, dass mit einer selbstreferentiellen Thematisierung

ein einseitiger Blick auf das gesellschaftliche Geschehen reproduziert wird“. Die

journalistische Vielfalt kämpft dadurch mit Einschränkungen. Allerdings ist diese

nicht vom technischen Wandel, sondern vom steigenden Produktivitätsdruck

bedroht, dem besonders kleinere, an Ressourcen schwache Redaktionen immer

schwerer standhalten können. (vgl. WYSS 2012; KEEL/WYSS 2012)

Wie österreichische KulturjournalistInnen Social Media für die Recherche benutzen

wird in Kapitel 5.3.1.1. beschrieben.

3.3.3. Interaktion mit dem Publikum

Immer wieder fällt das bedeutungsschwere Wort „Demokratisierung“, wenn von

den Möglichkeiten der Partizipation durch die NutzerInnen gesprochen wird. Im

17 Bemerkenswert ist, dass in Deutschland und der Schweiz Facebook die Recherche dominiert. (vgl. ECCO 2012)

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Social Web könnten die NutzerInnen nun auf der gleichen Ebene mit den

JournalistInnen kommunizieren. Auch die Medien sollten von dem erweiterten

kommunikativen Zugang ihre Publikums profitieren: Man lerne durch

BenutzerInnenaccounts und Umfragen sein Publikum besser kennen, könne ihm in

Chats, Diskussionforen und als LeserreporterInnen einen Freiraum für Meinungen

und Fragen bieten, mit ihm über Facebook und Twitter in Kontakt treten, aus dem

Feedback von Bewertungen und LeserInnenkommentaren profitieren. Man wisse

endlich, was genau das Publikum eigentlich lesen, sehen oder hören will. Zwar

intensiviert das Internet mit seinen Dialogmöglichkeiten die Beziehung des

Journalismus zu seinem Publikum (vgl. WYSS 2012; NIELSEN 2012), de facto sei

sein interaktives Potenzial und die VermittlerInnenfunktion zwischen

JournalistInnen und ihrem Publikum aber „kaum ausgeschöpft“. (WYSS 2012: 9).

JournalistInnen stehen den Auswirkungen dieser interaktiven Beziehungen nach

wie vor ambivalent gegenüber: Laut einer Befragung von 582 JournalistInnen US-

amerikanischer Tageszeitungen lesen nur ein Drittel von ihnen gelegentlich die

NutzerInnenkommentare auf ihre eigenen Geschichten: „The majority of

journalists felt that comments rarely or never provided constructive critique.“

(NIELSEN 2012: 95)

Auch in unseren Breiten regiert Skepsis an der Sinnhaftigkeit der

Kommentarfunktion. Schweizer JournalistInnen betrachten die Publikumsbeiträge

als eher unfruchtbar, weil ihre Bearbeitung schwierig und zeitintensiv ist und sie

meist über „Empörung, Affekte und Geschwätz“ nicht hinausgehen. In den

selteneren Fällen sorgen sie als „Barometer oder Inspirationsquellen“ für

nützlichen Input. (WYSS 2012: 8-9)

Für den österreichischen Kulturjournalisten Walter Gröbchen sind Postings „der

neue Punk“. Sie sind Ausdruck eines/r aktiven MedienkonsumentIn und spiegeln

- wenn auch manchmal auf rebellische Art und Weise - die „wahren Meinungen,

Aversionen, Vorlieben, Wünsche und Bedürfnisse“ der Gesellschaft. Damit

drängen sie den/die KulturkritikerIn in die Defensive, denn sie rütteln an

seiner/ihrer Deutungshoheit, die ihm/ihr die traditionelle Sender-Empfänger-

Logik der Massenmedien beschert hat. (vgl. GRÖBCHEN 2012).

Trotz ihrer erheblichen Zweifel an der Qualität von NutzerInnenkommentaren

befürworten US-JournalistInnen ein Diskussionsforum, solange es auf

sachgerechten und glaubwürdigen Inhalten basiert und verbale Attacken durch

die anonymen KritikerInnen ausspart. Die verschleierte Identität der

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NutzerInnen18 sei schuld an den Diskriminierungen, Verschwörungstheorien und

persönlichen Angriffe gegen die im Artikel genannten Informanten. Dieses Problem

könne nur durch eine Moderation der Diskussionsbeiträge einer eigens abberufenen

RedakteurIn verhindert werden19 . (vgl. NIELSEN 2012) Wyss betont die

Wichtigkeit des Ausbaus von organisationalen Strukturen, um dem „gesteigerten

Ressourcenbedarf“ durch das Internet und den „erhöhten Anforderungen an die

Professionalität“ hinsichtlich Publikumspflege gerecht zu werden. Ziel muss es

sein, die Redakteure zu „entlasten oder unterstützen“. (WYSS 2012: 8-9)

Tatsächlich reagieren RedaktionsmanagerInnen in Krisenzeiten eher mit

Sparmaßnahmen als mit Budgeterhöhungen. Trotzdem beschäftigen immer mehr

Redaktionen, Agenturen oder Pressestellen für ihre Online-Angebote spezialisierte

Social-Media-RedakteurInnen oder Community-ManagerInnen. Ihr Job ist es die

Kommunikation in Diskussionsforen zu moderieren, Kurznachrichten zu twittern,

neue Inhalte auf Facebook zu recherchieren und redaktionelle zu verbreiten. Wie

viel Journalismus in diesen Tätigkeiten steckt, lässt sich nur schwer

verallgemeinern. (vgl. SIEGERT 2011)

Mit den interaktiven Kanälen von Social Media entstehen neue Handlungsweisen,

die JournalistInnen vom Gatekeeper zum/zur KuratorIn wandeln: „Their primary

role is to navigate, sift, select and contextualize the vast amounts of data on

social awareness streams.“ (HERMIDA 2012: 678) Dieses Kuratieren von Social

Media erfindet auch neue Formen des Geschichtenerzählens, wie die Plattform

„Storify“ demonstriert. (vgl. FINCHAM 2011) Auf ihr können nutzerInnengenierte

Inhalte wie Fotos, Videos und Kommentare aus Social-Media-Anwendungen wie

Facebook oder Twitter beliebig zu einer Geschichte arrangiert werden20 .

Trotz vielfältiger neuer Handlungsspielräume im Netz äußern Online-

JournalistInnen auch Zweifel am User-Generated-Content und an Sozialen

Medien, insbesondere wenn es um die Einschätzung von Klickraten geht. Auch

wenn diese die Interessen des Publikums repräsentieren und Einblicke in das

Nutzungsverhalten liefern, bringen sie die JournalistInnen unter Zugzwang: Wie

oft ein Beitrag angeklickt wird, entscheidet über die Relevanz eines Themas und

erhöht immer mehr den Anpassungsdruck (KEEL/WYSS 2012: 9) der

JournalistInnen an die Interessen eines vergleichsweise geringen aktiven Segments

18 Interessanterweise hat jeder zwanzigste Journalist zugegeben, schon einmal unter einem Pseudonym seinen eigenen Beitrag oder den eines Kollegen kommentiert zu haben. (NIELSEN 2012: 95) 19 In den USA haben einige Zeitungsunternehmen bereits ihr „Comment-Management“ an Dritte ausgelagert. (NIELSEN 2012: 86) 20 siehe http://storify.com/storifyfaq/frequently-asked-questions

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des Onlinepublikums.

3.3.4. Publizieren im Social Web

Das Internet bietet dem Journalismus im Allgemeinen (vgl. HOOFFACKER 2010;

TRAPPEL 2008; NEUBERGER 2008; WYSS 2012), dem Kulturjournalismus im

Speziellen (vgl. STEGERT 2012) ein erweitertes Spektrum an medialen

Vertriebskanälen. STEGERT (2012: 556) attestiert dem Internet als

„Multimedium“ großes Potenzial für die Weiterentwicklung kulturjournalistischer

Beitragsformen, mithilfe deren sich alle Kunstformen sinnlich darstellen ließen.

Beispielsweise veranschaulichen digitale Hörproben auf kulturorientierten

Webseiten den Charakter von Musik, Filmausschnitte die Handlung eines

Kinofilms oder Bildergalerien die Höhepunkte einer Theateraufführung. Wofür in

einer Zeitungsrezension ausschließlich das Beschreiben und Schildern (STEGERT

2012: 557) des/der KritikerIn sorgen müsste, kann im Internet die Kunst -

zumindest in Auszügen - sich selbst präsentieren.

In der Praxis aber liegen Stegert zufolge Kulturseiten im Internet weit hinter ihren

Möglichkeiten: Sie sind dominiert von Werbevideos von Agenturen ohne jegliche

kritische Bearbeitung. Wenn Medien Rezensionen veröffentlichen, dann meistens

erst nachdem sie zuvor in der Zeitung oder im Radio erschienen sind. „Die meisten

kulturjournalistischen Angebote im Internet bieten bisher Rohmaterialien, aber

keine dem Medium gemäßen durchgearbeiteten Beiträge“ (STEGERT 2012: 559).

Vergleicht man die Themenschwerpunkte österreichischer Tageszeitungen mit

denen ihrer Webangebote, offenbart sich im Internet ein Bedeutungsverlust von

Kunst- und Kulturthemen. Während diese in den Printausgaben einen Platz von

11% an den tatsachenorientierten Themen einnehmen, verringert sich jener Online

auf gerade mal 3%. (STARK/KRAUS 2008: 312f.)

Wegen dem wachsenden Bedürfnis des Publikums, seine Zeit im Internet zu

verbringen, wird es für (Kultur-)JournalistInnen immer wichtiger, „Teil der

individualisierten Mikro-Nachrichtenflüsse“ (LANGER/SCHWINDT 2011: 3) zu

werden. „Facebook und Twitter werden vielleicht in einigen Jahren durch neue

Plattformen ersetzt, aber das Bestreben der Nutzer aktiv im Netz zu

kommunizieren und durch Empfehlung von Inhalten über deren Relevanz zu

bestimmen, ist kein flüchtiger Trend, sondern ein tiefgreifender Wandel, der gerade

erst begonnen hat.“ (LANGER/SCHWINDT 2011: 3)

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Social Media bieten neue Tools für alte Techniken. (NEWMAN 2009: 39) Die

interaktiven Kanäle öffnen den KulturJournalistInnen weitere Türen zur

Aufmerksamkeit ihres Publikums. Einige Beispiele hierfür wären:

Weblogs

KulturJournalistInnen nützen Blogs meist in der Tradition einer Kolumne, zum

Ausdruck ihrer subjektiven Sicht oder sie berichten über Kunst- und

Kulturereignisse. (STEGERT 2012: 559) Diese können auch multimedial erweitert

werden zu Videoblogs, kurz Vlogs. (vgl. FENGLER/KRETZSCHMAR 2009: 66f).

Die Videos leben von der Persönlichkeit des Bloggers, der auf seriöse oder

unterhaltsame Weise regelmäßig „on-demand“ Geschichten anbietet. Wichtig ist,

dass Vlogs nicht nach den Regeln der traditionellen TV-Nachrichten funktionieren,

sondern mehr Erfolg versprechen, wenn sie einen kreativen und innovativen

Zugang finden. Ein Paradebeispiel hierfür bietet Matusseks Kulturtipp21 auf dem

deutschen Nachrichtenportal SPIEGEL ONLINE. Der Journalist und Publizist

Matthias Matussek kommentiert in seinem Vlog regelmäßig den Kulturbetrieb mit

gehörigem Zynismus, Humor und Selbstironie. Seine kontroversen Filme

polarisieren und spalten die Forengemeinde, aber sie durchbrechen die

Aufmerksamkeitsschwelle und bringen das Publikum dazu, sich in Kommentaren

mit den polemischen Inhalten auseinanderzusetzen.

Twitter

Laut Neuberger (2010) ist Twitter unter deutschen JournalistInnen - noch vor

Weblogs, Social Bookmarking-Diensten, Facebook und Youtube - der am meisten

genutzte Social Web-Dienst. Ein Paradebeispiel für einen innovativen Umgang mit

dem Kurznachrichtendienst für kulturjournalistische Zwecke bot der US-

amerikanische Musikkritiker Christopher. R. Weingarten. Unter dem Namen

„1000TimesYes“ bespricht dieser in humorvoll-pointierten Einzeilern, ergänzt

durch eine Wertung in Zahlen, eintausend Alben pro Jahr. Es gelang ihm sogar, die

Twitter-Reviews auf gedruckten Karten zu verkaufen und damit ein Engagement

bei Rollingstone.com zu ergattern. (vgl. PETERS 2010)

Natürlich stellt sich die Frage, wie nachvollziehbar kann eine Argumentation sein,

mit jener ein Kulturgut bewertet wird, wenn die Essenz aus einem einzigen Satz

21 siehe http://www.spiegel.de/thema/matusseks_kulturtipp/

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besteht. Twitter bietet wohl kaum den Platz für ein vielseitiges und tiefgreifendes

Resümee. Im Falle von Weingarten verhalf es ihm allerdings, seinen Namen als

Marke zu etablieren und mit frechen Kommentaren in 140-Zeichen-Länge die

Informationslust seiner FollowerInnen zu stillen, die offenbar wenig interessiert

sind an ellenlangen Analysen, sondern in kurzer und bündiger Form vermittelt

bekommen wollen, was ist neu, was ist gut, was hat mich zu interessieren.

Soziale Netzwerke

Dass sich das Publikum mit Postings und Kommentaren vom RezipientInnen

zum ProduzentInnen emanzipiert (vgl. GRÖBCHEN 2010), ist im vorigen Kapitel

geklärt worden. Dank den Empfehlungsfunktionen in Sozialen Netzwerken wie

dem „Gefällt mir “ oder dem „Empfehlen-Button“ und in Microblogging-

Plattformen wie dem „Tweet-Button“, die mittlerweile genauso Webangebote

außerhalb ihrer Homepage ausstaffieren, wandelt sich der/die NutzerIn auch hin

zum/zur DistribuentIn (STEGERT 2012: 558) journalistischer Inhalte. Es kommt

zur Vernetzung professioneller Kommunikation mit privater und semi-öffentlicher

Kommunikation. (ebda.: 560)

Für JournalistInnen entwickeln sich Empfehlungen zu einem weiteren wichtigen

Vertriebskanal für die eigenen Geschichten im Internet bzw. zu einem nicht zu

unterschätzenden Multiplikator von Werbewirkung. JournalistInnen sorgen aber

auch persönlich durch das Posten von Links in Facebook, Twitter, Blogs oder

Foren für die Verbreitung ihrer Themen.

Facebook22 hat in einer Studie (2011) erhoben, wie NutzerInnen die Facebook-

Seiten von JournalistInnen in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse: Beiträge mit einer

Frage oder einer Aufforderung an das Publikum erhalten am meisten Feedback.

Ebenso führen persönliche Einschätzungen oder Analysen zu mehr Resonanz.

Auch der Einsatz von Bildern lohnt sich: Posts mit Fotos können mit doppelt so

hohen Klickraten rechnen als reine Textnachrichten und Link-Angaben werden

öfter verfolgt, wenn ihnen ein Thumbnail-Bild angehängt ist. (vgl.

LAVRUSIK/CAMERON 2011)

Für den Kulturjournalismus bedeutet das, je mehr das Publikum in den

veröffentlichten Inhalt integriert wird, umso höher stehen die Chancen, dass dieser

von ihm verbreitet wird. 22 Facebook bietet JournalistInnen eine eigene Plattform mit Tipps für eine bessere Anwendung des Sozialen Netzwerks: https://www.facebook.com/journalists/info

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Personalisierte und Mobile Angebote

Das Publikum wird im Internet zum/zur ProgrammdirektorIn und bestimmt

selbst, was zu welchem Zeitpunkt über welchen Kommunikationskanal gesendet

wird. Durch das Abonnieren von E-Mail-Newslettern, mobilen Apps und RSS-

Feeds (Real Simple Syndication) können Nachrichtenströme personalisiert werden

und nach Interessen gefiltert werden. KulturjournalistInnen profitieren davon,

wenn ihre Artikel oder ihre Themengebiete mit Newsletter- oder RSS-Feeds

ausgestattet sind.

Spotify

Eine weitere Möglichkeit, sein Kulturpublikum im Netz abzuholen, bietet der

schwedische Musik-Streaming-Dienst Spotify, mit dem es für registrierte

NutzerInnen möglich ist, Musik zu kaufen oder zu abonnieren. Die Software wird

in den USA und Europa von über 20 Millionen23 Menschen genutzt und setzt auf

soziale Vernetzung zwischen den Profilen und auf Sharing durch eine enge

Verbindung mit Facebook.

Der britische NME-Journalist Luke Lewis beispielsweise nutzt eine eigene Spotify-

App dazu, den NutzerInnen des digitalen Musikdienstes eigens kompilierte

Playlists vorzuschlagen, die gelegentlich in Absprache mit dem Publikum erstellt

werden. „You can ask your followers what the most epic song outros are, they

send it a bunch of ideas and then you create a playlist and get feedback. It’s a

really collaborative thing.“ (LEWIS im Interview mit FORDE 2012) Das britische

Musikmedium NME profitiert dabei nicht nur von der gewonnen Reichweite,

sondern auch vom multimedialen Content für seine Webseite in Form kostenloser

Musik24 . In Österreich nutzt DerStandard.at den Musikdienst Spotify, indem

MusikerInnen dazu eingeladen werden, besondere Playlists zu erstellen und diese

mit einem persönlich verfassten Text zu kommentieren.

Einen Überblick auf aktuelle Trends zur multimedialen und partizipativen

Aufarbeitung und Präsentation von Online-Nachrichten bietet HERNANDEZ im

Columbia Journalism Review (2012: 44.f). Neben browserbasierten Anwendungen

finden sie auch mobile Applikationen wie kollaborative Technologien wie

23 siehe http://www.spotify.com/at/about-us/press/information/ 24 siehe http://www.nme.com/news/nme/64718

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Crowdsourcing-Plattformen, die das Publikum mit deren Fotos (Liveshare) oder

Videos (Vyclone) in die Contentproduktion integriert oder multimediale Tools zur

Visualisierung von Daten wie Timelines (TimelineJS, Dipity, Vuvox), Infografiken

(Many Eyes, Tableau, visual.ly, easelly) oder Audio-Devices (Soundcloud).

Inwieweit Journalismus aber im Netz eigenständig betrieben wird und über eine

Mehrfachverwertung bestehender Inhalte aus den Mutterredaktionen hinausgeht,

richtet sich nach den Zielsetzungen des Redaktionsmanagements und den

aufgebrachten personellen und finanziellen Ressourcen25 . Und hier klaffen die

Unterschiede zwischen Theorie und Praxis weit auseinander. Dabei böte das

Internet mit seinen unbegrenzten Kapazitäten genügend Platz für einen

vertiefenden Kulturjournalismus (STEGERT 2012: 557), welcher in traditionellen

Medien oft nur mehrheitsfähigen Themen vorbehalten ist.

Eine erste theoretische Einführung in die kulturjournalistische Arbeit soll im

empirischen Teil um konkrete Handlungsweisen aus der Praxis des

österreichischen Kulturjournalismus erweitert werden. Zuvor wird dafür im

nächsten Kapitel mit der Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1997) das

sozialtheoretische Fundament gelegt.

25 vgl. STARK/KRAUS (2008) für einen Überblick auf die crossmedialen Strategien der überregionalen Tageszeitungen Krone, Kurier, Presse, Standard und Österreich.

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4. STRUKTURATIONSTHEORIE „In ihrem Alltagshandeln beziehen sich Akteure immer und notwendig auf die strukturellen Momente übergreifender sozialer Systeme, welche strukturellen Momente sie so zugleich reproduzieren.“

(GIDDENS 1997: 76)

4.1. Strukturation und Journalismus

Der Diskurs über journalistische Arbeitsweisen setzt meistens auf einer

individuellen Ebene der JournalistInnen an. Die Analyse aus einer

handlungstheoretischen Perspektive lässt aber außer Acht, dass soziale Praktiken

von JournalistInnen - werden sie wiederholt angewendet und erzeugen Routine -

„robuste Rückwirkungen auf das journalistische System und dessen Regeln

haben“. (WYSS/KEEL 2008: 63)

Die Strukturationstheorie des britischen Soziologen Anthony Giddens (1997) bietet

den geeigneten sozialtheoretischen Unterbau, mit dem soziale Praktiken von

JournalistInnen auch als strukturierender Vorgang beschreibbar sind. Innerhalb der

Journalismusforschung wird die Theorie deshalb gern verwendet, weil sie eine

Brücke zwischen Handlungstheorie und Systemtheorie schlägt. Da im

strukturationstheoretischen Sinn das Handeln und seine Struktur in einem

rekursiven Verhältnis zu einander stehen, kann von den Handlungen der

journalistischen Akteure auf Veränderungen der Systemstrukturen im

Journalismus geschlossen werden. Dieses duale Verhältnis von Struktur und

Handeln qualifiziert die Strukturationstheorie insbesondere, um kommunikativen

und sozialen Wandel zu analysieren. (vgl. ZERFASS 2007)

Wie schon in Kapitel 2 beschrieben, hat das Internet einen weiteren

kommunikativen Wandel ausgelöst, der auch den Journalismus, seine

Produktionsbedingungen und somit seine sozialen Praktiken verändert hat (siehe

Forschungsstand). Neue technologische Ressourcen stehen dem Journalismus zur

Verfügung und beeinflussen dessen Handeln. Die vorliegende Arbeit interessiert

sich dafür, wie die spezielle Ressource der Social Media folgende soziale Praktiken

von KulturjournalistInnen verändert hat: die Recherche, das Kommunizieren mit

dem Publikum und das Publizieren in Social Media. Werden neue Praktiken

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routinehaft angewendet, verändern sie das journalistische Handeln und erzeugen

neue Regeln bzw. verändern bereits bestehende. Diese neuen Regeln modifizieren

wiederum die Strukturen im System des Journalismus, welche rückwirkend das

Handeln der JournalistInnen entweder ermöglichen oder beschränken. Giddens

nennt dieses rekursive Verhältnis die Dualität von Struktur und Handeln, d.h.

Regeln sind Teil der immer wieder (re-)produzierten Struktur, die sich im

redaktionellen Handeln manifestiert. Der rekursive Charakter betont ein

Veränderungspotenzial, das den journalistischen Akteuren und ihrem Handeln

innewohnt. (vgl. WYSS/KEEL 2008: 66) Sie können mit ihrem Handeln also den

Journalismus verändern. Journalismus wird also als ein gesellschaftliches

Teilsystem interpretiert, das sich über die Anwendung von Regeln und Ressourcen

immer wieder neu produziert.

Auf Grund ihres hohen Komplexitätsgrades werden im Folgenden nur die für die

Untersuchung relevanten Begriffe der Theorie erläutert: AkteurIn, Handeln,

Struktur, Regeln und Ressourcen.

4.2. AkteurIn

In seinem Standardwerk „Die Konstitution der Gesellschaft“ (1997) verortet

GIDDENS das soziale Zusammenleben innerhalb eines Spannungsfeldes von

handelnden AkteurInnen und gesellschaftlichen Strukturen.

Soziale Systeme wie Gesellschaften, Institutionen oder beispielsweise

Medienorganisationen sind nach GIDDENS „an Raum und Zeit gebundene,

kontinuierlich reproduzierte Beziehungen zwischen sozialen Akteuren oder

Kollektiven, die sich als regelmäßig beobachtbare soziale Praktiken darstellen“

(WYSS 2004: 310). Die relevanten sozialen AkteurInnen für die vorliegende

Untersuchung sind die KulturjournalistInnen, die mit ihren sozialen Praktiken

dafür sorgen, dass die Struktur eines Kulturressorts, einer Redaktion, eines

Medienunternehmens und nicht zuletzt auch Kulturjournalismus als System

entstehen kann. GIDDENS zufolge beziehen sich die sozialen Praktiken der

sozialen AkteurInnen auf Regeln und Ressourcen und erneuern ständig durch

deren Reproduktion die Grenzen von Organisationen. Medien sind im Sinne der

Strukturationstheorie also auch „Systeme organisierten Handelns“

(ORTMANN/SYDOW/WINDELER 1997: 317) und nicht als geschlossen,

sondern als variabel zu begreifen. Die Regeln können eingehalten werden, können

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gebrochen werden und können jedenfalls verändert werden. Ebenso werden

bestehende Ressourcen mit neuen ersetzt. Ihre kontinuierliche Anwendung verleiht

ihnen systemische Form und macht sie zu tragenden Säulen der Struktur eines

Mediums. (vgl. WYSS 2004: 311).

Mit dem Internet erhielten nun auch soziale AkteurInnen außerhalb der

professionellen Medienkommunikation Plattformen, um sich zu vernetzen und zu

kommunizieren. „Their enactment with the technology at hand undermines the

structures that reinforce the power of mainstream media organizations to

construct public visibility of social reality.“ (ASHURI 2012: 53) Dank einem

erweiterten kommunikativen Zugang (vgl. NEUBERGER 2008: 21-24) können

Soziale AkteurInnen im Internet nun selbst als Kommunikator auftreten.

Partizpative Ressourcen wie Social Media forcieren diesen Rollenwechsel des

Publikums vom/von der RezipientIn zum/zur KommunikatorIn und erweitern

damit auch die sozialen Praktiken von JournalistInnen, die nun mit ihrem

Publikum/den RezipientInnen/den NutzerInnen interagieren. „Individual

enactments with these devices facilitate both the conservation and the diversion of

social structures reflected and created in the journalistic environment.“ (ASHURI

2012: 53)

4.3. Handeln

Will man soziale Systeme und ihre Strukturierung analysieren, bedeutet das laut

GIDDENS zu untersuchen, „wie diese in Interaktionszusammenhängen

produziert und reproduziert werden“ (GIDDENS 1997: 77). Die Systeme bestehen

aus den bewusst vollzogenen Handlungen ihrer AkteurInnen, die sich in den

unterschiedlichen Handlungskontexten auf bestehende Regeln und auf Ressourcen

beziehen. (GIDDENS 1997: 77).

Wie alle AkteurInnen im Giddenschen Sinn haben die JournalistInnen Gründe für

ihr Handeln, verfolgen mit ihm Zwecke sowie Ziele und orientieren sich an ihren

Interaktionspartnern. (PETERS 2011: 28) Dieses Handeln wird von den

AkteurInnen reflexiv gesteuert, womit gemeint ist, dass „soziale Akteure

versuchen, „ihre Handlungsbedingungen einschließlich der sozialen Kontexte,

unter denen sie handeln, sowie die Konsequenzen ihres Handelns reflexiv zu

kontrollieren“ (WYSS 2004: 309). Das Handeln ist also nicht Verhalten, das

einfach vollzogen wird, sondern ein „kontinuierlicher Prozess“ (GIDDENS 1997:

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431), der durch zielgerichtete und bewusste Steuerung kontrolliert wird. Um

soziale Praktiken kontinuierlich wiederholen zu können, bedarf es jener reflexiven

Steuerung des Handelns, in die „das Wissen um mögliche Bedingungen und

Folgen des eigenen Deutens und Handelns“ (WYSS 2004: 309) einfließt. Wenn

AkteurInnen das Geschehen reflexiv in ihr Handeln integrieren, sind sie dabei aktiv

und kreativ und „bringen ihr praktisches Wissen damit in die Konstitution der

Systemstrukturen ein“ (ebda.). Die Handelnden nehmen also auf den

„fortlaufenden Prozess des gesellschaftlichen Lebens steuernden Einfluss“

(GIDDENS 1997: 53). Alle Menschen sind demnach bewusst handelnde Subjekte,

die laut GIDDENS sehr viel über die Bedingungen und Folgen ihrer

Alltagstätigkeiten wissen. Dieses „theoretische Verständnis für die Gründe ihres

Handelns“ (GIDDENS 1997: 56) nennt er Rationalisierung des Handelns. Soziale

AkteurInnen sind demnach im Stande, auf Nachfrage ihre Handlungen und die

Gründe dafür diskursiv zu beschreiben. Dieses Wissen ist im praktischen

Bewusstsein verankert; die Fähigkeiten sie zu beschreiben im Strom ihres

alltäglichen Verhaltens (GIDDENS 1997: 56f). Zwar attestiert GIDDENS sozialen

AkteurInnen auch unbewusst motiviert zu handeln, die kontinuierliche reflexive

Steuerung resultiert aber aus dem praktischen Bewusstsein, also all dem, „was

Akteure über die Umstände ihres Handelns und das anderer Akteure zu wissen

glauben und worauf sie sich beim Handeln beziehen.“ (WYSS 2004: 310)

Das Ziel dieser Untersuchung ist, das praktische Bewusstsein von

KulturjournalistInnen zu ergründen, um zu erfahren, mit welchen Absichten unter

welchen Gründen sie ihr journalistisches Handeln im Social Web so steuern, wie sie

es tun. Ihre Handlungsweisen - konkret die Recherche, die Interaktion mit dem

Publikum und das Publizieren - verraten, auf welche Regeln und Ressourcen sie

sich beziehen und inwiefern sie damit die Struktur des Systems Journalismus

verändern.

4.4. Struktur

Mit dem Neologismus der Strukturation (dt. Strukturierung) offeriert GIDDENS

das sozialtheoretische Missing Link zwischen Struktur und Handeln. Im üblichen

Sprachgebrauch bezieht sich Struktur auf die dauerhafteren Aspekte von sozialen

Systemen. GIDDENS will mit seinem Strukturbegriff den fixierten oder

mechanischen Gebrauch von Struktur brechen und erweitert diesen um einen

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flexiblen, prozesshaften Begriff. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass GIDDENS

zufolge Struktur nicht real wahrnehmbar existiert, sondern sich erst in den

sozialen Praktiken der AkteurInnen manifestiert. Kompetente AkteurInnen können

in einem wechselseitigen Verhältnis diese Strukturen durch ihr Handeln wiederum

verändern. (GIDDENS 1997: 432)

Die wichtigsten Aspekte von Struktur bilden Regeln und Ressourcen. Sie sind „in

rekursiver Weise in die Reproduktion sozialer Systeme einbezogen“ (GIDDENS

1997: 432), d. h. bei der Bildung von Strukturen wird auf Regeln und Ressourcen

zurückgegriffen. Struktur entsteht also in einem Prozess, in dem diese Regeln und

Ressourcen in interaktiven Beziehungen über Raum und Zeit reproduziert werden.

Struktur manifestiert sich dann, wenn AkteurInnen ihr Handeln auf Regeln und

Ressourcen beziehen und diese damit gleichzeitig reproduzieren. (WYSS 2004:

316)

Die Struktur des Systems Journalismus beispielsweise realisiert sich erst im

redaktionellen Handeln der Journalisten und wird durch diese in einem rekursiven

Verhältnis reproduziert. Am Beispiel der Recherche als ein „reflexiver und

diskursiver Steuerungsprozess der journalistischen Informationsgewinnung“

erklärt WYSS den Begriff Rekursivität folgendermaßen:

Die Teilergebnisse des Rechercheprozesses werden wieder rekursiv auf das Handeln der nächsten Teilschritte bezogen. Recherche wird so selbst zum Objekt der reflexiven Steuerung der Informationsgewinnung. Im Rechercheprozess orientieren sich Journalisten bei der Planung nicht nur an Sachzielen; ihr Handeln wird auch durch organisationsspezifische oder professionelle Normen gesteuert. Die Anwendung autoritativer und allokativer Ressourcen beeinflusst den Planungsprozess ebenso, in dem beispielsweise berücksichtigt wird, ob für die anfallenden Recherchearbeiten genügend Mittel (Zeit, Geld, Personal) zur Verfügung stehen oder ob entsprechende Zuständigkeiten (z.B. in der Rolle des Reporters) definiert sind. (WYSS 2004: 317, vgl. WYSS 2002: 337 ff.)

Der rekursive Charakter vom Entstehen von Strukturen verweist auf ein

Veränderungspotenzial, das von den AkteurInnen und ihrem journalistischen

Handeln ausgeschöpft werden kann. (WYSS/KEEL 2008: 66f) Innerhalb einer

(Medien-)Organisation bestimmen spezifische Regeln und das Vorhandensein von

Ressourcen, ob die journalistische Produktion ermöglicht oder limitiert wird. Diese

organisationalen Praktiken determinieren die Struktur, die von den redaktionellen

MitarbeiterInnen und ihrem Handeln wiederum (re-)produziert oder verändert

wird. (vgl. WYSS 2004: 311) Im Folgenden werden diese Regeln und Ressourcen

genauer beschrieben.

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4.5. Regeln

Wenn Menschen miteinander interagieren, kommunizieren sie, üben Macht aus

oder rechtfertigen ihre Handlungen. Dabei beziehen sie sich reflexiv und rekursiv

auf Regeln der kognitiven Ordnung sowie der Legitimationsordnung. GIDDENS

definiert diese Regeln als „Techniken oder verallgemeinerbare Verfahren“

(GIDDENS 1997: 73), anhand derer soziale Praktiken ausgeführt bzw.

reproduziert werden. Diese sozialen Praktiken basieren auf Interaktion und

aktualisieren die Normen und Schemata der Strukturen, gleichzeitig werden sie

dadurch auch reproduziert. (WYSS 2004: 312) Regeln im Sinne der Strukturation

entsprechen aber nicht spezifischen Verhaltensbeispielen oder formalisierten

Vorschriften wie jenen eines Spiels. GIDDENS differenziert zwischen Regeln, die

sich zum einen auf die „Konstitution von Sinn“ beziehen und zum anderen auf

die „Sanktionierung sozialer Verhaltensweisen“. (GIDDENS 1997: 70)

WYSS/KEEL (2008) projizieren diese Regeln auf den Journalismus

folgendermaßen:

Regeln, auf die sich Journalisten in ihrem Handeln beziehen, sind Teil der journalistischen Sinn- und Legitimationsordnung, die etwa als Qualitätsziele oder journalistische Konzepte zum Ausdruck gebracht werden können. Sie stellen das Verbindungsglied zwischen der Sinn- bzw. Legitimationsordnung und dem Handeln dar und können in Deutungsmustern und -normen - wie etwa Qualitätsstandards - zum Ausdruck gebracht werden. (WYSS/KEEL 2008: 61)

Als weitere handlungsprägende und -ermöglichende Regeln der Sinnkonstitution

nennt WYSS (2004) beispielsweise die Anwendung von Nachrichtenwerten zur

Themenselektion journalistischer Texte, Leitbilder des Medienunternehmens oder

Rollenbilder des vertretenen Journalismuskonzepts (z.B. Qualitäts- oder

Boulevardjournalismus). Auch das Framing-Konzept spielt eine Rolle bei der

Vermittlung zwischen Struktur (z.B. Regeln der Nachrichtenauswahl) und

Handeln (z.B. tatsächlichen Selektionsentscheidung). Demnach wählen und

beurteilen JournalistInnen Informationen innerhalb eines Rahmens kognitiver

Interpretationsleistungen. Dieser Rahmen wird als eine soziale Praktik von der

jeweiligen Redaktion hervorgebracht. Entsprechen die Informationen diesem

kognitiven Schema, haben sie eine größere Chance, ihren Weg in die

Berichterstattung zu finden. (vgl. WYSS 2004: 313; KUNCZIK/ZIPFEL 2001:

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271f.)

Regeln äußern sich auch als Ausdruck von Herrschaft und Macht. Akteure

beziehen sich in ihrer Alltagspraxis auf Regeln und (re-)produzieren sie so in ihrem

Handeln. (GIDDENS 1997: 76) Diese sogenannten Strukturmomente dienen somit

der Sanktionierung bzw. der Reproduktion der Legitimationsordnung. Hierzu

zählen Rechtsnormen, Standesregeln (Ehrenkodex), Sorgfaltspflicht,

Qualitätsstandards oder ethische Prinzipien wie eine faktentreue Recherche.

(WYSS 2004: 313). Sie helfen dem System Journalismus seine sinnhafte Ordnung

zu erhalten. Erst durch die Aktualisierung im Handlungsvollzug journalistischer

AkteurInnen werden die Regeln des Journalismus zu seinen Strukturen. (RAABE

2005: 66)

Im Social Web entstehen neue Kommunikationsräume, innerhalb derer bestimmte

Regeln die Nutzung der sozialen AkteurInnen bestimmen. In der Blogosphäre sind

diese eher informeller Art wie beispielsweise authentisches Handeln,

subjektivistische Positionen, expressiver Schreibstil. Ihre Einhaltung ist in keinem

Regelbuch konstituiert, die Regeln haben sich „genuin entwickelt, werden

reproduziert und modifiziert“ (PETERS 2011: 109). Auf Plattformen von Sozialen

Netzwerken hingegen definieren die BetreiberInnen in den Nutzungsrichtlinien

genau, auf welche Art und Weise das Angebot von seinen NutzerInnen zu

welchen Zwecken zu gebrauchen ist.

Um in Medienorganisationen bzw. Redaktionen die unterschiedlichen Ziele von

MitarbeiterInnen zu einem einheitlichen strategischen Handeln zu fokussieren,

bedarf es neben Regeln auch des Einsatzes von Ressourcen. (WYSS 2004: 315)

4.6. Ressourcen

Soziale Systeme folgen laut GIDDENS nicht nur einer sinnhaften und einer

moralischen Ordnung, sondern auch einer herrschaftlichen. Die Ausübung von

Macht, also die Reproduktion der Herrschaftsstrukturen, kommt im Sinne der

Dualität von Struktur aber erst durch die Nutzung von Ressourcen zum

Ausdruck. (WYSS 2004: 314) GIDDENS unterscheidet hierbei zwei Formen von

Ressourcen, die wiederum zwei weitere Strukturmomente darstellen: Autoritative

Ressourcen und Allokative Ressourcen. Beide Typen von Ressourcen werden in

Interaktionen durch machtvolles Handeln der AkteurInnen reproduziert und

vermitteln zwischen Struktur und Handeln. (WYSS 2004: 314) RAABE versteht

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unter Ressourcen sogenannte „Regelmäßigkeitsstrukturen“, die für die

Journalismusforschung dann relevant werden, wenn sie einen strukturierenden

Einfluss auf die journalistische Handlungspraxis ausüben. Für diese gelten sie als

konstitutiv, insofern sie „die ,objektiven´ Rahmenbedingungen von

Handlungssituationen bilden, jeweilige Handlungsspielräume festlegen und die

Chance mitbestimmen Handlungsziele zu erreichen“ (RAABE 2005: 67).

Autoritative Ressourcen

Sie sind bestimmt von Macht- und Herrschaftsstruktur und „beziehen sich auf

Fähigkeiten und Kapazitäten, die die Machtausübung über andere Menschen

ermöglichen“ (WYSS 2004: 314). Sie sind Ausdruck von sozialen

Positionsunterschieden und Hierarchien und äußern sich in Führungsverhalten

und Verfügungsgewalt. Im Journalismus beispielsweise artikulieren sie sich in der

Formalisierung der Redaktionsabläufe und im Organisationswissen.

Allokative Ressourcen

Für diese Arbeit wesentlicher sind die allokativen Machtmittel. Sie ermöglichen

AkteurInnen die Kontrolle über materielle Aspekte, wie zum Beispiel die

Verfügung über Geld, Technik, Personal. Das relevanteste Machtmittel für die

vorliegende Untersuchung bilden neue Informations- und

Kommunikationstechnologien. Sie schaffen neue Deutungsmuster wie

„Interaktivität, Multimedialität, ständige Aktualisierbarkeit oder

Vernetzung/Hypertextualität“ (WYSS 2004: 315). Diese neuen Regeln sind stark

mit der Entwicklung des Online-Journalismus verwurzelt, der sich als

eigenständiges Berufsfeld lange nicht emanzipieren konnte, da „Regeln und

Ressourcen des herkömmlichen Journalismus die Durchsetzungsfähigkeit

onlinespezifischer Handlungsmuster im Sinne regelmäßiger beobachtbarer sozialer

Praktiken behindere“ (WYSS 2004: 316).

QUANDT erforschte in seiner explorativen Studie „Journalisten im Netz“ (2005)

ebenfalls mit strukturationstheoretischem Ansatz das Handeln von Online-

Journalisten. Am Beispiel deutscher Onlineredaktionen konkretisierte er die

technischen Ressourcen nicht etwa als dem Handeln „Externes“, sondern als

„relationiertes Element“, das bereits in die Handlung einbezogen ist. Denn erst

durch die Ressource (z.B. Telefon) macht die Handlung (z.B. Telefonieren) Sinn.

Als weitere Beispiele für Ressourcen nennt QUANDT Informationsangebote im

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WWW, computergestützte Software wie Webbrowser, Textverarbeitungs-, HTML

und Emailprogramm, das betriebsinterne Redaktionssystem, den Newsticker der

Nachrichtenagenturen, aber auch analoge Hilfsmittel wie Drucker und Notizblock.

(vgl. QUANDT 2005b: 182-186)

Demnach sind auch partizipative Anwendungen im Social Web als allokative

Ressourcen interpretierbar. Im Falle von Social Media handelt es sich aber nicht

rein um Informationstechnologien in Form technikspezifischer Instrumente bzw.

webbasierter Anwendungen, sondern um soziale Handlungsräume (vgl.

ANASTASIADIS/THIMM 2012), „durch deren Nutzung insbesondere

individuellen, kollektiven und zumeist privaten Akteuren mit beschränkten

finanziellen und technischen Ressourcen erweiterte Möglichkeiten partizipativer

und interaktiver Formen der Kommunikation und Interaktion offenstehen.“

(PETERS 2011: 109)

Wie in Kapitel 1 und 2 beschrieben, werden Social Media von JournalistInnen

regelmäßig als Ressourcen für deren Arbeitsprozess verwendet. Diese Ressourcen

üben demnach als neue Regelmäßigkeitsstrukturen einen strukturierenden Einfluss

auf die journalistische Handlungspraxis aus (siehe Kapitel Forschungsstand). Die

Analyse dieser Ressourcen gibt Auskunft darüber, wie stark journalistisches

Handeln auf Technologien zurückgreift und welche neuen Handlungsspielräume

(vgl. RAABE 2005: 67) dabei entstehen. Diese sind in Medien eng gekoppelt an

organisationale Strukturen und Regeln. (vgl. ORLIKOWSKI 2000; ASHURI 2012)

Es darf davon ausgegangen werden, dass JournalistInnen dieses rekursive

Verhältnis von Handeln und Ressource im praktischen Bewusstsein registrieren.

„Wahrgenommene Handlungsmuster können dann im Sinne einer `strukturellen

Erinnerung´ als Grundlage für regelhaftes Handeln genutzt werden“ (QUANDT

2005: 171), wenngleich nicht jedes regelmäßige Handeln auch regelgeleitet sein

muss. In Relation zu anderen Handlungstypen entsteht ein `mehrdimensionales

Handlungsnetzwerk´, ein `Profil´ des Handelns. (ebda.: 171f.)

Ziel dieser Arbeit ist es, ein handlungstheoretisches Profil von

KulturjournalistInnen zu erstellen, indem das Zusammenspiel zwischen

journalistischem Handeln und allokativen Ressourcen untersucht wird, also

inwiefern partizipative und interaktive Ressourcen aus dem Social Web die

journalistische Recherche, die Interaktion mit dem Publikum und das Publizieren

von Inhalten beeinflusst werden.

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5. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

Das theoretische Gerüst des ersten Teils der Arbeit soll nun auf seine praktische

Tauglichkeit untersucht werden. Im Zentrum steht die Frage, inwiefern haben sich

Österreichs KulturjournalistInnen ihr Labor der Gegenwartsbeobachtung bereits

im Web 2.0 eingerichtet. Der empirische Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit

KulturjournalistInnen als handelnde AkteurInnen in einem Spannungsfeld

zwischen Kulturbeobachtung, Kunstkritik und Neuen Medien. Mit den

partizipativen und interaktiven Social Media steht auch den österreichischen

KulturjournalistInnen eine weitere Ressource in ihrem Instrumentarium zur

Verfügung. Es gilt nun herauszufinden, inwiefern diese Ressource bisherige

Handlungsweisen beeinflusst, erweitert oder sogar ersetzt und damit die Struktur

im Kulturjournalismus modifizieren kann bzw. konnte. Den KulturjournalistInnen

wird unterstellt, dass sie die Motive und Intentionen für ihre Handlungen aus

ihrem praktischen Bewusstsein auf Nachfrage abrufen können. Anhand ihres

Handelns und den Motiven dafür soll nun ergründet werden, inwiefern Social-

Web-Plattformen wie Facebook, Twitter, Youtube oder Weblogs einen

strukturierenden Einfluss auf die journalistischen Handlungspraxis nehmen bzw.

auf welche Ressourcen und Regeln beziehen sich die JournalistInnen und inwiefern

verändern sie mit ihrem Handeln die Struktur des Systems Journalismus.

5.1. Forschungsziel

Ziel dieser Arbeit ist es, zum einen ein handlungstheoretisches Profil von

KulturjournalistInnen zu erstellen, indem das Zusammenspiel zwischen

journalistischem Handeln und allokativen Ressourcen aus dem Social Web

untersucht wird, also inwiefern partizipative und interaktive Ressourcen wie

Facebook, Twitter, Youtube, Weblogs, etc. die Recherche, die Interaktion mit dem

Publikum und das Publizieren von beeinflussen. Zum anderen sollen von Social

Media ausgelöste Veränderungsprozesse ebenso dokumentiert werden wie deren

zukünftiges Potenzial.

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5.1.1. Wissenschaftliche Fragestellung

Wie verändern die auf Partizipation und Interaktion basierenden

Ressourcen des Social Web das kulturjournalistische Handeln und wie

beeinflussen jene neuen sozialen Praktiken rekursiv die Struktur im

professionellen Kulturjournalismus in Österreich?

5.1.2. Forschungsfragen

RESSOURCEN/HANDELN

F1: Wie beeinflusst die Ressource Social Media das kulturjournalistische Handeln?

(NUTZUNG)

F2: Was bietet die Ressource Social Media dem kulturjournalistischen Handeln für

Vorteile/Nachteile? (CHANCEN/RISIKEN)

REGELN/STRUKTUR/HANDELN

F3: Wie hat die Ressource Social Media das kulturjournalistische Handeln in den

letzten Jahren verändert? (WANDEL)

F4: Wie könnte die Ressource Social Media das kulturjournalistische Handeln noch

optimieren? (POTENZIAL)

5.2. Untersuchungsmethoden

Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurde die Methode des qualitativen

ExpertInneninterviews gewählt. Die damit gewonnen Daten werden nach der

Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

5.2.1. Erhebung: ExpertInneninterview

In der Journalismusforschung liefert das Qualitative Interview der Wissenschaft

ein Instrumentarium, den Journalismus durch die Augen seiner AkteurInnen zu

beobachten (HANITZSCH 2007: 257). Im Fokus der Forschungsfrage steht das

praxisbasierte Handlungs- und Erfahrungswissen von KulturjournalistInnen über

ihre Arbeitsweisen und ihre persönlichen Einschätzungen darüber. Um diese

Prozesse aus deren subjektiver Perspektive zu rekonstruieren, eignet sich die

Methode des Qualitativen ExpertInneninterviews. (GLÄSER/LAUDEL 2010: 13)

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In der Qualitativen Forschungsliteratur herrscht Uneinigkeit, wie ein/eine

ExpertIn zu definieren ist. In der vorliegenden Untersuchung geschieht dies

folgendermaßen: „Der Experte verfügt über technisches, Prozess- und

Deutungswissen, das sich auf sein spezifisches professionelles oder berufliches

Handlungsfeld bezieht“ (BOGNER/MENZ 2005: 46). Für die Sozialwissenschaft

dienen ExpertInnen als „Quelle von Spezialwissen über die zu erforschenden

sozialen Sachverhalte“ (GLÄSER/LAUDEL 2010: 12). In dieser Untersuchung

werden KulturjournalistInnen als ExpertInnen in qualitativen Interviews zu ihren

täglichen Arbeitsprozessen mit der Ressource Social Media befragt: Wie sind diese

aktuell gestaltet? Wie haben sie sich durch Social Media verändert? Wie könnten

sie in Zukunft aussehen?

5.2.1.1. Auswahl der Stichprobe

Für die Untersuchung wurden acht österreichische KulturjournalistInnen

ausgewählt. Die drei Frauen und fünf Männer arbeiten alle hauptberuflich und

Vollzeit im Kulturressort ihres Qualitätsmediums - entweder für das

Onlineangebot einer Tageszeitung, für Magazin, Radio, TV oder eine

Nachrichtenagentur. Sie integrieren allesamt Social Media in ihre tägliche

Arbeitsroutine.

Alle JournalistInnen bringen genügend Berufserfahrung mit, allerdings

unterscheiden sich die Berufsjahre unter den Befragten deutlich. Die jüngeren

TeilnehmerInnen sind unter dreißig und können daher das in den letzten Jahren

von Social Media ausgehende Veränderungspotenzial für den Kulturjournalismus

wohl eher weniger beurteilen. Dafür verfügen diese durch Offenheit und eine

intensive Nutzung von Social Media über ein wertvolles Spezialwissen, wie diese

für journalistische Zwecke effizient angewendet werden können.

Die älteren Befragten gelten dank ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als kompetente

BeobachterInnen und GestalterInnen des Kulturjournalismus. Sie können

Wandlungsprozesse besser bewerten, beweisen aber durch ihre Nutzung

wiederum eine Offenheit gegenüber neuen Technologien. Wenn auch die

Berufserfahrung der Befragten divergiert, gelten alle JournalistInnen als

ExpertInnen mit Spezialwissen über „institutionelle oder organisatorische

Handlungsabläufe“ (AUFENANGER 2006: 104). Dieses soll in dieser Arbeit die

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Basis für die Beantwortung der Forschungsfragen bereitstellen und wird in

qualitativen Leitfadeninterviews erschlossen.

Qualitative Interviews übertreffen quantitative Messverfahren dann, wenn nicht

die Repräsentativität der Stichprobe im Vordergrund steht, sondern „Strukturen

und Handlungsmuster aus Sicht der Interviewpartner“ (RIESMEYER 2011: 234)

untersucht werden sollen, wenn sich das Forschungsinteresse nach ihrem

„Alltagsgeschehen“ und ihrem „Alltagswissen“ richtet (ebda.). Die Vorteile liegen

in ihrer Offenheit, der Flexibilität und der Kommunikativität. (LAMNEK 2010: 371)

Für die Rekonstruktion von sozialen Situationen oder Prozessen

(GLÄSER/LAUDEL 2010: 13) scheinen ExpertInneninterviews scheinen die

bestgeeignete Methode zu sein.

Alle teilnehmenden JournalistInnen werden in der folgenden Tabelle kurz

charakterisiert:

Name Medium Alter JournalistIn seit

Dienstverhältnis Position Thematischer Fokus

Anzahl Kulturredakteure im Medium

Heide Rampetzreiter

DiePresse.com 31 2003 angestellt Ressortleiterin Kultur und Medien online

Kulturnachrichten alle Sparten

ca. 14 Print und 1 ,25 online

Barbara Rett ORF 59 1969 frei all in one Kultur /

Lisa Stadler derStandard.at 29 2008 angestellt Social Media Managerin

Social Media ca. 10 für Print und online

Martin Blumenau

FM4 52 1979 angestellt Chief Coordinator

Jugendkultur, Demokratie- und Medienpolitik, Musik und Fußball

"FM4 ist ein Jugend/Kultursender. so gesehen: alle"

Christoph Griessner

APA 27 2008 angestellt Redakteur Popkultur/-musik, klassische Musik, Neue Medien/Social Media

ca. 8

Walter Gröbchen

Freier Journalist, Blogger

50 1980 frei freier Journalist

Kultur /

Stefan Niederwieser

THE GAP 33 2006 angestellt Chefredakteur

Musik, Kultur ca. 60, davon vier angestellt

Stefan Trischler

FM4 32 1995 angestellt Redakteur Musik: HipHop, Soul, Elektronik, Jazz

ca. 72

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5.2.1.2. Datenerhebung

Sechs TeilnehmerInnen sind persönlich in ein- bis zweistündigen Einzelgesprächen

befragt worden. Um die Interviewsituation für die Befragten so natürlich wie

möglich zu gestalten, fanden die meisten Gespräche in deren Büros statt. Alle

Interviews sind mit Flashrecorder aufgezeichnet und transkribiert geworden. Zwei

der Interviews mussten schriftlich per Email geführt werden. Die

Kontaktaufnahme mit allen JournalistInnen erfolgte ebenfalls per Email.

Die halb-standardisierten Interviews wurden von einem Leitfaden gestützt (siehe

Anhang), der die Linie der Befragung vorgab, aber in jedem Gespräch eine

individuelle Richtung einschlägt. Einige der großteils offenen Fragen wurden allen

JournalistInnen gestellt, um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu

erzielen. Die Fragen zur journalistischen Nutzung von Social Media sind zum

Großteil standardisiert, wobei die Antworten individuelle Gegenfragen verlangten.

Eine vorwiegend offene Fragestellung gibt den Befragten Spielraum für selbständig

formulierte Antworten (ATTESLANDER 2000: 158) und ermutigt in alltäglichen

Gesprächssituation zu lebensnäheren Antworten (LAMNEK 2010: 312). Jedes

Gespräch ist jedoch bestimmt von abweichenden thematischen Schwerpunkten

bzw. von mediengattungsspezifischen Besonderheiten, die wiederum eine

Konzentration auf einen Teilbereich des Leitfadens oder spezielle neue Fragen

erfordern. Während manchen Gesprächen entstanden auch gänzlich neue Aspekte,

die vom Interviewführer eine flexible Anpassung in der Dialogführung verlangten.

Ein Vorteil des qualitativen Interviews ist es eben, dass der Gesprächsfluss nicht

vom Forscher prädeterminiert ist26. Für den diese entsteht dabei aber die

Herausforderung, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

5.2.2. Auswertung: Qualitiative Inhaltsanalyse

Nachdem die Erhebung mittels Leitfadeninterviews abgeschlossen wurde, müssen

die Daten ausgewertet und analysiert werden. Im Falle dieser Untersuchung

geschieht das mithilfe der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse. Die

Inhaltsanalyse ist ein theoriegeleitetes Auswertungsverfahren, das die empirische

Grundlage zur Beantwortung der Forschungsfrage bereitstellt. Mit ihr sollen die

26 für die Unterschiede zwischen standardisiertem und nicht-standardisiertem Interview vgl. LAMNEK (2010: 313.f)

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Realität auf Basis der kommunikativen Akte der JournalistInnen so gut es geht

rekonstruiert werden. Es wird davon ausgegangen, dass „Bedeutungszuweisungen

einer Handlungssituation“ auch dann repräsentiert sind, wenn nicht gehandelt

wird, sondern retrospektiv über einen Handlungsverlauf gesprochen wird.

(LAMNEK 2010: 463) Aus den Ergebnissen werden dann Hypothesen zum Thema

entwickelt. „Erst der wissenschaftlich kontrollierte Nachvollzug alltagsweltlicher

Konzepte durch ein Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse bringt ein empirisch

relevantes wissenschaftliches Konzept, eine Theorie über die soziale Wirklichkeit,

hervor. (ebda.: 463)

Theoretische Vorüberlegungen, die schon bei der Erstellung der Forschungsfrage

leitend waren und den Interviewleitfaden geordnet haben, bestimmen nun auch,

wie das Rohmaterial der Befragungen ausgewertet wird. Die Auswertung

orientiert sich am reduktiv-interpretativem Modell von LAMNEK (2010) und am

Auswertungsmodell von GLÄSER/LAUDEL (2010). Im Folgenden werden die

einzelnen Analyseschritte dargestellt.

1. Transkription 2. Entwicklung von Untersuchungskategorien 3. Themenmatrix 4. Einzelanalyse 5. Aufbereitung 6. Gesamtanalyse 7. Themenorientierte Darstellung

5.2.2.1. Transkription

Damit die Daten für den Leser nachvollziehbar sind, muss das aufgezeichnete

Interview vollständig transkribiert werden. Die Interviews wurden größtenteils

von Dritten transkribiert. Deshalb ist es neben intensivem Briefing über das

Forschungsziel besonders wichtig, klare Transkriptionsregeln festzulegen. Bislang

haben sich keine allgemein gültigen Regeln etabliert, nach denen Interviews zu

Papier gebracht werden (GLÄSER/LAUDEL 2010: 193). Prinzipiell gilt es, die Art

und Weise der Dokumentation an das eigene Forschungsziel anzupassen. Im Fall

der vorliegenden Forschung handelt es sich um eine rekonstruierende

Untersuchung. Das Forschungsziel richtet sich daher auf den Inhalt der Aussagen

von JournalistInnen und nicht auf deren Habitus und die Art und Weise, wie sie

diese gemacht haben. Non-verbale Ausdrücke (Gestik, Mimik, Körpersprache),

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para-verbale Äußerungen („äh“, „hm“ etc.), Sprechpausen, Tonfall, Stottern,

Lachen, Geräusche etc. spielen nur dann eine Rolle, wenn sie Aussagen verändern

und werden im Normalfall nicht verschriftlicht. Im Zentrum steht eine

detailgetreue Überlieferung der reinen Information der Aussagen der

JournalistInnen.

Die Regeln für die Transkription ihrer Interviews orientieren sich an

GLÄSER/LAUDEL (2010: 194):

• Das Audiomaterial wird in österreichischer Standardorthographie notiert. Unbekannte Dialektausdrücke werden der Hochsprache angepasst.

• Non-verbale Äußerungen (z.B. Lachen) werden nur dann vermerkt, wenn sie die Bedeutung der Aussage verändern.

• Besonderheiten der Antwort mit „Ja“ oder „Nein“ (zögernd, gedehnt, lachend) werden ebenfalls nur dann transkribiert, wenn sie ihren Sinn verändern.

• Unterbrechungen im Gespräch werden festgehalten. • Unverständliche Passagen werden markiert. • Bei Beginn einer neuen Sinneinheit wird ein Absatz geschalten.

Die InterviewpartnerInnen werden anonymisiert und mit Kürzeln versehen. Alle

geführten Interviews werden für die Analyse verwendet.

5.2.2.2. Entwicklung der Untersuchungskategorien

Nachdem das Material schriftlich aufbereitet wurde, wird es nach seinen

thematischen Verläufen untersucht. Dies geschieht zeitgleich mit der ersten

Durchsicht der Protokolle, in der gleichzeitig das Audiomaterial kontrolliert und

das Interview in einem interpretativ-reduktiven Prozess auf die wesentlichen

Aussagen konzentriert wird. (vgl. LAMNEK 2010: 370) Die bereits den

Interviewleitfaden gliedernden Variablen Journalistische Nutzung (Recherche,

Interaktion, Publizieren), Chancen und Risiken, Wandel und Potenzial von Social Media

bilden hierbei den roten Faden, entlang dessen die Interviews nach relevanten

Aussagen untersucht werden. Die Kategorien Recherche, Interaktion und Publizieren

werden am Beispiel der Social-Media-Anwendungen Facebook, Twitter, Youtube und

Blogs konkretisiert und einzeln ausgewiesen. Das Kategorienschema soll offen

gehalten werden, sodass aus den Gesprächsinhalten auch neue, unerwartete und

die Forschungsfrage beantwortende Aspekte als Themen mit Unterkategorien

gebildet werden können. Diese ergänzen die bestehenden Überbegriffen, können

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sie aber nicht ersetzen. Die bereits vorher theoretisch festgelegten Kategorien und

die neuen, während der Analyse entstehenden Ausprägungen helfen dabei, das

Interview so genau wie möglich zu beschreiben und einen Überblick auf die

Themen zu verschaffen. Die Kategorien entstehen also in einem induktiv-

deduktivem Mischverfahren: Zum einen resultieren sie aus der vorangegangen

Theorie und den Ordnungskategorien des Gesprächsleitfadens. Zum anderen

werden weitere Unterkategorien aus dem Interviewtext gebildet, in dem auch neue

Themen aufgegriffen worden sind.

5.2.2.3. Themenmatrix

Im dritten Schritt der Auswertung werden alle erwähnten Themen in einer Matrix

zusammengefasst und logisch geordnet. Extrahiert werden nur Themen, die auch

im Text stehen. Vom Erkenntnisinteresse abweichende Themen werden aus der

Matrix eliminiert. Neue, überraschende Themen mit inhaltlichem Mehrwert

werden ergänzt. Diese Matrix bildet das Kategorienschema (siehe im Anhang),

denen nun in einer Einzelanalyse der Interviews die Aussagen der Befragten

zugeordnet werden.

5.2.2.4. Einzelanalyse

Bislang zeigt die Themenmatrix nur den thematischen Gehalt der Interviews. Nun

soll dieser mit den Äußerungen und Statements der Befragten konkretisiert

werden. Jedes Interview wird mit dieser Matrix als Analyse-Instrument nach den

relevanten Themen untersucht. Die Aussagen über Meinungen und Handlungen

der JournalistInnen werden mit ihrer Ausprägung auf einem niedrigen

Abstraktionsniveau paraphrasiert. Prägnante und aussagekräftige Zitate werden

ebenfalls in die Matrix aufgenommen. Sie sollen später in der themenorientierten

Darstellung beispielhaft die analysierten Phänomene belegen. Diese Zitate sind mit

einer Quellenangabe versehen. So bleibt der ursprüngliche Sinn der Aussage

jederzeit nachvollziehbar und im Sinne der Intersubjektivität reproduzierbar. Die

fertige Matrix dient zum einen als Vorergebnis, zum anderen erleichtert sie die

Auswahl der Fallbeispiele für die themenorientierte Darstellung der Ergebnisse.

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5.2.2.5. Aufbereitung

In einem weiteren Schritt wird jede einzelne Matrix bereinigt und thematisch

strukturiert. Verstreute Informationen werden zusammengefasst,

Mehrfachnennungen auf einfache konzentriert, bedeutungsgleiche Informationen

zusammengefasst und offensichtliche Fehler korrigiert (vgl. GLÄSER/LAUDEL

2010: 229f.). Nach der theoretisch und empirisch strukturierten Aufbereitung

stehen nun alle relevanten Informationen bereit, um die Forschungsfragen zu

beantworten.

5.2.2.6. Gesamtanalyse

Da es sich bei den untersuchten acht Interviews um eine geringe Anzahl von

Fällen, zudem um eine homogene Gruppe handelt, ist es wenig sinnvoll,

Typologien ermitteln zu wollen, um auf generalisierbare Verhaltensweisen zu

schließen. Diese Einteilung in Nutzertypologien wurde schon während der

Auswahl der Befragten vorgenommen, die allesamt als Social Media-affin

eingestuft worden sind, d.h. jedeR betreibt für die journalistische Arbeit zumindest

einen kulturrelevanten Blog, einen Twitter- oder einen Facebook-Account. Daher

liegt das Ziel der Auswertung in der Zusammenfassung von Handlungsweisen

und Meinungen von VielnutzerInnen von Social Media. Die einzelnen

Forschungsfragen werden wie folgt beantwortet:

F1: Wie beeinflusst die Ressource Social Media das kulturjournalistische

Handeln? (NUTZUNG)

Forschungsfrage 1 behandelt die kulturjournalistische Nutzung von Social

Media und wird mit den folgenden vier Unterfragen beantwortet:

F1/a: Wie nutzen KulturjournalistInnen mit besonderer Affinität zum Social Web

die Angebote Facebook, Twitter, Youtube und Weblogs für die Recherche?

F1/b: Wie nutzen KulturjournalistInnen mit besonderer Affinität zum Social Web

die Angebote Facebook, Twitter, Youtube und Weblogs für die die Interaktion mit dem

Publikum?

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F1/c: Wie nutzen KulturjournalistInnen mit besonderer Affinität zum Social Web

die Angebote Facebook, Twitter, Youtube und Weblogs für das Publizieren und

Vermarkten von Inhalten?

F1/d: Welche weiteren Social-Web-Angebote nutzen die KulturjournalistInnen noch

für die Recherche, die Interaktion mit dem Publikum und das Publizieren von Inhalten?

F2: Was bietet die Ressource Social Media dem kulturjournalistischen

Handeln für Vorteile/Nachteile? (CHANCEN/RISIKEN)

Forschungsfrage 2 fokussiert die Vorteile und Nachteile, die Chancen und

Risiken, den Nutzen und die Gefahren, die durch die kulturjournalistische

Nutzung von Social Media entstehen.

F1 und F2 behandeln beide den Themenblock NUTZUNG und konzentrieren sich

hauptsächlich auf Handlungsweisen, die von der Ressource Social Media

beeinflusst werden. Aus den Ergebnissen des Themenblocks NUTZUNG soll ein

idealtypisches kulturjournalistisches Handlungsprofil erstellt werden, d.h. nicht

nur Gemeinsamkeiten unter den journalistischen Anwendungsmöglichkeiten von

Social Media sollen ermittelt werden, sondern auch Einzelnennungen. Das

Erkenntnisinteresse richtet sich also nicht nach der Häufigkeit von Angaben,

welche JournalistInnen wozu und wie oft das Social Web als Arbeitsinstrument

verwenden, sondern fokussiert darauf, eine möglichst kreative Nutzung von Social

Media zu dokumentieren, um zu zeigen, was mit einer kompetenten Anwendung

der Ressource alles möglich wäre.

F3: Wie hat die Ressource Social Media das kulturjournalistische Handeln in

den letzten Jahren verändert? (WANDEL)

Forschungsfrage 3 untersucht die Veränderungen im Handeln, den Wandel im

Kulturjournalismus durch Social Media. Dieser wird mit den folgenden vier

Unterfragen erläutert:

F3/a: Welche Handlungsweisen entstehen mit dem Einsatz der Ressource Social

Media und welche wurden ersetzt?

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F3/b: Wie haben Social Media das Verhältnis zwischen Kulturjournalismus und

PR verändert?

F3/c: Wie verändert das journalistische Handeln mit der Ressource Social Media

die Strukturen im Medium?

F3/d: Wie wirken strukturelle Regeln im Medium auf das kulturjournalistische

Handeln im Umgang mit der Ressource Social Media?

F4: Wie könnte die Ressource Social Media das kulturjournalistische

Handeln noch optimieren? (POTENZIAL)

Forschungsfrage 4 versucht in die Zukunft zu blicken, Visionen zu finden und

erforscht das Potenzial, das der Kulturjournalismus noch aus Social Media

schöpfen könnte.

F3 behandelt den Themenblock WANDEL, F4 den Themenblock POTENZIAL. Die

Aussagen der KulturjournalistInnen zu diesen Themen werden nach

Gemeinsamkeiten untersucht und zielen auf Typisierungen ab. Daher müssen in

der Auswertung Unterschiede und Gemeinsamkeiten gefunden werden.

Hervorgehoben werden jene Aussagen, die von fast allen Befragten gemacht

wurden. Interessante Thesen sollen im Anschluss zur Diskussion gestellt werden.

5.2.2.7. Themenorientierte Darstellung

Zum Abschluss der Auswertung werden die Ergebnisse in Kapitel 5.3. inhaltlich

logisch dargestellt werden. Zum einen geschieht das Bezug nehmend auf den

Kulturjournalismus allgemein. Dafür dienen die Fallbeispiele aus der Matrix als

heuristische Quellen für Handlungsweisen und Meinungen, die den Überbegriffen

Nutzung, Chancen, Risiken, Wandel und Potenzial von Social Media zugeordnet

werden. Wichtig zu erwähnen ist, dass es nicht Ziel der Arbeit ist,

Typologisierungen zu ermitteln, sondern eine besonders kreative und beispielhafte

Anwendung von Social Media, die auch im Einzelfall berücksichtigt werden sollte.

Auch wenn die Befragten für Medien unterschiedlicher Gattungen wie Print- und

Onlinemedien, Rundfunk und Nachrichtenagentur arbeiten, sollen nicht die

einzelnen Gattungen bzw. Medienmarken verglichen werden - dafür müsste die

Stichprobe größer gewählt werden -, sondern die Prozesse der

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kulturjournalistischen Produktion, wie Recherche, Interaktion mit dem Publikum

und das Publizieren. Insbesondere der Bereich Recherche kann

plattformunabhängig als standardisierte Praktik betrachtet werden. Die Bereiche

Interaktion mit dem Publikum und das Publizieren aller Mediengattungen findet

im Rahmen dieser Untersuchung im Social Web statt, wird also von allen Medien

ähnlich verwendet. Sollten mediengattungsspezifische Besonderheiten genannt

werden, finden diese in der Darstellung der einzelnen Praktiken ihre Erwähnung,

werden aber nicht sonderlich ausgewiesen.

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5.3. Ergebnisse

5.3.1. Social Media-Nutzung im professionellen Kulturjournalismus

5.3.1.1. Recherche

Social Media erweitern allen Befragten nach das Instrumentarium der

kulturjournalistischen Recherche. Während die erfahrenen JournalistInnen sie

weniger zur aktiven Recherche verwenden, sondern maximal Spuren folgen oder

fehlende Informationen ergänzen, zeigen die jüngeren durchaus mehr Motivation,

aktiv im Social Web Informationen zu suchen. Insbesondere im Musikbereich

gelten Social Media als unverzichtbar für ihre BeobachterInnen. Denn

KünstlerInnen verwenden Kanäle wie Facebook oder Twitter immer intensiver, um

Informationen direkt und ohne Promotion ihrer Plattenfirmen an JournalistInnen

als VermittlerInnen und an Fans als EndkonsumentInnen zu richten. Auch Letztere

können mit ihrer Meinung in Kommentaren zur Recherche von JournalistInnen

beitragen. Allerdings herrscht Einigkeit darüber, dass Social Media die Recherche

allenfalls ergänzen können, aber nicht vollständig ausfüllen. Die wichtigsten

Informationen erreichen die meisten KulturjournalistInnen immer noch auf

konventionellem Weg in Form von Aussendungen, Emails, persönlichen Treffen.

Für die Tiefenrecherche sind Gespräche mit InformantInnen, KünstlerInnen oder

KollegInnen unerlässlich. Erst diese verhelfen zu exklusiven Informationen, die im

Netz nicht auffindbar sind. Wie effizient Social Media als Recherchetool eingesetzt

werden können, entscheidet maßgeblich der Grad der Vernetzung zu kompetenten

Quellen. Ist dieser ausgeprägt, gewinnen JournalistInnen durchaus einen

Informationsvorsprung gegenüber Nachrichtenagenturen, die österreichweit bis

auf die Kronenzeitung alle Medien mit ihren Aussendungen versorgen.

Im Folgenden werden mit Facebook, Twitter, Youtube und Weblogs die für die

Recherche von KulturjournalistInnen am wichtigsten Plattformen genauer

beschrieben.

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5.3.1.1.1. �Recherche in Facebook

Das soziale Netzwerk Facebook wird allgemein als das persönlichste unter den

sozialen Medien gesehen. Im Vergleich zu Twitter ist es langsamer, behäbiger und

selbstreflexiver und dient vorwiegend der „gemütlichen Meinungsäußerung“ (D:

118) und der multimedialen Selbstpräsentation. JournalistInnen treten dort oft als

Privatmenschen in Erscheinung, daher vermischt der Freundeskreis private und

berufliche Kontakte.

JournalistInnen verfügen auf Facebook über verschiedene Kanäle, um an

Informationen gelangen. Erstens erhalten sie von FreundInnen über ihren Friend-

Feed Neuigkeiten oder Empfehlungen in Form von Links oder Kommentaren. Die

Qualität der Informationen ist abhängig von der Vernetzung. Dementsprechend

seien die Inhalte auch zu gewichten. Die JournalistInnen geben zu, dass unter den

Meldungen genügend unnützliches Wissen auf sie einprasselt. Doch kompetente

Meinungen könnten durchaus inspirieren und helfen, Standpunkte anderer

weiterzudenken. FreundInnen mit ähnlichem Wissen und Geschmack wird in

punkto Empfehlungen mehr vertraut. So können von den richtigen Kontakten über

Facebook auch neue Ideen, Denkansätze oder KünstlerInnen entdeckt werden.

Wenn der Freundeskreis, wie jener von derStandard.at oder diePresse.com,

mehrere tausend Mitglieder hat, kann es sinnvoll sein, das Publikum per Posting

aufzufordern, sich an der Recherche zu beteiligen.

Der Klassiker ist, ich interviewe morgen Damien Hirst, was sind eure Fragen an ihn? Da kommt immer eine Rückmeldung und dann bauen wir das ein und können den Leuten dann sagen, hier ist die Antwort auf deine Frage mit dem Link zum Interview. So können die User das mitgestalten. (A: 129)

Die Methode des Crowd-Research liefert auch schnelle und kostengünstige

Stimmungsbilder aus dem Publikum, die wie Straßenumfragen als Vox Populi in

den Text einfließen können.

Zum Beispiel schaut man beim Frequency-Festival auf die Facebook-Page und sieht ein Posting: Bin fünf Stunden lang in der Schlange gestanden und hab mir dann nicht Muse anschauen können. Dann kann man das natürlich im Artikel erwähnen. [...] Man kann sich das einzelne Festivalerlebnis anreichern und muss nicht mit hunderten Leuten reden. (A: 174)

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Eine/einer der Befragten orientiert sich an den Diskussionsthemen auf Facebook

und auf Twitter und nennt diese einen Gradmesser für die Interessen des eigenen

Publikums.

Zweitens verfolgen KulturjournalistInnen Gruppen von Fachmedien, von

Institutionen wie Museen, Theatern, Konzertveranstaltern oder von KünstlerInnen

und werden passiv von diesen mit Neuigkeiten versorgt. Die Funktion eines

Echtzeit-Nachrichtentickers erfülle Twitter allerdings besser als Facebook.

Drittens suchen KulturjournalistInnen aktiv mit der integrierten Suchmaschine auf

der Facebook-Seite nach KünstlerInnen und deren Fanpages. Der Facebook-

Algorithmus gleicht die Suchanfrage mit den Interessen der eigenen FreundInnen

ab und liefert vor allem bei der Suche nach unbekannteren KünstlerInnen

Ergebnisse mit höherer Treffsicherheit.

Besonders managementlose KünstlerInnen aus dem Alternative-Bereich nutzen

Social Media verstärkt für die eigene Promotion und reagieren eher auf

Interviewanfragen über Facebook-Nachrichten. Diese aktualisieren ihre Profile im

Gegensatz zur eigenen Webseite meistens noch persönlich. Zum einen mit

objektiven Informationen wie Tourdaten, Albumveröffentlichungen, Links zu

neuen Videos, zum anderen mit subjektiven Informationen wie den Postings aus

dem Tourbus. Besonders im Pop-Bereich hat sich Facebook als ein wichtiges

Verkündigungsmedium etabliert:

Vergangenes Jahr hätte die Band Incubus in Wien ein Konzert geben sollen, dass aber abgesagt wurde. Diese Information, dass der Sänger erkrankt ist, ist aber nur über Facebook an die Öffentlichkeit gedrungen. Die Nachrichtenagentur hat von der Absage nicht vom Veranstalter oder durch einen anderen Kanal erfahren. Auf meine Anfrage wurde das dann vom Veranstalter bestätigt und wir haben es veröffentlicht. (B: 29)

Facebook ist also nicht nur Meinungsplattform, die helfen kann andere

Standpunkte mitzudenken, sondern wegen seiner Aktualität auch ein weiteres

Tool zur Vorbereitung von Interviews mit KünstlerInnen, Rezensionen oder

Konzertberichten.

5.3.1.1.2.� Recherche in Twitter

Der Kulturbereich scheint sich laut den Aussagen der InterviewpartnerInnen in

seinem Mitteilungsbedürfnis auf Twitter noch etwas zurückzuhalten.

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Institutionen wie Museen oder Theater twittern nur vereinzelt. Österreichische

KulturjournalistInnen seien ebenfalls eher vorsichtig, was die aktive

Twitternutzung angeht. Für die meisten der befragten KulturjournalistInnen spielt

Twitter als Echtzeit-Nachrichtenticker dennoch eine wichtige Rolle. „Twitter lebt

davon, dass es wie ein Strom ist, der in einer Rasanz Themen, Meinungen und

Hinweise an dir vorbei transportiert und man quasi am Ufer sitzt und sich

rausfischt was immer geht.“ (D: 118) Richtig genutzt funktioniert Twitter als eine

„inspirierende Daten- und Infoschleuder“ (C: 19). Wie schon bei Facebook ist das

Netzwerk ausschlaggebend für die Relevanz der Inhalte. Viele der Befragten folgen

daher KünstlerInnen, Kulturinstitutionen wie Museen, Galerien, Theatern oder

Fachmedien und einzelnen KulturjournalistInnen.

Interessant an Social Media wird speziell der direkte Kontakt zu internationalen

KünstlerInnen genannt, die auf Twitter nicht nur Projekte oder Veranstaltungen

ankündigen, sondern einen auch über persönliche Befindlichkeiten einen „Blick in

den Kopf“ (E: 145) werfen lassen.

Flying Lotus hat sich beispielsweise am Release-Tag sein Album angehört und Notizen dazu auf Twitter veröffentlicht. Das ist ein wenig analog zum DVD-Audio-Kommentar, wo der Regisseur noch dazu erzählt, was da alles passiert ist. Das ist schon sehr interessant. Nachdem ich die Radio-Geschichte zum Album gemacht habe, habe ich die Kommentarte für eine leider nie erschienene Web-Geschichte mit Storify schön aufbereitet. (E: 146)

Twitternachrichten bieten immer öfter auch Quellen für O-Töne von Künstlern, die

in der Berichterstattung zitiert werden können. Außerdem liefern sie oft neue

Informationen für die Vorbereitung von Interviews oder Rezensionen.

Twitter wird von Künstlern auch als „Verlautbarungsmedium“ benutzt. Es ist natürlich supereinfach, sich da ein Zitat herauszunehmen und zu schreiben. Wenn man schreibt „David Lynch kündigt seinen neuen Film an, schreibt er auf Twitter. Es wird ein Monsterfilm“. [...] Für den Künstler ist es einfach ohne „dazwischen geschaltene Medien“ mit Fans zu kommunizieren. Und wir können das einfach zitieren. Nachdem ja Redaktionen allerorts gekürzt werden ist das eben praktischer als wenn man jemanden anrufen muss. (F: 528)

Ein optimiertes Netzwerk aus verlässlichen Quellen hilft KulturjournalistInnen

auch beim Aufspüren von neuen Themen. Diese können das tägliche

Themenmanagement beeinflussen.

Wenn ich in der Früh in die U-Bahn steige, nehme ich mir eigentlich kaum noch ein „Heute“ [tägliche Gratiszeitung], sondern schaue auf Twitter, was die anderen schreiben, was getweetet wird, was retweetet wird. Ich schaue, welche Themen

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groß sind, also gerade relevant sind. Und da mache ich dann Geschichten darüber. (F: 73)

Auch auf Twitter werden Diskussionen im Bekanntenkreis als Barometer für

relevante Themen gesehen. Darüber hinaus informiert Twitter mit seinen

„Trending Topics“ über aktuelle Trends und was darüber geschrieben wird. Die

Meinungen der TwitternutzerInnen werden über die Anzahl der Hashtags gefiltert

und können auch als Stimmungsbilder in die Berichterstattung einfließen. „Man

nimmt einige Zitate und versucht in diese Unübersichtlichkeit ein bisschen

Orientierung zu bringen. Man erhält als Journalist einen gewissen Eindruck davon,

was passiert und wie ein Thema in einschlägt.“ (B: 99)“. Die Suche nach Themen

in Hashtags kann auch über die Twitter-Suchfunktion interessante Ergebnisse

liefern. Aber die Stärke von Twitter liegt in der Schnelligkeit, mit der aktuelle

Informationen in den Twitterfeed gelangen. Laut einer Befragten würde Twitter

speziell bei Medienthemen die Funktion einer Nachrichtenagentur erfüllen.

Gelegentlich führt die Rasanz des Mediums auch zu einem

Informationsvorsprung gegenüber der APA, der österreichischen Presseagentur,

die unter den JournalistInnen dennoch hohes Vertrauen genießt. Informationen

werden mit denen der APA oder dem eigenen Archiv abgeglichen. Der

Informationswert von Kulturthemen auf Twitter steckt aber auch in den Beiträgen

des eigenen Publikums.

Von einem Mumok wird man auf Twitter nichts anderes erfahren, als wir es in der Presseaussendung oder sonst auch erfahren würden. Da steht der Austausch im Vordergrund. Mehr erfahren wir von den Usern, von den Lesern. Man muss halt filtern, was sinnvoll ist und was nicht. (A: 171)

Auch auf Twitter kann das Publikum in die Recherche integriert werden. Zum

einen direkt in Form von Aufforderungen oder Fragestellungen, zum andern in der

Beobachtung von Diskussionen.

Viele Leute würden auch sagen, [...] das ist so ein nicht-enden-wollendes Gebrabbel und man erfährt dort nicht wirklich etwas von Relevanz. Aber ich habe auch erlebt, wenn sich ein paar erwachsene Leute zusammentun und versuchen in 140 Zeichen möglichst freundlich zu einander zu bleiben, dass dann auch sinnhafte Diskussionen daraus entstehen können. (G: 191)

Über das interaktive Verhältnis zum Publikum erfahren wir mehr in Kapitel 5.3.2.

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5.3.1.1.3. �Recherche in Youtube

Youtube ist die wichtigste Videoplattform im Internet und als solche für die

Recherche von Videomaterial besonders hilfreich. Die Anwendung unterscheidet

sich unter den KulturjournalistInnen wieder. Während die einen weniger Sinn für

eine aktive Recherche sehen, vergleichen die anderen die Bedeutung der Youtube-

Recherche mit jener des E-Mails. Im Gegensatz zu Facebook und Twitter ist

Youtube kein Echtzeit-Medium, in dem Neuigkeiten in einem personalisierten

Nachrichtenstrom und die Interessen der FreundInnen aufscheinen. Auch die

Kommentarfunktion im Sinne eines Sozialen Netzwerks zeigt sich für die

KulturjournalistInnen weniger relevant. Youtube erfüllt mehr die Funktion eines

kostenlosen Archivs, das ins Internet ausgelagert worden ist und auf Bedarf offen

steht.

Es gibt wahnsinnig viel Material auf Youtube, das man sich sonst mühsam in irgendwelchen Archiven zusammensuchen müsste. Ob es jetzt Dokumentationen zu Synths in Großbritannien sind oder die Kurzgeschichte von HipHop in Österreich. Es ist natürlich immer ein bisschen dem Zufall überlassen. (G: 86)

Die meisten Befragten recherchieren nicht aktiv auf Youtube, sondern landen auf

der Plattform über Links auf Facebook und Twitter. „Wenn die Plattenfirma keine

Informationen bereitstellt, suche ich auf Youtube nach Snippets27, die meistens auf

Facebook eingebettet sind.“ (B: 117) Wegen seiner Fülle an Musikvideos erreicht

Youtube besonders im Musikjournalismus einen hohen Stellenwert. „Musik

transportiert neben dem Artwork ganz viel von den Images über Videos. Sie

erzählen dann oft noch eine andere Geschichte zum Album, als das Album und die

Texte selber tun.“ (G: 82) Die Musikvideos auf Youtube bestehen aber nicht nur aus

offiziellen Videoclips. NutzerInnen unterlegen mp3-Dateien kompletter Alben

meist mit einem Standbild und laden diese auf die Plattform. Youtube hat dadurch

eine erhebliche Rolle als Musik-Streaming-Dienst eingenommen. Neben

Musikvideoclips und Dokumentationen finden sich auch Konzertmitschnitte,

öffentliche Auftritte und Interviews von KünstlerInnen. Anhand dieser Quellen

können KulturjournalistInnen sich einen schnellen Einblick in das Gesamtwerk

eines/r KünstlerIn verschaffen. „Ich persönlich nutze es auch im klassischen

Bereich. Da ich in der Klassik noch eher unerfahren bin, finde ich auf Youtube

27 Kurze Hörproben in einem Stück aneinandergereiht.

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nahezu jedes Stück, sei es Janácek oder Beethoven. Wenn ich auf Konzerte gehe,

schaue ich mir zur Vorbereitung diese Videos an.“ (B: 120) Praktisch ist auch die

Funktion „Ähnliche Videos“, die weitere Videos des/der KünstlerIn vorschlägt

oder auf Artverwandtes verweist.

Außerdem stellen KünstlerInnen schon selbst Videoblogs oder Making-of-Videos

ihrer Studioalben zur Verfügung. Diese bilden zum einen eine Grundlage für

Berichte oder unterstützen die Vorbereitung von Interviews, Portraits oder

Rezensionen. „Man erhält über YouTube ein zusätzliches Sensorium, um

rauszufinden was dem Künstler wichtig ist oder was diesen Erfolg vielleicht auch

ausmacht, was dessen Relevanz ausmacht. Manchmal ist es auch das Video selbst

und nicht die Musik. Ist auch schon passiert.“ (G: 84)

Youtube ist ein Trendgenerator, eine Hypemaschine, deren Produkte oftmals mit

hohen Klickzahlen und niedriger Qualität bestechen. MusikjournalistInnen sollten

Hypes auf ihre Substanz hin prüfen können und gleichzeitig über Youtube-

Phänomene wie Justin Bieber oder den Rapper Psy und seinen „Gangnam Style“

informiert sein.

Auch die Integration von Videoangeboten auf der eigenen Webseite ist denkbar

einfach. So können Onlinemedien mit wenigen Mausklicks Videos von Youtube

auf ihren Webseiten einbetten. Allerdings bewegt sich das Einbetten von

urheberrechtlich geschützten Videos und Links, die auf solche verweisen in einem

in einer rechtlichen Grauzone.

5.3.1.1.4.� Recherche in Weblogs

Die befragten KulturjournalistInnen zeigen an Weblogs nur ein geringes Interesse.

Nur wenige folgen regelmäßig Blogs mit dem Schwerpunkt Kultur. Und nur

wenige nutzen eine Blogroll, mit der sie täglich via RSS-Feed Neuigkeiten aus der

Blogosphäre beobachten. Das Monitoring einer weiteren Timeline wird als

zeitaufwändig angesehen. Es wird auch angemerkt, dass Blogs und Webseiten

immer mehr verschmelzen und eine Trennlinie schwer zu ziehen ist. Die

Blogrecherche erfolgt meist zufällig über Suchmaschinen oder über Links in Social

Networks wie Facebook oder Twitter. Für BloggerInnen bedeutet das, ähnlich wie

für JournalistInnen, dass eine Mehrfachdistribution in Social Networks effizienter

den Traffic auf die eigene Seite leitet.

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Wenn Informationen in Blogs vertraut werden, dann kommen diese eher von

internationalen ExpertInnen oder von JournalistInnen traditioneller Medien.

Verlässlichkeit spielt eine wichtige Rolle, allerdings weniger, wenn es um

subjektive Werturteile geht. Hier verdeutlicht sich wieder die Sonderstellung des

Kulturjournalismus zwischen objektiver Berichterstattung und subjektiver Kritik:

Ich würde von Blogs eigentlich nicht Informationen nehmen, zumindest von den wenigsten. Aber im Kulturbereich ist das jetzt auch nicht so brisant. Wenn der Blogger etwas über einen Politiker behauptet hat das eine andere Brisanz als im Kulturbereich, wenn der behauptet, dass die Ausstellung nicht gut ist. Oder ein Film nicht gut ist. Weil Kultur sowieso auch subjektiv ist. (F: 227)

Trotzdem sind sich die Befragten einig, Blogs erweitern durchaus das

Meinungsspektrum und inspirieren vereinzelt mit neuen Denkansätzen.

„Ein Blog kann genau das erreichen, was ein gut geschriebener Artikel in einem traditionellen Medium erreichen kann oder was ein guter journalistischer oder guter meinungsbezogener Beitrag erreichen kann. Dass er den Blick eröffnet für Perspektiven oder einen Blickwinkel auf ein komplett neues Thema oder auf ein Thema aus dem Blickwinkel aus dem du es vorher noch nicht betrachtet hast. Das ist ja das interessante. Nachdem sucht man ja auch. Das ist ja das was man selbst bereitstellen möchte. Aber genau so können Blogs total redundant und überflüssig sein.“ (B: 189)

Ihre Stärke liegt im unendlichen Platz, auf dem komplexe Thematiken verhandelt

werden können, die den Rahmen traditioneller Medien sprengen würden.

Die Urheberrechtsdebatte, die gerade läuft, findet im Netz zum Teil viel umfangreicher statt. Das ist einer der großen Vorteile des Internets, dass du keine Längenbeschränkung hast. Es findet viel umfangreicher, aber auch zum Teil, viel engagierter, zum Teil, viel informierter im Netzt statt. (D: 80)

Auf die Frage, welche österreichischen Kulturblogs relevant für die Recherche

sind, finden nur wenige eine Antwort. Im internationalen Vergleich sei die

österreichische Kulturblogosphäre, zumindest in der Wahrnehmung der meisten

Befragten, dünn besiedelt. Eine Aussage eines Kenners der Bloggerszene zeigt

wiederum ein anderes Bild:

Eine neue Quantität an Leuten ist gekommen, die eher online oder exklusiv online arbeiten. Also es sind viele sehr kulturorientierte Blogs gekommen. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass eines der zentralen Themen von Blogs Kultur ist, Kunst und Kultur im weitesten Sinne. Es gibt auch politische Blogs, irgendwelche „Spaßmacherblogs“, aber Kunst und Kultur sind eigentlich für viele Blogs zentraler Inhalt. (D: 46)

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Selbst wenn immer mehr Blogs in Österreich kulturelle Themen behandeln,

schaffen es demnach nur die wenigsten, die professionellen KulturjournalistInnen

auf sich aufmerksam zu machen und auf der Agenda von derer Medien einen Platz

zu sichern. Wenn sie gelesen werden, dann weniger als Recherchequelle, sondern

um informiert zu sein, welche Onlineangebote es in Österreich noch gibt. Für

relevante Kulturinformationen im Internet seien immer noch die Onlineauftritte

der traditionellen Medien verantwortlich. Heimische Kulturblogs spielen also für

die befragten KulturjournalistInnen in der Recherche eine marginale bis gar keine

Rolle. Manche der Befragten meinen, die Blogrecherche könnte aber in Zukunft

eine wichtiger werden. Summiert man alle Nennungen von interessanten

österreichischen Blogs mit dem Fokus auf Kultur, entsteht folgende Liste. Im

Anschluss sind noch einige internationale Kulturblogs genannt.

Blog Beschreibung

Kultur Allgemein zib21.com Ein Blog-Portal für subjektive Betrachtungen zum Gegenwartsgeschehen mit eigener Kulturrubrik.

kulturwoche.at In dem unabhängigen Wiener Online-Magazin veröffentlichen mehrere AutorInnen Podcasts, Interviews, Berichte und Rezensionen aus der Kunst- und Kulturszene.

Bildende Kunst Esel.at Der Blog versorgt Wien und Umgebung mit Informationen über zeitgenössische Kunst und Kultur. Nach dem Motto: „Kunst kommt von Kommunizieren“.

castyourart.com CastYourArt produziert und veröffentlicht in Eigenregie Video-Podcasts zu Kunst und kunstnaher Themen.

Literatur koellerer.net Der Wiener Literaturwissenschafter Dr. Christian Köllerer auch bekannt als Philoponus veröffentlicht auf seinem Blog Notizen über Literaturklassiker, Kulturelles und Reisen.

Haubentaucher.at Ein Grazer Blog mit dem Fokus auf Literatur, Film und Musik.

Musik musikwirtschaftsforschung.wordpress.com

Der Musikwirtschafter Peter Tschmuck nutzt seinen Blog als ein wissenschaftliches Diskussionsforum zu Fragen der Musikwirtschaft in allen ihren Ausprägungen.

supercity.at Der Blog ist eine Vernetzungsplattform von österreichischen HipHop-KünstlerInnen mit gelegentlichen Hinweisen auf Neuerscheinungen aus der Szene.

Disco Deamons Der Wiener Blog spezialisiert sich auf elektronische Tanzmusik.

Kulturpolitik klaus werner.com Der Weblog des Kultursprechers der Wiener Grünen Klaus-Werner Lobo.

Kulturmanagement kulturmanagement.wordpress.com

Christian-Henner Fehr informiert regelmäßig über Kulturmanagement und das Internet.

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International artsjournal.com/slippeddisc Der britische Autor Norman Lebrecht kommentiert auf Slipped Disc die klassische Musikindustrie.

TheNeedledrop.com Auf seinem Videoblog reviewt ein junger amerikanischer Musikkritiker in 5-10 Minuten die neuesten Alben aus dem Independent-Bereich.

2dopeboyz.com Amerikanischer Blog über HipHop in den USA.

92bpm.com Amerikanischer Blog mit dem Schwerpunkt Elektronische Musik.

5.3.1.1.5. �Weitere Social Media-Plattformen

Neben den oben beschriebenen Diensten verwenden KulturjournalistInnen noch

weitere Social Media als Recherche-Tools. Sehr wichtig für das Beschaffen von

Hintergrundinformationen ist die nutzergenierte Online-Enzyklopädie Wikipedia.

Sie steht oft am Anfang des Rechercheprozesses und liefert einen kompakten

Überblick auf KünstlerInnenbiographien, Genres oder Kunstströmungen. Um neue

Themen zu finden, eignet sich Wikipedia weniger. Die Befragten äußern auch

Zweifel an der Zuverlässigkeit der von den NutzerInnen erstellten Einträge.

Deshalb erweisen sich speziell die weiterführenden Links zu den Originalquellen

als nützliche Wegweiser für die weitere Recherche.

Das dritte große soziale Netzwerk Google+ konnte sich bei den

KulturjournalistInnen bislang noch nicht wirklich durchsetzen. Auf Grund seiner

bisweilen eingeschränkten Verbreitung ist es für die Recherche kaum relevant.

Dass Musik im Social Web eine Vormachtstellung unter den Künsten innehaben

könnte, zeigen auch die häufigen Nennungen der relevanten Rechercheplattformen

für den Musikjournalismus wie Myspace, SoundCloud, Bandcamp oder Mixcloud.

Das Beispiel Myspace demonstriert, wie kurzlebig die Karriere eines Social

Networks sein kann. Nach erfolgreichen Jahren als Plattform für MusikerInnen

musste Myspace seine Marktführerschaft an Facebook abtreten. Also spielt es auch

für die Recherche nunmehr eine weniger große Rolle. Obwohl einige Befragte der

Meinung sind, Myspace stünde vor einem viel versprechenden Relaunch, der die

Plattform wieder mehr ins Rampenlicht rücken könnte.

In den letzten Jahren etablierten sich unter MusikerInnen neue

Vermarktungsplattformen wie SoundCloud, einem Musikaustauschdienst und

Kooperationsnetzwerk, oder Band Camp, einer direkten Verkaufsplattform für

MusikerInnen ohne Zwischenhändler. Insbesondere SoundCloud erweist sich für

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die MusikjournalistInnen mit Fokus auf Alternative Music als ein hilfreiches

Recherchetool, um neue KünstlerInnen zu entdecken.

Am wichtigsten für mich ist schon SoundCloud, denn das ist der Musik-Stream, wo ich jeden Tag in der Früh reinschaue, was an neuen Sachen passiert ist. Wo Musiker ihre teilweise exklusiven Songs oder diese Sachen, die sie veröffentlichen, reinstellen. [...] Man kann den Musiker wie bei Twitter folgen. Dann bekomme ich eine Liste von schnell abspielbaren Playern geliefert mit den neuesten Sounds, die über Nacht oder in den letzten Tagen reingekommen sind. [...] Wenn das Gehörte einen fasziniert, dann merkt man sich den Namen des Künstlers und schaut einfach, ob es einen Download gibt. Kann ich das für die Sendung verwenden? (E: 39)

Ebenfalls für RadiojournalistInnen empfiehlt sich die Plattform Mixcloud, auf der

Djs und Djanes ohne Kapazitätsgrenzen ihre Mixes oder Radiosendungen im

Stream einem Publikum bereitstellen können.

Um sich auf Konzerte von MusikerInnen vorzubereiten, hilft die Webseite

setlist.com, auf der UserInnen die komplette Liste an Songtiteln eines von ihnen

besuchten Konzerts hoch laden können. Ebenso können vereinzelt

standortbezogene Soziale Netzwerke wie Foursquare, mit dem NutzerInnen

Sehenswürdigkeiten, Restaurants oder Diskotheken bewerten, für die Recherche

dienlich sein, beispielsweise wenn Informationen zu einem Nachtclub in Hamburg

gesucht werden.

International aufstrebende Soziale Netzwerke wie Tumblr, Pinterest oder FlickR

haben sich in Österreich noch nicht in dem Maße etabliert, dass sie für die

KulturjournalistInnen relevante Werkzeuge für die Recherche darstellen.

Im Interview wurden auch die Chancen und Risiken von Social Media für die

Recherche besprochen. Diese werden in Kapitel 5.3.2. gemeinsam mit den Vor- und

Nachteilen der Interaktion mit dem Publikum und dem Publizieren der Inhalte

behandelt.

5.3.1.2. Interaktion mit dem Publikum

Die Beziehung zum Publikum wird von den Befragten auch für den

Kulturjournalismus als sehr wichtig betrachtet. Social Media bringen dafür eine

weitere Kommunikationsebene ins Spiel. Mittlerweile gehört es auch für

österreichische Medien zum guten Ton, sich eine Facebook-Fanseite oder einen

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Twitter-Account zu leisten. Printmedien mit eigenen Onlineredaktionen wie

derStandard.at oder diePresse.com betreiben eigene Kultur-Channels in beiden

Netzwerken. Alle TeilnehmerInnen der Studie führen zusätzlich einen

persönlichen Facebook-Account. Für fast alle eignet sich Facebook besser für die

aktive Kommunikation mit dem Publikum. Erstens erreicht man wegen seiner

weiten Verbreitung mehr Menschen. Zweitens können Bilder und Videos gepostet

werden, die mehr Reaktionen erzielen als reiner Text. Drittens bieten die Postings

mehr Platz für längere Kommentare als beispielsweise Twitter mit seinen Tweets.

Der Kurznachrichtendienst fungiert eher als Hinweismedium. Die formale

Beschränkung auf 140 Zeichen nimmt umfassenden Meinungsäußerungen den

Raum und erfordert prägnantes Formulieren. Die meisten KulturjournalistInenn

nutzen Twitter deshalb mehr zum Verbreiten von Links als zum Kommunizieren

mit dem Publikum.

Alle befragten KulturjournalistInnen sind sich einig, dass es für Medien immer

wichtiger wird, die Beziehung zum Publikum durch mehr Interaktion zu

intensivieren. Sie stimmen aber auch überein, dass die Einbindung des Publikums

in österreichischen Medien bislang weit hinter den Möglichkeiten liegt. Zu einseitig

verläuft die Kommunikation seitens der Medien. Und wenn die NutzerInnen

diskutieren, dann meistens untereinander.

Es ist sinnlos, ein Social-Media-Angebot zu haben, dass ein reines Verkündigungs-Angebot darstellt. Dafür braucht man das Social-Media-Angebot nicht. Wenn du beschließt, du willst dort einsteigen bzw. etwas darin machen, musst du natürlich auf Dinge, die in deine Richtung gesagt oder geschrieben wird, auch reagieren. (E: 188)

Oft scheitert eine wechselseitige Kommunikation nicht am fehlenden Verständnis

der RedakteurInnen, Dialoge mit dem Publikum führen zu müssen, sondern

einfach an der Zeit.

Für meinen Blog, den ich ja zusätzlich in meiner Freizeit neben einem ohnehin gewaltigen Arbeitspensum mache, würde es mich zeitlich überfordern, auch noch zu antworten. Dennoch erreichen mich Leute – wenn sie wollen, finden sie einen eh. (H: 58)

Dabei fehlt es nicht immer an der Initiative der Medien. Das Kulturpublikum

formiert auch im Netz eine Minderheit. Kulturmedien verfügen also naturgemäß

über weniger Facebook-Fans, Twitter-Follower oder Klicks auf der Webseite.

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Wenn wir z.B. in einem Facebook-Posting die Frage stellen: „Wen würdet ihr zum Songcontest schicken?“ Und genau einer etwas darunter schreibt, ist das nicht so mächtig viel. Wir sehen ja, wie viele den Beitrag ansehen. Das ist weit mehr, als zurück schreiben. Vielleicht fühlen sie sich auch nicht angesprochen. Auf der Webseite ist diese Interaktion stärker. Die haben natürlich auch um ein vielfaches mehr Fans. Also das zwanzig Fache oder so. (F: 266)

Die Reaktionen seien bei kontroversiellen Themen wie Politik und Wirtschaft

weitaus höher. Laut der Meinung eines Befragten (C: 64) ist das Publikum bei

„schnellen Hypethemen“ meinungsfreudiger als bei Themen, die „Substanz und

Nachsinn “ verlangen. „Das Publikum ist denkfaul.“ (C: 65) Die Partizipation des

Publikums wird als wünschenswert betrachtet, sie allerdings mit Zwang

herbeizuführen, sei auch im Radio der falsche Weg.

Ich habe so dezidierte Social Media-Sendungen ein wenig langweilig gefunden. Da sie nur dem Medium selbst dienen. Wenn man versucht mit aller Kraft bei Diskussionssendungen Leute auch mit Web-Cam zuzuschalten. Das ist ein lustiges Experiment, das aus meiner Sicht keinen Mehrwert erbracht hat. Dass man das so extrem forciert oder die Leute dazu zwingt, Feedback oder Meinungen abzugeben, ist aus meiner Meinung nach nicht notwendig. Wenn sie es kommentieren wollen, können sie es eh machen. (E: 262)

Außerdem versprechen partizpationsfördernde Maßnahmen seitens des Mediums

nicht automatisch mehr Beteiligung im Publikum.

Um ehrlich zu sein, die paar Versuche, bei denen wir die Leute engagieren wollten, Feedback zu geben, waren nicht bedeutend besser als die, bei denen wir es nicht gemacht haben. [...] Es geht mehr darum, dass man die Headline gut formuliert oder diese 140 Zeichen, damit sich Leute auskennen. (G: 287)

Aufmerksamkeit ist auch im Social Web ein knappes Gut und muss umworben

werden. Besonders visuelle Reize wie Fotos von Ausstellungen oder Videos von

Filmtrailern durchbrechen die Wahrnehmung der NutzerInnen leichter als reine

Texte darüber. Diese wiederum müssen spannend „angeteast“ werden, was die

Postings zu Werbespots für die Texte werden lässt. Der/die LeserIn wird mit einer

legeren Sprache und dem „globalen Du-Wort“ (E: 281) direkt angesprochen, um sie

zu mehr Partizipation zu bewegen.

Zum Beispiel die Versteigerung eines Bildes des Malers Rothko haben wir so angekündigt: „Ihr werdet staunen um wie viel das Bild versteigert worden ist“. Damit man die Leute überhaupt erst einmal in die Geschichte rein bekommt. Da ist die Verknappung schon eine Einschränkung. Gerade weil es im Kulturbereich ja schon meistens mehr Text und mehr Tiefe bedarf. (A: 64)

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Ein oberflächlicher Umgang mit Social Media ist aber mit Vorsicht zu genießen. So

kann das Veröffentlichen von unseriösen oder nicht-journalistischen Inhalten die

Reputation eines Mediums beeinträchtigen.

Als Medium braucht man natürlich seine Leser und die Reichweite. Deswegen macht das auch jemand wie Armin Wolf [...] Man merkt, dass da eine Person mit ihren Interessen dahinter steckt. Die, wenn man so will, emotionalisier[t] mit Fußball, Felix Baumgartner oder dass es schneit. Man kennt diese Dinge, für die sich Leute auf FB interessieren. Wir könnten das definitiv besser machen. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, in wie weit man das als Medium auch will, weil man natürlich dann auch an seinem eigenen Ruf etwas verändert. Der Falter macht das beispielsweise extrem konsequent nicht. (G: 265)

Soziale Medien können durchaus beanspruchen, das öffentliche

Meinungsspektrum erweitert zu haben. Die persönlichen Ansichten einzelner

NutzerInnen verbreiten sich rasch, wenn sie über Kanäle wie Facebook, Twitter

oder Blogs weitergeleitet, kommentiert oder „geliket“ werden. Für

KulturjournalistInnen bedeutet das, sich mit den Meinungen des Publikums

auseinander zusetzen.

Ich glaube, was soziale Medien gefördert hat - ob man es mag oder nicht - ist, die persönliche Meinung aufzuwerten. Ich bin manchmal genervt davon, wie viele Leute glauben, dass ihre persönlichen Meinungen wichtig sind und da schließe ich mich mit ein. Ich glaube nicht, dass meine Meinung immer für jeden essentiell wichtig ist. Das ist eben nur meine Meinung. (E: 241)

Die Qualität der Meinungen des Publikums ist bei den JournalistInnen umstritten.

Ebenso inwiefern sie die journalistische Arbeit verändern können.

Ich finde man sollte es als sehr positives Phänomen betrachten, dass es diesen Rückkanal gibt, der im besten Fall erweiternd, ergänzend und korrigierend, weiterführend ist. Natürlich im negativen Fall nur bissig und zynisch, deppert und beleidigend. (D: 245)

Vor allem im Schutz der Anonymität geben sich so genannte „KampfposterInnen“

als besonders angriffig und provokant.

Man kann das relativ schnell ausblenden bzw. muss man eine dickere Haut entwickeln und sagen, okay, das ist die Meinung von irgendwelchen Leute, die sich auch nicht offen dazu bekennen, sondern die da mit rein schwingen, aber let it be. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass die Welt ein Ort der Schönheit, der Gerechtigkeit und der Freundlichkeit ist, sondern eben auch einer der vox populi. (D: 247)

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Vor allem die KritikerInnen in den Kulturressorts müssen nun mit Gegenwind aus

dem Internet rechnen. Sie sitzen nicht mehr wie früher in ihrem Elfenbeinturm und

entscheiden alleinig, welche Kunst taugt und welche nicht. Ihr Deutungsmonopol

müssen sie mit den NutzerInnen teilen. Der Umgang mit der unmittelbaren Kritik

am eigenen Standpunkt unterscheidet sich unter den KulturjournalistInnen.

Also manche Kritiker geilen sich richtig daran auf, wenn die User das ganz furchtbar finden. Denen gefällt das total, wenn die zurückschimpfen und sie lächerlich machen wollen. Ich reagiere da eher empfindlich darauf, muss ich sagen. Ich nehme mir das schon zu Herzen. Dann lasse ich andere Menschen die Kritik lesen und das entkräften. (F: 333)

Die Kritik kann aber auch Inputs für weitere Recherchen geben oder helfen, den

eigenen Zugang zu hinterfragen.

Wenn man das sieht, dass sich der Leser die Frage stellt: warum man das so schreibt - geht man das selbst noch mal durch. Im Prinzip habe ich bis jetzt in jedem Fall für mich selbst rechtfertigen können, warum ich das so gemacht habe, was auch für meine Kollegen wichtig ist. Jede Geschichte wird, bevor sie veröffentlicht wird, zumindest einmal gegengelesen. Wenn da irgendwo eine Kritik entsteht, spricht man darüber und ändert die Geschichte gegebenenfalls noch ab. Ich gehe mit der Kritik in Foren so um, dass ich sie mir einfach noch mal durch den Kopf gehen lasse. (B: 309)

Inwiefern KulturjournalistInnen mit ihren KritikerInnen aus dem Netz in einen

Dialog treten, hängt von der Bereitschaft der/des Einzelnen ab. Wie fundiert die

Kritik der NutzerInnen ist und wie ernst sie genommen wird, hängt wiederum von

der Community, ihrer Ausgewogenheit und der Fachkenntnis ihrer

TeilnehmerInnen ab. Wenn diese ausgeprägt ist, kann die Partizipation der

NutzerInnen durchaus in eine fruchtbare Auseinandersetzung über Kunst

münden.

Gerade in so speziellen Bereichen wie der Kultur ist es natürlich schön, dass man sich dort zu einem ganz bestimmten Thema austauschen kann. Gerade in der Kultur gibt es viele da draußen, die fundierte Meinungen haben oder vielleicht auch mehr wissen als wir, weil sie selber irgendwo arbeiten oder Dinge produzieren. Das reichert das Ganze schon extrem an. (A: 79)

Für manche wird ein kulturjournalistischer Text erst mit den unterschiedlichen

Meinungen in den NutzerInnenkommentaren zum Gesamtwerk. Sie komplettieren

das Meinungsspektrum und leuchten das Spannungsfeld aus, das die JournalistIn

mit einem Beitrag nur schwer abstecken kann.

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Ein kulturjournalistischer Text ohne die ganzen Reaktionen darunter und die ganzen Postings so blöd, stupide und geltungssüchtig sie auch sein mögen, ist nur das halbe Vergnügen und vielleicht auch nur die halbe Wahrheit, weil du ja auch immer wieder sehr kritische, aber auch wissende und auch zum Teil sehr informierte Stimmen findest, die zum Teil in den Fachgebieten – so beschämend es auch für den Schreiber des eigentlichen Artikels auch sein mag oder des eigentlichen Betrags sein mag– oft informierter sind und dich auf Fehler hinweisen oder etwas aus einer anderen Warte betrachten oder ergänzen oder konterkarieren. [...] Das halte ich für eine wirklich sehr positive Entwicklung des Kulturjournalismus in den letzten 10-15 Jahren. (D: 230; 267)

Wenn diese Auseinandersetzung überhaupt irgendwo stattfindet, dann im Forum

von derStandard.at oder von diePresse.com. Für andere Medien bleibt diese mehr

oder weniger ein Wunsch. Auch in den Sozialen Netzwerken Facebook oder

Twitter sind vielseitige Diskussionen über Kunst (noch) eher eine Seltenheit.

5.3.1.3. Publizieren von Inhalten

Social Media sind für Medien ein wichtiges Tool, ihre Inhalte zu verbreiten. Die

Strategie des Publizierens unterscheidet sich von der Zielsetzung. Medien selbst

verwenden die Kanäle dafür anders als einzelne KulturjournalistInnen. Für Medien

besteht das Hauptziel darin, bereits veröffentlichte Geschichten in Zeitung, Radio

oder Fernsehen auf ihren Onlineauftritten zu bewerben und mit Links auf sie zu

verweisen. Gelegentlich erscheinen auch Inhalte, die nicht mit einem fertigen

Artikel in Verbindung stehen, wie z.B. Zitate, Todestage, Verlosungen oder

Umfragen („das beste Musikfestival Österreichs“). „Im Grunde geht es uns

natürlich darum, dass wir die Leute für unsere Inhalte und für die Marke

begeistern.“ (A: 316) Mit der Verlinkung in Social Media-Diensten wie Facebook

oder Twitter wird ein breiteres Publikum auf die eigenen Texte oder Sendungen

aufmerksam. Im Idealfall verbreitet dieses die Inhalte über „Shares“, „Likes“,

„Tweets“ oder „PlusOnes“ weiter. Das Publikum wird so für die Medien zum

wichtigen Multiplikator und Social Media immer mehr zu wichtigen Weichen, die

den Verkehr wieder in die eigene Richtung lenken. Denn Soziale Netzwerke wie

Facebook ziehen die LeserInnen weg von den Webseiten der Medien.

Das Ziel ist natürlich, Leute zu uns [auf die Webseite] zu bekommen. Was nützt mir ein Klick auf Facebook. Von dem hat nur Facebook etwas. Wir müssen die Leute dazu bringen, dass sie bei uns die Sachen lesen. Damit sich bei uns die Besucherzahlen erhöhen. (F: 417)

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Facebook ist im Kulturbereich für Medien die relevanteste Plattform, weil es mehr

Leute erreicht. Medien verlinken ihre Inhalte direkt oder versehen Artikel im

eigenen Webangebot mit einem Empfehlungs-Button. Mit einem Klick darauf

verbreitet der/die LeserIn den Text in der eigenen Facebook-Timeline und kann so

von dessen FreundInnen beachtet, gelesen und im besten Fall weitergeleitet

werden.

„Diesen Artikel auf Facebook empfehlen“ funktioniert sehr gut. Also vergangene Woche habe ich etwas geschrieben über „die Hinichen“, deren Konzert abgesagt worden ist und das hat über 500 Empfehlungen auf Facebook gehabt. Das ist sehr viel für eine Kultur-Geschichte. Definitiv. Der Erwin Wurm hat glaube ich drei bis jetzt. (F: 279)

Im Radio werden auf Facebook Sendungen im Vorfeld mit Links zu den Videos

oder Songs der Studiogäste angekündigt. Nach der Ausstrahlung folgt ein Link

zum Stream der Sendung und eine Playlist der gespielten Musik als „Notiz“.

Twitter ist in Österreich noch immer ein Minderheitenmedium, in dem auch für

den Kulturjournalismus noch enormes Wachstumspotenzial steckt. Bislang wird es

verstärkt passiv genutzt.

Es gibt auch einige Kulturjournalisten drauf, die total inaktiv sind, sage ich jetzt einmal. Vielleicht sind die noch auf Wartestellung. Die schreiben überhaupt nie etwas. Oder ganz selten. Sie schauen sich aber glaube ich auch die Sachen an und folgen eben relevanten Leuten. (F: 369)

Entscheidend ist es, sich ein Netzwerk aufzubauen und Institutionen und

BloggerInnen zu folgen, dadurch werden diese über die eigenen Inhalte informiert.

Twitter eignet sich in Österreich weniger, um Leute auf eigene Inhalte zu lenken,

sondern um „sich in der Diskussion zu halten“ (G: 352). Die große Chance für

(Kultur-)journalistInnen besteht darin, von einem populären Twitter-Account mit

vielen FollowerInnen zitiert zu werden. „Wenn Armin Wolf etwas aufgreift von

mir und weiter twittert, dann ist das der Jackpot des Tages.“ (F: 354)

Ein Musikmagazin nutzt sogar einen zweiten Twitter-Account, in dem

ausschließlich Kurzrezensionen von Alben ausgespielt werden.

Wir haben einen eigenen Account für Reviews, der jede Review automatisch postet. Sie heißen eigentlich Twitter-Reviews und ursprünglich war der Plan, sie auf 140 Zeichen zu beschränken. Man kommt dann natürlich darauf, nur diese 140 Zeichen zu posten, ist auch vollkommener Schwachsinn, da sich dann niemand mehr auskennt, um wen es geht. Man benötigt einfach ein paar

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Zusatzinformationen, die im Heft funktionieren oder auch online. [...] Deswegen gibt es jetzt einen eigenen Kanal, der nur diese twittert. (G: 299)

Besonders gut funktioniert im Social Web das Verbreiten von personen- und

meinungsbezogenen Textgattungen und popkulturellen Inhalte. Sie werden eher

weitergeleitet und kommentiert. Deshalb gelingt es subjektiven Formaten wie der

Rezension besser, die Leute zum Diskutieren zu bringen. Gerade Konzertkritiken

polarisieren unter den PosterInnen und provozieren unterschiedliche Meinungen.

Auch Fotos von Kunstwerken oder Videos von Ausstellungen oder

KuratorInnengesprächen sind beim Publikum beliebt und werden weitergeleitet.

Aber nicht nur populäre Themen sind auf Facebook oder Twitter erfolgreich:

Populärkulturelle Inhalte funktionieren gut und verbreiten sich leichter weiter. Wenn man allerdings das richtige Publikum hat, kommt auch ein Interview mit einem Philosophen wie Slavoj Žižek auf Facebook unglaublich gut an. Damit haben wir selber nicht gerechnet. Anscheinend waren genug Fans auf unserer Seite die sich mit Zizek auseinander setzen, seine Philosophie kennen oder das interessant finden. Wir probieren da einfach sehr viel aus gerade. Und sind oft selber überrascht wie unberechenbar das Publikum da ist. (A: 295)

Allerdings erzeugen Soft-News auch im Social Web schnelle Aufmerksamkeit.

Der Umstand, dass die Verlosung eines Sackerl vom Feschmarkt oder ein Foto der Soap & Skin Schokolade von Zotter offenbar vier oder fünfmal so viele Leute sehen wie eine Coverstory über Glock, dem österreichischen Waffenhersteller oder dem Arabischen Frühling und Subkultur, ist dann immer wieder ein bisschen bitter. (G: 208)

Das Social Web bietet aber noch weitere Möglichkeiten, das Publikum als

MultiplikatorInnen für die Verbreitung von Texten einzusetzen. Ein Sonderfall

unter den Sozialen Netzwerken ist Google+, dieses wird von den befragten

KulturjournalistInnen noch sehr wenig genutzt. Einerseits, weil die

Nutzungszahlen vergleichsweise niedrig sind, andererseits, weil die Kapazitäten

für die eigene Social-Media-Nutzung auch begrenzt sind.

Irgendwann geht es dir ziemlich am Keks, dass du so viele Plattformen bespielen musst. Und es streust wie so ein Hund, der in jede Ecke pinkelt. Also insofern verstehe ich dieses überdimensionale Gewicht und diese überdimensionale Bedeutung, die Facebook und auch Twitter gewonnen haben. Ich sehe das aber sehr kritisch. (D: 146)

Dabei wäre das Netzwerk von Google wegen seiner engen Verbindung zum

Google Pagerank, der Webseiten in ihrer Bedeutung im Internet gewichtet, nicht zu

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unterschätzen. Erfolgreich vernetzte Beiträge in Google+ erscheinen in den

Suchergebnissen von Google weiter oben. Außerdem können ganze Artikel

veröffentlicht werden.

Eine weitere Möglichkeit, seine Inhalte im Social Web zu verewigen, wäre sie auf

Wikipedia zu verlinken. Das funktioniert vor allem bei speziellen Themen, zu

denen es noch wenige Informationen gibt. Bevor ein Artikel als Quelle auf

Wikipedia erscheint, wird er von den AutorInnen der Enzyklopädie eingehend

geprüft.

Zu Soap & Skin oder [zum Rapper] Nazar gibt es nicht so wahnsinnig viel im deutschen Sprachraum. [...] Wir versuchen das jetzt nicht irgendwie vollzuspamen sondern halt schon gezielt so, dass es den Leuten wirklich etwas bringt. Also einfach nur den Artikel reinzuballern nur damit er drinsteht. Der wird sofort wieder herausgelöscht. (G: 345)

Auch nutzerInnengenerierte Inhalte werden immer öfter im eigenen Angebot der

Medien veröffentlicht. So finden Facebook-Einträge oder Twittermeldungen von

LeserInnen häufig ihren Weg in die Berichterstattung. Diese können entweder als

Zitate in Geschichten einfließen oder über Storify in eine logische Abfolge zu einer

Geschichte aufbereitet werden.

Während Medien versuchen, Social Media als weiteren Distributionskanal für ihre

Produkte zu instrumentalisieren, nutzen einzelne KulturjournalistInnen diese für

einen persönlicheren Zugang zur Kunst, einen Blick hinter die Kulissen der

traditionellen Medienproduktion und auch zur Eigenmarkenpflege.

Social Media ist ein sehr starkes Medium, dass weniger journalistisch funktioniert als meinungsbildend, meinungsreproduzierend, meinungsverstärkend und meinungsweitergebend. Fast auf einer persönlichen Ebene. Das heißt, viele Kulturjournalisten, die auf Facebook und Twitter unterwegs sind, Google+, was ich mach, nutzen das ja eigentlich [...] um dann persönliche Meinung absondern zu können, oder persönliche Ironie ins Spiel bringen zu können. [...] zum Teil gehen Leute in Social Media zu sich und ihrer professionellen Arbeit sogar auf ironische Distanz, was hoch interessant ist. (D: 19)

Social Media sind also weniger Medien der objektiven Berichterstattung, sondern

der subjektiven Meinung. Der/die KulturjournalistIn tritt in diesem Fall als

Persönlichkeit in Erscheinung und lässt ihren Geschmacksvorstellungen in

authentischem Ton einen freien Lauf, wie er im Rahmen eines Artikels für ein

Medium nicht möglich wäre.

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Einige nutzen Social Media relativ plump: Ich habe einen Artikel geschrieben, bitte lesen. Viele versehen den Text mit einem Subtext oder stellen das in einen anderen Kontext durch Lustigkeiten, was ich sehr positiv finde, die auch ein bisschen diesen Kulturkritiker-Ernst aus dem Ganzen rausnehmen. (D: 34)

Laut einer Aussage eines Befragten lösen in Social Media nicht Medien, sondern

einzelne JournalistInnen die Diskussionen aus. Einige der Befragten betreiben auch

eigene Blogs, die sich in ihren Zielen deutlich unterscheiden. Von der persönlichen

anlassunabhängigen Reflexionsplattform, über das eigene Archiv veröffentlichter

Texte bis zum Ankündigungs- und Empfehlungsservice von persönlichen

Vorlieben. Der Interaktionsgrad divergiert ebenso.

KulturjournalistInnen können Social Media also für unterschiedliche Zwecke

nutzen. Für die Verbreitung von Texten oder ihrer persönlicher Meinung. Der

Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

5.3.2. Chancen und Nutzen von Social Media

5.3.2.1. Vorteile der Recherche in Social Media

Die Recherche mit Social Media kann die herkömmlichen Methoden wie das

persönliche Gespräch, Telefonate, Agenturmeldungen oder Emails nicht ersetzen,

aber sie kann sie erweitern. Ihre größten Vorteile für KulturjournalistInnen liegen

am schnellen und unkomplizierten Zugang zu Informationen. Über Soziale

Netzwerke wie Facebook oder Twitter können sich JournalistInnen ein

InformantInnennetzwerk maßschneidern, indem sie FreundInnen oder

ExpertInnen, KünstlerInnen oder Kultureinrichtungen, JournalistInnen oder

Fachmedien folgen. Anstatt Lesezeichen zu setzen, erscheinen die Neuigkeiten in

Echtzeit direkt im personalisierten Nachrichtenstrom ihres Netzwerkes. Je

spezialisierter und kompetenter die InformantInnen, desto effizienter die

Informationsbeschaffung, umso höher der Informationsvorsprung gegenüber den

Nachrichtenagenturen, und damit gegenüber den anderen Medien. Recherche in

Social Media bedeutet mitunter auch das Publikum mit einzubeziehen. Das kann

im direkten Austausch passieren, in Form von „Crowd Research“, also direkten

Fragen an die Facebook-Fans oder die Twitter-Follower oder indirekt, in dem in

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Diskussionen die Diskurse identifiziert werden oder Zitate entlehnt werden. Social

Media bieten dem (Kultur-)Journalismus in einem erweiterten Meinungsspektrum

ein neues Sensorium für die Interessen des Publikums. Ein Blick auf die

Meinungen in Facebook oder Twitter fängt kostengünstig und schnell

Stimmungsbilder und Trendbeobachtungen ein.

Das Prinzip der Disintermediation verändert nicht nur das Verhältnis der Medien

zum Publikum, sondern auch zu den KünstlerInnen. Diese senden ihre

Informationen nun unvermittelt und ungefiltert über Soziale Netzwerke direkt an

die JournalistInnen und ihre Fans. Aktuell gepostete persönliche Informationen,

Erklärungen zur eigenen Kunst oder Ankündigungen von Projekten können

vielfach in die Vorbereitung von Interviews, Geschichten oder Kritiken einfließen

und wiederum einen Informationsvorsprung zu den Pressetexten bieten.

Die Videoplattform Youtube hat sich als ein Archiv der Gegenwartskultur etabliert,

das für JournalistInnen jederzeit offen steht, um das Gesamtkunstwerk eines/r

KünstlerIn in Bild und Ton erschließen zu können. Manche JournalistInnen

empfinden beim Videoschauen auch mehr Spaß, als beim Durchforsten des

hauseigenen Zeitungsarchivs. Ebenso ist Wikipedia für die Recherche von

Hintergründen und Biographien nicht mehr wegzudenken.

Social Media haben aber auch der Kunst geholfen, speziell jener abseits des

Mainstreams, sichtbarer zu werden. Insofern verbesserte sich auch die

Zusammenarbeit zwischen Medien und KünstlerInnen, die sich professionelle

Promotion nicht leisten können. Auch die Kontaktaufnahme kann sich über

persönliche Kanäle wie Facebook oder Twitter mitunter einfacher gestalten.

5.3.2.2. Vorteile der Interaktion mit dem Publikum

Die größte Errungenschaft des Web 2.0 ist die Emanzipation der NutzerIn zur

ProduzentIn. Das Publikum kann nun aktiv mit den Medien und ihren

JournalistInnen in Kontakt treten. Diese neue Beziehung stellt den Journalismus

vor neue Herausforderungen, bringt aber auch Chancen. Die größte ist wohl der

Rückkanal, über den JournalistInnen erfahren, was ihr Publikum lesen, sehen oder

hören möchte und was nicht. Klickraten und Kommentare in Communities geben

unmittelbare Auskunft, ob Geschichten ankommen oder warum sie es nicht tun.

Direktes Feedback der NutzerInnen eröffnet den KulturjournalistInnen neue

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Denkräume und Perspektiven und eine ausgelagerte Qualitätskontrolle, denn

Anmerkungen zu inhaltlichen oder formalen Fehlern können sofort korrigiert

werden.

Social Media haben zweifelsohne die persönliche Meinung des Publikums

aufgewertet und damit das öffentliche Meinungsspektrum erweitert. Durch den

Rückkanal über Soziale Netzwerke oder die Webseite können diese auch direkt die

öffentliche Auseinandersetzung mit Kunst bereichern. Besonders fundierte

Kommentare von Kulturtreibenden zeigen sich als fruchtbare Expertisen, die

oftmals die Kompetenz der KulturjournalistInnen übersteigen und deren

Perspektive erweitern. Das Zusammenspiel der Standpunkte der KritikerIn und

der NutzerInnen schafft ein von vielen Seiten beleuchtetes Bild eines

Spannungsfeldes. JournalistInnen können aus dem Feedback, vorausgesetzt es

handelt sich um ein konstruktives, für zukünftige Recherchen profitieren. Fragen

aus dem Publikum können in Echtzeit schnell und öffentlich beantwortet werden

und über cross-mediale Verbindung beispielsweise in Live-Sendungen in Radio

oder TV integriert werden.

Die Kunst selbst gewinnt durch die Verbreitung von kulturjournalistischen Texten

in Social Media an Öffentlichkeit. Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter

können Menschen auf Kunst aufmerksam machen und ihnen helfen, ihren

Kunstgeschmack kennen zu lernen.

5.3.2.3. Vorteile des Publizierens in Social Media

Die großen Stärken für Medien liegen laut den Befragten im Verlinken der eigenen

Inhalte in Social Media und an der Mobilisierung des Publikums, das diese Inhalte

verstärkt. Über Shares, Likes, Tweets und Plus Ones erreichen Texte, Videos, Fotos

oder Sendungen neue Publikumsschichten und dringen in Nischen vor, die nie

zuvor auf der Webseite der Medien gelandet sind.

Wenn JournalistInnen das Publikumsverhalten auf Plattformen wie Twitter,

Facebook oder Google+ analysieren, erfahren sie wie eine Geschichte ankommt, ob

sie gesehen wird, ob sie kommentiert oder geteilt wird.

Das persönliche Auftreten von JournalistInnen hilft gerade Online-

RedakteurInnen, die oft anonym arbeiten, ihr Image zu humanisieren. Natürlich

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profitiert auch das Image von Medienmarken durch eine starke Präsenz in Social

Media.

Die Gründung eines persönlichen Auftritts für JournalistInnen in Sozialen

Netzwerken wie Twitter, Facebook oder Google+ ist denkbar einfach. Ebenso

unkompliziert gestaltet sich das Aufsetzen eines eigenen Weblogs, der unabhängig

von Technik, Finanzen, Hierarchien und anderen Menschen als eigenes

persönliches Medium geführt werden kann. Social Media bieten den (Kultur-

)JournalistInnen neben Multiplikatoren für ihre professionellen Inhalte auch ein

„Vehikel zur Selbstdarstellung“ (F: 444), mit dem sie auf persönliche Art und

Weise ihre Reputation pflegen können.

Auch die Kunst kann im Social Web persönlicher und anschaulicher dargestellt

und samt der Einschätzung der KulturjournalistInnen einfacher verbreitet werden.

Der Rückkanal fördert wiederum die öffentliche Auseinandersetzung mit ihr.

5.3.3. Risiken und Gefahren von Social Media

5.3.3.1. Risiken der Recherche in Social Media

Das Internet hat den Journalismus beschleunigt. Social Media können die

Informationen zwar effizienter steuern, die Recherche und vor allem ihre

Auswertung bedeuten aber einen zusätzlichen Zeitaufwand für RedakteurInnen.

Diese stehen unter Dauerbeschuss an Informationen in Form von Texten, Bildern

und Videos. Wesentliche Informationen müssen vom Datenmüll getrennt werden.

Besonders nutzergenerierte Inhalte erfordern höhere Vorsicht bei ihrer

Verifizierung. Diese mangeln oft an Zuverlässigkeit oder vermischen Fakten und

Meinung. Interessanterweise wird mehrfach genannt, dass Faktentreue im

Kulturjournalismus, solange es sich um die reine Bewertung von Kunst handelt,

weniger wichtig erscheint als in anderen Ressorts wie z.B. der Politik. Dies liegt an

der subjektiven Erfahrung von Kunst und ihrem objektiv schwer messbaren

Wesen.

Alle Äußerungen der Befragten, wie sie die Quellensicherheit im Social Web

überprüfen, werden hier zu einem Best-Practice zusammengefasst. Social Media

werden von den JournalistInnen nicht anders behandelt als andere Medien.

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„Nachdem alle Medien von Menschen befüllt werden, sind alle Medien

gleichermaßen (un)zuverlässig.“ (C: 46)

Die Befragten vertrauen bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit auf ihre

persönliche Einschätzung und intuitive Skepsis, ihr journalistisches Gespür und

ihre Erfahrung. Alle nennen für eine idealtypische Recherche den journalistischen

Grundsatz des Check, Re-Check, Doublecheck oder zumindest den Versuch, die

Information über eine weitere Quelle zu verifizieren. Manche gestehen aber, dass

sogar in der Praxis von Qualitätsmedien dafür nicht immer Zeit bleibt.

Ausschlaggebend für die Zuverlässigkeit eines Blogs ist zu wissen, wer ihn

betreibt. Die AutorInnenschaft kann mit einem Blick ins Impressum überprüft

werden. Dort finden sich Informationen zum/zur UrheberIn wie etwa Name,

Adresse oder eine Kontaktmöglichkeit. Weiters empfiehlt es sich, die

Querverbindungen zu bekannten Blogs zu nachzufolgen.

Auch Soziale Netzwerke sind vor Hackerattacken nicht sicher. Von besonders

bekannten Personen des öffentlichen Lebens existieren auch gelegentlich Fake-

Accounts. Die Echtheit eines Profils ist meist gekennzeichnet als „Official“ (FB)

oder „Verified“ (Twitter). Folgt man den Links auf der Webseite, vom Plattenlabel

oder den Verweisen auf der CD, sollte sichergestellt sein, das offizielle Profil zu

erreichen. Diese haben meist auch die höchste Anzahl an Fans. Natürlich können

Accounts von KünstlerInnen auch gehackt worden sein. Demnach sind

haarsträubende Informationen und provokante Äußerungen mit Vorsicht zu

genießen. Zweifelhafte Aussagen können mit den Veröffentlichungen anderer

Medien verglichen werden. Österreichs Kunstszenen gelten aber als überschaubar,

was die Verifizierung erleichtert.

Außerdem weichen Social Media die Grenzen zwischen Freizeit und Beruf auf, was

für KulturjournalistInnen aber quasi eine Berufskrankheit sei. Problematisch wird

die dünne Trennlinie erst, wenn JournalistInnen über Medienaccounts private

Meinungen äußern, die jener des Mediums widersprechen. Es wird unklar, wann

tritt eine JournalistIn als Privatmensch auf, wann im Namen des Mediums.

Weiters entsteht auch bei Social Media die Gefahr, in einer „Filter Bubble“

gefangen zu werden. Diese ist besonders hoch im engen Freundeskreis, in dem die

Interessen der FreundInnen entscheiden, welche Themen einen erreichen und

welche nicht („Konsensmaschine Facebook“) (H: 238). Außerdem könnten

JournalistInnen in eine Abhängigkeit von Klickraten-Hypes auf Youtube, Twitter

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oder Facebook gedrängt werden. Was zu einer verzerrten Wahrnehmung der

gesellschaftlichen Realität führen könnte. Diese Trends sind mit journalistischem

Gespür zu hinterfragen

Ein durch das Internet verstärktes Problem ist die erhöhte Selbstreferenzialität von

Medien. Die Vernetzung zu anderen Medien, und durch Social Media besonders

die Vernetzung der KollegInnen untereinander, könnten dazu führen, dass Medien

in der Themengestaltung einander noch mehr beeinflussen, als sie das ohnehin

schon tun.

Die Befragten meinen, es gehörte immer schon zu den Aufgaben von

JournalistInnen, das Angebot der Konkurrenz zu beobachten. Alleine aus dem

Grund, keine wesentlichen Neuigkeiten zu versäumen. Ob dies nun über Zeitung,

Fernsehen, Radio oder Internet passiert, die Themengestaltung erfolgt immer

umweltbeeinflusst. Mit dem Folgen von Medien auf Twitter oder Facebook wird

dieses Monitoring auf neue Kanäle erweitert, beschleunigt und personalisiert. Dort

sind auch JournalistInnen miteinander vernetzt.

Also nur weil ein Kollege auf Facebook etwas postet, hat das genauso viel oder genauso wenig Einfluss auf mich, wie wenn er mir das persönlich bei einem Gespräch sagt oder wie wenn ich das in seiner Kolumne in der Zeitung lese. Das kommt ganz drauf an: wenn das spannendes ist - super - schaue ich es mir gerne an, beeinflusst es mich vielleicht auch. Wenn ich es als nicht spannend einschätze dann eben nicht. (B: 363)

Vor allem ein offener Umgang mit der Recherche auf Twitter oder Facebook

informiert die Konkurrenz über eigene Vorhaben und könnte einen

Wettbewerbsnachteil bringen. Exklusive Geschichten würden aber ohnehin erst im

Medium veröffentlicht.

Zum Beispiel ich interviewe morgen Künstler XY und poste auf Twitter, welche Fragen habt ihr, dann weiß natürlich die Konkurrenz auch, ich interviewe morgen den und den. Aber vielleicht haben sie das früher auch gewusst. Man trifft sich eh jede Woche in der Schlange zu einem bestimmten Interview. In den Fällen kann man es dann auch twittern, dann passt das ja. Und richtige Exklusiv-Sachen wird man nicht twittern. (A: 267)

Die Relevanz eines Themas wird von der Quelle und der Qualität bestimmt und

wie oft andere Medien dieses aufgreifen. Im Social Web entscheiden nun auch

Likes oder Retweets über den Stellenwert. Exklusive Inhalte sind nur mehr einen

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Mausklick entfernt und werden von der Konkurrenz zitiert, weiterrecherchiert und

manchmal auch einfach ungekennzeichnet als eigene Geschichten übernommen.

Wenn wir eine Geschichte exklusiv haben und wir stellen die irgendwann hinauf, dann sehen wir natürlich, wer aller abschreibt oder anfängt genau die gleiche Geschichte zu recherchieren und sie dann als eigene Geschichte präsentiert. Und teilweise eben zitiert oder nicht zitiert. So funktioniert das. Ich schaue natürlich immer, was die Konkurrenz macht, ich glaube auch, dass das viele User machen. (F: 236)

Ob die Selbstreferenzialität durch die Vernetzung der JournalistInen untereinander

gesteigert wird, ist schwer zu sagen. Denn die eigenen Netzwerke unterscheiden

sich voneinander.

Ich glaube nicht, dass es zu einer verstärkten Selbstreferenzialität führt, sondern dass sich jeder zu einem gewissen Grad seine eigenen Netzwerke aufbaut. Ein Journalist als Network node, ist eine zentrale Schaltstelle in einem gewissen Netzwerk. Das versucht man zu werden, um möglichst viel Input von verschiedenen Seiten zu haben. Es gibt so viele verschiedenen Möglichkeiten dieses Netzwerk aufzubauen, so dass sich diese Netzwerke, auch wenn man ein sehr ähnliches Thema abgrast, sich sicher unterscheiden. (B: 234)

Die Vernetzung untereinander kann KulturjournalistInnen behilflich sein, „in

ihrem kleinen Bereich am Laufenden zu bleiben“ (E: 185). Was für die

Kulturberichterstattung besonders wichtig ist, da diese in den meisten Fällen

anlassbezogen und an aktuelle Veröffentlichungstermine und Promotion gebunden

ist. Einzig ein/eine BloggerIn erklärt: „Mich beeinflusst nichts, weil ich auf meinen

Blog nur Dinge stelle, die ich gut finde und die mir am Herzen liegen.“ (H: 53)

5.3.3.2. Risiken der Interaktion mit dem Publikum

Mit neuen Kanälen entsteht auch mehr Arbeit. Kommentare müssen gelesen,

überprüft und beantwortet werden. Das Social Media-Monitoring erfordert einen

zeitlichen Mehraufwand, der den positiven Effekten aber nicht entgegensteht. Es

besteht aber die Gefahr, dass auf den Rückkanal zu starke Rücksicht genommen

wird. Inwiefern von den Diskussionen in einer Community Rückschlüsse auf die

gesamte LeserInnenschaft bzw. auf die Gesellschaft gezogen werden können,

hängt von ihrer Zusammensetzung ab.

Viele NutzerInnen verwenden die Anonymität für destruktive Kritik und

Diffamierungen. In rauem Umgangston transportieren sie oftmals rechthaberisch

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und dogmatisch Meinungen ohne ein Interesse am diskursiven Austausch zu

zeigen. Manches Mal arten diese auch in Beschimpfungen gegenüber den

RedakteurInnen aus, welche ihren Ruf, den des Ressorts und des Mediums

geschädigt sehen. Die angegriffenen JournalistInnen sollten sich aber nicht zu

Kleinfehden mit den NutzerInnen hinreißen lassen.

Außerdem fordern formatbedingte Platzgrenzen, komplexere Inhalte stark zu

verknappen und auf triviale Weise zu vermarkten, was den Themen der Kultur oft

nicht gerecht wird.

5.3.3.3. Risiken des Publizierens in Social Media

Das Befüllen verschiedenster Social Media-Kanäle bedeutet für die Befragten einen

weiteren Mehraufwand für (Kultur-)JournalistInnen. Die Verlinkung von Inhalten

in Facebook oder Twitter funktioniert zwar automatisch, trotzdem müssen in der

Redaktion zeitliche und personelle Ressourcen dafür aufgewendet werden.

Ein größeres Problem könnte die Abhängigkeit der Medien von einem Konzern

wie Facebook oder Google darstellen. Speziell Facebook hat mit der Einführung

des EdgeRanks, der den Nachrichten-Feed strukturiert und bestimmt, welche

Informationen wie lange ganz oben stehen, de facto die Reichweiten für Postings

beschränkt. Wollen (Medien-)Unternehmen diese erhöhen, müssen sie bezahlen.

Außerdem verlieren sie monetarisierbare Klicks und Kommunikation auf der

eigenen Webseite an die Sozialen Netzwerke, die auch strukturell die Regeln für

die Gestaltung der Texte vorgeben. Formatbedingte Grenzen nehmen den

Beiträgen ihre analytische Qualität.

Weiters passiert das Eingliedern von nutzerInnengenerierten Inhalten oft in einem

urheberrechtlichen Graubereich. Ansonsten überwiegen den Befragten zufolge die

Vorteile.

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5.3.4. Wandel der journalistischen Praxis durch Social Media

5.3.4.1. Neue Handlungsweisen im Kulturjournalismus

Facebook, Twitter und Co werden als positive Erweiterungen im journalistischen

Instrumentarium gesehen. Die größten Veränderungen im kulturjournalistischen

Handeln sehen die Befragten in der Recherche und in den neuen

Verbreitungswegen für Medien und JournalistInnen. Die Recherche wird

erleichtert, da neue Quellen zur Verfügung stehen: die relevanteste für die

Kulturjournalistische Recherche ist der/die KünstlerIn selbst, der/die persönlich

und ungefiltert Informationen über Soziale Netzwerke bereitstellt. Auch das

Publikum und seine Interessen werden für die Recherche immer wichtiger.

Hinweise des Publikums oder Nutzergenerierte Inhale müssen gesichtet und

überprüft werden.

Im Folgen von KünstlerInnen, Kultureinrichtungen, ExpertInnen, Bekannten oder

LeserInnen auf Twitter oder Facebook entstehen neue Handlungsweisen, die

kurzfristig aktive Initiative der JournalistInnen erfordert, langfristig aber die

Informationen passiv auf ihren Schirm bringen. Außerdem müssen auch diese

Netzwerke gepflegt werden.

Auf die Gestaltung von Inhalten nehmen Social Media aber noch wenige

Auswirkungen. Die Königsdisziplin des Kulturjournalismus, die Kritik oder

Rezension, hat sich in Form und Inhalt (noch) nicht verändert - was teilweise auch

kritisiert wird. Dafür haben sich ihre Verbreitungswege erweitert. Das gegenseitige

Erzählen von Neuigkeiten wird nun mittels Sharingfunktion von den Menschen

zusätzlich ins Internet verlagert. Die wachsende Mobilität der individuellen

Kommunikation bedeutet auch für Medien, den Menschen dorthin folgen zu

müssen. Social Media bieten dafür neue Kanäle, um Inhalte dem Publikum näher

zu bringen. Das Befüllen dieser Kanäle führt teilweise zu neuen Arbeitsschritten

für (Kultur-)journalistInnen. Um die Inhalte auf den einzelnen Plattformen zu

verlinken, müssen JournalistInnen deren Regeln erlernen und ein Bewusstsein für

eine Zwei-Wege-Kommunikation entwickeln. Das Ziel soll es sein, das Publikum

als MultiplikatorIn für die Inhalte einzusetzen. Seine begrenzte Aufmerksamkeit

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zu erregen, erfordert neue Herangehensweisen in der Sprache und die Bereitschaft,

mit ihm in den Dialog zu treten.

In Österreich steht der Kulturjournalismus aber noch weit hinter seinen

Möglichkeiten. Nur wenige Beispiele belegen eine ausgereifte Nutzung des

Rückkanals. Nach mehreren Aussagen findet der Kulturjournalismus bislang

nimmer noch in den traditionellen Medien statt. „Wer sich im Denk-Duktus des 19.

Jahrhunderts bewegt, kann Social Media natürlich nicht begreifen oder integrieren.

Herkömmliche Kulturjournalisten können nicht mit einem Retourkanal arbeiten

oder umgehen. Das zu lernen wäre einmal der erste Schritt.“ (C: 139) Das bedeutet

für KulturjournalistInnen, zusätzlich Zeit aufzuwenden, um auf Kommentare des

Publikums zu antworten. Der Dialog könnte auch das Meinungsspektrum

anreichern und die Analyse über Kunst vertiefen. Bislang führt die Interaktion mit

dem Publikum im Kulturjournalismus noch zu wenigen neuen Handlungsweisen.

5.3.4.2. Strukturelle Veränderungen in den Redaktionen

In den wenigsten Fällen haben Social Media die redaktionellen Strukturen in den

Medien der Befragten verändert. Die Aufgabengebiete der JournalistInnen

verlagern sich strukturell und wirken sich mehr auf die Inhalte aus. Diese müssen

nun auf mehreren Kanälen wie Twitter, Facebook oder Google+ zu

unterschiedlichen Zeitpunkten veröffentlicht werden. Auch das Monitoring dieser

Kanäle zählt zu den neuen Aufgaben.

Vereinzelt lernen RedakteurInnen in medieninternen Fortbildungen oder

Workshops, wie Social Media anzuwenden sind. Nur wenige Medienunternehmen

wie der ORF oder die APA verfügen über interne Guidelines, die ihren

MitarbeiterInnen die Grenzen der Nutzung erklären. Das Bewusstsein unter den

KulturjournalistInnen, im Social Web immer auch als Repräsentant des Mediums

zu handeln, ist bei allen stark ausgeprägt und schütze sie ohnehin vor

firmenschädigenden Äußerungen. Die Redaktionen vertrauen auf die

journalististische Erfahrung und den gesunden Menschenverstand ihrer

MitarbeiterInnen. Es herrscht Konsens, dass nutzerInnengenerierte Inhalte mit der

selben journalistischen Sorgfalt zu prüfen sind, wie andere Quellen. Insofern

wirken Regeln eher auf informelle Art auf das kulturjournalistische Handeln mit

der Ressource Social Media.

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Die Social Media-Guidelines des ORF (ORF-REDAKTEURSVERTRETUNG 2012)

sollen hier als Beispiel für Handlungsempfehlungen durch das Medium angeführt

werden:

1. Du bist im Internet nicht nur als Privatperson, Du wirst auch als ORF-

MitarbeiterIn wahrgenommen. 2. Achte auf Deinen Ruf – und den des ORF! 3. Tue nichts, was an Deiner Glaubwürdigkeit und Objektivität als JournalistIn

Zweifel auslösen könnte! 4. Zeige Fingerspitzengefühl bei politischen und wirtschaftlichen

„Freundschaften“! 5. Schreibe und zeige nichts, von dem Du nicht willst, dass es morgen oder in

ein paar Jahren über Dich verbreitet oder gesagt wird! 6. Soziale Netzwerke sind Werkzeuge und nicht Spielzeuge! 7. Interagiere mit unseren UserInnen, HörerInnen und SeherInnen! 8. Kümmere Dich um Deine „privacy settings“! 9. Bleibe höflich! 10. Eigentum bleibt Eigentum – auch im Netz!

Im Falle des ORF entscheiden neben technologische Entwicklungen auf rechtliche

Rahmenbedingungen, ob Social Media überhaupt als Distributions- oder

Vermarktungskanal verwendet werden dürfen. Seit Jahren verhandelt der ORF mit

der Gerichtsbarkeit und den privat-kommerziellen Medienanbietern über eine

Lockerung des Gesetzes, das ihm die Aktivität in Sozialen Netzwerken untersagt.

Bei Fertigstellung der Arbeit war es dem ORF nun doch erlaubt worden, eigene

Facebook-Seiten zu betreiben. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes ist noch

nicht in letzter Instanz entschieden. (vgl. dazu FIDLER 2013) Das

Gesetzprüfungsverfahren ist noch im Gange. Vielleicht auch aus Gründen der

Planungsunsicherheit beschäftigt der ORF, wie auch die Medien der anderen

Befragten, noch keine/n eigens zuständige Social-Media-RedakteurIn.

Einzig derStandard.at reagierte auf die neuen Technologien gleich mit zwei neuen

Stellen für Social Media-RedakteurInnen. Eine betreut das Marketing, die andere

das Contentmanagement. Die letztere ist ausschließlich für das Monitoring der

Sozialen Netzwerke, das Betreuen der Community und das Befüllen der Kanäle

verantwortlich. Mit den ReakteurInnen erarbeiten sie gemeinsam die strategische

Umsetzung von Themenschwerpunkten in Social Media.

Ansonsten haben Social Media in den Redaktionen der Befragten zu wenig

strukturellen Anpassungen geführt.

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5.3.4.3. Verhältnis zwischen PR und Kulturjournalismus

Social Media haben das Verhältnis zwischen PR und dem Kulturjournalismus

weder gestärkt noch geschwächt. Aber der Umgang der JournalistInnen mit der PR

habe sich ebenso verändert wie der Umgang der KünstlerInnen mit ihr.

KünstlerInnen schaffen sich auf Social Media eine weitere Bühne der

Selbstdarstellung und kommunizieren direkt mit den Medien. Auch wenn dieses

unmittelbare Verhältnis den Anschein macht, die traditionellen Wege

professioneller Öffentlichkeitsarbeit zu umgehen, ist die Strategie hinter einer

Veröffentlichung von Postings ständig zu hinterfragen.

Früher hat man nur den Waschzettel, die Promomaterialien gekriegt und hatte ein Interview, um über diesen Menschen etwas herauszufinden. Davon ist Social Media eine Erweiterung. [...] Man hat den Eindruck, man kriegt mehr von diesen Menschen mit. Wobei natürlich auch sein kann, dass die das Spiel einfach mitspielen oder selbst beraten werden. Also diese Hoffnung, jetzt direkten und unmittelbaren Zugang zu Künstlern zu haben, da bin ich ein bisschen skeptisch. (G: 375)

Den Aussagen der Befragten zufolge verliert die PR auch ein wenig an

meinungsbildendem Einfluss. KulturjournalistInnen kommen nicht nur schneller

an die Informationen von KünstlerInnen, sondern haben nun weitere

Möglichkeiten diese und ihr Werk zu beurteilen.

Dabei spielen nicht nur Postings eine Rolle, sondern auch, dass Künstler selbst ganze Alben in guter Qualität auf Youtube stellen und diese über Facebook bewerben. Vor einer Zeit wäre das undenkbar gewesen. [...] Journalisten können dadurch Künstler anhand ihrer eigenen Texte bewerten und nicht anhand der PR-Texte, mit denen Künstler wenig zu tun haben und auch nicht immer ganz zufrieden damit sind. (B: 129)

Trotzdem bleibt das strittige Verhältnis der Medienpartnerschaft zwischen PR und

Kulturjournalismus bestehen. Die Berichterstattung in Kulturmedien ist immer

noch an Produktzyklen und Veröffentlichungstermine gebunden und

JournalistInnen genießen immer noch Privilegien. Mit zunehmendem Maße

entdecken PR-Agenturen auch Weblogs als „Resonanzen und Hallräume“ für die

Promotion und Aufmerksamkeitsgenerierung und befüllen Youtube mit Videos

ihrer KünstlerInnen.

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5.3.5. Zukünftiges Potenzial für den Kulturjournalismus

Die Befragten sind sich einig, solange die Wachstumszahlen der Nutzung von

Social Media-Angebote steigen, wird auch die journalistische Recherche an

Bedeutung gewinnen. Für die Kulturberichterstattung könnten Facebook und

Twitter für schnelle und unkomplizierte Informationen über KünstlerInnen

interessant bleiben. In Anbetracht von Kürzungen in Redaktionen allerorts, können

schnelle Informationen notwendige Arbeitschritte wie Anfragen rationalisieren,

ihre Exklusivität geht dabei klarerweise verloren.

Die Interaktion mit dem Publikum könnte durch zukünftige technologische

Schritte auf ein weiteres Niveau gehoben werden. Bei allen Wunschvorstellungen

nach einem aktiven Publikum muss dieses aber auch selbst die Bereitschaft dafür

aufbringen. Besonders das Kulturpublikum scheint noch wenig Bedürfnis an einem

aktiven Informationsaustausch zu haben. Aber auch Medien sollten Strukturen

schaffen, die ihren MitarbeiterInnen mehr Zeit für den Kontakt mit dem Publikum

einplanen.

Wie Medien in Zukunft eigene Inhalte im Social Web publizieren und vermarkten

werden, dürfte eng an neue Geschäftsmodelle gekoppelt sein. Social Media

verschaffen dem Journalismus zwar mehr Reichweite, rütteln aber ordentlich an

den Grundfesten des Nachrichtengeschäfts. Ein immer größerer Teil der

Werbegelder bleibt bei branchenfremden Konzernen wie Facebook oder Google

hängen, die mit den Inhalten der Medien ihr Geld verdienen. Wenn Medien

wiederum ihren Content hinter Bezahlschranken versperren, beeinflusst das ihre

Distributionspolitik in Social Media. Deshalb versuchen Medien immer mehr den

Verkehr zurück auf die eigene Webseite zu lotsen. Facebook könnte mit der

Einführung des EdgeRanks und dem einhergehenden Reichweiteverlust diesen

Trend fördern. Algorithmen und Marketing scheinen die Zukunft zu bestimmen

und führen Angebot und Nachfrage immer weiter zusammen. Was das Publikum

zum einen zu präzise fokussierten Informationen und ähnlichen Meinungen führt.

Zum anderen könnte es in einer „Schleife der Selbstreflexion und des Erwartbaren“

(D: 370) gefangen werden. Diese Gefahr der so genannten „Filter Bubble“ könnte

auch bei stark spezialisierten JournalistInnen in der Recherche entstehen.

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Medien könnten aber auch mit Social Media-Plattformen kooperieren, wie dies

zum Beispiel der Guardian mit Facebook tut.

Für die einzelne KulturjournalistIn sind Social Media Präsentationsflächen der

eigenen Arbeit. Mit authentischem, kritischem und journalistisch anspruchsvollem

Stil kann ein Publikum in neuen Nischen erreicht werden. Eine gewisse Größe an

Followern und Fans könnte in Zukunft durchaus den Marktwert einer JournalistIn,

aber auch einer BloggerIn bestimmen.

Ich glaube, dass es für Leute die selber publizieren unerlässlich ist, Präsenz auf Facebook oder Twitter zu haben. [...] Wenn man keine eigene Leserschaft mitbringt, denke ich, wird es bei Medien immer schwerer, Leute davon zu überzeugen, dass man als Journalist angestellt werden sollte. Weil die natürlich fragen "Und wer liest das?" und "Wen interessiert das, was du da machst?". (G: 598)

Allerdings existieren auch Zweifel daran, dass es am österreichischen Markt ein

Publikum für KulturjournalistInnen gibt, um selbst zum Dreh- und Angelpunkt

des Interesses zu werden.

Gibt es die Möglichkeit wie im englisch-sprachigen Raum, dass man sich als Kulturjournalist im Social Media Bereich so positioniert, um selbst zum Markt zu werden? Wo man diese Network-Nodes hat, die einerseits total effektiv über Social Media mit Informationen bedient werden, andererseits dort als Marke selbst von vielen gelesen und rezipiert werden. Gibt es diesen Markt überhaupt in einem Land mit 8 Millionen Einwohnern wovon 2 Millionen Facebook-Accounts sind? Wird schwierig werden. Natürlich haben wir den Vorteil der gemeinsamen Sprache mit Deutschland, aber wird sich die deutsche Community um einen österreichischen Kulturjournalisten scharren? - eher nicht, umgekehrt eher schon. Es wird schwierig als Kulturjournalist diesen potenziellen Markt des Social Web wirklich zu nutzen. (B: 482)

Auch der Arbeitsmarkt für KulturjournalistInnen verknappt zunehmend, nachdem

die Medienkrise aus den USA nun auch Österreich erfasst hat. Mehr Magazine

verschwinden vom Markt, als gegründet werden. Die Gretchenfrage ist, wie wird

qualitativ hochwertiger (Kultur-)Journalismus in Zukunft finanzierbar?

Die viel zitierte Konkurrenz aus dem Internet macht den Befragten aber weniger

Angst. BloggerInnen werden als Ergänzung zum professionellen Journalismus

gesehen, als Teil eines weiten kulturjournalistischen Spektrums. Würden mehr

Ressourcen bereitstehen, könnten ihnen Medien sogar eine Bühne bieten und in ihr

Programm integrieren.

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* * *

Im Anschluss werden die Ergebnisse im Rückschluss auf die Strukturationstheorie

und den bisherigen Forschungsstand überprüft. Die zentralen Erkenntnisse werden

in 20 Thesen zusammengefasst, die eine Basis für weitere Studien zum

Spannungsfeld Kulturjouralismus in Social Media gründen und der Praxis als

Handlungsempfehlungen nützlich sein können.

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6. DISKUSSION

Große Teile der gesellschaftlichen Realität spiegeln sich im Internet wieder. Als ein

„Labor der Gegenwartsbeobachtung“ bleibt dem Kulturjournalismus nichts

anderes übrig, als den Menschen dort hin zu folgen. Mit Social Media stehen den

KulturjournalistInnen neue Kanäle dafür zur Verfügung. Wie sie diese konkret für

ihre tägliche Arbeit verwenden, hat in den deutschsprachigen Forschungsdesigns

bisher eine Lücke hinterlassen. Diese Forschungsarbeit kann diese - zumindest zu

einem gewissen Grad - mit neuen Erkenntnissen füllen. Das Ziel dieser qualitativen

Studie war es, den geschulten Umgang von KulturjournalistInnen mit den

interaktiven und partizipativen Anwendungen im Internet in den Vordergrund zu

stellen, um zu demonstrieren, wie journalistische Produktivität gesteigert werden

kann, wenn Social Media richtig eingesetzt werden. In qualitativen Interviews mit

acht professionellen KulturjournalistInnen aus österreichischen Qualitätsmedien

aller Gattungen wurde folgende zentrale Forschungsfrage untersucht:

Wie verändern die auf Partizipation und Interaktion basierenden Ressourcen des Social Web das kulturjournalistische Handeln und wie beeinflussen diese neuen sozialen Praktiken rekursiv die Struktur im professionellen Kulturjournalismus in Österreich?

Das sozialtheoretische Fundament der Arbeit bildet die Strukturationstheorie von

Anthony Giddens (1997). Seinen Überlegungen zufolge sorgen

KulturjournalistInnen mit ihren sozialen Praktiken dafür, dass die Struktur eines

Kulturressorts, einer Redaktion, eines Medienunternehmens und nicht zuletzt auch

Kulturjournalismus als Teil des Systems Journalismus entstehen kann. Diese

sozialen Praktiken beziehen sich auf Regeln und Ressourcen wie unter anderem

Social Media, durch deren wiederholte Anwendung das Handeln der

JournalistInnen und damit auch die Strukturen der kulturjournalistischen Arbeit

reproduziert werden. Die Struktur des Journalismus wiederum manifestiert sich

erst im redaktionellen Handeln der JournalistInnen, das von Regeln und

Ressourcen ermöglicht oder beschränkt wird. Die Strukturationstheorie geht davon

aus, dass kompetente AkteurInnen mit ihrem Handeln diese Strukturen verändern

können. Inwiefern die Ressource Social Media tatsächlich zu Veränderungen in der

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journalistischen Handlungspraxis und in den Strukturen österreichischer Medien

geführt haben, hat diese Arbeit versucht herauszufinden.

Natürlich bieten qualitative Untersuchungen nur bedingt repräsentative

Forschungsergebnisse. Deshalb muss an dieser Stelle auch auf den eingeschränkten

Geltungsbereich der Resultate verwiesen werden. Das Ziel, unter

KulturjournalistInnen mit hoher Affinität zu Social Media eine möglichst kreative

Nutzung zu ermitteln, - ohne Rücksicht auf ihre durchschnittliche Anwendung -

wurde mit der Auswahl kompetenter AkteurInnen aber erreicht. Deshalb gelten

die Ergebnisse als Ausgangspunkte für weitere Forschungen zum Thema

Kulturjournalismus.

* * *

Social Media haben sich in den letzten Jahren auch für den Kulturjournalismus als

eine neue, oft verwendete Ressource etabliert. Sie sind Ausdruck eines „Digital

Shifts“ (vgl. KRAMP/WEICHERT 2012) hin zu einer „partizipativen, netzartigen

und interaktiven“ Öffentlichkeit (vgl. NEUBERGER 2008). Facebook, Twitter und

Co. bietet den InternetnutzerInnen und auch den JournalistInnen eine

technologische Infrastruktur für soziale Handlungsräume. Diese eröffnen ihnen

partizipative und interaktive Formen der Kommunikation, die sie von passiven

NutzerInnen zu produzierenden AkteurInnen emanzipieren (können). Die

Ressource Social Media und die anwendungsspezifischen Regeln der Plattformen

ermöglichen oder beschränken auch das Handeln der KulturjournalistInnen, wenn

diese die Ressource verwenden. Die Untersuchung hat bewiesen, dass

KulturjournalistInnen mit einer Affinität zu Social Media diese besonders für die

Recherche und für das Verbreiten ihrer Inhalte verwenden. Social Media üben also

einen strukturierenden Einfluss auf Recherche und Distribution aus und legen

hierfür Rahmenbedingungen für Handlungssituationen fest (vgl. RAABE 2005).

* * *

Social Media erweitern das Instrumentarium der kulturjournalistischen Recherche

insofern, als dass sie sich insbesondere für schnelle und kostengünstige

Informationen eignen, als Inspirationsquelle für neue Themen, Perspektiven oder

Denkansätze, als Quellen für O-Töne von KünstlerInnen oder Kultureinrichtungen

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oder als Stimmungsbarometer für die Interessen des Publikums, die direkt über

„Crowd Research“ oder indirekt aus den „Trending Topics“ und Diskussionen

abgelesen werden können. Besonders junge KulturjournalistInnen suchen aktiv in

den Sozialen Netzwerken Facebook und Twitter nach Informationen. Diese

altersspezifischen Unterschiede belegen auch die Ergebnisse der Studie von Cision

(2012), wonach jüngere JournalistInnen Social Media mehr in ihren Berufsalltag

integrieren. Aber auch die Jungen meinen, Social Media könnten die Recherche nur

ergänzen und nicht vollständig ausfüllen. Die wichtigsten Informationen erreichen

die JournalistInnen immer noch auf konventionellem Wege über

Presseaussendungen, Emails, persönliche Gespräche mit InformantInnen,

KünstlerInnen oder KollegInnen. Exklusive Informationen seien nicht im Netz zu

finden. Diese Ergebnisse zeigen, dass auch jene JournalistInnen mit hoher Affinität

zu Social Media die Recherche ähnlich betrachten wie das Gros der JournalistInnen

in bisherigen Studienergebnissen. (vgl. ECCO 2012; CISION 2012)

Wie effizient Social Media für die (kultur-)journalistische Recherche nutzbar sind,

entscheidet der Grad der Vernetzung zu kompetenten Quellen. Je spezialisierter

und informierter die InformantInnen, desto effizienter die

Informationsbeschaffung, umso höher der Wissensvorsprung gegenüber den

Nachrichtenagenturen und damit gegenüber den anderen Medien. Die

KulturjournalistInnen folgen deshalb in Sozialen Netzwerken wie Facebook oder

Twitter kompetenten FreundInnen oder ExpertInnen, KünstlerInnen oder

Kultureinrichtungen, JournalistInnen oder Medien. Dass Social Media zunehmend

auch Nachrichtenagenturen unter Druck setzen, hat auch Ecco (2012)

diagnostiziert.

* * *

Social Media haben außerdem das Beobachten des Konkurrenzangebotes

beschleunigt, personalisiert und auf neue Kanäle erweitert. Für die in den meisten

Fällen anlassbezogene Kulturberichterstattung ist es besonders wichtig, über

Veröffentlichungstermine auf dem Laufenden zu sein. Die Vernetzung der

KulturjournalistInnen untereinander liefert gegenseitig Einblicke in Arbeit der

Konkurrenz. Ein offener Umgang mit der Recherche integriert zwar das Publikum

in den Prozess, informiert aber auch die Konkurrenz vom eigenen Vorhaben.

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Inwieweit diese Vernetzung zu einer Ko-Optimierung der Medien führt - die

JournalistInnen sich also gegenseitig in ihrer Themenwahl beeinflussen - ist in

einer qualitativen Befragung nur schwer herauszufinden. Der Befund von

Keel/Wyss (2012), dass das Internet die Selbstreferenzialität unter den

Onlinemedien steigern könnte, wird besonders von den OnlineredakteurInnen

bestätigt. Exklusive Inhalte würden jedoch nach wie vor unter Verschluss gehalten.

Ob die Vernetzung der JournalistInnen über Social Media einen strukturierenden

Einfluss auf die Themengestaltung konkurrierender Medien nehmen, lässt sich -

wenn überhaupt - dann nur quantitativ mit aufwändiger Statistik messen.

Außerdem knüpft jeder/jede JournalistIn sich über Social Media sein/ihr

individuelles Netzwerk mit den unterschiedlichsten Quellen. Die Forschung kann

aber von der Transparenz des Netzwerks profitieren, indem sie mit der Methode

der Sozialen Netzwerkanalyse die Knotenpunkte und Schnittstellen untersucht.

(vgl. PLOTKOWIAK/STANOEVSKA-SLABEVA/EBERMANN/MECKEL/FLECK

2012;)

* * *

Die vorliegende Studie hat ergeben, dass die KulturjournalistInnen das soziale

Netzwerk Facebook als das persönlichere Medium und als Meinungsplattform

betrachten, während Twitter mehr als ein schneller Echtzeit-Nachrichtenticker

fungiert. Vor allem bei Medienthemen nimmt der Kurznachrichtendienst einen

relevanten Einfluss auf die Themengestaltung von KulturredakteurInnen und

übernimmt die Funktion einer Nachrichtenagentur. Das Soziale Netzwerk Google+

ist für die KulturjournalistInnen wegen seiner eingeschränkten Verbreitung

hingegen (noch) kaum relevant.

Die Videoplattform Youtube hat sich auch für KulturjournalistInnen als Archiv für

Gegenwartskultur etabliert, das einen kostenlosen, schnellen und multimedialen

Überblick auf das Gesamtwerk von KünstlerInnen ermöglicht. Insbesondere im

Musikjournalismus übernimmt die Plattform wegen ihrer audio-visuellen

Informationen einen hohen Stellenwert, genauso wie SoundCloud und Bandcamp,

die dem Pionier der sozialen Netzwerke Myspace unter den Musikplattformen den

Rang ablaufen und für MusikjournalistInnen täglich neue Songs aus den hintersten

Ecken der Musikwelt bereitstellen. Weiters erhält auch die nutzerInnengenerierte

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Online-Enzyklopädie Wikipedia einen wichtigen Stellenwert für kompakte

Überblicksdarstellungen von KünstlerInnenbiographien, Genres oder

Kunstströmungen.

Heimische Kulturblogs spielen für die Recherche von österreichischen

KulturjournalistInnen hingegen eine marginale Rolle. Nur wenige BloggerInnen

schaffen es demnach, sich auf der Agenda traditioneller Medien einen Platz zu

verschaffen. Für relevante Kulturinformationen im Internet sind weiterhin die

Onlineangebote der traditionellen Medienmarken verantwortlich bzw.

internationale Weblogs, die meistens an der Schnittstelle zu diesen stehen. (vgl.

LENZ 2011)

Interessant ist, dass die KulturjournalistInnen Youtube und Weblogs immer

weniger direkt in einer aktiven Suche ansteuern, sondern diese über Links und

Empfehlungen in Sozialen Netzwerken frequentieren. Dieses Verhalten belegt die

These, dass Facebook zunehmend die Rolle des „All-In-One-Mediums“ (vgl.

BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012) und sein personalisierter Nachrichtenstrom auch

für JournalistInnen eine zentrale Informationsquelle im Social Web übernimmt. Für

BloggerInnen und auch für JournalistInnen bedeutet das, mit einer

Mehrfachdistribution über Soziale Netzwerke ein Publikum effizienter auf die

eigene Seite lenken zu können.

* * *

Social Media haben sich für Medien als ein wichtiger Verbreitungskanal für ihre

Inhalte etabliert. (vgl. KRAMP/WEICHERT 2012) Auch die Medien der befragten

KulturjournalistInnen integrieren Facebook als Kommunikations- und

Distributionsplattform in ihren Online-Auftritt. Vereinzelt betreiben

Tageszeitungen auf Facebook oder Twitter sogar ressortspezifische Kulturkanäle,

Radiosendungen bewerben in eigenen Accounts ihre Ausstrahlung und ein

Magazin veröffentlicht im eigens dafür installierten Twitteraccount

Musikrezensionen. Über Social Media erreichen Medien neue Publikumsschichten,

die im Idealfall ihre Inhalte über „Shares“, „Likes“, „Tweets“ oder „Plus Ones“ an

ihre FreundInnen weiterleiten. Das Publikum übernimmt für die

Kulturberichterstattung besonders im Sozialen Netzwerk Facebook eine immer

wichtigere Rolle als DistribuentIn und Multiplikator von Werbewirkung. (vgl.

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GOLDENBERG 2012) Seltener erscheinen auf Social Media auch genuine Inhalte,

die nicht mit einer erschienen Geschichte in Verbindung stehen.

Die formatbedingten Regeln von Social Media Plattformen zwingen

JournalistInnen, ihre Texte mit der Attraktivität von Werbespots anzukündigen.

Wie auch schon Lavrusik/Cameron (2011) feststellten, gelingt dies am besten mit

Bildern und einer legeren sowie direkten Ansprache des Publikums. Allerdings

sollten alle partizipationsfördernden Maßnahmen der Sinnordnung des Mediums,

also dem Qualitätskonzept und der programmatischen Ausrichtung des Mediums

entsprechen. Eine zu trivialisierte Kommunikation könnte der Reputation des

Mediums schaden. Social Media sind also auch ein weiterer Kanal der

Außenwirkung, ein Imagefaktor, der die öffentliche Wahrnehmung einer

Medienmarke positiv, aber auch negativ beinträchtigen kann. Außerdem würden

laut den Ergebnissen dieser Arbeit direkte Aufforderungen zur Kommunikation

nicht automatisch zu mehr Beteiligung im Publikum führen. Für die

Rezeptionsforschung liegt im Handeln der NutzerInnen also noch großer

Aufklärungsbedarf.

Für Medien jedenfalls wird ein optimiertes Social Media-Marketing immer

relevanter. Insbesondere die wachsende Mobilität der individuellen

Kommunikation erfordert, die Nähe zum Publikum aufrecht zu erhalten.

Kamp/Weichert (2012) postulieren in ihrem Innovationsreport, Werbung und

Vertrieb bekämen über Social Media-Anwendungen viel versprechende

Möglichkeiten, die in den bisherigen Monetarisierungsstrategien der meisten

Medienunternehmen noch kaum eine Rolle spielen würden.

* * *

Während Medien interaktive Kanäle wie Facebook oder Twitter als weitere

Distributionskanäle für ihre Produkte instrumentalisieren, nutzen einzelne

KulturjournalistInnen diese für einen persönlicheren Zugang zur Kunst, einen

Blick hinter die Kulissen des Nachrichtengeschäfts und auch zur

Eigenmarkenpflege. Social Media humanisieren das Image von JournalistInnen, die

nun als Persönlichkeiten in den Vordergrund treten. Für sie bilden Soziale

Netzwerke und Weblogs immer wichtigere Vehikel zur Selbstdarstellung und

Präsentationsflächen der eigenen Arbeit. Mit authentischem, kritisch und

journalistisch anspruchsvollem Stil können sie ein Publikum in neuen Nischen an

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sich binden. Eine solide Anzahl an FollowerInnen bringt einen regelmäßigen

Leserkreis, der durchaus den Marktwert von NachwuchsjournalistInnen bzw.

freiberuflichen JournalistInnen in die Höhe treiben kann. Wie McLeese (2012) für

US-amerikanische KulturjournalistInnen fordert, könnten Unternehmergeist und

Selbstvermarktungstrieb auch für österreichische KulturjournalistInnen von Vorteil

sein. Allerdings bleibt die Frage offen, ob es in Österreich bzw. im

deutschsprachigen Raum genügend Publikumsinteresse an einem

kulturjournalistischen Dreh- und Angelpunkt gibt. Für die Pflege einer guten

Reputation ist eine starke Präsenz im Social Web aber allemal hilfreich.

* * *

Facebook, Twitter und Weblogs sind Orte der subjektiven Einschätzung, der

persönlichen Meinung und der kritischen Beobachtung. Ihre Stärken liegen

weniger in der objektiven Berichterstattung und in harten Fakten. Wie die Studie

von Hellmann/Jaakola (2012) belegt, operiert Kulturjournalismus in einem

Spannungsfeld aus meinungsbasierter Bewertung und faktentreuer

Berichterstattung. Seine Kernaufgabe, die journalistische Kritik, vollzogen in ihrer

Königsdisziplin, der Rezension, besteht im polemischen und pointierten Urteil von

ästhetischen Symbolen. (vgl. POROMBKA/SCHÜTZ 2008) Kunst lebt von der

subjektiven Erfahrung und ist als solche nur schwer nach objektiven Maßstäben

vermittelbar. Laut den Ergebnissen dieser Arbeit funktionieren im Social Web

Texte mit starken Thesen, personenbezogenen und populärkulturellen Inhalten

besonders gut, wovon der Kulturjournalismus mit seiner interpretationsoffenen

Ausrichtung eigentlich profitieren müsste.

Wie die Befragung des Kulturpublikums von Neuwöhner/Klingler (2011)

bewiesen hat, ist das Interesse des Publikums an Kultur im Internet gegeben.

Unter-50-Jährige mit speziellen Interessen suchen dort am meisten nach

Kulturinformationen. Zudem besteht ein Ungleichgewicht in der

deutschsprachigen Blogosphäre zwischen einem geringen Angebot an

kulturorientierten Blogs und einer höheren Nachfrage eines kulturinteressierten

Publikums nach solchen über Musik, Literatur, Film, Theater oder Kunst. (vgl.

BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012) Diese Studienergebnisse beweisen, dass im

Social Web für KulturjournalistInnen also durchaus ein wachsendes Potenzial

steckt, um neue Publikumssegmente zu erreichen. Insbesondere im

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unkonventionell subjektiven Zugang von Blogosphäre und Sozialen Netzwerken

könnten KulturjournalistInnen sich ihrem Publikum auf eine persönliche Art und

Weise nähern. (vgl. HERMIDA 2012; SINGER 2006) Allerdings belegen die

niedrigen Zahlen an Facebook-Fans und Twitter-FollowerInnen (vgl. SOCIAL

MEDIA RADAR 2012), dass österreichische KulturjournalistInnen diese Kanäle

noch nicht ausreichend bedienen.

* * *

Die interaktiven Kanäle im Social Web haben das Publikum zum potenziellen

Interaktionspartner für JournalistInnen befördert. Dieses kann jederzeit über

öffentliche Kanäle wie Facebook, Twitter oder Foren oder inoffiziell über Email

oder Telefon mit den JournalistInnen Kontakt aufnehmen. Seine Handlungen

sollten für die JournalistInnen also immer mehr zum Orientierungsmaßstab

werden. Die Praxis des österreichischen Kulturjournalismus zeigt aber, dass die

Ressource Social Media den Kontakt mit dem Publikum nur potenziell verändern

konnte. Zwar herrscht unter den Befragten Konsens, dass es für Medien und

KulturjournalistInnen immer wichtiger wird, die Beziehung zum Publikum durch

mehr Interaktion zu intensivieren. Alle KulturjournalistInnen gestehen aber ein,

dass die Einbindung des Publikums bislang weit hinter ihren Möglichkeiten liegt

und ihren Handlungsvollzug nur geringfügig beeinflusst. Noch kommunizieren

die Medien zu einseitig und die NutzerInnen diskutieren meist nur untereinander.

Eine wechselseitige Kommunikation zwischen Medien und Publikum scheitert aus

unterschiedlichen Gründen: Mangelnde Diskussionsbereitschaft seitens der

JournalistInnen, die der Publikumseinbindung immer noch ambivalent

gegenüberstehen, aber auch seitens des Kulturpublikums, das im Internet ebenfalls

eine Minderheit formiert (vgl. GOLDSTEIN 2004), was die vergleichsweise

niedrigen Fanzahlen der Kulturchannels von derStandard.at und diePresse.com

belegen.

Auch Wyss (2012) und Nielsen (2012) stellen fest, dass das Internet mit seinen

Dialogmöglichkeiten die Beziehung des Journalismus zu seinem Publikum zwar

vertieft hat, allerdings das Potenzial noch bei weitem nicht ausgeschöpft sei. (vgl.

auch KLINGLER/VLASIC/WIDMAYER 2012) Das Verhältnis zum Publikum wird

von JournalistInnen als ambivalent gesehen, die Qualität der Publikumsbeiträge

gilt gar als umstritten. (vgl. NIELSEN 2012) Dabei sind den KulturjournalistInnen

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die Vorteile des Rückkanals durchaus bewusst. Sie liegen im erweiterten

Meinungsspektrum, in der Analyse des Publikumsverhaltens, im Feedback aus

dem Publikum und in einer ausgelagerten Qualitätskontrolle. Konstruktive Kritik

aus dem Publikum kann für KulturjournalistInnen neue Denkräume und

Perspektiven eröffnen, die in zukünftigen Recherchen einfließen. Fundierte

Kommentare von Kulturtreibenden bereichern unter Umständen die

Auseinandersetzung mit der Kunst und leuchten im Zusammenspiel mit der

Kritikermeinung das Spannungsfeld aus unterschiedlichen Blickwinkeln aus.

Technisch gesehen haben Social Media mit dem Rückkanal die Weichen für einen

Verkehr gegen die Einbahn gestellt. Im Sinne der Disintermediation (vgl.

NEUBERGER 2008) stehen dem Publikum nun die Schranken für eine unmittelbare

Anteilnahme am medialen Geschehen offen. Praktisch betrachtet ist aber nur eine

bescheidene Minderheit von aktiven RezipientInnen für einen Großteil der

veröffentlichten nutzerInnengerierten Inhalte im Internet verantwortlich. (vgl.

BUSEMANN/GSCHEIDLE 2012; SCHMIDT/FREES/FISCH 2009; NIELSEN 2006)

Allerdings steigt die Partizipation des Publikums in Sozialen Netzwerken.

Es bleibt die Frage offen, ob Medien sich noch mehr um die Integration ihres

Publikums in die Nachrichtenproduktion bemühen müssen und ob das vom

Publikum überhaupt gewünscht ist. Für die befragten KulturjournalistInnen ist die

Bereitschaft, noch mehr Zeit in die Interaktion zu investieren, aber begrenzt. Im

Kulturbereich wären Untersuchungen nötig, um herauszufinden, wie groß das

Bedürfnis beim Publikum nach mehr Partizipation in Medienangeboten tatsächlich

ist und ob das Verlangen besteht, dass RedakteurInnen mit ihnen in einen direkten

Interaktionsprozess treten.

* * *

Wie diese Arbeit zeigen konnte, verändert das Modell der Disintermediation neben

der Beziehung der KulturjournalistInnen zum Publikum auch ihr Verhältnis zu

den KünstlerInnen. Diese setzen in ihrer Promotion zunehmend auf virales

Marketing in Social Media (vgl. SCHILDHAUER 2012) und nutzen Facebook,

Twitter, Youtube oder (Video-)Blogs als eine weitere Bühne der Selbstdarstellung,

auf der sie - in vielen Fällen auch persönlich - unvermittelt und ungefiltert mit dem

Publikum und den Medien kommunizieren. Persönliche Informationen,

Erklärungen zur Kunst oder Ankündigungen von Projekten bereichern die

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Recherche von KulturjournalistInnen mit hilfreichen Informationen, die in

Interviews, Geschichten oder Kritiken einfließen. Die direkten Informationen von

KünstlerInnen können wegen ihrer Aktualität einen Informationsvorsprung zu den

Pressetexten ihrer Agenturen verschaffen.

Für die Kunst selbst sind Social Media Sprungbretter an eine breitere

Öffentlichkeit, verstärkt von der Verbreitung von kulturjournalistischen Texten

oder von der Eigenwerbung der KünstlerInnen. Besonders Kunst jenseits des

Mainstreams kann sich über Social Media ohne professionelle Promotion auf

persönliche und anschauliche Weise einem breiteren Publikum sichtbarer machen.

Dieses wiederum erhöht durch Kommentare, Likes und Shares ihre Verbreitung

und somit die Chancen, den Radar von JournalistInnen zu erreichen. Die

professionelle Zusammenarbeit zwischen Medien und KünstlerInnen aus dem

Independent-Bereich hat sich gemäß dieser Studie also verbessert.

Das Verhältnis zwischen KünstlerInnen, ihrem Social Media-Marketing und

JournalistInnen in traditionellen Medien könnte von der Forschung genauso

untersucht werden wie die Bedeutung von partizipativen Onlineformaten und

Weblogs für deren Marketing bzw. die Künstler-PR. Forschungsbedarf besteht

auch im Verhältnis zwischen KünstlerInnen im Social Web und PR. bzw. ob Social

Media die Nähe zwischen KünstlerInnen und ihrem Publikum auch in der

Wahrnehmung der Fans erhöhen.

Dieser Untersuchung zufolge haben Social Media das Verhältnis zwischen PR und

Kulturjournalismus aber nicht verändert. Die PR verliert nur an

meinungsbildendem Einfluss, da JournalistInnen über Quellen aus Social Media

nun schneller und direkter an Informationen über KünstlerInnen und ihre

Erzeugnisse gelangen. Das strittige Verhältnis der Medienpartnerschaft zwischen

PR und Kulturjournalismus bleibt aber bestehen und bedarf einer kritischen

Betrachtung durch die Forschung. Der Vorwurf der Kommerzialisierung des

Kulturressorts geht einher mit einer potenziellen Verschränkung von Werbung

und Berichterstattung. Besonders im anlassbezogenen Kulturjournalismus, der an

Produktzyklen und Veröffentlichungstermine gebunden ist, übt die PR von

Verlagen, Plattenfirmen oder KünstlerInnenagenturen einen beträchtlichen

Einfluss auf das Themenmanagement aus. Die Forschung könnte hier ansetzen,

inwiefern beispielsweise Pressetexte die Rezensionspraxis beeinflussen. Diese

Interdependenzen zwischen Kulturjournalismus und PR könnten beispielsweise

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mit dem Intereffikationsmodell (vgl. BENTELE/NOTHHAFT 2004) geprüft

werden.

* * *

Die neuen Handlungsspielräume, die Social Media den KulturjournalistInnen

ermöglichen, sind in Medien oft an die organisationale Struktur und deren Regeln

gebunden. (vgl. ORLIKOWSKI 2000; ASHURI 2012) In österreichischen Medien

zeigt die Ressource Social Media bislang aber geringe Auswirkungen auf die

internen Strukturen. Nur wenige Redaktionen schulen ihre MitarbeiterInnen im

Umgang mit Social Media oder geben konkrete Handlungsanweisungen in Form

von Guidelines, wie es beispielsweise der ORF und die APA tun. Wie

JournalistInnen mit den Gefahren von Social Media umgehen, basiert mehr auf

informellen Regeln.

Wenig Effekt haben Social Media auch auf strukturelle Änderungen in den

Redaktionen. Einzig derStandard.at hat auf den Medienwandel mit einer neuen

Stelle in der Redaktion reagiert, zwei Social Media-RedakteurInnen, die

ausschließlich für das Social-Media-Monitoring, das Community-Management und

das Befüllen der Kanäle zuständig sind.

Für die JournalistInnen verlagern sich durch die Ressource Social Media die

Regelmäßigkeitsstrukturen (vgl. RAABE 2005) und damit gewisse

Aufgabengebiete. Neue Handlungsweisen entstehen im Folgen neuer Quellen, in

der Beobachtung der Community, im Verifizieren von nutzerInnengenerierten

Inhalten, in der Netzwerkpflege und in der Mehrfachdistribution. JournalistInnen

wandeln in Social Media ihre Rolle vom Gatekeeper zum Gatewatcher (vgl.

NEUBERGER 2008; BRUNS 2005) und übernehmen zunehmend die Funktion von

KuratorInnen, die in den sozialen Bewusstseinsströmen von Facebook und Twitter

große Mengen an nutzerInnengenerierten Inhalten navigieren, überprüfen,

selektieren und kontextualisieren. (vgl. HERMIDA 2012)

Die bahnbrechenden Veränderungen im Journalismus liegen aber zweifelsohne in

der Erfindung des Internets und der Digitalisierung begründet, die das System des

Journalismus enorm beschleunigt haben. Social Media bieten den

KulturjournalistInnen jedoch ein wichtiges Sensorium für die Interessen des

Publikums und die Bedürfnisse von KünstlerInnen, das besonders im Bereich der

Popmusik als unverzichtbar angesehen wird.

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7. 20 THESEN ZUM KULTURJOUN@LISMUS_2.0

Die Ergebnisse der qualitativen Befragung und ihre zentralen Implikationen für

Wissenschaft und Praxis werden nun abschließend in zwanzig Thesen

zusammengefasst. Sie sollen weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen als

Anreize, Anhalts- und Ausgangspunkte dienen. Für die Praxis des

Kulturjournalismus sind sie als Handlungsempfehlungen zu verstehen.

* * *

1. Social Media haben das Instrumentarium der kulturjournalistischen Recherche auf

positive Weise erweitert. Ihre Stärken liegen im schnellen, unkomplizierten und

kostengünstigen Zugang zu Stimmungsbildern aus dem Publikum und aktuellen

Informationen von KünstlerInnen. Die traditionelle Recherche können sie aber nicht

ersetzen.

2. Die Nachrichtenströme in Facebook und Twitter zentralisieren zunehmend das

Informationsmanagement von KulturjournalistInnen im Social Web. Youtube und

Weblogs werden hauptsächlich über Verweise in sozialen Nachrichtenströme oder

Suchmaschinen frequentiert.

3. Facebook fungiert für die KulturjournalistInnen als persönliches Meinungsmedium

mit multimedialer Gestaltungsbreite, während die Stärke von Twitter im schnellen

Nachrichtenticker in Echtzeit liegt.

4. Heimische Weblogs mit kulturjournalistischer Ausrichtung erweitern zwar das

Meinungsspektrum, spielen aber für die Recherche im Kulturjournalismus nur eine

untergeordnete Rolle.

5. Die Videoplattform Youtube übernimmt die Funktion eines audiovisuellen Archivs

für Gegenwartskultur, das mit dem hauseigenen Archiv der Medien konkurriert.

6. Die Onlineenzyklopädie Wikipedia eignet sich für die Recherche mit kompakten

Überblicksdarstellungen von KünstlerInnenbiographien, Genres oder

Kunstströmungen.

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7. Die Musikplattformen SoundCloud und Bandcamp bieten dem Musikjournalismus

bedeutende Quellen für Neuerscheinungen, während Myspace an Bedeutung

verloren hat.

8. Twitter und vor allem Facebook sind wichtige Kanäle für die Werbung und den

Vertrieb von kulturjournalistischen Inhalten. Medien, JournalistInnen, aber auch

BloggerInnen können mit einer aktiven Mehrfachdistribution den Verkehr effizienter

auf das eigene Webangebot lenken. In Zukunft müssen sie in den

Monetarisierungsstrategien der Medien mehr berücksichtigt werden.

9. Sharingfunktionen auf der eigenen Webseite sind ebenfalls wichtige

Distributionsmittel für kulturjournalistische Inhalte. Das Publikum wird zum

Multiplikator für Werbewirkung und Reichweite.

10. Ein oberflächlicher Umgang mit Social Media - etwa das Veröffentlichen von

unseriösen oder nicht-journalistischen Inhalten - kann der Reputation eines Mediums

schaden. Partizipationsfördernde Maßnahmen in Sozialen Netzwerken sollten dem

Qualitätskonzept des Mediums entsprechen.

11. KulturjournalistInnen bedienen die Kanäle Twitter und Facebook (noch) nicht

ausreichend. Das Interesse der InternetnutzerInnen an Kultur wäre gegeben.

12. Social Media sind ein wichtiges Sensorium für die Interessen des Publikums. Der

Rückkanal aus dem Publikum wird im österreichischen Kulturjournalismus

allerdings (noch) zu wenig berücksichtigt. Andererseits wird er vom Publikum nicht

ausreichend genutzt.

13. Social Media sind Orte der Meinung, der Beobachtung und der Einschätzung,

weniger der harten Fakten und objektiven Nachrichten. Der Kulturjournalismus

müsste von dem Bedürfnis des Publikums nach personen- und meinungsbezogenen

Inhalten profitieren, weil die Auseinandersetzung mit Kunst ebenfalls auf einer

interpretationsoffenen Ebene passiert.

14. Fundierte Kommentare von Kulturtreibenden bereichern die Auseinandersetzung

mit Kunst und beleuchten im Zusammenspiel mit der KritikerInnenmeinung ein

Spannungsfeld aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In Sozialen Netzwerken finden

tiefsinnige Diskussionen über Kunst bislang selten statt.

15. Social Media haben die redaktionellen Strukturen in österreichischen Medien wenig

beeinflusst und führen nur in seltenen Fällen zu strukturellen Anpassungen wie

Schulungen, Guidelines oder eigenen Social Media-RedakteurInnen.

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16. Freie KulturjournalistInnen ohne Zugang zu den redaktionellen Ressourcen können

sich über Social Media ein spezialisiertes Informationsnetzwerk maßschneidern, das

die Funktion einer Nachrichtenagentur übernimmt. Insbesondere bei Medienthemen

bringt Twitter einen Informationsvorsprung gegenüber der APA.

17. Für einzelne KulturjournalistInnen sind Social Media wichtige Vehikel zur

Selbstdarstellung und Präsentationsflächen der eigenen Arbeit. Eine hohe Anzahl an

Fans und Followern bindet ein Publikum und erhöht den Marktwert.

18. KünstlerInnen nutzen Social Media zunehmend – am stärksten in der Popmusik - als

weiteres Promotiontool und versorgen KulturjournalistInnen unvermittelt mit

aktuelleren Informationen über ihre Kunst, als das ihre Pressetexte tun.

19. Die PR hat an meinungsbildendem Einfluss verloren, da Quellen im Internet für

KulturjournalistInnen leichter zugänglich geworden sind. Das Verhältnis zwischen

PR und Kulturjournalismus haben Social Media aber nicht verändert.

20. Social Media verhelfen der Kunst zu mehr Öffentlichkeit und verbessern die

Zusammenarbeit zwischen Kulturjournalismus und KünstlerInnen, vor allem jenen

jenseits des Mainstreams.

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8. AUSBLICK

Der Kulturjournalismus, seine MacherInnen und FördererInnen schauen in eine

bewegte Zukunft: Empfehlungssysteme von Internetdienstleistern wie Amazon,

last.fm oder Spotify, die NutzerInnen mit Kultur nach deren Geschmack versorgen,

Webseiten wie Metacritic.com, die aus Kulturkritiken aus aller Welt vereinfachte

Bewertungen in Zahlen aggregieren, aber auch partizipative Onlinemedien mit

kulturjournalistischer Ausrichtung, KundInnenrezensionen oder Kulturblogs

stellen den professionellen Kulturjournalismus vor neue Herausforderungen.

Ebenso tun dies ökonomische Entwicklungen am Medienmarkt, die Redaktionen

zu personellen Sparmaßnahmen zwingen, den Zeitdruck auf ihre MitarbeiterInnen

erhöhen und cross-mediale Umwälzungen einläuten, die das Anforderungsprofil

von KulturjournalistInnen hin zu multimedialen Allround-KünstlerInnen wandeln

(vgl. REINACHER 2011). Szántó (2009) fasst die ungewisse Zukunft eines hybriden

Kulturjournalismus mit diesen Worten zusammen:

The most exhilarating aspect of tomorrowʼs arts journalism will be its unpredictable hybridity, how it feeds on multiple sources of innovation and energy. It will be an undertaking where nimble entrepreneurs sustain criticism and reporting through a mix of advertising, licensing, social networks, donations, digital space rental, and barter arrangements—whatever works.

Pöttker (2010) sieht das Wesen journalistischer Kultur nicht bloß darin, „die

professionellen Standards zu erlernen und anzuwenden“, sondern dass diese „mit

Rücksicht auf den Medienwandel oder auch aus sich heraus weiterentwickelt und

dass sogar neue Genres hervorgebracht werden“. Inwiefern KulturjournalistInnen

die Energie aus dem Social Web in einen positiven Fluss umleiten und neue

Standards etablieren (können), dürfte sehr stark an zukünftige Geschäftsmodelle

geknüpft sein. Finanzierungsfragen bestimmen maßgeblich, wie Medien in den

herannahenden Zeiten publizieren und ihre Inhalte vermarkten, aber auch wie sie

ihre MitarbeiterInnen entlohnen werden. Wie hochwertiger und unabhängiger

Qualitätsjournalismus in Zeiten von Medienkrise und Werbeeinbrüchen finanziert

werden wird, steht noch in den Sternen. Faktum ist: Die alten Geschäftsmodelle

haben ausgedient, die Neuen müssen noch erfunden werden. Die Macht der

Algorithmen von Google und Facebook könnte aber dazu führen, dass Medien

zunehmend versuchen, den Verkehr im Internet wieder auf das eigene

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Webangebot zu lotsen, um den Abfluss von Werbegeldern in branchenfremde

Unternehmen einzudämmen. Solange die Nutzerzahlen in Social Media aber

steigen, dürften sie – zumindest für eine jetzt noch junge Generation an (Kultur-

)JournalistInnen - weiterhin wichtige Instrumente für die Recherche bleiben.

Kommende technologische Sprünge könnten auch die Integration des Publikums

in die Nachrichtenproduktion forcieren – sofern dieses zu mehr aktiver

Partizipation auch wirklich bereit ist. Der rasante Formatwandel im Social Web

und das sprunghafte Nutzungsverhalten des Publikums machen einen Blick in die

Zukunft aber zur reinen Spekulation.

Kulturjournalismus ist seit eh und je ständig im Fluss. Seine Kunst liegt in der

Anpassung an den Zeitgeist und dessen Strömungen. Seinen KritikerInnen hat er

schon mehrfach Wege aus der Krise gezeigt, in die sie ihn gestürzt haben, um ihn

gleich darauf in die nächste zu werfen. Sollte der Kulturjournalismus aber wirklich

in einer seiner viel zitierten Miseren stecken, kann seine Stärke nur im Zuhören

liegen - und gelegentlich im Antworten. Erst die Nutzung des Rückkanals kann

ihm helfen, die Stärke der Sozialen Medien effizient für sich nutzbar zu machen.

Außerdem soll er die Unübersichtlichkeit des WWW ordnen und seinem Publikum

die notwendige Orientierung bieten - ob mit tief greifenden Analysen oder

einfachen Bewertungssystemen. Die Herausforderungen der Zukunft werden

ebenso zu meistern sein, wie schon jene in der Vergangenheit gemeistert worden

sind. Und das Publikum wird den Erkenntnissen aus dem „Labor der

Gegenwartsbeobachtung“ folgen, solange es weiterhin an den Grundhaltungen des

Journalismus festhält – am Beobachten und am Protokollieren, an der Analyse und

am Einordnen, am Bewerten und am spannenden Vermitteln. Es darf sich nur nicht

vor Experimenten mit dem Zeitgeist und seinen Technologien verschließen. Ihm

und seinen AnhängerInnen würde Aufregendes entgehen.

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9. QUELLEN

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Social Media-Nutzung von JournalistInnen weltweit. `Social Journalism´ 2012/13

Länderbarometer: CISION (2012)

Abb. 2: Öffentlichkeit 2.0. NEUBERGER (2008: 23)

Abb. 3: Facebook-User nach Alter und Geschlecht in Österreich. Oktober 2012.

SOCIALMEDIARADAR.AT (2012)

Abb. 4: Twitter Ranking Österreich. September 2012. SOCIALMEDIARADAR.AT (2012)

Abb. 5: Typologie journalistischer Weblogs. DOMINGO/HEINONEN (2008: 7)

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ZERFASS, Ansgar / WELKER, Martin / SCHMIDT, Jan (Hrsg.) (2008): Kommunikation,

Partizipation und Wirkungen im Social Web. Band 1. Grundlagen und Methoden: Von der

Gesellschaft zum Individuum. Neue Schriften zur Online-Forschung 2. Herbert von Halem Verlag.

Köln.

ZERFASS, Ansgar / WELKER, Martin / SCHMIDT, Jan (Hrsg.) (2008): Kommunikation,

Partizipation und Wirkungen im Social Web. Band 2. Strategien und Anwendungen: Perspektiven

für Wirtschaft, Politik und Publizistik. Neue Schriften zur Online-Forschung 3. Herbert von Halem

Verlag. Köln.

ZERFASS, Ansgar (2007): Von der Einkanal-Kommunikation zum Dialog – wenn Empfänger zu

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.ffpr.de%2Ffileadmin%2Fuser_upload%2FBilder%2FPR-Pulse%2FNew_Media_2-08%2FZerfass-

EinkanalKommunikation.pdf&rct=j&q=Von%20der%20Einkanal-

Kommunikation%20zum%20Dialog&ei=HY5ZTYTlBov0sgbNjvWlCw&usg=AFQjCNF3DfTo-

1LE95CY9RZRPcXqCnvmtQ&sig2=71CT1zYwC0IJib4_xha1tQ&cad=rja (01.2.2011)

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FIDLER, Harald (2013): Verfassungsgerichtshof hat Bedenken gegen Facebook-Verbot für ORF.

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Goldene Tweets. Das Jahr 2012 auf Twitter. https://2012.twitter.com/de/golden-tweets.html (7.

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Spotify launches new 'Play Button' in partnership with NME (2012):

http://www.nme.com/news/nme/64718 (18.12.2012)

What is Spotify? http://www.spotify.com/at/about-us/press/information/ (18.12.2012)

BLOGS

http://www.spiegel.de/thema/matusseks_kulturtipp/

http://www.zib21.com

http://www.kulturwoche.at

www.esel.at

http://www.koellerer.net/

www.haubentaucher.at

http://www.castyourart.com

http://musikwirtschaftsforschung.wordpress.com/

www.discodemons.net

http://klauswerner.com/

http://kulturmanagement.wordpress.com/

http://www.artsjournal.com/slippeddisc

www.TheNeedledrop.com

http://www.2dopeboyz.com/

http://92bpm.com/

http://www.guardian.co.uk/media/pda/2009/sep/18/oxford-social-media-convention-2009-

journalism-blogs

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10. ANHANG

INTERVIEWLEITFADEN A L L G E M E I N In welchen Kunstsparten des Kulturjournalismus spielt das Social Web eine wichtige Rolle? In welchen weniger? N U T Z U N G Recherche Welche fünf Social-Web-Plattformen nutzen Sie am meisten für die Recherche? Wie und warum (bzw. warum nicht) nutzen Sie Facebook, Twitter, Youtube, Blogs und Wikipedia als Recherche-Tool? Welche Rolle spielen Blogs für die Rezensionspraxis? Welche weiteren Social-Web-Plattformen nutzen Sie für die Recherche? Was sind die großen Vorteile der Recherche im Social Web? Welche Probleme ergibt die Recherche im Social Web? Wie bewerten Sie die Zuverlässigkeit von Quellen aus dem Social Web? Verwenden Sie einen methodischen Zugang? Schaut man durch die erweiterten Recherchequellen öfter auf das Angebot der Konkurrenz? Beeinflusst die Vernetzung mit Kollegen die eigene Themenwahl? Interaktion mit dem Publikum Welche Rolle spielt es im Kulturjournalismus verglichen mit anderen Ressorts, das Publikum einzubinden? Welche Social-Web-Plattformen sind dafür am wichtigsten? Wie treten Sie als Journalistin mit Ihrem Publikum über Facebook, Twitter, Youtube oder Blogs in Kontakt? Welche großen Vorteile bringt es, das Publikum im Social Web einzubeziehen? Welche Probleme ergeben sich dadurch? Wie werden die Rückkanäle vom Publikum genutzt? Wie profitieren Sie vom Feedback? Wollen Sie die Interaktion zwischen Autor und User forcieren? Publizieren Welche fünf Social-Web-Formate nutzen Sie als Kulturjournalistin am meisten, um Texte/Sendungen zu verbreiten bzw. zu bewerben? Wie und warum nutzen Sie konkret Facebook, Twitter und Youtube dafür? Wie integrieren Sie dabei das Publikum? Welche weiteren Social-Web-Kanäle nutzen Sie für das Publizieren von Inhalten? Beeinflussen Social Web-Formate die Sendungsgestaltung? Welche großen Vorteile bringt das Publizieren im Social Web? Welche Probleme entstehen mit dem Publizieren im Social Web? W A N D E L Wie hat das Social Web konkret ihre Arbeit verändert? Wie hat das Social Web den Kulturjournalismus verbessert? Wie hat das Social Web das Verhältnis zwischen PR und Kulturjournalismus verändert? Wie hat das Social Web die redaktionellen Strukturen in Ihrer Redaktion verändert? Welche Ressourcen werden in ihrer Redaktionaufgewendet, um das Social Web effizienter zu nutzen? Was müsste geändert werden? Werden in ihrem Medium Schulungen für die Social-Web-Nutzung angeboten? Wie beurteilen Sie die Rolle des Social Web für ihre Reputation als Journalistin? P O T E N Z I A L Welche Bedeutung wird Ihrer Meinung nach das Social Web zukünftig für die Recherche / die Beziehung zum Publikum / das Publizieren haben? Immer wieder liest man vom Niedergang des Kulturjournalismus. Wie könnte das Social Web in Zukunft den Kulturjournalismus im TV noch „verbessern“? Sehen Sie partizipative Kulturformate als Konkurrenz für den traditionellen Kulturjournalismus?

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KATEGORIENSCHEMA

ALLGEMEIN

Wichtige Kunstsparten für Social Media

Im Musikbereich, speziell im Pop spielt es eine extrem wichtige Rolle. Zum Beispiel hätte vergangenes Jahr die Band Inkubus in Wien ein Konzert geben sollen, dass aber abgesagt wurde. Diese Information, dass der Sänger erkrankt ist, ist aber nur über Facebook an die Öffentlichkeit gedrungen. Wir haben das nicht vom Veranstalter oder durch anderen Kanal von der Absage erfahren. Auf meine Anfrage wurde das dann vom Veranstalter bestätigt und wir haben es veröffentlicht. (B:29)

NUTZUNG

RECHERCHE

Bedeutung der Social Media-Recherche im Allgemeinen

da gibt es immer wieder - ich nenne es immer Hirnzucker - da ist einfach Rohmaterial, da prasseln alle möglichen Ideen, Beobachtungen, Abonnements, Kalendersprüche, was immer auf dich ein. Das ist eine faszinierende Informationsquelle, auch wenn sie so nicht vorselektiert ist (D: 100)

Plattformen

Ranking Recherche

Facebook Zum Beispiel schaut man beim Frequency-Festival auf die Facebook-Page und sieht ein Posting: Bin fünf Stunden lang in der Schlange gestanden und hab mir dann nicht Muse anschauen können. Dann kann man das natürlich im Artikel erwähnen. [...] Man kann sich das einzelne Festivalerlebnis anreichern und muss nicht mit hunderten Leuten reden. (A: 174)

Twitter Wenn ich in der Früh in die U-Bahn steige, nehme ich mir eigentlich kaum noch ein „Heute“, sondern schaue auf Twitter. Ich schaue, was die anderen schreiben, was getweetet wird, was retweetet wird, ich schaue, welche Themen groß sind, also gerade relevant sind. Und da mache ich dann Geschichten darüber. Also zum Beispiel heute Früh „Die Welt“: Die schreiben, sie führen ein Bezahlmodell ein, und das twittern dann lauter Medienleute. – Es sind momentan noch sehr viele Medienleute auf Twitter, deswegen ist es ein bisschen kleiner Kreis. Und dann weiß ich: „Die Welt“ wird heute Thema sein bei mir. Ich schaue, welche Themen es gibt. Aktiv-Recherche, das ist ähnlich wie bei Facebook, ich schaue Kontakte, würde ich sagen. Eben auch auf Facebook: Welche Themen gibt es? Was schreibt mein Bekanntenkreis, was interessiert die, weil das interessiert natürlich unsere Leser auch. Ja, und um Kontakte herzustellen. Mit Leuten, von denen ich keine Telefonnummer habe und die nicht im Telefonbuch stehen, die sind über Facebook und über Twitter einfach zu erreichen. (F: 73)

Unterschied Facebook/Twitter

Twitter ist wie Koks und Facebook ist mehr wie Gras rauchen. (D: 114)

Youtube Es gibt wahnsinnig viel Material auf Youtube, das man sich sonst mühsam in irgendwelchen Archiven zusammensuchen müsste. Ob es jetzt Dokumentationen zu Synths in Großbritannien sind oder die Kurzgeschichte von HipHop in Österreich. Es ist natürlich immer ein bisschen dem Zufall überlassen. (G: 86)

Weblogs Die Urheberrechtsdebatte, die gerade läuft, findet im Netz zum Teil viel umfangreicher statt. Das ist einer der großen Vorteile des Internets, dass du keine Längenbeschränkung hast. Es findet viel umfangreicher, aber auch zum Teil, viel engagierter, zum Teil, viel informierter im Netzt statt. (D: 80)

Weitere Plattformen

Am wichtigsten für mich ist schon SoundCloud, denn das ist der Musik-Stream, wo ich jeden Tag in der Früh reinschaue, was an neuen Sachen passiert ist. Wo Musiker ihre teilweise exklusiven Songs oder diese Sachen, die sie veröffentlichen, reinstellen. [...] Man kann den Musiker wie bei Twitter folgen. Dann bekomme ich eine Liste von schnell abspielbaren Playern geliefert mit den neuesten Sounds, die über Nacht oder in den letzten Tagen reingekommen sind. [...] Wenn das Gehörte einen fasziniert, dann merkt man sich den Namen des Künstlers und schaut einfach, ob es einen Download gibt. Kann ich das für die Sendung verwenden? (E: 39)

Vorteile Eben, dass man überhaupt auf Themen dadurch aufmerksam wird. Weil halt Leute darüber sprechen und es dann sichtbar wird. Bei Twitter, dass der direkte Einblick in den Kopf dieses oder jenes Künstlers ermöglicht wird.. (E: 144)

Probleme Man kann sich leichter verzetteln. Es ist generell ein Zeitkiller. Man kommt in eine Zone, wo man sich auch mal einen Blödsinn anschaut, weil es interessant wirkt. Es ist dem Fokus nicht sehr zuträglich. (E: 162)

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Selbstreferentialität

Vernetzung mit anderen Journalisten

Also nur weil ein Kollege auf Facebook etwas postet, hat das genauso viel oder genauso wenig Einfluss auf mich, wie wenn er mir das persönlich bei einem Gespräch sagt oder wie wenn ich das in seiner Kolumne in der Zeitung lese. Das kommt ganz drauf an: wenn das spannendes ist - super - schaue ich es mir gerne an, beeinflusst es mich vielleicht auch. Wenn ich es als nicht spannend einschätze dann eben nicht. (B: 363)

Webseiten der Konkurrenz

Wenn wir eine Geschichte exklusiv haben und wir stellen die irgendwann hinauf, dann sehen wir natürlich, wer aller abschreibt oder anfängt genau die gleiche Geschichte zu recherchieren und sie dann als eigene Geschichte präsentiert. Und teilweise eben zitiert oder nicht zitiert. So funktioniert das. Ich schaue natürlich immer, was die Konkurrenz macht, ich glaube auch, dass das viele User machen. (F: 236)

Methodischer Zugang

Ich nehme halt die Funktion daher und versuche es irgendwo anders zu verifizieren. Ich werde nicht aufgrund von einer Twitter-Aussage von irgendjemand daraus irgendeine redaktionelle Aussage machen. (E: 169)

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PUBLIZIEREN

INTERAKTION Bedeutung im Kulturjournalismus, das Publikum mit einzubeziehen

Es ist sinnlos, ein Social-Media-Angebot zu haben, dass ein reines Verkündigungs-Angebot darstellt. Dafür braucht man das Social-Media-Angebot nicht. Wenn du beschließt, du willst dort einsteigen bzw. etwas darin machen, musst du natürlich auf Dinge, die in deine Richtung gesagt oder geschrieben wird, auch reagieren. (E: 188)

Art der Kommunikation

Um ehrlich zu sein, die paar Versuche, bei denen wir die Leute engagieren wollten, Feedback zu geben, waren nicht bedeutend besser als die, bei denen wir es nicht gemacht haben. [...] Es geht mehr darum, dass man die Headline gut formuliert oder diese 140 Zeichen, damit sich Leute auskennen. (G: 287)

Besonderheiten Kultur

Gerade in so speziellen Bereichen wie der Kultur ist es natürlich schön, dass man sich dort zu einem ganz bestimmten Thema austauschen kann. Gerade in der Kultur gibt es viele da draußen, die fundierte Meinungen haben oder vielleicht auch mehr wissen als wir, weil sie selber irgendwo arbeiten oder Dinge produzieren. Das reichert das Ganze schon extrem an. (A: 79)

Einfluss auf Rezensionspraxis

Ein kulturjournalistischer Text ohne die ganzen Reaktionen darunter und die ganzen Postings so blöd, stupide und geltungssüchtig sie auch sein mögen, ist nur das halbe Vergnügen und vielleicht auch nur die halbe Wahrheit, weil du ja auch immer wieder sehr kritische, aber auch wissende und auch zum Teil sehr informierte Stimmen findest, die zum Teil in den Fachgebieten – so beschämend es auch für den Schreiber des eigentlichen Artikels auch sein mag oder des eigentlichen Betrags sein mag– oft informierter sind und dich auf Fehler hinweisen oder etwas aus einer anderen Warte betrachten oder ergänzen oder konterkarieren. [...] Das halte ich für eine wirklich sehr positive Entwicklung des Kulturjournalismus in den letzten 10-15 Jahren. (D: 230; 267)

Plattformen Ranking

Interaktion

Facebook Zum Beispiel die Versteigerung eines Bildes des Malers Rothko haben wir so angekündigt: „Ihr werdet staunen um wie viel das Bild versteigert worden ist“. Damit man die Leute überhaupt erst einmal in die Geschichte rein bekommt. Da ist die Verknappung schon eine Einschränkung. Gerade weil es im Kulturbereich ja schon meistens mehr Text und mehr Tiefe bedarf. (A: 64)

Twitter Als Medium braucht man natürlich seine Leser und die Reichweite. Deswegen macht das auch jemand wie Armin Wolf [...] Man merkt, dass da eine Person mit ihren Interessen dahinter steckt. Die, wenn man so will, emotionalisier[t] mit Fußball, Felix Baumgartner oder dass es schneit. Man kennt diese Dinge, für die sich Leute auf FB interessieren. Wir könnten das definitiv besser machen. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, in wie weit man das als Medium auch will, weil man natürlich dann auch an seinem eigenen Ruf etwas verändert. Der Falter macht das beispielsweise extrem konsequent nicht. (G: 265)

Unterschied: Facebook/Twitter

Google + Weblogs Für meinen Blog, den ich ja zusätzlich in meiner Freizeit neben einem ohnehin gewaltigen

Arbeitspensum mache, würde es mich zeitlich überfordern, auch noch zu antworten. Dennoch erreichen mich Leute – wenn sie wollen, finden sie einen eh. (H: 58)

Eigene Webseite Das Ziel ist natürlich, Leute zu uns [auf die Webseite] zu bekommen. Was nützt mir ein Klick auf Facebook. Von dem hat nur Facebook etwas. Wir müssen die Leute dazu bringen, dass sie bei uns die Sachen lesen. Damit sich bei uns die Besucherzahlen erhöhen. (F: 417)

Partizipationsfördernde Maßnahmen

Wenn wir z.B. in einem Facebook-Posting die Frage stellen: „Wen würdet ihr zum Songcontest schicken?“ Und genau einer etwas darunter schreibt, ist das nicht so mächtig viel. Wir sehen ja, wie viele den Beitrag ansehen. Das ist weit mehr, als zurück schreiben. Vielleicht fühlen sie sich auch nicht angesprochen. Auf der Webseite ist diese Interaktion stärker. Die haben natürlich auch um ein vielfaches mehr Fans. Also das zwanzig Fache oder so. (F: 266)

Vorteile Ich finde man sollte es als sehr positives Phänomen betrachten, dass es diesen Rückkanal gibt, der im besten Fall erweiternd, ergänzend und korrigierend, weiterführend ist. Natürlich im negativen Fall nur bissig und zynisch, deppert und beleidigend. (D: 245)

Probleme Man kann das relativ schnell ausblenden bzw. muss man eine dickere Haut entwickeln und sagen, okay, das ist die Meinung von irgendwelchen Leute, die sich auch nicht offen dazu bekennen, sondern die da mit rein schwingen, aber let it be. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass die Welt ein Ort der Schönheit, der Gerechtigkeit und der Freundlichkeit ist, sondern eben auch einer der vox populi. (D: 247)

Allgemein Also am besten ist es natürlich wenn man seinen persönlichen Ton findet, jeder hat einen anderen Charakter und was geschätzt wird von den Lesern und Leserinnen da draußen ist, wenn wer, ich verwende jetzt das schreckliche Wort, authentisch, aber so ist es (A: 147)

Funktionierende Inhalte, die Reaktionen erzielen

Populärkulturelle Inhalte funktionieren gut und verbreiten sich leichter weiter. Wenn man allerdings das richtige Publikum hat, kommt auch ein Interview mit einem Philosophen wie Slavoj Žižek auf Facebook unglaublich gut an. Damit haben wir selber nicht gerechnet. Anscheinend waren genug Fans auf unserer Seite die sich mit Zizek auseinander setzen, seine Philosophie kennen oder das

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WANDEL

Funktionierende Inhalte, die Reaktionen erzielen

Populärkulturelle Inhalte funktionieren gut und verbreiten sich leichter weiter. Wenn man allerdings das richtige Publikum hat, kommt auch ein Interview mit einem Philosophen wie Slavoj Žižek auf Facebook unglaublich gut an. Damit haben wir selber nicht gerechnet. Anscheinend waren genug Fans auf unserer Seite die sich mit Zizek auseinander setzen, seine Philosophie kennen oder das interessant finden. Wir probieren da einfach sehr viel aus gerade. Und sind oft selber überrascht wie unberechenbar das Publikum da ist. (A: 295)

Strategie des Publizierens

im Grunde geht es uns natürlich darum, dass wir die Leute für unsere Inhalte und für die Marke begeistern, dass sie einfach gern Standard-Leser sind und den Kulturstandard gerne mögen und unsere Inhalte mitkriegen. Klar ist der Fokus, das stimmt schon, dass wir unsere Inhalte dort kommunizieren. Das ist das Hauptding.(A: 317)

Plattformen Ranking Facebook „Diesen Artikel auf Facebook empfehlen“ funktioniert sehr gut. Also vergangene Woche habe ich

etwas geschrieben über „die Hinichen“, deren Konzert abgesagt worden ist und das hat über 500 Empfehlungen auf Facebook gehabt. Das ist sehr viel für eine Kultur-Geschichte. Definitiv. Der Erwin Wurm hat glaube ich drei bis jetzt. (F: 279)

Twitter Wir haben einen eigenen Account für Reviews, der jede Review automatisch postet. Sie heißen eigentlich Twitter-Reviews und ursprünglich war der Plan, sie auf 140 Zeichen zu beschränken. Man kommt dann natürlich darauf, nur diese 140 Zeichen zu posten, ist auch vollkommener Schwachsinn, da sich dann niemand mehr auskennt, um wen es geht. Man benötigt einfach ein paar Zusatzinformationen, die im Heft funktionieren oder auch online. [...] Deswegen gibt es jetzt einen eigenen Kanal, der nur diese twittert. (G: 299)

Weblogs Weitere Plattformen

Wikipedia Zu Soap & Skin oder [zum Rapper] Nazar gibt es nicht so wahnsinnig viel im deutschen Sprachraum. [...] Wir versuchen das jetzt nicht irgendwie vollzuspamen sondern halt schon gezielt so, dass es den Leuten wirklich etwas bringt. Also einfach nur den Artikel reinzuballern nur damit er drinsteht. Der wird sofort wieder herausgelöscht. (G: 345)

Storify Flying Lotus hat sich beispielsweise am Release-Tag sein Album angehört und Notizen dazu auf Twitter veröffentlicht. Das ist ein wenig analog zum DVD-Audio-Kommentar, wo der Regisseur noch dazu erzählt, was da alles passiert ist. Das ist schon sehr interessant. Nachdem ich die Radio-Geschichte zum Album gemacht habe, habe ich die Kommentarte für eine leider nie erschienene Web-Geschichte mit Storify schön aufbereitet. (E: 146)

Vorteile Social Media ist ein sehr starkes Medium, dass weniger journalistisch funktioniert als meinungsbildend, meinungsreproduzierend, meinungsverstärkend und meinungsweitergebend. Fast auf einer persönlichen Ebene. Das heißt, viele Kulturjournalisten, die auf Facebook und Twitter unterwegs sind, Google+, was ich mach, nutzen das ja eigentlich [...] um dann persönliche Meinung absondern zu können, oder persönliche Ironie ins Spiel bringen zu können. [...] zum Teil gehen Leute in Social Media zu sich und ihrer professionellen Arbeit sogar auf ironische Distanz, was hoch interessant ist. (D: 19)

Probleme Irgendwann geht es dir ziemlich am Keks, dass du so viele Plattformen bespielen musst. Und es streust wie so ein Hund, der in jede Ecke pinkelt. Also insofern verstehe ich dieses überdimensionale Gewicht und diese überdimensionale Bedeutung, die Facebook und auch Twitter gewonnen haben. Ich sehe das aber sehr kritisch. (D: 146)

Veränderungen in der Kulturjournalistischen Arbeit

Das hängt immer vom einzelnen Kulturjournalisten ab. Der Typus des im elfenbeinturmssitzenden, einsamen Journalisten, der dann ultimative Bewertungen abgibt: Künstler A gut, Künstler B schlecht, Bild A gut, Bild B schlecht, Musikstück A gut, Musikstück B gut. Das bleibt nicht für unwidersprochen heute und auch das halte ich für eine positive Entwicklung. Also dieser Großkritiker der früheren Zeit, diese ultimative Instanz, die zerbröselt oder ist schon zerbröselt. (D: 308)

Keine Veränderungen

Eigentlich glaube ich kaum, außer dass die Art und Weise zu recherchieren sich verändert hat sowie der Zugang zur Information. Der Journalismus selbst ist wenn dann durch die Digitalisierung und das Internet verändert worden. Man hat durch das Social Web vielleicht einen zusätzlichen Player in dem Bereich die über Blogs aktiv sind. Aber grundsätzlich ist die Qualität des Kulturjournalismus nicht fundamental verändert worden. (B: 409)

Strukturelle Veränderungen im Medium

dadurch dass halt ich jetzt auch dabei bin, zum Beispiel auch bei vielen Ressort-Sitzungen dabei bin, wir zum Beispiel auch planen, okay, jemand ist bei einer Premiere dabei bei den Salzburger Festspielen, kann man da zum Beispiel schon vorab Inhalte für Social Media bringen? Also solche Dinge besprechen wir ja, machen wir uns aus, das sind ganz andere, das hat es halt vorher einfach noch nicht gegeben. Oder dass wir uns vorher ausdenken, okay, die Salzburger Festspiele stehen an, was können wir dazu in Social Media überhaupt, was könnten wir dazu machen, was wäre interessant? Wie können wir die User dort mit einbinden? Oder, was wir zum Beispiel auch machen ist, Kulturkooperationen, dass wir zum Beispiel, das sind dann ganz klare Marketingkooperationen, wo wir zum Beispiel vor Ort jemanden twittern lassen, das nennen wir dann "Tweets der anderen", wo zum Beispiel Experten von dem Event, sei es bei irgend einem, irgend einer Diskussion oder Barcamp, von dort eine Zeit lang unseren Twitter-Account kapert, so zu sagen. Oder, und wir zum Beispiel unsere Twitter-Wall vor Ort haben, damit man eben sieht, was dazu getwittert wird, ja, das geht halt bei Dingen, wo überhaupt getwittert wird. Also bei einer Ausstellungseröffnung vom Architekturzentrum wär es wahrscheinlich eher weniger. Vermute ich. (A: 323)

Neue Aufgaben

Eine Kritik kann trocken oder sehr gehaltvoll sein. Im Prinzip bleibst du bei den Formen, die es seit jJahrhunderten gibt. (D: 203)

Handlungsanweisungen/Ric

Bewusst nicht, weil es bei uns noch nie vorgekommen ist, dass irgend wer was komischen gepostet hätte. Bei gewissen Unternehmen ist das ein bisschen schwieriger, bei anderen

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POTENZIAL

Recherche Wie es auch dann für Künstler ist, ohne „dazwischen geschaltene Medien“ mit Fans zu kommunizieren. Das ist sicher einfacher. Das funktioniert da gut und es ist für Redaktionen einfacher, sich das von hier herunterzunehmen. Nachdem ja Redaktionen allerorts gekürzt werden ist das eben praktischer als wenn man jemanden anrufen muss.(F: 533)

Interaktion die bedeutung wird leicht steigen; der nächste technische schritt wird dann die weichen stellen. (C: 117)

Publizieren Das Ziel ist natürlich, Leute zu uns zu bekommen. Was nützt mir ein Klick auf Facebook. Von dem hat nur Facebook etwas. Wir müssen die Leute dazu bringen, dass sie bei uns die Sachen lesen. Damit sich bei uns die Besucherzahlen erhöhen. (F: 417)

Positives Entwicklungspotenzial für einen Kulturjournalismus in der Krise

Indem du nur mehr Überblick bietest. Ich glaube wichtig ist Guidelines zu haben. Nicht Guidelines, Orientierung. Leser suchen Orientierung. Und auch wenn sich meine Kollegen darüber lustig machen, ich finde es super, wenn ein Film jetzt vier oder fünf Sterne darunter hat. Wenn ich auf den ersten Blick sehe ist der Film jetzt gut oder ist er nicht gut. Ich glaube, gerade dadurch, dass wir so ein Überangebot haben wird das wichtiger. (F: 565)

Wenig Entwicklungspotenzial

Gibt es die Möglichkeit wie im englisch-sprachigen Raum, dass man sich als Kulturjournalist im Social Media Bereich so positioniert, um selbst zum Markt zu werden? Wo man diese Network-Nodes hat, die einerseits total effektiv über Social Media mit Informationen bedient werden, andererseits dort als Marke selbst von vielen gelesen und rezipiert werden. Gibt es diesen Markt überhaupt in einem Land mit 8 Millionen Einwohnern wovon 2 Millionen Facebook-Accounts sind? Wird schwierig werden. Natürlich haben wir den Vorteil der gemeinsamen Sprache mit Deutschland, aber wird sich die deutsche Community um einen österreichischen Kulturjournalisten scharren? - eher nicht, umgekehrt eher schon. Es wird schwierig als Kulturjournalist diesen potenziellen Markt des Social Web wirklich zu nutzen. (B: 482)

Konkurrenz aus dem Internet

Es gibt schon eine Konkurrenz, aber ich glaube wenn man das geschickt angeht, dann kann man die auch hereinholen, einbetten. „Die Blogger schreiben das und das“ – wieso sollte man das nicht machen. So wie metacritic.com. Es ist eine Frage der Ressourcen, wie du das machst, mit der Technik. Aber ganz wichtig finde ich eben diese Orientierungsfunktion. (585)

Handlungsanweisungen/Richtlinien

Bewusst nicht, weil es bei uns noch nie vorgekommen ist, dass irgend wer was komischen gepostet hätte. Bei gewissen Unternehmen ist das ein bisschen schwieriger, bei anderen vielleicht. Da schimpft vielleicht einmal ein Mitarbeiter über seinen Chef auf Facebook und realisiert nicht, was das für Folgen haben könnte. Wir haben das Glück, dass unsere Redakteure alle relativ gescheit sind und auch einerseits ihren Job mögen, hoffentlich und andererseits nie auf die Idee kommen würden, eigenartige Dinge zu posten oder Exklusiv-Geschichten zu leaken oder so, das wäre noch nie vorgekommen und wird wahrscheinlich auch, es kann natürlich immer irgend etwas sein. Aber da würden dann auch diese Guidelines nichts helfen.. (A: 373)

Einfluss der PR über Social Media

Früher hat man nur den Waschzettel, die Promomaterialien gekriegt und hatte ein Interview, um über diesen Menschen etwas herauszufinden. Davon ist Social Media eine Erweiterung. [...] Man hat den Eindruck, man kriegt mehr von diesen Menschen mit. Wobei natürlich auch sein kann, dass die das Spiel einfach mitspielen oder selbst beraten werden. Also diese Hoffnung, jetzt direkten und unmittelbaren Zugang zu Künstlern zu haben, da bin ich ein bisschen skeptisch. (G: 375)

Veränderungen im Verhältnis zum Künstler

Dabei spielen nicht nur Postings eine Rolle, sondern auch, dass Künstler selbst ganze Alben in guter Qualität auf Youtube stellen und diese über Facebook bewerben. Vor einer Zeit wäre das undenkbar gewesen. [...] Journalisten können dadurch Künstler anhand ihrer eigenen Texte bewerten und nicht anhand der PR-Texte, mit denen Künstler wenig zu tun haben und auch nicht immer ganz zufrieden damit sind. (B: 129)

Gesetzliche Veränderungen

Der Denkfehler, den ich darin sehe, dass man den Hinweis auf Konkurrenzverhältnisse versucht Facebook abzudrehen, das mag schon auf manche Angebote zutreffen. Aber wenn eines der Privatradios eine vergleichbare Sendung wie zum Beispiel unsere Hip Hop-Sendung hat, dann würde ich es auch verstehen. Aber das gibt es de facto in dem Sinne nicht wirklich. (E: 337)

REPUTATIONSMANAGEMENT

Ich glaube, dass es für Leute die selber publizieren unerlässlich ist, Präsenz auf Facebook oder Twitter zu haben. [...] Wenn man keine eigene Leserschaft mitbringt, denke ich, wird es bei Medien immer schwerer, Leute davon zu überzeugen, dass man als Journalist angestellt werden sollte. Weil die natürlich fragen "Und wer liest das?" und "Wen interessiert das, was du da machst?". (G: 598)

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1 INTERVIEWS 2

INTERVIEW A 3 November 2012 4

5 6 7 In welchen Bereichen des Kulturjournalismus, also in welchen Kunstgattungen, -sparten, ist jetzt das Social Web größeres Thema und in welchen 8 eher weniger? 9 Das ist ein ganz frappierender Unterschied im Kulturjournalismus, also die Musik ist der einzige Bereich, und da vor allem, also U-Musik ist sehr weit vorne, der 10 Rest muss unglaublich viel nachholen. Also Österreich ist da extrem weit hinten. Ahm, (Unterbrechung, Klopfen an der Tür).Also Musik, U-Musik funktioniert 11 schon gut, würde sagen dann die größeren Institutionen in der Bildenden Kunst, da gibt es das Mumok, oder das Lentos, oder alle diese Museen, die haben 12 mittlerweile auch erkannt dass sie dort kommunizieren müssen. Bildende Künstler hingegen findet man quasi gar keine, zumindest aus meiner Sicht, die sind 13 nicht vorhanden im Social Web, ich kann mir nicht erklären warum die nicht erkennen, dass sie dort ihr Publikum finden können. Also das fehlt noch total. Da 14 gibt es jetzt seit kurzem die Erwin Wurm-Seite, die aber sicher auch nicht von ihm selbst bespielt wird, da werden hin und wieder ein paar Bilder gepostet, finde 15 ich total, ja, immerhin. Ähm, und, und was gibt es dann sonst noch? Akademien, ich weiß nicht, die Bildende, die Angewandte oder der gleichen glaube ich, 16 habe ich auch noch nicht wirklich wahr genommen. Aber kann an mir liegen. Ja, das ist so meine Einschätzung. 17 18 Und lässt sich Musik besser verbreiten? 19 Naja, ich glaube es liegt an einer gewissen Grundeinstellung in der Szene. Ahm, die bildende Kunst ist vielleicht noch ein bisschen so in diesen abgehobeneren 20 Sphären wo sie vielleicht jetzt den Sinn der Sache noch nicht so ganz erkennen. Und bei der Musik klarerweise, Musik, vor allem auch U-Musik eignet sich 21 natürlich gut für Social Media Kanäle, das ist klar, das liegt auf der Hand. Das verbreitet man gerne weiter. Aber aus meiner Sicht ist das für bildende Kunst 22 genauso der Fall, da gibt es Leute die begeistern sich dafür, wenn man da Kunstwerke postet, oder dergleichen, oder das könnte man unglaublich intensiv 23 nützen, für Ausstellungsankündigungen, für einzelne Künstler, ja, passiert aber noch viel zu wenig, finde ich. 24 25 Gibt es Unterschiede zwischen den Darstellungsformen im Kulturjournalismus selbst, also ist eine Rezension im Social Web leichter 26 unterzubringen als ein Interview, Porträt? 27 Mmmhh, naja, also was gut funktioniert in Social Media generell sind personenbezogene Dinge, Textgattungen, und meinungsbezogene Textgattungen. Also 28 von dem her ist wahrscheinlich die Rezension sicher, da geht es um eine Meinung, und um den Austausch wie man was findet, das funktioniert sicher ganz gut. 29 Und über Personenporträts, dergleichen vielleicht, auch weil es ja um Personen geht im Social Media, also solche Dinge. Aber im Grunde alles wofür sich Leute 30 begeistern können im normalen Leben dafür können sie sich auch in Social Media begeistern. Also es ist nur eine Frage der Kommunikation. 31 32 Diese Kommunikation, wie wichtig ist die im Kulturjournalismus? Beziehungsweise was für eine Rolle spielt es eigentlich im Kulturjournalismus 33 das Publikum einzubinden? 34 Also, aus meiner Sicht natürlich sollte es eine riesige Rolle spielen, das tut es aber in Österreich noch nicht wirklich. Also wir reden natürlich, wir schauen, dass 35 wir die User einbinden, allerdings haben wir da auch noch großes Wachstumspotential in unseren Kultur-Channels. Ja, weil, die Kommunikation immer noch zu 36 einseitig ist, also immer noch zu sehr: wir schießen das in die Welt hinaus, unsere Inhalte, und das wars. Und was die Leute da draußen dazu sagen ist 37 vielleicht gar nicht so wahnsinnig interessant. Das ist generell so, bei uns ist natürlich das Forum, dadurch dass wir das auf der Website haben, da können sich 38 die User schon mal ganz intensiv austauschen, das ist ganz wichtig, und es wird auch wahr genommen. Und, also da ist der Austausch schon ganz ganz 39 wichtig. In Social Media, ja, ist sicherlich noch Wachstumspotential da. Aber da sind wir auf ganz gutem Weg. 40 41 Welche Formate sind jetzt dabei am Wichtigsten? Also Social Media Angebote, welche nutzt ihr da am Meisten, welche nutzt du am Meisten um mit 42 den Leuten in Kontakt zu treten? 43 Also von den Plattformen her jetzt? 44 45 Ja? 46 Ja, Facebook ist da Platzhirsch, wenig überraschend, da sind 2,5 Millionen, oder 2,8 Millionen User jetzt in Österreich, deswegen ist das am Interessantesten. 47 Twitter genauso, ist auch interessant für uns, vor allem weil halt hier die Medienbranche da intensiv, auch die Kulturbranche intensiv drauf ist. Werbung, Kultur 48 und Medien sind so die wichtigsten Ansprechpartner auf Twitter, Google+ eher weniger. Also Google+ ist für Kultur, ist das Publikum dort eher nicht so 49 vorhanden. Da sind eher so die Web- und Tech- und Gadgetfans dort. Die Inhalte funktionieren auf Google+ ganz gut, das ist für Kultur weniger. Dann gibt es 50 natürlich noch, falls man solche Sachen wie Youtube dazu rechnet, gut da sind wir jetzt nicht aktiv dabei, aber das, Videos zum Beispiel über Ausstellungen, 51 Kuratorengespräche oder der gleichen, solche Dinge funktionieren bei Videos schon ganz gut auch. 52 53 Wie verwendest du Facebook, wenn du mit dem Publikum in Kontakt trittst. 54 Also gerade im Kulturbereich ist, also es funktionieren sowieso Bilder ganz gut, aber gerade visuelle, also bei bildender Kunst oder dergleichen, also wenn man 55 ein Foto von einem Kunstwerk postet dann hat das schon einmal sehr großes Potential zu emotionalisieren. Das sollte meistens jemanden ansprechen. Da 56 verwenden wir halt Fotos ganz gern. 57 58 Wie man dann darauf antwortet? Also wir versuchen natürlich auf jedes Kommentar zu antworten, das unterscheidest sich nicht anders, also muss man einfach 59 fachlich kompetent sein, in seinem Gebiet. Auch ansonsten, wie man die Leute einbinden kann, der Einser-Schmäh ist einfach wie, was sie davon halten, und 60 dort eine inhaltliche Diskussion zu Stande zu bringen ist natürlich fein, wenn das funktioniert. 61 62 Auf Twitter? 63 Twitter ist noch recht klein. Es gibt jetzt 90.000 User in Österreich. Da hat man auch vor allem wenig Text und keine Bilder, da muss man halt so prägnant wie 64 möglich versuchen die Leute in die Geschichte rein zu ziehen. Das funktioniert natürlich oft mit Teaser-Möglichkeiten, also zum Beispiel Versteigerung eines 65 Rothko- Bildes, wo sie vielleicht sagen, ja ihr werdet jetzt staunen um wie viel das versteigert worden ist oder dergleichen. Damit man die Leute überhaupt erst 66 einmal in die Geschichte rein bekommt. Da ist die Verknappung schon eine Einschränkung. Gerade weil es im Kulturbereich ja schon meistens mehr Text und 67 mehr Tiefe bedarf. 68 69 Ist diese Einschränkung ein Problem? 70 Man muss es nehmen, so wie es ist, und dann das Beste daraus machen. Klar, auf Twitter, dadurch dass die Bilder wegfallen und der Text sehr kurz sein 71 muss, ist es eine andere Art der Kommunikation. 72 73 Wie schaut es mit Blogs aus? Es gibt ja auf der Website auch Blogs? Inwiefern werden die für die Interaktion genutzt? 74 Generell wollen wir natürlich, dass die Leser und Leserinnen überall mit diskutieren, das können sie auf den Blogs genauso wie bei anderen Artikeln. Bei Blogs 75 ist es halt vielleicht noch leichter weil die ja noch mehr Meinungsstücke sind auch und da halt gute Inhalte bieten. Blogs sind ja auch per se dafür gedacht, dass 76 man darüber spricht, und das ist natürlich gut (Lachen) 77 78 Was sind jetzt so die großen Vorteile, das Publikum in das Social Web mit ein zu beziehen? 79 Gerade bei so speziellen Bereichen wie bei der Kultur ist es natürlich schön dass man dort sich zu einem ganz bestimmten Thema austauschen kann und grad 80 bei der Kultur gibt es ja schon viele da draußen, die ja fundierte Meinungen haben, oder die vielleicht auch mehr wissen als wir, weil sie halt selber irgendwo 81 arbeiten oder selber Dinge produzieren. Und da, das reichert das Ganze schon extrem an. Das ist natürlich bei so Special Interest Sachen sehr sehr spannend. 82 83 Also es fördert schon auch die Auseinandersetzung mit Kunst? 84 Ganz sicher sogar, ja, auf jeden Fall. Vor allem ist Kunst, in welcher Ausformung auch immer, je präsenter die ist in, egal wo, desto besser. Und es gibt keinen 85 Grund, warum das nicht auch Facebook sein sollte. Das Interessante ist dass dann die User oft gar nicht mal so bewusst, sie sich vielleicht nicht, sie nicht aktiv 86 sagen würden, ich interessier mich für Kunst, aber wenn sie auf Facebook über einen Artikel aus dem Kulturbereich stolpern sozusagen und sich dort dann 87 austauschen, dann, das hätten sie sich sonst gar nicht gedacht. Und das ist ganz wichtig. 88 89 Werden diese Postings von den Redakteuren auch gelesen? 90 Ja ja, also doch doch. Die Postings, die Redakteure warten bei uns auch alle selbst das Forum auch, und die lesen schon die Postings. 91 92 Ist dann jeder für seinen eigenen Beitrag zuständig? 93 Kommt auf den Dienst auch drauf an. Also wenn ich zum Beispiel einen Artikel am Mittwoch veröffentliche und am Donnerstag mein freier Tag ist werde ich 94 wahrscheinlich eher weniger mitbekommen. Oder das erst später nachlesen, oder so. Oder ich bin dann am nächsten Tage vielleicht für andere Artikel 95 zuständig aber die meisten lesen ihre eigenen Sachen schon durch. 96

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97 Aber das ist nicht dein Job? 98 Das ist nicht mein Job! 99 100 Die Kommentare der anderen im Forum zu beantworten? 101 Genau, nur auf Facebook und auf Twitter. Auf der Website nicht. 102 Also wenn es auf Facebook eine Frage gibt zu einem Artikel von einer Konzertkritik und dann leite ich das an den Redakteur weiter. Der kann dann entscheiden 103 ob er antwortet oder nicht. Es gibt natürlich auch sehr viele Beschimpfungen, man kennt das ja eh von unserem Forum, da wird nicht geantwortet drauf, das ist 104 eh klar. Damit müssen die halt leider auch leben. 105 106 Hast du das Gefühl, dass im Kulturbereich viel kommentiert wird? Im Vergleich zu anderen? 107 Es ist ja ähnlich, also zum Beispiel vor allem bei Musik ist es ja ähnlich wie beim Sport. Da sagt man ja dann, wie, da sitzen dann 8 Millionen Teamtrainer oder 108 so, bei einem Konzert hat man im Publikum natürlich, jeder einzelne weiß genau wie das Konzert war und deswegen ist es gerade bei Konzertkritiken natürlich 109 massiv was da abgeht im Forum. Das wissen wir und das schätzen wir auch und das mögen wir, aber natürlich, ja, das ist jedem seine persönliche Meinung, da 110 wird es wahrscheinlich wenig Austausch dann geben. Wer hat da, es hat ja niemand Recht, in dem Sinn. 111 112 Aber jetzt auf Facebook, ist es bemerkbar dass da weniger Teilnahme ist vom Publikum? 113 Mehr sogar! Also bei Konzertkritiken, weil die... 114 115 Generell jetzt? Also wenn man jetzt die anderen Artikel mit einbezieht? 116 Inwiefern jetzt, also welche anderen? 117 118 Kann man sagen, dass im Bereich Kultur weniger Leute ihre Meinung auf Facebook oder Twitter kund tun als wie in Politik und Wirtschaft? 119 Ja schon, das merkt man ja auch bei unseren Fanzahlen, da ist ja die Kultur zur Zeit noch nicht so viele Fans wie zum Beispiel, ja, der Game-Channel oder was 120 anderes. Da, das stimmt schon, also es ist doch eher ein kleinerer Bereich aber ja, es gehen auch nicht so viele Österreicher und Österreicherinnen ins 121 Museum jede Woche wahrscheinlich, wie sie ins Fußballstadion gehen. Also es ist sicher noch ein bisschen ein kleineres, kleinerer Bereich. 122 123 Und kann man sich beim Publikum auch Anregungen oder Hilfe holen? Jetzt in dem speziellen Fall? 124 Auf jeden Fall! Man kann natürlich, weiß nicht, wenn man, bei gerade bei Konzerten kann man sich natürlich auch die Tweets die dazu abgegeben wurden 125 zitieren zum Beispiel. Das machen wir schon auch, dass wir halt sagen, was wird dazu gesagt auf Twitter oder auf Facebook. Auf Facebook natürlich wenn man 126 es noch mitkriegt, bei gewissen Fällen das halt auch einfließen lassen. Aber da, das wird sicher in Zukunft noch viel massiver passieren, da sind wir noch in den 127 Kinderschuhen. 128 129 Also wenn man jetzt über das Potential.... 130 Oder zum Beispiel was halt ganz der Klassiker ist was wir immer machen, ist vor einem Interview, wenn ich interviewe, zum Beispiel morgen Damien Hirst, was 131 sind eure Fragen an ihn, ganz simple Dinge. Da kommt immer eine Rückmeldung und dann bauen wir das ein und können den Leuten dann sagen ja, da ist die 132 Antwort auf deine Frage. Und den Link zum Interview dazu geben. So können die User natürlich das mitgestalten. Das machen wir schon. 133 134 Ist das jetzt eher dein Job oder wollen das mehrere Redakteure machen? Oder gibt es Redakteure, die das verweigern? 135 Klar gibt es Redakteure, die sagen, das interessiert mich jetzt nicht wahnsinnig und ich brauche noch was wir dagegen, unter Anführungszeichen, tun, also wir 136 machen halt immer wieder Workshops und zeigen wie das funktionieren könnte und was das für Vorteile hat, also das ist so ein bisschen eine 137 Missionierungsarbeit, die wir da leisten. Wie gesagt, es kann alles noch ein bisschen dauern, aber die, die schon aktiv, die Redakteure, die schon aktiv auf 138 Social Media sind, die machen das ganz selbstverständlich. Ja, und andere eben nicht, das ist sicher durchmischt. 139 140 Okay. Und wie groß ist die Rolle der Empfehlungen? Also der diversen, Twitter, Facebook... 141 Das spielt eine irrsinnig große Rolle, weil ja, sonst gäbe es ja meinen Job nicht, wenn sich das nicht auszahlen würde für uns, ist, dass die Verbreitung der 142 Inhalte auf Social Media so immens wächst und so wichtig ist für uns, dass dadurch die Leserzahlen natürlich so steigen und dass wir uns darum kümmern 143 auch wie kann man Artikel gut verbreiten. Sicher, das ist ganz wichtig für uns. Davon leben wir ja. 144 145 Wie können jetzt Kulturjournalisten konkret ihre Inhalte originell verbreiten, im Social Web? 146 Originell ist immer eine gute Frage. Also am besten ist es natürlich wenn man seinen persönlichen Ton findet, jeder hat einen anderen Charakter und was 147 geschätzt wird von den Lesern und Leserinnen da draußen ist, wenn wer, ich verwende jetzt das schreckliche Wort, authentisch, aber so ist es, kommuniziert, 148 also wenn der Schachinger mit grumpeligen Ton irgendwas verbreitet, dann kommt das genau richtig an, und dann wird das genau die Leute, werden das 149 interessant finden, für dies passt, oder sich auch drüber ärgern, ist vollkommen in Ordnung. Aber da ist es eben der, dieser Tonfall für die Einzelpersonen, für 150 die unserenAccounts ist es natürlich am besten wenn man eben zum Beispiel auf Highlights oder so aufmerksam macht. Klar, man muss halt an-teasern, man 151 kann ja in einem Facebook-Posting nie den ganzen Artikel erzählen, weil dann wär es ja ein Artikel. Sondern einfach schauen, dass man neugierig macht auf 152 die Geschichte. Ist wie ein kleiner Werbespot für jeden einzelnen Artikel, so ein Facebook-Posting. 153 154 Gibts auf Twitter noch besondere Wege, wie man das ganze noch steigern kann? 155 Ja auf Twitter geht es im Grunde auch darum, dass man sich genau das Netzwerk aufbaut, das man halt braucht. Beim, bei der Kultur ist es ganz klar, also man 156 muss dem Mumok folgen und dem Esel und wie sie alle heißen, die Blogger, damit man sich halt dort austauschen kann mit denen. Wenn man dieses Netzwerk 157 sich nicht aufbaut, dann kann man natürlich auch nicht mit denen dort reden. Deswegen ist das dort halt wichtig. 158 159 Reden wir über Blogs, was sind die wichtigsten Blogs für dich als Kulturjournalistin? 160 Also für mich, ich bin ja, ich beschäftige mich ja nicht Tag täglich mit Kultur, aber der Esel ist für mich was Wichtiges, castyourart ist für mich eine wichtige 161 Plattform, weil die einfach gute Videos machen zu den Ausstellungen finde ich. Was ist für mich? Der Haubentaucher, der Philoponus auf Twitter, dann, wen 162 liest man da so, enlargeyourpen, geht aber auch schon ins Politische. Dann die ganzen Einrichtungen, Museumsquartier bis Theater in der Josefstadt ist auf 163 Twitter, das Kunstforum, TBA21, ja, die sind eh alle dort. Reicht das? (Lachen) 164 165 Und konkret profitiert man jetzt davon wie? 166 Konkret, wir, ganz einfach, kriegen mehr Leser dadurch. Deswegen tun wir das und wir tauschen uns mit den Lesern dort aus und reichern so unsere Inhalte an 167 also das sind so diese zwei, dieser Kreislauf, der da entsteht und deswegen ist das einfach unentbehrlich, wenn wir das nicht machen würden, würden wir uns 168 was entgehen lassen. Das sind halt diese Marketing-Allgemein-Sprech-Arten, aber es ist halt wirklich so (Lachen) 169 170 Aber man gewinnt ja Informationen dadurch, oder? 171 Naja, sagen wir so, die wichtigen Informationen kriegen wir auch auf konventionellem Weg. Konventionell ist Aussendungen, Emails, persönliche Treffen, mit 172 den Leuten Interviews. Interessanter, also von einem Mumok wird man auf Twitter nichts anderes erfahren als wir es in der Presseaussendung oder sonst auch 173 erfahren würden, ja, da ist der Austausch im Vordergrund. Mehr erfahren tun wir auf jeden Fall von den Usern, von den Lesern, da ist natürlich, muss man halt 174 filtern, was sinnvoll ist, was nicht. 175 Aber klar, bei einem Festival kann man natürlich sagen, Stimmungen einfangen, wenn man auf die Facebook-Page schaut vom Frequency-Festival und man 176 macht einen Bericht drüber und es postet jemand: Bin 5 Stunden lang in der Schlange gestanden und hab mir dann nicht Muse anschauen können, zum 177 Beispiel, ja dann kann man das natürlich im Artikel auch reinschreiben, dass Leute davon berichten, dass es sowas gegeben hat. Oder der gleichen. Also da 178 kann man sich das einzelne Festivalerlebnis anreichern und muss nicht mit hunderten Leuten reden sondern kann leicht auf die Facebook-Page schauen, zum 179 Beispiel. Um auch so Stimmungen einzufangen. 180 181 Gibts noch Beispiele, wie kann man Twitter für die Recherche sonst noch nutzen? 182 Leider wird im Kulturbereich noch zu wenig getwittert. Bei, über Ausstellungen oder der gleichen, oder auch bei Konzerten, wenn wir hin und wieder schauen, 183 da gibt es dann vielleicht 2-3 Tweets dazu. Und das von meistens den Personen, die wir eh kennen. Also da, das muss noch wachsen. Ist dir was anderes 184 aufgefallen? 185 186 Naja, es ist absolut ausbaufähig. 187 Oder bei Theaterpremieren oder dergleichen, da wird nicht getwittert dazu. Zur Zeit wird eher getwittert zu gewissen TV-Formaten, im Zentrum, Club2, 188 Fußballspielen, diese Dinge, oder, also da wird viel getwittert, aber bei, beim Tanzquartier-Premiere ist es noch sehr ruhig. Leider. 189 190 Wie schaut die Recherche jetzt in Blogs aus, wie wichtig ist die generell? 191 Generell sicher wichtig. Auch noch ausbaufähig. Also ich glaube dass da in den nächsten Jahren sich das vielmehr verstärken wird. Um das einzubauen. Davon 192 bin ich überzeugt. Aber im Kulturbereich, also da sprechen wir nur vom Kulturbereich, da ist das noch eher schwach. In Österreich. International sicher nicht! 193 194 Was zeichnet die österreichische Kulturblog-Szene aus? 195

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Dass sie kaum vorhanden ist. Aus meiner Sicht jetzt. Da gibt es vielleicht ein bisschen mehr als 2 Hände voll. 196 197 Was gibt es für relevante Vertreter die du jetzt nennen würdest? 198 Da haben wir ja eh vorhin auch schon über die.... Beziehungsweise, da bin ich halt wieder vielleicht ein bisschen unterinformiert, weil ich auch nicht Tag täglich 199 mich mit Kulturblogs auseinander setze. Also da kenne ich wahrscheinlich ein paar wichtige einfach nicht, weil ja ich zum Beispiel auch kein spezielles, 200 Spezialgebiet hab, zum Beispiel. Ich schreib ja nicht jede Woche über bildende Kunst. Sondern bin ja eher, wenn dann, eher in der Popkultur angesiedelt. 201 202 Und spielt Youtube eine Rolle für die Recherche? 203 So banal wie, dass man sich Videos anschaut zu einem Thema, klar, das ist Basis, das ist schon so wie Emails schreiben, das ist keine Besonderheit mehr, 204 also Youtube als Informationskanal. Aber dort sich, das wirklich als soziales Netzwerk zu nutzen, mit Kommentaren posten und die Kommentare anschauen, 205 das passiert nicht, bei uns, nein. 206 207 Gibt es noch weitere Social Web-Plattformen die jetzt für die Recherche wichtig sind? 208 Nein, das sind eigentlich die Wichtigsten, weil die anderen, da gibt es dann, es gibt ja schon so Kulturplattformen, in denen bin ich aber selber nicht drinnen, die 209 kenne ich nur aus Erzählungen, so Art Emailverteiler, wo man immer die wichtigsten Sachen, aber das ist ja kein soziales Netzwerk in dem Sinn. 210 211 Zum Beispiel? 212 Ja, wenn mir der Name einfallen würde...Meine Schwester ist Kuratorin, die erzählt immer wieder, dass sie so wichtige, ein paar Informationsnewsletter kriegt 213 immer, wo das wichtigste eigentlich drinnen ist für sie. Kennst du da welche, welche sie meinen könnte? 214 215 Mir fällt jetzt der Esel ein, der ist recht praktisch.... 216 Ja, der, den haben wir eh schon erwähnt, ja, aber. Der Esel ist da sicher einer der wichtigsten. 217 218 Was sind die großen Vorteile der Recherche im Social Web? 219 Die Recherche wird einfach erweitert durch die persönliche Meinung, anstatt dass man auf die Straße gehen muss, um 10 Leute zu befragen oder bei der 220 Kinopremiere die klassischen "Und, wie haben sie den Film gefunden?" wird es halt erweitert, dadurch, dass diese Meinungen ja auch im Netz aufzufinden sind. 221 Egal wo, ob in Blog-Form oder als Tweet, oder als einer Facebook-Page, das ist die große Anreicherung 222 223 Gibts noch weitere? 224 Mmmh, für bei der Recherche...Naja, gut, Erweiterungen des Spektrums, das ist aber da inbegriffen, Meinungsspektrum... 225 226 Und was gibt es für Probleme dabei? 227 Das Problem ist im Grunde nur ein Zeitproblem, ein Ressourcenproblem. Wenn, sich die Zeit zu nehmen, erstens einmal, diese ganzen Dinge zu recherchieren 228 und dann auszuwerten und durchzulesen, daran scheitert es zur Zeit, so ist das. Das gelingt manchmal, manchmal nicht, manchmal ist es gar nicht intendiert. 229 230 Wie bewertest du die Zuverlässigkeit von Quellen im Social Web? Gibt es da einen methodischen Zugang? 231 Ja, es gibt, was der Spiegel zum Beispiel macht, die haben sich ein Netzwerk aufgebaut von hunderten Twitteraccounts weltweit zu bestimmten Themen, mit 232 denen sie persönlich gemailt haben und alles mögliche, wo sie wissen, das sind echte, im Normalfall zurechnungsfähige Personen. Auf die sie dann immer 233 wieder zugreifen können für Informationen, das ist ein Weg. In Österreich und im, wieder Österreich und Kulturjournalismus, ist es ja so, dass die wenigen, die 234 da wirklich aktiv sind, wie der Essl zum Beispiel, die kennt man ja auch persönlich, also, da weiß ich, wenn der Essl was twittert wird das mit 80 Prozent 235 Wahrscheinlichkeit schon okay sein, außer er ist vielleicht betrunken und twittert gerade irgend einen Blödsinn. Dann könnte es natürlich passieren, aber das 236 kann bei der APA genauso passieren, dass da auch einmal was Fehlerhaftes durchkommt. Kulturjournalismus in Österreich, sehe ich da kein Problem der 237 Verifizierung weil die Szene so überschaubar ist, dass man die meisten persönlich kennt. Und vor allem, wenn man ein Spezialgebiet hat, als Kulturjournalist, 238 wie zum Beispiel Theater, dann kennt man sowieso alle persönlich. Meistens halt. 239 240 Und international gesehen? 241 International natürlich nicht, aber da ist es ja auch eher so, dass die Influencer ja die sind, das sind ja dann Blogs, die ja auch schon weltweit bekannt sind. 242 Wenn wir in Österreich einen Kunstblog schon kennen, dann ist er ja schon so bekannt, dass er höchstwahrscheinlich auch, also zuverlässig, da greift man ja 243 eh auf die bekannten Dinge zu, die man da kennt. Und wenn es eine Einzelmeinung eines unbekannten Users ist, dann ist es ja meistens eine Meinung, die 244 man entweder zitieren kann als Meinung, was ja in Ordnung ist, oder wenn es natürlich ein Hinweis oder irgendwas der gleichen ist, aber Kultur ist ja, außer 245 jetzt beim MAK vielleicht, eher weniger Aufdecker-Journalismus. Da muss dem sowieso nachgegangen werden, da muss man das sowieso prüfen. Wenn jetzt 246 einer twittern würde der Noever oder Növer, oder wie man ihn auch ausspricht, hat Kunstwerke gestohlen, dann muss man da natürlich nach recherchieren, ist 247 ja eh klar. Aber wenn er sagt, das Seed-Konzert hat mir gestern nicht gefallen, dann kann man das zitieren, ohne dass man es prüfen muss. Eh auch logisch. 248 249 Und schaut man durch diese erweiterten Möglichkeiten der Recherche auch mehr auf das Angebot der Konkurrenz? 250 Die Konkurrenz beobachtet man eh immer. Ich glaube nicht, dass man dadurch mehr auf die Konkurrenz schaut. Weil man sowieso die Konkurrenz mitliest. 251 252 Glaubst du, dass es sein könnte, dass dadurch, gerade ressourcen-schwache Redaktionen mehr auf Themen eingehen, die sowieso schon 253 irgendwo geschrieben worden sind, oder diese wiedergeben? 254 Dass sie zum Beispiel Blogs abschreiben, so was in der Richtung? 255 256 Ja zum Beispiel. 257 Könnte durchaus passieren, kann ich mir schon vorstellen, bei uns nicht, (Lachen) . Es ist ja eher, es entsteht ja eher ein Mehraufwand. Ja, bedingt. Es hat halt 258 so zwei Seiten. Natürlich sind Meinungen schneller einholbar, oder gewisse Quellen, man muss sich aber trotzdem damit auch auseinander setzen. Also, 259 mmhh, schwierige Frage. 260 261 Also vielleicht auch durch die Vernetzung der Journalisten untereinander, der Kollegen von anderen Medien? Dass man Infos leichter, vielleicht 262 schneller erfährt, da ein anderer jetzt gerade Info zum Thema gepostet oder gerade veröffentlicht hat? Könnte das eine Rolle spielen? 263 Das sicher. Naja.. 264 265 Dass man ein bisschen mehr Bezug nimmt aufeinander als früher vielleicht? 266 Das ganz sicher, vor allem das ist ganz, auf Twitter ganz stark. Da sind ja die Journalisten alle miteinander verbunden und kriegen wahrscheinlich mehr mit was 267 der andere vielleicht gerade macht oder gerade veröffentlicht hat. Also diese Dinge passieren natürlich schneller, das schon. Und vor allem wenn jemand offen 268 damit umgeht, mit der Recherche, also zum Beispiel ich interviewe morgen, welche Fragen habt ihr, dann weiß natürlich die Konkurrenz auch, der interviewt 269 morgen den und den. Aber vielleicht haben sie das früher auch gewusst, weil es hat einen Pressetermin gegeben, Interview 2 Stunden lang und alle stehen 270 dann in der Schlange dort. Und man trifft sich eh jede Woche in der Schlange zu einem bestimmten Interview, ja. In den Fällen kann man es dann auch twittern, 271 dann passt das ja. Und richtige Exklusiv-Sachen wird man nicht twittern, das ist eh auch... 272 273 274 Ich schlage ich vor, wir sprechen über den Wandel, die Frage, also vielleicht die Erfahrungen die du halt wirklich gemacht hast oder vielleicht was 275 du so mitgekriegt hast aus der Redaktion und dem Redaktionsmanagement. Aber auch wie konkret, wie hat das Social Web die Arbeit, deine Arbeit 276 konkret verändert? 277 Meine Arbeit hat es geschaffen, das ist natürlich ganz super! (Lachen) Also vor ein paar Jahren hat es meinen Job noch nicht gegeben, einfach, Social Web 278 ernährt mich. Ja, der Wandel ist natürlich dahingehend, dass den Leuten viel mehr bewusst wird, dass sie, dass es nicht nur eine OneWay-Kommunikation ist, 279 es ist nicht so: Ich geh ins Theater, denk mir dann, na, wie war das, schreib es nieder und das war es, sondern da kommt ja auch irrsinnig viel zurück auch. Und 280 das ändert sich eben gerade ganz ganz massiv. Das wissen wir eh auch alle, aber damit umzugehen, das ist jetzt halt die neue Herausforderung. Und da halt 281 das auch als Chance zu sehen und zu nützen und darauf ein zu gehen. Das ist der massive Wandel. Und die nächste Herausforderung ist natürlich die 282 Informationen, die da sind, gut zu filtern. Die Meldungen und Meinungen zu bestimmten Ausstellungen zum Beispiel oder Konzerten, dass man sich da das 283 Relevante rausholen kann. Also wie filtert man jetzt das Interessante aus dem Uninteressanten raus. 284 285 Wie hat das Social Web den Kulturjournalismus verbessert? 286 Durch Anreicherung mal auf jeden Fall und dass selber der Horizont sehr leicht erweitert werden kann, von den Journalisten auch, dass man eben sofort sieht, 287 was es dazu für Meinungen gibt. Ja, einfach eine große Horizonterweiterung und eine Verbesserung der Reichweite. Man kann einfach viel mehr Leute mit 288 Kulturinhalten erreichen als vorher. Und auch neue junge Leute, die man da auch reinziehen kann, weil unser Publikum, es wird zwar immer älter, aber ist 289 trotzdem immer noch recht jung. Auf Facebook. 290 291 Durchschnittlich, was gibt es da für Zahlen? 292 Zwischen 17 und 35. Der Schwerpunkt. 293 294

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Aber gibt es da eine Auslese? Gehen alle Inhalte auf Facebook? 295 Es gibt eine Auswahl. Es ist natürlich schon so dass zum Beispiel eher Populärkultur, da wissen wir, das funktioniert meistens ganz gut, ja, diese Inhalte 296 verbreiten sich auch leichter weiter. Allerdings, wenn man das richtige Publikum hat, wir haben ein Interview mit Slavoj Zizek gehabt einmal, das hat sich, ist 297 unglaublich gut angekommen auf Facebook, damit haben wir selber gar nicht gerechnet. Aber anscheinend waren halt genug Fans auf unserer Seite die halt 298 genau sich mit Zizek auseinander setzen oder seine Philosophie kennen oder das interessant finden. Das ist dann natürlich schon sehr spannend. Wenn man... 299 Und wir probieren da einfach sehr viel aus gerade. Und sind oft selber überrascht wie unberechenbar das Publikum da ist. Letztens war es ein Barenboim-300 Artikel, ganz gut angekommen, wo man sich eher denkt, das ist vielleicht was eher Sperriges vielleicht für ein bisschen älteres Publikum. Ja, also ein großes, 301 schon noch auch viel herum experimentieren und, aber im Grunde einfach die wichtigste Essenz oder das was am meisten bewegt vom Artikel halt raus zu 302 holen und damit die Leute rein zu ziehen. Egal ob es um einen Dirigenten oder um eine Reggeaband geht, funktioniert bei beiden gut. 303 304 Aber es geht schon immer um die, quasi Vermarktung eines bereits bestehenden Textes? 305 Genau, genau! 306 307 Gibt es alternative Kommunikation auch, die jetzt nichts mit einem Artikel, der schon besteht zu tun hat? 308 Bei uns, natürlich gibt es diese Kommunikation, zum Beispiel posten wir hin und wieder auch aus dem Kulturbereich zum Beispiel Zitate oder wenn ein Autor 309 Todestag hat oder irgend solche Dinge. Also solche Formate, die haben überhaupt nichts mit unserem Artikel zu tun aber die, dadurch haben wir einfach eine 310 guten Kontakt auch zu unseren Fans. Und das mögen die ganz gern und verbreiten es auch weiter. Diese Inhalte bieten wir zusätzlich an, aber das Hauptziel... 311 312 Sonst zum Beispiel? 313 Sonst gibt es natürlich Umfragen zum Beispiel, dass wir auch die Infos einholen von den Usern, dass man halt sagt, war das Frequency-Festival ein Erfolg für 314 dich oder nicht, zum Beispiel, und dass man dann zum Beispiel Stimmungen einholt oder die Leute mit einbindet. Oder dass man sie zum Beispiel fragt, wir 315 bereiten gerade einen Artikel vor über die besten Festivals im Sommer, welche sind eure Highlights? Vor allem zum Beispiel vielleicht in den Bundesländern wo 316 wir jetzt nicht so drinnen sind, dass wir uns von dort die Info reinholen. Solche Dinge. Also klar, im Grunde geht es uns natürlich darum, dass wir die Leute für 317 unsere Inhalte und für die Marke begeistern, dass sie einfach gern ***-Leser sind und unser Kulturangebot gerne mögen und unsere Inhalte mitkriegen. Klar ist 318 der Fokus, das stimmt schon, dass wir unsere Inhalte dort kommunizieren. Das ist das Hauptding. 319 320 Und wie hat das Social Web jetzt die redaktionellen Strukturen verändert? 321 Ja, doch, doch. Eben allein, also dadurch dass halt ich jetzt auch dabei bin, zum Beispiel auch bei vielen Ressort-Sitzungen dabei bin, wir zum Beispiel auch 322 planen, okay, jemand ist bei einer Premiere dabei bei den Salzburger Festspielen, kann man da zum Beispiel schon vorab Inhalte für Social Media bringen? 323 Also solche Dinge besprechen wir ja, machen wir uns aus, das sind ganz andere, das hat es halt vorher einfach noch nicht gegeben. Oder dass wir uns vorher 324 ausdenken, okay, die Salzburger Festspiele stehen an, was können wir dazu in Social Media überhaupt, was könnten wir dazu machen, was wäre interessant? 325 Wie können wir die User dort mit einbinden? Oder, was wir zum Beispiel auch machen ist, Kulturkooperationen, dass wir zum Beispiel, das sind dann ganz 326 klare Marketingkooperationen, wo wir zum Beispiel vor Ort jemanden twittern lassen, das nennen wir dann "Tweets der anderen", wo zum Beispiel Experten von 327 dem Event, sei es bei irgend einem, irgend einer Diskussion oder Barcamp, von dort eine Zeit lang unseren Twitter-Account kapert, so zu sagen. Oder, und wir 328 zum Beispiel unsere Twitter-Wall vor Ort haben, damit man eben sieht, was dazu getwittert wird, ja, das geht halt bei Dingen, wo überhaupt getwittert wird. Also 329 bei einer Ausstellungseröffnung vom Architekturzentrum wär es wahrscheinlich eher weniger. Vermute ich. 330 331 Und wie hat sich so das Verhältnis zwischen Journalismus und PR verändert? Dadurch, durch das Social Web? 332 Gar nicht. Hoffe ich... (Lachen) Beziehungsweise bei uns einmal gar nicht, weil wir redaktionell einfach nichts mit Marketing zu tun haben, also auf der 333 Redaktionsseite. Da gibt es keine Berührungspunkte. Ja... 334 335 Kriegst du mehr Angebote jetzt, von PR-Leuten zum Beispiel, über Facebook, über Twitter? 336 Nein, nein. Das findet nicht statt. Könnte natürlich passieren, aber das müssen wir, allein aus der Ethik und aus all, und Statuten verneinen. Also es könnte nie 337 jemand sage zu uns: "Postet unsere Vernissage auf Facebook". Entweder wir finden das interessant und wir wollen das machen und verweisen auch drauf, das 338 können wir tun, aber es kann nie dahingehen, dass wir Werbepostings verfassen. Aber klar, es kann natürlich, auch wenn wir andere Dinge empfehlen, was wir 339 durchaus tun, könnte natürlich von extern so aufgefasst werden. Aber es ist keine, das ist eine redaktionelle Auswahl, so wie wenn man halt über eine 340 Theaterpremiere berichtet, ist es ja auch keine Marketingkooperation, nur weil darüber berichtet wird. Das ist ganz, ganz streng zu trennen. 341 342 Dein Job ist jetzt der Beweis dafür, dass doch Ressourcen aufgewendet werden für, um das Social Web besser zu nutzen, wie ist da die Strategie? 343 Will man noch mehr Ressourcen aufbringen? 344 Die Überlegung ist da, sicher, das hängt natürlich davon ab, wie sehr das wächst auch. Also wenn, zur Zeit ist es managebar so wie es jetzt ist, also mit 2 345 Personen, und die ganze Redaktion ist ja auch dabei. Im Grunde sitzen da ja jeden Tag 70 Leute und schauen auch immer wieder auf Facebook und auf 346 Twitter. Ich die ganze Zeit, außer ich gebe gerade ein Interview, und, ja, klar, wenn das noch mehr wächst, und zum Beispiel die Kommentare auf einmal nicht 347 mehr bewältigbar wären für mich allein zum Beispiel, dann braucht es da noch jemanden. Und vielleicht noch ein Team, also Spiegel hat ja auch 5 Leute sitzen, 348 oder so. 349 350 Wenn man vom Potential spricht, wäre das Potential auch darin auszuschöpfen, dass man eben mehr auf Interaktion, wirkliche Interaktion, dass 351 man jetzt wirklich mehr kommuniziert über mehrere Postings? 352 Ich verstehe die Anspielung... (Lachen) absolut. Das Publikum, zur Zeit müssen wir noch ein bisschen wachsen, damit das Publikum auch wirklich mitmacht. 353 Das ist noch, noch!, ein bisschen, also im Kulturbereich sag ich jetzt mal, könnte da noch mehr passieren, klar. 354 355 Das ist jetzt keine Ressourcen-Frage, dass da weniger kommuniziert wird, sondern, ist ein bisschen das Interesse des Publikums nicht so groß? 356 Naja, es wird wohl ein Zusammenspiel sein. (Lachen) Bei uns im Kulturbereich passiert das meiste noch auf der Website im Forum. Auf Facebook und Twitter 357 sind wir da im Kulturbereich nicht so wahnsinnig groß noch. Wird aber hoffentlich noch. 358 359 Ist der Social Web-Redakteur ein bisschen auch die Entlastung für die anderen Redakteure, dass sie sich jetzt weniger mit dem Social Web 360 befassen müssen? 361 Eher weniger. Eher bin ich ein bisschen auch eine Mehr-Arbeits-Bringerin, weil ich natürlich auch drauf schaue, was wir, oder mir neue Dinge ausdenke, was 362 wir machen könnten, oder eben Schwerpunkte plane. Also teilweise bringe ich ja auch mehr Arbeit her. Teilweise kann es natürlich auch sein, dass ich einmal 363 irgendwo einspringe und sage, okay, wir haben da eine Theaterpremiere und wir twittern einmal von dort, was wir auch schon gemacht haben einmal, wo 364 vielleicht jetzt sonst gerade niemand kann. So was übernehme ich dann zum Beispiel auch schon. Also beides, manchmal entlaste ich, manchmal bringe ich 365 mehr. 366 367 Aber dass die Journalisten jetzt sagen, okay, wir müssen jetzt eh nix mehr machen mit Social Web, weil wir haben ja einen eigenen Redakteur? 368 Nein, ganz das Gegenteil, ganz das Gegenteil ist der Fall. Es haben alle, wir können dann eine Runde durch die Redaktion gehen, es haben alle Twitter offen 369 am zweiten Bildschirm, oder halt sehr viele schauen mehrmals täglich rein, das ist Usus und daran kommt auch niemand mehr vorbei. 370 371 Gibt es in der Redaktion Handlungsanweisungen oder Guidelines, wie jetzt das Ganze zu nutzen ist? 372 Bewusst nicht, weil es bei uns noch nie vorgekommen ist, dass irgend wer was komischen gepostet hätte. Bei gewissen Unternehmen ist das ein bisschen 373 schwieriger, bei anderen vielleicht. Da schimpft vielleicht einmal ein Mitarbeiter über seinen Chef auf Facebook und realisiert nicht, was das für Folgen haben 374 könnte. Wir haben das Glück, dass unsere Redakteure alle relativ gescheit sind und auch einerseits ihren Job mögen, hoffentlich und andererseits nie auf die 375 Idee kommen würden, eigenartige Dinge zu posten oder Exklusiv-Geschichten zu leaken oder so, das wäre noch nie vorgekommen und wird wahrscheinlich 376 auch, es kann natürlich immer irgend etwas sein. Aber da würden dann auch diese Guidelines nichts helfen. Die Guidelines werden natürlich oft als 377 Absicherung von Unternehmen gern einfach verwendet, dass sie mal da sind. Und dann, wir haben es ja gesagt, jetzt können wir dich verklagen, weil du das 378 Unternehmen geschädigt hast in Facebook. Aber das tun wir nicht, wir machen eben Workshops, wo wir zum Beispiel einfach nur die Privatsphäre-379 Einstellungen durchgehen. Oder, wie kommunizieren andere, zum Beispiel auch Kultureinrichtungen im Social Web. Oder wie funktioniert das einfach so, 380 einfach dass alle gut damit umgehen können und dann passieren auch keine Eigenartigkeiten. Und Fehler können immer passieren, das ist halt so. 381 382 Das sind alles freiwillige Dinge, oder müssen die Leute mitmachen bei diesen Workshops? 383 Die müssen da mitmachen. Es müssen alle wissen, wie diese Dinge funktionieren, das ist schon klar. Das ist wirklich wichtig. 384 385 Was müsste man jetzt noch ändern, damit man das vielleicht noch effizienter nutzen kann alles? 386 Ja, gut, nach mehr Ressourcen zu schreien, das kann man immer, das ist halt der leichte Weg. Das ist natürlich auch immer gut. Generell hoffe ich, dass 387 einfach die Kommunikation über Kultur generell im Social Web einfach so massiv wächst, dass man das auch noch viel mehr ausnützen kann. Das ist halt so 388 ein Kreislauf. Dass wir natürlich noch mehr machen und das Publikum auch. Und dass das dann so sich auswächst zu einem riesigen Dominoeffekt. Das wär 389 natürlich das beste. 390 391

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Was glaubst du, wenn wir jetzt vom Potential noch reden, abschließend, welche Bedeutung wird das Social Web zukünftig, vielleicht können wir das 392 in die drei Teile gliedern, so für die Recherche haben, für die Intensivierung des Publikum-Kontaktes und das Publizieren der Inhalte? Was für 393 Möglichkeiten stecken denn da noch drinnen? 394 Das hab ich leider alles schon gesagt, mir fällt nichts neues mehr ein. Da habe ich schon alles schon dreimal gesagt, oder? (Lachen) Wie gesagt, 395 Horizonterweiterung, Austausch und Bereicherung für die Inhalte, sowohl bei uns als auch bei den Lesern. (Lachen) Ich sehe, du bist nicht zufrieden... 396 397 Du kennst dich ja gut aus mit dem Thema, was wünscht du dir jetzt, was noch passiert? Sagen wir jetzt mal, man hätte die Ressourcen, wie könnte 398 man das Ganze wirklich noch mehr nutzen? Vielleicht, reden wir jetzt mal über das Publikum, wie kann man das noch mehr integrieren? 399 Ja, ich würde mir natürlich wünschen, dass wir dort so viel Input und soviel Diskussion haben, dass wir Tag täglich quasi da nur uns die ganze Zeit neue 400 Erkenntnisse gewinnen und auf neue Dinge drauf kommen. Und einfach die Diskussion soweit erweitern. Das passiert ja im Forum auch schon sehr viel, da gibt 401 es ja, ist ja auch schon eine sehr sehr massive Diskussion. Und die würde ich mir auch auf Facebook und Twitter wünschen, dass das halt so weiter wächst. 402 403 Und was jetzt das Publizieren selbst betrifft, was gibt es da noch für Visionen? (Lachen) 404 Ja, das ist natürlich, das ist vielleicht bei mir wieder das Publizieren an sich. Gut, dass wir die Leute da draußen mit einbeziehen, passiert auch schon. Könnt 405 natürlich, roboter-generierte Artikel denken, die aus allen Meinungen der User zu einem Konzert entstehen, oder so. Könnte natürlich sich überlegen wie so 406 Sentimentanalysen oder der gleichen zu machen, mit so Stichwörtern, und daraus einzelne Publikationsformen sich ausdenken. Oder solche Geschichten, das 407 wär natürlich spannend. Also ja, wenn die Masse da ist... Oder was im Sportjournalismus schon passiert, gut, die haben ja so von Computer geschriebene 408 Spielanalysen oder alles halt schon komplett automatisiert über die Verläufe. Aber das ist ja, in der Kultur wäre das ja eher das Gegenteil von dem was man 409 sich wünscht. Weil da geht es ja um Inhalte und um Hinterfragungen und um Interpretationen und Diskurs. Und da, ja, würde ich das eher weniger sehen. 410 411 Gibt es noch Verbesserungsvorschläge für den Kulturjournalismus selbst? Wie er das Social Web besser nutzen könnte? 412 Besser zuhören, besser filtern und besser interagieren, natürlich, da geht immer noch mehr. Viel viel mehr, als es jetzt der Fall ist. Und wir arbeiten dran. 413

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1 INTERVIEW B 2

November 2012 3 4 Was bedeutet das Social Web für Ihre Arbeit im Allgemeinen? 5 Youtube, Twitter, Facebook sind prinzipiell ein zusätzliches Recherchetool - für Infos zu Bands, Wie man es einsetzt hängt von der Geschichte ab. Wenn ich 6 beispielsweise ein Interview mit einem Musiker vorbereiten muss, und ich Incht alle seine Alben kenne, höre ich sie mir auf Youtube nach. Insbesondre im 7 speziellen Musikbereich, indem die Kommunikation früher über Labels, PR und Fachmagazine gelaufen ist, hat sich jene auf die Webseiten und besonders 8 Start auf Facebook, Myspace oder Twitter verteilt. Wenn man wissen will, wann ein Album erscheint und wie das Cover aussieht, wird man als erstes im Sozial 9 Web fündig. Künstler wissen, dass sie mit dem Tool eine Masse direkt erreichen können und nicht mehr vermittelnde Kanäle nutzen müssen. Ich glaube, dass 10 das scohn stärkt zugenommen hat, insbesondre im Popbereich, der HipHop, Rock und Elektronik inkludiert. Auf der anderen Seite, zu Infos zu Bands und deren 11 Aktionen, finde ich das Sozial Web interessant, als Trendgenerator zu beobachten. Zu schauen, was tut sich? Trends zu beobachten. Ein Phänomen wäre 12 beispielsweise der südkoreanische Rapper Psy, der übrigens gerade eben an der Oxford Universität dem studentischen Debattierklub seinen Tanzeinlagen 13 vorgeführt hat. Was beweist, wie aus einem kleinen Medienphänomen ein globales Phänomen wird, das althergebrachte Institute anerkennen. Das finde ich 14 sehr bezeichnet für die Geschwindigkeit der Entwicklungen. Speziell für den Musikjournalismus ist eis ein Um und auf, dort auch vertreten zu sein, um Trends 15 beobachten zu können. Aktiv sein, bedeutet nicht unbedingt mitzuschreiben, zu posten und zu Ilken in den Foren, aber man muss drinnen sein und bis zu 16 engem gewissen Grad vernetzt sein, um an die Infos zu kommen. Nur auf Facebook zu sein, und darauf zu warten, dass automatisch Geschichten oder Tipps 17 von Bekannten in Deiner Chronik landen, die zu einer guten Geschichte führen, wird zuwenig sein, um das Sozial Web auszunutzen zu können. Was bringt ein 18 Twitterkanal, wenn man keinem folgt, oder von niemandem gefolgt wird. Man muss das SociaL Web in seiner Gesamtheit verstehen lernen und nutzen können, 19 um das Optimum rauszuholen. 20 Natürlich ist es auch ein Distributionskanal, wie der genutzt wird, hängt klar von den Auflagen und Regulativen des Unternehmens ab. Was darf man posten, 21 was nicht. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen und Ansätze. Für journalistische Produkte durch den Autor selbst ist das Sozial Web noch im 22 Hintertreffen. Es sind verstärkt die User, die die Inhalte verbreiten. Nach wie vor generieren traditionelle Medien wie der standard.at oder der Guardian einen 23 Großteil über Suchmaschinen wie Google, aber der Trafik über Facebook und Sozial Media nimmt stark zu (von 2 bis 7 %). Was neue Fragen aufwirft, was 24 bringt die eigene Website noch? Geht man weg von der traditionellen Website hin zu Applications wie Sozial Media auf den Laptop oder Handies oder Iphones 25 bringen und nicht mehr Teil des klassischen Webauftritts sind. 26 27 In welchen Bereichen des Kulturjournalismus spielt das Social Web eine wichtige Rolle? In welchen weniger? 28 Im Musikbereich, speziell im Pop spielt es eine extrem wichtige Rolle. Zum Beispiel hätte vergangenes Jahr die Band Inkubus in Wien ein Konzert geben sollen, 29 dass aber abgesagt wurde. Diese Information, dass der Sänger erkrankt ist, ist aber nur über Facebook an die Öffentlichkeit gedrungen. Wir haben das nicht 30 vom Veranstalter oder durch anderen Kanal von der Absage erfahren. Auf meine Anfrage wurde das dann vom Veranstalter bestätigt und wir haben es 31 veröffentlicht. 32 Das zeigt, dass das Sozial Web zunehmend im Popbereich verwendet wird um den Journalisten als Vermittler ebenso wie den Endkonsumenten direkt mit 33 Informationen zu versorgen. 34 Weiters nutzt der Eventbereich stark das Sozial Web. beispielsweise Ausstellungseröffnungen, Filmpremieren - sofern man diese als Events bezeichnen will um 35 Menschen zu mobilisieren. Einladungen via Facebook. Dieser Mobilisierungsfaktor ist weniger wichtig in der Bildenden Kunst. Z.B. Ölgemälde. Ich glaube, dass 36 Künstler weniger Interessen haben, ein minderwertiges Foto seines Gemäldes auf Facebook zu stellen. Ich glaube, in gewissen Bereichen hat es einen 37 wichtigen Stellenwert, in anderen steckt es noch in den Kinderschuhen und wird sich wahrscheinlich nie wirklich durchsetzen. Gerade was die Hochkultur 38 angeht. Dort geht es nicht darum, schnell die Massen zu erreichen. Da steckt ein anderer Antrieb dahinter, es vielleicht auch exklusiver zu halten. Ich sehe das 39 stark verortet im Populärkulturellen Bereich. 40 1. 41 Ist diese These haltbar, dass sich das Sozial Web im U-Bereich sich stärker durchsetzt? 42 Wenn man diese Trennung aufrecht erhalten will, dann hat es sich natürlich im Populärkulturellen Bereich viel stärker durchgesetzt. Was aber auch klar ist, da 43 der U-Bereich viel mehr Menschen anspricht. Das denke ich, ganz allgemein gesprochen. 44 1. 45 Kann der E-Bereich das Sozial Web nutzen, um aus elitären Nischen hervorzutreten? 46 Ich glaube, es ist wichtig, dass die Nutzung authentisch bleibt. Wenn ein Künstler oder eine Institution aus dem E-Bereich auf den Social-Media-Hype aufsringt, 47 nur weil es alle machen, dann könnte das ziemlich in die Hosen gehen. Wenn der Auftritt nicht professionell und authentisch gestaltet ist, wird die neue 48 Publikumsschicht nicht erreicht, und die alte es nicht goutieren. Ich denke, für einen Kühnster ist es, einerseits wichtig in seiner Nische zu existieren, aber noch 49 wichtiger die Massen zu erreichen. Die Trends, die von Journalisten aufgegriffen werden, sind Massentrends wie das Mangan Style. Und dabei geht es um 50 Millionen Klicks und nicht um einen Nischenbereich mit vierstelligen Nutzerzahlen. Wie viel Sinn macht es dann diesen Kanal zu nutzen, wenn man klein 51 bleiben will. Ich traue mich aber das wenig zu beurteilen, wo es nicht gut funktioniert. Es kann schnell gehen, wenn jemand es geschickt nutzt, können die 52 Userzahlen steigen, die Shares steigen und damit die Aufmerksamkeit steigen. Die Dynamik hat sich in den letzten Jahren verändert und enorm beschleunigt. 53 Aber man steck noch immer in den Kinderschuhen. 54 1. 55 Welche Darstellungsformen im Kulturjournalismus werden vom Social Web am meisten beeinflusst? 56 Es kommt drauf an, ob ich es für eiine spezifische Darstellungsform überhaupt brauche. Die Frage ist, wann verwende ich es für einen Artikel. Natürlich schaue 57 ich mir vor einem Konzertauftritt an, ob der Künstler was interessantes gepostet hat. Welchen Song spielt er? Welcher Gast kommt auf die Bühne? Welchen 58 Einfluss, das auf die Geschichte hat, traue ich mir nicht zu sagen. Bei Interviews kann es hilfreich sein um kurzfristige Trends vorabzusehen. Von der 59 Plattenfirma wird man mit Pressetexten versorgt, die schon einige Wochen alt sind. Im Zuge einer Veröffentlich passiert aber viel. Wenn der Künstler aktiv 60 Sozial Web nutzt, dann Will er auch Aufmerksamkeiten erregen und postet Neuigkeiten. Vielleicht hat er einen provokanten Beitrag gepostet, den man einbauen 61 kann. Ich nutze es aber unterschiedlich, wenn es um die einzelnen Sparten geht. Wenn ich Ausstellungen besuche, recherchiere ich beispielsweise äußerst 62 selten im Sozial Web. Im Film nutze ich maximal Trailer auf Youtube, um einen Vorabeindruck des Films zu erhalten. Oder wenn ich einen alten Film nicht 63 kenne, dann kann mir ein Ausschnitt auf Youtube einen Eindruck vermitteln, wie die Atmosphäre des Films ist. Klarerweise wird bei einer fundierten 64 Vorbereitung der Film im ganzen angesehen. Aber ich sehe den Einfluss des Sozial Webs auf den Film als gering. 65 66 Welche fünf Formate nutzen Sie am meisten bzw. sind am wichtigsten für Sie? 67 Facebook, Wikipedia für den ersten Überblick, Youtube, Blogs über Google, Wiki, Tweeds oder Facebook, und dann Twitter, was sicher die Nummer eins ist 68 unter Journalisten. Aber in Österreich finde ist es noch nicht ausgereift. 69 70 Wie nutzen Sie Facebook für die Recherche? 71 Ich schaue mir die Pages von Künstlern an, die mich interssieren. Im speziellen sind das Musiker aus dem Popbereich. Dort findet man mittlerweile gut 72 aktualisierte Informationen. Websiten werden nach wievor von anderen betreut, während Künstler ihre Facebook-Accounts selbst befüttern. Natürlich ist das im 73 Alternative-Bereich mehr der Fall als im Mainstreampop, wo das oft von eigenem Personal betrieben wird. Gerade, wenn Musiker auf Tour sind, updaten sie 74 ihren Account nahezu täglich, weil si mit ihren Usern in Kontakt bleiben wollen. Das hat für Journalisten schon den Charme, dass Du unmittelbar informiert wird, 75 und dich nicht auf sehr redundante und bis zu einem gewissen Grad beliebig formulierte Pressetexte, die das Album in den Himmel loben, aber wenig handfeste 76 Informationen bieten. Das sind Vorteile. Man kann Facebook auch als Trendbeobachter nutzen. Was ist trendy, was geht durch alle Schichten. Welche Videos 77 werden geteilt? Das passiert aber eher weniger in einer aktiven Recherche, sondern man stößt einfach per Zufall darauf und wird als Journalist hellhörig. Man 78 muss zur rechten Zeit auf Facebook sein. Wenn ein Video viral geht, und man ist gerade dort nicht online, kommt man am nächsten Tag in die Verlegenheit es 79 nachzuholen. News Gathering ist jedenfalls ein Aspekt. 80 81 Wie nutzen Sie Twitter für die Recherche? 82 Ich nutze Twitter eher seltener. Twitter ist sicher das Kontakt-Tool Nummer eins. Aber ich schätze es so ein, dass Twitter in Österreich noch eher hinten 83 ansteht. Ich habe es schon probiert, kann mich mich der Benutzeroberfläche nicht wirklich anfreunden. Jetzt verwende ich es ab und an, wenn ich eine 84 Geschichte entwickelt, wo der Sozial Media Bereich interessant wird. Welche Auswirkungen hat der Vorfall XY auf die Sozial Media -Communitiy. Ich nutze es 85 für Informationen, die aber seltener in Geschichten resultieren. Eher bei unvorhersehbaren Thmen, die dann zu ressortübergreifenden Themen heranwachsen. 86 Dann wird die Kulturredaktion befragt, gibt es von eurer Seite Hintergründe dazu? Da ich im Kulturbereich den Sozial Media -Bereich abdecke, ist das dann 87 mein Fall. Zum Beispiel habe ich zum Tod von Peter Alexander einen Hintergrundbericht geschrieben. Wie hat die Nachricht im Web eingeschlagen? Sind die 88 Verkaufszahlen auf Amazon gestiegen. Was sehr einfach zu beobachten ist, da Amazon den täglichen Verkaufsrang anzeigt. Genauso geben Twittertrends 89 Auskünfte über Stimmungen unter den Leuten, wofür man früher Straßenumfragen gemacht hat. Man kann viel schneller und kostengünstiger ein 90 Stimmungsbild anhand der Meinungen auf Twitter machen. Auf Facebook lassen sich die Auswirkungen von Trends genauso beobachten. Aber ich verwende 91 Twitter zu wenig, um wirklich einen nachvollziehbaren Einfluss auf meine journalistische Arbeit herzustellen. 92 93 Wenn Sie Umfragen machen wollen Postest Du Meinungsumfragen aktiv? Fragen aktiv? 94 Nein, diese Umfragen entnehme ich der Nutzung von Twitter, die in den Twitter-TopTen dokumentiert finden. Diese sind der Beweis, dass ein Thema global 95 erfolgreich ist. Außerdem gibt es die Suche nach Hashtags. Auf welche Begriffe einigt sich die Community? Was schreiben sie darüber? Was man dann 96 herausfiltert, ist stark verkürzt. Beispielsweise beim Todesfall von Steve Jobbs kommt jede Sekunde eine neue Äußerung, was dann in einen Kontext gesetzt 97 werden kann. Z.B. es ist eines der Top-Ten-Themen auf Twitter, man nimmt einige Zitate und versucht in diese Unübersichtlichkeit ein bisschen Orientierung zu 98

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bringen. Man erhält als Journalist einen gewissen Eindruck davon, was passiert und wie ein Thema in einschlägt. Ich finde auch, das Wort Online-Community 99 unpassend und fast schon verniedlichend, denn dort schreibt die Gesellschaft. Klar, ist nur ein Bruchteil dieser auf Twitter. Aber laut einer Studie von McKinsey 100 und Global am Ende 2012 knapp 1,9 Milliarden Menschen auf irgendeine Art und Weise im Sozial Web vertreten. 101 102 Wie nutzen Sie Blogs für die Recherche? 103 Wenn ich mich über Suchmaschinen über ein Thema informiere, komme ich auf Blogs. Oder über Postings aus meinem Netzwerk. Eigentlich besuche ich Blogs 104 mehr nach dem Zufallsprinzip als bewusst. 105 Lässt sich der Autor verifizieren und wie ist er einzustufen. Deshalb nutze ich Blogs meistens nur von Experten. Wie sie auch über unzählige traditionelle 106 Medien angeboten. Diese können dann über Bookmarks zum täglichen Asset des Medienmonitoring hinzugefügt werden. Bei mir entscheidet aber meistens der 107 Zufall. 108 109 Welche Blogs nutzt Du regelmäßig? 110 Ich habe keine fixe Blogroll. Es gibt eigentlich nur einen, den ich privat wie beruflich nutze. den Needledrop. Dieser Videoblog wird betrieben von einem jungen 111 amerikanischen Musikkritiker, der auch Radiomoderator ist und in 5-10 Minutenvideos Alben reviewt. Der Blog ist interessant, für neue Trends. Er entdeckt 112 Künstler, die bei uns erst später Erfolg haben. Man schaut auch auf andere Journalisten, die im Onlinebereich aktiv sind. Man holt sich dann Ideen und hört in 113 die Musik rein. 114 115 Wie nutzt Du Youtube für die Recherche? 116 Einerseits nutze ich es stark für Musikvideos. Wenn die Plattenfirma keine Informationen bereitstellt, such ich auf Youtube nach Snippets, die meistens auf 117 Facebook eingebettet sind. Außerdem ist es spannend ältere Videointerviews anzusehen, die der Künstler früher mal gegeben hat. Von denen gibt es immer 118 mehr. Während man als Printjournalist früher sein Archiv nach älteren Interviews durchforstet hat, schaut man jetzt auf Youtube. Ich persönlich nutze es auch 119 im klassischen Bereich. Da ich in der Klassik noch eher unerfahren bin, finde ich in Youtube nahezu jedes Stück, sei es Janicek, Beethoven, Stostajovek. Wenn 120 ich auf Konzerte gehe, schaue ich mir zu Vorbereitung diese Videos an. Natürlich gilt das auch im Popbereich, wenn ich auf Konzerte gehe oder Interviews 121 führe, schaue ich mir Videos zu Songs des Künstlers an. 122 123 Verändert sich die Beziehung zu Künstlern, wenn sie Ihnen auf Facebook oder Twitter folgen? 124 Ich glaube nicht, dass Sozial Media die Beziehung zum Künstler verändern. Man hat die Möglichkeit mehr Information vom Künstler zu bekommen. Es entsteht 125 ein neuer Kanal, den man als Journalist zusätzlich für Informationen über Künstler nutzen kann. Aber ich kommentiere nicht die Posts und versuche mich dem 126 Künstler freundschaftlich anzunähern. Auch der Gedanke, das Sozial Media als BigBrother unserer Zeit, den Künstler zum Gläsernen Menschen mach, finde ich 127 einen Blödsinn. Natürlich hängt es davon ab, was der Künstler postet und was nicht. In erster Linie ist das Sozial WEb ein schnellerer Weg, um an die Infos zu 128 kommen, die er selber schneller verbreiten kann. Dabei spielen nicht nur Postings eine Rolle, sondern auch, dass Künstler selbst ganze Alben in guter Qualität 129 auf Youtube stellen und diese über Facebook bewerben. Vor einer Zeit wäre das undenkbar gewesen. Mittlerweile setzen sehr viele Musiker, speziell im 130 Independentbereich auf ein Kernklientel. Sie wissen, dass ihre Konzerte ausgebucht. Zum einen machen sie Fans dadurch das Angebot, sie einfacher 131 kennenzulernen, zum für Journalisten, denn Künstler gehen mit ihren eigenen Informationen anders um. Journalisten können dadurch Künstler anhand ihrer 132 eigenen Texte bewerten und nicht anhand der PR-Texte, mit denen Künstler wenig zu tun haben und auch nicht immer ganz zufrieden damit sind. Wenn 133 Künstler dann mit einer Darstellung in Berichten unzufrieden sind, dann liegt es in ihrer eigenen Darstellung im Sozial Web. 134 135 Treten Sie mit Ihnen in Kontakt? 136 Für die Interviewanfragen richtet man sich schon noch über Telefon oder Email ans Management oder an die Veranstalter und schreibt keine persönlichen 137 Nachrichten an den Künstler. Die Kontaktdaten finden sich aber auch schon alle auf den Facebook-Seiten der Künstler. Das Internet hat aber allgemein den 138 Zugang zu Kontakten erleichtert. Interessant ist, dass in kürzester Zeit Myspace seine Führerschaft als Soziales Netzwerk verloren hat und an Facebook 139 abgetreten hat. 140 141 Welche Rolle spielen Empfehlungen von Freunden auf Facebook / Followern auf Twitter / Blogposts für Termine? 142 Eine noch nicht nachvollziehbare Rolle. Es finden sich immer wieder interessante Links, aber grundsätzlich regiert schon noch das normale Informationsmodell 143 der Agentur: Unzählige Mails füllen den Posteingang und damit den Terminkalender. Das sind rund 400 Mails pro Tag im Haupteingang der Kultur mit 144 Einladungen und Hinweisen. Dazukommen die persönlichen Kontakte eines jeden Redakteurs. Das Sozial Web spielt hier eine kleine bis unbedeutende Rolle. 145 Aber vielleicht ist mein persönliches Netzwerk noch nicht gorß genug. Wenn man das steigert, könnte man wahrscheinlich schon mehr davon profitieren. Auf 146 Facebook schaue ich öfter nach den Tourdaten. 147 148 Welche Rolle spielen Empfehlungen von Freunden auf Facebook / Followern auf Twitter / Blogposts für Künstler? 149 Informationen aus dem Facebook-Freundeskreis nutze ich nahezu nicht. X-beliebige Empfehlungen interessieren mich wenig. Dieser Informationsaustausch 150 findet eher im Zwiegespräch mit Kollegen in der Redaktion statt. Wenn schon, dann verlasse ich mich eher auf andere journalistische Kanäle, seien es 151 Fachmagazine oder Fachblogs. wie pitchfork, needledrop, wired.com, die auch auf Facebook besuche. Dabei geht's mir um Verlässlichkeit, um Reputation, um 152 eine Marke. 153 154 Wie nutzen Sie Wikipedia? 155 Natürlich verwende ich Wikipedia, das nutzergeneriert ist. Aber Wikipedia ist eher spannend, um einen Überblick zu bekommen. Man findet zu jedem Künstler 156 aus jedem Genre wenigstens ein bisschen Information. Hier gehts aber eher um Hintergrundinformation und weniger um neue Themen zu finden. Man schaut 157 nicht auf Wikipedia um zu erfahren, was ist trendy, was ist sexy. Sondern man schaut darauf, wenn man schon weiß, wohin man will. Vielleicht bin ich zu 158 ignorant oder habe mich zu wenig umgeschaut. Aber die meisten Webseiten oder Blogs gefallen mir weniger. Wenn man es als Blog bezeichnen will, finde ich 159 die FM4 Seite nicht schlecht. Was ich auch lese sind, die kulturrelevanten Auftritte österreichischer Medien, die aber meistens die Outlets von traditionellen 160 Medien sind: Standard, Presse, die diversen ORF-Seiten. Natürlich folge ich auch Armin Wolf auf Twitter und Facebook. Oder Kobuk. Aber im Kulturbereich 161 wüsste ich wenig spannendes. 162 163 Kennen Sie noch mehr? 164 Dadurch, dass ich für die Metalseite Stormbringer geschrieben habe, fallen mir da nur semi-professionelle Seiten ein, die aber mit sehr viel Herzblut betrieben 165 sind und sehr spezifisch sind. Diese schaue ich mir nur gelegentlich privat an, weil ich interessiert bin. 166 167 Welche Blogs sind relevant für den Kulturjournalismus in Österreich? 168 Barbara Rett hat soeben einen Blog gegründet . Nur bin ich mir nicht sicher, wie groß der eigene Antrieb dafür ist und inwiefern PR dahinter steckt. 169 Die österreichischen Blogs mit Thema Kultur verfolge ich fast überhaupt nicht - muss ich gestehen. 170 171 Was ist der Grund dafür? 172 Vielleicht weil ich keine kenne die mir zusagen. Ich kann jetzt aus dem stehgreif keinen österreichischen Webblog nennen der sich mit Kultur befasst, den ich 173 regelmäßig nutze. Es gibt wahrscheinlich unzählige die vielleicht sogar extrem gut sind. Ich kann jetzt schwer deinen nennen des kommt jetzt blöd. 174 175 Des ist kein Blog in dem Sinn, das ist eher ein reines Archiv. 176 Das Problem mit Blogs ist, dass sie immer mehr vermischen. Ich finde es gibt viele interessante Seiten die eine Mischung sind aus dem was früher Blog war 177 aus dem was eigentlich eine Website ist und aus Social Media Applikationen wie Facebook und Twitter. Das kommt immer mehr zusammen, deswegen ist es 178 auch schwierig. Natürlich gibt es die klaren Definitionen von Webblogs. Nein, lassen wir das. Ich hab keinen Webblog im Kopf, weil ich keinen kenne, weil ich 179 keinen gesucht habe, keinen gefunden habe, mir keinen empfehlen hab lassen. Ich hab keinen kulturrelevanten Webblog im Kopf den ich regelmäßig nutze. 180 Was nicht heißt das es keinen gibt. 181 Lesen Sie jetzt mehr Blogs als letztes Jahr? 182 Nein weniger, hat sich glaube ich kaum verändert. 183 184 Bekommen Sie neue Perspektiven eröffnet wenn Sie Blogs lesen? 185 Das schon – ein Blog kann genau das erreichen was ein gut geschriebener Artikel in einem traditionellen Medium erreichen kann oder was ein guter 186 journalistischer oder guter meinungsbezogener Beitrag erreichen kann. Das er den Blick eröffnet für Perspektiven oder einen Blickwinkel auf ein komplett neues 187 Thema oder auf ein Thema aus dem Blickwinkel aus dem du es vorher noch nicht betrachtet hast. Das ist ja das interessante. Nachdem sucht man ja auch. Das 188

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ist ja das was man selbst bereitstellen möchte. Aber genau so können Blogs total redundant und überflüssig sein. 189 190 Welche Rolle spielt das Social Web wenn Sie ein Album oder Konzert rezensieren? 191 Hauptsächlich zur Information, zur Recherche, um zu schauen ob irgendetwas spezielles bei einem Auftritt ankündigt wird. Was man im weitesten Sinne als 192 Social Media als partizipatives Medium bezeichnen kann ist setlist.fm. Das nutze ich sehr stark, weil Leute die bei Konzerten waren ihre Setlists direkt nachher 193 online stellen und man daher ablesen kann was der Künstler auf der Tour spielt. Man versucht zu erfahren was es im Social Media, Wikipedia an aktuellen Infos 194 gibt, die man noch nicht hat. Man versucht natürlich so viele aktuelle Informationen wie möglich in eine Rezension hineinzubringen. Weil das relevant ist für die 195 subjektive Interpretation, was eine Rezension natürlich immer ist von der neuen Musik oder vielleicht gibt es ein erklärendes Beispiel warum gerade Song Y auf 196 Album X ist was sich nicht nur aus dem hören erschließt, sondern vielleicht über einen Kommentar des Künstlers auf seiner Facebook-Seite. Einfach um 197 Informationen zu bekommen. 198 199 Bei der Quellensicherheit: Gibt es einen methodischen Zugang wie Sie die Zuverlässigkeit von Quellen im Social Media überprüfen? 200 Bei den Facebook-Seiten sieht man im Prinzip schon, wenn das offizielle Kanäle sind, weil sie beispielsweise auf Cds hinten im Booklet vermerkt sind, was 201 natürlich eine zuverlässige Quellen ist, weil pressen lassen kann kein X-beliebiger in einem solchen Ausmaß, wie Künstler das machen bzw. sei es weil auf der 202 offiziellen Labelseite wie universal.com der Link veröffentlicht ist oder wenn über andere offizielle Kanäle der Facebook Auftritt der des Künstlers veröffentlicht 203 ist. Natürlich stellt sich dann schon bei jedem Posting die Frage, ob der Account gehakt worden ist und wenn ein extrem provokatives Statement gepostet 204 wurde, ob das überhaupt von dem der Künstler stammt. Nur weil der Kanal der offizielle Kanal ist, heißt das ja nicht dass die Person die am anderen Ende 205 dieses Kanals sitzt auch wirklich der Künstler ist. Das lässt sich aber im Kontext schon meistens herausfinden. Viele Künstler schreiben ja auch ihre Namen 206 darunter. Zum Beispiel extrem provokative Statements, wo man sagen würde ‚wow das ist spannendʼ, das muss man zitieren oder einbauen, aber es wirklich so 207 out of the league ist, dass man sich frägt ‚kann das überhaupt der Künstler seinʼ. Mit so etwas muss man natürlich aufpassen. Twitter hat die verifizierten 208 Accounts bei bekannten Personen, da lässt es sich festmachen. Bei Youtube stellt sich die Frage nicht, weil man einfach die Videos anschaut und dann die 209 Musik hört, da kann man schon feststellen, ob das das Video ist. Da geht es nicht darum welcher Nutzer das ist bzw. wer des hochgeladen hat. 210 211 Und bei Blogs? 212 Bei Blogs schaue ich, dass ich Querverbindungen zu verwandten Blogs finde, ob ich auch Situationen finde, die auf diesen Blog verweisen und die in einem 213 offiziellen Kontext verwendet wurden. Natürlich schaut man sich den Blog selbst an, welche Information wird dort bereitgestellt über den Autor und versucht das 214 nachzuvollziehen. Genauso wie man es nachvollziehen würde, wenn man etwas liest, ob die Person diejenige ist für die sie sich ausgibt, so dass man 215 verschiedene Quellen zu Rate zieht, die Bezug zu dem Autor haben um herauszufinden ob die Sache in sich stimmig ist. 216 217 Gibt die Redaktion Anweisungen wie Inhalte vom Social Web zu behandeln sind? 218 Es gibt bei uns Social Media Guidelines, die einerseits ganz stark auf Facebook fokussieren, weil es die größte Social Media Plattform ist, weil es dort klar 219 erkennbar ist und man in Interaktion mit anderen Journalisten steht. Andererseits ist Social Media, wie jede andere Quelle seriös zu behandeln. Man muss 220 einfach vergleichen, gegen-checken und mindestens eine zweite Quelle anführen. Speziell bei User-generierten Inhalten muss man aber besondere Vorsicht 221 walten lassen. 222 Vielleicht ist es redaktionsübergreifend noch nicht das allseits bestimmende Tool geworden, aber es ist etwas was in Geschichten im wieder miteinspielt. Ich 223 glaube, dass man einfach vorsichtig sein muss und seine journalistische Sorgfalt zu erfüllen hat und sich vielleicht noch mehr wie bei anderen Sachen 224 absichern muss. 225 226 Wird durch die leichte Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Inhalten die Selbstreferenzialität von Journalisten so gefärbt, dass sie eher das 227 schreiben was andere gerade schreiben? 228 Würde ich nicht sagen. Das hat man früher auch gehabt. Früher hat man seine Tageszeitungen, Radioprogramme und Fernsehprogramme gehabt die im 229 engeren Kontext relevant gewesen sind für einen gewissen Markt. Jetzt werden viele Sachen von traditionelle Medien, die Online-Auftritte haben einfach 230 übersetzt. Man hat die traditionellen Medieninhalte einer Tageszeitung auch Online, wenn man sich auf so etwas bezieht ändert sich die Selbstreferenzialität 231 nicht maßgeblich, als wenn man sich auf einen Artikel, der in den Printmedien erschienen ist, bezieht. Man macht so etwas ja nur, wenn man merkt die Sache 232 ist relevant und die anderen waren einfach schneller und haben sie exklusiv gehabt. Aber wenn sie wichtig genug ist, muss man auch nachziehen. Ansonsten 233 bietet das Social Web Möglichkeiten um andere Stimmen zu hören und ich glaube nicht, dass es zu einer verstärkten Selbstreferenzialität führt, sondern dass 234 sich jeder zu einem gewissen Grad seine eigenen Netzwerke aufbaut. Ein Journalist als Network node, ist eine zentrale Schaltstelle in einem gewissen 235 Netzwerk. Das versucht man zu werden um möglichst viel Input von verschiedenen Seiten zu haben. Es gibt so viele verschiedenen Möglichkeiten dieses 236 Netzwerk aufzubauen, so dass sich diese Netzwerke auch wenn man ein sehr ähnliches Thema abgrast sich sicher unterscheiden. Relevante Inhalte werden 237 sich immer durchsetzen, weil sie sehr populär sein werden. Wenn ein Artikel gut geschrieben ist und die richtigen Fragen stellt und vielleicht noch die richtigen 238 Antworten liefert, dann wird sich der online genauso durchsetzen wie früher im Print Bereich. Der Anspruch hat sich ja nicht geändert an kritischen qualitativ-239 hochwertigen Journalismus. Die Geschwindigkeit ist eine andere und die Globalität, da muss man aber sehr vorsichtig sein, es muss nicht jeder Artikel von 240 globalen Anspruch sein. Kulturjournalismus ist nach wie vor ein guter Journalismus egal ob er jetzt online oder offline passiert. 241 242 Was sind die großen Vorteile des Social Webs für den Kulturjournalismus? 243 Früher hat man Lesezeichen gesetzt zu seinen favorisierten Webauftritten von Medien beispielsweise hat man sich Blogrolls und RSS zusammengestellt jetzt 244 hat man halt die abonnierten Kanäle mit Themen die einen interessieren vielleicht mit Journalisten, die man interessiert findet. Im internationalen Bereich, wenn 245 man zum Beispiel von gewissen Kulturjournalismus von dem die New York Times begeistert ist muss man nicht “umständlich” auf die Times-Homepage gehen, 246 sondern man schaut, dass man seinen Kanal im Social Web auf einer regelmäßigen Basis abonniert. 247 Was den direkten Input von Künstlern betrifft hat man nun ein Tool mehr im digitalen Web zur Verfügung. Es ist mit konkreten Begriffen, konkreten Themen und 248 Künstlern verhältnismäßig leicht zu durchsuchen. Das ist eine ganz andere Qualität des Arbeitens, als wenn man sich per Hand durch Zeitungsarchive 249 durchmanövrieren muss. Jetzt gibst du einen Begriff ein und du findest einen Artikel dazu, wovon dich vielleicht 20 interessieren und 10 relevant sind. Es geht 250 einfach schneller. Die Beschleunigung des Journalismus ist durch die Digitalisierung extrem vorangetrieben worden und durch das Social Web noch einmal 251 mehr, auch weil man durch User auf gewisse Sachen hingestoßen werden kann. Das Beispiel ist im Kulturbereich zwar nicht so relevant aber wenn jemand 252 tweetet: ‚war das jetzt ein Erbeben?ʼ und das hat noch kein Medium vorher mitbekommen und man überprüft das durch seine tradierten Kanäle ob es wirklich 253 ein Erdbeben war. Die Recherche wird leichter. 254 255 Welche Probleme ergeben sich dadurch? 256 Die Unübersichtlichkeit, weil so viel herumschwirrt. Die Verifizierung hat extrem an Bedeutung gewonnen, aber gleichzeitig auch gewisse Schwierigkeiten mit 257 sich gebracht. Wenn man sich auf Press Releases von offiziellen Kanälen verlässt, muss man nicht großartig verifizieren, aber wenn man sich verstärkt auf das 258 Social Web verlässt muss man verifizieren. Eine Gefahr ist vielleicht noch die Trendabhängigkeit und Hype-Lastigkeit, wenn man sich zu sehr auf das verlässt 259 und zu wenig journalistisches Gespür aufbringt. Man muss einfach schauen, ob etwas handfestes dahinter steckt mit dem gearbeitet wird. Obwohl es schneller 260 ist und obwohl die Geschwindigkeit des Journalismus zugenommen hat, bedarf es schon eines Zeitaufwandes! 261 Es ist nicht so, dass man Social Web als Recherchetool einfach ein u ausschalten kann wie es einem beliebt; bis zu einem gewissen Grad vielleicht. Aber 262 grundsätzlich muss man sein Netzwerk pflegen um einen Output zu generieren, weil ohne Netzwerk bringt das Social Web nichts oder wenig und das Netzwerk 263 muss man erst mal aufbauen. 264 265 Geht das schon ins Private hinein? 266 Das überschneidet sich. Jeder Journalist der ein Spezialthema hat, interessiert sich auch privat dafür. Bei mir ist es natürlich so, dass ich auch Musikfan bin und 267 dadurch interessieren mich die Sachen. Einen großen Teil würde ich auch im Social Web verfolgen wenn ich kein Journalist wäre. Das Verfolgen und Lesen 268

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macht man ja als Privatperson, was natürlich auch Auswirkung auf die berufliche Tätigkeit hat. Abzugrenzen was beruflich und privat ist, ist schwierig. 269 Dramatisch wird es dann, wenn man im Netzwerk aktiv wird. Was schreibt man als Privatperson, was als Journalist, man vertritt dann ein Medium, man ist dann 270 quasi ein Teil seines Mediums und sollte sich auch dementsprechend verhalten und präsentieren. 271 272 Gibt es noch weitere Social Web Plattformen die Sie für die Recherche nutzen? 273 Nein. Ich war kürzlich mal auf Google+, aber weiß nicht ob sich das mal einbauen lassen wird. Derzeit eigentlich außer den genannten nichts. 274 275 276 Wie verwenden Sie die vier Medien (Facebook, Twitter, Youtube, … ) um mit ihren Publikum als Kulturjournalist in Kontakt zu treten ? 277 Das ist insofern schwierig, weil ich als Agenturjournalist meine Inhalte nicht publiziere. Wenn eine Agenturmeldung bei uns ins Netz geht, also im AOM abrufbar 278 ist, dann ist die nur für unsere zahlenden Kunden sichtbar. Insofern kann ich nicht wie ein tagesaktuelles Medium z.B. Tageszeitung am Abend mit einer 279 Geschichte in das Web geben bei einer Geschichte die am nächsten Tag in der Zeitung ist. Ich kann nicht in dem Zuge in dem die Meldung ins Netz geht 280 irgendwo die Geschichte posten; damit würde unser Geschäftsmodell untergraben. Was ich als Journalist derzeit mache ist speziell bei Kritiken, wenn die 281 irgendwo übernommen werden, dass ich die online verlinke - zum Beispiel auf Facebook einen Link setzen auf die Übernahme auf relevant.at oder so. 282 Facebook ist das einzige Social Media Tool, wo ich als Journalist in Erscheinung trete. Früher habe ich manchmal meine Kritiken getweetet, wenn sie online 283 gegangen sind, als ich bei Stormbringer bei dem Musikmagazin gearbeitet habe. Ich habe jetzt länger eine Twitter abstinente Phase gehabt, aber ich möchte 284 das jetzt wieder aktiver anschauen. Tweets setzen mit Hashtag, Bandname beispielsweise und Kurzbeschreibung und dann ein tiny hole?2:32 - mit der 285 Verlinkung auf das Medium, das meine Geschichte übernommen hat. Das ist insofern problematisch, weil es ja nicht heißt, dass die Geschichte 1 zu 1 286 übernommen worden ist. Weil ja jedes Medium das Recht hat als unser Kunde von unsere Geschichten zu kürzen oder sie leicht umzuändern. Wir sind 287 Serviceleister. Wir bieten Informationen, die unsere Kunden weiterverwenden und entweder 1 zu 1 verwenden oder zu eigenen Information heranziehen oder in 288 eine größere Geschichte einbauen, wo dann vielleicht eine kleines Kürzel erkennen lässt das wir einen Teil daran hatten. 289 290 Lesen Sie die Kommentare auf fremden Webseiten? 291 Ja mache ich eigentlich. Ich finde, dass die Kommentarkultur auf Webseiten in Österreich, wenn überhaupt nur beim Standard vorhanden ist. Also abgesehen 292 von Standard.at und Presse bis zu einem gewissen Grad hast du nirgends eine aktive Community die Kommentare setzt. Wenn also eine Geschichte vom 293 Standard übernommen wird, lese ich mir die Kommentare durch. 294 295 Alle? 296 Es sind meistens nicht so viele. Ich hab noch keine Geschichte gehabt wo es über 20 oder 30 Kommentare gab. 297 298 Und wie profitieren Sie vom Feedback? 299 Naja, ich profitiere schon grundsätzlich, weil es Feedback ist und egal ob positiv oder negativ, es ist zumindest mal Feedback. Aber es beeinflusst meine Art zu 300 Arbeiten kaum. Die Communities allgemein können sehr polemisch werden und dann geht es in die Richtung, dass es sowieso nur eine übernommen 301 Geschichte von der APA ist. 302 303 Wird ab und zu an ihren Eindrücken Kritik ausgeübt? 304 Ja, speziell wenn Geschichten, die z.B. von Standard übernommen wurden. Da wird dann schon kritisiert, warum man das so macht oder warum diese 305 Perspektive im Artikel eingenommen worden ist. Was insofern gut ist, weil man nochmal darüber nachdenkt, ob man das rechtfertigen kann bzw. übt man Kritik 306 an sich selbst, die durch Kommentare auf Webseiten noch mal wiederholt wird. Wenn wir Artikel schreiben, versuchen wir auch ausgewogene Artikel zu 307 schreiben; also schon verschiedene Aspekte eines Themas beleuchten, natürlich auch weil wir aus ganz verschiedenen Medien berichten und das soll ja für alle 308 verwendbar sein und nicht nur eine ganz konkrete Sicht einnehmen, speziell bei problematischen Themen. Wenn man das sieht, dass sich der Leser die Frage 309 stellt: warum man das so schreibt - geht man das selbst noch mal durch. Im Prinzip habe ich bis jetzt in jedem Fall für mich selbst rechtfertigen können, warum 310 ich das so gemacht habe, was auch für meine Kollegen wichtig ist weil jede Geschichte von uns zumindest einmal gegengelesen wird und dann erst 311 rausgegeben. Wenn da irgendwo eine Kritik entsteht, spricht man darüber und ändert die Geschichte gegebenenfalls noch ab. Ich gehe mit der Kritik so um, 312 dass ich sie mir einfach noch mal durch den Kopf gehen lasse. Ich trete aber nicht aktiv in den Foren als Autor auf, weil das nicht unser Forum ist. 313 314 Wie ist das dann auf der eigenen Seite (Facebook, Twitter)? 315 Auf Facebook verlinke ich maximal Konzertkritiken, weil ich das gerne mag; das wird dann im Freundeskreis gelesen. Da gibt es kaum wirkliche Kritik, dafür ist 316 mein Netzwerk wahrschleich "to small", das passiert dann auf persönlicher Ebene. 317 318 Fördern Sie generell die Auseinandersetzung mit der Kunst? 319 Schwierig zu beantworten. Ich finde die Kommentarfunktion wichtig, weil das ist ja der Sinn, dass man im Web mit einfachen Mitteln einen Feedback-Kanal 320 einrichten kann. Ob es fördernd für Kunst und Kultur allgemein und richtungsweisend ist, weiß ich nicht, traue ich mir schwer sagen. Es kommt auf die 321 Community drauf an, ob es fundierte Kritik gibt. Es kann sein, dass man eine Super Community bei einer Webseite hat, die sehr interessiert ist und als 322 Community sehr ausgewogen ist; also sehr unterschiedliche Standpunkte präsentieren kann, weil die User so verschieden sind. Genauso kann es sein, dass 323 bei einer Geschichte nur blöde, polemische Kommentare drunter sind und genauso kann sein dass super kreative und konstruktiv kritikübende Kommentare 324 drunter sind. Aus meiner Perspektive entsteht die Diskussion immer zwischen Usern und nicht zwischen User und Autoren. 325 326 Sollte das gefördert werden? 327 Das man als Autor mehr in die Diskussion einsteigt? 328 329 Ja. 330 Wär sicher nicht schlecht, das müsste man nach Trial and Error Prinzip machen. Als Autor einsteigen und sagen: Bringt das etwas im Sinne von Leserfindung?, 331 bringt das was um dem Wunsch des Publikums nach einer direkten Interaktion entgegenzutreten und das zu erfüllen? Da traue ich mir keine generalisierende 332 Antwort zu. Ich glaube, dass ist von den verschiedenen Medien, die online aktiv sind sehr unterschiedlich. 333 Welche Vorteile bringt diese Publikumseinbeziehung? 334 Ähnlich wie beim Social Web bekommt man nochmal Perspektiven eröffnet auf die man selbst noch nicht gekommen ist. Im Gespräch kommt man auf ganz 335 andere Sachen, als wenn man sich alleine den Kopf zermürbt über ein gewisses Thema, als wenn jemand zu diesem Thema eine besondere Meinung hat und 336 die auch fundiert rüber bringt; eine Meinung auf die man selbst noch nicht gekommen ist und die man vielleicht bei künftigen Artikeln und Recherchen 337 berücksichtigen kann. Das ist einfach noch impulsiver im Idealfall, aber der Idealfall ist glaube ich kein Regelfall. 338 339 Gibt es noch weitere Vorteile? 340 Wenn man ein Leben in der Community hat, merkt man ob eine Geschichte ankommt oder nicht, erzeugt das Thema Relevanz oder Aufmerksamkeit, wird da 341 heiß herumdiskutiert. Gibt es das Bedürfnis nach dieser Geschichte oder steht die einfach nur online? Das könnte man auch an den Klick-Raten sehen, aber es 342 heißt schon einiges, wenn ein User diesen nächsten Schritt setzt: sich schnell anmeldet und einen Kommentar verfasst. Das heißt ja „Involvement“ von User-343

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seite. Ich denke schon, dass man hier etwas ablesen kann. Wobei man wahrnehmen muss wie spezifisch meine Community ist, die sich dazu äußert. Kann ich 344 Rückschlüsse auf meine gesamte Leserschaft ziehen oder überhaupt auf die gesamte Gesellschaft in einem gewissen Medienmarkt? 345 Gibt es weitere Probleme oder Nachteile die durch Interaktionen entstehen für Journalisten? 346 Ich kann mir vorstellen, dass die Gefahr besteht, dass man sich in eine Kleinfede durch Autor und User hineinziehen lassen kann. Aber vielleicht ist das ein 347 Grund warum sich gewisse Autoren nicht äußern oder dass man vielleicht zu viel Zeit damit verschwendet User-Kommentare durchzusehen ohne dass man 348 etwas davon hat, weil wenn dann nur Diskussionen zwischen den Usern stattfindet und man erhofft sich aber etwas daraus. Ich glaube man muss schauen, 349 was man damit erreichen will, wenn man sich einschaltet. 350 Haben Sie noch spezielle Formen mit denen Sie mit ihren Lesern in Kontakt treten? 351 Eigentlich nicht. Mit meinen Lesern trete ich in Kontakt, wenn ich mich bei einem Pressetermin mit meinen Kollegen treffe, weil im Endeffekt sind meine 352 Kollegen meine Leser. Das ist das was ich vorher mit Netzwerkaufbau angesprochen habe. Natürlich hat man auf Facebook Kontakte zu seinen Kollegen, zu 353 andern Journalisten. In meinem Fall als Agenturjournalist sind das ja meine Leser. 354 Wie wichtig ist die Vernetzung zu anderen Kollegen? 355 Mittelmäßig. Ich finde die Vernetzung mit anderen Kollegen passiert bei Terminen als auch ein bisschen Online. Ich glaube da gibt es sehr unterschiedliche 356 Grade, wie Kollegen online aktiv sind im Social Web Bereich. 357 Lasst man sich da beeinflussen von gewissen Themen die gepostet werden? 358 Nicht mehr und nicht weniger als man sich beeinflussen lassen würde von anderen Medien, die man rezipiert, weil man ja als Journalist sehr aktiv mit Medien 359 umgeht. Ich glaube nicht, dass sich die Qualität der Beziehung, egal ob man mit jemanden befreundet ist auf persönlicher Ebene oder ob der nur ein Kollege ist, 360 und man in beiden Fällen mit dem auf Social Media Kontakt hat, dass sich die Qualität der Beeinflussung oder der Beziehung eben durch diese Person alleine 361 durch die Tatsache dass die Kommunikation Online oder im Social Media Bereich stattfindet verändert. Also nur weil jemand auf Facebook etwas postet, hat 362 das genauso viel oder genauso wenig Einfluss auf mich, wie wenn er mir das persönlich bei einem Gespräch sagt oder wie wenn ich das in seiner Kolumne in 363 der Zeitung lese. Das kommt ganz drauf an: wenn das spannendes ist - super - schaue ich es mir gerne an, beeinflusst es mich vielleicht auch. Wenn ich es als 364 nicht spannend einschätze dann eben nicht. 365 366 Welche Medien verwenden Sie wenn Sie publizieren und das durch Social Media Plattformen unterstützen wollen? 367 Früher habe ich auf Twitter publiziert, aber zur Zeit nur auf Facebook. Wenn ich auf Facebook "publiziere" mache ich das nur indem Sinne, dass ich auf 368 Übernahmen meiner Artikeln, die durch den AOM verbreitet wurden, auf andere Medienseiten verlinke. Das mache ich sehr unregelmäßig, schätzungsweise 369 max. 5 mal im Monat. 370 371 Beeinflusst das Format des Social Web selbst die Gestaltung der Geschichten? 372 Ob Geschichten nach Social Web Formate unterschiedlich gemacht werden von Journalisten? 373 Ja. 374 Ich bin mir nicht sicher, ob es das tut aber es sollte. Marshall McLure und The Medium is the Message. Ich glaube, dass es einen Unterschied macht, ob du 375 einen Blog betreibst und dort einen Artikel veröffentlichst oder ob du auf Facebook was veröffentlichst. Ich glaube, dass das User-Verhalten ein ganz anderes 376 ist. Blog ist die Online-Langform aus meiner Perspektiv e, wobei wenig daran interessiert sind einen 4000 Wörter Artikel auf einer Facebook Seite zu lesen. 377 Aber genauso kann man auch einen rein, nur Facebook geposteten Beitrag auf Facebook sehen wenn das gut gemacht ist und von einem Journalisten 378 publiziert wurde und den Gegebenheiten dieses Environments angepasst ist. Twitter gibt es vor: man kann genau mit diesen 140 Zeichen arbeiten oder nur 379 einen Teaser verwenden mit 3-4 Wörter und dann einen Link setzen. Das gibt das Format vor. Was hätte ein Tweet für einen Nutzen, wenn man keinen 380 Hashtag setzt. Man muss sich über die Möglichkeiten, genauso über die Grenzen des jeweiligen Formats, das man verwendet im klaren sein und das dann 381 bestmöglich nutzen. 382 383 Für Kulturjournalisten, fällt Ihnen ein spezieller Fall ein wie jemand originell seine Inhalte verbreitet? 384 Needledrop, der Musikrezensent, der hat seine eigene Website, die man vielleicht als Videoblog bezeichnet könnte, weil er nur mit Videos arbeitet. Er hat seine 385 eigene Website mit eingebauten Videos, embedded Videos, die aber eigentlich auf Youtube sind, sprich er hat sie gleichzeitig auf Youtube, twittert natürlich 386 auch und er hat seine Links getweetet und geretweetet in seinem Netzwerk und hat auf Facebook auch seine Tweets und seine Seite, wo er mit den Usern 387 interagiert. Ich habe sonst keine konkreten Beispiele für eine originelle Nutzung, aber das ist schon eine Möglichkeit wie man versuchen kann seine Leser-, 388 Hörer- und Seherschaft zu erreichen, also auf verschiedene Plattformen zu agieren. 389 390 Welche Vorteile gibt es bezüglich der Distribution im Social Web? 391 Das man vielleicht Publikumsschichten erreicht, die man vorher nicht erreicht hat, über Retweets über Shares und Likes, weil man in andere Nischen 392 hineinkommt, die Hauptwebseiten nicht besuchen oder dieses Resort nicht auf der Seite besuchen würden. Das ist mit Vorsicht zu genießen, aber das ist was 393 man sich erhoffen kann. 394 395 Was sind die Nachteile? 396 Wenn man etwas im Social Web postet gibt man bis zu einem gewissen Grad die Kontrolle über das gepostete ab, weil es in dieses Social Web eingeführt wird 397 und über Shares, Tweets, Likes und Plusones verbreitet wird. Die Verbreitung, die man erhofft, kann auch eine Dynamik entwickeln, über die man selbst als 398 Journalist keine Kontrolle mehr hat, außer man löscht es dann wieder. 399 400 Aber wenn es mal verteilt ist, ist es auch schwer zu löschen? 401 Ja, das ist ja das Problem. Es ist halt schwer zu kontrollieren. 402 403 Gibt es noch weitere Nachteile? 404 Mir wären jetzt keine konkreten bewusst, weil ich glaube, dass die Verwendung von Social Web für solche Zwecke noch sehr in den Kinderschuhen steckt. Man 405 hat einfach noch zu wenig Erfahrungswerte, ich zumindest. 406 407 Wie hat das Social Web den Kulturjournalismus verändert? Können Sie das beurteilen? 408 Eigentlich glaube ich kaum, außer dass die Art und Weise zu recherchieren sich verändert hat sowie der Zugang zur Information. Der Journalismus selbst ist 409 wenn dann durch die Digitalisierung und das Internet verändert worden. Man hat durch das Social Web vielleicht einen zusätzlichen Player in dem Bereich die 410 über Blogs aktiv sind. Aber grundsätzlich ist die Qualität des Kulturjournalismus nicht fundamental verändert worden. Der Journalismus ist allgemein durch die 411 Digitalisierung beeinflusst worden. Aber in welcher Qualität kann ich nicht beurteilen. Das müssen wir jetzt alle erst herausfinden, darum geht es jetzt auch in 412 der Medienkrise weil keiner weiß wie er damit umgehen soll und wie ein mögliches Geschäftsmodell jetzt wirklich funktionieren kann. Die Konsequenzen, die 413 Journalismus verändert, im Sinne von mehr Stress, kleinere Redaktionen dadurch aber genauso viel bzw. mehr Inhalte die zu bedienen sind, so etwas 414 verändert Journalismus. 415 416 Wie ändert es redaktionelle Strukturen oder hat es bis jetzt verändert? 417

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So fern ich das beurteilen kann, hat sich die redaktionelle Struktur durch das Social Web gar nicht verändert. Social Web ist als Thema in die Redaktion 418 eingedrungen, aber die Struktur der Redaktion selbst hat sich deshalb nicht verändert. 419 420 Glauben Sie man müsste etwas ändern? 421 Nein, man könnte sagen man verzichtet auf E-mail und schaltet redaktionsintern auf Facebook Messages um. Ich glaube, dass sich das zumindest kurzfristig 422 noch nicht umsetzen lassen wird, weil es genug Redakteure, quer durch die Branche gibt, die das nicht wollen. Grundsätzlich denke ich, dass es diese Form 423 der Redaktion noch nicht für das Social Web gibt. Vielleicht für spezielle Bereiche oder gewisse Arbeitsgruppen, aber die große Struktur glaube ich nicht, dass 424 die davon abhängig ist. 425 426 Gibt es in Eurem Unternehmen keinen eigenen Social Media Redakteur? 427 Wir haben eine Medienredakteurin bzw. eine Art Dreier-Team aus Redakteuren, aber es gibt keinen Social Media Editor, wie es bei andere Sachen gibt. Die 428 Frage ist ja, was der Social Media Editor macht: Ist das jemand der Social Media als Thema behandelt oder jemand der redaktionelle Themen über Social 429 Media versucht an den Mann zu bringen? Das zweite machen wir derzeit nicht und können wir in dieser Form nicht machen. 430 431 Gibt es von der Redaktion aus Guidelines bzw. Schulungen? 432 Weiß ich nicht genau, ich glaube dass es etwas gibt. 433 434 Ihr müsst das Medium nicht auf Twitter vertreten? 435 Es gibt keinen Redakte, der mich verpflichtet einen Social Media Auftritt zu haben. Diejenigen, die einen haben, sind dazu angehalten den verantwortungsvoll 436 zu verwenden. 437 438 Hat sich das Verhältnis zur PR verändert? 439 PR hat relativ früh und geschickt Social Media in verschiedenen Formen adaptiert und das gleichzeitig Social Media im Kulturbereich die Möglichkeit gibt PR zu 440 umschiffen, im Sinne von: wenn möglich wirklich auf Bandinfos zu vertrauen anstatt auf PR-Texte andererseits gibt es sicher effektive PR-Projekte die mit Social 441 Media arbeiten und die das extrem geschickt für Infos nutzen. Das Verhältnis von Journalismus und PR wurde also nicht als solches gestärkt oder geschwächt, 442 der Umgang hat sich einfach verändert aber grundsätzlich hat sich der Umgang mit vielen Tools und Inhalten nicht nur durch das Social Web, sondern durch die 443 Digitalisierung verändert. 444 445 Haben Sie das Gefühl das mehr Themen über das Social Web an Sie herangetragen werden? 446 Nicht markant. Natürlich stoßt man auch dadurch, dass man auf Social Web aktiv ist auf Themen. Ob das mehr Themen sind, als wenn man nicht auf Social 447 Web aktiv ist kann ich nicht sagen. Natürlich findet man mehr Themen, weil mehr Input da ist. Darüber traue ich mir aber keine Aussage machen. 448 449 3 Punkte über das zukünftige Potenzial von Social Media: Welche Bedeutung wird das Social Web zukünftig für die Recherche, die Publikumspflege 450 - die Interaktion und für das Publizieren von Inhalten haben? 451 Für die Recherche glaube ich, dass es gleich bleibt wie jetzt, also relativ wichtig ist bzw. wichtiger wird und es aber relativ stark von der Form der Plattform 452 abhängt. Man kann sich nicht vorstellen das eine Plattform wie Facebook mit über einer Milliarde Nutzer weggeht, aber auf der anderen Seite man hat gesehen 453 wie groß Myspace war und heute interessiert sich kaum mehr für Myspace. So schnell sich eine Plattform etablieren kann, so schnell kann sie auch wieder 454 weggehen. Natürlich sind jetzt die Umstiegskosten extrem hoch weil fast jeder auf Facebook ist, das wird schwierig das wieder wegzubekommen. Aber 455 grundsätzlich bleibt das Social Web relevant für die Recherche bzw wird an Relevanz gewinnen, weil mehr Nutzer es Nutzen und das auch aktiv und weil die 456 Form der Kommunikation immer ausgefeilter sein wird. 457 Für die Publikumspflege kommt es darauf an ob Medien prinzipiell eine Möglichkeit finden im Social Web zu bestehen, sprich ein Business Modell zu finden, 458 dass es ihnen ermöglicht daraus einen Nutzen zu ziehen um gleichzeitig Publikumspflege zu machen. Wahrscheinlich wird Publikumspflege für Medien auch 459 unabhängig von einem Business Modell im Social Web stattfinden, einfach weil man es machen muss, weil wenn man nicht drinnen ist, verliert man einen 460 gewissen Teil vom Online Geschäft, auch wenn es nicht direkt zu monetarisieren ist. Es sind einfach viele Leute im Social Web aktiv und sich als Medium dem 461 zu verweigern ist wahrscheinlich problematisch auf lange Sicht. 462 Bei der Distribution kommt es ganz darauf an, ob man ein Geschäftsmodell entwickeln wird, wie das funktionieren wird oder ob das ganz stark in Richtung 463 Paywall geht. Newsweek lässt die Printausgabe und geht rein digital. Die New York Times ist jetzt wieder hinter einer Paywall verschwunden, scheint zu 464 funktionieren nachdem der erste Versuch gescheitert ist. Ohne Geschäftsmodell werden die Medien nicht lange an der Social Media Distribution festhalten, es 465 schaut zumindest derzeit so aus. 466 467 Wie kann das Social Web in Zukunft den Kulturjournalismus "verbessern" - effizienter machen? 468 Ich glaube kaum in einer anderen Art und Weise als wie es das jetzt schon tut, also im Sinne von Recherchetool, Feedback-Kanal und Themenfindung. Ich 469 glaube, dass da schon relativ viel ausgelotet ist und dass jetzt die relevante Frage ist: wie gehen Medien mit Social Web um? Wie können Medien ihre 470 "Vormachtstellung" als Newsenterprises als Informationsbereitsteller auf Social Media anwenden? 471 Wenn sich die Formate des Social Web verändern wie Facebook oder Google+, kann man es ganz schwer vorhersagen was kommen wird. Wenn es so etwas 472 wie bei Myspace gibt, dass ein Marktführer auf einmal wieder in der Versenkung ist, weil ein anderer das gleiche nur besser macht. Kann genauso passieren 473 dass jetzt wieder wer kommt, ich glaube aber dass das von den Umstiegskosten für die einzelnen User ziemlich schwierig sein wird. Facebook ist ja erst 5 474 Jahre aktiv und so groß erst 2 Jahre als Marktführer. In den Köpfen der Menschen erst 5 Jahre und 5 Jahre sind keine Zeit, wie das in 10 Jahren aussieht, 475 welche Tools da verwendet werden, ist schwer vorherzusagen und dann erst wenn sich die Formate wieder ändern, dann kann sich der Einfluss wieder ändern. 476 Weil dann muss man wieder anders damit umgehen wegen einem anderen Format einer anderen Userability. 477 478 Wie schaut es konkret in Österreich aus? Gibt es noch einiges zu lernen oder aufzuholen wie Kulturjournalisten Social Media besser nutzen 479 können? 480 Es gibt schon Möglichkeiten wie man es besser nutzen kann. Es ist aber die Frage danach: Gibt es ein Publikum dafür? - das kann ich schwer abschätzen. 481 Gibt es die Möglichkeit das man sich als Kulturjournalist im Social Media Bereich so positioniert um selbst zum Markt zu werden? - wie es im englisch-482 sprachigen Raum der Fall ist. Wo man diese Network-Nodes hat, die einerseits total effektiv über Social Media bedient werden mit Informationen andererseits 483 dort als Marke selbst von vielen gelesen und rezipiert werden. Gibt es diesen Markt überhaupt in einem Land mit 8 Millionen Einwohnern wovon 2 Millionen 484 Facebook-Accounts sind? Gibt es den Markt um sich so positionieren zu können? - wird schwierig werden. Natürlich haben wir den Vorteil der gemeinsamen 485 Sprache mit Deutschland, aber wird sich die deutsche Community um einen österreichischen Kulturjournalisten scharren? - eher nicht, umgekehrt eher schon. 486 Es wird schwierig als Kulturjournalist diesen potenziellen Markt des Social Web wirklich zu nutzen. 487 488 Aber es kann der Reputation helfen? 489 Wenn man es gut macht ja, weil man in diesen neuen Markt eintritt und User- und Leserschichten ansprechen kann, die man bis jetzt nicht angesprochen hat. 490 Wenn man anschaut wie Armin Wolf mit seiner Community umgeht, dann glaube ich schon dass das seiner Reputation hilft auch wenn er aneckt mit gewissen 491 Tweets und Postings; wenn man authentisch, kritisch und journalistisch anspruchsvoll bleibt funktioniert es auch. Man muss den journalistischen Prinzipien treu 492 bleiben um dort zu funktionieren. 493

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INTERVIEW C 1 Jänner 2012 2

3 4 In welchen Kunstsparten spielt das Social Web eine wichtige Rolle? In welchen weniger? 5 keine ahnung, keine angabe 6 7 Welche Aufgaben des Kulturjournalisten werden am meisten beeinflusst? 8 der klassische österr. kulturjournalist arbeitet noch völlig social-media-unbeeinflusst 9 10 Welche fünf Social-Web-Plattformen nutzen Sie am meisten für die Recherche? 11 für recherche nutzen ist der falsch ausdruck. Ich folge in social networks ausgelegten spuren. Aktive recherche betreibe ich dort nicht. >primär twitter, ein wenig 12 facebook 13 14 Bitte beschreiben Sie, wie und warum (bzw. warum nicht) Sie Facebook für die Recherche verwenden. 15 in anbetracht der obigen einschränkung: facebook ist als meinungsplattform interessant um andere standpunkte mitzubedenken. 16 17 Bitte beschreiben Sie, wie und warum (bzw. warum nicht) Sie Twitter für die Recherche verwenden. 18 in anbetracht der obigen einschränkung: twitter ist eine daten- und info-schleuder, die mich inspiriert 19 20 Bitte beschreiben Sie, wie und warum (bzw. warum nicht) Sie Youtube für die Recherche verwenden. 21 inwiefern sollten mir video-schauen etwas nutzen? auf youtube gerate ich über links, nie direkt. 22 23 Bitte beschreiben Sie, wie und warum (bzw. warum nicht) Sie Blogs für die Recherche verwenden. 24 in anbetracht der obigen einschränkung: ich verfolge etwa vier, fünf österreichische blogs regelmäßig, als inspirationsquelle. 25 26 Welche weiteren Social Web-Formate verwenden Sie für die Recherche? 27

- 28 29 Welche Blogs besuchen Sie regelmäßig? Welche relevanten Kultur-Blogs gibt es in Österreich? 30 misik.at, zurpolitik.com, reimon.net, zib21.com und jede menge fußball-blogs. Kulturblogs sind mir keine bekannt. 31 32 Welche Rolle spielen Blogs für die Rezensionspraxis? 33 rezensionen sind ein tool aus dem 20. jahrhundert 34 35 Welche weiteren Social-Web-Plattformen nutzen Sie für die Recherche? 36 - 37 38 Was sind die großen Vorteile der Recherche im Social Web? 39 social media sind nur eine weitere form von medien. – der (logische) vorteil ist die möglichkeit des schnellen/direkten austausches. 40 41 Welche Probleme ergibt die Recherche im Social Web? 42 keine speziellen 43 44 Wie bewerten Sie die Zuverlässigkeit von Quellen aus dem Social Web? Verwenden Sie einen methodischen Zugang? 45 nachdem alle medien von menschen befüllt werden, sind alle medien gleichermaßen (un)zuverlässig. 46 47 Schaut man durch die erweiterten Recherchequellen öfter auf das Angebot der Konkurrenz? Beeinflusst die Vernetzung mit Kollegen die eigene 48 Themenwahl? 49 konkurrenz? die themenwahl ist immer umweltbeeinflusst. 50 51 Welche Rolle spielt es im Kulturjournalismus, verglichen mit anderen Ressorts, das Publikum einzubinden? Welche Social-Web-Plattformen sind 52 dafür am wichtigsten? 53 der österr. kulturjournalismus findet nicht im web statt, schon gar nicht in social media 54 55 Auf welchen Plattformen treten Sie als Journalist mit Ihrem Publikum in Kontakt? Bitte beschreiben Sie diesbezüglich die Unterschiede von 56 Facebook, Twitter, Youtube oder Blogs? 57 ich bin kein kulturjournalist. facebook nütze ich als persönliche plattform, zur aufrechterhaltung von kontakten, twitter als professionellen ausspielweg. 58 59 Welche großen Vorteile bringt es, das Publikum im Social Web einzubeziehen? Welche Probleme ergeben sich dadurch? 60 vorteile: direkte ansprache, rückkanal, echtzeit-möglichkeit. nachteile: gefahr der zu starken rücksichtnahme auf den rückkanal 61 62 Wie werden ihrer Erfahrung nach die Rückkanäle im Social Web vom Publikum genutzt? 63 wenn es bei schnellen (hype-)themen schnelle (meinungs-)elemente abzusetzen gilt: stark. alles was substanz und nachsinnen benötigt: schwach. das 64 publikum ist denkfaul. 65 66 Wie profitieren Sie vom Feedback? 67 es eröffnet weitere denkräume 68 69 Wollen Sie die Interaktion zwischen Autor und User forcieren? 70 das wird der nächste technische sprung erledigen. 71 72 Welche fünf Social-Web-Formate nutzen Sie als Kulturjournalist am meisten, um Texte/Sendungen zu verbreiten bzw. zu bewerben? 73 Facebook, twitter. 74 75 Wie und warum nutzen Sie konkret Facebook, Twitter, Blogs und Youtube dafür? Wie integrieren Sie dabei das Publikum? Bitte nennen Sie die 76 Unterschiede. 77 like i said: facebook ist mein persönlicher/privater ausspielkanal, mein kontakthalter. twitter ist meine info-schleuder. 78 79 Welche weiteren Social-Web-Kanäle nutzen Sie für das Publizieren von Inhalten? 80 - 81 82 Beeinflussen Social Web-Formate die Sendungsgestaltung? 83 nein 84 85 Welche großen Vorteile bringt das Publizieren im Social Web? 86 ich publiziere nicht exklusiv auf social media – ich tease dort an und verlinke. 87 88

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Welche Probleme entstehen mit dem Publizieren im Social Web? 89 - 90 91 Wie hat das Social Web konkret ihre Arbeit verändert? 92 das web per se: massiv. das social web: kaum 93 94 Wie hat das Social Web den Kulturjournalismus verbessert? 95 nochamal: der österr. kulturjournalismus findet dort nicht statt. der bleibt vorerst in den alten medien. 96 97 Wie hat das Social Web das Verhältnis zwischen PR und Kulturjournalismus verändert? 98 siehe oben 99 100 Wie hat das Social Web die redaktionellen Strukturen des in ihrem Unternehmen verändert? 101 in deutlich zu geringem maß 102 103 Welche Ressourcen werden in ihrem Unternehmen aufgewendet, um das Social Web effizienter zu nutzen? 104 angesichts der gesetzlichen lage ist das eine zynische frage 105 106 Welche Strukturen benötigen Radio-Redaktionen, um das Social Web effizient zu nutzen? Was müsste geändert werden? 107 es geht in diesen fragen nicht um das social web, es geht um multimediales arbeiten. Und das bedarf einer völlig neuen aufstellung. 108 109 Werden in ihrem Unternehmen Schulungen für die Social-Media-Nutzung angeboten? 110 ja. 111 112 Wie beurteilen Sie die Rolle des Social Web für ihre Reputation als Journalistin? 113 für journalisten ist social media eine präsentationsfläche, jeder ist dann sein eigener dieter chmelar. 114 115 Welche Bedeutung wird Ihrer Meinung nach das Social Web zukünftig für die Recherche / die Beziehung zum Publikum / das Publizieren haben? 116 die bedeutung wird leicht steigen; der nächste technische schritt wird dann die weichen stellen. 117 118 Immer wieder liest man vom Kulturjournalismus in der Krise. Wie könnte das Social Web in Zukunft den Kulturjournalismus noch „verbessern“? 119 der kulturjournalismus könnte social media für sich entdecken, wird das aber aufgrund des blasierten distinktionsgehabes seiner meisten vertreter nicht schaffen 120 121 Sehen Sie partizipative Kulturformate wie Blogs als Konkurrenz für den traditionellen Kulturjournalismus? 122 sie könnten ihn ablösen, überreif wäre er. 123 124 Welche Rolle spielen Blogs für die Rezensionspraxis? 125 <rezensionen sind ein tool aus dem 20. jahrhundert 126 127 Wie sollte kulturjournalistische Kritik im 21. Jahrhundert denn aussehen? 128 sie sollte nicht im format des 19. Jahrhunderts daherkommen. 129 130 Welche Bedeutung wird Ihrer Meinung nach das Social Web zukünftig für die Recherche / die Beziehung zum Publikum / das Publizieren haben? 131 die bedeutung wird leicht steigen; der nächste technische schritt wird dann die weichen stellen. 132 133 Können Sie den „technischen Sprung“ erläutern, mit dem laut Ihnen auch die Interaktivität zum Publikum erhöht wird. 134 wer jetzt den nächsten technologischen sprung vorhersagt, wird milliardär. wer hätte vor einigen jahren die rolle von social media vorhergesehen? 135 136 Immer wieder liest man vom Kulturjournalismus in der Krise. Wie könnte das Social Web in Zukunft den Kulturjournalismus noch „verbessern“? 137 der kulturjournalismus könnte social media für sich entdecken, wird das aber aufgrund des blasierten distinktionsgehabes seiner meisten vertreter nicht 138 schaffen. Wer sich im denk-duktus des 19.jahrhudnerts bewegt, kann social media natürlich nicht begreifen/integrieren. herkömmliche kulturjournalisten können 139 nicht mit einem retourkanal arbeiten/umgehen. Das zu lernen wäre einmal der erste schritt.140

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INTERVIEW D 1 Dezember 2012 2

3 Also ich muss zunächst gleich einmal festhalten, dass ich nur bedingt Journalist bin. Das ist eigentlich fast eine Art Nebenerwerbszweck, (kann man gar nicht 4 sagen, aber) bzw. Nebenjob. Bin ja eigentlich sozusagen auf der anderen Seite, nämlich der Kulturproduzenten im weitesten Sinne. Dadurch, dass ich ein 5 Label und einen Verlag betreibe, bin ich auf der Seite der Produzierenden, die die Journalisten gerne als sehr verfehlten Begriff, als der der Medienpartner 6 suchen und begreifen und auch so nutzen wollen. Das ist natürlich etwas plump, aber natürlich sozusagen versteht man dann Kulturjournalismus als auch 7 Biotop der PR und der Propaganda. Das hat unmittelbar mit Kulturjournalismus noch gar nichts zu tun, sondern das ist einfach sozusagen... du suchst den 8 medialen Verstärker, wunderst dich selbst oft oder ärgerst dich, dass Leute, die sich selbst als Journalisten bezeichnen würden oder sehen würden einfach mit 9 „copy und paste“ deine Pressetexte übernehmen. Bist natürlich sozusagen einerseits dem gegenüber sehr kritisch, auf der anderen Seite denkst du dir, besser 10 sie übernehmen deinen Propagandatext, als sie schreiben überhaupt einen kompletten Unsinn. Aber ich laufe zwischen den Fronten hin und her. 11 12 Das macht es gerade sehr interessant für mich. Aber Ich möchte gerne, dass Sie jetzt aus der Perspektive des Bloggers und freien Journalisten die 13 Fragen beantworten. 14 Aber Mein Blog ist auch untypisch, weil der Blog nicht viel mehr ist, als...es gibt schon ein paar Texte die Ausnahmen sind, die ich quasi dann nur für den Blog 15 geschrieben habe, aber eigentlich sind es sonst eine Art Versammlung von Texten, die entweder, die ich so schreibe... die Pressekollumne zum Beispiel, die 16 eher Technikkolumne ist, vielleicht im weitesten Sinne noch eine Kulturtechnikkollumne und die auch Texte beinhaltet, die tatsächlich als Promotion-Texte 17 schreibe. Ich benutze auch das Feld von Social Media natürlich auch als Propagandamedium, also das muss man ganz klar sagen. Ich glaube, Social Media ist 18 ein sehr starkes Medium, dass weniger journalistisch funktioniert als meinungsbildend, als meinungsreproduzierend und meinunsverstärkend, 19 meinungsweitergebend, fast auf einer persönlichen Ebene. Das heißt, viele Kulturjournalisten, die auf Facebook und Twitter unterwegs sind, Google Plus, was 20 ich mach, nutzen das ja eigentlich selten bis gar nicht um eigene Artikel zu propagieren, das auch, also eigene journalistische Arbeiten, die eigentlich eher in 21 Printmedien oder im Radio oder im Fernsehen stattfinden zum Teil auch online. Aber eher so als Beiwerk, um dann persönliche Meinung absondern zu können, 22 oder persönliche Ironie ins Spiel bringen zu können. Also es ist weniger eine berichtendes Medium und auch kein feuillettonistisches Medium, denn eins das 23 eher so Highlights werfen kann oder Promos transportieren kann. Das gilt für Twitter noch viel stärker als für Facebook. Also es hat eher so ein bisschen ein - 24 zum Teil gehen Leute zu eher professionellen Arbeit in Social Media sogar auf ironische Distanz zu sich selbst, was hoch interessant ist. 25 26 Zum Beispiel? 27 Naja, du relativierst Dinge beziehungsweise entweder verstärkst du sie, oder du kannst die aber dann auch sozusagen ins Ironische ziehen, indem du sie 28 sozusagen nochmal noch entschiedener dort forcierst oder halt mit einem gewissen „p.s.“ versiehst oder mit Anmerkungen versiehst oder auch mit Fingerzeigen 29 versiehst, also quasi mit einem Subtext, mit einem Kommentar, der das Errarische des Mediums ein bisschen da heraus nimmt. Weil sowohl Facebook als auch 30 Twitter sind da viel spielerische Medien, da sind ja keine klassisch gesetzten Medien, wo du vier Minuten Hörfunk-Beitrag ablieferst mit einem Anfang und 31 einem Ende, oder einen Text ablieferst in irgendeiner Zeitung, der genau in dieser Form erscheint. Sondern es ist sehr viel, viel weniger dauerhaft und viel 32 weniger seriös auch. Im Sinne von, du hast sozusagen wie eine Stein, den du da irgendwie behauen hast da eingesetzt in die Erde. Sondern es bleibt eine 33 ewige Knetmasse. Insofern finde ich das ganz lustig. Also einige nutzen es relativ plump. Ich habe einen Artikel geschrieben, bitte lesen. Viele versehen (den 34 Text) mit einem Subtext oder stellen das in einem anderen Kontext durch Lustigkeiten, was ich sehr positiv finde, die auch ein bisschen diesen Kulturkritiker- 35 Ernst aus dem Ganzen rausnehmen. Also ein Christian Schachner ist im Facebook viel weniger dieser blitzeschleudernde „Griechische-Tragödien-Gott“ als in 36 der Printausgabe. Weil er dort da die ganze Zeit sehr viel Ironie, sehr viel innere Distanz auch zu manchen Gegenständen oder Berichterstattung hat oder auch 37 im Gegenteil eine sehr persönlich gefärbte, persönliche Liebe zu Objekten der Berichterstattung erkennen lässt, die du ja im klassischen Journalismus so nicht 38 abgibst, oder selten. Also es wäre so höchst subjektiver Befindlichkeitsjournalismus, so "das taugt mir, deswegen schreibe ich drüber und dann lobe ich es 39 in den höchsten Tönen“ und das ist einfach zu plump. 40 41 Gibt es noch weitere Beispiele in Österreich, die jetzt Ihrer Meinung nach den Kulturjournalismus im Social Web richtig nurtzen? 42 Gibt es immer wieder. Erstens einmal gibt es nicht ganz allzu viele KulturjournalistInnen im Land. Es gibt eine relative überschaubare Szene. Ich sage jetzt 43 einmal, wenn es insgesamt vielleicht 100 Leute sind, die ich jetzt kenne. Es wären schon... in absoluten Zahlen werden es vielleicht fünfhundert sein. Aber ich 44 kann nicht jegliche, jeglichen Kulturjournalisten dann auch im Innviertler Mostboten nach, also das krieg ich dann auch nicht mit. Dazu ist es aber auch 45 sozusagen eine neue Quantität an Leuten gekommen, die eher online oder exklusiv online arbeiten. Also es sind viele sehr kulturorientierte Blogs gekommen. 46 Ich habe überhaupt das Gefühl das Blogs, dass eines der zentralen Themen von Blogs ist Kultur, Kunst und Kultur im weitesten Sinne. Es gibt auch politische 47 Blogs, irgendwelche „Spaßmacherblogs“, aber Kunst und Kultur sind eigentlich für viele Blogs zentraler Inhalt. 48 49 Was sind die relevanten Kulturblogs in Österreich? 50 Da möchte ich jetzt am besten meine Bookmarks durchschauen. Mir fallen zum Beispiel gleich ein, wobei das wird im Moment nicht wahnsinnig aktiv betrieben 51 die zib21.at von Eberhardt Laut und vom Manfred Sachs. Der Laut zum Beispiel war immer ein sehr kulturaufmerksamer Mensch, der macht im Moment aber 52 was anderes, das weiß ich nicht, also zib21 oder zib21.com. Ich weiß das nicht mehr so genau. Ich habe das alles "gebookmarked" und ich gib es sozusagen 53 nicht als Adresse ein. Die kulturnachrichten.at, das ist Manfred Horack, ich weiß nicht, ob der Ihnen was sagt. Das ist ein Blog, der sich nur Kultur widmet, also 54 Musik, Film, was immer auch. Ich glaub, das ist eine ehemalige Printjournalistiker, aber ich kenn ihn jetzt nicht persönlich, aber der hat sich jetzt volllkommen 55 ins Netz verlagert. Einer der ältesten Blogs...(G. holt sich Computer)... Hab einmal ein paar (Bookmarks) so für meine eigenen Promotion-Leute , ein paar 56 Sachen zusammengestellt, mal schauen, ob ich die auf die Schnelle finde. Was ich da an Blogs gebookmarked habe, das ist allerdings eine längere 57 Liste...Wiesig - eher ein politischer Blog (11:55) 58 Doris Knecht, Quartier Haupt, Kollumnenrein, Netz und Feuer, Peter Pallum, eher so Kultur, ich weiss aber nicht ob es das noch gibt... Commandita, Doris 59 Lower, das ist die Dusel...Adäquat (12:07), Ewald Lautkron, das ist der, der die zib21 macht, music think tank, senf edge, teddy blog das ist im...blog. 60 kultumanagement blog, neuerdings.com...es geht so quer durch den Gemüsegarten. 61 Ich bin da offensichtlich so schlampig, dass ich es nicht extra das ausgewiesen habe. Es gibt da einige Blogs die man da einigermassen regelmässig da verfolgt 62 und die sich auch nicht nur als rein persönliche Meinungsblogs vestehen, sondern auch versuchen so eine Art journalistisches Mehrfachgebildenetz zu sein. 63 Wie gesagt, wie kulturwoche.at. ist so ein Beispiel. Schau, zum Beispiel, alle mit ihren Adventkalendern, Weihnachtsalben, mit irgendwelchen Interviews mit 64 Künstler, die ich zum Teil gar nicht kenne, Georg Breinschmied. Also das ist ein reiner Kulturblog. Da stehen Festivals, Fotografie, Bildende Kunst, Film, 65 Kulinarium, Kulturpolitik, Literatur, Modedesign, Architektur, Musik. 66 67 Das ist ein journalistischer Blog? 68 Das ist ein journalistischer Blog, ja, aber öffentlich, sonst könnte man es nicht in dieser Quantität machen und vielleicht auch nicht in der Qualität ...muss ja 69 davon leben. Wie das genau funktioniert, weiß ich nicht, aber scheinbar... 70 71 Wie spielen diese österreichischen Kulturblogs für eine Rolle in der Recherche für Sie? 72 Für mich...naja, in der Recherche eigentlich weniger, weil ich ja sozusagen mit viel roherem Material das Label betreibe und so konfrontiert werde, dass im 73 Vorfeld, wo das nicht aufbereitet ist, nicht ausproduziert und insofern sozusagen dort nicht vorkommt. Für mich sind das eher so Resonanzen und Hallräume, 74 also wir benützen sie als, natürlich als Promotionfelder, aber auch als Felder der Berichterstattung und damit der Aufmerksamkeitgenerierung, aber...Recherche 75 ist das für mich eher selten. Also, Recherche vielleicht insofern als man das in einer mehr oder minder umfassenden Sinnhürde über das was in diesem Land 76 und darüber hinaus „greult und fläucht“ darüber informiert wird. 77 78 Aber für Ihre Kollumnen, finden Sie Anreize oder Denkansätze? 79 Gibt es immer wieder ja. Also zum Beispiel die ganze Urheberrechtsdebatten, die gerade läuft, finden natürlich auch zum Teil viel umfangreicher (statt). Das ist 80 einer der Vorteile, der großen Vorteile des Netzes, dass du sozusagen da keine Längenbeschränkung hast oder keine Quantitätsbeschränkungen. Es findet viel 81 umfangreicher, aber auch zum Teil, viel engagierter, zum Teil, viel informierter im Netzt statt. 82 Für herkömmliche Medien, die begrenzte Flächen haben, egal ob das jetzt Print, Radio oder Fernsehen ist, lassen sich solche komplexe Themen nur schwerlich 83 umsetzen. Also etwas Sperriges wie das Urheberrecht ist fast zu einer Domäne des Netzes geworden, bis jetzt. Natürlich solange die Verleger darauf 84 gekommen sind, dass es ja auch eine Debatte ist, die sehr stark mit ihnen zu tun hat, nicht nur Leistungsschutzrecht und die ganze, die ganze Diskussion, die 85 gerade läuft, natürlich ist auch das deutsche Feuilletton auch voll damit im Netz. Da gibt es diese Debatte seit Jahren und sie ist nur partiell wieder gespiegelt 86 worden im traditionellen Medium. 87 88 Vielleicht wenn wir kurz bei der Recherche bleiben. Wir gehen jetzt eher davon aus, wenn Sie eher eine Kollumne schreiben, wie Sie sich darauf 89

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vorbereiten - was spielen Facebook und Twitter und YouTube da für eine Rolle, abgesehen von den Blogs. 90 Ja eine Große. 91 92 Vielleicht könnten Sie es so separat kurz erklären, wie nutzen Sie es und warum? 93 Ja das ist das Spannende an Social Media. Social Media ist weniger das Spannende dass man sozusagen auch noch eine elektronische Ebene findet für einen 94 Freundeskreis, den man eher auf persönliche Ebene sozusagen findet, sondern ... obwohl man versucht manches zu erhalten... manche treffen im Netz auch 95 wieder nur die Leute, die sie auch so über Schule, in der Arbeitstätte oder im Sportverein treffen. Das entspricht nicht meinem Verständnis. Ganz im Gegenteil, 96 mich interessieren ein möglichst weiter Wirkungskreis, auch Leute die ich überhaupt nicht kenne, jedenfalls nicht im realen Leben, und eben der Versuch der 97 ernsthaften Kommunikation. Also weniger diese ganzen Büroscherze und Katzenfotos, was da immer auch so kursiert, eh ganz lustig aber irgendwann ist man 98 dem auch überdrüssig, sondern der Versuch ernsthafte Diskurse auch zu führen oder zumindest anzureißen. Man kann sich nicht bis ins Letzte wirklich führen 99 im Netz, aber...und da gibt es immer wieder - ich nenne es immer Hirnzucker - da ist einfach Rohmaterial, da prasseln alle möglichen Ideen, Beobachtungen, 100 Abonnements, Kalendersprüche, was immer auf dich ein. Das ist eine faszinierende Informationsquelle, auch wenn sie so nicht vorselektiert ist. Mich erinnert es 101 so ein bisschen an das Fernsehprogramm von früher, wo man sozusagen keine Auswahl hatte, dass den Nachteil hatte, man hatte keine Auswahl. Der Vorteil 102 war in einem Art kulturphilosophischen Sinn. Du musstest letztlich vorlieb nehmen, was hier kam, und du hast natürlich immer wieder so eine ... 103 gezwungenermaßen vorlieb genommen mit etwas, das dich adhoc gar nicht gereizt hat. Man hat das wie das Wetter zur Kenntnis genommen und damit gab es 104 auch die Möglichkeit mit Dingen konfrontiert zu werden, die, von denen du noch nie gehört hattest, die nie in meinem Spektrum sozusagen vielleicht 105 vollkommen falsch eingeordnet waren....eine Art Vorurteil. Immer wieder wie auf einem Fließband mit Dingen konfrontiert worden, die überraschend waren, die 106 nicht erwartet wurden und die man nachher nicht antizipiert hat. Diese Rolle erfüllt Social Media stark, ist ja auch immer wie ein Fliessband, wo auch Themen, 107 Beobachtungen, Polaroid Fotos usw. vorbeifahren. Du kannst dir herauspicken was du willst, zur Kenntnis nimmt man sie in einer, wie umfassend bliebt ja 108 jedem überlassen, man kann ja nicht Stunden oder tagelang sich nur mit Social Media beschäftigen, obwohl manche Leute scheinen schon drin zu leben und 109 meine Freundin sagt es mir auch nach, dass ich eigentlich mehr im Web lebe als in der realen Welt. Auch ein interessantes Phänomen. Aber dieses ständig 110 konfrontiert werden mit Lebensäusserungen und Hinweisen von anderen, ist natürlich wie ein großer Themenwarenkorb oder wie eine Wundertüte. 111 112 Gibt es spezielle Unterschiede zwischen Facebook und Twitter? 113 Twitter ist wie Koks und Facebook ist mehr wie Gras rauchen. 114 115 Inwiefern? 116 Twitter hat diesen Charakter, dieses sehr unmittelbaren, diesen Echtzeitticker, dieses „zack zack zack“. Das hat Facebook nicht, lebt von mehr oder minder 117 gemütlichen Meinungsäußerungen, die diese Dringlichkeit von Twitter selten haben. Twitter lebt davon, dass es wie ein Strom ist, der in einer Rasanz Themen 118 an dir transportiert und Meinungen und Hinweise, wo man quasi am Ufer sitzt und sich rausfischt was immer geht. Natürlich ist es auch Facebook auf einer 119 gewissen Weise, aber sehr viel träger, sehr viel weniger fokussiert auf Hinweise und neue Ketten. Es wirkt sehr viel selbstreflexiver, sehr viel weniger drängend. 120 Es würde auf Twitter quasi keinen Sinn machen einen Link zu welchen Fotos zu schicken, auf Facebook kann es dagegen einfach reingestellt werden und steht 121 dann irgendwie drinnen. Und das ist jetzt irgendwelche Instanterregungen auslöst, das muss es ja nicht... 122 Facebook ist einfacher langsamer, behäbiger, „relaxeder“. Dieser Koks-Hash Vergleich trifft es am ehesten (lacht). 123 124 Ich muss Sie wörtlich zitieren 125 Wozu? Ich muss betonen, ich nehme keine Drogen. Also, ich kann sozusagen nur vom Hören und Sagen... Aber das eine macht dich eher langsamer, relaxed, 126 das andere bringt dich zur Meinung, dass jede Idee die du hast eine Geniale ist. 127 128 Welche Rolle spielt YouTube? 129 Naja, YouTube sehe ich jetzt hier, obwohl es gibt eigene YouTube Channels und es wird wahrscheinlich Leute geben, die jetzt weniger für das geschriebene 130 Wort oder auf das nicht-bewegte Bild gehen. In der Sekunde, wo du auf bewegtes Bild gehst mit Ton ist natürlich YouTube dein Channel. Wobei ich wenige 131 Leute kenne, die sozusagen, die jetzt auf einen eigenen YouTube Channel fixiert wären. Du holst es dir dann doch wieder ein stärker Netzwerkcommunity 132 verpflichtendes Medium. Im Prinzip ist YouTube eine Plattform, die ich dann auch nutze, für Facebook, Twitter usw. Ich kenne ganz wenige Leute...da müsste 133 man eher auf myspace oder über solche Plattformen reden, weil die ja sozusagen...My Space zum Beispiel ist ein starker Vorläufer und sehr kulturorientiert, 134 sprich segmentorientiert. Es gibt nicht wenige viele Leute, die sagen, es kommt jetzt wieder. Dadurch, dass die zwei eine zeitlang sozusagen vollkommen den 135 Faden verloren haben und aus dem Fokus gerieten und von Facebook und von Twitter überholt wurden, ist es ein bisschen in den Hintergrund gerückt, aber bei 136 Justin Timberlake und solchen Leuten die haben jetzt offensichtlich gute Arbeit geleistet und es könnte ein Comeback von my space wieder geben. Was eine 137 fokussierte Plattform für Populärkultur letztendlich betrifft... hauptsächlich Popmusik usw. We'll see...aber wie gesagt, es gibt Leute, die sagen es wird das 138 Comeback des Jahres 2013. 139 140 Was sind die Alternativen, die Sie in Ihrem Social Media Mix verwenden? 141 Naja, es gibt einige dezidierte Musikplattformen, „bandcamp“ oder was weiss ich, was es da alles gibt. Bin natürlich sehr fokussiert auf eine bestimmte Form 142 von Inhalten. Es gibt andere Plattforme... ich sag einmal Flickr, die wieder fokussiert sind auf Bilder in dem Fall. Pinterest hat, wobei das nutze ich wirklich, wo 143 du halt sehr stark auf visuelle Reize gehst. Es gibt Plattformen wie „soundcloud“, die einen sehr starken Toolcharakter haben und natürlich auch fokussieren auf 144 zum Beispiel Musik. So von ... von allgemeinen Formen her...also mit Google + tu ich mir schwer, weil irgendwann geht es dir ziemlich am Keks, dass du im 145 Prinzip soviele Plattformen bespielen musst. Und es streust wie so ein Hund, der in jede Ecke pinkelt. Also insofern verstehe ich dieses überdimensionale 146 Gewicht und diese überdimensionale Bedeutung, die Facebook und auch noch Twitter gewonnen haben. Ich sehe das natürlich sehr kritisch, das ausgleichen 147 auf...da gab es eine zeitlang eine Art Facebook Konkurrenz, die allerdings nie abgehoben hat, ohne diese kommerziellen Facebookspielregeln auskommen 148 wollte. Ich habe nur den Namen vergessen, muss ich gestehen. Ich könnte aber nachschauen. 149 150 In Oesterreich? 151 Nein, nein in der Welt draußen. In Österreich gibt es so Lustigkeiten wie St. Online und so, aber das ist ja Quatsch. 152 153 Facebookdiaspora? 154 Facebookdiaspora, ja genau das mein ich. Aber Diaspora habe ich mich irgendwann einmal angemeldet, da aber keine Resonanz kommt und du einfach diese 155 Dichte (nicht hast). Solche sozialen Räume leben ja davon, dass du doch relativ viele der realen Welt dort wieder findest. Nicht alle, es gibt auch Leute, die 156 verweigern sich dem bewusst - kann ich auch nachvollziehen - aber soziale Räume, die leer sind oder fast leer sind, ein Widerspruch in sich. Dann sind es nur 157 Räume, an Raum mangelt es dem Cyberspace ja nicht. 158 159 Wie ist es wenn Sie Blogpost veröffentlichen? Hoffen Sie dann ein neues Publikum zu finden, das du mit Zeitungen einen Teil der Leserschaft nicht 160 erreichst? 161 Also ich stehe unter keinem kommerziellen Druck. Wer immer es lesen will, wer immer sich findet, wer immer es „liked“, wer immer sich da anmeldet und mir 162 irgendein Feed oder sonst etwas zu bekommen wird gerne genommen. Natürlich betrachtet man es als positives Ergebnis einer publizistischen Tätigkeit im 163 weitesten Sinn, dass es wahrnehmen und signalisieren, dass sie es intensiver folgen oder regelmäßig verfolgen wollen. Da ich aber keine Quoten, oder keine 164 Klickzahlen oder sonst etwas erfüllen muss, bleibt es eine relative Größe. Ich behaupte man schreibt nur in seltenen Fällen für sich selbst. Autoren, die 165 behaupten es wäre Ihnen egal welche Leser sie haben. Da ist Bescheidenheit eine besondere Form von Eitelkeit in den meisten Fällen. Auch der Franz Kafka 166 hätte durchaus die Möglichkeit gehabt seine Manuskripte selbst zu vernichten. Er hätte nicht seinen Freund Max Brot da in gewisse Not stürzen müssen mit der 167 Bitte: verbrenne meine Manuskripte. Der Max Brot hat es nicht gemacht, seither ist es sozusagen ein Schatz der Weltkultur. Natürlich will ich mich da jetzt nicht 168 mit Franz Kafka vergleichen. Wobei es hochinteressant gewesen wäre, wenn jemand wie Kafka hundert Jahre später geboren wäre. Wie würde er mit Social 169 Media umgehen, wäre er dem ganz fern oder wäre er mittendrin, oder weder noch? Aber so Gedankenexperimente finde ich hoch interessant. 170 171 Wie schaut es denn aus mit Literatur? Verfolgst du Literatur und verfolgst du wie Schriftsteller im Social Web agieren? 172 Zum Teil schon. Ich verfolge sie nicht im engeren Sinn, aber ich krieg doch einige mit. Und ich habe auch einige Autoren über das Netz kennen gelernt. Also es 173 gibt Einzelne, die hätte ich in der Buchhandlung liegen gefunden mit irgendwelchen Werken, aber die Lebendigkeit eines funktionierenden sozialen Netzes kann 174 ein simpler Warenschauraum nicht erfüllen. 175 176 In welchen Bereichen bzw. in welchen Kunstparten ist denn Social Web am stärksten vertreten? 177 Im Musikbereich. Sehr stark im Musikbereich. Es ist sehr stark in der Literatur, weil diese Leute gewohnt sind zu schreiben und zu kommunizieren. Es ist 178 wahrscheinlich stark ausgeprägt in der Fotografie und vielleicht im Film. Der Film schon deswegen, weil hier die alte Regel gilt „Ein Bild sagt mehr als tausend 179

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Worte“. Du kannst einfach ein Bild dort reinstellen und es schauen es dann viele Leute an. Wenn heute was in der Galerie hängt, das ist ein realer Raum und 180 natürlich hat so ein realer Raum auch sein Faszinosum und seine Neuriten (Schwachstellen?), aber natürlich hat auch der virtuelle Raum Faszinosum und 181 seine Neuriten (Schwachstellen?). In absoluten Zahlen schlägst du natürlich online die reale Welt in vielen Fällen um das tausendfache. in die Galerie verirren 182 sich vielleicht zweihundert Leute. Wenn du ein Bild das sozusagen um die Welt geht im wahrsten Sinne des Wortes, 183 ins Netz stellst, das die Leute weiter verbreiten dann hast du schnell zweihunderttausend, die das gesehen haben. 184 185 Wird es von der Bildenden Kunst auch so genutzt, oder weniger? 186 Eher weniger. Ich habe das Gefühl, dass es eher weniger genutzt wird. Wobei, es gibt schon... mir fällt zum Beispiel der Thomas Draschan ein. Mit dem bin ich 187 befreundet...den kannte ich vorher als Künstler gar nicht, jetzt kriege ich relativ viel von ihm mit. Oder „Brüsseler Mongo“, falls es dir was sagt, es ist ein Wiener, 188 sehr origineller Künstler. Ich habe auch zwei Bilder von ihm daheim hängen, aber da erschließt sich...sagen wir so...erschließen ist vielleicht wieder zu viel. 189 Analytische Qualität haben Facebook und Twitter nicht. Da muss man sich schon selbst die Arbeit machen und etwas sich in der Abfolge sich anschauen und 190 auch dran bleiben. Aber natürlich in einer Ballung, in einer gehäuften Selbstdarstellung...das gibt es schon. Einzelne Künstler, scheint mir, ob sie das zu PR 191 Zwecken nutzen oder einen Selbstdarstellungsdrang haben oder weil das einfach so ein künstlerisches Impetus ist „Ich habe ein Bild gemahlen, das muss ich 192 jetzt gleich online stellen“, die tun es eigentlich schon. Aber insgesamt ist Bildende Kunst schwächer vertreten, scheint mir, aber ich kann nur einen sehr 193 subjektiven Ausschnitt der Wirklichkeit ansprechen. Es scheint mir deutlich unterrepräsentiert im Vergleich zur Musik oder Fotografie etwa. 194 195 Und dieses fehlende analytische Element, wie kann das der Kulturjournalismus kompensieren? 196 Na ja, das ist auch die edle Aufgabe des Kulturjournalismus. Genau dieses analytische Element, das Feullitonistiches, das Analysierende, das Bewertende das 197 wird nicht verloren gehen und welches Trägermedium du letztlich nutzt ist dann relativ egal. Es kann der persönliche Blog sein, es kann ein Zeitungsartikel 198 sein,... Das ist die edelste Aufgabe des Kulturjournalismus, weil die reine Berichtererstattung – es hat dort eine Vernissage stattgefunden oder es ist ein Buch 199 erschienen – das ist möglicherweise das Tagesgeschäft, aber das ist nicht besonders prickelnd, oder? 200 201 Was gibt es da für originelle Möglichkeiten? Wie kann ich jetzt eine Analyse, nehmen wir das Beispiel Kritik, wie kann ich eine Kritik verbreiten? 202 Eine Kritik kann trocken oder sehr gehaltvoll sein. Im Prinzip bleibst du bei den Formen, die es seit jJahrhunderten gibt. Du kannst eine Polemik draus machen, 203 du kannst sehr bissige gleichzeitig unterhaltsame Kritik draus machen. Eine sehr zugespitzte Bewertung von Dingen machen. Das Medium ist weniger wichtig 204 dafür, weil egal, ob es sich jetzt um „Maus zu Maus – Verbreitung“ handelt oder dieses teilen der Netzgemeinde, diese „Share-Funktion“, dieses weiter 205 verbreiten durch „Sharen“, durch das „Spreaden“. Beides funktioniert auf gewisse Weise ähnlich und natürlich jegliche Form von polemischer Zuspitzung, von 206 Glossenhaftigkeit, wird immer Gesprächsstoff und immer Diskussionsstoff im Netz sein. Also insofern haben sich Form und Inhalt relativ wenig verändert. Die 207 Verbreitungswege haben sich sehr wohl verändert, oder erweitert eigentlich, weil die Art der Form des mündliche weitergeben...ich nehme einmal an, ich habe 208 was Erregendes gelesen, was meine Zustimmung oder auch meine strikte Ablehnung findet. Dann rufe ich dich gleich an und sag „ Hast du das gelesen?“ 209 Im Netz teilt es man es einfach oder weist darauf hin, das ist technisch einfacher weil der Griff zum Telefonhierer oder das Gespräch am Wirtshaustisch ist 210 genauso ergiebig und so alt wie die Menschheit selbst bzw. solange es Gasthäuser und Telefone gibt. 211 212 Aber müsste sich die Form auch verändern? 213 Sie könnte sich verändern, nur geht es in den Multimedia-Zirkus rein. Weil Du kannst mit denselben Mitteln antworten. Du kannst mit geschliffener Sprache in 214 Sprache oder in Rede und Schrift darauf antworten. Du kannst aber auch einfach irgendein Zitat oder irgendein Bild als Kommentar posten oder weiterreichen. 215 Du kannst Verschränkungen machen. Du kannst natürlich die Diskussion, die sonst vielleicht real auch stattfinden, dezidiert im Netz wahnsinnig gut abbilden. 216 Also die Posting-Schlachten, diese Diskussionen, die da laufen, das sind hervorragende Diskursfinder. 217 218 Wenn wir jetzt auf dem Blog genauer eingehen. Das sind jetzt, wenn ich das richtig verstanden habe, das sind hauptsächlich Artikel, die irgendwo 219 schon erschienen sind? 220 Ja genau, das sind Artikel, die irgendwo erscheinen sind. Sei es in der Presse oder in irgendwelchen Fachmedien, oder ich habe früher auch mehr für andere 221 Zeitungen geschrieben. Ich habe ab und zu einen Profilartikel geschrieben, was immer auch. Das haue ich alles da rein, weil es natürlich auch 222 Meinungsäußerungen sind und auch journalistische Arbeiten, zu denen ich stehe, sonst würde ich es nicht veröffentlichen. Ergänzt bisweilen durch reinen 223 online Gefühlsregungen oder rein für diese Form geschriebene Texte. Das kommt schon aus Zeit und Energiemangel relativ selten vor. Das ist einfach nicht der 224 klassische Blog, wie man es sich vorstellt, so der exklusiv im Web vor sich hin arbeitende Mensch. Es hat schon einen viel stärkeren Hintergrund als einen 225 nicht-journalistischen (Blog?). 226 Darum ist es in meinem Interview auch gegangen, um diese feine Trennlinie, zwischen wer ist der Journalist und wer ist das nur eine Art Hobbyschreiber. Wo 227 kann man da eine Trennlinie ziehen, wo muss man eine Trennlinie ziehen, wo dienst es auch dem Selbstverständnis und auch dem Selbstschutz von 228 Journalisten. Meine These ist ja, dass die Trennlinie sehr wage und natürlich sehr durchlässig ist. Mich interessiert wiederum, als jemand der es konsumiert und 229 liest und verfolgt, die Gesamtheit sozusagen, also ich sag immer: Ein kulturjournalistischer Text ohne die ganzen Reaktionen darunter und die ganzen Postings 230 so blöd und stupide und geltungssüchtig sie auch sein mögen, ist nur das halbe Vergnügen und vielleicht auch nur die halbe Wahrheit, weil du ja auch immer 231 wieder sehr kritische aber auch wissende und auch zum Teil sehr informierte Stimmen findest, die zum Teil in den Fachgebieten – so beschämend es auch für 232 den Schreiber des eigentlichen Artikels auch sein mag oder des eigentlichen Betrags sein mag– oft informierter sind und dich auf Fehler hinweisen oder etwas 233 aus einer anderen Warte betrachten oder ergänzen oder konterkarieren. Für mich ist zum Beispiel das Lesen der Printausgaben also der Papierausgabe, 234 nehmen wir her den Standard, da habe ich auch einmal einen längeren Beitrag über diese Ambivalenz geschrieben ist, ist nur mehr das halbe Vergnügen. Also 235 online ist es einfach ergänzt, was diese Knetmasse auch noch zusätzlich würzt. 236 237 Wie profitiert man jetzt selbst als Journalist von diesem Feedback? 238 Wenn man offen dafür ist, es gibt Leute die verkrampfen sich da total, die sagen auch immer „ich lese das nicht“, weil das sind nur Beleidigungen, das sind nur 239 die dunklen Existenzen unter Pseudonymen im Netz... ich halte das für Unsinn. 240 241 Du liest es? 242 Ich lese es. Ich beteilige mich auch an Debatten. Ich habe mich auch daran gewöhnt, dass unter meinem Namen zu machen und mir nicht dauernd den Vorwurf 243 anhören zu müssen, der ja immer so pauschal ...“ ja unter einem Pseudonym kann man jede Meinung absondern, das ist feig“ oder was weiß ich was. Ich 244 stehe zu meiner Meinung und äußere sie auch unter meinem eigenen Namen. Das tun viele nicht, aber ich habe damit auch kein Problem. Ich finde man sollte 245 es sozusagen als sehr positives Phänomen betrachten, dass es eben diesen Rückkanal gibt, der im besten Fall erweiternd, ergänzend und korrigierend, 246 weiterführend ist. Natürlich auch im negativen Fall nur bissig und zynisch und deppad und beleidigend und was immer auch. Aber das kann man relativ schnell 247 ausblenden bzw. kann man, muss man da eine dickere Haut entwickeln und sagen „Ok, das ist die Meinung von irgendwelchen Leute, die sie da auch nicht 248 offen dazu bekennen sondern die da mit reinschwingen, aber let it be“ . Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass die Welt ein Ort der Schönheit und 249 Gerechtigkeit und der Freundlichkeit sondern ist auch vox populi. 250 251 Kann so auch die Auseinandersetzung mit der Kunst gefördert werden? 252 Ja. Wenn mich fragst, ja klar. Also ich hab z.B. vor Kurzem, weil ich einmal was zum Thema Noever Mak abgesondert habe, beginnt man natürlich zum Thema 253 zu graben, zu recherchieren, in der Vergangenheit zu graben und da gab es einmal eine Debatte... der Noever hat einmal im Mak, ich hab das damals weil ich 254 nicht in Wien war nicht so verfolgt und mitbekommen.... 255 gab es eine Ausstellung nordkoreanischer Kunst ich glaub im Jahr 2005, 2006. Das ist natürlich höchst umstritten. Nord-Korea, wie wir wissen, kein Ort des 256 Glück sondern ganz ungeniert ausgesprochen eine brutale Diktatur, die auch entsprechende Kunst gebärt nämlich Propagandakunst und das kann man schnell 257 als negativ bewerten „wie kommt man auf so eine Idee?“. Ich muss aber gestehen, dass ich dann begonnen habe die alten Standard Artikel und Postings von 258 damals auszugraben, das findet sich auch im ewigen Archiv des Netzes, mehr oder minder vollständig und das ist höchstinteressant zu verfolgen gewesen. Das 259 hat ein für und wieder, wie kann man in einer Diktatur ein Fenster aufmachen, ist Propagandakunst nur Propagandakunst oder eigentlich gar keine Kunst oder 260 gibt es doch Erscheinungsformen, die doch eine gewissen Aufmerksamkeit verdienen? Ist das Ganze nur strikt negativ zu bewerten oder gibt es auch positive 261 Aspekte usw. usw. 262 Man kommt dann in ein für und wieder hinein, dass sich, wie gesagt, nicht nur aus dem Artikel selbst ergibt. Wobei natürlich ein guter Journalist das thematisiert 263 und ein guter Journalist dieses Spannungsfeld auch ausleuchtet, aber es wird fast automatisch ergänzt, erweitert und konterkariert von Postings und 264 Leserstimmen und das ergibt ein wirklich hoch elaboriertes Abstecken eines Feldes indem man sich publizistisch bewegt, befriedigend ist, das Anregungen 265 liefert. Das soll ja nicht das selbständige Denken ausschalten oder vorwegnehmen. Aber, das halt ich für eine wirklich sehr positive Entwicklung des 266 Kulturjournalismus in den letzten 10-15 Jahren. 267 268 Welche Rolle spielen da Facebook und Twitter? Gibt es da unterschiedliches Kommentierverhalten? 269

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Ja, ganz klar. Also wie gesagt, Twitter ist eher ein Hinweismedium. Bei Twitter kann man das positiv und negativ gleichzeitig sehen. Man ist gezwungen sich 270 sehr kurz zu fassen. Es fordert eine gewisse „Poigniertheit“ (Präzision). Wenn du es zuspitzen musst, ist es eine sehr knappe Form fast wie Haiku oder so. Bei 271 Facebook kannst du dich natürlich mehr ausbreiten, aber das Medium selbst ist jetzt auch kein ein Medium, wo du seitenlange Elaborate von dir gibst. Das 272 passiert also nicht. Es ist auch ein so Art Meta-Medium, dass dann weiter verweist oder nur in Threads führt. Die können natürlich sehr lang werden, da spielt 273 sich wieder eine andere Form von Diskurs ab. Das kann dir natürlich auch bei einem Blog passieren oder in einem Online-Medium in einem Medium selbst, im 274 Online-Standard oder in der Presse oder auf orf.at, wobei dort haben sie es komplett zurückgefahren, gezwungenermaßen. Diese Form von Diskurs, so 275 oberflächlich der manchmal sein mag, also diese Form von Auseinandersetzung ist etwas was es in dieser Form vor zwanzig Jahren nicht gab. 276 277 Also bist auch dafür für deinen Blog ausgezeichnet worden? 278 Für was ich ausgezeichnet worden bin, weiß ich nicht. (lacht) Komischerweise haben sie den Länderpreis wieder vergeben und es gab keine Onlinekategorie. 279 280 Die Kategorie Online hat es glaube ich zwei Mal gegeben. 281 Es gab heuer keine Kategorie Online, was mich gewundert hat, weil wenn es eine aufsteigende Kategorie gibt, dann müsste es Online sein, während die 282 anderen eher im absteigen sind. Komisch. Aber da müsstest du die Renner-Preis Leute fragen, warum sie keine Online-Kategorie haben. Wofür ich 283 ausgezeichnet worden bin, was weiß ich, Da gab es auch eine Begründungsrede. Ich fand sie ok, obwohl ich immer darauf hingewiesen habe, dass ich kein 284 klassischer Online-Journalist bin. Ich glaube an eine gewisse Dichte an Beobachtungen und so. Ich versteh mich schon auch nach wie vor als Journalist. Ich 285 weiß, es ist eine schizophrene Rolle. Man kann ja nicht gleichzeitig Journalist sein und jemand der Journalismus für sich nutzt. Aber erstens kann ich es trennen 286 und zweitens ist Journalist zu sein auch eine gewisse Grundhaltung gegenüber der Welt, das legt man nicht so schnell ab. 287 288 Die Grundhaltung in drei Sätzen? 289 In drei Sätzen? Sagen wir in 3 Worten: Beobachtung, Protokollierung und Analyse. 290 291 Hat das Social Web Eigenschaften, die diese 3 Grundhaltungselemente besonders fördern? 292 Protokollieren auf jeden Fall, weil du immer wieder auf Dinge hingewiesen wirst aus einem Netzwerk von Informanten, die das teils freiwillig und teils unfreiwillig 293 machen. Es erweitert auch den Nachrichtenstrom. Du bist nicht mehr nur angewiesen von der Zib oder von irgendwelchen Zeitungsabonnements, um etwas 294 von der Welt zu erfahren...oder Teletext. 295 Also die Protokollierung bleibt dir überlassen. Außer du nimmst das Web per se oder Facebook per se als große Matrix her, wo alles protokolliert wird auf 296 irgendeine Weise. Aber das subjektive Protokollieren bleibt immer dir überlassen und auch die Auswahl der Themen. Das ist natürlich auch von der Zeit 297 bestimmt, wie kann man sich dem überhaupt widmen. Du kannst sozusagen jeden Tag das Netz kontrollieren und bewerten, du kannst nur Ausschnitte der 298 Wirklichkeit wahrnehmen, Schlaglichter. Aber es ist eine wunderbare Erweiterung der Protokollierungsmöglichkeit. Es ist aber auch eine wunderbare 299 Erweiterung der Beobachtungsmöglichkeit und der Protokollierungsmöglichkeit. Es ist aber auch eine wunderbare Erweiterung der Analysemöglichkeiten, weil 300 du ja in einem Dialog mit anderen Menschen trittst und dich an denen reiben kannst. 301 Man kann sich auch in einer Blase befinden, die nur deine eigene Meinung bestätigt. Das ist sozusagen eine Gefahr des Netzes, aber das kannst du im 302 persönlichen Bereich auch, wenn du dich immer auf demselben Wirtshaustisch bewegst wirst du nie mit anderen Meinungen konfrontiert werden. Twitter, 303 Facebook & Co sind, wie ich finde, sehr positive Erweiterungen de journalistischen Instrumentariums. 304 305 Wie wichtig ist der Dialog generell im Kulturjournalismus? 306 307 Das hängt immer vom einzelnen Kulturjournalisten ab. Der Typus des im elfenbeinturmssitzenden, einsamen Journalisten, der dann ultimative Bewertungen 308 abgibt: Künstler A gut, Künstler B schlecht, Bild A gut, Bild B schlecht, Musikstück A gut, Musikstück B gut. Das bleibt nicht für unwidersprochen heute und auch 309 das halte ich für eine positive Entwicklung. Also dieser Großkritiker der früheren Zeit, diese ultimative Instanz, die zerbröselt oder ist schon zerbröselt. 310 311 Man liest immer von der Konkurrenz aus dem Web, von den partizipativen Kritikern – ist das ein Problem? 312 Für mich nicht, für andere schon. Wenn du dein Selbstverständnis davon beziehst, dass du deine große Inquisitorenrolle hast, oder diese Generalistische „Ich 313 bin der Literaturpapst“, „der oberste Musikkritiker des Landes“, dann hast du ein Problem, weil es diesen Rollen so nicht mehr gibt. Wenn dann musst du schon 314 so extrem gut sein, dass du alles so subsumieren kannst und gleichzeitig immer noch einen Schritt weiter einen Satz weiter denkst. 315 316 Können wir noch kurz auf das Verhältnis PR und Kulturjournalismus zurückkommen? Hat sich das durch Social Media verändert? 317 Nein. Weil das war früher schon ein schwieriges Verhältnis, ein fragwürdiges...ich kann es nur vom Musikbereich sagen, Musikjournalismus war uns, ist der 318 verlängerte Arm der PR Abteilung der Musikindustrie. So wie man Musikjournalisten in der Weltgeschichte rumgeschickt hat, so wie Interviews aufgelegt 319 wurden. Journalismus ist nicht unkritisch, nicht willfährig, aber doch ist in einer Medienpartnerschaft mit dem Produzenten. Ich hab mich oft gefragt, warum wird 320 da nur interviewt, wenn da ein neues Album erschienen ist. Warum geht man nicht her und macht dazwischen was, wo es kein Produkt gibt, kein Aufhänger im 321 klassischen Sinn. Das ist sehr an Produktzyklen gebunden, an Produkte an sich. Warum ist ein Gespräch mit einem Buchautor interessant, wenn ein neues 322 Buch erschienen ist. Erscheint mir nicht schlüssig. Mann wird einfach begünstigt durch eine gewisse Bequemlichkeit, begünstigt durch Leistungen, deren 323 Promotion und an Öffentlichkeit interessierte Partner einbringt, Flüge, Reisen Interviewarrangements usw. stark an das gebunden. Social Media hat daran nix 324 verändert. 325 Es ist ein nicht unproblematisches Verhältnis und ich kenne wenige Journalisten die es schaffen wirklich aus dem auszubrechen. Damit unterstelle ich nicht, 326 dass jeder Journalist per se gekauft ist, aber es ist eine Begüntigtensituation, die ihre Probleme in sich trägt. 327 328 Und könnte Social Media behilflich sein, weg von dieser Anlassberichterstattung zu kommen? 329 Nein, das glaub ich nicht. Nein, diese Rolle kommt Social Media nicht zu. Das ist eine Frage des professionellen Journalismus, was wollen wir, was wollen wir 330 nicht. Wie ernst nehmen wir uns selbst in der Unabhängigkeit unserer Berichterstattung, auch in einem Nichtpopulismus, auch in einer Nichtbequemlichkeit, 331 auch in einer Nichtkommerzialität. Das sind Fragestellungen von entweder sehr professionellen Journalismus oder Fragestellungen von Leuten, die...ein 332 Kulturblog kann nur eins operieren... Es geht weniger um Social Media, es geht hier mehr um Blogs und Online-Medien, die können da schon was dazu 333 beitragen, das tun sie ja auch. 334 335 Und wie würdest du die Rolle von Social Media für freie Journalisten und ihre Reputationspflege sehen? 336 Ein freier Journalist ist immer noch ein professioneller Journalist. Er versucht davon zu leben oder lebt davon. Insofern unterscheidet sich der freie Journalist 337 nicht vom angestellten Journalisten, wenn er auch freier ist mit allen positiven und negativen Aspekten. Aber das Selbstverständnis eines professionellen 338 Journalisten wird sein... Eines, wenn nicht das Hauptkriterium schlechthin, wird sein „ich leben davon. Das ist mein Erwerbszweig.“ Da spielt Social Medie 339 keine... es spielt schon eine Rolle, aber keine in der Verwertungskette oder nur eine der Sichtbarmachung und der Eigenwerbung, der Zurechtrückung von 340 Dingen... Die wesentliche journalistische Ware, für die du auch Geld bekommst, bleibt die weitgehend den herkömmlichen Medien überlassen, den traditionellen 341 Medien, wobei die online extesion dazu rechnen. Aber ich gehe davon aus, dass du für einen Meinungskommentar, den du veröffentlichst, zunächst und nur 342 exklusiv zum Beispiel im Online-Standard bezahlt wirst. Die Monetarisierung von Meinung und von Schreibkunst, von Journalismus...das wird eins der 343 spannendsten Themen der Zukunft sein, ähnlich wie mit der Musik. 344 345 Wie kann man grob gesagt, vielleicht zusammenfassend, wie haben Social Media Kulturjournalismus besser machen können? Oder haben sie es? 346 Durch die Erweiterung des technischen und kommunikativen Spektrums, so kurz gefasst kann man es sagen. Zu einer Erweiterung, zum Teil auch Lockerung. 347 Hab immer gesagt, dass es keine so erratischen Medien sind. In einer Erweiterung der Diskursmöglickeiten, der Feedbackmöglichkeiten, des Rückkanals, das 348 ist es eigentlich. Viel weiter denke ich da noch gar nicht. Man könnte das schon viel weiter denken und kulturphilosophische Fantasien da entwickeln. Da 349 müssen wir uns aber noch mal zusammenfinden (lacht). 350 351 Aber vielleicht versuchen wir einen kurzen Ausflug in die Zukunft. Was wäre da noch drin? Wie könnte der Kulturjournalismus von Social Media 352 noch mehr profitieren? 353 Eines der vielen Phänomene - auch von Social Media - ist die sehr viel präzisere Zusammenführung von Produzent und Konsument. Des gilt auch für 354 Journalismus. Ich zeige als Konsument auf und sage dieses Thema interessiert mich insgesamt. In traditionellen Medien ist es ja eine Schrotschuss-Geschichte 355 und zwar auch nicht so, dass du die Leute überschwemmst...obwohl bei Gratiszeitungen sollen es auch tun mit irgendwas und es werden sich schon die 356 richtigen Themen für die richtigen Leser finden... tun sie auch in der Menge, das ist ja auch eine Schrotschuss Geschichte... Das sehr gezielte Zusammenführen 357 von Leuten, die eine bestimmte Meinung... der eine bestimmte – gar nicht Meinung, obwohl auch das gibt es... Wenn du den Hr. Fleischhacker, oder, wie heißt 358 der ehemalige Cheredakteur der Presse, er hat auch die Wiener Zeitung gemacht hat? Der seinen Blog macht? Unterberger schreibt einen Blog, den muss man 359

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bezahlen, um den zu lesen. Das ist das Zusammenführen „ich erwarte mir eine bestimmte Meinung, eine bestimmte vorhersehbare Meinung, weil die Meinung 360 von Unterberger ist sehr leicht vorherzusehen zu vielen Themen. Das heißt, ich hole mir Meinung mit der Bestätigung der eigenen Meinung dafür, dass ich den 361 Hrn. Unterberger bezahle oder nur seinen eigenen Blog lese. Das ist eine sehr präzise Zusammenführung von Produzent und Konsument. Aber ist eigentlich 362 komisch nur Meinungen abzuholen, die einen bestätigen. Aber vielleicht ticken eigene Menschen so, vielleicht weil es auch bequem ist und der 363 Meinungsvorschub leistet die eigene Meinung wäre die richtige Meinung. Wenn man eher an Diskurs und Auseinandersetzug interessiert ist, geht es genauso. 364 Auch bei simpler Berichterstattung kannst du dir genauso viel präziser, viel nischenhaftere Medien suchen, die die direkte, netzgebundene Zusammenführung 365 von Produzent und Konsument bekommen. Ich kann sehr leicht in einem Raster vorkommen, als jemand dem der Sportteil niemals in seinem Leben 366 interessiert hat, aber dafür die Kulturberichterstattung. Damit bin ich schon in einem elektronischen Raster drinnen, ohne jetzt die Matrix und die Algorithmen zu 367 kennen, die hier Angebot und Nachfrage zusammenführen. Sie findet statt. Deshalb gibt es sehr viele Möglichkeiten mit allen Vor- und Nachteilen. Der Vorteil 368 ist, ich bekomme sehr präzise Informationen, Meinungen und Diskurs in etwas, so wie ich es mir vorstelle und erwarte. Der Nachteil ist, ich werde vielleicht 369 wieder, weil es zu eng fokussiert ist und keine Überraschungen mehr in sicht birgt, befinde ich mich wieder in so einer Schleife der Selbstreflexion und des 370 Erwartbaren. 371 372 Was kann das Social Media in Zukunft für die Recherche und für die Distribution bzw. was wäre noch möglich was Medien jetzt noch nicht nutzen? 373 Da kann keine ernsthafte Meinung dazu geben, weil das ein sehr dezidiertes Forschungsgebiet wäre. Ich bin ja auch nur ein leichtfüssig wandernder 374 Konsument und Produzent und nutze es heutzutage nach Lust und Laune. Ich benutze weder die Analalyseinstrumente von Social Media, wie das 375 Werbeagenturen und Social Media Experten inzwischen tun. Die haben sehr präzise Auswertungsmöglichkeiten, woher kommen Leute, woher gehen sie, was 376 lesen sie, worauf reagieren sie etc. das interessiert mich alles soweit nicht. Oder wenn da nur in einem professionellen Umfeld, weil du das mitliefern musst, 377 weil es um Feedback und um Effizienz geht. Das ist Marketing, das sind Marketingtools. Mich interessiert am meisten der Inhalt und Social Media. Das sind fast 378 wie Geschmackverstärker, oder Botenstoffe in der Lebensmittelchemie. 379 380 381 382

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INTERVIEW E 1 Dezember 2012 2

3 4 In welchen Bereichen des Kulturjournalismus ist das Social Web wichtig und welchen nicht? 5 Ich denke, das Social Web kann für alle Bereiche seine Wichtigkeit haben. Bei mir ist es definitiv etwas, was mir Informationen über Dinge, die ich womöglich 6 dann einmal behandeln werde, bereits zuträgt, lange bevor es die Plattenfirma tut, weil es einfach im Web auf Tickern usw., wo ich halt teilweise eh Künstler, 7 die mich auch interessieren, schon verfolge. Die zum Beispiel persönlich sagen: „Hey, mein Album kommt dann und dann.“. Das ist der Erfahrung nach Monate 8 bevor die österreichischen Plattenfirmen überhaupt wissen, dass es passiert. Was auch vielleicht ein speziell österreichisches Problem ist. Es ist aber eine 9 Tatsache, dass man einen Informationsvorsprung hat, den man, wenn man es einmal gesehen hat, nicht mehr missen will. Nämlich um zu sehen, was passiert. 10 Gleichzeitig dann auch von einer gewissen Peer-Group, der aus der eigenen „Googleschen Blase“, wenn man so will, schon ungefähr auch sieht, was 11 besonders viele Leute interessiert und damit auch schon ein bisschen vielleicht auch einschätzen kann, was jetzt die am brennendsten wahrgenommen Sachen 12 sind. Auch wieder jetzt auf musikalische Projekte oder auf andere bezogen. Und schlussendlich sind die sozialen Medien dann auch ein wichtiges und gutes 13 Tool, um das, was man gemacht hat, auch wieder zu verbreiten. Ja, für mich ist es mittlerweile für den Kulturjournalismus ein rundum ein wichtiges Umfeld. 14 15 Glaubst du, dass es in der Musik wichtiger ist als beispielsweise in der Literatur oder Kunst? 16 Generell ist es eher ein Generationending, weil du eben als Ö1-Literaturjournalist vielleicht jetzt nicht ganz so viele Leute erreichst. womit ich mich beschäftige 17 ist halt auch sehr netz- und social-media-affin. Das heißt: Da spielt sich auch in dem Bereich viel ab. Es gibt sicher genug Autoren, die auch Twitter haben, wo 18 man auch wieder wichtige Infos bekommen könnte oder interessante Extra-Zugänge. Aber ich glaube, dass es schon auch daran liegt, dass man in dieser Hip 19 Hop-bis Elektronikmusik, die Leute, die es machen und die Leute, die es hauptsächlich konsumieren, auch alle ziemlich aktiv in den sozialen Medien tätig sind. 20 Deshalb ist es bei mir auch besonders ein wichtiger Punkt. Ich nehme an, für Operettenredaktion dort oben beim Ö1 wird das nicht so einen starken Stellenwert 21 bei ihrer Recherche- oder auch Verbreitungsarbeit haben. 22 23 Du redest von Hip Hop, aber auch von anderen Genres? 24 Ja, auch elektronische Musik. Letztlich trifft es generell Sachen, die unser Medium betreffen. Auch Indie-Rock usw. Es gibt für alle diese Sparten, auch Pop-25 Musik, die schon groß ist, ein mehr oder weniger jugendliches Publikum anspricht. Da ist das Publikum einfach viel netzaffiner. Logischerweise. 26 27 Was ist der Unterschied zwischen Mainstream-Pop und Deinem Bereich? 28 Kann ich jetzt nicht sagen. Ich glaube, wahrzunehmen ist es bei Independent-Sachen. Dadurch das die Künstler und Labels näher an den Fans ist. Da ist eine 29 viel stärkere Verbundenheit da. Weil es da um Interaktion mit vergleichsweise weniger Leuten geht, können die besser darauf eingehen und schaffen es gut, 30 greifbar zu wirken und somit auch ihre Fans nahe zu halten. 31 32 Dann gehen wir in den speziellen Teil und fangen mit der Recherche an: Was sind die fünf wichtigsten Social-Web-Angebote oder –Dienste, die du 33 für die Recherche benötigst? 34 Um über Musik zu stolpern ist für mich SoundCloud essentiell. Was mir gerade wieder klar wird, da wir in der Technischen Abteilung einen Murks haben, wo 35 das nicht funktioniert. 36 37 Vielleicht kannst du es priorisieren, von oben nach unten. 38 Am wichtigsten für mich ist schon SoundCloud, denn das ist der Musik-Stream, wo ich jeden Tag in der Früh mal reinschaue, was da an neuen Sachen passiert 39 ist. Wo Musiker ihre teilweise exklusiven Songs oder diese Sachen, die sie veröffentlichen, reinstellen. Dann eben, wo man eh teilweise von dort wieder 40 zurückkommt, ist Facebook oder Twitter, diese ganzen allgemeineren Informationskanäle. Das sind eigentlich eh die Hauptdinge, wenn ich mal so überlege. Ich 41 gehe jetzt nicht aktiv auf YouTube auf Suche nach Musik, sondern weil ich von jemanden dorthin verwiesen wurde. Und dann, abgeschlagen, kommen dann 42 schon noch Sachen per E-Mail, zum Beispiel von unserer Redaktionskoordinatorin für Musik, die sagt: „Da gibt es diesen oder jenen Release. Willst du nicht 43 etwas darüber machen?“. Und von den Plattenfirmen auch die Promo-Pakete und Informationen. 44 45 Wenn du SoundCloud nutzt, wie nutzt du es genau? 46 47 SoundCloud ist im Endeffekt nicht nur für Musik, sowohl für Fans als auch für Musiker. Man kann dort einfach auch, wie bei Twitter oder ähnlichem, sagen, 48 diesen oder jenen Leuten folge ich und dann bekomme ich einfach einen Liste von schnell abspielbaren Playern geliefert mit den neuesten Sounds, die über 49 Nacht oder in den letzten Tagen reingekommen sind. Das läuft quasi auch durch, in den neuen Versionen. Man kann dort einfach mal auf Play drücken und 50 hören. Wenn das Gehörte einen fasziniert, dann merkt man sich den Namen des Künstler und schaut einfach, ob es einen Download gibt. Kann ich das für die 51 Sendung verwenden? 52 53 Du nutzt es dann dafür, dass du es in deiner Sendung abspielst oder willst du dann schon Rezensionen darüber abschreiben. Schreibst du direkt 54 von dort über die Songs oder Alben Rezensionen ohne Plattenfirmen? 55 56 Kann auch passieren. Im Normalfall ist es eine Erstinformation, dass es das gibt. Via SoundCloud. Dann kommt es auf das Radar. Dann erwarte ich noch, dass 57 es den Sound auch gibt. Natürlich gibt es mittlerweile komplette Netzreleases, die wir auch genauso wahrnehmen wie normale Alben. Aber eben, 58 normalerweise ist es noch selten vorgekommen oder gar nicht, dass ich einen SoundCloud-Track höre und dann eine Rezension darüber schreibe. Wobei ich 59 weniger schreibend unterwegs bin. Vom Volumen her mache ich zwei Stunden Radiosendung, wo ich halt rede, eher ungescripted Man könnte es schon auch 60 Rezension nennen. Wenn ich einen Song spiele und wenn ich ein paar Zeilen dazu erzähle, werde ich schon meine Meinung dazu einbringen. Das ist aber 61 keine geschriebene Rezension. Das kann aber mit einem Song von SoundCloud auf jeden Fall passieren. Das fließt auf jeden Fall ganz stark ein. Was ich 62 vorher vielleicht noch vergessen habe: Es gibt auch gewisse Fach-Blogs, die ich durchackere vor der Sendung, was so zum Beispiel bezüglich amerikanischen 63 Mainstream-Rap in den letzten Wochen passiert ist. Da gibt es auch eine gewisse Aufstellung. 64 65 Welche Blogs siehst du dir dann an? 66 Es gibt verschiedene: TwoDopeBoys, Nahright.com. teilweise haben die eh auch SoundClouds, teilweise auch Aktivitäten, wo man etwas über das auch 67 mitbekommt. Das sind die zwei häufigeren Sound-Blogs. Ansonsten würde ich vielleicht auch über Twitter oder Facebook auf irgendwelche Blogs kommen, die 68 ich aktiv ansteuere. Da gibt es auch noch 92bpm. Das ist eher eine elektronische Beat-Geschichte. Also das sind die häufigsten, die aktiv ansteuere. 69 70 Und österreichische Blogs? 71 Im Supercity-Blog schau ich auch immer wieder rein. Wobei da nicht so viel passiert in der letzten Zeit. Und dadurch, dass ich eh auf Facebook mit Künstlern 72 auch connectet bin, kommen die meisten Sachen, die auf Supercity gepostet werden, schon vorher über deren normalen Screen. Es ist also relativ selten, dass 73 ich dort etwas finde, dass die betreffenden Personen nicht vorher schon geschrieben oder vorgestellt hätten. 74 75 Gibt es in Österreich Angebote bzw. Blogs, die relevant sind? 76 Österreichische Blogs lese ich eigentlich keine regelmäßig. Supercity schaue ich auf jeden Fall rein. Es gibt einen, der heißt Hillbilly-Blog, das ist aber auch von 77 einem Bekannten von mir. Der Abilly Tee, ein DJ. Letztendlich komme ich aber auch über seinen Facebook Account dorthin. Blogs sind nicht essentiell. 78 79 Wie sieht es konkret in Bezug auf Facebook aus? Das heißt du bekommst sehr viele Infos auf Facebook von Freunden. Wie nutzt du diese für die 80 Recherche? 81 Es ist nicht so, dass ich groß Fragen in den Raum stelle, die ich dann redaktionell bearbeite. Das heißt: Dieses Crowd-Research-Ding mache ich eigentlich 82 nicht. Das hat auch für meine Arbeit nicht so eine Relevanz, da ich normalerweise nicht groß Sachverhalte recherchiere. Sondern ich stelle halt Dinge vor, die 83 musikalisch und kulturell passieren. Da brauche ich im Normalfall keine Ideen oder Meinungen von anderen Leuten. Ich sehe halt von hunderten oder bisserl 84 mehr als tausend Leuten, Dinge die sie interessieren und daraus bekommt man schon einen gewissen Input, was interessiert ist. 85 86 Verwendest du auch Themen aus diesen Inputs? Bringen sie dich auf neue Ideen oder Künstler? 87 Bestimmt. Songs, die ich entdecke, das passiert auf jeden Fall. Teilweise auch Künstler, von denen ich noch nie gehört habe. Es ist schon etwas, so blöd es 88 auch klingt, wenn man einen Namen mehrmals gelesen hat, erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass man sich das auch mal in Ruhe anhört. Wenn ich das von 89 mehreren Leuten, deren Musikgeschmack ich schätze, höre, dann ist es auf jeden Fall etwas, dass ich mich interessieren könnte. 90 91 Also nimmst du die Meinungen oder Empfehlungen eher von denen ernst, denen du auch vertraust? 92 Natürlich, das ist gewichtet. Ich lese viel, mir das meiste durch. Es gibt ja Leute, mit denen man in total vielen Bereichen super zusammenkommt, aber in Bezug 93 auf den Musikgeschmack nicht so gut harmoniert. Dann werde ich von denen die Empfehlungen nicht so religiös verfolgen als von jemanden, von dem ich weiß, 94 dass wir in Bezug auf den Musikgeschmack gut zusammenpassen oder dass die Person interessante Dinge anschiebt. 95 96 Und mit Twitter? 97 Dito. Da kommt in dem Fall auch interessanterweise von Künstlern oder Künstlerinnen meistens direkt der Intput. Da hat man einen ganz direkten Draht, was 98 die sich öffentlich denken. Es gibt manche, die haben echt Sprechdurchfall. Man muss man halt schauen, wie lange man sich das anschaut oder wie lange das 99

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interessant ist. Aber es ist immer ein interessanter Einblick, was Künstler, die einen interessieren, gerade so beschäftigt. Das ist dann schon interessant. Bei 100 Leuten, mit denen ich kein Interview habe, würde ich auf jeden Fall auch genau ihre Twitter-Timeline durchlesen. Dadurch ergeben sich oft auch automatisch 101 Dinge, die die Personen in letzter Zeit beschäftigt haben. Wo man sicherlich auch noch das eine oder andere Gesprächsthema kommt, das einen von selbst 102 nicht aufgefallen wäre. Manchmal offenbaren sich womöglich auch noch irgendwelche Privatobsessionen, die man aus dem Pressetext von der Plattenfirma 103 eher nicht lesen kann. 104 105 Liest du für Interviews auch über Rezensionen, schaust du dann auch auf die persönlichen Infos? 106 Ja, das mache ich auf jeden Fall. Weil es zugänglich ist, ist es eine interessante Zusatzinfo. 107 108 Gibt es einen Unterschied zwischen Facebook und Twitter bezüglich dieser Unmittelbarkeit? 109 Ja schon. Ich habe das Gefühl, das die meisten Twitter noch ungezügelter verwenden als Facebook. Facebook ist eine offizielle Fanseite, ist mehr ein 110 Verkündigungsding. Hat vielleicht ein bisschen mehr einen offiziellen Charakter, während auf Twitter die Leute 20, 25 Meldungen pro Tag herausschießen, die 111 einfach eher Witze oder sonst irgendetwas sind. Ich habe das Gefühl, dass die meisten Leute weniger auf Facebook schreiben. Eher pointiert die Sachen, die 112 wichtig sind. Und auf Twitter auch Nebenbemerkungen herauskommen. Twitter ist auf jeden Fall wesentlich weniger kontrolliert. Manchmal auch zum Negativen 113 der Künstler, sie sind dort nicht sehr gezügelt. Aber das ist ja auch für uns Medien umso interessanter. Ich halte nichts davon, solche Zugänge auszuschlagen. 114 Diese Twitter-Skandale finde ich recht langweilig. 115 116 Aber du schaust dir das schon an? 117 Natürlich schaut man sich das an. Aber ich bin nicht jemand, der aus einem „Twitter-Beef“ eine Geschichte schreiben würde. Ich wüsste nicht einmal, ob ich so 118 etwas schon einmal erwähnt habe. 119 120 Und YouTube? Was hältst du von YouTube für die Recherche? 121 Eben schon, wenn man ein Interview oder eine Geschichte vorbereitet, dass man sich kurz die Sachen schnell anhören kann. Mit wenigen Klicks. Ich bin 122 normalerweise aber nicht auf YouTube selber groß auf der Suche. Es gibt eine gewisse Art der privaten Nutzung, beispielsweise etwa ein Song, der einem 123 gefällt oder den man interessant findet, wo man dann schaut, was die Empfehlungen davon sind. Wenn man versucht, sich in die Sachen eines älteren Künstler 124 reinzuhören, ist es ein gutes Tool. Künstlernamen eingeben und ein bisschen durchschauen. 125 126 Die Empfehlungen von ähnlichen Songs/Künstlern? 127 Können schon etwas bringen. 128 129 Als Musikplattform ist also SoundCloud das Wichtigste?. MySpace scheint verschwunden? 130 MySpace kommt wieder zurück. MySpace war 2008-2009 das Pendant dazu, ja. Dann ist es eben ein wenig von Spam, usw. überrollt worden. Jetzt gibt es 131 gerade einen interessanten Relaunch, der sich noch stärker auf Musik setzt. Und das könnte, wenn es öffentlich wird, eine sehr interessante Plattform werden. 132 Schaut sehr gut aus, bedient sich sehr gut und ist darauf aufgebaut, dass man sich selber Songs bzw. Mixtapes zusammenstellt. Dadurch, dass die Künstler 133 über die Jahre viele Songs raufgeladen haben, gibt es eine ziemlich gute Datenbank an Songs. Und die haben sie offensichtlich weiterhin. Ich glaube schon, 134 dass das auf jeden Fall wieder einen Impact haben wird. Ich glaube jedoch nicht, dass es SoundCloud ersetzen wird, aber es wird ein interessantes Angebot. 135 Es kopiert auch ein wenig Bandcamp, um eine soziale Komponente miteinzubringen. Wo man sich auch sehr gut als Künstler Musik direkt verkaufen kann ohne 136 Zwischenhändler. Und dann fangen sie auch im Beta an, dass man ein Fanprofil hat, wo man sagen kann, dass man diese oder jene digitale Platten gekauft hat 137 und Leute reagieren darauf mit irgendwelchen Geschmäcker. 138 139 Gibt es weitere Social Web Plattformen, die du nutzt? 140 Nein, eigentlich nicht. 141 142 Was sind die größten Vorteile von Recherche im Social Web? 143 Eben, dass man überhaupt auf Themen dadurch aufmerksam wird. Weil halt Leute darüber sprechen und es dann sichtbar wird. Bei Twitter, dass der direkte 144 Einblick in den Kopf dieses oder jenes Künstlers ermöglicht wird. Manche nutzen das sehr unterschiedlich. Natürlich gibt es viele, wo es zur Recherche 145 uninteressant ist. Bei anderen wiederum: Flying Lotus hat sich beispielsweise am Release-Tag das angehört und hat sich Notizen dazu geschrieben. Das ist ein 146 wenig analog zum DVD-Audio-Kommentar, wo der Regisseur noch dazu erzählt, was da alles passiert ist. Das ist schon sehr interessant. Nachdem ich die 147 Radio-Geschichte zu dem Album gemacht habe, habe ich für eine Web-Geschichte, die leider nie passiert ist, die ich aber schon in Evidenz hatte, mit Storify 148 schön aufbereitet. 149 150 Gibt es weitere Vorteile? 151 Die Unmittelbarkeit. Das ist das große Ding. Dass wir in den letzten Jahren nicht mehr darauf angewiesen sind, dass uns Plattenfirmen oder Promotion-Leute 152 etwas zutragen. Da kann man dann selber alles abgrasen und auch obskure Dinge finden. Von Künstlern, die sich Promotion oft nicht leisten können, aber in 153 dem Sinne machen. Die haben aber ihre Msuik irgendwo online und ich stolpere über eine Empfehlung darüber. Da findet man dann womöglich etwas 154 Faszinierendes. Im Idealfall kann man mit den Personen in Kontakt treten. Es macht es wesentlich leichter, die Arbeit mit Indie-Bands und Artists, die bei uns 155 den großteils des Geschäfts ausmachen. 156 157 Spielt es auch eine Rolle für die Kontaktaufnahme für Interviews. 158 Wenn ich Österreichische Künstler in der Sendung habe, dann sieht man das auch über Facebook-Nachrichten. Da habe ich die oft schneller bei der Hand, als 159 man es bei Forum hat. 160 161 Welche Nachteile bringt die Recherchearbeit im Social Web? 162 Man kann sich leichter verzetteln. Es ist generell ein Zeitkiller. Man kommt in eine Zone, wo man sich auch mal einen Blödsinn anschaut, weil es interessant 163 wirkt. Es ist dem Fokus nicht sehr zuträglich. Wenn man in Wohnzimmer sucht, findet man auch immer kurze Lacher oder Blödsinn, verwendet aber auch seine 164 Zeit dafür. Es ist schon der größte Nachteil, dass es ein Zeitkiller ist. 165 166 Wie ist es mit der Sicherheit der Quellen. Hast du dazu einen methodischen Zugang? 167 Das ist vielleicht der Unterschied zu hartem Journalismus. Es geht ja bei uns selten darum, dass man mit einem Zitat, dass man auf Twitter findet, groß darauf 168 aufhängt. Ich nehme halt die Funktion daher und versuche es irgendwo anders zu verifizieren. Ich werde nicht aufgrund von einer Twitter-Aussage von 169 irgendjemand daraus irgendeine redaktionelle Aussage machen. 170 171 Mit anderen Medien connectet? Schaut man durch die Vernetzung mit den Kollegen mehr auf das Angebot der Konkurrenz als früher? 172 Ich schaue mir schon Playlists von anderen Sendungen an. Vor allem international. Weil das auch eine interessante Quelle ist, um Musik zu entdecken und 173 teilweise höre ich mir die Sendungen auch an. Aber es ist nicht so eine Konkurrenz-Sache, sondern ich tue das eher nebenher. Wenn ich weiß, die haben einen 174 DJ in L.A. oder in Belgien. Der kriegt halt immer die Sachen recht schnell und hat einen Geschmack, der mir recht entgegen kommt. Dann schaue ich mir 175 dessen Playlist genauer an oder höre mir die Sendung – wenn ich Zeit habe – auch ganz an. 176 177 Die er dann auf Facebook stellt? 178 Mixcloud ist auch sehr interessant, was ich zuvor nicht erwähnt habe, ich aber auch aktiv oft reinschaue. Das ist eine Plattform, die für DJ-Mixes oder ganze 179 Radiosendungen gedacht ist. Wo man unlimitiert, ohne, dass man ein Upload-Limit hat, Sendungen reinstellen kann. Aber nur zum Streamen, dort gibt es keine 180 Downloads. Dort stellen viele Radioleute ihre Sendungen rein. 181 182 Durch die Vernetzung mit Journalistenkollegen bekommt man bekommt Infos quasi live mit. Beeinflusst das? 183 Auf jeden Fall, definitiv. Da gibt es zwar kein direktes Konkurrenzverhältnis, aber man kennt die Printleute oder andere, die sagen, dass sie jetzt auf einem 184 Promotag von Künstler XY waren. Es ist leichter, man hat das Gefühl, in seinem kleinen Bereich am laufenden zu sein. 185 186 Wie wichtig ist die Beziehung zum Publikum, besonders im Kulturjournalismus? 187 Sehr wichtig. Es ist sinnlos, ein Social-Media-Angebot zu haben, dass ein reines Verkündigungs-Angebot darstellt, denn dafür braucht man das Social-Media-188 Angebot nicht. Wenn du beschließt, du willst dort einsteigen bzw. etwas darin machen, musst du natürlich auf Dinge, die in deine Richtung gesagt oder 189 geschrieben wird, auch reagieren. Mittlerweile ist es nun so, dass auf der Facebookseite der sendung viele Leute Links auf das Profil klatschen, die nicht direkt 190 nach außen sichtbar sind. Es gibt aber eine Extrabox mit Dingen, die Leute geschrieben habe. Die versuche ich auch alle anzusehen, wobei ich nicht auf jedes 191 Einzelne reagiere. Wenn Leute dort nur einen Flyer abgeladen haben, ist es auch eine Art von Spam. Wenn aber jemand eine Anfrage an uns schickt, dann 192 werden wir die auch beantworten. 193 194 Gibt es auch interessante Hinweise, auch wenn die nur Tipps für Konzerte sind? Die du so nicht empfangen hättest? 195 Da ist es eher schon so, dass Künstler selbst versuchen noch einmal an uns heranzutreten mit ihren eigenen Sachen. Werden wir uns auch anhören, ist aber 196 oft etwas, dass man auch anderswo sehen kann. 197 198

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Darfst du mit Deiner Sendung eine eigene Facebookseite haben? Und nur der Sender darf keine eigene haben? 199 Mittlerweile darf es die Facebookseite des Senders auch wieder geben. Die hat es mal einen Tag lang nicht gegeben. Es ist aber alles in der Schwebe. Wir 200 hoffen natürlich, dass es irgendwann geklärt sein wird, dass wir das schon dürfen. Weil für mich persönlich ist es schon ein wichtiger Teil der Interaktion und 201 Verbreitung des Programms. Der Stream, der eine Woche lang auf der Facebookseite steht, ist mindestens gleichwertig mit der Live-Sendung am Donnerstag 202 zu sehen. Viele Leute können nicht gezielt zu einer Zeit Radio hören, weil es nicht mit ihrer Tagesplanung zusammenpasst. Dann hören sie sich das am 203 nächsten Tag oder fünf Tage später an. 204 205 Was für eine Rolle spielt Twitter für die Interaktion? 206 Es wird nicht so viel Interaktion mit dem Radiopublikum betrieben Mehr mit den Leuten, mit denen ich über Twitter kommuniziere. 207 208 Was sind das für Leute? 209 Es ist schwierig einzugrenzen. In Twitter passiert in meinem persönlichen Umfeld relativ wenig. Wenn, dann sind das eher weniger Publikumsreaktionen auf die 210 Sendung. Das sind eher Sachen, die ich mehr als Musiker benutze, obwohl ich schon auch meine Artikel reinstelle oder auf meine Sendung hinweise. Aber auf 211 Twitter passiert von meiner Seite nicht so viel. Für die Radioarbeit ist Facebook natürlich günstig. 212 213 Schreibst du selbst einen Blog? 214 Nicht direkt. Ich schreibe auf der Webseite Artikel, die blogartig angelegt sind. Da ist die Schwelle eine größere. Ich würde jetzt nicht, was ich eh schade finde, 215 einen kurzen Blog, beispielsweise einen Dreizeiler, mit einem Video posten. Das passiert leider nicht. Für so eine Kurzform haben wir auf der Webseite leider 216 kein adäquates Medium. Weil das würde bei mir dazu führen, dass ich öfters etwas schreiben würde. Auf der Webseite ist das Format der lange, ausführlicher 217 Artikel. 218 219 Bezeichnet ihr das als Blog? 220 Die Webseite wird nicht als Blog bezeichnet. Es ist halt schon so, vom Format her, wie das zum Beispiel Robert Rotifer macht, hat das schon einen Blog-221 Zugang, weil es von persönlichen Beobachtungen auf größere Dinge geht. 222 223 Facebook, Twitter, Was gibt es sonst so, was wichtig ist. Besonders für die Interaktionen? 224 Manche Leute schreiben halt einfach eine E-Mail. 225 226 Wo liegen dort die Vorteile für dich? 227 Dass ich schnell sehr öffentlich auf Sachen antworten und eingehen kann, wenn jemand Fragen hat. Teilweise können wir bei unserer Facebookseite dann 228 wirklich live auf Fragen eingehen können. Haben dort Sachen verlost, haben wenn irgendetwas gefragt wird, das gleich über das Radio gleich beantwortet. Das 229 ist ein sehr direkter Zugang. 230 231 Gibt es auch Feedback? 232 Eher Lob als Kritik. Kritik ist eine Sache, die kommt wenn dann eher über E-Mail. Auf unserer Facebookseite könnte ich mich an kein einziges Beispiel erinnern. 233 Aber natürlich nehme ich das ernst. Und wenn es eine schwerwiegende Kritik ist; der einzige Fall, der schon wieder Jahre her ist: Wir haben eine klassische 234 New Yorker Hip Hop-Nummer gespielt, wo ein herabwürdigender Ausdruck für Schwule verwendet wurde. Das hat irgendwer gehört und hat sich beleidigt 235 gefühlt. Dann haben wir uns entschuldigt, weil das eben eine Sache ist, wo wir uns völlig davon distanzieren und abgrenzen. Aber wir können auch nicht jeden 236 Song von vorne bis hinten auswendig. Zu wissen, ob im 3. Vers, vierte Zeile, irgendein Wort vorkommt, dass irgendjemanden beleidigen könnte, ist nicht 237 möglich. Wir versuchen das halt zu vermeiden. 238 239 Fördert das auch mehr die Auseinandersetzung mit der Kunst selbst? 240 Ich glaube, was soziale Medien gefördert hat- ob man es mag oder nicht - ist, die persönliche Meinung aufzuwerten. Ich bin manchmal genervt davon, wie viele 241 Leute glauben, dass ihre persönlichen Meinungen wichtig sind und da schließe ich mich mit ein. Ich glaube nicht, dass meine Meinung immer für jeden 242 essentiell wichtig ist. Das ist eben nur meine Meinung. Soziale Kanäle werden viel schneller und gerechter verstärkt und die persönliche Meinung erhält eine 243 größere Wichtigkeit. 244 245 Welche Probleme entstehen dadurch? 246 Deine Meinung ist ja auch deine Meinung. Dadurch, dass du die irgendwo ausbreiten kannst, hast du vielleicht ein größeres Medium dafür als du sonst hättest. 247 Wie gesagt, es hat auch viele Vorteile, aber mir ist manchmal dieses rechthaberische Ding, dass damit einhergeht, ein wenig suspekt. Man soll sich nicht so 248 wichtig nehmen. 249 250 Gibt es außerdem irgendwelche? Wendest du mehr Zeit auf, um dich den Reaktionen zu widmen? (III: 9:38) 251 Natürlich. Davor gab es wenn dann ein, zwei E-Mails. Jetzt gibt es definitiv mehr Interaktion. Die Playlist und die Links zum Stream in das Internet zu stellen 252 sind natürlich ein wenig Extraarbeit. Aber es ist extrem wichtig und bringt auch etwas. Dann macht man das auch gerne. 253 254 Wenn du die Sendung vermarktest oder selber Inhalte publizierst, was machst du dann genau? 255 Nach der Sendung, am nächsten Tag um die Mittagszeit, laden wir die Sendung zum Streamen rauf. Das wird auch in Zukunft automatisch passieren. 256 Momentan geschieht das noch händisch. Den kann man dann eine Woche nachhören. Wir stellen dann diese Information mit der kompletten Playlist als Notiz 257 auf unsere Facebookseite. Bewerbungen im Vorfeld machen wir ohnehin überall. Zu den kommenden Studiogästen stellen wir auch mal Videos oder Songs 258 rein. Das passiert aber alles eher auf Facebook. 259 260 Gibt es News oder Meldungen, die mit der aktuellen Sendung nichts zu tun haben? 261 Ja, das kann natürlich auch sein. Wenn uns ein Künstler besonders begeistert oder wenn mir gerade eine großartiges Video oder irgendetwas auf SoundCloud 262 unterkommt, stelle ich das auch rein. Das geht natürlich auch damit einher, dass ich das in den nächsten Sendungen mal spiele. Wenn jemand, der letzte 263 Woche im Interview zu hören war und dann etwas Neues veröffentlicht hat, stellen wir das natürlich auch rein. Vor allem YouTube-Links, SoundCloud-Links, 264 Bandcamp-Links. Bandcamp-Links bevorzugt, weil dort die Hörer direkt Songs runterladen können, vielleicht auf kaufen. Dabei ist das schon wieder eine Art 265 Grauzone, ob wir überhaupt Shops verlinken dürfen. 266 267 Wenn du Geschichten schreibst, wie verbreitet die? 268 Auch wieder je nachdem, wie sehr sie mir am Herzen liegt. Im Normalfall schon auf Facebook und auch auf Twitter. Wobei die Reaktionen auf Facebook 269 wesentlich die stärkeren sind. Auf Twitter, die Leute, die auch mir folgen, sind mehrheitlich englischsprachig. Die können mit einer deutsch geschriebenen 270 Geschichte wenig anfangen. Hin und wieder kriegt man sogar Feedback von den Künstlern selber, weil die auf Twitter eine Suche eingeschalten haben. Die 271 wundern sich dann, warum das auf Deutsch geschrieben würde. Die Google-Übersetzung ist dann auch nicht so präzise, dass man weiß, was damit gemeint 272 wurde. Aber Feedback geschieht eher auf Facebook. 273 274 Beeinflussen die formalen Eigenschaften von Facebook die Sprache, wie Du die Leute anredest? 275 Bei Facebook weniger. Wobei man schnell lernt, dass die Leute dort ganz niedrige Aufmerksamkeitsspannen haben. Wenn man etwas Langes schreibt und 276 man erst beim Anklicken von „Mehr“ zum Link gelangt, kommen die Leute über das „Mehr“ gar nicht hinaus. Man versucht schon innerhalb der ersten 140 oder 277 160 Seiten die Kernaussage zu verpacken. Auf Facebook sind Videos eher wichtiger, weil die Leute rein auf Texte kaum reagieren. 278 279 Redest du die Leute per Du an? Gibt es direkte Ansprache? 280 Ja. Normalerweise schicke ich eher Sachen aus, ohne persönliche Anrede. Aber generell herrscht schon ein globales Du-Wort-Prinzip. 281 282 Kurzfassung, Vorteile vs. Nachteile der Verbreitung von Inhalten. 283 Ja, der einzige Nachteil ist die extra Zeit, die dafür draufgeht. Das wird aber dadurch aufgewogen, dass du deine Inhalte weiterverbreitet kannst, die im Idealfall 284 noch einmal weitergesharet werden und damit ein größeres Publikum erreichen kannst. Das ist es eigentlich eh. 285 286 Blicken wir noch einmal auf den Wandel: Wie hat er deine Arbeit verbessert bzw. inwiefern hat sich der Kulturjournalismus verbessert? 287 Dass man einen direkteren Zugang zu den Themen hat bzw. viel schneller etwas auf den Schirm bekommt, was bald passieren wird in seinem spezifischen 288 Bereich. Man hat auch einen direkteren Zugang zu den Künstlern und kann noch direkter deren persönliche Aussagen beispielsweise über Twitter lesen. Man 289 ist einfach an den Themen direkter dran, ohne dass die jemand aufbereiten muss. Man ist nicht auf nationalen Plattenfirmen angewiesen, da die 290 österreichischen relativ wenig Interesse haben bzw. relativ wenig Manpower aufbringen. Bei uns sind die Verkaufszahlen so unerheblich, dass auch die 291 Plattenfirmen nicht mit viel Elan pushen. Das erleichtert mir auf vielen digitalen Kanälen die direkte Interaktion. 292 Im Zusammenhang mit dem abrufbaren Stream ist das Einzugsgebiet von einer Radiosendung wesentlich erweitert worden. In den letzten Jahren, dadurch, 293 dass es diesen Stream zu Nachhören gibt, den Livestream und dadurch dass viele deutsche Künstler bei uns mitwirken, haben wir auch in Deutschland mehr 294 Publikum als es zuvor noch der Fall war. Bis kurz nach München haben wir es nicht mehr mitbekommen und nun weiß man innerhalb eines bewussten Zirkels, 295 welche Sendung wir machen. Im deutschsprachigen Raum. 296 297

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Gibt es sonst noch Argumente oder Gründe? Hat es die Arbeit verbessert? 298 Bei mir uneingeschränkt auf jeden Fall. Die Möglichkeit, auf Dinge zu stoßen, hat sich sehr erweitert. 299 300 Wenn man nun das Verhältnis von PR und Kulturjournalismus betrachtet: Hat sich sonst irgendetwas verändert? 301 Wäre mir so nicht aufgefallen. Vielleicht gibt es Kollegen und Kolleginnen, die dadurch, dass sie wissen, dass es die Künstler selber mitbekommen können, 302 zahmer berichterstatten, aber das kann ich für mich nicht sagen. Es macht die PR-Arbeit insofern leichter, dass man die Arbeit nicht per Post herschickt, 303 sondern verlinkt. Wir haben das Zeug eigentlich schnell. 304 305 In Bezug auf zahme Berichterstattung: Verändert sich das Verhältnis zum Künstler selbst, wenn man mit ihm befreundet ist? 306 Bestimmt. Das lässt sich in einem Land wie Österreich auch nicht vermeiden. Insbesondere wenn man auch selbst Musik macht. Dadurch ist man auch mit 307 einigen Leuten befreundet. Da muss man darauf achten, dass man eine gewisse Herangehensweise findet. Entweder es gleich offensiv kommuniziert, 308 zumindest schaut, dass man jemanden nicht bevorzugt behandelt. 309 310 Wie hat sich das Social Web auf die redaktionellen Strukturen ausgewirkt? Was hat sich beim Sender verändert? 311 Das Lustige ist halt, dass man mit Leuten über gewisse Nebenobsessionen redet, die man ansonsten bei persönlichen Gesprächen nicht ansprechen würde. 312 Aber da die auch auf Facebook irgendwelche lustigen Videos posten, kommt man auf Dinge zu sprechen, die man vielleicht sonst gar nicht ansprechen würde. 313 314 Wird von der Chefetage gesagt, dass ihr dieses oder jenes machen müsst? 315 Unsere Chefin sagt eigentlich immer, dass wir versuchen sollen, die Leuten auf unsere Seite zu bringen. Dass wir die Leute nicht auf Facebook unterhalten, 316 sondern auf die WEBSeite zurückbringen. Das ist ihr Hauptansatz. Sie weiß, dass wir dort aktiv sind und die Interaktion mit den Leuten suchen. Als 317 Radiosender ist man angreifbarer und sympathischer. 318 Auf unserer Webseite ist es halt schwierig, so schnelle, kleine Meldungen abzusondern. Das ist etwas, dass man eher auf der Facebookseite macht. Es wäre 319 natürlich nicht blöd, wenn man das auf der Webseite auch hätte, aber das ist leider technisch nicht vorgesehen. Es ist dann halt eher auf Facebook. 320 321 Gibt es Guideline für Mitarbeiter? 322 Es gibt generelle Guidelines. Dass man über den Betrieb nicht öffentlich schlecht redet. Aber das ist ohnehin bei keiner Firma erwünscht. 323 Die Dinge, die bei mir auf Twitter stehen, sind meine private Meinung. Da ich selten politisch heikle Positionen von mir gebe, ist das ohnehin kein Problem. 324 Ich trete in diesem Fall als Privatperson auf. Auch auf Facebook, wobei dort nur jene Leute meine Dinge sehen können, mit denen ich in irgendeiner Verbindung 325 stehe. 326 327 Wenn der Sender das Social Web uneingeschränkt nützen darf, könnte es dann Social Web-Redakteure geben? Wünscht man sich so etwas? 328 Für uns ist es relativ logisch bei der Pressearbeit angesiedelt. Das macht die Pressesprecherin, auch die Facebookseite des Senders. 329 330 Machen das einige wenige? Stellst Du Deine Sendung online? 331 Mach ich auch. Doch. Das ist ein Post pro Woche. Das mache ich direkt. Ich habe auch ein Schreibrecht auf Facebook. Dieses Recht haben aber nur jene 332 Leute, von denen gehofft wird, dass es in einem kleinen Umfang sinnvoll genutzt wird. Bis jetzt habe ich es nicht fälschlicherweise verwendet, weswegen sie mir 333 den Zugang noch gelassen haben. 334 335 Was sagst Du dazu, dass dem Sender per Gesetz die Möglichkeit in Social Media aktiv zu sein, verboten ist? 336 Aus meiner Sicht, natürlich. Der Denkfehler, den ich darin sehe, dass man den Hinweis auf Konkurrenzverhältnisse versucht Facebook abzudrehen, das mag 337 schon auf manche Angebote zutreffen. Aber wenn eines der Privatradios eine vergleichbare Sendung wie zum Beispiel unsere Hip Hop-Sendung hat, dann 338 würde ich es auch verstehen. Aber das gibt es de facto in dem Sinne nicht wirklich. Ich weiß nicht, warum uns untersagt werden sollte, eine Facebookseite zu 339 haben. Nur weil wir einen großen Konkurrenzvorteil haben. 340 Es ist ein weiterer Teil der Presse- und der Verbreitungsarbeit. Wenn man will, dass man in Österreich öffentlich-rechtliche Inhalte verbreiten kann, dann sollen 341 wir auch die Möglichkeit haben, die möglichst breit zu streuen und zu verbreiten. Ich verstehe das Grundansinnen der VÖZ dabei, aber ich sympathisiere damit 342 nicht. Ich bin der Meinung, wenn man Medieninhalte produziert, soll man auch die Möglichkeit haben, die über alle Kanäle zu verbreiten. 343 344 Glaubst du, dass es eine Rolle bei der Reputationsbildung für den Journalisten selbst spielt? 345 Bestimmt hat das auch einen gewissen Faktor. Wenn du mehr interessante Sachen schreibst oder postest, wird dich das schon aufwerten. Aber das ist für mich 346 keine Motivation dabei. Das wird so ein Nebeneffekt sein. 347 348 Zum Abschluss: Was denkst du, welches Potenzial steckt im Social Web, was die Recherche angeht, was die Interaktion angeht, was die 349 Verbreitung der Inhalte angeht? 350 Es kommt alles auf die technischen Entwicklungen an. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, wenn man einzelne Sendungen in diesem Sinne verbreiten 351 kann. Auch, dass es ein länger zurückgreifbares Archiv gibt. Damit man auch ein Jahr später noch die Sendung von damals anhören kann. Ansonsten traue ich 352 mich nicht eine Vorhersage zu treffen. Es hängt alles davon ab, welche neuen Services kommen. 353 354 Was würdest du dir wünschen? Was könnte man noch verbessern? 355 Mir fällt da nicht viel ein. 356 357 Sollte es mehr Kontakt mit dem Publikum geben? 358 Ich finde, wenn jemand aus dem Publikum Lust dazu hat, kann er mit mir in Kontakt treten. Alle Möglichkeiten sind gegeben. 359 360 Sollte das Medium seinerseits diesen Interaktionsprozess forcieren? 361 Ich habe so dezidierte Social Media-Sendungen ein wenig langweilig gefunden. Da sie nur dem Medium selbst dienen. Wenn man versucht mit aller Kraft bei 362 Diskussionssendungen Leute auch mit Web-Cam zuzuschalten. Das ist ein lustiges Experiment, das aus meiner Sicht keinen Mehrwert erbracht hat. Dass man 363 das so extrem forciert oder die Leute dazu zwingt, Feedback oder Meinungen abzugeben, ist aus meiner Meinung nach nicht notwendig. Wenn sie es 364 kommentieren wollen, können sie es eh machen. 365 366 Denkst du, dass so partizipative Meinungen, wie Blogs Konkurrenz für den Journalismus darstellen? 367 Ich sehe das nicht getrennt. Es ist ein Teil davon, glaube ich. Außer man sagt, Kulturjournalismus ist nicht gedruckt. Es ist natürlich auch Kulturjournalismus. 368 Natürlich passiert das nicht mit durchgängig hohem Niveau. Weil auch 14-jährige relativ undurchdachte Dinge auf Blogs schreiben. Es ist jedoch ein Teil des 369 Spektrums des Kulturjournalismus, der nicht davon abzukoppeln ist. Es ist eine andere Definition von Journalismus. 370 371 Keine Bedenken, dass sich der Kulturjournalismus verändern wird? 372 Ich glaube, er ist ohnehin im permanenten Wandel. 373 374 Wie steht es um die Zukunft? 375 Die Rezeption selbst wird weniger und weniger von der Uhrzeit abhängig sein. Aber es wird immer einen Bedarf geben, aufbereitete, gesichtete, in meinem Fall 376 Musik, in welcher Form auch immer zur Verfügung zu stellen. Ob diese Inhalte per Radio oder Internet konsumiert werden, ist relativ egal. Da sehe ich keine 377 Panik, dass das irgendwann irrelevant wird. Es wird immer Leute geben, die sich durchdachte, gut selektierte Musikradiosendungen anhören wollen. 378 379

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INTERVIEW F 1 Dezember 2012 2

3 In welchen Kunstsparten des Kulturjournalismus ist das Social Web wichtiger und in welchen weniger? 4 Ich bin ja nicht nur Kulturjournalistin, sondern auch Medienjournalistin, das heißt bei uns hängen die Medien und die Kultur zusammen. Für Medien ist es 5 natürlich ganz besonders wichtig, aber dir geht es mehr um die Kultur, richtig? 6 7 Es geht hauptsächlich um Kunstberichterstattung. Medien – das ist natürlich auch ein Teil davon, das ist klar. 8 Ja es teilt jeder anders auf. Ich weiß, derStandard, die haben eine eigene Medienredaktion… Also welche Kunst- oder Kultursparte mit dem social web oder mit 9 social media am stärksten zu tun hat, oder wie? 10 11 Ja. 12 Das ist schwierig zu sagen. Also ich finde, am stärksten wahrscheinlich Pop und Kunst. Nehme ich mal an. 13 14 Bildende Kunst? 15 Bildende Kunst insofern, als dass man mit social media sehr viele Bilder posten kann, dass es sehr bildlastig ist und Bilder auch sehr gut ankommen und man 16 die dann weiter verbreiten kann. 17 Und Pop weiß ich nicht, wahrscheinlich weil viele junge Leute auf Facebook, auf Twitter und Co. Sind und weil sich junge Leute meistens eher für Pop 18 interessieren als für Klassik sag ich jetzt einmal. 19 Es ist aber schwierig zu sagen, weil ich ja immer nur einem Teil folge, ich folge ja jetzt nicht dem LangLang auf facebook, sondern eben eher Popkünstlern. Es 20 hängt natürlich auch von meinen eignen Interessen ab wie sehr das gefiltert wird. 21 22 Inwiefern sind Künstler im Social Web aktiv? Oder ist es so, dass Musiker, zum Beispiel Pop-Musiker, relevanter sind, weil sie mehr preisgeben als 23 bildende Künstler? 24 Die nutzen die Plattform vielleicht anders. (denkt) Es ist für alle Sparten sehr wichtig. Also Klassik zum Beispiel, diese Klassik-Stars haben irrsinnig gute 25 Internetauftritte. Ich weiß aber nicht inwieweit die in social media involviert sind. Weil ich ihnen eben nicht persönlich folge. Aber ich weiß, dass sie 26 höchstprofessionelle homepages haben. Viel professioneller beispielsweise als Pop-Bands, viel mehr an Medien angepasst. Das heißt, jeder Klassik-Star hat 27 einen Pressebereich, wo ich Pressefotos herunterladen kann. Das ist teilweise bei Pop-Bands irrsinnig schwierig, da muss man sich einloggen beim ‚Majorʻ und 28 von dort gibt es dann ein Foto frei, das man sich herunterlädt. Und das umgehen diese Klassiker. Aber wie weit die auf Facebook aktiv sind – das ist glaube ich 29 weniger, weil deren Zielpublikum auch nicht auf Facebook ist und auch nicht auf Twitter ist. Und auf google+ bin ich eigentlich nie. 30 Und Popmusiker sind zum Teil schon sehr aktiv, sie posten täglich… 31 32 Wie sieht es im Bereich der Literatur aus? 33 Das verfolge ich auch nicht so aktiv, aber das scheint mir so als eine der Sparten, die da weniger aktiv ist. Es gibt sicher einzelne Autoren, wie zum Beispiel 34 Sybille Berg auf Twitter, die ja ständig am twittern ist. – Ich weiß gar nicht wann die überhaupt Zeit hat so viel zu schreiben, aber sonst würde mir das jetzt nicht 35 auffallen, dass Autoren sich da anpreisen oder was auch immer. 36 37 Film – hast du da ein bisschen einen Überblick? 38 Film verfolge ich jetzt nicht unbedingt über social media – ich verfolge Zeitschriften, die über Film berichten, „Hollywood Reporter“ oder „variety“ – und das fällt 39 dann eigentlich wieder unter Medien. 40 41 Aber über die Ursprungsangebote, in dem Fall über Internetseiten oder Print? 42 Auf Facebook zum Beispiel. „Hollywood Reporter“ ist sehr gut auf Facebook. Ich schaue nicht Warner Brothers oder so, sondern ich schau eben Hollywood 43 Reporter. 44 45 Also Film ist in dem Fall schon wichtig? 46 Es ist alles wichtig… 47 48 Aber fällt dir auf, dass es wo stärker genutzt wird? 49 Sie sind jetzt alle irgendwie ein bisschen aufgewacht, habe ich den Eindruck. Das war vor ein paar Jahren noch viel weniger. Aber alles, was personenbasiert 50 ist wahrscheinlich, eben Bands, Schauspieler usw., die profitieren von dem stärker. 51 Ich habe die drei Blöcke, Recherche, Interaktion mit dem Publikum und Verbreiten der Inhalte, was ist für dich am wichtigsten? Kann man das 52 überhaupt sagen? 53 Ich glaube, es sind alles ziemlich gleich große Teile. Weil sie ja zusammenhängen. Vielleicht wäre mir das wichtigste die Recherche, aber ich glaube, die ist 54 sehr kurz abgehandelt. Ich glaube, das kann ich in zwei Sätzen sagen. 55 56 Fangen wir einmal so an: Welche fünf Social Media-Angebote benutzt du am meisten? Vielleicht kannst du sie priorisieren. 57 Das ist zum Beispiel unterschiedlich. Für Recherche würde ich sagen ist Twitter an erster Stelle. Beim Veröffentlichen wäre das Facebook, dann Twitter, weil 58 auf Twitter viel weniger Leute sind. Und sonst bin ich eigentlich nirgendwo. Also Google+ ist bei mir unter ferner liefen, da schaue ich nur alle paar Wochen 59 einmal hinauf. Aber das mache ich nicht aktiv. Pinterest habe ich mich noch nicht angemeldet, ich bin mit diesen zwei social medias (Anm. facebook und 60 Twitter) schon ziemlich ausgefüllt. Was gibt es denn noch? St. Online, da habe ich einmal raufgeschaut. 61 62 Wie sieht es mit Youtube aus? 63 Youtube nur als Konsumentin. Und ein bisschen für Recherche. Also an dritter Stelle. 64 65 Sind Blogs auch ein Thema für dich? 66 Ja. Ich habe auch einen Blog. Aber den betreue ich nicht sehr aktiv. Einmal im Monat schreibe ich da etwas drauf. Aber es ist ein sehr themenspezifischer Blog. 67 68 Also von der Reihenfolge: Facebook, Twitter, Youtube, Blog. Kann man das sagen? 69 Ja. 70 71 Wie nutzt du Twitter für die Recherche? 72 Wenn ich in der Früh in die U-Bahn steige, nehme ich mir eigentlich kaum noch ein „Heute“, sondern schaue auf Twitter. Ich schaue, was die anderen 73 schreiben, was getweetet wird, was retweetet wird, ich schaue, welche Themen groß sind, also gerade relevant sind. Und da mache ich dann Geschichten 74 darüber. Also zum Beispiel heute Früh „Die Welt“: Die schreiben, sie führen ein Bezahlmodell ein, und das twittern dann lauter Medienleute. – Es sind 75 momentan noch sehr viele Medienleute auf Twitter, deswegen ist es ein bisschen kleiner Kreis. Und dann weiß ich: „Die Welt“ wird heute Thema sein bei mir. 76 Ich schaue, welche Themen es gibt. Aktiv-Recherche, das ist ähnlich wie bei Facebook, ich schaue Kontakte, würde ich sagen. Eben auch auf Facebook: 77 Welche Themen gibt es? Was schreibt mein Bekanntenkreis, was interessiert die, weil das interessiert natürlich unsere Leser auch. Ja, und um Kontakte 78 herzustellen. Mit Leuten, von denen ich keine Telefonnummer habe und die nicht im Telefonbuch stehen, die sind über Facebook und über Twitter einfach zu 79 erreichen. 80 81 Nimmst du dann auch Kontakt auf? 82 Ja, wenn ich Zeit dazu habe schon. 83 84 Und bei Twitter hat das schon eine Agenturfunktion? 85 Ja. Wie so einen Agenturfluss irgendwie. 86 87 Konkurriert das jetzt von der Themensetzung her, von den Ideen, die dafür einfließen, konkurriert das schon mit der APA? 88 89 Jaein. Ja, wahrscheinlich schon von der Themensetzung schon. Ich glaube auch, dass die APA teilweise unter Druck gerät. Dadurch, dass Leute Themen 90 aufgreifen, schon Geschichten schreiben, und dann die APA irgendwie draufkommt ‚Hey, die Geschichte haben schon alle, jetzt müssen wir dazu auch etwas 91 produzierenʻ. Ich schaue natürlich dann als erstes in die APA. Was hat die APA dazu. Ins APA-Archiv, wir können ja zurückgehen bis 1996. - Was mir für 92 aktuelle Geschichten jetzt nicht viel bringt, aber (lacht). Und natürlich Fotos. Da hängen wir auch von der APA ab. Die APA ist natürlich vertrauenswürdiger als 93 Blogs oder so, deswegen schaue ich natürlich auch in die APA. Dass ein Blogger etwas behauptet, das kann man ja schnell machen. Oder auch wenn das eine 94 Zeitung schreibt. Man muss ja eigentlich immer gegenrecherchieren, das sollte man. Wozu eh nicht jeder Zeit hat irgendwie, aber die APA nimmt die Aufgabe 95 hoffentlich ernst und recherchiert da auch. 96 97 Wie nutzt du Blogs, außer für die Recherche? 98

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Also Blogs nehme ich als Recherche nicht so ernst, das ist mehr Inspiration. Wir machen auch sehr viele Bildergalerien, und da sind Blogs zum Beispiel super, 99 ich Google dann die 12 besten Filme 2012 und schaue mir an, was die Blogger so schreiben und mache dann so eine Mischung daraus. 100 Oder Medienblogs auch. Aber das ist für mich persönlich interessant. Das ist dann nicht etwas, worüber ich dann schreibe. Oder nicht direkt. 101 102 Also die Mischung heißt, dass diese Blogs dann zitiert werden? 103 Ich orientiere mich an der Meinung, aber ich orientiere mich an so vielen Quellen, dass ich nicht den Eindruck habe, dass ich das jetzt zitieren müsste. Oder nur 104 im Ausnahmefall, wenn etwas wirklich stark daran orientiert ist, dann würde ich es zitieren, ja. 105 106 Was sind so interessante, kulturrelevante Blogs? 107 Weiß ich jetzt überhaupt keine. Das ist etwas auf das ich stoße über Google und das ich mir nicht wirklich gebookmarked habe. 108 109 Hast du eine Blogroll? 110 Nein. Bzw. die Blogs auf Spiegel Online oder so. Aber die sind mehr wie ein Kommentar. Von Blogs bin ich nicht so ein Fan, muss ich zugeben. Ich suche im 111 Internet nicht unbedingt so viel nach Meinung. Auch persönlich nicht. Ich bin keine große Kommentar-Leserin. Und Blogs sind total Meinung. Deswegen stehe 112 ich da persönlich nicht so darauf. 113 114 Gibt es relevante Kulturblogs in Österreich? 115 Gibt es sicher, aber ich lese sie nicht (lacht) 116 117 Kennst du welche? 118 Die wären auch im Medienbereich angesiedelt, würde ich sagen. Auf Blogs schaue ich eigentlich nicht. Nein. Da stolpere ich eher darüber. 119 120 Und es gibt keinen guten Blog, denn du zufällig gefunden hast weil er so einen guten Eindruck hinterlassen hat? 121 Photographie-Blogs vielleicht. Dieser Frames-Blog vom Florian Reinert. – Den kenne ich halt auch. Da schaue ich schon darauf. Der postet jeden Tag ein 122 neues Foto. 123 124 Selbst aufgenommene Bilder? 125 Ja, klar. 126 127 Und fließen die dann auch in die Berichterstattung ein? 128 Nein. Das geht gar nicht. Das ist ja auch eine Rechte-Sache. Aber der Florian Reiner fotografiert auch für uns. Wenn er eine Ausstellung macht, dann schon, 129 aber sonst nicht. Aber bei Blogs bist du bei mir an einem ziemlich toten Ende… 130 131 Was gibt es sonst an nutzergenerierten Inhalten, die übernommen werden, vielleicht nur auf facebook oder so 132 Am ehesten Twitter. Da gibt es ein‚ Tool, wo man den Twitter-feed hereinlaufen lassen kann in einen Artikel, Storify. Das wäre ein nutzergenerierter content, 133 den wir übernehmen. Sonst ist es sehr eine Rechte-Frage. Ich kann nicht einfach ein Foto nehmen – der kann mich verklagen. Wir haben das schon gehabt. 134 Das sind ziemlich drakonische Strafen. Und das multipliziert sich pro Tag, an dem das veröffentlicht ist. 135 136 Und Youtube? 137 Youtube ist ein ähnliches Problem, rechtlich. Ein Youtube-Video einzubetten bei uns, das ist nach wie vor glaube ich nicht geklärt ob das okay ist oder nicht. 138 Weil bei wem liegen die Rechte? Verlinken darf man, aber was ist wenn du es einbettest, wenn sich der User das direkt bei dir anschauen kann? Deswegen 139 verlinke ich lieber als dass ich einbette. 140 141 Welche Rolle spielt Youtube bei der Recherche? 142 Ein bisschen eine Rolle, eher untergeordnet. 143 144 Was machst du dann? 145 Ich schau mir ein Video an und schreibe eine Zusammenfassung des Videos. So ungefähr. 146 147 Musikvideos? 148 Musikvideos. - Werden aber auch wieder Mediengeschichten oder Auftritte von irgendwelchen Künstlern sein, wo man dann etwas darüber schreibt. Der sagte 149 das und das, dort und dort, bei Jay Leno. 150 151 Gibt es sonst noch weitere Social Web Recherche-Tools, die wichtig sind? 152 Kommt darauf an, wie du Social Web definierst, weil wie gesagt ich hätte Youtube nicht als Social Web gezählt. Warum auch immer, für mich ist das nur eine 153 Infrastruktur, also ich würde es nicht als ‚Socialʻ Web bezeichnen. 154 Man kann followen, man kann kommentieren, jeder kann etwas raufstellen. Und Wikipedia gibt es auch noch… Wikipedia nutze ich schon zum Recherchieren. 155 Definitiv. 156 157 Wie konkret? 158 Für alle möglichen Geschichten. Ob es ein Geburtsdatum ist… Weil es praktisch ist. Weil bei einem Geburtsdatum der Monat und der Tag auch dabei steht. 159 Und bei der Agentur steht eben in Klammer 1963. Und dann weiß ich nicht, ist der im Dezember immer noch 63 oder ist er schon 64? Und biografisch sind es 160 Hintergründe, die man dazu schreiben kann. Ganz praktisch finde ich auch diese Linksammlungen unten immer, bei Wikipedia, weil die die Quellen ja 161 ausweisen, und dann gehe ich eben direkt auf die Quelle und schaue mir an woher die das haben. Und ob das jetzt vertrauenswürdig ist oder nicht. 162 163 Wird Wikipedia auch verwendet, um Artikel unterzubringen? 164 Von uns aktiv nicht, nein. Wir haben niemanden, der das macht. Ich weiß, dass manche Artikel verlinkt sind auf Wikipedia, das kann ich in der Statistik sehen. 165 Aber ich weiß nicht welche. 166 167 Die werden dann von Nutzern verlinkt? 168 Genau. 169 170 Von euch macht das gezielt keiner? 171 Gezielt nein. Da haben wir einmal darüber nachgedacht, aber das fehlt an Ressourcen. 172 173 Zusammengefasst, was sind die größten Vorteile bei der Recherche im Social Web? 174 Es geht schnell. 175 176 Noch mehr? 177 Man hat Themen vor den anderen. Also bevor die Agentur zum Beispiel draufkommt. Und mit der Agentur hat es natürlich jede österreichische 178 Nachrichtenseite. Wenn ich dem Richtigen folge, dann weiß ich früher, dass das ein Thema ist. 179 180 Du meinst schnell das Thema zu behandeln? 181 Ja, schneller ans Thema zu kommen. 182 183 Noch große Vorteile? 184 Es macht Spaß. (lacht) Ich glaube schon, dass es mehr Spaß macht, sich ein Youtube-Video anzusehen, als durch alte Zeitungsartikel zu kramen. 185 Ausgedruckte. 186 Ja… inbesondere, dass es schnell geht, dass es unkompliziert ist, dass ich nicht jetzt groß jemanden anrufen muss, mich da durchfragen bis ich jetzt zu der 187 Person komme und dann sagt der mir erst wieder das, was im Internet steht. Diesen Schritt lasse ich sozusagen aus. 188 189 Gibt es Geschichten, die auf Basis einer social media-Information bestehen? 190 Ja schon. Das wären dann eher so Pressestimmen oder was schreiben die Leute auf Twitter über irgendetwas. Wie reagieren die Leute auf Twitter auf die 191 Präsidentenwahl. Da haben wir etwas gehabt. Oder dass eine Geschichte über Facebook aufkommt, aufgeworfen wird. Natürlich wenn jemand auf Facebook 192 einen Blödsinn schreibt, ein Politiker, oder dass Faymann nicht twittert. 193 Im Kunstbereich eher nicht, weil ja immer etwas dahinter ist. Es ist immer ein Buch dahinter oder eine Ausstellung oder ein Film. 194 195 Also ein Anlass? 196 Ja. 197

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198 Passiert es, dass dann Themen relevant werden, die kein Veröffentlichungsdatum vorausschicken? 199 200 Es gibt doch immer ein Veröffentlichungsdatum, unabhängig davon kann man es nicht betrachten, finde ich. Man greift vielleicht ein Thema auf, dass schon 201 veröffentlicht ist. 202 203 Sagen wir, der Künstler äußert sich zu dem und dem, ohne dass jetzt gerade etwas veröffentlicht worden ist. Kann aus dem eine Geschichte 204 entstehen? 205 Sicher. Wenn der Günther Grass lernt zu twittern und zu facebooken,kann das darauf basieren (lacht). Es ist immer die Frage: wie relevant ist das für mich? Wir 206 haben ein Ressort, das heißt ‚Menschenʻ und diese ganzen Menschen-Geschichten, etwa Schauspieler xy äußert sich zu dem und dem, das fällt alles unter 207 ‚Menschenʻ. Das wären dann auch Genre-Grenzen, sage ich einmal. Das fällt aber nicht mehr unter Kultur. Es muss kulturrelevant sein, und das ist es oft im 208 Zusammenhang mit einer Veröffentlichung. 209 210 Welche Probleme entstehen mit der Recherche? 211 Ganz klar: Sind das Fakten, sind es Meinungen? Wie verlässlich ist die Information, die du da bekommst? Das ist die große Frage. Das ist im Internet 212 überhaupt die große Frage. Wie verlässlich ist Wikipedia? Da gibt es ja diese Studien, es habe weniger Fehler als Brockhaus, aber Brockhaus ist eben gedruckt 213 und kann nicht über Nacht verändert werden. Es gibt ja immer diese Geschichten, wo eben die Medien scharenweise auf einen Internet-Hoax hereinfallen. 214 215 Wie kann man diese Verlässlichkeit prüfen? 216 Das ist eine Einschätzungsfrage. Ich kann natürlich rückfragen, zumindest soweit mir das möglich ist. Ich kann nicht in Amerika jetzt anrufen. Rückfragen, 217 sofern es möglich ist, der Rest ist Einschätzungssache würde ich sagen, Erfahrungssache. Sowie Al Arabiya, der Fernsehsender. Da wissen wir jetzt auch: Der 218 ist nicht vertrauenswürdig, wir dürfen nur noch schreiben, was Al Yazira macht oder was die als Fakten präsentieren. Dem kann man ruhig vertrauen. 219 220 Bezüglich Rückfragen, wie verifiziert man den Facebook- oder Twitter-Account von einem Künstler? 221 Man sieht sich den Account genau an, es steht ja auch oft dabei, ‚officialʻ oder ‚not officialʻ, man googelt, schreiben die anderen Medien darüber? Nehmen die 222 es als offiziell hin? Man sieht auf die Website des Künstlers, ist es dort verlinkt, ist es connected? Wenn ja kann man davon ausgehen, dass das der offizielle 223 ist. 224 225 Bei Blogs? 226 Bei Blogs würde ich auch schauen wer das jetzt schreibt, ob jemand darin steht mit einem richtigen Namen oder Adresse. Also ich würde von Blogs eigentlich 227 nicht Informationen nehmen, zumindest von den wenigsten. Aber im Kulturbereich ist das jetzt auch nicht so brisant. Wenn der jetzt etwas über einen Politiker 228 behauptet hat das eine andere Brisanz als im Kulturbereich, wenn der behauptet, dass die Ausstellung nicht gut ist. Oder ein Film nicht gut ist. Weil Kultur 229 sowieso auch subjektiv ist. 230 231 Hast du das Gefühl, dass man durch diese erweiterten Recherchequellen mehr auf das Angebot der Konkurrenz sieht? 232 Ja, definitiv. Weil es nur einen Klick weg ist. 233 234 Und fließen diese Ideen wieder in die eigenen hinein? 235 Ja. Wir merken das bei Exklusivgeschichten. Wenn wir eine Geschichte exklusiv haben und wir stellen die irgendwann hinauf, dann sehen wir natürlich wer aller 236 abschreibt oder anfängt genau die gleiche Geschichte zu recherchieren und sie dann als eigene Geschichte präsentiert. Und teilweise eben zitiert oder nicht 237 zitiert. So funktioniert das. Ich schaue natürlich immer, was die Konkurrenz macht, ich glaube auch, dass das viele User machen. 238 239 Du meinst, wer hat was zuerst, wer schreibt ab? 240 Mitunter, ja. 241 242 Die Vernetzung untereinander, mit den Kollegen anderer Medien trägt auch dazu bei? 243 Also ich mag dieses leidige Thema Zitieren einfach besser, weil dadurch, dass ich die Kollegen vom Standard besser kenne als vom Kurier, weiß ich auch wer 244 dahintersteckt und zitiere es dann vielleicht auch korrekter, sage ich jetzt einmal. Abgesehen davon, dass Boulevard, der zitiert sowieso nicht. Österreich kann 245 eine Geschichte 1:1 von uns abschreiben und die werden uns nicht zitieren. 246 247 Welche Rolle spielt es im Kulturjournalismus mit seinem Publikum in Kontakt zu treten? 248 Es spielt noch eine untergeordnete Rolle. Also ich kommuniziere wenig mit dem Publikum. Oder wenn, dann kommuniziere ich ‚rausʻ und nicht dialogisch. Also 249 es gibt auch eine facebook-Seite mit eigenem Kulturkanal mit den wichtigsten Geschichten. 250 251 Betreibst du die? 252 Ja. Mit Kollegen. Ich bin nicht immer da. Nicht 24 Stunden, sieben Tage unter der Woche. 253 254 Hat jeder Zugriff zu dieser Seite? 255 Fast jeder in der Redaktion. Natürlich, falls am Wochenende auch was gepostet wird. Wichtig ist der einer unserer Freien Mitarbeiter, der macht eben 10 256 Stunden Kultur, der postet auch viel. Aber da kommt auch wenig an Reaktionen zurück. Warum auch immer. In Postings kommuniziere ich immer wieder mit 257 den Usern, wenn sie auf Fehler aufmerksam machen. Auf der Website. Und dann schreibe ich etwas dazu. 258 259 Was ist noch wichtig? 260 Auf Twitter habe ich einen eigenen Account. Und es gibt einen eigenen Kultur-account, der eigentlich nicht so wenige follower hat, er hat ziemlich viele follower, 261 aber die interagieren jetzt auch nicht, die schreiben jetzt nicht wirklich zurück. Die erwarten das glaube ich nicht, die glauben das funktioniert wie ein Roboter 262 oder das passiert alles automatisch. Die erwarten von mir keine Reaktion. Und wenn, dann sehr verspätet. 263 264 Wird es von eurer Seite bemüht, dass Interaktion zustande kommt? 265 Bemüht schon, aber es fruchtet oft nicht. Wenn wir eine Frage stellen zum Beispiel bei einem Facebook-Posting: „Wen würdet ihr zum Songcontest schicken?“ 266 hat eben der Kollege geostet. Und da hat genau einer daruntergeschrieben, das ist jetzt nicht so mächtig viel. Wir sehen ja, wieviele den Beitrag sehen, ihn sich 267 ansehen, das ist mehr, weit weit mehr als da zurückschreiben. Die fühlen sich auch vielleicht nicht angesprochen. Auf unserer Hauptseite ist das stärker, diese 268 Interaktion. Die haben natürlich auch um ein vielfaches mehr Fans. Also das zwanzigfache oder so. 269 270 Also ihr richtet schon die Ansprache direkt an das Publikum? 271 Durchaus, mitunter, ja. Nicht immer. 272 273 Gibt es da sonst noch Möglichkeiten, wie ihr mit dem Publikum in Kontakt tretet? Das wichtigste ist die Website, oder? 274 Das wichtigste sind die Postings. 275 276 Dann? 277 Dann würde ich sagen Facebook, Nummer drei Twitter. Es ist eher eine einseitige Kommunikation. Es funktioniert zum Beispiel auch extrem gut, wir haben 278 unten auf den Artikeln immer „diesen Artikel auf Facebook empfehlen“ und das funktioniert sehr gut. Also vergangene Woche habe ich etwas geschriebe über 279 „die Hinnichen“, deren Konzert abgesagt worden ist und das hat über 500 Empfehlungen auf Facebook gehabt. Und das ist sehr viel für eine Kultur-Geschichte. 280 Definitiv. Der Erwin Wurm hat glaube ich drei bis jetzt. Aber das hat glaube ich auch polarisiert in der Netzgemeinde. 281 Ja klar, alles was polarisiert, funktioniert. 282 283 Also die Empfehlungen spielen eine große Rolle. 284 Empfehlungen spielen eine sehr große Rolle, ja. Oder was ich jetzt auch mache, noch nicht vor allzu langer Zeit, das ist Fotos posten auf Facebook. Mit 285 Credits-Angabe. Wenn jetzt eine Ausstellung neu ist in Wien, zur Westlicht-Ausstellung habe ich ein schönes Foto von einem Fotografen gepostet. Und das 286 wird dann eben auch teilweise weitergeteilt. Also auch eine Form von Interaktion, aber eher einseitig . 287 288 Das ist dann ein Pressefoto? Oder wie funktioniert das dann mit den Rechten? 289 290 Ja rechtetechnisch ist das eher schwierig. Noch habe ich keine Verwarnung bekommen, also nehme ich mal an, dass das okay geht. Ich habe ja die Rechte an 291 diesen Fotos, wenn ich sie im Rahmen der Berichterstattung über die Ausstellung verwende und das tue ich ja. 292 293 Ist das ein Graubereich? 294 Das ist ein Graubereich. Glaube ich schon, weil Facebook diese Nutzungsbestimmungen hat, dass alle Fotos, die du rauflädst, dann Facebook gehören. Was ja 295 absurd ist. Kein Mensch macht das. Also keinem gehört alles, was du hochladest. Weil wenn ich mir so ansehe, was meine Bekannten posten… 296

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297 Was sind die großen Vorteile, das Publikum einzubeziehen? Was bringt es? 298 Ja eben wieder, was funktioniert. Was wird gelesen. Also wir haben da diesen Vorteil gegenüber den Printmedien, dass wir unmittelbar sehen, was die Leser 299 interessiert, was kontroverse Themen sind, was polarisiert. Weil ‚die Hinnichen“, ganz ehrlich, ich dachte nicht dass das eine so kontroverse Geschichte wird. 300 Ich kenne die nicht, ich interessiere mich eigentlich auch wenig, aber da sind die Wogen hochgegangen. Und ich glaube nicht, dass das nur Leute waren, die 301 schon Tickets gekauft haben für das Konzert. 302 303 Aber da hat sich glaube ich wieder der Lobo mit seinem Blog eingeschalten wiederum. 304 Ja. Das war doch vorher schon? Der hat sich dann wieder eingeschalten. Das ist ja von den Grünen ausgegangen, dass das Konzert abgesagt wird. Der Lobo 305 ist eine gute Quelle für Kultur-Geschichten, der ist auch auf Twitter ganz aktiv. 306 307 In dem Fall hat ein anderes soziale Medium, oder in dem Fall derjenige, der das benutzt, die Geschichte auch irgendwie beeinflusst, oder? 308 Ja. Ich war dann schon weg als er dann etwas gepostet hat. 309 310 Was gibt es noch für Vorteile? 311 Naja, dass man auf Fehler draufkommt. Unsere User lieben es ja auf Fehler aufmerksam zu machen. Dass ein Beistrich-Fehler im 5. Absatz ist oder wirklich ein 312 grober Fehler, dann bekommen wir das mit. Sonst… 313 314 Also es kommt auch kritisches Feedback zurück? 315 Ja. Durchaus kritisch. Die glauben auch, dass wir alle Roboter sind, habe ich immer den Eindruck. Und schreiben dann: „der ***schreiberling…“, das ist mir 316 lieber als „der ***schmierfink“, das passiert auch öfter und wenn man dann höflich zurückschreibt und sich bedankt, dafür, dass er einen auf einen Fehler 317 aufmerksam gemacht hat, dann sind sie plötzlich wieder ganz klein und ganz nett und nicht mehr die Trolle, als die sie sich sonst immer gebärden. 318 319 Wenn das jetzt Kulturthemen sind, die kritisiert werden, kommt es dann zu einer Auseinandersetzung mit der Kunst selbst? 320 321 Es ist oft nur ein Sprungbrett, ein Anlassfall. Also wenn im Titel zum Beispiel steht, etwas mit „Türken“ oder „Günther Grass“, zum Beispiel die Günther Krass-322 Diskussion ist ja überhaupt nicht auf inhaltlicher Ebene geführt worden, sage ich jetzt einmal. Oder auch bei Kunst. Oft ist es ein Anlassfall. Ich glaube, die 323 lesen auch oft nur die Überschrift durch und posten dann eben ihre Meinung. – nicht wirklich auf den Inhalt bezogen, nicht wirklich auf die Kunst bezogen. 324 325 Also seltener. 326 Ja. Bei Film ist das ein bisschen besser. Wobei es auch ganz interessant ist, dass viele Poster der Meinung sind, man müsse über Kultur objektiv berichten und 327 zwar in allen Bereichen. Die verlangen dann, dass Pop-Kritik, eine Konzert-Kritik objektiv sein soll. Dass eine Kritik an und für sich nicht objektiv sein kann, der 328 Gedanke ist ihnen offenbar nicht gekommen. Oder: Filmkritik. „Wieso berichten Sie nicht objektiv über diesen Film?“. Ich mein…was willst du objektiv 329 schreiben? Du bist doch Filmkritiker, damit du subjektiv etwas schreibst. 330 Wie werden die Rezensionen davon beeinflusst, dass es Leute gibt, die ständig maulen beispielsweise? Lernt man da daraus oder verschließt man 331 sich vor dem? 332 Ich glaube, dass ist je nach Kritik auch unterschiedlich. Also manche Kritiker geilen sich richtig daran auf, wenn die User das ganz furchtbar finden, denen 333 gefällt das total wenn die zurückschimpfen und wenn sie sie lächerlich machen wollen. Ich reagiere da eher empfindlich darauf muss ich sagen. Ich nehme mir 334 das schon zu Herzen. Dann lasse ich andere Menschen die Kritik lesen und das entkräften. Wobei es jetzt nicht so viele Postings gibt in der Kultur. 335 336 Negative oder generell? 337 Generell. 338 339 Warum wird da weniger gepostet? 340 Weil es jetzt nicht so kontroversielle Themen sind. Also gern gepostet wird natürlich zu Politik. Zu Film, was will man da schreiben, unter eine Filmkritik. „Ich freu 341 mich auf den Film!“ oder „Ich habe ihn noch nie gesehen!“ 342 343 Gibt es noch andere Probleme, die aufgrund der Interaktion des Publikums entstehen? 344 Ich weiß nicht wie das für die anderen Leser ist. Wenn darunter User uns beschimpfen oder so. Ob das dann auf uns negativ zurückfällt. 345 346 Wie meinst du das? 347 Bei derstandard.at heißt es immer, dass die Leute so viel draufschauen, weil die Postings so gut sind. Bei der uns sind die Postings jetzt weniger, sag ich 348 einmal. Wenn das dann eben eine Armada an bösartigen Poster, die die ***schreiberlinge beschimpfen, ob das dann nicht für das Image schädlich ist frage ich 349 mich manchmal. Es passiert jetzt nicht so oft. Ich weiß nicht, wann das bei einer Kultur-Geschichte das letzte Mal so extrem war, ich glaube, da war der Samir 350 Köck bei Metallica und hat sich über Metallica lustig gemacht. Und die Metallica-Fans haben das nicht so lustig gefunden. 351 352 Was sind die wichtigsten Kanäle, wo ein Kulturjournalist oder Kulturmedium seine Inhalte originell verbreiten kann? 353 Also ich kann es nur für mich sagen Nummer ein wäre Facebook, Nummer zwei ist Twitter, weil es so eine Gatekeeper-Geschichte ist. Wenn dann Armin Wolf 354 etwas aufgreift von mir und weitertwittert, dann ist das der Jackpot des Tages. 355 356 Passiert das öfter? 357 Ab und zu passiert das. 358 359 Dann sind das Medienthemen, oder? 360 Ja, klar. Weniger Kulturthemen. Also im Kulturbereich ist Twitter nicht wirklich relevant, Facebook ein bisschen. Oder mehr. Weil man da auch viel mehr Leute 361 erreicht. Also diese Empfehlungsfunktion funktioniert sehr gut. 362 363 Warum ist Twitter weniger relevant? 364 Weil viel weniger Leute drauf sind. Noch. Vielleicht ändert sich das. In Amerika ist das glaube ich ist das ziemlich gleichauf mit Facebook. Bei uns ist das ja ein 365 Minderheitenprogramm. 366 367 Es ist ein Minderheitenprogramm, aber es sind sehr viele Medienleute drauf. Kultur? 368 Kultur weniger. Es gibt auch einige Kulturjournalisten drauf, die total inaktiv sind, sage ich jetzt einmal. Vielleicht sind die noch auf Wartestellung. Die schreiben 369 überhaupt nie etwas. Oder ganz selten. Sie schauen sich aber glaube ich auch die Sachen an und folgen eben relevanten Leuten. Ob das jetzt David Lynch ist 370 oder… David Lynch hat auch einen Twitter-Account. Bei anderen Dingen ist das interessant. Also wenn Regisseure ihre neuen Projekte ankündigen oder 371 Festivals, Filmfestivals, das geht auch ganz gut. 372 373 Folgst du Künstlern bei der Recherche persönlich? 374 Jaein. Ja, Regisseuren schon, bildenden Künstlern nicht wirklich. 375 376 Mit Künstlern meine ich Künstler als Überbegriff. 377 Musikern durchaus. Ja. 378 379 Und diese Infos fließen in die Texte ein? 380 Ja, aber so direkt kann ich das nicht sagen, weil, so funktioniert mein Kopf nicht, vielleicht. Ich weiß eben etwas über einen Künstler, aber ich weiß dann nicht 381 mehr woher ich das weiß. Und dann schaue ich schon nochmals nach, in der Agentur. Und meistens, oder eben in der im Haus, in alten Artikeln. 382 383 Du hast einen Blog. Wie nutzt du den? 384 Den benutze ich nur wie ein Sprachrohr. Es ist mehr Reflexion für mich selbst. Ich schreibe fast ausschließlich über Fernsehserien, einmal im Monat oder so. 385 Und dann reflektiere ich eben über irgendwas, über die Vaterfigur in Breaking Bed zum Beispiel. Oder wieso es so viele Soziopathen in so vielen Fernsehserien 386 so gut wegkommen. Warum alle so auf Dr. House und Sherlock stehen, obwohl das ja eigentlich solche Soziopathen sind. Das sind dann Fragen, denen ich auf 387 den Grund zu gehen versuche. 388 389 Du machst das für das Medium oder privat? 390 Privat. Für die Webseite wäre das wahrscheinlich zu wenig. Die Frequenz wäre zu wenig. Bzw. das ist ja zeitunabhängig, das ist ja jetzt nicht so, dass die und 391 die Serie startet und deswegen schreibe ich jetzt einen Blog zu dem. Das ist zu wenig aktuell glaube ich. 392 393 Was sind jetzt die größten Vorteile von Social Media für das Verbreiten der Bilder und Texte? 394 Es ist ein Multiplikator, ganz einfach. Ich sehe das ja auf meinen Blog. Ich sehe, wieviele Leute von Facebook und von Twitter kommen auf meinen Blog. Oder 395

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auf unsere Webseite. Wie viele Leute sich die Artikel darüber ansehen. Also hauptsächlich ein Multiplikator. Und ich glaube, dass es imagetechnisch ganz gut 396 ist. 397 398 Für? Was für ein Image? 399 Ein bisschen menschlicher, weniger „roboterhaft“. Es ist das schwierig am Onlinejournalismus, dass man weniger präsent ist, dass man weniger oft seinen 400 eignen Namen stehen hat, ist das anonymisierter und die glauben hier sitzen nur Roboter. Und sind dann ganz überrascht zu sehen, dass dahinter Menschen 401 stecken. 402 403 Müssen die Kulturredakteure twittern und facebooken? 404 Es gibt da bei uns im Haus keine Linie. Noch nicht. Vielleicht kommt das einmal. 405 Gibt es Guidelines? 406 Nein. Das ist im Entstehen. Es gibt eine Arbeitsgruppe „social media“, die sich sehr sporadisch trifft. Und da wollen wir Guidelines herausgeben. Bis jetzt hat es 407 noch keinen Anlassfall gegeben. Also es ist niemand „ins Fettnäppfchen“ getreten, sodass man sagt „jetzt müssen wir unbedingt Guidelines für alle unsere 408 Journalisten machen“. Ich weiß, der ORF hat diese Guidelines, die sind bei uns einmal herumkursiert, die hat sich glaube ich ohnehin jeder durchgelesen. 409 Vielleicht ist da irgendwas im Hinterkopf geblieben. Es treten einige Redakteure nicht unter ihrem richtigen Namen auf, manche sind total aktiv und posten 410 immer ihre eigenen Geschichten. Das finde ich auch super. Aber es gibt keine Weisung. Das ist eine Print-Redaktion und da ticken die Uhren noch ein bisschen 411 anders. Okay, man könnte sagen, bei uns in der Online-Redaktion – wieso gibt es bei uns keine Guidelines, aber ja. 412 Jeder Post, der stattfindet, ist also verbunden mit der Vermarktung, sprich, dass er schon auf der Website steht? 413 Ja. 414 415 Es entstehen also jetzt keine genuinen Inhalte für Facebook oder Twitter? 416 Nein. Bis auf die Bilder, die ich auf Facebook poste. Aber die sind ja auch nicht genuin. Das Ziel ist natürlich, Leute zu uns zu bekommen. Was nützt mir ein 417 Klick auf Facebook. Von dem hat nur Facebook etwas. Wir müssen die Leute dazu bringen, dass sie bei uns die Sachen lesen. Damit sich bei uns die 418 Besucherzahlen erhöhen. 419 420 Gibt es da das Problem, dass Facebook die Leute von der Seite selbst wegzieht? 421 Also momentan noch nicht. Vielleicht… Nein, das wäre eher ein Problem von google news. Weil es eben so wenig ist. Es sind eben so „Mini-422 Informationshäppchen“, die man da hat. 423 424 Was gibt es sonst für Probleme, wenn man im Social Web publiziert? 425 Die Rechte-Frage natürlich. Jedes Bild, das wir hochladen. Es ist eine Zeitfrage vielleicht, dass es Ressourcen abzieht von uns. 426 427 Stichwort Ressourcen. Hat das Social Web die redaktionellen Ressourcen verändert? 428 Es gibt bei uns nicht jemanden extra, im Gegensatz zum Standard. Die Hauptarbeit macht ja der Günther, unser CvD, der betreut die Hauptseite auf Facebook 429 und ist auch ganz aktiv, auf Twitter uns so. Strukturell hat sich vielleicht sein Arbeitsgebiet ein bisschen verlagert. Oder mein Arbeitsgebiet, in dem ich ein paar 430 Sachen poste, aber jetzt groß von der Struktur her nicht, nein. Noch nicht. Vielleicht bekommen wir irgendwann einen social media-Beauftragten. – Was ich 431 bezweifle. 432 433 Wäre das notwendig? 434 Es wäre notwendig viel mehr Ressourcen zu haben. Das wäre eine der Sachen ,die etwas bringen würden. Und bei uns haben sie jetzt 20 Leute gekündigt. 435 Also davon, dass wir noch jemanden dazubekommen, davon können wir nur träumen. 436 437 Ist bei euch, bei der Kultur gekürzt worden? 438 Nein. Im Feuilleton hätte jemand dazukommen sollen. Der Posten ist eben jetzt auch wieder gestrichen. Bei uns hat auch eine Kollege im Sommer gekündigt, 439 der Posten wird auch nicht nachbesetzt. 440 441 Gibt es hier jetzt eine Auswirkung auf die Arbeit im Bereich Social Media? 442 Nein. Es hat überhaupt damit nichts zu tun. Es sind Leute gekündigt worden, die crossmedial arbeiten. Wo man sich denkt, die wären ja für die Zukunft fit… Es 443 hat nicht direkt damit etwas zu tun, aber social media ist auch ein Vehikel zur Selbstvermarktung. Wenn Kollegen von mir jeden Tag ihre Geschichten posten, 444 wenn der Günther 2000 follower hat, dann ist es eine Vermarktung der Marke „ich“ und dahingehend vielleicht von Vorteil, wenn man sich zweimal überlegt, ob 445 man auf diese 2000 Klicks verzichtet, wenn der Günther dann eben keine Geschichten auf der Webseite postet. 446 Es dient auch der Reputation, der Festigung. Ja. Und eben der Multikplikator. 447 448 Man kann damit schon seinen Marktwert steigern? 449 Als Redakteur definitiv. Armin ‚Twitterʻ Wolf, oder? Früher war er nur ein ZIB2-Sprecher. Jetzt ist er der „god of social media“. Vielleicht hat er zuviel Zeit gehabt. 450 451 Das ist natürlich die social media-Nutzung par excellence. 452 Er macht das super. 453 454 Hat das social web etwas verändert in der kulturjournalistischen Arbeit? In den letzten sechs Jahren? 455 Ja, schon. 456 457 Was? 458 Die Themen, die ich aufgreife kommen von anderen Quellen. Also mir ein E-Mail zu schicken ist ziemlich sinnlos. Weil ich bekomme 200 E-Mails pro Tag. Wenn 459 ich auf Facebook oder Twitter etwas interessante sehe oder mitbekommen, dass 10 oder 20 Leute sich über etwas unterhalten, dann ist es für mich vielleicht 460 doch ein Thema. Was sonst vielleicht kein Thema geworden wäre. Speziell in der Kultur kann ich es nicht sagen. Ich kann nur sagen, ich bekomme andere 461 Dinge dadurch mit. 462 463 Zum Beispiel? 464 Ausstellungen zum Beispiel. Gerade für Kleine ist das von Vorteil, wenn du eben nicht nur die Riesen-Albertina-Ausstellung mitbekommst, sondern auch „ah, 465 dort und dort haben sie das, das sieht super aus. Posten wir ein Bild, das sieht klasse aus. Darüber könnten wir etwas machen“. – Was sich zeitlich ohnehin 466 kaum ausgeht, aber ich weiß zum Beispiel, dass es das gibt. 467 468 Es kommen auch Termine über das Social Web hinein? 469 Ja. Oder ich sehe der neue Trailer von xy ist online. „Den könnten wir zum Beispiel auch nehmen.“ Zum Beispiel der „Startrek – into darkness“-Trailer. Da habe 470 ich zum Beispiel gesehen, da waren auf Twitter alle ganz verrückt und dann habe ich mir eben den auch besorgt und habe ihn draufgestellt auf die Webseite. 471 Wekche Bands in Wien spielen, solche Dinge. 472 473 Es ist mehr als ein Hype? 474 Social media. Ja klar. Also wenn du mich fragst ob in 10 Jahren Facebook noch groß ist, würde ich wahrscheinlich sagen „ja“, aber mit Bauchweh. Das hätte ich 475 wahrscheinlich auch vor 10 Jahren von myspace behauptet. Aber dieses Vernetzungsding, das bleibt. In welcher Form auch immer. 476 477 Hat sich das Verhältnis zwischen PR und Kulturjournalismus durch soziale Medien verändert? 478 479 Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass das schon länger ein bisschen ein problematische Verhältnis ist. Aber insgesamt im Journalismus. Weil dadurch, dass 480 man so wenige Ressourcen hat greift man zurück auf PR-Meldungen. Vielleicht ein bisschen bearbeitet, das wars und das ist dann der Artikel. Wir sind da 481 definitiv nicht die einzigen. Das funktioniert oft so. Vielleicht andersrum, das unser Marketing, die Zeitung hat ja auch ein Marketing, das die eben wollen, dass 482 wir Sachen über social media rausspielen. 483 484 Gibt es da vom Marketing Empfehlungen oder Anweisungen? 485 Die posten das selbst. Aber es ist für den Leser nicht unterscheidbar, was eine Marketing-Meldung ist und was ein redaktioneller Post ist. Da laufe ich als 486 Kulturredakteurin unter dem Radar sage ich jetzt einmal, ich bin irrelevant. Die Größe der Kultur auf Facebook und Twitter ist irrelevant für das Marketing. Und 487 deswegen muss ich solche Dinge nicht machen. 488 489 Das heißt, es werden quasi „Advertorial-Posts“ in das Netz geschickt. 490 Ja. 491 492 Sind das dann Hinweise auf Geschichten, die dann advertorials sind? 493 Auf Gewinnspiele nicht, das lässt Facebook nicht zu, aber auf Marketing-Aktionen. 494

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Was lässt Facebook nicht zu? 495 Facebook ist ziemlich streng. Du darfst eigentlich keine Gewinnspiele posten. Viele setzen sich über diese Regel hinweg, aber wir nicht. Wir sind brav und 496 deswegen posten wir so etwas nicht. Das machen viele. Aber eigentlich dürftest du das nicht. Das steht in den Facebook-Regeln drinnen. Das ist neu, das ist 497 seit einem Jahr oder zwei Jahren so. 498 499 Sind das dann nur Hinweise auf Gewinnspiele? 500 Naja auf Abo-Aktionen. Es gibt ja immer wieder Abo-Aktionen, wo du mit der Sonntagszeitung gratis ins Museum kommst, die werden dann gepostet. 501 502 Sie werden dann als „Marketing“ ausgeschildert? 503 Das weiß ich nicht, weil sie ja nicht auf der Kulturseite gepostet werden. Nur auf der Hauptseite. 504 505 Das heißt die Reichweite ist zu gering? Denn oft ist ja die Kultur der Platz für Inserate? 506 Da kenne ich mich zu wenig aus. Zu mir sagen sie immer: „Die Kultur ist nicht monetarisierbar“. Also die bringt jetzt nicht die große Kohle. 507 508 Ist das Verhältnis zum Künstler unmittelbarer geworden durch Social Media? 509 Ja, schon. Wenn auch zum Beispiel ein Künstler eine Geschichte postet, die du geschrieben hast, das kann durchaus auch unangenehm sein. Wenn du eben 510 eine harte Kritik geschrieben hast zum Beispiel. Das ist jetzt bei deutschen Sachen nicht so krass… 511 512 Wenn er deine Geschichte über ihn veröffentlicht auch wenn er darin negativ wegkommt? 513 Ja. Kann passieren. 514 515 Machen sie das? 516 Bei negativen Geschichten weniger. Aber vielleicht ist man da versucht, dass man netter schreibt. Weil man sie ja kennt und weil man ihnen auf Facebook folgt 517 oder sie immer so nette Sachen schreiben. Das ist jetzt eine These. Oder eine grobe Idee. 518 519 Könnte die kritische Distanz schwinden, weil man vernetzt ist? 520 Das meine ich. Habe aber ich persönlich noch nicht so die Erfahrungen gemacht. 521 522 Gehen wir in die Zukunft. Du hast gesagt, die Vernetzung wird bleiben. Welche Bedeutung wird das zukünftig für die Recherche haben und die 523 Beziehung mit dem Publikum und das Publizieren? 524 Ich glaube, dass es wichtiger wird. 525 526 Glaubst du, dass die Recherche wichtiger wird? Wie könnte sie noch wichtiger werden? 527 Ja ich glaube schon, dass die Recherche wichtiger wird, weil Twitter wird zum Beispiel auch als „Verlautbarungsmedium“ benutzt, von Künstlern. Und das ist 528 natürlich supereinfach, sich da ein Zitat herauszunehmen und zu schreiben. Wenn man schreibt „David Lynch kündigt seinen neuen Film an, schreibt er auf 529 Twitter. Es wird ein Monsterfilm“. Dahingehend, das habe ich beobachtet, im U.S-Wahlkampf, wie oft meine Kollegen aus der Politik-Redaktion gesagt haben: 530 „Ach ja, der schreibt dies und das auf Twitter“. Und es ist ja kein Zufall, dass er das Foto, worauf er Michelle Obama umarmt, das Siegerfoto „four more years“, 531 dass der das auf Twitter postet, weil es für ihn ja eine super Möglichkeit ist, ohne „dazwischengeschalteten Medien“, mit seinen Wählern zu kommunizieren. 532 Wie es auch dann für Künstler ist, ohne „dazwischen geschaltene Medien“ mit Fans zu kommunizieren. Das ist sicher einfacher. Das funktioniert da gut und es 533 ist für Redaktionen einfacher, sich das von hier herunterzunehmen. Nachdem ja Redaktionen allerorts gekürzt werden ist das eben praktischer als wenn man 534 jemanden anrufen muss. 535 536 Und kann die Beziehung mit Publikum noch intensiviert werden? 537 Ja, glaube ich schon. Wie weiß ich nicht ganz. Der Guardian zum Beispiel hat eine eigene Zusammenarbeit mit Facebook, wo ich dann sehe welche Guardian-538 Artikel meine Bekannten lesen. Das finde ich ein bisschen spooky, das mag ich eigentlich nicht. Aber solche Zusammenarbeiten kann ich mir gut vorstellen, 539 dass das kommt. Genauso wie auf Youtube, wenn du eine bestimmte Anzahl an views hast, dir Youtube etwas zahlt für den Inhalt. Und du den auch selber 540 vermarkten kannst. Wenn du eine lustige Katze hast zum Beispiel. 541 542 Was heißt das, „Youtube zahlt dir etwas“. Wofür? 543 Für den Inhalt Oder du wirst prozentuell beteiligt an den Werbeeinnahmen. 544 545 Nachdem du Werbung zulässt auf der Seite? 546 Ja, das nehme ich schon an. 547 548 Weisst du zufällig, was das für eine Schwelle ist? 549 Das weiß sicher jemand aus der Technik-Redaktion. Weil zum Beispiel, dieses „David after dentist“, die bekommen Kohle dafür. Inzwischen. Weil es sich – 550 weiß nicht wieviele – Millionen Leute angesehen haben. 551 552 Welche Bedeutung wird es in Zukunft auf das Publizieren haben? 553 Da habe ich keine Ahnung, das ist eine ziemlich schwierige Frage, weil ich nicht weiß, wie es insgesamt weitergeht. Ob jetzt Bezahlschranken kommen, wer die 554 macht, was dahinter verschwindet, wie man im Internet Geld verdient, das hängt auch damit ganz stark zusammen. Deswegen habe ich da keine Ahnung wie 555 das sein wird. Ich weiß auch nicht wie sich Facebook wirklich entwickelt. Ich habe das Gefühl, dass es so Ermüdungserscheinungen hat. Wenn ich so meinen 556 Bekanntenkreis anschaue und irgendwie das Gefühl habe, die Leute waren früher aktiver. Vielleicht ist es aber auch nur ein Imageproblem. Das kann ich nicht 557 sagen. 558 559 An dem Facebook Schuld ist? 560 Ja, sicher. 561 562 Man liest immer wieder vom Niedergang des Feuilletons und Tod der Kritik. Wie kann das social web dem Kulturjournalismus ihn am Leben 563 erhalten, wie kann es ihn verbessern? 564 Indem du nur mehr Überblick bietest. Ich glaube wichtig ist Guidelines zu haben. Nicht Guidelines, Orientierung. Leser suchen Orientierung. Und auch wenn 565 sich meine Kollegen darüber lustig machen, ich finde es super, wenn ein Film jetzt vier oder fünf Sterne darunter hat. Wenn ich auf den ersten Blick sehe ist der 566 Film jetzt gut oder ist er nicht gut. Ich glaube, gerade dadurch, dass wir so ein Überangebot haben wird das wichtiger. 567 568 Wo schaust du dann nach? 569 Ich bin ständig auf diesem metacritic.com Und schaue nach welcher Film jetzt wie gut abschneidet und was ich mir jetzt als nächste anschauen soll. Das wird 570 wichtiger. Das ist zu wenig transparent meiner Meinung nach, das ist zu wenig gesammelt, das ist, gerade im Internet, oft nicht gut abgebildet. Dass du das auf 571 einen Blick siehst: „Diese fünf Filme kommen ins Kino, der ist so, der ist so, der ist so, der ist so. Der beste von den fünf ist der“. Oder: „Heute am Abend sind 572 die und die Künstler in Wien. Wir empfehlen Ihnen das Konzert. Es gibt noch Tickets!“ Viel Servicefunktion auch. Worauf auch sicher vergessen wird. 573 574 Diese Meta-Seiten werten ja mehrere Kritiken aus, oder? 575 Klar, metacritic.com Hat ja 20 oder 30 Kritiken drinnen. Immer ganz kurz und mit Link und dann werden Sterne vergeben. Das ist auch irgendwie den Medien, 576 die es veröffentlichen, super, weil sie verlinkt sind, aber andererseits ist es natürlich unfair, weil die den Inhalt nehmen ohne dafür zu bezahlen und jeder schaut 577 dann auf metacritic.com Oder rottentomatoes oder so. Das ist im Internet eben immer eine Frage wem was gehört, wer worauf ein Recht hat. Aber ich glaube, 578 dass Kulturjournalismus diese Funktion sehr gut erfüllen könnte oder immer noch erfüllt. Ich glaube nichtan den Tod der Kritik. Mich interessiert nicht, was der 579 Hans Huber aus Hintertupfing schreibt über das neue Metallica-Album. Mich interessiert, was der Rolling Stone-Kritiker schreibt. Blogs gut und schön, aber du 580 musst ja auch wissen, wen du liest, auf was du schaust. Das ist mir zu mühsam oft. 581 582 Also keine Konkurrenz aus den Blogs für die traditionellen Medien? 583 Es gibt schon eine Konkurrenz, aber ich glaube wenn man das geschickt angeht, dann kann man die auch hereinholen, einbetten. „Die Blogger schreiben das 584 und das“ – wieso sollte man das nicht machen. So wie metacritic.com. Es ist eine Frage der Ressourcen, wie du das machst, mit der Technik. Aber ganz wichtig 585 finde ich eben diese Orientierungsfunktion. 586 587 Und das funktioniert über partizipative Sachen? 588 Sicher, das würde auch funktionieren. Ja. 589 590 Sonst noch eine Funktion, die über das Social Web gestärkt wird? 591 Naja man ist ja als Kulturjournalist auch irgendwo Idealist. Und man möchte wahrscheinlich auch wenn die Lieblingsband mehr Zuschauer hat. Da kann man 592 vielleicht auch Werbung machen ohne jetzt Marketing zu machen. Man kann Dinge fördern, sage ich jetzt einmal. 593

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594 Kannst du das genauer erklären? 595 Also Kulturprodukte, von denen man überzeugt ist, die kann man über social media wahrscheinlich auch ein bisschen färdern, einbisschen mehr in die 596 Öffentlichkeit rücken. 597 598 Wie hilft das dem Journalismus selbst? 599 Ach, dem Journalismus gar nicht. Oder. Schon? Sicher. 600 601

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INTERVIEW G 1 Dezember 2012 2

3 Beginnen wir mit einer allgemeinen Frage. Was meinst du in welchen Bereichen des Kulturjournalismus, also in welchen Sparten, Musik/Kunst usw. 4 spielt das Social Web die größte Rolle und in welchen weniger? 5 Das würde ich dir gerne beantworten, allerdings tu ich mir ein bisschen schwer damit, weil natürlich das Social Web mit seinen Filterblasen immer ein bisschen 6 dazu tendiert, dass man das Gefühl hat, …also man kann in verschiedene Blasen eintauchen, so zu sagen. Ich weiß nicht ob es im Bereich von Kunst in 7 irgendwelche Accounts gibt, die so groß sind, wie der von NME zum Beispiel. Da müsste man sich wahrscheinlich die paar grö0ßten Accounts für bestimmte 8 Sparten anschauen, der von NME der hat über 1 Mio., glaube ich. Wenn man dies dann vergleicht, mit - wenn die Institutionen dahinter sind, ist es eine 9 andere…..NME ist ein Medium, und im Bereich von Kunst im eigentlichen Sinn sind da mitunter auch sowas wie die Tape Modern oder Museen dann eher die 10 die den Content bereitstellen. Und ich kenne mich vor allem bei Musik aus, um ehrlich zu sein. Also ob es jetzt irgendwelche riesigen Filmseiten im Netz gibt, 11 die vielleicht – es kann sein dass die vollkommen an mir vorüber gegangen sind, die Social Media extrem gut bedienen, es tauchen auch immer wieder Neue 12 auf, ich habe gerade letztens diese Webseite namens Buzzfeed entdeckt, die auf eine ganz seltsame Art und Weise wirklich nur noch Schlagzeilenjournalismus 13 betreibt, die dies aber extrem gut macht und die Anforderungen an das Social Web extrem gut bedient. D.h. Verkürzung - Hinklicken, 30 Sekunden 14 Befriedigung und dann wieder weiter. Wenn du mich so generell fragst, in welchen Bereichen es am wichtigsten ist… Man hat schon manchmal den Eindruck, 15 dass Kunst also so bildende Kunst, ein Bereich ist, der sich dagegen noch relativ abschottet, im Vergleich zu vielen anderen. Was nicht heißt, dass es nicht 16 trotzdem erfolgreiche Beispiele gibt. Auch in Österreich, oder zB dieses Monopol Magazin ist sehr gut gemacht und auch von großen Medien, die granulieren 17 dies nicht so weit runter, dass sie dann für Film, Musik, Kunst, Comic ihre eigenen Twitter-Accounts haben, sondern das läuft dann alles unter Kultur, 18 Pressekult und der Standardkultur usw. Ist dies die Richtung die du von mir hören willst? 19 Ja, aber, was du denkst. Gibt es in der Musik zB mehr Information zu holen, aus dem Social Web als in der Kunst oder Literatur? 20 Insofern schon, als das es für Bands und Musiker fast nicht ohne geht. Selbst Bands, österreichische Bands, die sich ganz lange dagegen geweigert haben, sie 21 Soap and Skin und Japanic, denen das ein bisschen zu minder war und die derzeit sicher im Popbereich zu den, ganz oben zumindest hingehören, unter die 22 Top 10 oder vielleicht sogar die zwei wichtigsten, selbst die machen mittlerweile mit. Und die Auftrittsmöglichkeiten von Bands und die Art und Weise wonach 23 ihr Erfolg gemessen wird, ist im Bereich von Musik sicher viel weiter in die Szene quasi vorangeschritten. Eine Band die keine Facebook Seite hat, gibt es fast 24 nicht. Es ist wirklich wirklich ungewöhnlich. Und dasselbe würde ich jetzt für die Kreativen im Film so nicht sehen. Auch wenn es da Leute gibt, die das 25 erfolgreich machen, würde ich das im Bereich von Kunst nicht so sehen. Comic kann ich wenig sagen. 26 Literatur? 27 Literatur müsste man jetzt Thomas Weber fragen, aber ich habe schon den Eindruck, alleine wenn ich dabei bin, diese Webseiten und Autoren zu taggen, dass 28 viele Einträge schon einfach nur die verlinkten Wikipedia-Beiträge sind. Das ist schon sehr weit fortgeschritten. Ob Literatur mehr oder weniger als Kunst, tu ich 29 mich schwer, das genau zu sagen. 30 Was schätzt du warum das so ist? 31 Na ja, die Musik hat schon als eine der ersten Branchen die Auswirkungen der Digitalisierungen sehr früh zu spüren bekommen. Also alles was Film, wegen 32 Datenmengen später erlebt hat, also Napster zB, da hat sich einfach die musik sehr früh mit ihrer Digialität auseinandersetzen müssen. Und es ist in anderen 33 Beriech auch viel weniger so. Also es ist auch immer noch so, dass solche Initiativen wie zB dieses Googlemuseum am Anfang steht, falls du das kennst dieses 34 GoogleArts. 35 Film steht vor sehr ähnlichen Veränderungen und Herausforderungen, hat allerdings quasi noch den Vorteil, dass die Bandbreite viel höher ist, die dafür 36 benötigt wird, … Einen Film auf das Handy streamen, geht noch nicht. Musik auf das Handy streamen geht ziemlich gut. Und insofern wird dieser ganze Inhalt 37 viel leichter teilbar und viel leichter an Freunde quasi mitteilbar oder relativ einfach verschickbar. Sendspace-Link oder wie diese ganze Filehosting-Services 38 dann eben auch immer heißen, wie Transfer und so weiter, das geht mit Musik sehr schnell, dass geht mit Kunst viel weniger. Und Kunst hat auch noch immer 39 dieses Auratische, es liegt schon ein bisschen an den Inhalten selber auch, die Erfahrungen die man bei klassischer bildender Kunst hat, ist schwer ins Netz 40 transportierbar, weil es da sehr viel um die Vor-Ort-Erfahrung, die Materialität, die Wahl des Materials geht. Es gibt schon die klassischen Bilder, so zu sagen. 41 Es gibt auch ein paar Leute, wie Gerhard Richter, Daniel Richter oder Thomas Draschan oder so, die genau das dann auch gut im sozialen Netz 42 weitervermitteln. Aber ganz viel Kunst bewegt sich halt nicht in zwei Dimensionen. 43 Sprechen wir über die Recherche. Wie nutzt du Facebook wenn du recherchierst? 44 Ich nutze Facebook vor allem dann zur Recherche, wenn es schwierig ist, einen Kontakt herauszufinden. Es geht mittlerweile über Facebook fast am besten. 45 Dadurch dass der Algorithmus dahinter liegt, der auch rausfiltert, wofür sich die Freunde interessieren. Hat man einen Namen einer Band oder eines Produkts, 46 der relativ zweideutig ist, hat man über Facebook relativ schnell die richtige Antwort, und die richtige Band. Sowas wie die Band Friends oder Girls, wenn die 47 dann so heißen, tut man sich über Google wahnsinnig schwer. Selbst wenn man Band, Musik oder sonst etwas eintippt. Weil alles was dies auch im Namen 48 hat, kommt natürlich auch vor. Über Facebook funktioniert dies ziemlich gut. Was allerdings nicht gut ist, ist das Facebook, nachdem sehr stark der Algorithmus 49 noch – man hat mittlerweile die Möglichkeiten sich diese Timeline und den eigenen Friendfeed besser zusammenzustellen. Das funktioniert allerdings noch 50 immer nicht so gut, dass man – man muss sehr viel nachstellen, feinjustieren sozusagen. Selbst dann gibt einem der Facebook-Algorithmus sehr viel vor. D.h. 51 es funktioniert dann gut, wenn es im unmittelbaren Bekanntenkreis irgendwie passiert. D.h. wenn man sozusagen jemanden kennt wie den David Schalko, oder 52 vielleicht mit dem Erwin wurm befreundet ist oder mit dem Peter Weibel oder so, oder dem Peter Zarel, dann bekommt man Informationen darüber, oder 53 interessante Links, Neuigkeiten, neue Websites, irgendwelche Tumbler und so weiter. Aber das ist immer auch sehr zufällig und wird immer auch zugespamt 54 mit irgendwelchem anderen Freundesquatsch, sagen wir Katzenfotos oder Babyfotos. Diese Dinge Insofern finde ich es für die Recherche nicht sonderlich 55 geeignet. Man kann meistens aktuelles Material von irgendwelchen, … man sieht was macht der gerade in letzter Zeit ein bestimmter Künstler, oder auch – wir 56 haben zB so einen Streetart-Serie bei uns auf Facebook, da sieht man auch meistens relativ gut, von wann diesen ganzen Pieces sind, die diese Leute 57 machen. Als Newsticker funktioniert Twitter viel besser. Und man kann das mit Listen sehr gut kontrollieren, was man mit welcher Priorität reingespielt 58 bekommt. Das braucht natürlich auch sehr viel Nachjustierung. Aber ich finde es ist besser und schneller. 59 Und vor allem bekommt man über Twitter, es hat dieses Plötzliche, das versucht Facebook zwar in letzter Zeit auch, wenn man ganz oben in der Timeline 60 bleibt, ploppen auch immer wieder neue Nachrichten auf. Aber es ist nicht vergleichbar mit dem, wie das auf Twitter ‚reinschneit‘, sozusagen. Insofern finde ich 61 dort den wesentlich besseren Ticker um schnell zu sein. Wenn man in die Tiefe gehen will, ist wahrscheinlich beides nicht gut (LACHT). Oder es muss auf 62 jeden Fall ergänzt werden mit Interviews oder… Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal in der Bibliothek war, das sollte man eigentlich machen. Aber viel 63 schreibt sich halt eigentlich auch so, über Websites. 64 Nimmst du über Facebook auch Kontakt auf mit den Leuten, über die du recherchierst? 65 Selten, aber doch. Wirklich selten. Es funktioniert eigentlich auch erst seit Kurzem, dass man mit sozusagen… man kennt die Privatperson dahinter oft nicht so 66 genau, die haben dann irgendwelche anderen Namen. Und dass man, um bei dem Beispiel vorher zu bleiben zB der Band Japanik, die mehrere Leute sind, 5 67 Leute an der Zahl, denen schreiben kann und auf diese Page geht und ihnen eine Nachricht schreibt, das geht erst seit einem halben Jahr. Ich glaube, es wird 68 allerdings sehr sehr wenig genutzt. 69 Ein Vorteil von Facebook und Twitter ist schon auch der, dass die Leute anders darauf reagieren. Das hat noch eine andere Wertigkeit. Ich glaube, das wird 70 irgendwann sicher aufhören. Ich bemerke dass bei mir selber, wenn mich Leute wegen irgendetwas anschreiben, hey das könnte was für euch sein, hat man 71 sich ganz am Anfang mehr bemüht, dementsprechend dem adäquat zu antworten. 72 Und was ändert sich da? 73 Es ändert sich, dass es immer mehr wie ein E-Mail behandelt wird. Und mit E-Mails wird man halt auch zu bombardiert. Und so ähnlich merken es die Leute/ so 74 ähnlich wird es mit Facebook, denke ich, auch gehen. Aber derzeit geht es noch. Zum Beispiel die Co-Cover-Story im Oktober Nazar, wenn ich das jetzt nur 75 über den E-Mail-Kontakt probiert hätte, hätte es sicher länger gedauert, und so checkt man relativ schnell, ob die echte Person dahinter steckt oder nicht, und 76 man kann sie direkt anschreiben. Und dann ist der Kontakt hergestellt, selbst wenn man den Termin dann über die Promoagentur laufen lässt. Aber das hat 77 schon andere Erfolgsaussichten. Ich habe dann zB auch dem Falter empfohlen, das über Facebook oder Twitter zu machen, weil die im Nachhinein noch etwas 78 darüber geschrieben haben. Insofern nutze ich das schon, und derzeit ist es auch noch ein vielversprechendes Mittel. Ich denke aber, wenn man jemanden wie 79 Muse anschreibt oder Barrack Obama (Lacht) dann ist das so, als wenn man einer Adresse mit Auto-Reply ein Mail schickt. 80 Wie sieht das mit YouTube aus? Was spielt das für eine Rolle in der Recherche? 81 Also für Musik ist es enorm wichtig. Weil Musik ganz viel von den Images über Videos transportiert, neben dem Artwork. Und Videos erzählen dann oft noch 82 eine andere Geschichte zum Album, als das Album und die Texte selber tun. Und das kommt zwar nicht vom Künstler selber, aber es ist trotzdem für sein 83 Image entscheidend. Insofern kommt man über YouTube als ein zusätzliches Sensorium, um rausfinden was dem Künstler wichtig ist, kommt man eigentlich 84 nicht drum herum. Oder was diesen Erfolg vielleicht auch ausmacht, was dessen Relevanz ausmacht. Manchmal kann es ein Video eher sein, als die Musik 85 selber, ist auch schon passiert. Insofern ist es zumindest für Musik schon essentiell. Es gibt wahnsinnig viel Material auf YouTube. Ob es jetzt Dokumentationen 86 zu Synths in Großbritannien sind oder die Kurzgeschichte von HipHop in Österreich, es gibt wahnsinnig viel Material dort, es ist natürlich immer ein bisschen 87 dem Zufall überlassen. Aber es gibt Material, dass man sich sonst mühsam in irgendwelchen Archiven zusammensuchen müsste. Also zur Geschichte des 88 österreichischen HipHops kann ich am ehesten YouTube empfehlen, auch aus Gründen, dass – es gibt eine FM4 Serie dort, die das ganz gut aufarbeitet, als 89 Einstieg zu mindestens. Das sind Dinge die man sich ansonsten, also wo recherchiert man das sonst? Man bekommt auch einen unmittelbaren Eindruck von 90 der Person, die das macht. Auch wenn der manchmal in die Irre führen kann. Aber man bekommt viel schneller Informationen. Da gibt es eine Menge Material. 91 Natürlich fangen auch PR-Agenturen an, Interviews bereitzustellen auf YouTube. Über ein neues Album, und was einem Artist wichtig war zu transportieren auf 92 dem und dem Song. Wieder das Beispiel Nasar, der hat auch einen Videoblog, reingestellt, in dem er in vier mal 15 Minuten verschiedene Aspekte seines 93

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neuen Albums behandelt. Wo Leute in O-Tönen reden, wo man sie sieht, wo sie über die Zusammenarbeit reden, einmal geht es um die Produzenten, und sehr 94 praktisch. 95 Und fließt das auch in die Berichterstattung ein, oder ist das dann nur Information? 96 Das weiß man nie so genau (Lacht). Es fließt in die Berichterstattung mit ein. Nicht immer, natürlich, aber um jetzt zB – ich finde für Pop schon sehr wichtig, 97 weil Pop sehr viel von Images lebt. Und weil dann ein Album-Artwork immer noch etwas anderes ist, als das Video zur Leadsingle, die sich der Artist oft nicht 98 selbst ausgedacht hat. Aber ich finde, es ist ein wichtiger Schlüssel um zu verstehen, warum ein bestimmtes Produkt erfolgreich ist. 99 Für Film ist es weniger tauglich. Video im Allgemeinen schon, es gibt auch Inhalte die dann auf Vimeo oder anderen Plattformen stehen. Aber ganze Filme 100 findet man selten dort. Auch wenn es die paar Agenturen gibt, die natürlich mit privaten Links auch wieder Umleuten versorgen - Journalisten. D.h. der Link ist 101 nicht öffentlich. Man bekommt ein Passwort und kann sich dann die und die Dokumentation oder Serie oder was auch immer, anschauen. Bis hin mit privaten 102 SoundCloud-Links wird auch ganz gerne verwendet. 103 Aber funktioniert das über YouTube? 104 Funktioniert auch bei YouTube. Ja. Das Problem bei YouTube ist, dass man – ich kenne das nur von Vimeo, da man es dort mit einem Passwort schützen 105 kann. Während bei YouTube meines Wissens nach, die Einstellung so ist, dass man … das müsste ich jetzt nachsehen… 106 Man kann schon öffentlich oder privat einstellen, denke ich. 107 Und es gibt noch etwas dazwischen. Jeder der diesen Link hat, kann darauf zugreifen. Das ist natürlich ein Problem, bei angenommen dem neuen Beyonce 108 Video, dann muss nur jemand den Link weitergeben und jeder kann es sehen, was natürlich von der Plattenfirma nicht gewünscht ist. 109 Okay. Sprechen wir noch über Blogs. 110 Pinterest habe ich übrigens noch nicht verstanden, denn man muss manchmal auch auswählen, welches Sozialnetz man noch versucht mitzubekommen. Ich 111 bin mir sicher es gibt Leute, die halten das anders. Aber in meinem täglichen Gebrauch sind vor allem Facebook, Twitter und Mail am wichtigsten. 112 Welche Netzwerke verwendest du? Kannst du eine Rangliste der Wichtigkeit nennen? 113 Jedes ist für verschiedene Dinge gut. Facebook hat den Vorteil, dass es sehr persönlich ist. Das ist meistens das unmittelbaren Bekanntenkreis wichtig ist. Man 114 kann aber nicht nur immer Meldungen die Freunde schreiben oder über befreundet Künstler und Kreative berücksichtigen, dass wäre auch albern. Deswegen 115 hat Twitter den großen Vorteil, dass es vor allem schnell ist und wie ein Newsticker funktioniert. Und Mail hat wiederum den Vorteil, dass man dort sehr früh von 116 Dingen informiert wird. Also, wir im speziellen als Longleadmedium, dh. wir haben ein Vorlauf manchmal von 2 Monaten, also wir bekommen Alben 117 beispielsweise, die Ende Februar rauskommen. Das hat den Vorteil, dass man dort drüber ein geheimes Netzwerk im Hintergrund schon fast hat. Für die 118 tägliche Arbeit, wann eine Ausstellung los geht, ein Film startet, und ja, für diese Dinge ist es am wichtigsten. Insofern lässt sich da schwer eine Rangliste von 119 diesen dreien erstellen. Ich würde gefühlsmäßig sagen, dass Facebook weniger wichtig und Mail vielleicht doch noch das wichtigste ist. Weil man dann ja nicht 120 nur unmittelbar auf das Tagessgeschehen reagiert, das wäre schön. Aber manchmal muss man doch ein Magazin machen, das monatelange interessant sein 121 sollte. 122 Also Mail ganz vorn, Facebook, Twitter… so hält sich die Waage? 123 Twitter eher dazwischen. Also vor FB. 124 Und YouTube und Blogs? Bzw. was du sonst so verwendest? 125 Parallel eventuell. Youtube verwende ich der Schnelligkeit halber. YouTube hat keine Timeline. YouTube links bekommt man dann trotzdem über FB, Twitter 126 oder Email rein. Vielleicht gibt es eine Funktion die ich noch nicht entdeckt habe, aber wenn ich auf YouTube gehe, sehe ich nicht, was sich meine Freunde 127 gerade alles anschauen und insofern ist es kein Medium, dass auf Schnelligkeit beruht. Sondern immer parallel dazu läuft, als Recherche. Blogs muss ich 128 gestehen, ignoriere ich bisher. (LACHT) Man kann sich nicht für alles gleichzeitig interessieren. Und drei Kanäle, die für etwas anderes da sind und noch dazu 129 die verschiedenen Werkzeuge, wie 130 manchmal findet man was auf GoogleBooks oder auf ganz unterschiedlichen Plattformen, von denen man sich Information herholen kann und die dann dazu 131 parallel laufen. Und manchmal landet man auf Blogs und manchmal landet man auf Tumblr. Aber aktiv eine Blogliste, die ich durchgehe, gibt es eigentlich nicht. 132 Ich habe sogar aufgehört ein bisschen, RS-Feeds zu lesen. 133 Warum? 134 Weil es auch ein vierte Timeline nebenher wäre, die man sich im Überblick halten müsste und dran bleiben müsste. Es kommt zwar nach wie vor rein, aber 135 sehe sie mir selten an. Auch Podcasts. Tolle Erfindung, aber ich … ich müsste überlegen, aber es gibt eine gewisse Verzögerung und diese anderen Tools 136 leisten das eine Spur besser. Eben dieses unmittelbare, das Persönlich einerseits von FB, das Schnelle, Unmittelbare von Twitter, und das wenn man so will, 137 vielleicht längerfristige von Email. Und die drei Sachen, die decken es derzeit für mich ab. Da wären dann RS-Feeds oder Podcasts – wüsste ich nicht, wie die 138 rein passen. Todsicher, aber (Lacht) irgendwann muss man auch fertig werden. 139 Gibt es einen relevanten Blog für dich, dem du öfter folgst? 140 Gegenfrage, was ist ein Blog? 141 Die Websites und die Blogs verschmelzen immer mehr. Sagen wir so, es ist doch eine nutzergenerierte Seite. 142 Eben. Und die Sachen die mir jetzt gerade einfallen, sind mitunter eher fast Dinge, wo Leute es mehr wie Website verwenden. Ich denke jetzt an den Werner 143 Reipe, ein Autor von uns, der immer wieder interessante Dinge zu Netzthemen bloggt, wenn man so will. Auch weil es jetzt gerade tagesaktuell ist, der Klaus 144 Werner Lobo hat natürlich eine Blog gegründet, die Corinna Millborn hat einen Blog, die äußern sich alle auf ihren Blogs,….aber … vielleicht muss ich mein 145 eigenen Verständnis von Blogs überdenken, da ich das mehr als Ort, wo man laufend kurze Beiträge postet, verstehe. Während die das schon mehr wie ein 146 Medium, mit einer gewissen Linie auch begreifen. Also insofern gibt es schon die, wo ich regelmäßig lande, aber ich weiß nicht genau, wie andere Leute ihre 147 Blogs regelmäßig lesen. Ich folge die Leute immer auf Twitter, und wenn es interessant finde, dann lande ich möglicherweise auf ihren Blogs. 148 Gibt es in Österreich relevante Blogs, die du öfter besuchst? Also, was gibt’s in Österreich konkret für Kulturblogs? 149 Ach so, so rum – ein Kulturblog. Natürlich der Kultursprecher der Grünen, dass ist dann natürlich auch ein Kulturblog. Aber ein klassischer Blogger, der relevant 150 ist,….Es gibt Blogger. Einerseits ist es ein Autor von uns, der nennt sich Disco Deamons, der Blog heißt auch Disco Deamons, der beschäftigt sich mit 151 elektronischer Musik, der ist sehr gut. Und es gibt den Kulturmanager. Der Christian Henner-Fähr, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, der auf Twitter sehr 152 aktiv ist, aber dort auch regelmäßig sehr wertvolle Beiträge postet. Obwohl ich dann natürlich nicht so oft dazu komme. Oder der Musikführer Wirtschaftsblog 153 von Peter Tschmuck, von der Musikuni. Kann man wahrscheinlich auch als Blog bezeichnen. Darüber hinaus müsste ich noch ein bisschen nachüberlegen, 154 was es noch gibt – Es gibt zweifelsohne wichtige Blogs, die ich auch regelmäßig lese. Aber das sind so vom Kopf weg die ersten drei Größeren, die mir 155 einfallen. 156 Gibt es sonst noch weitere Social-Web Plattformen die du für die Recherche nutzt? 157 Ich überlege gerade. Also man landet mitunter schon auf Flickr, aber ich fände es übertrieben, zu sagen, dass das für die Recherche wäre. Und auch auf 158 Pincher eigentlich … FourSquare, kann passieren. Aber ist auch nicht so, dass ich es als Recherchetool, man landet manchmal dort. 159 Was machst du da? 160 Indem man sich zB anschaut, jetzt gerade vergangenes Wochenende hat die Grelle Forelle einjähriges Jubiläum gefeiert, und man schaut sich einfach an, was 161 die Leute auf FourSquare zu dieser Location sagen. Nachdem dort Orte kategorisiert werden, kann es schon auch helfen, wenn – auch wenn sie manchmal 162 falsch kategorisiert sind, kann es schon helfen, wenn man sich jetzt zB für wichtige Clubs in Hamburg interessiert. Und darüber etwas rausfinden will, dann 163 sieht man auch, wie viele Leute sind dort eingecheckt. Es eignet sich natürlich nur für einen speziellen Bereich. Aber es ist schon vorgekommen. Viel mehr 164 echte Recherche, wäre übertrieben dazu zu sagen. 165 Sonst noch was? 166 Ich habe sicher noch was vergessen. Welche sozialen Netzwerke gibt es sonst noch? Es gibt sie ja ohne Ende. 167 Tumblr hast du schon erwähnt. 168 Auf Weibo war ich noch nie. 169 Wird das außerhalb von China verwendet? 170 Nein eigentlich nicht. Ich habe einen Beitrag gelesen, dass es der erste Service/Server sein könnte, das außerhalb von China tatsächlich Verwendung findet. 171 GooglePlus gibt es noch. GooglePlus ist eigentlich nicht zu unterschätzen, weil es den Pagerank in den Suchergebnissen sehr beeinflusst. Und deswegen 172 haben es manche Leute umgestellt und sind nur noch auf GooglePlus, haben ihre Informationen hauptsächlich dort gestreut. Allerdings machen das nicht viele 173 und zur Recherche habe ich es auch noch nicht verwendet. 174 Was heißt das konkret? Wenn du dort eine Nachricht postest… 175 Der Umstand wie viel Leute in meinem Bekanntenkreis einen bestimmten Link teilen oder dafür ein +1 vergeben, verändert im Idealfall der Eine 176 Googleergebnisse. Dh. wenn eine bestimmter Beitrag zu, sagen wir der Dokumenta heuer, von uns speziell erfolgreich ist auf GooglePlus und du auch über 177 mehrere Freunde in diesem Netzwerk von Freundesfreunden drin hängst, dann kommt sozusagen dieser Beitrag, der auf dann zum Beispiel Gap dann steht, in 178 deinen eigenen Googleergebnissen weiter oben. Das hat Google am Anfang vielen Website-Betreibern, dass sie das so handhaben werden, relativ deutlich zu 179

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verstehen gegeben, dass man GooglePlus besser nutzt, damit dann die Googleresultate dementsprechend sind. Ja, aber Google macht das schon längst so. 180 Was ich vorher erwähnt habe, mit der Filterblase, meine Ergebnisse zu, sagen wir der Hobbit sind andere wie deine. 181 Wenn ich jetzt frage, was sind die großen Probleme - du hast jetzt schon sehr viele Vorteile genannt, aber fallen dir noch mehr große Vorteile für die 182 Recherche ein und wiederum, welche Probleme entstehen dadurch? Vielleicht sieht du schon einen Anknüpfungspunkt. 183 Ja, im Prinzip habe ich versucht einiges schon dazu zu sagen. Die größten Vorteile … vielleicht ist das mit den Vorteilen sogar einfacher, wie mit den 184 Nachteilen. Das muss man teilweise von Netzwerk zu Netzwerk beantworten. Bei FB erfahre ich sehr gut, was meinen unmittelbaren Bekanntenkreis 185 interessiert. Da werden Links die viele mögen automatisch zu mir gespült. Dieses wenn Nachrichten wichtig sind, dann erreichen sie mich, hat man auf FB sehr 186 gut. Dafür hat man allerdings auch sehr gut, wenn meine Freunde gerade alle Idioten sind und sich für einen blöden Content begeistern, dann spült es das auch 187 zu mir, den man eigentlich gar nicht wissen will oder als unwichtig empfindet. Dafür hat FB noch keine richtige Lösung. Man steckt bei FB fast noch mehr wie 188 Google in seiner Filterblase fest und bekommt Dinge, die einen vielleicht mehr interessieren würden, weniger mit, weil es weniger Leute für relevant finden. Es 189 ist so quasi eine ständige Konsens-Maschine. 190 Ich muss auch sagen, ich bin bei Twitter vielleicht ein bisschen zu positiv eingestellt. Viele Leute würden auch sagen, weil wir anfangs auch über Wolf 191 Schneider geredet haben, das ist so ein nicht-enden-wollendes Gebrabbel und man erfährt dort nicht wirklich etwas von Relevanz. Aber ich habe schon auch 192 die Diskussion erlebt, wenn sich ein paar erwachsene Leute zusammentun und versuchen in 140 Zeichen möglichst freundlich zu einander zu bleiben, dass 193 dann auch sinnhafte Diskussionen daraus entstehen können. Und wenn nicht, dann macht man einen Blogbeitrag und streut ihn über Twitter, dann können die 194 Leute darauf reagieren. Ich habe mich jetzt nicht streng an das Vorteil-Nachteil-Schema gehalten. 195 Ein großer Nachteil von diesen ganzen Dingen ist schon, dass man in so einem – es erzeugt eine gewisse Art von Dauerstress, dass es dort immer 196 Informationen geben könnte, die man verpasst hat und dieses Mal zurücktreten und ein Buch lesen, empfinde ich zumindest durch diesen Dauerbeschuss an 197 neuen Informationen und Bildern - von dem man schon längere Zeit redet, der aber dort unmittelbar auf einen wirkt, empfinde ich schwieriger. Und was sich 198 vorhin schon meinte, mit dieser Konsensmaschine, die Corinna Milborn hat das in einem Beitrag für uns gut ausgedrückt indem sie sagte, „es ist wesentlich 199 leichter auf ein like zu drücken, als sich für irgendetwas zu engagieren.“ Und da bleibt sozusagen das Machen und Dinge durchziehen, die vielleicht auch nicht 200 ganz so einfach sind, ein bisschen auf der Strecke. Es ist immer leichter - womit kann ich das vergleichen – die üblichen Vertreter, Katzenfotos wird man immer 201 mehr Likes bekommen, wie für einen Aufruf – ein möglichst drastisches Beispiel – sich in Ägypten…. Kony war eines dieser wenigen Beispiele, dieses Kony 202 2012 mit seinen negativen Begleiterscheinungen, wo dies halbwegs funktioniert hat. Eine globale Kampagne über Social Media damit sich an einer bestimmten 203 Sache etwas ändert. Aber in den meisten Fällen bedient FB durch den Algorithmus, der dahinter steckt, schon sehr kurzfristige Befriedigung. Adrenalin-Ausstoß 204 auf Knopfdruck. Kurze Schübe. 205 Hier geht es dann auch schon ein bisschen um die Interaktion auch, also das Bewerten durchs Publikum. 206 Ja schon eigentlich. Man hat das in seiner täglichen Erfahrung, dass heißt nicht, dass die Dinge die dann gut funktionieren, deswegen schlechter sind als die 207 Dinge die einem wichtig sind. Aber er der Umstand, dass dann zB sagen wir man verlost ein Sackerl von Feschmarkt oder postet die Soap & Skin Schokolade 208 von Zotter, ein Foto davon und hält das in die Kamera, dass das offenbar vier oder fünfmal so viele Leute sehen – mindestens – wie zB eine Coverstory über 209 Glock, dem riesigen österreichischen Waffenhersteller oder dem Arabischen Frühling und Subkultur, ist dann immer wieder ein bisschen bitter. 210 Okay, vielleicht können wir noch kurz bei der Recherche bleiben. Gibt es für dich einen methodischen Zugang, mit dem zu die Zuverlässigkeit von 211 Quellen prüfst? 212 Doppelt checken (lacht). Ich glaube das ist ein journalistischer Grundsatz oder? Also ich bin kein ausgebildeter Journalist sondern versuche die blödesten 213 Dinge, die man vielleicht in dem Bereich machen kann, nicht zu tun. Die übliche Skepsis zu haben und es doppelt zu checken. Vielleicht sogar dreimal, wenn es 214 einem komisch vorkommt. 215 Wenn du auf einen Blog gehst und interessante Infos findest, wenn es zufällig passiert, was machst du da, bevor du es übernimmst? 216 Googlen. (Lacht) Doch. Auf Wikipedia gehen. (Lacht) Was man dann erst wieder überprüfen sollte. Nein, ich gehe in keine Bibliothek, um dann zu überprüfen, 217 ob es mit dem Wissen aus dem Brockhaus oder der NMG, was der Brockhaus für Musik ist, übereinstimmt. Ich rede halt oft über Musik, weil ich mich da am 218 besten auskenne. Aber das mach ich weniger. Vielfach sich auch intuitiv darauf verlassen, ob man etwas glaubwürdig findet oder nicht. Ich denke, ich bin 219 generell schon jemand, der misstrauischer ist. (Lacht) 220 Die Echtheit von Accounts, Twitter als Beispiel, oder Facebook bei Künstlern… 221 Ach so, so etwas. Ja, da hat es zumindest schon genug Streitfälle gegeben, dass viele von diesen Social Networks versucht haben einzuführen - auf Twitter 222 sind es die sogenannten Verified Accounts, die bestätigen, dass jemand wirklich sich dahinter steckt, dann kann man sich üblicherweise sicher sein. Auch wenn 223 ich schon von Verified Accounts gehört habe, die nicht derjenigen Person gehört haben. 224 Wie funktioniert die Verifizierung? 225 Das ist undurchsichtig und deswegen kann man sich nicht hundertprozentig darauf verlassen und deswegen gibt es auch diese Accounts, die dann nicht der 226 jeweiligen Person entsprechen. Auf FB habe ich es ehrlich gesagt, selten erlebt, dass sich jemand mutwillig die Identität gekapert hat. Meistens sind dann doch 227 auf FB diejenigen mit den meisten Fans, die offiziellen Seiten. Da gibt es natürlich Fake-Accounts, aber die sind dann unter ferner Liven. Natürlich, wie man es 228 häufiger verifizieren kann, ist einfach auf die Website gehen. Dort sind dann die FB-Profil verlinkt. Ziemlich häufig. 229 Man hat natürlich viel leichter Informationen als früher und ist auch vielmehr vernetzt mit anderen Kollegen, anderen Medien. Beeinflusst das die 230 Themensetzung? Oder lässt man sich von anderen Themen anderer Medien beeinflussen? 231 Ich glaube, es wäre gelogen, wenn man sagen würde nein. Die Frage ist immer, von wo man das ausmacht. Es lassen sich natürlich Leute von 232 unterschiedlichen Dingen beeinflussen. Man lässt sich mitunter auch von ganz simplen Dingen beeinflussen. Wenn bei einem Artikel beispielsweise diese Like- 233 und Tweet-Anzahl steht, geht man davon aus, wenn es jetzt drei oder dreihundert waren, dass es etwas darüber aussagt, wie sehr es Leute interessiert. Man 234 verlässt sich natürlich auch auf, also manche Dinge mögen wichtig sein, passen aber einfach nicht in das redaktionelle Schema. Das passiert bei uns oft genug, 235 das man etwas interessant findet, aber wir sind dann doch auf Kulturthemen abonniert, sozusagen. 236 Natürlich folgt man anderen Medien, um auch etwas mitzubekommen, wenn man etwas verschlafen hat. Und wenn dann etwas öfter vorkommt. Insofern hat es 237 definitiv einen Einfluss. Inwieweit, tu ich mir ein bisschen schwer, darüber genau etwas zu sagen. Man glaubt sicher manchen Quellen mehr, dass etwas 238 Relevanz hat, einem großen Portal oder so, als anderen. Oder wenn es von mehrere verschiedene Portale, Medien, Menschen herkommt. Wenn es eine 239 Häufung hat. Wie jetzt gerade die Diskussion mit den Hinnichen. Das zieht sich dann irgendwie quer durch. Man könnte sich alternativ noch auf diese Trending-240 Topics verlassen, auf Twitter, aber die sind dann doch noch zu ungenau. Sie passen zu wenig in die eigene Themenauswahl. 241 Wie funktioniert das für Österreich? 242 Ja eben, die sind sehr grob. Das ist quasi wie oft ein Hashtag vorkommt. es gibt sie definitiv für Österreich, wobei nicht im Tweeteck, welches ich nutze für 243 Twitter. Das ist so eine Stand-Alone-Applikation, in der man sich mehrere Tweets nebeneinander schalten kann und Suchen einrichten kann usw. Und dort geht 244 es nur für Deutschland und nicht für Österreich. Und insofern sind diese ganz breiten Themen dann eher Dinge, die mit Fußball, eine Naturkatastrophe oder 245 eben Comic zu tun haben. 246 Reden wir über die Interaktion mit dem Publikum. Was sind die wichtigsten Social-Media-Kanäle dafür? 247 Facebook und Twitter – also es passierte sehr zufällig und intuitiv, nachdem wir uns nicht doppeln wollten, haben beide Kanäle einen unterschiedlichen Zweck. 248 Dh. auf FB geht es wirklich darum Publikum zu erreichen, was auch gut funktioniert. Also ein Drittel oder mehr sogar unseres ganzen Website-Trafics kommt 249 über FB. Klickt sich darüber auf die Website. Während Twitter, würde es zwar auch automatisch ausspielen, aber dort ist es viel wichtiger mit Leuten zu reden, 250 zu kommunizieren. Sicher machen es viele Leute anders, die meisten, glaub ich, versuchen auch über FB zuerst einfach eine Art Interaktion herzustellen. Fans 251 zu erreichen und auch sehr viel fremden Content zu posten, irgendwelche Bilder, interessante Links. Einer der größten Accounts ist Armin Wolf, der das sehr 252 professionell macht. Er mischt das sehr stark und postet manchmal Dinge, die ihn unmittelbar betreffen, aber auch Dinge, die er relevant findet. Während wir 253 bzw. ich bei The Gap irgendwann einmal eine Trennlinie eingezogen habe, damit es vielleicht auch für mich nicht so fad ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die 254 Frage jetzt beantwortet habe. 255 Also, verstehe ich das jetzt richtig. Findet auf FB auch eine Interaktion statt? 256 Findet natürlich statt. 257 Bist du darauf aus, dass Interaktion stattfindet? 258 Es wäre komplett falsch zu sagen, dass wir nicht darauf aus sind, allerdings muss ich sagen, könnte man das viel besser machen (lacht). Also ich weiß selbst, 259 dass es, wenn es um Interaktion gehen würde, man es dort viel besser machen könnte. Postings ein bisschen anders schreiben und kurzweiliger und 260 manchmal vielleicht auch alberner sein, damit man dann andere Dinge drunter mischen kann. Da weiß ich, dass wir das definitiv besser machen könnten. 261 Aber das ist nicht das Ziel? 262 Vielleicht ist es sogar ein Ziel, aber das hat sich so eingeschlichen. Es ist vielleicht eine gute Gelegenheit, das zu überdenken. (Lacht). 263 Wie wichtig ist es für Kulturjournalismus mit den Leuten in Kontakt zu treten? 264 Eigentlich ist es extrem wichtig. Als Medium braucht man natürlich seine Leser und diese Reichweite. Und deswegen macht das auch jemand wie Armin Wolf 265 oder auch Nazar der noch mehr Fans hat, als Armin Wolf. Sehr konsequent, dass sie nicht nur die ganze Zeit ihren eigenen Blödsinn posten, sondern man 266 merkt, dass da eine Person mit ihren Interessen dahinter steckt. Die, wenn man so will, emotionalisieren mit Fußball oder Felix Baumgartner oder ,dass es 267 schneit‘. Man kennt diese Dinge, für die sich Leute auf FB interessieren und wir könnten das definitiv besser machen. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, in wie 268

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weit man das als Medium auch will, weil man natürlich dann auch an seinem eigenen Ruf etwas verändert. Der Falter macht das beispielsweise extrem 269 konsequent nicht. Der macht nicht mal Gewinnspiele. Vielleicht hat sich da jetzt etwas geändert, aber bis vor kurzem haben sie das noch nicht gemacht. 270 Prinzipiell wäre es also wünschenswert, aber für euch ist es nicht so relevant? 271 Ja eigentlich schon. Es wäre wünschenswert, es wäre toll, es ist eine Schwäche bei uns. 272 Aber beziehst du die Schwäche nur auf FB oder auch auf Twitter? 273 Vor allem auf FB. Doch. 274 Und auf Twitter wiederum funktioniert es? Entsteht wirklich eine wechselseitige Kommunikation? 275 Ja, es kommt sehr auf das Thema an. Oft weiß man nicht, ob es jetzt irgendjemand von diesen 4000 Leuten gesehen hat, wobei man schon ein gewisses 276 Gefühl dafür hat. Es ist nicht so anders, worauf die Leute klicken, auch wenn man in Österreich ganz gerne so tut, als wäre es quasi das Eliten–Netzwerk und 277 hochgebildet, verständig und hoch qualitatives Feedback. Es ist schon ein bisschen so, dass wenn der Tweet so formuliert ist, dass man drauf klicken muss, 278 dann wird es auch besser funktionieren. Also man kann auch dort seine Nutzerinformationen besser oder schlechter ausschildern. Und nachdem wir ein 279 Service verwenden, also eine Google-Abkürzungs-Tool, können wir zumindest sagen, wie viele Leute auf diese Links klicken. Das sieht man dort. Man sieht 280 nicht, wie viele es gesehen haben, aber man sieht zumindest wie viele darauf geklickt haben. Ich glaube auf Twitter ist es speziell einfach, sich dem Glauben 281 hinzugeben, dass das so und so viele Leute wirklich lesen. Ich glaube der eigentliche Prozentsatz ist ein Bruchteil. Ich vermute zwischen 10 und 15 % lesen es 282 dann auch wirklich, was getwittert wurde. 283 Wird die Sprache so ausgerichtet, in Form von Fragen oder so, womit man dann zielgerichtet auf eine Interaktion aus ist? 284 (Lacht.) Nein, wird es eigentlich nicht. Obwohl man auch in diesem Fall wissen, dass es funktionieren würde und man kennt diese Beispiele – beispielsweise 285 das Mashable wird mit einer Penetranz gemacht, die schon ein bisschen schwierig zu ertragen ist. Andererseits sieht man auch, dass es funktioniert. Diese 286 kleinen Packen und Ösen zu geben, damit Leute sich aufgefordert fühlen, sich zu engagieren und Feedback zu geben. Es ist ein wenig so, um ehrlich zu sein, 287 dass die paar Versuche, bei denen wir das gemacht haben, nicht bedeutend besser waren als die, bei denen wir es nicht gemacht haben. Ob sich Leute jetzt 288 gemüßigt fühlen, etwas dazu zu schreiben. Und es ist noch dazu so, dass es bei uns hier von ganz oben auch ein bisschen gewünscht ist, es nicht zu billig zu 289 machen. Mit ,was haltet ihr davon?‘, diese typischen Tricks von Social Media, die die Leute dazu bringen, Feedback zu geben. Diese Fragestellungen am Ende 290 sind vielleicht nicht unbedingt gewünscht. Wenn dann soll das Feedback anders zustande kommen. Es geht mehr darum, dass man die Headline gut formuliert 291 oder diese 140 Zeichen, damit sich Leute auskennen. 292 Sind Tweets immer gekoppelt an einen Text, der jetzt beworben wird? 293 Nein überhaupt nicht. Bei uns überhaupt nicht. Es gibt diese Tweets, die automatisch ausgespielt werden, wenn wir einen neuen Artikel haben oder wenn es 294 eine neue Review gibt, die über 8 oder mehr von 10 Punkten hat, dann läuft es über den Feedburner von Google und läuft automatisch in den Twitter-feed rein. 295 Dann sieht man das auch. Wer das länger mitliest, der bekommt das dann auch mit. Man merkt, dass ein Roboter gemischt ist, mit dem was ein echter Mensch 296 macht. Sozusagen. Beantwortet das die Frage? 297 Ja. Ihr hattet mal so etwas wie Twitter-Reviews. 298 Wir haben einen eigenen Account für unsere Reviews, der postet jede Review automatisch. Sie heißen eigentlich Twitter-Reviews und ursprünglich war der 299 Plan, sie auf 140 Zeichen zu beschränken. Man kommt dann natürlich darauf, nur diese 140 Zeichen zu posten, ist auch vollkommener Schwachsinn, da sich 300 dann niemand mehr auskennt, um wen es geht. Man benötigt einfach ein paar Zusatzinformationen, die im Heft funktionieren oder auch online, wenn dabei 301 steht: Artist-Name, Album-Name, Label, Wertung, Autor. Dann kennt man sich aus. Wenn das alles schon in einem Tweet dabei steht, dann benötigt man einen 302 eigenen Tweet nur dafür. Und es so zu programmieren, dass wir zwei Tweets pro Review absondern, haben wir nicht versucht. Deswegen gibt es jetzt einen 303 eigenen Kanal, der nur diese twittert, das sind aber eigentlich abgekürzte Botschaften. 304 Also die verlinken, dann wieder zwei zur Seite? 305 Ja, genau. 306 Aber dieses Konzept des Ein-Satz-Reviews gibt’s noch bei euch? 307 Ja, schon. Das gibt’s nicht nur bei den Reviews, das gibt’s eigentlich quer durchs Heft. Ein Thema soll schon in der Headline und im Vorspann auf den Punkt 308 gebracht werden. Es ist nicht immer ganz leicht, aber das Credo, dass der Vorspann so etwas wie der Tweet sein soll, der jemanden einerseits für das Thema 309 begeistert, ihm aber auch sagt, worum es geht, gilt nach wie vor. 310 Diese Taktik oder diese Strategie resultiert aus Social -Web Plattformen und deren Regeln? 311 Sie resultiert nicht aus den Regeln, aber aus dem Umgang damit. D.h. man muss sich angewöhnen, Informationen auf sehr engem Raum zusammen zufassen. 312 Oder sie überhaupt wegzulassen und dafür prägnante Formulierungen zu bringen. Ich denke, dass ist mehr ein journalistischer Grundsatz, dass man seine 313 Leser nicht unnötig auf die Folter spannt im Vorspann. Es soll eine Spannung- eine Vor-Spannung aufbauen und einen nicht mit Informationen erschlagen. 314 Aber kann man sagen, dass das Social Web hier das Format bestimmt. 315 Soweit würde ich nicht gehen. Ich merke, dass du darauf hinaus willst. Es gibt sie nicht deswegen, aber das hat definitiv das Sensorium dafür gestärkt, worauf 316 man eine Meldung reduzieren kann und konzentrieren kann. Es gibt ein Feedback, aber es ist nicht einseitig. 317 Gibt es noch weitere Formate, mit denen du in Kontakt trittst, außer FB und Twitter mit den Leuten, mit den Lesern? 318 Bei Release Partys. (Lacht) Irgendwie schon. Mail natürlich. Wir haben nach wie vor unser Formular auf der Website. Dort schreiben immer wieder mal Leute. 319 Das klassische Mail würde ich nicht unterschätzen. Newsletter, machen wir weiterhin, weil diese in dem Bereich, zumindest die Leute die es verwenden, 320 erwiesenermaßen hohe Wahrscheinlichkeit hat, gelesen zu werden. Aber ansonsten, … Alles andere… Das sind die Hauptquellen neben dem direkten Kontakt. 321 Was für Kontakt kommt? Gibt es auf Texte kritisches Feedback? 322 Mitunter. Es ist nur dann trotzdem oft zu schwammig. Es ist schon schwierig in 140 Zeichen ein differenziertes Feedback zu geben. Es läuft dann doch eher auf 323 Gemütsäußerungen hinaus. Also alles das, was man jemanden normalerweise per Mail oder in einem direkten Gespräch relativ schnell erklären kann, was 324 einem nicht gefällt, deswegen sind eigentlich Redaktionssitzungen nach wie vor unerlässlich, geht in einem Tweet nicht mehr so gut. FB eignet sich da besser, 325 muss ich sagen, weil es keine Zeichenbeschränkung hat. Was es natürlich auch manchmal mühsam macht, weil man sich dann vielleicht durch mehrere 326 Absätze durchkämpfen muss. Das ist dafür eindeutig besser. Aber meistens sind die Leute, ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir entweder zu fad sind oder als 327 zu arrogant gelten oder einfach keine Leute erreichen, dass relativ wenig schlechtes Feedback kommt. Wenn Leute etwas posten, dann sind es kleine 328 Korrekturen oder eher so etwas á la ‚cool‘, ‚gut‘. 329 Aber es entsteht kein Prozess, in dem die Leute über Kunst debattieren und auslassen? 330 Das hätte natürlich jeder gerne. Das findet beim Standard auch nur auf ganz bestimmten Artikelseiten statt. Es ist bei uns nicht so, dass sich eine ganz 331 bestimmte Community auf gewissen Seiten einfindet, um dann darüber zu diskutieren. Es passiert, aber im Endeffekt ist unsere Reichweite dann doch….Wenn 332 die Leute etwas zu sagen haben, dann machen sie das doch lieber im Standardforum, weil sie, denke ich, dort mehr damit rechnen, gelesen zu werden. Unsere 333 Community funktioniert sozusagen, aber sie ist überschaubar. 334 Sollte noch ausgebaut werden? 335 Natürlich (Lacht). Das versuchen wir. Wir haben sogar einmal kurz FB-Anzeigen geschalten, um 50 Euro, um es einfach mal auszuprobieren, was man damit 336 bekommt. Weil die Anzahl der Fans natürlich direkt damit zusammenhängt, wie viele Leute es sehen. 337 Hat es sich rentiert? 338 Ich denke, man kann es sich relativ genau ausrechnen. Für 50 Euro, ich denke 120 Fans oder ein bisschen mehr, 200 so etwas. Man zahlt erst, sobald jemand 339 Fan wird. Das sollte man dann eher erst machen, wenn man das Gefühl hat, dass man ein gewisses Potential ausgereizt hat. Aber viel Erfahrungen haben wir 340 damit auch noch nicht gesammelt. 341 Welche sind die wichtigsten Formate für das Bewerben von Texten? 342 Also bei uns definitiv Facebook. Es kommen 30% oder mehr des Gesamttraffics darüber. Was auch nicht unwichtig ist eigentlich, und man so halb als Social 343 Network bezeichnen kann, ist Wikipedia. Artikelgezielt bei Wikipedia verlinken ist bei uns definitiv auch wichtig. Vor allem weil wir manchmal es dann doch 344 schaffen Artikel zu bringen die sonst so nicht existieren. Also Artikel zu Soap & Skin oder Nazar zum aktuellen Album da gibt es einfach nicht so wahnsinnig viel 345 im deutschen Sprachraum, vor allem nicht so wahnsinnig viel woran die Leute denken, also auf Wikipedia irgendwie reinzuschreiben. Wir versuchen das jetzt 346 nicht irgendwie vollzuspammen sondern halt schon gezielt so dass es den Leuten wirklich etwas bringt. Also einfach nur den Artikel reinzuballern nur damit er 347 drinsteht der wird sofort wieder herausgelöscht. Wir versuchen dass schon so zu machen - deswegen machen mir das ganze ja - weil wir daran glauben dass 348 wir jemanden etwas erzählen was er vorher noch nicht weiss. Und das ist defintiiv auch wichtig. Aber ohne FB - man begibt sich dadurch natürlich in ein 349 Abhängigkeitsverhältnis zu einem grossen Konzern wo man dann vielleicht eben wie jetzt gerade beobachtet Geld zahlen muss damit man seine Leute erreicht. 350 Das ist ein bisschen bitter aber hätte von Anfang an klar sein können. Während andererseits Twitter nicht sehr wichtig ist um Leute dazu zu bringen sich etwas 351 anzuschauen oder zu klicken. Twitter ist echt für etwas anderes gut. Twitter ist kein Massenmedium in Österreich. Sondern man hält sich damit irgendwie in der 352 Diskussion wenn man so will. Und Twitter befriedigt glaube ich auch auf eine ganz seltsame Art und Weise irgendwelche niedrigen Instinkte. (Lachen) 353 354 Welche? 355

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Sex ist es nicht. Dazuzugehören, Dabeiseinwollen und nachdem die Medienbranche quasi drauf ist, ist man halt Dabei oder vielleicht auch nicht so. Man weiss 356 es nicht so ganz genau. Da zählt jeder favorisierte Tweet und jeder Re-Tweet damit man sich dabei fühlt oder nicht so. Es ist schon ein wirklich seltsames 357 Spiel. 358 359 Das heisst man muss da sehr vorsichtig sein mit dem was man macht? 360 Das schliesst sich nicht unbedingt aus. Es gibt Leute die gar nicht vorsichtig sind und ziemlich so Schreiben wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und wo 361 genau das das Interessante daran ist. Ich glaube auf Twitter ist es schon auch so wie in vielen Bereichen im Leben - es gibt von Klout.com die haben so eine 362 Systematik gemacht, da ergeben sich in einem Koordinatensystem 16 verschiedene Typen von Twitterern sozusagen. Das ist auf jeden Fall doch 363 aufschlussreich und zeigt das man Twitter sehr unterschiedlich verwenden kann. Da gibt es die Leute die so etwas sein wollen wie Opinion Leader und die 364 quasi mit ihrer Meinung immer ganz stark Schreiben. Und dann gibt es die die mehr Inhalte zusammenkuratieren dass es einfach einmal Leute erfahren, die 365 sich mehr als Verstärker sehen, als Durchlauferhitzer. 366 367 Gibt es noch weitere Möglichkeiten wie man originell die Inhalte verbreiten kann als Kulturjournalist? 368 Die gibt es ganz sicher. Das sind zumindest die Massenmedien derzeit. Man kann auch oldschool eine Zeitung drucken, das geht auch noch, das vergisst man 369 manchmal. Das schaut zwar nicht so gut aus derzeit für dieses Medium, aber das war einmal recht wichtig damit Leute etwas erfahren. Man kann vielleicht 370 noch ein Buch schreiben, man kann Vorträge halten, man kann Diskussionsveranstaltungen moderieren. Durch lauter solche Dinge bleibt man auch bekannt 371 oder hält man sich im ... nimmt man am Diskurs sozusagen teil. 372 373 Aber im Social Web selbst? 374 Im Social Web? Ich glaube wir haben das mittlerweile ganz gut abgedeckt. Ich glaube eben das für gewisse Inhalte Pinterest oder Flickr sicher wichtig sind. Wir 375 sind ja auch immer von Fotografen abhängig, und für Fotografen ist Flickr bzw Instagram auch essentiell. Nur für uns noch nicht so. Also angenommen man 376 findet ein Medium, das kann durchaus sich um oder von Kultur handeln, wo man vor allem über Infografiken seine Inhalte zu vermitteln versucht, dann kann ich 377 mir auch vorstellen das man dafür Pinterest oder Instagram verwendet. Aber wir tun das nicht. 378 379 Ist das auch ein bisschen eine Zeitfrage... 380 Es ist definitiv eine Zeitfrage. 381 382 ...und auch eine Ressourcenfrage? 383 Ja sicher. Definitiv. Also Zeitfragen sind immer Ressourcenfragen aber ganz sicher. Speziell bei uns, ich weiss nicht ob... ich meine es hängt auch sehr vom 384 Medium ab. Ein Fotografiemagazin oder vielleicht sogar ein reines Kunstmagazin ist mit einem Pinterestaccount vielleicht besser beraten wie mit einem 385 Twitteraccount. Aber das liegt sicher auch sehr an den Medien selber. Nur diese ganze Bandbereite zu bedienen - wahrscheinlich könnte man auch auf 10 oder 386 12 Social Networks parallel aktiv sein - das ist für ein Medium unserer Grössenordnung sicher nicht drin. Also wir sind da überall angemeldet damit uns 387 niemand die Domain wegschnappt aber vieles läuft halt einfach so. 388 389 Müsste man da noch mehr Ressourcen aufwenden? 390 In der Konsequenz müsste man das natürlich. Die Frage ist natürlich immer was bringt es einem? Weil viel davon ist einfach ein netter Scherz. Wenn ich zum 391 Beispiel daran denke wieviele Medien sich eine iPad-App geleistet haben, das mag für mache schon richtig gewesen sein, aber im Nachhinein besehen ist es 392 für uns auch echt okay gewesen keine zu machen, weil man da glaube ich echt viel Geld versenkt hätte. Bei uns wären wahrscheinlich 300 bis 400 Downloads 393 im Monat erwartbar gewesen und das interessiert auch keine Media-Agentur. Wir sind von Anzeigen abhängig um uns zu finanzieren. Wir würden so eine App 394 dann wahrscheinlich nicht als Kauf-App machen. Es ist natürlich bei vielem von dem was wir machen auch nicht ganz unwichtig. Wir bieten quasi Reichweite in 395 einem gewissen Sektor und deswegen sind viele von diesen Gratisplattformen wie Facebook, Twitter, Pinterest und so besonders interessant. Während andere 396 wie beispielsweise der Falter immer auch die Angst haben, dass sie sich ihr eigenes Geschäftsfeld damit beschneiden. 397 398 Inwiefern? 399 Wenn sie dort zu viele Artikel posten haben die Leute vielleicht das Gefühl sie müssen sich den Falter nicht mehr kaufen und dann müssen sie trotzdem den 400 Fotografen, die Druckerei, den Autor, das Papier, die Post uns so weiter zahlen. Im einen Fall gibt es jemanden der das Heft kauft und im anderen liesst es 401 jemand online. 402 403 Gibt es da irgendwie die Sorge das zum Beispiel FB wiederum den Traffic von der Seite wegnimmt? 404 Also bei uns eigentlich gar nicht. Nein also FB ist da schon ein Verstärker. Man begibt sich eben in ein Abhängigkeitsverhältnis. Und das FB immer wieder mit 405 seinen Richtlinien für Privatsphäre, oder auch dem wie sehr sie das alles ausspielen an den eigenen Bekanntenkreis, relativ einseitig Beschlüsse fasst hat sich 406 jetzt ja schon mehrfach gezeigt. Obwohl jetzt schon wieder Leute sagen die eigene Website wird wieder wichtiger, eben auch weil Facebook diesen 407 Algorithmus letztens wieder geändert hat. Wenn man in einem sehr idealisierten Bild früher vielleicht 50% der Zeit darauf verwendet hat Dinge für die Website 408 zu schreiben und sich 50% der Zeit genommen hat das auf FB sinnvoll zu machen so das es Leute mitkriegen, dann ist es heute schon definitiv weniger 409 sinnvoll es so zu machen. Weil die Zeit die man dort hineinsteckt in FB es unterm Schnitt es vielleicht die Hälfte sehen wie vor einem Jahr. Deswegen wäre es 410 schlau... 411 412 Was meinst du mit die Hälfte? 413 Man sieht ja pro Posting wie viele Leute es gesehen haben. Das sagt einem FB ja. Und FB hat das kürzlich geändert. Da steckt ein Algorithmus dahinter. 414 415 Die es geliket haben, oder? 416 Nein, wieviele Leute es gesehen haben. Das hat durchaus damit zu tun wieviele Leute es liken, aber FB hat das generell runtergedreht. Google mal "edgerank 417 FB", da findet man relativ schnell ziemlich viele empörte Artikel darüber was FB sich einbildet die Reichweite so runterzudrehen. Die machen es um - seit dem 418 Börsegang - ihre Stakeholder zu befriedigen. Weil Leute jetzt irgendwie sehen grosse Kunden wie sagen wir Opel, Mercedes, Red Bull und so weiter, die haben 419 jetzt nicht mehr die Möglichkeit an ihre Millionen Fans irgendwas gratis rauszuposten. In dem Fall macht es nämlich dann wirklich einen Unterschied ob es nur 420 die Hälfte sieht, und dann zahlt man halt lieber mal die 300.000 400.000 Euro damit es auch genug Leute sehen. Und so will FB mehr Geld verdienen, und 421 deswegen hat FB diesen "Edgerank" runtergedreht. Und mit diesem Bild mit dem Fifty-Fifty sozusagen, wenn ich da in der Zeit dann nur mehr die Hälfte an 422 Rücklauf habe, dann mache ich natürlich wieder mehr für die Website. 423 424 Da sind wir wieder bei den grossen Vorteilen und Problemen. Und vom Publizieren? 425 Publizieren? Man publiziert ja nichts eindeutig nur für FB oder Twitter. Du musst kurz erklären was du da meinst. 426 427 Wie du erstens Texte die bereits für die Website oder die Zeitung geschrieben worden sind verbreitest oder multiplizierst, oder wie du einen wirklich 428 genuinen Inhalt der nur in diesem Posting entsteht und nichts mit einem Text zu tun hat auf Social Web Plattformen vertreibst. Das meine ich mit 429 Publizieren. 430 140 Zeichen ist eine bisschen wenig - es ist eine Art von Publizieren aber da sehe ich den Nutzen eigentlich in etwas anderem. Es sind immer die Verstärker 431 um dann wenn man etwas woanders publiziert hat, nämlich auf der eigenen Website üblicherweise, Leute darauf aufmerksam zu machen. Oder nicht nur auf 432 der Website, sondern sagen wir man hat ein echtes Magazin oder eine echte Zeitung und sie kommt gerade aus der Druckerei, dann kann man ein Bild davon 433 irgendwo hinposten. Insofern sind das eigentlich mehr Mobilisierungsplattformen. Ich sehe das vielleicht auch am ehesten bei Google, weil es dort am besten 434 ausschaut, dass man dort wirklich auf Google auch Dinge publizieren könnte. Und quasi einen kompletten Artikel auf Google - also GooglePlus nicht Google - 435 stellen könnte, das machen wir aber aus Zeitgründen nicht. Insofern ist der Aufwand sich auf FB und Twitter genuine Inhalte zu überlegen gar nicht so hoch. 436 Man muss sich natürlich schon überlegen wie man es dafür aufbereitet und ob man eher ein Textposting oder ein Bildposting macht, aber trotzdem so viele 437 Artikel nur auf FB publizieren tun wir nicht. 438 439 Was bringt es für Nachteile für euch? 440 Gerade keine, nachdem wir es nicht machen. 441 442 Also die Vorteile liegen in der Verstärkung wie du sagst... 443 Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher ob ich dich richtig verstanden habe, weil auch andere Medien publizieren. Es gibt so Einzelleute. Das sind 444 Einzeljournalisten die Ihre Meinung zu einem bestimmten Thema speziell auf FB publizieren. Der Gröbchen ist unter anderem dafür ausgezeichnet worden 445 2011. Die genaue Kategorie weiss ich nicht mehr, aber er ist definitiv dafür ausgezeichnet worden, dass er viel von solchen Diskussionen online verlagert hat. 446 Das heisst er nimmt dann irgendwie meistens doch einen Link her, aber schreibt darüber 2-10 Zeilen im Durchschnitt was seine Meinung dazu ist und die 447 publiziert er nicht auf seinem Blog und auch nicht auf Twitter weil das zu kurz ist. Das kann man schon so machen, aber das sind normalerweise 448 Einzelpersonen. 449 450 Eher Freie? 451 Manchmal sind sie auch angestellt. Aber eher einzelne Journalisten, nicht als Medium sozusagen. Vielleicht ist das der Unterschied: als Medium und als 452 einzelner Journalist. 453 454 Wenn du einfach nur einen Text verlinkst, bringt das nur Vorteile? 455 Der Nachteil ist das man sich davon abhängig macht. Aber unmittelbar wenn man es dort raufstellt und verlinkt dann entsteht noch nichts schlimmes. Da wäre 456 ich interessiert was andere dazu gesagt haben. Vielleicht könnte ich dann etwas Bestätigen oder auch nicht aber mir fällt bis auf die strukturelle Abhängigkeit 457 nichts dazu ein. 458

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459 Was fallen Dir für Vor- oder Nachteile bei der Interaktion ein? Also wenn Leute kommentieren, liken, tweeten? 460 Ich sehe da eigentlich auch grossteils Vorteile. 461 462 Das ist ja gut so. In meiner Untersuchung spreche ich ja auch nur mit Leuten die das Ganze ja wirklich intensiv nutzen und die Vorteile ausschöpfen. 463 Man braucht manchmal natürlich eine dicke Haut. Manchmal kommen schon Untergriffe die man in einem persönlichen Gespräch so nie hören würde. Auch 464 wenn es ein Fremder ist, da müssten die Leute schon sehr angesoffen sein, damit sie einem solche Dinge an den Kopf werfen. Also es fallen schon ein 465 bisschen so Hemmschwellen, aber solange es nicht zu untergriffig wird ist es okay. Solange niemand zu Mord und Totschlag aufruft. 466 Der Umstand das man es im Social Web macht ist vielleicht nicht immer nur Vorteil, weil man diese ganzen Leute ja vielleicht eigentlich lieber auf der eigenen 467 Website hätte. Das die Leute sich dort austauschen, das sie dort hingehen. Das ist das was der Standard geschafft hat. Ich kenne das nur bedingt, aber es gibt 468 ein paar so Szeneportale wie z.B. Technoboard für Technomusik in Österreich, wo sich eine gewisse Community auf einer Website trifft. Und wo der Austausch 469 eigentlich auch sehr gut stattfindet. Aber man hat dann trotzdem dieses Gefühl, das die Art und Weise wie FB das an seine User ausspielt ein bisschen 470 sinnvoller organisiert ist als wenn Leute so wild auf ein Board oder ein Newsportal gehen. Man kiegt dann schon etwas punktgenauer - vielleicht möglicherweise 471 - die Inhalte die einen interessieren. Es ist noch nicht perfekt aber diese Algorithmen werden auch ständig verfeinert. Habe ich jetzt irgendwelche Nachteile 472 genannt? 473 474 Wie schaut es mit der Zeit aus? Ist es ein Mehraufwand? 475 Es ist definitiv ein Mehraufwand, aber wir haben da herinnen auch keine konkreten Zahlen definiert wann es zuviel Zeit braucht weil es meistens recht 476 übersichtlich ist. Da gibt es wenig Richtlinien. Es ist definitiv ein Zeitfaktor und manchmal hat man schon auch das Gefühl das es auch davon abhängt 477 irgendwas zur Deadline hin fertigzubringen. Da läuft das unter sogenannter Prokrastination. Darüber hinaus ist irgendwo jeder selber verantwortlich wieviel er 478 davon abhängt. Ich habe das meistens auf dem zweiten Monitor laufen und den schalte ich mitunter auch ab. Was heisst mitunter, er läuft eher nur die Hälfte 479 des Tages. Und in der Schlussproduktion auch mal gar nicht. Das ist dann halt ein Tag lang kein Twitter angesagt. Und FB ist dann überschaubar. Also es frisst 480 Zeit aber nicht in einem Ausmass wo ich das Gefühl hätte das es den positiven Effekten entgegensteht. 481 482 Gibt es Guidelines wie ihr im Social Web umzugehen habt? Was ihr schreiben dürft was nicht? 483 Eigentlich nicht. 484 485 Du hast kurz von "Oben" was erwähnt? 486 Ach ja, manchmal hat man das Gefühl. Der Chef von diesem ganzen Haus ist der Niko Alm, der auch im Social Media recht umtriebig ist, der prinzipiell auch 487 öffentlichen Widerspruch sehr wohl duldet, akzeptiert, toleriert - ich meine fördern tut ihn wohl kaum jemand - aber es ist alles für ihn in Ordnung. Darüber 488 hinaus gibt es vielleicht Guidelines so im Sinne von "sei dir im klaren dass du da nicht nur du selber bist sondern eben auch etwas repräsentierst". Es gibt ein 489 bisschen eine Trennung zwischen Privat- und Firmenaccounts. Aber selbst die Leute kennen, nachdem wir relativ viel damit zu tun haben, die Fälle wo Leute 490 nachdem sie auf FB oder Twitter über ihre Arbeitgeber schimpfen rausgehaut werden. Oder wo man dann halt einfach weiss, das Anschwärzen oder auch das 491 Ausplaudern von Firmengeheimnissen im echten Leben ein Kündigungsgrund ist, und deswegen auch auf Social Media nicht anders zu behandeln ist. Aber 492 prinzipiell gibt es da sehr wenige Richtlinien. Also wird dürfen auch Scheisseregen (Shitstorm) schreiben, wobei das ja mittlerweile sehr Usus ist. Aber nein, da 493 hätte es noch nichts gegeben. 494 495 Gibt es Schulungen? 496 Ich weiss es gibt Leute von Super-Fi, also nicht Monopol oder GAP sondern das drumherum, die beraten wiederum andere was sie machen sollen und was 497 nicht. Aber bei uns nimmt man irgendwie an das wir intelligent genug sind gewisse Dinge einfach nicht zu machen. 498 499 Noch kurz zum Thema Wandel. Vielleicht fällt dir dazu noch etwas ein? Hat das Aufkommen der sozialen Medien irgendwie die Stukturen in der 500 Redaktion verändert? 501 Ja, kann man schon sagen. Es ist uns immer klarer geworden dass der Konzertbericht von gestern morgen niemanden mehr interessiert und vor allem 502 ausgedruckt niemanden mehr interessiert, es sei dann man irgendwas grösseres dazu erzählen. Aber wir versuchen unsere Inhalte definitiv darauf 503 abzustimmen, ob das im Web oder Print passieren soll und da die verschiedenen Timings mitzubedenken. Wir wissen im Web zählt Schnelligkeit, extrem 504 eigentlich sogar. Also man muss mit einer Meldung entweder als erster draussen sein oder es bleiben lassen. Und auch bei gewissen Alben, die reviewt man 505 dann entweder schnell oder gar nicht. Oder Filme, wenn dann jeder schon darüber geschrieben hat kann man es sich gleich sparen. Und andererseits versucht 506 man dann im Print etwas zu bieten das darüber hinausgeht. Also Artikel die erklären wer der Hauptdarsteller ist, was das für eine Band ist, die quasi die 507 Biographie runterbeten sind sinnlos weil sich das jeder sofort googlen kann. Insofern wäre es fast absurd zu sagen das ist nicht wichtig für die inhaltliche 508 Strukturierung. Deswegen haben wir dann eben irgendwann diese Twitter-Reviews eingeführt, weil wir diese Kurz-Reviews einfach als sinnlos empfunden 509 haben, weil es etwas war das dann wie das Heft heraussen war ohnehin schon jeder gewusst hat. Deswegen haben wir das so umgestellt das es zuerst im 510 Web steht, auch um möglichst früh auf Google vorzukommen, und dann später noch als Orientierung im Veröffentlichungszeitraum im Print steht. 511 512 Also ist die Langfassung zuerst Online und dann kurz im Heft? 513 Genau. Und die Langfassung ist halt möglichst früh online. 514 515 Also seid ihr online mehr oder weniger tagesaktuell? 516 Wir wären es gerne. Eigentlich wären wir nicht nur gerne tagesaktuell sondern total vorne weg. Was man als Long-Lead-Medium zum Glück werden wir da mit 517 Dingen auch früh bemustert. Wir könnten es zwar bei Film und Musik und mitunter auch bei Ausstellungen, weil wir diese ganzen Information relativ früh 518 bekommen. 519 520 Dürftet ihr es dann auch? 521 Wir dürfen es meistens. Es gibt manchmal Sperrfristen. Und ganz selten aber doch setzen wir uns darüber hinweg. Wir haben schon herausgefunden das es 522 Labels bzw. Vertriebe, PR-Agenturen nicht so gern mögen wenn man mehr als 4 Wochen vorher mit irgendwas draussen ist. Und es vor allem dann auch 523 verbreitet. Deswegen versuchen wir eher damit online zu sein und es dann zum Veröffentlichungstermin zu verbreiten. Manchmal haben wir uns auch schon 524 darüber hinweggesetzt, da muss man dann immer irgendwie einschätzen schadet es jetzt mehr als es nützt, weil man natürlich von den Menschen abhängig ist 525 die einen da mit Interviews oder Material versorgen. Und wenn man das dauerhaft entgegen ihren Wünschen macht, dann werden sie wahrscheinlich 526 irgendwann sagen "ok du kriegst es 3 Tage vorher oder gar nicht mehr". 527 528 Wie hat sich generell das Verhältnis zwischen Kulturjournalismus und PR durch Social Media verändert? 529 Kann ich nur schwer sagen, weil ich noch ein wenig zu kurz dabei bin. Es kann einem niemand mehr erzählen das irgendwer total super ist und irgendwas ein 530 Hit ist wenn man dann auf YouTube geht und sieht das es sich 300 Leute angesehen haben. Wobei speziell 300 Views irgendwie eine vorsichtige Zahl ist, weil 531 das der Punkt ist an dem YouTube aufhört mal kurz zu zählen. Also angenommen es kommt ein neues Video von Drake und es interessiert alle auf der Welt 532 und ich schau dann 5 Minuten später oder vielleicht sogar eine Stunde später drauf, dann wird der Zähler einfach mal bei 300 stehen. Da gibt es dann so eine 533 Verzögerung. Warum genau das so ist weiss ich nicht. Wahrscheinlich irgendeine Serververzögerung bei Google. Eigentlich wollte ich auf etwas anderes 534 hinaus. Was hast du gefragt? 535 536 PR und Journalismus. Was hat sich verändert? 537 Genau. Da kann einem dann niemand mehr grossartig etwas vormachen in solchen Fragen. Es gibt schon so Mittel und Wege wie man sich selber von der 538 Relevanz von etwas überzeugen kann, sei das jetzt die Anzahl der Google-Resultate wenn der Suchbegriff passt oder FB-Fans. Auch wenn man sie sich 539 kaufen kann. Es gibt ja Services wo man sich wirklich FB-Fans kaufen kann. Lustiger Fall ist übrigens eine Tirolerin die nennt sich Ema/Ehma/Emma (?) die hat 540 150.000 Fans, es kennt sie aber niemand. Ich habe die starke Vermutung das das gekaufte Fans sind ohne es zu wissen. Vielleicht ist sie wirklich in Fernost 541 irgendwo superbekannt. Keine Ahnung. Also man muss gerade da ein bisschen vorsichtig sein, so wie man Fakten doppelt checkt, aber es gibt eine grobe 542 Orientierung - mitunter. 543 544 Hat sich das Verhältnis zwischen Künstler und Journalist verändert? 545 Dadurch? Vielleicht. Also wie gesagt da bin ich ein bisschen zu kurz dabei. Aber man weiß zumindest, das wenn sich ein Künstler extrem ungerecht behandelt 546 fühlt, er einen das irgendwie auch dort direkt spüren lassen kann. So viel schon? 547 548 Wirklich? Gibt es Feedback auch von Künstlern über negative Kritik? 549 Über Social Media? Naja, meistens taggen die einen ja dann nicht, sondern das erfährt man dann nur über irgendein Eck. Aber im grossen und ganzen würde 550 ich trotzdem nicht sagen dass sich das Verhältnis wirklich verändert hat, weil es dazu auch zu uneinheitlich ist ob die Leute Privatprofile haben oder Pages. Und 551 selbst die Privatprofile kann man ja auf halb-öffentlich schalten, in dem man sie für - ich weiß jetzt keinen deutschen Ausdruck - "subscriptions" öffnet. 552 553 Abonnements, Folgen. 554 Genau. Also das ist alles ein bisschen zu uneinheitlich, deswegen kann ich jetzt nicht sagen man kriegt da viel direkter von ihnen etwas mit. Man kann sich 555 laufend darüber informieren. 556 557 Und was glaubst du, wird das Social Web den Kulturjournalismus generell verbessern können? 558 Das ist so eine allgemeine Frage. 559 560 Wir gehen ja auch schon Richtung Schluss, da kann man ruhig ein bisschen allgemeiner werden. 561

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Wie hat das Social Web den Kulturjournalismus allgemein verändert? Ist das die Frage? 562 563 Verändert muss jetzt nicht unbedingt positiv sein. Ich würde dich ja auch gerne fragen ob es ihn verändert hat. Dann ist die nächste Frage hat es ihn 564 zum positiven verändert? Oder in welchen Belangen hat es ihn zum positiven verändert? 565 Angeblich stirbt das Feuilleton. Ich weiß nicht ob es eine direkte Folge daraus gibt gestärkt von Social Media. Mir kommt manchmal auch durchaus vor das 566 Social Media ein bisschen dazu führt das Blogs sterben. Weil man das was man früher selbst publiziert hat plötzlich so leicht über Social Media machen kann. 567 Es nimmt natürlich irgendwo weg. Die ganze Zeit und Aufmerksamkeit die da hineinfliesst kommt von irgendwo anders. Und ich glaube es ist nicht durch die 568 Erfindung der Waschmaschine das man jetzt plötzlich weniger Zeit für die Heimarbeit braucht. Eine angenehme Erscheinung ist schon dass man sich seine 569 Timeline besser selbst zusammenbasteln kann, das heisst wenn man internationaleren Medien folgen will dann geht das genauso wie wenn man vielen lokalen 570 Medien folgen will. Aber du meinst jetzt von der publizierenden Seite nicht als Konsument oder Leser? 571 572 Als Journalist ja. 573 Man hat - aber das ist eine allgemeine Folge des Internets - viel mehr Informationen, und die Schwierigkeit ist es daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Früher 574 hat man ja nur den Waschzettel - also die Promomaterialien - gekriegt und wurde dann dort hingeschickt und hat 1 Interview gehabt um über diesen Menschen 575 etwas herauszufinden. Und davon ist Social Media eine Erweiterung. Also Leute äussern sich dort über irgendwelche Themen, was sie ansonsten auch auf 576 Ihrer Website hätten tun können. Sie zeigen Unterstützung für irgendwelche anderen Künstler, Sportler. Man hat den Eindruck man kriegt mehr von diesen 577 Menschen mit. Wobei natürlich auch sein kann das die das Spiel einfach mitspielen oder überhaupt beraten werden von irgendjemandem. Also diese Hoffnung 578 da hat man jetzt direkten unmittelbaren Zugang zu jemandem, da bin ich ein bisschen skeptisch. Auch wenn es durchaus die geben mag die - bestes Beispiel 579 vielleicht Money Boy, wo man nie weiss ist der jetzt wirklich so oder nicht. Wobei der auf eine seltsame Art und Weise natürlich authentisch ist, aber total 580 verrückte Kunstfigur andererseits. Es oszilliert echt ganz faszinierend. Darüber hinaus muss ich über die Frage echt ein bisschen nachdenken. Ich tue mir da 581 schwer so eine letztgültige Antworte so spontan aus dem Kopf heraus zu geben. Ich glaube das in vielen Dingen das Social Web gar nicht so die Revolution 582 war sondern eher das Internet, und das Social Web das auf einer speziellen sozialen Ebene weiterträgt. Für weiteres brauche ich einen kühlen Kopf. 583 584 Was glaubst du, wie wird es in naher Zukunft? Was für Potenzial steckt denn da noch drinnen? Wenn wir uns vielleicht noch einmal die 3 Teile 585 anschauen: die Recherche, die Beziehung zum Publikum und das Verbreiten der Inhalte. Wenn wir uns die noch einmal einzeln ansehen. Was für 586 eine Bedeutung wird das in den Nächsten Jahren haben? Da geht es jetzt natürlich nicht um Fakten sondern um Meinung. 587 Da müsste man echt ziemlich prophetisch sein. Und wenn die paar Jahre die wir bis jetzt damit verbracht haben etwas gelehrt haben, dann das man immer 588 wieder überrascht wird. Wo man irgendwie geglaubt hat es gibt vielleicht keinen weiteren Spielraum für ein weiters soziales Netzwerk, kommt dann plötzlich 589 Pinterest her und macht das alles ein bisschen anders. Oder Instagram. Services die dann plötzlich besonders gut funktionieren - für eine gewisse Zielgruppe 590 zumindest. Insofern ist es solche Voraussagen zu treffen gar nicht leicht. Man kann sich auch für FB alles mögliche vorstellen. Ich glaube zwar nicht, so wie es 591 manche manchmal sagen FB ist auf dem absteigenden Ast, sondern bis es stirbt wird es definitiv viel länger dauern wie MySpace. Insofern kann ich halt vor 592 allem über den Ist-Zustand etwas sagen. Manchmal liegt es an Kleinigkeiten, der Umstand das FB den Algorithmus umgestellt hat, bedeutet in einer 593 unmittelbaren Reaktion darauf, dass man wieder ein bisschen mehr Energie auf die eigene Website legen sollte. Und solche kleinen Änderungen können große 594 Auswirkungen auf die Art wie man seinen täglichen Job macht. Insofern sind da Prognosen echt schwer. Es wird auch viel spekuliert darüber wie es mit Twitter 595 in Österreich weitergeht, nachdem es ja immernoch kein Massenmedium ist, aber plötzlich doch alle wieder denken dass Twitter gerade ankommt in Österreich. 596 Woher auch immer dieses Gefühl kommt, keine Ahnung. Was ich schon glaube ist, dass es für Leute die selber publizieren eigentlich unerlässlich ist Präsenz 597 im einen oder anderen zu haben. Es muss nicht jeder auf FB und Twitter sein, aber eines von beiden sollte man definitiv haben. Wenn man keine eigene 598 Leserschaft mitbringt, denke ich, wird es bei Medien immer schwerer Leute davon zu überzeugen, dass man doch bitte als Journalist angestellt werden sollte. 599 Weil die natürlich fragen "Und wer liesst das?" und "Wen interessiert das was du da machst?". Dann kann man vielleicht sagen da am Handy bitte. Es muss ja 600 nicht gleich so sein wie ... jetzt stehe ich auf der Leitung ... bei diesem ganz bekannten Statistiker bei der New York Times, so ein 35jähriges Genie, der die US-601 Wahlen bis auf eine Senatorwahl in einem Bundesstaat, vorausgesagt hat. Der glaube ich für 10% des gesamten Traffics auf der New York Times Website 602 verantwortlich ist. Und so jemandem zahlt man dann schon mal etwas. Und ich glaube das realisieren noch viele nicht so ganz, oder vielleicht immer mehr. 603 Aber da ist man gerade in so ein leichten Übergangsphase kommt mir vor, wo zwar schon viele dort sind, aber andere noch sehr zögern und manche es 604 wahrscheinlich auch gar nicht mehr dorthin schaffen werden, weil es Ihnen zu blöd ist. Also das ein Armin Thurnher noch anfängt sich ernsthaft damit 605 auseinanderzusetzen, das glaubt wohl niemand mehr. 606 607 Er geht lieber in die Küche und kocht. Also das ist schon auch wichtig für die Reputation eines Journalisten? 608 Vielleicht für die Reputation auch, aber einfach auch für den Marktwert, sagen zu können es interessiert jemanden was ich schreibe. Also ich denke dass in 609 Zukunft Leute die Personalentscheidungen fällen, das sicher auch mehr nach solchen Gesichtspunkten machen. Ich finde das eh schon die voll gewagte 610 Zukunftsthese. 611 612 Da wollte ich hin, in die Visionenschublade. 613 Alles andere ist sehr von Algorithmen abhängig. Und Marketing. Ob das jetzt ein bisschen mehr Richtung Twitter oder ein ganz neues Service geht. Bis sich 614 das ganze Mal konsolidiert dauert es sicher noch. Und ich glaube derzeit gibt es definitiv noch Raum für neue andere Services. 615 616 Letzte Frage noch um in dieser Zukunftsmusikmaschine zu bleiben. Was glaubst du, wie kann das Social Web den Kulturjournalismus, gerade in 617 Zeiten wo es Veranstaltungen gibt die sagen "Der Kulturjournalismus stirbt", wiederbeleben bzw. weiter am Leben erhalten? 618 Also das wird es automatisch. Die Frage ist mehr "Stirbt der bezahlte Kulturjournalismus?", und das ist eher das Problem. Weil über Anzeigen und Banner auf 619 Websites allein finanziert sich das nicht, was gute Stories an Rechercheaufwand bedeuten. Das heisst - damit habe ich mich nicht sonderlich professionell 620 auseinandergesetzt oder nur insofern, dass ich weiss was wir daraufhin planen. Bei uns versucht man daraus dann eher so eine Art Line Extension zu machen, 621 das heisst man versucht zu sagen "Hey, wir haben die Reichweite dafür, wir können damit irgendwas erreichen" - blöde Wortwahl. Aber so etwas ähnliches 622 haben wir gerade versucht mit einem Farbenhersteller namens Dulux, dem wir das so ähnlich gesagt haben, wo man dann drumherum eine Aktion bastelt 623 wofür man bezahlt wird damit Dulux vorkommt. Das geht schon fast in Richtung Advertorial. Das können Veranstaltungen sein, klassisch Parties ist ein 624 bisschen schwerer - also die paar Versuche mit Parties Geld zu verdienen, obwohl wir etwas mit Musik zu tun haben, war auch nicht so leicht. Und man muss 625 halt echt sagen, so cool diese Dinge auch sind, sie rütteln massiv an den Geschäftsmodellen dieser Medien. Weil früher ist von dem ganzen 626 Anzeigenaufkommen 100% beim Fernsehen und Radio und Print hängengeblieben, und heute bleibt die Hälfte des gesamten Geldes bei Google und FB 627 hängen - und natürlich ein paar andere. Und deswegen bin ich mir sicher, dass es da noch ordentlich Rauschen wird. Es bereichert einzelne Leben, 628 andererseits macht es die Leute de facto ärmer. Und eine Lösung dafür habe ich auch nicht. 629 630 Und siehst du Blogger, partizipative Medien als Konkurrenten? Als bedrohende Konkurrenz für etablierte kulturjournalistische Medien? 631 Nein, eigentlich gar nicht. Wie gerade gesagt eigentlich ist Google und FB die viel grösserer Konkurrenz. Nämlich auch eine gegen die man sich auch nicht 632 wehren kann. Das ist ein bisschen so wie Apple mit iTunes und dem iPhone am Gesamtkuchen der Musikwirtschaft genascht hat und davon nun ständig etwas 633 abgraben indem sie Services zur Verfügung stellen und nicht mehr selber Content produzieren, sondern einfach nur mehr der Dienstleister sind. So ähnlich ist 634 das dort auch. Insofern finde ich sind Blogger in genau derselben beschissenen Situation wie klassische Medien. Also ich will jetzt nicht Schwarzmalen, aber es 635 wird schon noch krachen. Es sind ja in letzter Zeit vor allem mehr Magazine eingegangen als gegründet wurden. Speziell auf den Kulturseiten verwundert es 636 einen ein bisschen, weil bildende Kunst explodiert und soviel mehr für Kunst insgesamt ausgegeben wird, es aber trotzdem niemand schafft die Reflexion dazu 637 in einem ähnlichen Ausmaß zu erweitern. Das ist jetzt kein schöner Schlusssatz, aber - ich überlege gerade ob ich noch etwas dazu zu sagen habe. Dazu 638 passende Geschäftsmodelle sind derzeit einfach nicht tragfähig - noch. Weil eben im Web und speziell im Social Web noch andere Leute daran beteiligt sind. 639 Also es fällt zwar die Post weg aber dafür will Google umso mehr. Also die wollen das nicht direkt aber deswegen wird ja jetzt gerade mit dem 640 Leistungsschutzrecht verhandelt, und da bin ich sehr gespannt was da noch kommen wird. Ich rechne ja schon damit das einerseits die Presseförderung erhöht 641 werden wird, andererseits wird man beim Leistungsschutzrecht relativ lang hin und her lavieren. Ich glaube schon das die Lobbies da eigentlich stark genug 642 sind um sich halbwegs durchzusetzen. Und trotzdem wird das auch nicht reichen. Die deutschen Verleger klagen ja gerade. Es wird spannend. 643

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INTERVIEW H 1 Dezember 2012 2

3 In welchen Kunstsparten des Kulturjournalismus spielt das Social Web eine wichtige Rolle? In welchen weniger? 4 Keine Ahnung, ich lese einen einzigen Blog regelmäßig – den von Norman Lebrecht in England „Slipped Disc“, ein reiner Klassikblog 5 6 Welche Rolle spielt das Social Web im Bereich der E-Kultur? 7 Ich glaube, dass die Hochkultur das Web noch nicht wirklich entdeckt hat – ist vielleicht nicht nur von Nachteil, so kann man ein paar Kinderkrankheiten gleich 8 überspringen. 9 Ich beobachte, dass zb die aktive Nutzung durch Wiener Theater sehr unterschiedlich ist – von fast nix bis sehr kreativ. 10 11 Welche fünf Social-Web-Plattformen nutzen Sie am meisten für die Recherche? 12 Wikipedia 13 Norman Lebrecht Slipped Disc, 14 Websites aller Künstler mit denen ich zu tun habe, 15 Websites von Institutionen vor allem Theater, Opernhäuser 16 Sehr gut ist Operaguide – mit den Librettis in Originalsprache und übersetzt, echt toll! 17

18 Wie und warum (bzw. warum nicht) nutzen Sie Facebook, Twitter, Youtube, Blogs und Wikipedia als Recherche-Tool? 19 Bin nicht sehr viel im web, nur wenn ich etwas brauche – mir infos fehlen. 20 Nutze vor allem WIKIPEDIA, hat aber auch fehler, muß man vorsichtig sein 21 daher websites der künstler persönlich 22 Und immer wieder geh ich auch in Leo – Italienisch/Deutsch oder andere Sprachen… 23 24 Welche Blogs besuchen Sie regelmäßig? Welche relevanten Kultur-Blogs gibt es in Österreich? 25 Esel mag ich gern, les ihn aber nicht systematisch – sonst kenn ich eigentlich keinen. 26 AEIOU ist leider zu knapp mit den Infos 27 Schauen Sie mal ins Blogverzeichnis.at – was da unter kultur ist…. 28 29 Welche Rolle spielen Blogs für die Rezensionspraxis? 30 Norman Lebrecht hat ein Riesennetzwerk, hat Infos zb. über die Wr.Philharmoniker, die nicht mal in die österr.Zeitungen kommen, hat aber in letzter Zeit durch 31 den Relaunch des Blogs meinem Gefühl nach an Qualität verloren. 32 Er hat jetzt mehr Tratsch und weniger Debatten – die waren oft hochinformierte leute, die enorm viel wußten. 33 34 Welche weiteren Social-Web-Plattformen nutzen Sie für die Recherche? 35 Sonst eher zufällig – neulich landete ich auf der suche nach einer detail-information auf einer eigenen seite über „Die Fledermaus“… 36 In der Regel kann ich mit foren, wo Leute ihre Meinung schreiben wenig anfangen. 37 vieles ist für meine zwecke zu oberflächlich – oder im Gegenteil zu detailliert. 38 39 Was sind die großen Vorteile der Recherche im Social Web? 40 Ich kann es von zuhause aus machen 41 Ich komm direkt zu den infos, die die leute von sich geben wollen 42 43 Welche Probleme ergibt die Recherche im Social Web? 44 Genau – ich bekomme halt, wenn ich nicht viel surf, von künstlerwebsites auch gerade nur die infos, die sie von sich geben wollen… 45 46 Wie bewerten Sie die Zuverlässigkeit von Quellen aus dem Social Web? Verwenden Sie einen methodischen Zugang? 47 Nein, stoße zufällig auf Fehler – meist aber durch Bauchgefühl – denk mir, hoppla da kann was nicht stimmen – oder seh in einem Buch,das Jahreszahlen, Orte 48 etw. nicht stimmen Künstlerwebsites sind aber in der Regel sehr verläßlich! 49 50 Schaut man durch die erweiterten Recherchequellen öfter auf das Angebot der Konkurrenz? Beeinflusst die Vernetzung mit Kollegen die eigene 51 Themenwahl? 52 Mich beeinflußt nichts, weil ich auf meinen Blog nur Dinge stelle, die ich gut finde und die mir am Herzen liegen! 53 54 Welche Rolle spielt es im Kulturjournalismus verglichen mit anderen Ressorts, das Publikum einzubinden? Welche Social-Web-Plattformen sind 55 dafür am wichtigsten? 56 Da ich vom Fernsehn komme, bin ich als Moderatorin ja ohnehin innerlich im Gespräch mit meinen Zuschauern – zumindest verstehe ich meine Arbeit so! 57 Für meinen Blog, den ich ja zusätzlich und in meiner Freizeit neben einem ohnehin gewaltigen Arbeitspensum mache, würde es mich zeitlich überfordern, auch 58 noch zu antworten. Dennoch erreichen mich leute – wenn sie wollen, finden sie einen eh! 59 Außerdem kann ich die Dialogfunktion ja jederzeit aktivieren, wann immer es mir gut erscheint. 60 61 Wie treten Sie als Journalistin mit Ihrem Publikum über Facebook, Twitter, Youtube oder Blogs in Kontakt? 62 Im Prinzip nicht anders als als Fernsehmoderatorin: respektvoll, wertschätzend und das Gegenüber als gleichberechtigten Partner definierend 63 64 Welche großen Vorteile bringt es, das Publikum im Social Web einzubeziehen? 65 Es ist einfach eine zusätzliche Dimension von Kommunikation. 66 Eine selbstbestimmte, kreative und sehr lustvolle. 67 Ich mach es nicht wegen „Vorteilen“ – ich mach es für Dinge, die mir wichtig sind. 68 Im Grunde mache ich es, weil ich TEILEN will! 69 70 Welche Probleme ergeben sich dadurch? 71 Ich hab (noch) mehr Arbeit – aber auch Riesenspaß dran… 72 73 Wie werden die Rückkanäle vom Publikum genutzt? 74 Habe am Blog ja den hinweis, dass ich aus zeitgründen nicht antworten kann, aber… 75 Wer mich finden will, findet mich – und schickt mir ein mail. 76 77 Wie profitieren Sie vom Feedback? 78 Manchmal ist es super genial und hochinformativ, manchmal freuts einfach das herz und gaaaaanz selten ist auch mal unsinn dabei 79 80 Wollen Sie die Interaktion zwischen Autor und User forcieren? 81 Ich will nichts im leben forcieren. 82 83 Welche fünf Social-Web-Formate nutzen Sie als Kulturjournalistin am meisten, um Texte/Sendungen zu verbreiten bzw. zu bewerben? 84 s.o. 85 86 Wie und warum nutzen Sie konkret Facebook, Twitter und Youtube dafür? Wie integrieren Sie dabei das Publikum? 87 Twitter hatte ich, paßt aber nicht für mein format, habe ich wieder abgemeldet. 88 Facebook ist, da ich ja nicht antworte, eigentlich auch nicht ganz richtig, es kommen aber doch viele user von facebook 89 90 Bitte beschreiben Sie kurz Ihren Blog. Versorgen Sie den Blog persönlich mit Inhalten? Welche Rolle spielt der Monopolverlag dabei? 91 Natürlich persönlich!!!! 92 Ich schreibe alles selber, suche die fotos selber aus, mache die interviews selber – Es ist ja MEIN blog 93 Die boys & girls von Monopol wickeln für mich extrem technisch unbegabten menschen alles technische ab – wofür ich ihnen sehr dankbar bi 94 95 Welche weiteren Social-Web-Kanäle nutzen Sie für das Publizieren von Inhalten? 96 Ich werde manchmal um ein email-interview mit mir für websites oder blogs gefragt – wenn die anfragen seriös sind, mach ich es gerne 97

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98 Beeinflussen Social Web-Formate die Sendungsgestaltung? 99 Nein – es geht doch um die VIELFALT des Ausdrucks, nicht drum, aus allem EINE sauce zu machen! 100 101 Welche großen Vorteile bringt das Publizieren im Social Web? 102 Also, ich mach es einfach aus FREUDE! 103 104 Welche Probleme entstehen mit dem Publizieren im Social Web? 105 106 Wie hat das Social Web konkret ihre Arbeit verändert? 107 Ich habe neben der extrem komplexen, von vielen Faktoren (technisch, finanziell, hierarchisch, menschlich etc..) abhängenden TV-Arbeit mein ganz 108 persönliches kleines mininimimedium - das ist doch super! 109 110 Wie hat das Social Web den Kulturjournalismus verbessert? 111 Es ist sicherlich alles schneller geworden, vermutlich dadurch auch oberflächlicher. 112 113 Wie hat das Social Web das Verhältnis zwischen PR und Kulturjournalismus verändert? 114 Ich mag gute, offensive, kreative KulturPR – wenn jemand das macht, Hut ab! 115 116 Wie hat das Social Web die redaktionellen Strukturen des ORF verändert? 117 Keine ahnung – ich mache meine arbeit immer schon auf allen ebenen – moderieren, kuratieren, pressetexte schreiben, artikel schreiben, interviewen – mag 118 die abwechslung und vielfalt! 119 120 Welche Ressourcen werden im ORF aufgewendet, um das Social Web effizienter zu nutzen? 121 ORF fragen 122 123 Welche Strukturen benötigen Fernseh-Redaktionen, um das Social Web effizient zu nutzen? Was müsste geändert werden? 124 Ich glaub, das wichtigste wäre Bewußtsein, dass das WICHTIG ist – und zeit zu planen, sich damit auseinanderzusetzen 125 126 Werden im ORF Schulungen für die Social-Web-Nutzung angeboten? 127 Denke schon… weiß nicht… 128 129 Wie beurteilen Sie die Rolle des Social Web für ihre Reputation als Journalistin? 130 hab mir um meine Reputation nie groß Gedanken gemacht - finds einfach gut, meinen kleinen blog zu haben 131 132 Welche Bedeutung wird Ihrer Meinung nach das Social Web zukünftig für die Recherche / die Beziehung zum Publikum / das Publizieren haben? 133 Ich glaub, dass die bedeutung sicher zunehmen wird – letztlich werden die veränderungen viel tiefgreifender sein als wir heute ahnen – siehe das aktuelle 134 dramatische Zeitungssterben! 135 136 Immer wieder liest man vom Niedergang des Kulturjournalismus. 137 Wo lesen Sie das? 138 139 Wie könnte das Social Web in Zukunft den Kulturjournalismus im TV noch „verbessern“? 140 141 Sehen Sie partizipative Kulturformate als Konkurrenz für den traditionellen Kulturjournalismus? 142 Glaube eher, dass beides bestehen wird – sehr hochklassiger, Hintergrundjournalismus mit hoher persönlicher Glaubwürdigkeit und Identität. 143 Und partizipative Formate mit ganz anderen Gesetzen, schnell, nicht unbedingt langlebig, lustvoll, der zeit folgend… 144 Ich habe 30 Jahre lang erlebt, dass alle gesagt haben, das Buch stirbt, das briefschreiben stirbt aus, Sekretärinnen werden aussterben, die CD ist tot, etc…. 145 Die Menschen schreiben sich wie noch nie – halt sms, tweets, whatever…Es wird immer gute, gescheite und schön gemachte Bücher geben – neben ebooks. 146 Und es wird immer schöne, liebevoll gemachte cd-platten-kassetten geben. Denn wer schenkt zu weihnachten schon den „Ring des Nibelungen“ als MP3? 147

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11. ABSTRACT

Social Media haben in den letzten Jahren die Art und Weise verändert, wie

Nachrichten entstehen, verbreitet und konsumiert werden. (vgl. HERMIDA 2012)

Die Magisterarbeit „Kulturjourn@lismus_2.0“ untersucht auf dem theoretischen

Fundament der Strukturationstheorie von Anthony Giddens (1997), wie diese

interaktiven und partizipativen Ressourcen das Handeln und die Strukturen im

österreichischen Kulturjournalismus beeinflusst haben. Das Ziel dieser qualitativen

Studie war es zu demonstrieren, wie ein geschulter Umgang mit Facebook, Twitter,

Weblogs und Youtube die Recherche, die Beziehung zum Publikum und die

Verbreitung von Inhalten verbessern könnte.

Die Ergebnisse basieren auf ExpertInneninterviews mit acht professionellen

KulturjournalistInnen von österreichischen Qualitätsmedien (Online, Tageszeitung,

Magazin, Radio, TV und Agentur), die allesamt als erfahrene NutzerInnen von

Social Media gelten. Auf Grund ihrer Handlungen und Motive wurden die

Chancen und Risiken von Social Media für den Kulturjournalismus identifiziert.

Außerdem wurden das bisherige und zukünftige Veränderungspotenzial von

Social Media analysiert, um festzustellen, ob diese das Handeln und die Strukturen

in österreichischen Medien modifiziert haben oder das noch könnten.

Die zentralen Resultate der Untersuchung: Bislang führen Social Media in

österreichischen Redaktionen nur in seltenen Fällen zu strukturellen Anpassungen

wie Schulungen, Guidelines oder eigenen Social Media-RedakteurInnen. Die

wesentlichen Veränderungen betreffen neue Handlungsweisen für die

JournalistInnen: Social Media erweitern das Instrumentarium der Recherche und

die Reichweite für Werbung und Vertrieb. Sie verdichten die Beziehung zu

KünstlerInnen, die Medien und Publikum in ihrer Promotion nun unvermittelt mit

Informationen bedienen. Vor allem bieten Social Media ein wichtiges Sensorium

für die Interessen des eigenen Publikums. Allerdings wird der Dialog mit dem

Publikum im österreichischen Kulturjournalismus (noch) zu wenig berücksichtigt.

Abschließend präsentiert die Studie 20 Thesen zum Kulturjouralismus_2.0, die der

als Forschungsanreiz dienen können und der Praxis als Handlungsempfehlungen

für die kulturjournalistische Arbeit.

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ABSTRACT

In the past years Social Media changed the way how news were generated,

distributed and consumed. (cp. HERMIDA 2012). The master’s thesis

„Kulturjourn@lismus_2.0“, theoretically based on the Theory of Structuration by

Anthony Giddens (1997), examines how interactive and participative resources are

influencing the actions and structures of Austrian cultural journalism. The aim of

this qualitative study was to demonstrate how a skilled use of Facebook, Twitter,

Weblogs and Youtube can improve the journalistic research, the relationship with

the audience and the distribution of contents.

The results are based on expert interviews with eight professional cultural

journalists of Austrian quality media (online newspaper, magazine, radio, TV and

news agency), considered all experienced user of Social Media. Because of their

their motives and actions the chances and risks of Social Media for cultural

journalism were identified. Moreover its previous and future potential for change

was analyzed with the aim to identify, if they have modified actions and structures

in Austrian media or could be able to in the future.

The central results of the research: so far Social Media leads in Austrian editorial

departments only rarely to structural adaptations in form of trainings, guidelines

or an own Social Media editor. The major change applies to new methods for

journalists: Social Media extends the instrumental apparatus of research and the

range for marketing and distribution. Social Media consolidates the relationship to

artists, who now feed media and the audience in its promotion directly with

information. Most of all Social Media sensitizes for the interests of its own

audience. On the one hand, the feedback channel is (still) insufficiently considered

by cultural journalists. On the other hand it is not sufficiently used by the audience.

Finally the study presents 20 theses to cultural jouralism 2.0, which could serve as

research incentive and as recommendations for journalistic work.

* * *

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Page 211: MAGISTERARBEIT - othes.univie.ac.atothes.univie.ac.at/28009/1/2013-04-07_0404366.pdf5.3.2.3. Vorteile des Publizierens in Social Media 100 5.3.3. Risiken und Gefahren von Social Media

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L E B E N S L A U F

Florian Wörgötter

[email protected] www.phonographix.at

S T U D I U M

2008 - 2013 Magisterstudium Publizistik Uni Wien (abgeschlossen 2013)  Schwerpunkt: Journalismus, Neue Medien und ORF

2010 – 2011 Vollstipendium 19. Österreichisches Journalistenkolleg des KfJ

Jan – Juli 2009 Erasmus Information and Media Studies Aarhus, DK

2004 – 2008 Bakkalaureatsstudium Publizistik Uni Wien (abgeschlossen)  Schwerpunkt: Radiojournalismus, PR und Kommunikationsforschung

2007 – 2010 Diplomstudium Musikwissenschaft Uni Wien  Schwerpunkt: Populäre Musik und Musiktechnologien

S C H U L E

1998 – 2003 HAK Kitzbühel  Schwerpunkt: Wirtschaftsinformatik und Organisation

1993 – 1998 Bundesrealgymnasium St. Johann in Tirol

B E R U F S P R A X I S

seit Sept 2011 Freier Mitarbeiter Kulturressort profil

Juli 2011 Redaktionsworkshop Kulturressort profil

Aug-Sept 2009 Praktikum Radio Ö1 / Moment - Leben heute

2006 -2009 Konzeption / Gestaltung / Moderation / Sounddesign Campus Ö1 / Radio D[y]namic

 Wien, am 7. April 2013