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Makrostrukturelle Analyse als Startpunkt für die Entwicklung einer textuellen Kompetenz am Beispiel der Textsorte „Unterkunftsbeschreibung“ Carolina Flinz L’analisi della macrostruttura dei testi è un primo passo fondamentale per lo svi- luppo della competenza testuale, anche in lingua straniera. La sua applicazione a testi turistici autentici e in particolare alla tipologia testuale “descrizione di strut- ture ricettive” ha avuto esiti didattici molto positivi. I risultati di una piccola inda- gine empirica sulla tipologia testuale esaminata evidenziano non solo le sue carat- teristiche principali, ma anche gli aspetti a essa connessi che influiscono positi- vamente sul potenziamento della competenza testuale. 1 Einleitung Für die Entwicklung der Textkompetenz im DaF-Bereich ist die Analyse der makrostrukturellen Aspekte eines Textes von herausragender Bedeutung. Es handelt sich um eine allumfassende Lektüre, die die Besonderheiten in der gra- phischen Struktur des Textes berücksichtigt (vgl. Blühdorn/Foschi Albert 2006, 17) und die den ersten Kontakt der Studierenden mit einem Text in der Fremd- sprache, auch auf Anfängerniveau, darstellt. Ich gehe davon aus, dass ein solches didaktisches Vorgehen vorteilhaft für den Erwerb der Textkompetenz ist, da a) es den Studierenden eine bessere Orientierung im Text bietet und gleichzeitig mögliche Konfrontationsängste (auf Grund von zu vielen Informationen) ab- baut; b) Verstehensstrategien dabei automatisiert werden und die Textkompetenz gefördert wird; c) der Vertrautheitsgrad hinsichtlich touristischer Textsorten innerhalb der Kul- tur der zu erwerbenden Fremdsprache gesteigert wird; d) die Motivation erhöht und neues Interesse geweckt wird; e) die produktiven Fertigkeiten gefördert werden, da Studenten nach mehrere Analysen dieser Art in der Lage sind, einfache Texte sowohl schriftlich als auch mündlich zu produzieren. Dieses didaktische Verfahren wird insbesondere im universitären Bereich in Pisa angewendet und ist schon seit Bestehen des Kurses Lingua Tedesca I (2003/ 2004) im Rahmen des Studiengangs Tourismuswissenschaften an der Fakultät in

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Makrostrukturelle Analyse als Startpunkt für die Entwicklung einer textuellen Kompetenz am

Beispiel der Textsorte „Unterkunftsbeschreibung“

Carolina Flinz

L’analisi della macrostruttura dei testi è un primo passo fondamentale per lo svi-luppo della competenza testuale, anche in lingua straniera. La sua applicazione a testi turistici autentici e in particolare alla tipologia testuale “descrizione di strut-ture ricettive” ha avuto esiti didattici molto positivi. I risultati di una piccola inda-gine empirica sulla tipologia testuale esaminata evidenziano non solo le sue carat-teristiche principali, ma anche gli aspetti a essa connessi che influiscono positi-vamente sul potenziamento della competenza testuale.

1 Einleitung Für die Entwicklung der Textkompetenz im DaF-Bereich ist die Analyse der makrostrukturellen Aspekte eines Textes von herausragender Bedeutung. Es handelt sich um eine allumfassende Lektüre, die die Besonderheiten in der gra-phischen Struktur des Textes berücksichtigt (vgl. Blühdorn/Foschi Albert 2006, 17) und die den ersten Kontakt der Studierenden mit einem Text in der Fremd-sprache, auch auf Anfängerniveau, darstellt. Ich gehe davon aus, dass ein solches didaktisches Vorgehen vorteilhaft für den Erwerb der Textkompetenz ist, da a) es den Studierenden eine bessere Orientierung im Text bietet und gleichzeitig

mögliche Konfrontationsängste (auf Grund von zu vielen Informationen) ab-baut;

b) Verstehensstrategien dabei automatisiert werden und die Textkompetenz gefördert wird;

c) der Vertrautheitsgrad hinsichtlich touristischer Textsorten innerhalb der Kul-tur der zu erwerbenden Fremdsprache gesteigert wird;

d) die Motivation erhöht und neues Interesse geweckt wird; e) die produktiven Fertigkeiten gefördert werden, da Studenten nach mehrere

Analysen dieser Art in der Lage sind, einfache Texte sowohl schriftlich als auch mündlich zu produzieren.

Dieses didaktische Verfahren wird insbesondere im universitären Bereich in Pisa angewendet und ist schon seit Bestehen des Kurses Lingua Tedesca I (2003/ 2004) im Rahmen des Studiengangs Tourismuswissenschaften an der Fakultät in

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Lucca ein wichtiger Bestandteil sowohl der grammatikorientierten Lehrveran-staltungen als auch des auf Kommunikation ausgerichteten Lektorats, deren Lernziel jeweils die Entwicklung der fremdsprachlichen Textkompetenz ist. Die Ziele dieses Beitrags sind: 1) eine Neubestimmung des Begriffs der Makrostruktur vorzuschlagen; 2) den didaktischen Ansatz der makrostrukturellen Analyse vorzustellen, und

zwar auf Lehrerseite als Möglichkeit bei der Auswahl von Unterrichtstexten, anhand einer Musteranalyse eines hierfür aufgebauten Textkorpus, und auf Lernerseite als praktische Anwendung im Unterricht anhand der Auswertung einer Textanalyseaufgabe.

Nach einem kurzen Überblick über die Definitionen des Terminus „Makrostruk-tur“ in den einschlägigen Wörterbüchern der Linguistik und in der Literatur, werde ich eine eigene Definition vorschlagen, die die Forschungsergebnisse zur didaktischen Applikation berücksichtigt. Schließlich werde ich auf die Vorteile einer makrostrukturellen Analyse im DaF-Unterricht hinsichtlich der Entwick-lung der Textkompetenz eingehen und ihre didaktischen Kernphasen erläutern (§2). Nach der Begründung zur Auswahl der Textsorte „Unterkunftsbeschreibung“ für die Musteranalyse werde ich das Korpus und die Ergebnisse der empirischen Analyse vorstellen (§3). Schließlich folgt die didaktische Umsetzung des Analy-semodells, indem sowohl das didaktische Setting der Anwendung als auch die jeweilige didaktische Einheit präsentiert wird. Überlegungen zu den Resultaten am Ende der Unterrichtseinheit werden den Beitrag beenden (§4).

2 Forschungsstand 2.1 Der Begriff „Makrostruktur“

Der Terminus „Makrostruktur“ wird unterschiedlich in der Forschung gebraucht. Sein Ursprung wird der generativen Transformationsgrammatik und insbesonde-re dem Linguisten Van Dijk (van Dijk 1980a; van Dijk 1980b) zugewiesen. Van Dijks Konzept der Makrostruktur geht davon aus, dass die Textbeschrei-bung auf einer globaleren Ebene als die der Einzelpropositionen stattfinden soll. Es handelt sich nämlich um Textkonnektionen, die nicht explizit an der Oberflä-che ersichtlich sind. Durch bestimmte Reduktionsprozesse (auch Makrooperatio-nen genannt) werden Informationen vernetzt. Aus Zusammensetzungen von Mikropropositionen konstruiert der Leser komplexe Bedeutungseinheiten (die sog. Makropropositionen). Durch diese semantische Informationsreduktion ge-langt man zu Bedeutungsstrukturen höherer Ordnung: die semantische Makro-struktur. Sie wird auch aufgrund von Vorwissen, Erwartungen, Interessen, Ziel-setzungen gebildet (van Dijk 1980a, 184). Diese semantische Struktur lässt sich in Makropropositionen analysieren, wobei sog. Makroregeln zur Anwendung

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kommen, denen bestimmten Operationen zugrunde liegen (van Dijk 1980a, 183f): Auslassen, Verallgemeinern, Konstruieren1. Das Ergebnis der Analyse ist im Idealfall das Textthema, die oberste hierarchische Ebene, die als „Makropro-position auf einem bestimmten Abstraktionsniveau“ (van Dijk 1980a, 50) darge-stellt wird. Die Makrostruktur eines Textes stellt also die semantisch-pragmatische Struktur eines Textes dar (van Dijk 1980b, 27/43)2. Untersuchungen zu Verständnis und Gedächtnisspeicherung von Makroproposi-tionen haben diese Theorie sowohl bestätigt als auch ihr widersprochen (Jahr 1996, 35). Van Dijks Ansatz wurde und wird in der Fachliteratur nicht nur kon-trovers diskutiert, sondern auch weiterentwickelt. Kritisiert wurde u. a. Folgen-des: a) Vermischung von Aufbau und Zusammenhang eines Textes (Hellwig 1984,

67); b) Gleichsetzung von Text als Gebilde mit Text als Produktions- und Rezep-

tionsvorgang (Hellwig 1984, 67); c) Vernachlässigung der interkonzeptuellen Beziehungen (Schwarz 1996, 91); d) Einschränkung des Themabegriffes, da ein textinterner Aufbau der themati-

schen Hauptstruktur nicht ausreicht. Weltwissen muss aktiviert werden, Assoziationen müssen gemacht werden (Schröder 1998, 129f.);

e) Keine weitgehende Klärung des Verhältnisses „thematische Entwicklung/ Textstruktur“ (Schröder 1998, 133f.);

f) Bestimmung des Textthemas als Proposition, sprachtheoretischer Status, Anwendung der Makroregeln, Form und Ableitung der Makrostruktur selbst (Fritz 1982, 208ff.; Lötscher 1987, 35ff.; Brinker 2001, 51-53);

g) Generierung der Oberflächenstruktur der Texte aus der semantischen Tiefen-struktur (Brinker 2001, 53);

h) Fehlen einer Erklärung zur Evidenz, dass nicht im Text enthaltenen Informa-tionen trotzdem beigesteuert werden (Vater 2001, 74).

Die Weiterentwicklungen des Konzeptes der Makrostruktur führte u. a. zu fol-genden Definitionen: a) übergreifendes Baumuster, welches die Gesamtgestalt eines Textes betrifft

(Kallmeyer/Meyer-Hermann 1980, 253)3;

1 Später wurden diese Operationen erweitert (vgl. u. a. Endres-Niggemeyer/Waumans/

Yamashita 1991; Endres-Niggemeyer/Neugebauer 1998). 2 Man unterscheidet zwischen semantischen und pragmatischen Makrostrukturen, die

miteinander verbunden sind. Die pragmatischen Makropropositionen determinieren die Komposition des Textes.

3 Es besteht also ein enger Zusammenhang zwischen diesem Konzept der Makrostruk-tur (im Sinne einer Superstruktur) und dem Begriff der Textgliederung. Während in

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b) Satzübergreifende Strukturen, d. h. Tiefenstrukturen, wie z. B. Komposition des Textes, Motive, Handlungen (Sowinski 1983)4;

c) ein hierarchisches Beziehungsgefüge, was unterschiedlich umfangreiche und hierarchisch zu differenzierende sprachliche Zeichen umfasst (Simmler 1988, 213);

d) Satzübergreifende Einheiten der Sprache, die Textsorten konstituieren, wobei sich je nach gewähltem Medium unterschiedliche Realisierungsformen erge-ben können (Simmler 1996, 612f.).

In Abwägung der verschiedenen Positionen schlage ich folgende Begriffs-bestimmung vor: Bei der Makrostruktur handelt es sich um eine übergeordnete semantische Text-einheit, die jeweils speziellere Strukturen auf niedrigerer Ebene umfasst. Man unterscheidet zwischen einer semantischen und einer pragmatischen Makrostruk-tur. Die semantische Makrostruktur kann durch gewisse Regeln aus ihren Kon-stituenten hergeleitet werden, da sie der linearen Manifestation der sprachlichen Elemente an der Textoberfläche zugrunde liegt. Das globale Textthema kann also auf Grund von Makropropositionen abgeleitet werden, indem Makroregeln wie Auslassen, Selektieren, Generalisieren, Konstruieren oder Integrieren ange-wendet werden. Die Textzusammenfassung kann deswegen als direkte Verbali-sierung der Makrostruktur angesehen werden. Die pragmatische Makrostruktur wird auch als Superstruktur definiert. Sie de-terminiert die Art, wie der Text komponiert wurde. Die Makrostruktur ist des-wegen mit der entsprechenden Textsorte und den daraus folgenden Textfunktio-nen oder der dominierenden Textfunktion eng verbunden. Die Makrostruktur eines Textes betrifft aber nicht nur die Tiefenstruktur, denn man versteht darunter auch die Gesamtgestalt eines Textes, d. h. seine Baustruk-tur an der Textoberfläche (typographische Gestaltung und Veranschaulichungen durch Abbildungen, Zeichnungen, Übersichten, Hinweise etc.). So wird der Begriff „Makrostruktur“ auch in der Lexikographie gebraucht, wo er für die Ordnungsstruktur der Bauteile des Textes steht.

2.2 Didaktische Anwendung des Konzepts der Makrostruktur

Der Begriff „Makrostruktur“ wird in vielen linguistischen Disziplinen verwen-det, in der Textlinguistik, der Literaturwissenschaft und nicht zuletzt in der lin-guistischen Teildisziplin Deutsch als Fremdsprache (Willkop 2001).

dieser Auffassung Makrostruktur und Superstrukur Synonyme sind, sind sie in van Djik scharf getrennt: „…eine Superstruktur ist eine Art Textform, deren Gegenstand, Thema, d. h. Makrostruktur, der Textinhalt ist.“ (van Dijk 1980b, 128).

4 In diesem Konzept der Makrostruktur sind auch die Art und Abfolge der Textteile enthalten. Nach Simmler (1996) sind Makrostrukturen durch Initiatoren und Termi-natoren markiert.

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Insbesondere für den DaF-Unterricht und für die Entwicklung der Textkompe-tenz kann eine didaktische Anwendung des Konzepts der Makrostruktur frucht-bar sein, da linguistische Textanalysen für das Leseverstehen und kontrastive Vergleiche unentbehrlich sind (Willkop 2001). Makrostrukturelle Analysen im Unterricht können den Erwerb der Fremdsprache fördern. Sowohl die Beschreibung der grammatischen Strukturen als auch der kommunikativen Strategien können sich als hilfreiche Mittel erweisen, um die Ziele der universitären DaF-Didaktik zu erreichen (vgl. Ballestracci 2009, 76). Dahinter befindet sich die weitgehend in der Didaktik-Forschung verbreitete Annahme, dass eine ständige Korrelation zwischen der Vermittlung von Text-kompetenz und der Entwicklung von kommunikativer Kompetenz den Fremd-spracherwerb fördert (vgl. u. a. Krumm 1991; Bausch/Christ/Krumm 1993; Bausch 1993; Groeben/Christmann 1996; Götze 1999; Helbig 1999; Portmann-Tselikas 2000; Helbig 2003). Eine didaktische Anwendung der makrostrukturellen Analyse schlagen Blüh-dorn/Foschi Albert (2006, 17) in Bezug auf das Leseverstehen vor. Die Haupt-idee dabei ist, dass durch eine allumfassende Lektüre, die die Besonderheiten der Textarchitektonik und der graphischen Struktur berücksichtigt, die Bedeutungs-ebene der verschiedenen Textteile schon dank ihrer Positionierung oder graphi-schen Besonderheiten erkannt werden kann, was Hypothesen über den Textinhalt ermöglicht5. Die didaktische Applikation konzentriert sich deswegen insbesondere auf die pragmatischen Bedingungen des Textes und seinen Inhalt an der Oberfläche (vgl. Storch 2001, 123). Ihr Hauptziel ist, die zentralen Inhaltspunkte (wie The-ma/en) und pragmatischen Textbedingungen (Kommunikationspartner, Kommu-nikationssituation, kommunikative Funktion) zu identifizieren. Sowohl der the-matisch-gegenständliche Aspekt (semantischer Gehalt) als auch der handlungs-bezogene Aspekt treten in den Vordergrund (vgl. Adamzik/Krause 2005). Während der makrostrukturellen Analyse werden bestimmte Mechanismen oder Verhaltensweisen aktiviert6. Im Folgenden werden die wichtigsten genannt:

5 Die makrostrukturelle Analyse ist aber nur die erste von unterschiedlichen Phasen, in

denen der Text hinsichtlich seiner Oberflächenmerkmale sowie des Vorhandenseins von bestimmten lexikalischen Kategorien untersucht wird. Die nachfolgenden Phasen bestehen aus der Auffindung von bestimmten mikrostrukturellen Eigenschaften wie Verbalklammern und Satzgerüst, Satzfeldern, Satzgliedern auf Grund der Verbvalenz und Adjunktklammern. Das Fokussieren der Kohärenz der Texte (sowohl der räum-lichen als auch der zeitlichen und der kausalen) ist die letzte Analyseaufgabe.

6 Diese Mechanismen sind stark vom individuellen Leseverhalten in der L1 beeinflusst. Meist werden sie spontan aktiviert. Vor allem im Anfangsstadium der didaktischen Applikation können sie vom Lehrenden angeregt werden. Nach den ersten gemeinsa-men Analysen werden sie aber in der Regel autonom angewendet.

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a) Sprachliche und kognitive Fähigkeiten bzw. Kompetenzen sowie Weltwissen kommen selektiv beim Lesen zum Einsatz (vgl. u. a. Rösler 1994; Schnotz 2006);

b) Vorerfahrungen werden aktiviert, die den Leser unterstützen und orientieren. Je mehr Wissen aktiviert wird, desto leichter lassen sich Informationen, die der Text bereithält, einordnen (Foschi Albert 2010);

c) Die inferenzielle Kompetenz wird gefördert (vgl. Lutjeharms 1988) und funktional mit dem Moment des Handelns verknüpft (vgl. Ehlich 1994; Drumbl 2002);

d) Es werden Hypothesen über den Textinhalt gebildet (vgl. u. a. Goodman 1976; Lutjeharms 1988);

e) Neugierde und Interesse an Sachverhalten werden geweckt, so dass Text-signale auf Erwartungsmuster treffen können (vgl. Piepho 1985);

f) Herausbildung von Erwartungshaltungen werden beim Leser gefördert (vgl. u. a. Göpferich 1998; Strohner 2006).

Mit der makrostrukturellen Analyse werden also nicht nur das Verstehen eines Textes sondern auch das Behalten und die Wiedergabe von Informationen (Kös-ler 1992, 77) gesteuert. Sobald der Lerner erkennt, welche Textsorte vorliegt, werden entsprechende Makrostrukturschemata aktiviert, sofern er mit der Text-sorte vertraut ist. Beim Lesen werden dann vorhandene Leerstellen durch inhalt-liche Informationen aus dem Textausgefüllt. Die aus dem Text entnommenen Informationen werden wie in Schubladen einer Kommode eingeordnet, und die Einordnung ist umso leichter je genauer sich der Autor an die Makrostruktur der Textsorte hält und je starrer die Makrostruktur selber ist (Göpferich 1998, 101). Die Analyse der Makrostruktur stellt den ersten Kontakt der Studierenden mit einem Text in der Fremdsprache her, auch auf Anfängerniveau. Somit können Texte besser verstanden werden und interlinguale Vergleiche auf Textebene stattfinden. Im Folgenden werde ich die Kernphasen der makrostrukturellen Analyse erläu-tern. Die vier Phasen haben das Ziel, bestimmte strukturelle Eigenschaften, die das Textverstehen erleichtern, hervorzuheben. Insbesondere sollen die Studie-renden Hypothesen über Textinhalt und -thema anstellen und konzentrieren sich dabei auf: a) Identifikation der Textsorte und kommunikativen Funktion: Die Zuweisung eines Textexemplars zu einer bestimmten Textsorte, das

Identifizieren des Ziels und der involvierten Kommunikationspartner sowie der möglichen Kommunikationssituation findet intuitiv statt. Persönliche Er-fahrungen im Zusammenhang mit dem Welt- und Textwissen steuern dieses Verstehen, somit kommen auch Erwartungen über die Funktion des Textes, sein kommunikatives Ziel und seinen Inhalt zustande. Ziel dieser Analyse ist es auch, bestimmte Aspekte der Textsorte zu vermitteln, die dem fremdkultu-

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rellen Leser den Umgang mit den Texten erleichtern (vgl. Brinker 2001, Bausch/Christ/Krumm 1993);

b) Einbezug von Bildern, Tabellen und Diagrammen: Bilder werden beschrieben, um Reflexionen, Erwartungen über das Thema

des Textes auszudrücken, so dass auch über die Funktion der jeweiligen Bil-der und ihre Verbindung zur Textfunktion reflektiert wird. Tabellen und Dia-gramme werden hinsichtlich ihrer Bedeutung entschlüsselt, so dass der Inhalt sprachlich konkretisiert wird;

c) Paratextuelle Elemente:7 Diese Elemente betreffen das linguistische Material außerhalb des Kerntex-

tes/ Fließtextes. Sie erleichtern die Orientierung und ermöglichen eine schnellere Aufnahme der präsentierten Information. Insbesondere in Online-Texten sind sie komplex organisiert. Die Studierenden konzentrieren sich auf den Titel, Untertitel und die Verwendung von Fett-/Kursivdruck oder Groß-/Kleinschreibung;

d) Gliederung des Textes in Abschnitte: Anhand der Aufteilung des Textes in Abschnitte, das Vorhandensein von

Zwischenüberschriften werden Hypothesen über den möglichen Textinhalt aufgestellt.

Dieses Verfahren der makrostrukturellen Analyse lässt sich als konkrete Analy-seaufgabe im Unterricht didaktisch anwenden, worauf noch eingegangen wird. Es bietet aber auch die Möglichkeit, Texte hinsichtlich ihrer Eignung für den Unterricht zu überprüfen. Im Folgenden stelle ich eine Musteranalyse anhand eines von mir erstellten Korpus vor.

3 Empirische Musteranalyse (Online „Unterkunftsbeschrei-bungen“)

Analysiert wird ein Korpus von 50 „Unterkunftsbeschreibungen“. Die Auswahl dieser Textsorte lässt sich folgendermaßen begründen: 1) Sie repräsentieren eine institutionalisierte Textsorte, die in der touristischen

Kommunikation hochfrequent ist, da sie der Abwicklung und Vorbereitung von bestimmten Interaktionen zwischen potentiellen Kunden und Anbietern der Unterkünfte dienen, z. B. Buchungen;

2) Sie beziehen sich auf die Erfahrungs- und Berufswelt der Studierenden;

7 Paratextuelle Elemente sind eine Grenze, bzw. eine Schwelle zwischen Text und

Diskurs der Welt (vgl. Genette 1989, 10). Sie werden auch als Erscheinungen in der Peripherie definiert (vgl. Huber 2003, 82).

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3) Sie sind von einer charakteristischen Kombination aus textstrukturellen und außersprachlichen Merkmalen (Adamzik 1994, 174) mit bestimmten Variati-onen charakterisiert;

4) Sie zeigen gewisse strukturelle Ähnlichkeiten nicht nur untereinander son-dern auch mit italienischen Texten (vgl. Lombardi 2006);

5) Sie bieten viele Möglichkeiten der thematischen Einbindung in den Unter-richt;

6) Die Kenntnis des Aufbaus solcher Texte in Hinsicht auf die inhaltliche Orga-nisation auf der Makroebene kann rezeptive und produktive Fähigkeiten bei DaF-Lernern fördern.

Die Textexemplare für die Analyse wurden mit Hilfe der Suchmaschine „Google“ gefunden, wobei folgende Kriterien ausschlaggebend waren: Textpro-duzent (Reiseveranstalter oder Reiseagentur); Ausgangssprache (Deutsch); Ziel-land (Italien/Toskana). Sie wurden aufgrund folgender Merkmale analysiert: 1) Elemente, die bei der Identifikation der Textsorte und der jeweiligen Funk-

tion behilflich sind (Anwesenheit von Bildern, Logos, Tabellen, Diagrammen und anderen Bildarten);

2) Vorhandensein von paratextuellen Elementen (Titel, Untertitel); 3) Zahl und Art der Paragraphen im Kerntext. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: 1) Hauptfunktionen, die im Vordergrund stehen, sind Überredung/ Appell und Information. Der persuasive Charakter ist jedoch dominant, da es hier das Hauptziel ist, Buchungen in der präsentierten Unterkunft anzubahnen. Diese Textsorte weist einen hohen Grad an Standardisierung8 auf, da ihre äußere Form meistens einem einheitlichen Muster folgt. Bestimmte textarchitektonische Merkmale können als prototypisch für diese Textsorten gelten, wie zum Beispiel die Präsenz von Bildern, Preistabellen, und einige aktive Komponenten, wie das Vorhandensein von Links, Suchmaschinen etc. Sie sind mit den Hauptfunktionen der Textsorte verbunden, so dass bei einigen Elementen wie Bildern und Preista-bellen die persuasive Funktion dominant ist, während bei anderen eher die In-formativität wesentlich ist. Detailliertere Informationen können aus dem folgen-den Diagramm entnommen werden:

8 „Unterkunftsbeschreibungen“ werden auch von Gansel (2008, 156) als standardisiert

definiert.

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Abbildung 1: Elemente, die zur Identifikation der Textsorte führen

a) Alle Texte sind mit Bildern illustriert. Bilder spielen in dieser Textsorte of-fenbar eine wichtige Rolle9, da sie einen zentralen Stellenwert in der Gestaltung der Textsorte einnehmen und primäre Vermittler von Assoziationen und Emo-tionen sind. Deswegen kann ihnen hauptsächlich eine persuasive Funktion zuge-ordnet werden. Doch erst im Zusammenhang mit verbalen Textelementen kann ihre Bedeutung entschlüsselt werden (vgl. Stöckl 1997, 114). Die Zahl der Bilder und Größe variiert unter den verschiedenen Anbietern, auch wenn eine starke Dominanz (36%) von Texten mit 21/30 Bilder festzustellen ist. Hier zeigt sich ein Unterschied zu Printkatalogen, die sparsamer mit Bilder aus-gestattet sind (vermutlich spielen hier die hohen Druckkosten eine entscheidende Rolle). Sehr unterschiedlich ist auch die Größe der Bilder, auch wenn alle analy-sierten Seiten mindestens ein relativ großes Bild aufweisen, dessen persuasiver Charakter nicht zu bestreiten ist, da wohl der schönste und anlockendste Aspekt der Unterkunft gezeigt wird; b) 72% der Texte zeigen Logos: es gibt zwei Typen von Logos: (i) Logos die für den Veranstalter stehen, (ii) Logos, die andere Firmen oder soziale Netzwerke, repräsentieren. (i) Die Veranstalterlogos unterscheiden sich in folgenden Aspek-ten: sie sind stark mit dem zu vermittelten Produkt verbunden (20% Haus oder Villa); sie sind ein typisches Merkmal der „angepriesenen“ Landschaft (16% Zypressen, Olivenbäume; 14% Sonne, 12% Schmetterling/Traube/Welt etc,); sie stellen ikonisch einen Buchstaben des Veranstalternamens dar (16%). Die Logos haben eine wichtige Funktion im Marketingbereich, da ihr primäres Ziel die 9 Diese Textsorte wird deswegen auch als „bimedialer Text“ (Spillner 1995) bezeich-

net, als „Gesamttext“ (d. h. ein übergreifendes Gefüge von verbalen und visuellen Konstituenten) oder als „Supertext“, d. h. ein Text, der aus verbalem und visuellem Material mit jeweils eigenem Zeichensystem, bzw. Typographie, Farbe, Material etc., konstituiert ist (vgl. Fix 1996).

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Speicherung des Anbieternamens beim Kunden ist. (ii) Anderweitige Verweise betreffen hauptsächlich Autoverleihfirmen, Versicherungen, soziale Netzwerke. Die Funktion ist jedoch ähnlich: sie sollen den Kunden überzeugen, dass der ausgewählte Anbieter zuverlässig ist; c) Tabellen und Auflistungen sind offenbar auch charakteristisch für diese Text-sorte, da sie in 100 % der analysierten Texte enthalten sind. Es wurde außerdem festgestellt, dass: • auf allen Internetseiten Links zu allgemeinen Informationen wie u. a. Kon-

takt, Agentur, Buchungsformular etc. vorhanden sind; • 40% der Links auf andere Städte oder Regionen verweisen; • 40% der Links auf andere Ferienobjekte im gleichen Gebiet verweisen. d) Unter andere Bildarten wurden Banner, Fahnen, Zeichnungen, Mappen analy-siert. Banner sind in 68% der analysierten Texte enthalten, davon bestehen 42% aus Bildern, die die Landschaft oder besondere Merkmale (wie Monumente etc.) der Umgebung illustrieren, während der Rest Zeichnungen sind. Fahnen sind auch in 68% der Seiten enthalten: es handelt sich entweder um Fahnen, die einen Link zur Homepage in der symbolisierten Sprache öffnen oder Fahnen die die Kontaktsprache des Anbieters darstellen. Mappen zur Verortung der Unterkunft sowie Skizzen zum Grundriss der Unterkunft sind ebenso vorhanden. 2) Die Analyse bezüglich Titel und Untertitel zeigt folgendes Ergebnis: Alle Texte verfügen über einen Titel (100%) und etwas mehr als die Hälfte über einen Untertitel (52%). Titel sind auf allen Unterkunftsbeschreibungen durch eine ähnliche graphische Gestaltung charakterisiert. Sie sind in Fettdruck, aber bieten unterschiedliche Informationen über die Unterkunft: Name, Typologie, Kodierung, Lage etc. Die größte Zahl der Titel (59%) beinhalten zwei Angaben10 während vier oder fünf Informationen in einem einzigen Titel selten sind (vgl. Abbildung 2). Eine Angabe (meistens ist das der Name) oder drei Informationen hintereinander können hingegen öfters vorkommen (jeweils 22%). In Detail kann man also sagen, dass 78% der Texte im Titel den Namen der Unterkunft angeben, 52 % Informationen zur Lage und 42% zur Unterkunftstypologie beinhalten. Nur 30% geben die Information zur Kodierung.

10 Es sind folgende Möglichkeiten üblich: entweder Name der Unterkunft/Lage oder

Name der Unterkunft/Kodierung oder Name der Unterkunft/Typologie.

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Abbildung 2: Im Titel enthaltene Angabenanzahl

Untertitel sind hingegen nur in 80% der Fälle fett gedruckt; sie geben normaler-weise zusätzliche Informationen, wie die angenommene Personenzahl (30%), die Buchungsnummer (12%) an oder Hinweise auf die Lage (16%) und die Unter-kunftstypologie (24%) wenn sie nicht im Titel vorhanden sind11. Typisch für die Untertitel sind hingegen detailliertere Angaben zur Unterkunft, wie Ausstattung, Aufteilung etc. (20%). 3) Die Gestaltung des Kerntextes weist in 92% der Fälle eine deutliche und auch graphisch hervorgehobene Aufteilung in Abschnitte auf. Durchschnittlich sind mindestens drei Abschnitte enthalten, auch wenn die Zahl in einigen Fällen stark variiert. In 84% der analysierten Texte werden die Abschnitte betitelt. Diese Gliederung in Abschnitte und deren Betitelung ist für das Verstehen und die darauf folgenden Inhaltshypothesen von großer Bedeutung, weil hier Hinweise auf die Bedeutung des Gesamttextes enthalten sind.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Textsorte „Unterkunftsbeschrei-bung“ durch ein Bündel von standardisierten Merkmalen charakterisiert ist, die spontan von den Studierenden, auch auf Grund von Parallelen zur entsprechen-den Textsorte in der Muttersprache Italienisch, erkannt werden können. Die Ergebnisse sprechen für eine erfolgreiche Übertragung der Analysemethode in die Didaktik. Dabei gelten die oben beschriebenen Analysephasen als Orien- 11 In einigen Fällen (10%) wurde eine Wiederholung der Angaben im Titel und im

Untertitel festgestellt.

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tierung. Das Hauptziel ist dabei, über die makrostrukturelle Analyse die für den Text wichtige bedeutungstragende Elemente zu identifizieren und so zu einem schnelleren Textverständnis beizutragen. Unterkunftsbeschreibungen eignen sich, meiner Erfahrung nach, besonders auch für den Einstieg in das Lernen einer Fremdsprache.

4 Didaktische Umsetzung des Analysemodells 4.1 Didaktisches Setting

Der Studiengang „Tourismuswissenschaft“ (classe 39) wurde von der Universi-tät Pisa 2003/ 2004 mit Numerus clausus gegründet. Das Angebot umfasst mitt-lerweile einen Bachelor-Studiengang und einen Master-Studiengang. Der erste bietet zwei Schwerpunkte (einen wirtschaftlichen/statistischen und einen histori-schen/künstlerischen/sozialen), wobei die ersten zwei Jahre des Studiengangs gemeinsam sind und die Ausdifferenzierung erst im dritten Jahr erfolgt. Der zweite Studiengang bietet ebenfalls zwei Orientierungen (eine touristi-sche/kulturelle und eine wirtschaftliche/juristische). Hauptziele der angebotenen Studiengänge sind vor allem die Entwicklung von Basiskompetenzen in unterschiedlichen Disziplinen (wie auch in den Fremdspra-chen), die auf eine Spezialisierung im touristischen Bereich abzielen. Dabei soll ebenso die Forschung im touristischen Bereich gefördert werden12. Deutsch als Fremdsprache wird nur im 2. und im 3. Jahr des Bachelor-Studien-gangs angeboten. Der Kurs besteht aus einem Lektoratskurs und einem sprach-wissenschaftlichen Kurs. Das Lektorat erstreckt sich auf 48 Unterrichtsstunden (à 50 Minuten) pro Jahr über zwei Semester für Lingua 1 und auf ein Semester (ebenso 48 Stunden) für Lingua II. Es konzentriert sich auf den Erwerb der sechs Fertigkeiten13, aber mit Bezug auf Themen und typische Situationen aus dem Tourismusbereich. Die Unterrichtssprache ist Deutsch. Der sprachwissenschaftliche Kurs erstreckt sich hingegen auf 24 Unterrichts-stunden (à 50 Minuten) im zweiten Jahr und weitere 24 Stunden im dritten Jahr. Er widmet sich den strukturellen Eigenschaften der deutschen Sprache: dazu werden authentische Texte aus der Tourismuswelt hinsichtlich ihrer makro- und mikrostrukturellen Eigenschaften analysiert. Die Unterrichtssprache ist hier Italienisch. Abgesehen von Unterschieden in der Unterrichtssprache und Variationen in einigen Kernpunkten liegt beiden Kursen eine einheitliche didaktische Konzep-

12 Vgl. die Homepage der Fakultät <http://www.campuslucca.it>. 13 Nach dem Europäischen Referenzrahmen: Produktion, Rezeption und Interaktion

sowohl schriftlich als auch mündlich, vgl. <http://www.goethe.de/Z/50/commeuro/i3.htm>.

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Makrostrukturelle Analyse 281

tion zu Grunde: Sie bedienen sich einer Mischung von unterschiedlichen gram-matikalischen Theorien (traditionelle Grammatik, Textgrammatik, Valenz- und Dependenzgrammatik), die parallel in beiden Kursen mit unterschiedlichen Fo-kussierungen und Rhythmen angewendet werden. Am Ende des gesamten Kur-ses sollen das Niveau B1 für Lingua tedesca 1 und Niveau B2 für Lingua tedesca 2 erreicht werden14.

4.2 Beispiel einer Unterrichtseinheit zum Thema „Analyse der Makrostruktur eines Textes“

Nach sechs Unterrichtsstunden, in denen die theoretischen Prinzipien und die didaktische Anwendung vorgestellt und seitens der Studierenden mit Hilfen von mehreren authentischen Texten erarbeitet wurde, wurde der Studentengruppe15 (akademisches Jahres 2010 /2011) folgende Aufgabestellung gegeben:

„Riassunto“ del testo in base ad analisi macrostrutturale: Osservare la macrostruttura del testo (paratesto e testo circoscritto) e illustrare le aspettative relative al genere di appartenenza e alle funzioni comunicative. Sulla base di tale analisi ipotizzare la tema-tica del testo e farne un piccolo riassunto.

Abbildung 3: Schreibaufgabe

Die Aufgabe lautet auf Deutsch: „Zusammenfassung des Textes aufgrund der der makrostrukturellen Analyse. Beobachten Sie die Makrostruktur des Textes (Pa-ratext und Kerntext) und illustrieren Sie Ihre Erwartungen bezüglich a) Textsor-te; b) kommunikativer Funktionen. Nach der Analyse machen Sie Hypothesen über das Thema und versuchen Sie eine kurze Zusammenfassung darzustellen“ (vgl. Abbildung 4). Die Studenten konnten entweder die Aufgabe auf Deutsch oder auf Italienisch lösen. Es wurde ihnen auch mitgeteilt, dass die Normkonformheit nicht Objekt der Bewertung sein würde, sondern nur das Erreichen der kommunikativen Funktion.

14 Das erzielte Niveau sollte theoretisch für alle Fertigkeiten erreicht werden, auch wenn

in der Unterrichtspraxis die rezeptiven Fertigkeiten stark in dem Vordergrund stehen. 15 Die Studentengruppe war wie folgt charakterisiert: 18 Studenten, davon fünf Nullan-

fänger; sechs Anfänger (A1); sieben Fortgeschrittene (A2/B1). Die Niveaus sind laut Europäischer Referenzrahmen (vgl. <http://www.goethe.de/Z/50/commeuro/i3.htm>).

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282 Carolina Flinz

Abbildung 4: Online-Anzeige „Ferienhaus“ Quelle: <http://www.fewo-direkt.de/ferienwohnung-ferienhaus/p63583>

Wie man aus den folgenden Diagrammen entnehmen kann, können die Aufga-benergebnisse insgesamt als positiv beurteilt werden. 1) Alle Studierende haben die Textsorte richtig zugewiesen und haben sowohl

die paratextuellen Elemente als auch die anderen vorhandenen Bildarten de-tailliert beschrieben. Die Bilder wurden in 60% der Fälle adäquat erklärt und

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Makrostrukturelle Analyse 283

mit der korrekten Funktion korreliert; Tabellen und Logos wurden in 80% entschlüsselt. Problemfälle16 waren nur in der Aufteilung der Abschnitte, die nur in 40% der Fälle erläutert wurde.

Legende: Erreichte Punktzahl Aufgabe 1 maximale Punktzahl A Textsorte (Funktionen, Erwartungen) G Paratext (Titel, Unter- 2 mittlere Punktzahl B Bilder (Beschreibung, Funktionen) titel, Funktionen) 3 niedrige Punktzahl C Tabelle (Funktionen) H Aufteilung in Ab- D Logos schnitte (Hypothesen) E Diagramme I Zusammenfassung F Andere Bildarten

Abbildung 5: Aufgabenergebnisse der Null-Anfänger

2) Die Anfänger haben die Textsorte korrekt identifiziert, den Paratext und die Bildarten richtig beschrieben und eine entsprechende Zusammenfassung ab-gefasst. Problemfälle waren a) die Ermittlung des Logos; b) die Erkennung der Bilderfunktion; c) die Aufteilung in Abschnitte und d) die Zusammenfas-sung.

16 In allen drei Studentengruppen waren die Problemfälle nicht direkt mit der Aufgaben-

art und -lösung verbunden, sondern sie können mit anderen Gründen, wie Stress, Oberflächlichkeit in Verbindung gesetzt werden. In fast allen Fällen ist die ganze Aufgabe oder ein Teil davon übersprungen worden.

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284 Carolina Flinz

Abbildung 6: Aufgabenergebnisse der Anfängergruppe

3) Die Fortgeschrittene haben fast ausschließlich die Aufgabe auf Deutsch ge-löst und haben sie mit der höchsten Punktzahl gelöst. Problemfälle waren a) die Beschreibung der Bilder und b) die Aufteilung in Abschnitte.

Abbildung 7: Aufgabenergebnisse der Fortgeschrittenengruppe

Daraus kann ich die Schlussfolgerung ziehen, dass die makrostrukturelle Analy-se dieser Textsorte für den Fremdsprachenunterricht, insbesondere für die Unter-richtssituation an der Fakultät „Tourismus“ (vgl. §4.1) und den dort geltenden Unterrichtszielen geeignet ist. Die Merkmale der Textsorte „Unterkunftsbe-schreibung“ sind den Studierenden aufgrund von Parallelen mit dem italieni-schen Muster vertraut. Der Umgang mit dieser Textsorte ist nah an ihrer Lebens-erfahrung und zukünftigen Arbeitswelt.

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Makrostrukturelle Analyse 285

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