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Seite 6 Ausgabe 4/2010 Blaue Chips Neulich beim Einkaufen in der Le- bensmittel-Abteilung eines großen Kaufhauses fiel mein Blick auf einen ungewöhnlichen, neuen Artikel. Im Regal mit den Knabberartikeln standen Tüten mit blauen und roten Kartoffelchips. Laut Zutatenliste sind sie aus blauen Kartoffeln so- wie roten Süßkartoffeln hergestellt. Natürlich habe ich direkt eine Pa- ckung gekauft. Nicht nur, weil diese Chips lustig aussehen und ich wis- sen wollte, wie sie schmecken. Son- dern auch, weil sie ein hochaktuel- les Thema in der Ernährungswis- senschaft beinhalten: sekundäre Pflanzenstoffe nämlich. „Sekundä- re was...?“ So die Reaktion meiner Freundin, als ich ihr von meinem Einkauf erzählte. Tatsächlich kann heutzutage fast jeder etwas mit den Begriffen „Vita- mine“, „Mineralstoffe“ oder „Spu- renelemente“ anfangen. Sekundäre Pflanzenstoffe (SPS) dagegen ken- nen nur wenige. Dabei kommen sie in allen pflanzlichen Lebens- mitteln vor. Bekanntester Vertreter ist das Beta- Carotin aus Möhren und gelb-fleischigem Obst. Lycopin, ebenfalls ein SPS und zwar aus To- maten, haben Sie vielleicht auch schon einmal ge- hört. Oder Quer- cetin, welches in Zwiebeln vor- kommt. Der blaue Farbstoff in den Kar- toffeln gehört übrigens zur Gruppe der Anthocyane. Insgesamt ha- ben Forscher bis- lang rund 30.000 verschiedene sekundäre Pflanzen- stoffe entdeckt. Wahrscheinlich gibt es noch eine ganze Menge mehr. Den Pflanzen dienen diese Verbin- dungen als UV-Schutz (Farbstoffe), als Schutzstoffe gegen Schädlinge oder zur Festigung. Und auch für uns Menschen scheinen sie eine Reihe segensreiche Eigenschaften mitzubringen. So ha- ben Studien gezeigt, dass nach dem Verzehr eines Tellers Zwiebelsuppe die Zusammenballung der Blut- plättchen so sehr gemindert wird, dass man von einer ech- ten Senkung des Thromboserisikos sprechen kann. Darü- ber hinaus scheint das Quercetin aus Zwiebeln blutdrucksenkend zu wir- ken. Den gleichen Effekt ha- ben auch die Flavanole aus dunkler Schokolade. Eben diese Flavanole erhöhen au- ßerdem die Geschmeidigkeit der Haut – um ein sichtbares Ergebnis zu erzielen, müsste man allerdings jeden Tag ei- ne ganze Tafel Bitter-Schoko- lade essen… Dann doch lieber grünen Tee: Wer drei oder mehr Tassen pro Tag trinkt, der senkt sein Schlaganfallrisiko um 20 Prozent. Und auch vor verschie- denen Krebser- krankungen scheinen SPS zu schützen. In Rat- tenversuchen wurden zumin- dest weniger Krebsvorstufen im Darm gefunden, wenn die Tiere regel- mäßig naturtrüben Ap- felmost bekamen. Interessant bei der ganzen Sache ist, dass nur ein sehr geringer Teil der, mit der Nahrung aufgenomme- nen, SPS tatsächlich im Blut auf- taucht. Unser Körper betrachtet die SPS nämlich offensichtlich als Fremdstoffe und ist bemüht, sie so schnell wie möglich wieder los zu werden. Und zwar, in dem er sie umbaut und rasch ausscheidet. Doch genau dies scheint der Schlüs- sel zum Erfolg zu sein: SPS wirken quasi wie eine Art Impfung. Der Körper wird durch sie angeregt, die Immunabwehr hoch zu fahren und immer genügend Abwehr- stoffe bereit zu halten. Insofern ist es dann auch wieder logisch, dass eine Überdosis SPS (bei- spielsweise in Form von Tabletten) ins Gegenteil umschlagen kann. Rau- cher, die Beta-Carotin in hohen Dosen zu sich neh- men, haben ein erhöhtes Krebsrisiko. Und es gibt einzelne Menschen, die auf hohe Dosen an Phy- tosterinen (diese wer- den Margarine zuge- setzt, um den Choleste- rinspiegel zu senken) mit Arteriosklerose reagieren. Wenn Sie also gefahr- los in den Genuss der gesunden Ei- genschaften der SPS kommen möchten, dann verwenden Sie fri- sche, unverarbeitete Lebensmittel. Auf diese Weise können Sie nichts überdosieren. Essen Sie Obst und Gemüse möglichst ungeschält, denn der Großteil der SPS sitzt in der Schale. Und kaufen Sie Farbe: blaue, violette, rote, orange oder gelbe Früchte strotzen nicht nur vor Vitaminen, sondern auch vor se- kundären Pflanzenstoffen. Für die Verarbeitung gilt: SPS mögen in der Regel keine Hitze und kein Licht. Die Lebensmittel also nicht lange ange- schnitten rumliegen lassen und nur kurz und schonend garen. Die blauen und roten Kartoffel- chips (Foto) sind übrigens eine nette Alternative zu herkömmlichen Chips. Sie sind etwas dicker, haben einen zum Teil süßlichen Eigengeschmack und eignen sich gut zum Dippen in Kräuterquark. Alexa Iwan: Neulich… Alexa Iwan ist Fernsehmoderatorin, Buchautorin und Er- nährungswissenschaftlerin. Foto: Mans Seit Jahrzehnten tun Eltern es. Sie füttern ihre Kinder – direkt aus dem Gläschen, was gerade unter- wegs praktisch sein kann. Den Kleinen schmeckt es. Doch das sol- len junge Väter und Mütter lassen – sagt die IG-kikra, die Interessen- gemeinschaft freiberuicher Kin- derkrankenschwestern. Mechthild Hoehl von der IG-ki- kra mahnt, dass schwer abzu- schätzen sei, wie viel kleine Kinder schaen. Werde das ganze Gläs- chen erwärmt, müsse deshalb möglicherweise viel weggeworfen werden. Das Umfüllen habe au- ßerdem einen weiteren Vorteil: Das Kind gewöhne sich schneller daran, von einem Teller zu essen, so die Kinderkrankenschwester. Nicht aus Gläschen füttern Hagebutten-Samen raus Wer frische Hagebutten verar- beiten will, sollte nicht nur Blüten- ansatz und Stiele entfernen. Auch die Samen im Inneren der Frucht- kapsel gehören herausgenom- men. Denn sie reizen Haut und Schleimhäute und sind nicht zum rohen Verzehr geeignet. Um sich diese Arbeit zu erspa- ren, kann man die rundlichen Früchte auch in Wasser weich ga- ren und sie durch ein Passiersieb streichen. Hagebutten sind von September an reif. Sie können ge- erntet werden, wenn ihre Schale auf leichten Fingerdruck etwas nachgibt. Hagebuttenmark verfei- nert pikante und süße Soßen zu Fleisch- und Schmorgerichten, Ge- bäck oder Nachspeisen. aid

Man ist, was man isst Nr. 5

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Kolumne zu den den neuen DGE-Leitlinien für die Zufuhr von Kohlenhydraten

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Page 1: Man ist, was man isst Nr. 5

Seite 6 Ausgabe 4/2010

Blaue ChipsNeulich beim Einkaufen in der Le-

bensmittel-Abteilung eines großenKaufhauses fiel mein Blick auf einenungewöhnlichen, neuen Artikel. ImRegal mit den Knabberartikelnstanden Tüten mit blauen und rotenKartoffelchips. Laut Zutatenlistesind sie aus blauen Kartoffeln so-wie roten Süßkartoffeln hergestellt.

Natürlich habe ich direkt eine Pa-ckung gekauft. Nicht nur, weil dieseChips lustig aussehen und ich wis-sen wollte, wie sie schmecken. Son-dern auch, weil sie ein hochaktuel-les Thema in der Ernährungswis-senschaft beinhalten: sekundärePflanzenstoffe nämlich. „Sekundä-re was...?“ So die Reaktion meinerFreundin, als ich ihr von meinemEinkauf erzählte.

Tatsächlich kann heutzutage fastjeder etwas mit den Begriffen „Vita-mine“, „Mineralstoffe“ oder „Spu-renelemente“ anfangen. SekundärePflanzenstoffe (SPS) dagegen ken-nen nur wenige. Dabei kommen siein allen pflanzlichen Lebens-mitteln vor. BekanntesterVertreter ist das Beta-Carotin aus Möhrenund gelb-fleischigemObst. Lycopin,ebenfalls ein SPSund zwar aus To-maten, haben Sievielleicht auchschon einmal ge-hört. Oder Quer-cetin, welches inZwiebeln vor-kommt. Der blaueFarbstoff in den Kar-toffeln gehört übrigenszur Gruppe derAnthocyane.

Insgesamt ha-ben Forscher bis-lang rund 30.000verschiedene sekundäre Pflanzen-stoffe entdeckt. Wahrscheinlich gibtes noch eine ganze Menge mehr.Den Pflanzen dienen diese Verbin-

dungen als UV-Schutz (Farbstoffe),als Schutzstoffe gegen Schädlingeoder zur Festigung.

Und auch für uns Menschenscheinen sie eine Reihe segensreicheEigenschaften mitzubringen. So ha-ben Studien gezeigt, dass nach demVerzehr eines Tellers Zwiebelsuppedie Zusammenballung der Blut-plättchen so sehr gemindert wird,dass man von einer ech-ten Senkung desTh rombose r i s i kossprechen kann. Darü-ber hinaus scheint dasQuercetin aus Zwiebelnblutdrucksenkend zu wir-ken.

Den gleichen Effekt ha-ben auch die Flavanole ausdunkler Schokolade. Ebendiese Flavanole erhöhen au-ßerdem die Geschmeidigkeitder Haut – um ein sichtbaresErgebnis zu erzielen, müssteman allerdings jeden Tag ei-ne ganze Tafel Bitter-Schoko-lade essen…

Dann doch lieber grünenTee: Wer drei oder mehr

Tassen pro Tagtrinkt, der senkt sein

Schlaganfallrisiko um20 Prozent. Undauch vor verschie-denen Krebser-k r a n k u n g e nscheinen SPS zuschützen. In Rat-t e n v e r s u c h e nwurden zumin-dest weniger

Krebsvorstufen imDarm gefunden,

wenn die Tiere regel-mäßig naturtrüben Ap-

felmost bekamen.Interessant bei

der ganzen Sacheist, dass nur einsehr geringer Teil

der, mit der Nahrung aufgenomme-nen, SPS tatsächlich im Blut auf-taucht. Unser Körper betrachtet dieSPS nämlich offensichtlich als

Fremdstoffe und ist bemüht, sie soschnell wie möglich wieder los zuwerden. Und zwar, in dem er sieumbaut und rasch ausscheidet.Doch genau dies scheint der Schlüs-sel zum Erfolg zu sein: SPS wirkenquasi wie eine Art Impfung. DerKörper wird durch sie angeregt, dieImmunabwehr hoch zu fahren und

immer genügend Abwehr-stoffe bereit zu halten.

Insofern ist es dannauch wieder logisch, dasseine Überdosis SPS (bei-spielsweise in Form vonTabletten) ins Gegenteilumschlagen kann. Rau-cher, die Beta-Carotin inhohen Dosen zu sich neh-men, haben ein erhöhtesKrebsrisiko. Und es gibteinzelne Menschen, dieauf hohe Dosen an Phy-tosterinen (diese wer-den Margarine zuge-setzt, um den Choleste-

rinspiegel zu senken)mit Arteriosklerosereagieren.

Wenn Sie also gefahr-los in den Genuss der gesunden Ei-genschaften der SPS kommenmöchten, dann verwenden Sie fri-sche, unverarbeitete Lebensmittel.Auf diese Weise können Sie nichtsüberdosieren. Essen Sie Obst undGemüse möglichst ungeschält, dennder Großteil der SPS sitzt in derSchale. Und kaufen Sie Farbe:blaue, violette, rote, orange odergelbe Früchte strotzen nicht nur vorVitaminen, sondern auch vor se-kundären Pflanzenstoffen. Für dieVerarbeitung gilt: SPS mögen in derRegel keine Hitze und kein Licht. DieLebensmittel also nicht lange ange-schnitten rumliegen lassen und nurkurz und schonend garen.

Die blauen und roten Kartoffel-chips (Foto) sind übrigens eine netteAlternative zu herkömmlichen Chips.Sie sind etwas dicker, haben einenzum Teil süßlichen Eigengeschmackund eignen sich gut zum Dippen inKräuterquark.

Alexa Iwan: Neulich…

Alexa Iwan ist Fernsehmoderatorin, Buchautorin und Er-nährungswissenschaftlerin. Foto: Mans

Seit Jahrzehnten tun Eltern es.Sie füttern ihre Kinder – direkt ausdem Gläschen, was gerade unter-wegs praktisch sein kann. DenKleinen schmeckt es. Doch das sol-len junge Väter und Mütter lassen– sagt die IG-kikra, die Interessen-gemeinschaft freiberu!icher Kin-derkrankenschwestern.

Mechthild Hoehl von der IG-ki-

kra mahnt, dass schwer abzu-schätzen sei, wie viel kleine Kinderscha"en. Werde das ganze Gläs-chen erwärmt, müsse deshalbmöglicherweise viel weggeworfenwerden. Das Umfüllen habe au-ßerdem einen weiteren Vorteil:Das Kind gewöhne sich schnellerdaran, von einem Teller zu essen,so die Kinderkrankenschwester.

Nicht aus Gläschen füttern Hagebutten-Samen rausWer frische Hagebutten verar-

beiten will, sollte nicht nur Blüten-ansatz und Stiele entfernen. Auchdie Samen im Inneren der Frucht-kapsel gehören herausgenom-men. Denn sie reizen Haut undSchleimhäute und sind nicht zumrohen Verzehr geeignet.

Um sich diese Arbeit zu erspa-ren, kann man die rundlichen

Früchte auch in Wasser weich ga-ren und sie durch ein Passiersiebstreichen. Hagebutten sind vonSeptember an reif. Sie können ge-erntet werden, wenn ihre Schaleauf leichten Fingerdruck etwasnachgibt. Hagebuttenmark verfei-nert pikante und süße Soßen zuFleisch- und Schmorgerichten, Ge-bäck oder Nachspeisen. aid