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TREFFPUNKT FORSCHUNG | 306 | © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 306 – 307 RAUMLUFT | Teamwork für saubere Luft Zimmerpflanzen können zahlreiche Schadstoffe aus der Luft entgiften. Eine neue Studie zeigt jetzt, dass dies mit bestimmten Bakterien auf den Blättern noch besser funktioniert. Möbel, Fußbodenbeläge, Bürogeräte und Farben können die unterschied- lichsten Stoffe wie Formaldehyd, Ben- zol oder Toluol in unsere Zimmerluft freisetzen. Schon seit längerem ist bekannt, dass Pflanzen viele dieser Substanzen abbauen können. Sie nehmen sie zusam- men mit dem zur Pho- tosynthese benö- tigten Kohlendio- xid über die Blätter auf und schleusen sie dann in den Stoff- wechsel ein. Der Abbau erfolgt allerdings nur relativ langsam, und es wäre schon ein kleiner Dschungel nötig, um etwa in einem Büro den Schadstoffgehalt der Luft wirkungsvoll zu erniedrigen. Untersuchungen mit Zimmer- Azaleen (Azalea indica) und Toluol belegen nun, dass Bakterien, die auf die Blattoberflächen gesprüht wer- den und sich an der Entgiftung betei- ligen, eine praktikable Lösung für dieses Problem liefern könnten [1]. Pseudomonas putida-Bakterien syn- thetisieren das Enzym Toluoldioxyge- nase und sind daher in der Lage,To- luol als Kohlenstoff- und Energiequel- le zu verwerten. Interessanterweise lassen sich die Mikroorganismen pro- blemlos auf Blättern ansiedeln und können Pflanzen dabei unterstützen, Toluol aus der Luft zu entfernen. In Testkammern mit einer Toluol- konzentration von 90 ppmv (339 mg m 3 ) bauten Azaleen mit auf- gesprühten P. putida-Bakterien den Stoff sechsmal schneller ab als Kon- trollpflanzen ohne Bakterien. Außer- dem zeigte sich, dass die Mikroben unbedingt das von den Pflanzen geschaffene Milieu benötigen, um zu überleben. Bakterien, die auf Kunst- pflanzen gesprüht wurden, starben bereits nach kurzer Zeit ab. Ohne mühsames Blumengießen und Um- topfen wird man sein Raumklima folglich auch in Zukunft nicht verbes- sern können. Die Toluol verwertenden P. puti- da-Bakterien sind nur ein Bei- spiel. Man kennt mittler- weile zahlreiche Mikroorganismen, die in der Lage sind, verschiedens- te gesundheitsge- fährdende Substanzen abzubauen. Zimmerpflanzen könnten daher möglicher- weise schon bald mit einer geeig- neten Mischung unterschiedlicher Bakterien ausgerüstet werden, die gegen die häufigsten Luftschadstoffe in Innenräumen vorgehen. [1] L. De Kempeneer et al.: „Bioaugmentation of the phyllosphere for the removal of toluene from indoor air“ Appl. Microbiol. Biotechnol. 2004, 64, 284–288. Petra Jacoby, Wittlich Die Flaggschiffe dieser Biotech-Revo- lution sind große Institute mit jeweils mehr als 400 Forschern, oft auch mit Produktionsanlagen, meist in den westlichen Vorstädten von Havanna gelegen [1]. Hier soll jedoch eines der kleineren Institute in dieser Nachbarschaft vorgestellt werden, das Zentrum für Pharmazeutische Chemie (Centro de Química Far- macéutica, CQF). Das Forschungszentrum, das in diesem Frühjahr seinen 15. Geburts- tag mit einem internationalen Kon- gress feierte, ist der Entwicklung neuartiger Medikamente und Nutra- ceuticals gewidmet. Dabei dienen den 66 Forschern, die unter Leitung des Institutsdirektors Alberto Núñez Sellés in einem ehemaligen Kloster in fast schon ländlicher Umgebung ar- beiten, vor allem die Naturstoffe aus der reichen Artenvielfalt der Karibik- insel als Ausgangspunkt, obwohl auch vollkommen synthetische Pro- jekte ausgeführt werden. Das bereits am weitesten verbrei- tete Produkt, das dort entwickelt wurde, ist ein Antioxidantien-Präparat aus der Rinde bestimmter Arten des Mangobaums (Mangifera indica). Vimang (R) enthält eine Vielfalt von Naturstoffen, darunter Polyphenole (Mangiferin, Catechin),Terpenoide, Zucker, Polyalkohole, Fettsäuren und Spurenelemente. Neben seiner Wirkung gegen reaktive Sauerstoff- spezies – von der sich viele Benutzer von Antioxidantien eine Bremsung der Alterungsprozesse versprechen – hat es auch klinisch erprobte entzün- dungshemmende und analgetische (schmerzstillende) Wirkung [2]. Weitere klinische Studien belegten, dass das Präparat bei HIV-infizierten Patienten -- die aufgrund des Verlusts bestimmter Blutzellen unter den Folgeerscheinungen des oxidativen Stress leiden -- die Lebensqualität und das allgemeine Wohlbefinden ver- bessert und zum Beispiel die übliche Appetitlosigkeit verhindert [3]. Vimang ist in verschiedenen Formen (Hautcreme,Tabletten) in mehreren lateinamerikanischen Ländern bereits erhältlich. Abb. Zimmer- pflanzen können Schadstoffe aus der Luft abbauen – am wirksam- sten gelingt dies mit der Hilfe von Bakterien. BIOTECHNOLOGIE IN KUBA | Mangomittel ge- gen Altern und Aids In den letzten 20 Jahren hat Kuba massiv in den Aufbau einer eige- nen Biotechnologie-Forschung und -Industrie investiert. Mittler- weile zeichnen sich erste Erfolge ab, darunter ein bahnbrechender neuer Impfstoff und eine indus- trielle Produktion von Pharma- proteinen, die bereits in mehrere Länder exportiert werden.

Mangomittel gegen Altern und Aids

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

306 | © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 306 – 307

R AU M LU F T |Teamwork für saubere LuftZimmerpflanzen können zahlreiche Schadstoffe aus der Luft entgiften.Eine neue Studie zeigt jetzt, dass dies mit bestimmten Bakterien auf denBlättern noch besser funktioniert.

Möbel, Fußbodenbeläge, Bürogeräteund Farben können die unterschied-lichsten Stoffe wie Formaldehyd, Ben-zol oder Toluol in unsere Zimmerluftfreisetzen. Schon seit längerem ist bekannt, dass Pflanzen viele dieserSubstanzen abbauen können.Sie nehmen sie zusam-men mit dem zur Pho-tosynthese benö-tigten Kohlendio-xid über die Blätterauf und schleusensie dann in den Stoff-wechsel ein. Der Abbauerfolgt allerdings nur relativ langsam, und eswäre schon ein kleinerDschungel nötig, um etwa in einemBüro den Schadstoffgehalt der Luftwirkungsvoll zu erniedrigen.

Untersuchungen mit Zimmer-Azaleen (Azalea indica) und Toluolbelegen nun, dass Bakterien, die aufdie Blattoberflächen gesprüht wer-den und sich an der Entgiftung betei-ligen, eine praktikable Lösung für dieses Problem liefern könnten [1].Pseudomonas putida-Bakterien syn-thetisieren das Enzym Toluoldioxyge-nase und sind daher in der Lage,To-luol als Kohlenstoff- und Energiequel-le zu verwerten. Interessanterweiselassen sich die Mikroorganismen pro-blemlos auf Blättern ansiedeln undkönnen Pflanzen dabei unterstützen,Toluol aus der Luft zu entfernen.

In Testkammern mit einer Toluol-konzentration von 90 ppmv (339 mg m−3) bauten Azaleen mit auf-gesprühten P. putida-Bakterien denStoff sechsmal schneller ab als Kon-trollpflanzen ohne Bakterien.Außer-dem zeigte sich, dass die Mikrobenunbedingt das von den Pflanzen geschaffene Milieu benötigen, um zuüberleben. Bakterien, die auf Kunst-pflanzen gesprüht wurden, starben

bereits nach kurzer Zeit ab. Ohnemühsames Blumengießen und Um-topfen wird man sein Raumklimafolglich auch in Zukunft nicht verbes-sern können.

Die Toluol verwertenden P. puti-da-Bakterien sind nur ein Bei-

spiel. Man kennt mittler-weile zahlreiche

Mikroorganismen,die in der Lagesind, verschiedens-

te gesundheitsge-fährdende Substanzen

abzubauen. Zimmerpflanzenkönnten daher möglicher-

weise schon bald mit einer geeig-neten Mischung unterschiedlicherBakterien ausgerüstet werden, die gegen die häufigsten Luftschadstoffein Innenräumen vorgehen.

[1] L. De Kempeneer et al.: „Bioaugmentationof the phyllosphere for the removal of toluene from indoor air“ Appl. Microbiol.Biotechnol. 22000044, 64, 284–288.

Petra Jacoby, Wittlich

Die Flaggschiffe dieser Biotech-Revo-lution sind große Institute mit jeweilsmehr als 400 Forschern, oft auch mitProduktionsanlagen, meist in denwestlichen Vorstädten von Havannagelegen [1]. Hier soll jedoch einesder kleineren Institute in dieserNachbarschaft vorgestellt werden,das Zentrum für PharmazeutischeChemie (Centro de Química Far-macéutica, CQF).

Das Forschungszentrum, das indiesem Frühjahr seinen 15. Geburts-tag mit einem internationalen Kon-gress feierte, ist der Entwicklungneuartiger Medikamente und Nutra-ceuticals gewidmet. Dabei dienenden 66 Forschern, die unter Leitungdes Institutsdirektors Alberto NúñezSellés in einem ehemaligen Kloster infast schon ländlicher Umgebung ar-beiten, vor allem die Naturstoffe ausder reichen Artenvielfalt der Karibik-insel als Ausgangspunkt, obwohlauch vollkommen synthetische Pro-jekte ausgeführt werden.

Das bereits am weitesten verbrei-tete Produkt, das dort entwickeltwurde, ist ein Antioxidantien-Präparataus der Rinde bestimmter Arten desMangobaums (Mangifera indica).Vimang (R) enthält eine Vielfalt vonNaturstoffen, darunter Polyphenole(Mangiferin, Catechin),Terpenoide,Zucker, Polyalkohole, Fettsäuren undSpurenelemente. Neben seiner Wirkung gegen reaktive Sauerstoff-spezies – von der sich viele Benutzervon Antioxidantien eine Bremsungder Alterungsprozesse versprechen –hat es auch klinisch erprobte entzün-dungshemmende und analgetische(schmerzstillende) Wirkung [2].Weitere klinische Studien belegten,dass das Präparat bei HIV-infiziertenPatienten -- die aufgrund des Verlustsbestimmter Blutzellen unter den Folgeerscheinungen des oxidativenStress leiden -- die Lebensqualität unddas allgemeine Wohlbefinden ver-bessert und zum Beispiel die übliche Appetitlosigkeit verhindert [3].Vimang ist in verschiedenen Formen(Hautcreme,Tabletten) in mehrerenlateinamerikanischen Ländern bereitserhältlich.

Abb. Zimmer-pflanzen könnenSchadstoffe ausder Luft abbauen– am wirksam-sten gelingt diesmit der Hilfe vonBakterien.

B I OT EC H N O LO G I E I N KU BA |Mangomittel ge-gen Altern und Aids

In den letzten 20 Jahren hat Kubamassiv in den Aufbau einer eige-nen Biotechnologie-Forschungund -Industrie investiert. Mittler-weile zeichnen sich erste Erfolgeab, darunter ein bahnbrechenderneuer Impfstoff und eine indus-trielle Produktion von Pharma-proteinen, die bereits in mehrereLänder exportiert werden.

| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Chem. Unserer Zeit, 2004, 38, 306 – 307 www.chiuz.de © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 307

Unter den weiteren Produktendes Instituts findet sich auch ein kol-loidales Bismut-Präparat gegen Ma-gengeschwüre (Q-Ulcer), ein Rheu-mamittel (Ribofen), ein Medikamentgegen Bluthochdruck (Loram), sowieveterinärmedizinische Präparate.

Ebenso wie allen anderen For-schern auf der Insel macht den Mitar-beitern des CQF das Wirtschaftsem-bargo der USA das Leben schwer. Ins-besondere die Gerätebeschaffungund der Informationsaustausch sindmühsam. (Die Website des Instituts,http://www.sld.cu/instituciones/cqf/,und alle anderen kubanischen Inter-net-Adressen besucht man angesichtsder unzureichenden Übertragungska-pazität zwischen Kuba und dem Restder Welt, am besten vormittags, wenndie Insel noch schläft.) Es bestehenaber gute Kontakte und Kollaboratio-nen mit mehreren europäischen Uni-versitäten, und die bereits existieren-de Produktpalette bringt hier -- eben-so wie bei den größeren Instituten in der Nachbarschaft -- bereits ersteGewinne ein.

[1] M Groß, Nachr. Chem. 22000044, 52, 812-814.[2] G. Garrido et al., Phytother. Res. 22000011, 15,

18-21.[3] L.G. del Valle, G.M. Sanchez, I.G. Blanco, A.

Tarinas, A. Alvarez, R. Molina, M. Robaina,R. Tapanes, J.P. Avila, M. Guevara, A.N. Selles, O.S. Leon, „Effects of Vimang (R) onoxidative stress and marker of disease pro-gression in HIV/AIDS patients“, Free RadicalResearch, 22000022, 36: 107-109 Suppl. S.

Michael Großwww.michaelgross.co.uk

H i B |Ein spektakulärer Erfolg gelang an derUniversität Havanna der Arbeitsgruppevon Vincente Verez mit der Entwicklungdes ersten vollsynthetischen Impfstoffsgegen Haemophilus influenzae B (HiB),den Erreger der Hirnhauentzündung.Dabei handelt es sich um ein Konjugataus einem Peptid und einem Poly-saccharid, das bereits klinische Studiendurchlaufen hat. Science, 22000044, 305,522–525.

B I O C H E M I E |

Dieser besteht aus dem in die Orga-nellmembran eingebetteten H+-leiten-den Fo-Komplex (aus > 12 Monome-ren), der seinerseits mit der periphe-ren ATP-Bildung aus ADP und Pa wäh-rend des e--Fluxes katalysierenden,F1-Untereinheit verkoppelt ist. F1

besteht aus einer zentralen γ-Unter-einheit als Achse mit einem deckeln-den δ-Kollektorprotein und drei dar-um angeordneten αβ-Dimeren. α ent-hält den aus zwei, vertikal in „Zu“-und „Auf“-Stellung übereinander ver-schiebbaren Teilröhren zusammenge-setzten Ionenkanal zu den c-Unter-einheiten von Fo. β ist der Substrat-Binde- und Reaktionsort. Der Statorbesteht aus b2- Untereinheit von Fo

und Protein δ von F1. Der Mechanis-mus wird als „Rotations-Bindungsän-derung“ beschrieben [1]. Die Substra-te ADP und Pa lagern sich in die offe-ne Bindestelle von β; dann dreht sichdas Ensemble um 120°, drückt durchKonformationsänderung die Partnerzunächst locker, und bei weitererDrittelkreisdrehung fest zusammen,sodass durch OrbitalüberlappungH2O ausgepresst und ATP freigelas-sen wird. Synchron wird der Proto-nenkanal durchgängig, sodass einge-bundene H+ von den c-Unterein-heiten von Fo zurückfließen könnenund das Rotor-Ensemble ruckweiserund treiben. Der Gesamtvorgang istreversibel und wird durch ATP-Hydrolyse umgekehrt.

Aber in welcher Drehrichtungwirken Synthese und Spaltung?Zwei Arbeitsgruppen können die Frage beantworten [2,3]. Die einenbenutzten Magnetkörnchen, die anF1γ befestigt waren und trieben denMotor durch ein Magnetfeld, die an-deren Fluoreszenz-Resonanzenergie-transfer, um die Entfernung zweierSonden zwischen Stator-Fob und

Rotor-F1γ zu verfolgen, die sich beider Drehung um jeweils 120°, dembeschriebenen zyklischen Katalyse-mechanismus entsprechend, ändert.

Beide finden übereinstimmendbei ATP-Synthese Rechtsrotation – an-zunehmen, bei Spaltung Linksrota-tion. Das ist beim chemotaktisch,nicht durch Protonenflux, kontrollier-ten Flagellenmotor der Bakterien, derin gewissem Grad analog, aber kom-plizierter konstruiert ist, durch eineArt Ganggetriebe geregelt.

[1] P. D. Boyer, R. L. Cross, W. Momsen, Proc.Natl. Acad. Sci. USA 70 11997733, 2837–2839.

[2] H. Itho, A. Takahashi, K. Adachi, H. Noji, R. Yasuda, M. Yoshia & K. Kinoshita Jr, Nature 22000044,, 427, 465–468.

[3] M. Diez, B. Zimmermann, M. Börsch, M. König, E. Schweinberger, S. Steigmüller,R. Reuter, S. Felekyan, V. Kundryatsev, C. A. Seidel & P. Gräber, Nature Struct. Mol.Biol. 22000044, 11, 135–141.

Lothar Jaenicke, Köln

Die ATP-Synthase dreht sich im UhrzeigersinnDie ATP-Synthase der aeroben und photosynthetischen Energiespeiche-rung ist der kleinste natürliche Rotationsmotor.

Abb. Modell der ATP-Synthase

Weitere Informa-tionen über dieATP-Synthase bietet der Aufsatz„Proteine der Photosynthese“ in ChiuZ 4/2003.