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Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

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Manfred Bruhn | Manfred Kirchgeorg | Johannes Meier (Hrsg.)

Marktorientierte Führung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

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Herausgegeben vonManfred Bruhn | Manfred Kirchgeorg | Johannes Meier

Mit Beiträgen vonKlaus Backhaus • Roland Berger • Matthias Bode

Torsten M. Breden • Manfred Bruhn • Christoph Burmann Ernst Buschor • Ursula Hansen • Thomas Hauff

Christian Homburg • Ove Jensen • Christoph Kannengießer Ralf Klein-Bölting • Klaus E. Goehrmann • Manfred KirchgeorgRichard Köhler • Philip Kotler • Jürgen Kluge • Manfred Krafft

Wilhelm Krull • Ulrich Lehner • Hartmut Mehdorn Johannes Meier • Bernd M. Michael • Kathrin M. Möslein Dirk Moosmayer • Detlef Müller-Böling • Max Niederhofer

Hans Raffée • Ralf Reichwald • Guido Sandler • Christian SchneeHelmut Schneider • Wolfgang Schuster • Helmut Sihler Bernadette Spinnen • Volker Then • Berthold Tillmann

Jan-Philipp Weers • Raimund Wildner • Klaus L. Wübbenhorst

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert zum 70. Geburtstag

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Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

2. Auflage 1985

1. Auflage Mai 2007

Alle Rechte vorbehalten© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007

Lektorat: Barbara Roscher | Ute Grünberg

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.gabler.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fürVervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung undVerarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne derWarenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermannbenutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergDruck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, HeusenstammGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-8349-0370-9

Univ.-Professor Dr. Manfred Bruhn ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketingund Unternehmensführung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universität Baselsowie Honorarprofessor an der Technischen Universität München.

Univ.-Professor Dr. Manfred Kirchgeorg ist Inhaber des Lehrstuhls Marketingmanagement an derHHL – Leipzig Graduate School of Management.

Dr. Johannes Meier ist Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.

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Professor Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

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VII

Vorwort

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert vollendet am 10. Mai 2007 sein 70. Lebensjahr. Dies ist ein gebührender Anlass, eine zweite Festschrift zu seinen Ehren zusammenzu-stellen. Bereits zu seinem 60. Geburtstag wurden nahezu dreißig Jahre seines Lebens-werkes mit der Schrift „Marktorientierte Unternehmensführung – Reflexionen – Denkanstöße – Perspektiven“ gewürdigt. Wer Heribert Meffert als akademischen Lehrer und Marketingwissenschaftler, gepaart mit seiner Begeisterungsfähigkeit für neue Forschungsfragen und seinem Gespür für relevante Probleme der Unterneh-menspraxis kennt, den wird es nicht überraschen, dass der Jubilar auch in den ver-gangenen zehn Jahren wieder richtungweisende Akzente in Wissenschaft und Praxis gesetzt hat. Dieses unermüdliche Engagement des Jubilars soll mit dieser Schrift eine besondere Würdigung erfahren.

In Gesprächen mit Heribert Meffert haben wir in den letzten Jahren seine zunehmende Begeisterung für die Erweiterung des Marketings auf neue institutionelle Felder ver-nommen. Gleichzeitig bewegte es ihn in besonderer Weise, den Grundgedanken der marktorientierten Unternehmensführung trotz vermeintlich konkurrierender Konzep-te und einer rasanten Umfelddynamik zukunftsfähig zu gestalten und zu erhalten. Die globale Entwicklung in der Markt- und Makro-Umwelt definiert heute in besonderer Weise neue Anforderungen und Anpassungsnotwendigkeiten. Die marktorientierte Führung kann dabei – ausgehend von Kunden- und Wettbewerbsvorteil – Impulsge-ber und Change Agent sein. Insbesondere hierfür steht auch das Lebenswerk von Heribert Meffert. In dieser schnelllebigen Zeit besteht jedoch gleichsam die Gefahr, dass marktorientierte Führung zu einem reaktiven Ansatz verkümmert. Dies ist der Fall, wenn Kundenorientierung und Innovationskraft nicht mit strategischer Weitsicht der Unternehmensentwicklung gepaart werden. Somit war es uns für die inhaltliche Gestaltung der Festschrift ein Anliegen, die Möglichkeiten wie auch Grenzen der marktorientierten Unternehmensführung in unterschiedlichen situativen und institu-tionellen Kontexten beleuchten zu lassen.

Motiviert durch seine Tätigkeit als Vorsitzender des Vorstandes der Bertelsmann Stif-tung sowie eine Vielzahl von ihm initiierter Veranstaltungen im Kreise der Wissen-schaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V. beschäftigte sich Heribert Meffert in der letzten Dekade mit einem breiten Spektrum an interessan-ten Problemstellungen. Dabei setzte er sich aber nicht nur mit Fragestellungen des „Broadening“ auseinander. Gemäß seiner beliebten Metapher des „Zehnkämpfers“ waren seine Forschungs- und Promotionsprojekte ebenso vertiefend im Kern der

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Vorwort

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marktorientierten Unternehmensführung angesiedelt. Aus der Retrospektive der letz-ten zehn Jahre resultiert, dass es vor allem Ausführungen zum „Deepening“ und „Broadening“ des Marketings sind, die dem betonten Wirken des Jubilars besonders gerecht werden können.

Die Festschrift zum Thema „Marktorientierte Führung im wirtschaftlichen und gesellschaft-lichen Wandel“ vereint somit Autoren, die sich mit der Leistungsfähigkeit der marktori-entierten Unternehmensführung in einem sich wandelnden nationalen und internatio-nalen Kontext auseinandersetzen. Auf der Grundlage des Markt-Lebenszykluskonzeptes können unterschiedliche Märkte und Entwicklungsstadien identifiziert werden, in denen sehr differenzierte Anforderungen an die Ausgestaltung und Umsetzung der marktorientierten Führung gestellt werden. Wissenschaftliche wie auch praxisbezogene Beiträge zu den Herausforderungen des Marketings in unter-schiedlichen Marktstadien sollen im ersten Teil die Leistungsfähigkeit des kommer-ziellen Marketings im wirtschaftlichen Wandel aufzeigen und kritisch würdigen.

Der zweite Teil der Festschrift ist der zunehmenden Bedeutung des „Broadening“ im Marketing gewidmet. Differenziert nach verschiedenen nicht-kommerziellen Instituti-onen, die als Promotoren oder relevante Akteure des gesellschaftlichen Wandels beg-riffen werden können, wird der Beitrag der marktorientierten Führung für diese Insti-tutionen gewürdigt.

An dieser Stelle möchten wir den Autoren dieser Festschrift unseren ganz besonderen Dank aussprechen, dass sie ihre wissenschaftlichen und praxisbezogenen Expertisen für den Jubilar in das Werk eingebracht haben. Dank ihrer Mitwirkung war es über-haupt möglich, eine interessante und so perspektivenreiche Kombination von Beiträ-gen zusammenzustellen.

Die Durchführung der vielfältigen Redaktionsarbeiten konnten wir in die Hände von Frau Nadine Horbas, Frau Mareike Dueber, Frau Verena Batt und Herrn Gunnar Mar-kert legen. Ihnen gebührt ein weiterer Dank.

Die Herausgeber und Autoren würdigen mit dieser Festschrift einen beispiellosen Erfolgspfad des Jubilars. Seine exzellenten fachlichen Expertisen, die er sowohl als akademischer Lehrer wie auch als Sparringpartner der Unternehmensführung man-nigfaltig unter Beweis stellte, sowie sein Gespür für innovative Forschungsfelder kön-nen als Wegbereiter dieses Erfolges verstanden werden. Mit Blick auf diese herausra-genden Leistungen freuen wir uns auf viele weitere Jahre mit dem Jubilar und wün-schen ihm neben Schaffensfreude auch das verdiente Maß an Muße und Gelassenheit.

Manfred Bruhn Manfred Kirchgeorg Johannes Meier

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Geleitwort

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Philip Kotler

Geleitwort

Heribert Meffert is one of the pioneers of European marketing scholarship – a man whose life work merits singular acclaim. Meffert founded Germany's first Institute of Marketing at the University of Münster in 1969. I came to know Heribert personally in 1974 when he made a trip to the USA. We have maintained a lively and productive interaction ever since.

Since the early 1970s, it has been an article of faith for Meffert that marketing is a management philosophy. He has devoted his entire career to deepening and broadening people's understanding of marketing as an academic discipline, penning hundreds of publications in the process. In 2006, the 100th Ph.D. was awarded to a member of the „Meffert School” – telling evidence that Heribert Meffert's seminal ideas have brought forth an abundance of good fruit.

Heribert Meffert has rendered outstanding service not only as a scientist and lecturer, but also as an ambassador who has anchored modern marketing in corporate practice. Because he viewed marketing as a critical management function, he recognized the importance of linking marketing scholars with practitioners—marketing executives and top corporate managers. Thus, and most notably, in 1981 he founded the „Wissenschaftliche Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V.” (Scientific Society for Marketing and Management) as a platform for regular dialogues between practitioners and scholars. In German-speaking Europe Heribert Meffert has been second to none in shaping the evolution of marketing both in corporate practice and in the academic community.

Since retiring from academe, Heribert Meffert has lost none of his creative energy and enthusiasm. Upon leaving his University of Münster professorship, Meffert took on the assignment of Chairman of the Bertelsmann Foundation. The zeal he invested on behalf of the Foundation provides further proof positive of his dedication to the marriage of theory and practice.

Traces of Heribert Meffert’s potent blend of theory and practice appear repeatedly in the articles in this commemorative publication. Leading academics and practitioners have joined to consider the changing face of marketing in both the commercial and non-profit realms. Globalization, a growing commitment to creating shareholder value, new communication technologies (such as the Internet, digital television, personal digital assistants, and the cellular phone) and ever shorter innovation cycles

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Geleitwort von Philip Kotler

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confront today's marketing managers with huge new challenges. In the fast-moving age in which we live, it is increasingly important to remain focused on one's customers – to understand them, to share in their lives in a very literal sense. This understanding, of course, is at the very root of marketing doctrine. At the same time, however, it is equally vital never to lose sight of the value that marketing can add in terms of tangible profitability. It is precisely this tension between entrepreneurial and financial constraints on the one hand and the demands and wants of customers on the other that presents such tremendous challenges to marketing today – and that underscore the need for viable marketing strategies in the future.

The non-profit sector of our society is also experiencing radical change on many levels. The most successful non-profits have learned that marketing must be a key strategic focus. Part Two of this Festschrift is devoted to marketing in the context of non-profit organizations. The articles in this section provide revealing insights into the strategic management of foundations, universities, public authorities and political parties, even touching on aspects of marketing in ecclesiastical settings.

The spectrum of articles compiled in this commemorative publication reflects significant stations in the life and career of Heribert Meffert. I have the greatest respect for this man, and for the contributions he has made to the field of marketing and business. I wish him many, many more years of creative endeavor and recreational enjoyment.

Philip Kotler Professor of International Marketing at the Kellogg School of Management of Northwestern University

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Geleitwort

XI

Klaus E. Goehrmann

Geleitwort

Die Entwicklungsdynamik in heimischen und insbesondere Weltmärkten führt zu neuen aktiven (Impuls- und Taktgeber-Funktionen) und re-aktiven (Assimilierungs- und Turn-around-Prozesse) Anforderungen an eine marktorientierte Führung. Füh-rungsphilosophie und Führungsfunktionen müssen den sich ändernden Situationen dynamisch und flexibel gerecht werden, mit sich ständig steigernder Professionalität, in sich ständig veränderndem Kontext, mit immer weniger konturen-klaren Perspekti-ven. Dies postuliert erhöhte Anforderungen an das Marketing – im strategischen An-satz, genauso wie im Einsatz des Marketing-„Werkzeugkastens“.

Vorrangig ist in diesem Prozess die Analyse der Wertschöpfungsketten als zentraler Ansatzpunkt marktorientierter Führung. Primäre Aufgaben der Führung sind die Initiierung, die Aktivierung und das Controlling integrativer Prozesse in Konzentrati-on auf die Wertsteigerung und in Fokussierung auf zielgruppenspezifische Aktivitä-ten. Einen Führungsvorteil hat dabei, wer über einzigartige Kompetenzen verfügt, um Ziele zu verfolgen und zu erreichen, die strategisch wertvoll, nicht substituierbar und nicht imitierbar sind. Diese Kernkompetenzen sind Garant für effizienten Mitteleinsatz und realisierten Erfolg bei zielstrebigem Fortschreiten auf strategischen Pfaden. Dies gilt für im Markt operierende Wirtschaftsunternehmen genauso wie z.B. für gut ge-führte Universitäten oder Theater.

Strategische Positionierung, Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit sind Pa-rameter marktbezogenen, zielgruppenspezifischen Agierens. Das Streben nach und das Erreichen von Win-Win-Situationen ist eine Zielorientierung des Marketings, in der der Vertrauenskomponente eine gleiche, wenn nicht sogar höhere Bedeutung zukommt, wie der vertraglichen Partnerschaft.

Kooperatives Marketing ist der Schlüssel, Vernetzung und Netzwerke sind die In-strumente, die in einem horizontal und vertikal integrierten Prozess marktorientierter Führung erfolgreich sind. Markenparameter in diesem Prozess sind honoriertes Ab-sendersignal, Qualitätssicherung und Qualitätsgarantie.

Diese Perspektive erfolgreicher marktorientierter Führung postuliert, dem Trend ent-gegen zu wirken, dass Marketing und marktorientierte Führung sich auf Funktionen, auf Spezialisten in Funktionen, zurückbilden. Marketing- und Führungsaufgaben verlangen nach Generalisten oder zumindest Multi-Spezialisten. Das Plädoyer lautet, dass sich die integrative Kraft von Marketing und marktorientierter Führung nur

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Geleitwort von Klaus E. Goehrmann

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entfalten, wenn beide ihren Anspruch auf einen integrativen Ansatz geltend machen, erhalten und sichern. Konsequenter Verfolg des Gedankens der übergeordneten inte-grativen Führungsstruktur und -qualität sowie der Glaube an die Wirkung eines ganzheitlichen Ansatzes von Marketing und marktorientierter Führung können den Nachweis führen, das beide eine Investition sind, deren Erfolg in Markenwert, Kun-denwert und langfristigem Wert des Unternehmens besteht.

Mit Heribert Meffert wird – im Verfolg der hier dargelegten Gedanken – ein Wissen-schaftler geehrt, der in ständig steigender Professionalität, im Verfolg integrierter, zielorientierter Prozesse Erfolg auf Erfolg verbuchte: In der Wissenschaft, im unter-nehmerischen und gesellschaftlichen Umfeld. Seine Kompetenzen sind einzigartig, nicht substituierbar, nicht imitierbar. Sie zu kopieren allerdings ist ein Postulat – schließlich ist er Hochschullehrer. Seine Kompetenz, gepaart mit der Meffert imma-nenten Vertrauenskomponente, ist Garant für das Wissen um den Wert der integrie-renden Kraft des Marketings und die Maxime eines integrativen Führungsansatzes.

Über seine Funktion als Hochschullehrer des Marketings hinaus hat Heribert Meffert im Rahmen seiner Tätigkeit für die Bertelsmann-Stiftung die gesellschaftliche Rele-vanz markt- orientierter Perspektiven entscheidend voran getrieben und dadurch maßgebende Impulse gesetzt.

Ad multos annos!

Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus E. Goehrmann Präsident des Deutschen Marketing-Verbandes

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Geleitwort

XIII

Guido Sandler

Geleitwort

Professor Meffert hatte den Mut, 1969 bei seinem Wechsel von der Ludwig-Maximilians-Universität München an die Westfälische Wilhelms-Universität nach Münster als erster Wissenschaftler in Deutschland einen Marketing-Lehrstuhl zu bean-tragen und die Genehmigung auch erhalten. Heute gibt es an Universitäten und Fach-hochschulen unseres Landes nicht weniger als 95 solcher Lehrstühle. Das ist ein deut-licher Beweis dafür, dass Marketing von Anfang der 1960er Jahre an mit Kraft und Erfolg in die wissenschaftliche Lehre drängte.

Werbeagenturen, namentlich solche, deren Mütter in den USA ihre Heimat hatten, waren in ihrer Praxis längst von bloßer Anzeigengestaltung zu einer breit angelegten Markt- und Werbeforschung übergegangen. Kampagnen wurden breit getestet und Psychologen zugezogen. Die Zeit war reif, dass sich die Wissenschaft mit dem Thema Marketing befasst. In den Firmen führte diese Neuorientierung häufig zu erheblichen Spannungen. Die eingesessenen Reklame- und Werbeabteilungen verteidigten ihr Feld und ließen sich nur mit erheblichem Widerstand auf das neue, weniger bekannte Pferd des Marketings setzen.

Dem neuen Lehrstuhl-Inhaber in Münster war von vornherein klar, dass Marketing mit all seinen wissenschaftlichen Facetten ohne intensiven Praxisbezug nicht leben und gedeihen konnte. So war Professor Meffert gleich am Anfang seines Wirkens viel unterwegs, um den wichtigen Markenartiklern im Lande näher zu bringen, dass sich erfolgreiches Marketing nur aus einer fruchtbaren Synthese zwischen Theorie und Praxis entfalten konnte. Das Ziel war nicht leicht zu erreichen und Professor Meffert merkte bald, dass seine Zeit nicht reichte, um die vielen, häufig mehrfachen Besuche bei ein und derselben Adresse zu bewältigen. Die Idee, potentielle und die wenigen schon Marketing praktizierenden Firmen in einer „Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung“ zusammenzufassen, war die ideale Lösung das Zeitproblem einerseits und einen stimulierenden Gedankenaustausch andererseits unter einen Hut zu bringen.

In kurzer Zeit fanden sich die bedeutendsten Markenartikler der Konsum- und Gebrauchsgüter-Branche zusammen. In zwei Führungsgesprächen pro Jahr kamen namhafte Wissenschaftler und erfahrene Praktiker zu Wort. Dokumentations-Schriften und Arbeitspapiere, bisher knapp 200 an der Zahl, gaben weitere Anregungen, Bun-desbahn und Post ließen in Grundsatzarbeiten die Lösung ihrer Kernprobleme auf-

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Geleitwort von Guido Sandler

XIV

greifen. Studienreisen unter anderem nach Russland, USA und nach dem Fall der Mauer in die Ostländer ergänzten die stets aktuellen Programme. Professor Meffert stand bis zur Gegenwart mit vollem Engagement hinter der Wissenschaftlichen Ge-sellschaft, die seiner Erfahrung und seinen internationalen Kontakten wichtige Impul-se verdankt.

Wo befindet sich die Wissenschaftliche Gesellschaft für Marketing und Unterneh-mensführung nun heute? Die jüngsten Themen, mit denen sie sich befasste, lauteten: „Corporate Responsibility – Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen!“ mit Liz Mohn, dann ,,25 Jahre Wissenschaftliche Gesellschaft – Perspektiven der marktori-entierten Unternehmensführung“, mit Prof. John Quelch (Havard Business School) und „Made in Germany East – Strategie für den Wettbewerb“ mit dem sächsischen Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt. Man sieht, dass die Kombination von Praxis, Politik und international anerkannten Wirtschaftswissenschaftlern gut gelun-gen ist und für die Mitglieder eine anregende Grundlage für eine Diskussion bedeutet, bei der kein Teilnehmer ein Blatt vor den Mund nimmt, da es als ungeschriebenes Gesetz gilt, dass die Öffentlichkeit, auch die Presse, keinen Zutritt haben.

So entwickelte der Lehrstuhl Professor Mefferts nicht nur wegen seiner wissenschaftli-chen Bedeutung stets große Ausstrahlung im Mitgliederkreis. Auch die über all die Jahre jung und dynamisch gebliebene Wissenschaftliche Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung hat unter der engagierten wissenschaftlichen Leitung des Jubilars weithin Anerkennung gefunden: Ein erfreuliches Resümee nach 25 Jahren Bestand.

Dr. Dr. h.c. Guido Sandler Ehrenvorsitzender der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V.

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Vita von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

XV

Vita Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

1937 geboren in Oberlahnstein

1956 - 1961 Studium der Betriebswirtschaftslehre in München

1964 Promotion über „Beziehungen zwischen der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie und Kostenrechnung“

1961 - 1968 Wiss. Assistent am Institut für Industrieforschung und betriebliches Rechnungswesen an der Universität München

1968 Habilitation über „Die Flexibilität in betriebswirtschaftlichen Entscheidungen“

1968 Berufung auf den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Münster. Aufbau und Direktor des ersten Instituts für Marketing an einer deutschen Hochschule. Berufungen nach Frank-furt (1973), Hamburg (1980), Konstanz (1981) und Bern (1986)

1993 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität St. Gallen

1995 - 1997 Wissenschaftlicher Geschäftsführer der Handelshochschule Leipzig

1999 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Handelshochschule Leipzig (HHL)

2002 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität für Wirt-schaft und Finanzen, St. Petersburg

9/2002 Emeritierung an der Universität Münster

10/2002 - 12/2005 Vorsitzender des Vorstands der Bertelsmann Stiftung

Forschungsschwerpunkte

General Marketing und Unternehmensführung

Markenmanagement

Non-Profit-Marketing

Internationales Management

Dienstleistungsmarketing

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Vita von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

XVI

Veröffentlichungen

Mehr als 300 Veröffentlichungen zu Problemen des Marketing und der Unternehmens-führung in Sammelwerken und Zeitschriften. Herausgeber verschiedener Schriftenrei-hen und Arbeitspapiere sowie ehemals Mitherausgeber der betriebswirtschaftlichen Fachzeitschrift „Die Betriebswirtschaft“.

Forschungsreisen

U.a. in die Vereinigten Staaten mit Gastvorträgen an amerikanischen Universitäten; Visiting Research Professor am Marketing Science Institute (MSI), Cambridge (Mass.).

Mitgliedschaften

Gutachter- und Beratungstätigkeit bei nationalen und internationalen Unternehmun-gen.

Mitglied in Aufsichtsräten und Beiräten von Industrie- und Handelsunternehmungen.

Gründungs- und Vorstandsmitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster.

Mitgliedschaft in verschiedenen Vereinigungen; Mitglied des Vereins für Socialpolitik, Deutsche und Amerikanische Marketing-Vereinigung.

Ehrungen

Ruefach Förderpreis (1991)

Dr. Kurt Neven Du-Mont Medaille (1991)

Wilhelm-Vershofen-Gedächtnismedaille (1992)

Ehrendoktorwürde der Hochschule St. Gallen (1993)

B.A.U.M. Umweltpreis (1994)

Ehrendoktorwürde der Handelshochschule Leipzig (HHL) (1999)

Ehrendoktorwürde durch die Universität für Wirtschaft und Finanzen, St. Petersburg (2002)

Ehrenmitgliedschaft des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (2006)

Paulus-Plakette der Stadt Münster (2006)

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort .................................................................................................................................. VII

Philip Kotler

Geleitwort ................................................................................................................................ IX

Klaus E. Goehrmann

Geleitwort ................................................................................................................................XI

Guido Sandler

Geleitwort ............................................................................................................................. XIII

Autorenverzeichnis ............................................................................................................. XXI

Manfred Bruhn, Manfred Kirchgeorg und Johannes Meier

Marktorientierte Unternehmensführung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel – Zum Lebenswerk von Heribert Meffert ...............................1

Teil I: Marketing im wirtschaftlichen Wandel

Klaus Backhaus und Helmut Schneider

Marketing: Ein Interpretationsversuch aus Münsteraner Perspektive ...........................13

Ulrich Lehner

Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis .......................31

Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein

Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen...............................47

Christian Homburg und Ove Jensen

Internationale Marktorientierte Unternehmensführung...................................................63

XVII

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Inhaltsverzeichnis

XVIII

Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

Marktorientierte Führung im Wandel von Umweltbewusstsein und ökologischen Rahmenbedingungen.............................................................................................................83

Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Unternehmensführung in stagnierenden Märkten....................................................................................................115

Christoph Burmann und Jan-Philipp Weers

Markenimagekonfusion: Eine neue Managementherausforderung in reifen Märkten ..................................................................................................................135

Bernd M. Michael

„Just-in-Time“-Markenführung oder:Wie geht man mit dem hektischen Zeitgeist um? ............................................................159

Helmut Sihler

Luxusmarken im gesellschaftlichen Wandel.....................................................................175

Manfred Krafft und Max Niederhofer

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Unternehmensführung in Zeiten der Rezession........................................................................................................183

Hartmut Mehdorn und Ralf Klein-Bölting

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn ...........................................195

Jürgen Kluge

Marketing für den Mobilfunk von morgen — Wie sich in einem saturierten Markt Wachstumsimpulse schaffen lassen ...................................................................................209

Teil II: Marketing von nicht-kommerziellen Institutionen im gesellschaftlichenWandel

Volker Then

Marketing in Stiftungen.......................................................................................................227

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Inhaltsverzeichnis

XIX

Torsten M. Breden und Wilhelm Krull

Marktorientierte Führung von Stiftungen in der Bürgergesellschaft — Möglichkeiten und Grenzen der Marktmetaphorik...................................................................................241

Detlef Müller-Böling

Marketing von Hochschulen — Ein Rück- und Ausblick ...............................................261

Ernst Buschor

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Bildungseinrichtungen.................................................................................................283

Ursula Hansen, Dirk Moosmayer und Matthias Bode

Werte betriebswirtschaftlicher Professoren in Forschung und Lehre — Ergebnisse einer weltweiten Studie .......................................................................................................299

Roland Berger

Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung .......325

Thomas Hauff, Bernadette Spinnen und Berthold Tillmann

Marktorientierte Führung für Kommunen — Anspruch, Praxis und Perspektiven eines ganzheitlichen Stadtmarketings ...............................................................................349

Wolfgang Schuster

Die Stadt als Marke im internationalen Wettbewerb .......................................................385

Christoph Kannengießer und Christian Schnee

Politisches Marketing – Die Kraft der Emotionen nutzen...............................................405

Hans Raffée

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Kirchen ..................417

Richard Köhler

Laudatio.................................................................................................................................443

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert .........................447

Stichwortverzeichnis ............................................................................................................489

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Autorenverzeichnis

XXI

Autorenverzeichnis

PROF. DR. DR. H.C. KLAUS BACKHAUS ist Direktor des Instituts für Anlagen und System-technologien, Marketing Centrum Münster der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Honorarprofessor für Marktorientiertes Technologiemanagement an der TU Berlin.

PROF. DR. H.C. ROLAND BERGER ist Unternehmensberater und Vorsitzender des Auf-sichtsrats von Roland Berger Strategy Consultants, München.

PROF. DR. MATTHIAS BODE ist Adjunkt Professor am Institute for Marketing & Mana-gement der Syddansk Universitet Odense, Dänemark.

DR. TORSTEN M. BREDEN ist Referent des Generalsekretärs der VolkswagenStiftung, Hannover.

PROF. DR. MANFRED BRUHN ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universität Basel und Honorarprofessor an der Technischen Universi-tät München.

PROF. DR. CHRISTOPH BURMANN ist Inhaber des Lehrstuhls für innovatives Markenma-nagement (LiM®) am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen.

PROF. DR. ERNST BUSCHOR ist Vorsitzender des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung, zuvor hatte er die Professur für Betriebswirtschaftslehre und das Prorektorat der Hochschule St. Gallen sowie die Präsidentschaft der Kantonsregierung Zürich in-ne.

PROF. DR. DR. H.C. URSULA HANSEN ist Lehrstuhlinhaberin und Institutsdirektorin des Institut für Marketing und Konsum der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover.

DR. THOMAS HAUFF ist Fachstellenleiter im Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrsplanung, Stadt Münster, und Lehrbeauftragter am Institut für Geographie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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Autorenverzeichnis

XXI

PROF. DR. DR. H.C. CHRISTIAN HOMBURG ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing I an der Universität Mannheim und Direktor des Instituts für Marktorientierte Unter-nehmensführung (IMU) an der Universität Mannheim.

DR. OVE JENSEN ist Habilitand am Lehrstuhl für Marketing I an der Universität Mann-heim.

CHRISTOPH KANNENGIEßER ist Stellvertretender Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin/Berlin.

RALF KLEIN-BÖLTING ist Generalbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG (Konzern-marketing und Kommunikation).

PROF. DR. DR. H.C. KLAUS E. GOEHRMANN ist Präsident des Deutschen Marketing-Verbandes, Düsseldorf.

PROF. DR. MANFRED KIRCHGEORG ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketingmanagement an der HHL – Leipzig Graduate School of Management.

PROF. EM. DR. RICHARD KÖHLER war bis zu seiner Emeritierung 2002 Direktor des Mar-keting-Seminars an der Universität zu Köln.

PROF. DR. PHILIP KOTLER ist Professor of International Marketing at the Kellogg School of Management of Northwestern University.

PROF. DR. JÜRGEN KLUGE ist Mitglied des Shareholder´s Council von McKin-sey&Company und war von 1999-2006 Office Manager von McKinsey&Company Deutschland.

PROF. DR. MANFRED KRAFFT ist Direktor des Instituts für Marketing an der Westfäli-schen Wilhelms-Universität zu Münster.

DR. WILHELM KRULL ist Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Hannover.

PROF. DR. ULRICH LEHNER ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Henkel KGaA, Düsseldorf.

HARTMUT MEHDORN ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG.

DR. JOHANNES MEIER ist Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh.

BERND M. MICHAEL war bis September 2005 Chairman & CEO der Grey Global Group Europe, Middle East & Africa.

I

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Autorenverzeichnis

XX

PROF. DR. KATHRIN M. MÖSLEIN ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftsleh-re, insbesondere Wirtschaftsinformatik I an der Wirtschafts- und Sozialwissen-schaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

DIRK MOOSMAYER ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing und Konsum der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Universität Hannover.

PROF. DR. DETLEF MÜLLER-BÖLING ist Lehrstuhlinhaber für Empirische Wirtschafts- und Sozialforschung an der Universität Dortmund, diente der Universität Dort-mund von 1990 bis 1994 als Rektor und ist seit 1994 Leiter des CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh.

DR. MAX NIEDERHOFER ist Analyst bei Atlas Venture, einem Venture Capital Fonds. Herr Dr. Niederhofer beendete seine Promotion in 2006 am Lehrstuhl von Prof. Dr. Manfred Krafft.

PROF. DR. HANS RAFFÉE war bis zur Emeritierung 1994 Inhaber des Lehrstuhls für All-gemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing II an der Universität Mannheim.

PROF. DR. DR. H.C. RALF REICHWALD ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschafts-lehre – Information, Organisation und Management an der Fakultät für Wirt-schaftswissenschaften der Technischen Universität München (TUM).

DR. DR. H.C. GUIDO SANDLER ist Ehrenvorsitzender der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster.

CHRISTIAN SCHNEE ist Leiter der Abteilung Politische Kommunikation der Konrad-Adenauer-Stiftung, Wesseling.

PROF. DR. DR. HELMUT SCHNEIDER ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Dia-logmarketing an der School of Management and Innovation, Steinbeis-Hochschule Berlin.

DR. WOLFGANG SCHUSTER ist Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart.

PROF. DR. HELMUT SIHLER war von 1980-1992 Vorsitzender des Zentralvorstands des Henkel-Konzerns, Düsseldorf, sowie Vorsitzender des Aufsichtsrats der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Stuttgart (1993-2007), der Deutschen Post AG, Bonn (1995-2000) sowie der Deutschen Telekom AG, Bonn (1996-2000).

BERNADETTE SPINNEN ist Werkleiterin von Münster Marketing, eigenbetriebsähnliche Einrichtung der Stadt Münster.

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Autorenverzeichnis

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DR. VOLKER THEN ist geschäftsführender Direktor des CSI – Centrum für soziale Inves-titionen und Innovationen der Universität Heidelberg.

DR. BERTHOLD TILLMANN ist hauptamtlicher Oberbürgermeister der Stadt Münster, zuvor Stadtkämmerer und Beigeordneter für das Dezernat Jugend, Soziales und Gesundheit.

DIPL.-KFM. JAN-PHILIPP WEERS ist Doktorand am Lehrstuhl für innovatives Markenma-nagement (LiM®) Universität Bremen.

DR. RAIMUND WILDNER ist in der GfK AG Leiter der Methoden- und Produktentwick-lung sowie Vizepräsident des GfK-Nürnberg e.V.

PROF. DR. KLAUS L. WÜBBENHORST ist Vorsitzender des Vorstands der GfK AG.

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Marktorientierte Unternehmensführung im Wandel

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Manfred Bruhn, Manfred Kirchgeorgund Johannes Meier

MarktorientierteUnternehmensführung im wirtschaftlichen undgesellschaftlichen Wandel — Zum Lebenswerk von Heribert Meffert

Der Titel der Festschrift formt einen überspannenden Rahmen, um das beeindrucken-de und facettenreiche Lebenswerk von Heribert Meffert als akademischer Lehrer und Wissenschaftler wie auch als Brückbauer zwischen Theorie und Unternehmensfüh-rung einordnen und würdigen zu können.

Von Heribert Meffert kann ohne Zweifel als einem der Gründerväter des Marketings in Deutschland gesprochen werden. Als Heinen-Schüler kam er ursprünglich vom Münchener Institut für Industrieforschung und betriebliches Rechnungswesen und arbeitete dort zunächst auch in seiner Dissertation über die Beziehungen zwischen Kostentheorie und Kostenrechnung bzw. in seiner Habilitationsschrift über die Flexibi-lität in betriebswirtschaftlichen Entscheidungen. Als er im Jahre 1969 den ersten Mar-ketinglehrstuhl an einer deutschen Hochschule gründete, war kaum abzusehen, wel-che dynamische Entwicklung das Marketing in Wissenschaft und Praxis nehmen wür-de. Knapp vier Jahrzehnte später haben sich über 90 Marketinglehrstühle an deutschen Universitäten etabliert, die ihre Forschung und Lehre mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Methoden an den Grundgedanken einer marktorientierten Un-ternehmensführung orientieren. In dieser Zeit hat Heribert Meffert als Forscher, aka-demischer Lehrer, Moderator zwischen Theorie und Praxis sowie als hochschulpoli-tisch Engagierter über Jahrzehnte hinweg Spitzenleistungen erbracht. Er blickt auf über 100 abgeschlossene Promotionen und mehrere Habilitanden zurück. Besondere Anerkennung hat seine Forschungstätigkeit durch die Verleihung von drei Ehrendok-torwürden gefunden.

Heribert Meffert ist ein Pionier und eine treibende Kraft des Marketings. Er hat die Entwicklungen des Marketings in den letzten Jahrzehnten fortwährend aktiv mitge-staltet und beeinflusst. Dabei hat er aus einer konsequent managementorientierten Perspektive Marketing als marktorientierte Unternehmensführung betrachtet. Es ging ihm

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letztlich immer darum, Einsichten in komplexe Marktvorgänge zu gewinnen, das Zustandekommen von Markttransaktionen zu erklären und Empfehlungen für deren effiziente Gestaltung zu geben. In diesem Sinne wird die Marketingwissenschaft heute als eine angewandte Managementlehre verstanden.

Heribert Mefferts 70. Geburtstag soll im Rahmen dieser Festschrift und im Rahmen dieses Einführungsbeitrages zum Anlass genommen werden, in einer Bestandsauf-nahme Rückschau zu halten und seine geleistete Arbeit in der Lehre, der Forschung und der Praxis zu dokumentieren. Sein Schaffen findet in folgenden Entwicklungspha-sen einen Niederschlag.

Phase der Gründung und des Aufbaus des Instituts für Marketing der Universität Münster

Heribert Meffert fühlte sich von Anfang an der Tradition der Wirtschaftswissenschaf-ten an der Universität Münster verpflichtet. Dementsprechend hat er den ökonomischen Kern des Marketings in den Mittelpunkt von Forschung und Lehre gestellt. Diese Philo-sophie hat sich als sehr tragfähig erwiesen, da auf diese Weise die Verbindung zu den zentralen betriebswirtschaftlichen Führungsfunktionen gewahrt und bei aller Breite des Faches die notwendige Vertiefung in der Marketing-Managementausbildung voll-zogen wurde. Heribert Meffert war sich von Beginn an klar, dass sich ein Marketing-Institut – weniger noch als die anderen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre – nicht in den Elfenbeinturm zurückziehen kann. Er hat sich daher unermüdlich den Echtzeit-problemen der Praxis gestellt und in einem engen Dialog Lösungsansätze entwickelt.

In der Anfangsphase der Institutsarbeit standen für Heribert Meffert zunächst Belange der Lehre eindeutig im Vordergrund. Er hatte ein praxis- und problemorientiertes Lehrkonzept zu entwickeln, das den Ansprüchen einer integrierten Marketing-Managementlehre gerecht wird und den Studierenden der Wirtschaftswissenschaften zeitlich nicht überfordert. Als Basis der Lehrkonzepte legte er den entscheidungsorien-tierten Ansatz zugrunde, der nicht nur die verschiedenen Marketingfunktionen ver-bindet, sondern auch ein brauchbares Denkraster zur Analyse und Bewältigung prak-tischer Probleme liefert. Die Akzente der Forschungsaktivitäten setzte Heribert Meffert verstärkt auf konzeptionelle Grundlagenarbeiten, die nicht nur zu einem besseren Verständnis und zu einer klareren Struktur im Bereich der Lehre führten, sondern auch die Kommunikationsbasis zur Wirtschaftspraxis verbreiterten.

Phase der Marketing-Informationssysteme in der Forschung

In der zweiten Entwicklungsphase widmet Heribert Meffert sich vor allem den quanti-tativen Prognose- und Entscheidungsmodellen für das Marketing. Mit dieser Ausrichtung vertiefte er den entscheidungsorientierten Ansatz in der Lehre durch die Anwendung konkreter Prognose- und Entscheidungsmodelle. Er folgte damit aber auch dem Be-

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Marktorientierte Unternehmensführung im Wandel

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dürfnis der Marketingpraxis nach der Entwicklung strukturierter Lösungshilfen zum Aufbau von Marketing-Informationssystemen. In dieser Forschungsphase entwickelte Heribert Meffert eine Reihe wertvoller Konzepte und Anwendungen quantitativer Planungsmethoden im Marketing, insbesondere den Einsatz computergestützter Mar-keting-Informationssysteme.

Phase der empirisch ausgerichteten Marketingforschung

Die dritte Phase prägte Heribert Meffert durch eine intensive theoriegestützte empiri-sche Forschung. Auslöser waren immer deutlicher sichtbare Grenzen begrifflich-konzeptioneller Arbeiten der verhaltenswissenschaftlichen Marketingforschung. Erst als die Möglichkeit gegeben war, mit größeren Datensätzen aktuelle und offene Fragen des Marketings in der Praxis repräsentativ zu untersuchen, konnten diese Schwach-punkte überwunden werden. Heribert Meffert führte breit angelegte empirische Ar-beiten unter anderem auf den Gebieten des Käuferverhaltens und der Absatzkanäle durch und konnte durch die unmittelbare Arbeit mit Daten sowie die Auseinanderset-zung mit Problemen der Datengewinnung und -verarbeitung vertiefende Einsichten in die Dynamik des angewandten Marketing gewinnen.

Phase einer stärkeren Institutionalisierung der Kooperation mit der Wirtschaftspraxis

In der vierten Phase institutionalisierte Heribert Meffert die Kooperation mit der Wirt-schaftspraxis und trieb die Forschungsarbeiten weiter voran. Ein besonderer Meilen-stein stellte die von ihm im Jahre 1981 gegründete „Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e. V." dar. Mit dieser Institution gelang es Heribert Meffert, die Kontakte und den Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft und Pra-xis auf dem Gebiet des Marketings und der Unternehmensführung weiter zu intensi-vieren. Über 40 Mitgliedsfirmen unterstützten seither die Forschungsvorhaben zu aktuellen Problemen der Unternehmenspraxis und förderten die Verbreitung der Forschungsergebnisse. Das Spektrum der Fragestellungen wurde erheblich ausgewei-tet und vertieft. Auch der Lehrbetrieb hat davon besonders profitiert.

In dieser Phase standen die Forschungsarbeiten von Heribert Meffert unter dem Ein-druck veränderter Markt- und Umweltbedingungen – Marktsättigung, Rohstoffver-knappung, Wertewandel der Konsumenten, Technologiedynamik – und wurden be-sonders durch Fragestellungen des strategischen Marketings geprägt. Heribert Meffert stellte die situativen Faktoren der marktorientierten Führung, die Entwicklung lang-fristiger Verhaltensmuster im Markt und die Analyse strategischer Erfolgsfaktoren stärker in den Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Interesses. Schwerpunkte seiner empirischen und theoretischen Forschung bildeten Marketingstrategien in verschiede-

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nen Marktstadien, der Einfluss des Wertewandels und neuere Kommunikationstech-nologien.

Phase der Fokussierung auf Kernkompetenzen in den Marketingstrategien

Die fünfte Phase war dadurch gekennzeichnet, dass Heribert Meffert sich zum einen auf die Kernkompetenzen in der Forschung fokussierte und zum anderen zunehmend internationale und ökologieorientierte Fragestellungen in das Forschungsprogramm integrierte. Insbesondere Anfang der 1990er Jahre hat Heribert Meffert durch theorie-geleitete empirische Untersuchungen z. B. über Markteintrittsstrategien in den Ost-märkten, Ökologie im vertikalen Marketing oder über Marketingdifferenzierungs- und Standardisierungsstrategien im globalen Wettbewerb drängende Fragen der Mar-ketingpraxis und -wissenschaft aufgegriffen und weiterführende Forschungserkennt-nisse geliefert.

In der Lehre hat Heribert Meffert zu dieser Zeit durch die Initiierung und Unterstüt-zung des Aufbaus der zwei neuen Schwerpunktfächer Internationales Marketing und Umweltmanagement an der Universität Münster daran mitgewirkt, den Studierenden neben dem Schwerpunktstudium Marketing ein differenzierteres und praxisadäquates Studienangebot zu bieten. Die umfangreichen empirischen Forschungsarbeiten von Heribert Meffert über den Stand und die Entwicklungsperspektiven der Marketing-ausbildung haben einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion über die Anforderungen und Qualität an eine moderne Marketingausbildung geleistet.

Nicht nur den aktuellen Marketingstudenten, sondern auch den ehemaligen Münste-raner Marketingstudenten versuchte Heribert Meffert besondere Aufmerksamkeit zu widmen. So gründete er 1989 den „Marketing Alumni Münster e.V.“, dem mittlerweile über 650 Mitglieder angehören. Symposien, Postgraduate-Programme, Praktikanten-börsen oder Stipendienvergaben stellen nur einige Aktivitäten dar, mit denen ein Netzwerk zu den ehemaligen Münsteraner Marketingstudenten aufgebaut wird, um sie auf dem neuesten Stand der Marketing-Entwicklung zu halten.

Bei der Errichtung der privaten Handelshochschule Leipzig hat er sich in den Jahren 1995 bis 1998 als dortiger Rektor und wissenschaftlicher Geschäftsführer besonders verdient gemacht. Er nahm dabei eine immense Doppelbelastung neben der in Müns-ter weitergeführten Lehrstuhltätigkeit auf sich.

In der Forschung rückte Heribert Meffert ab Mitte der 1990er Jahre Fragen des Dienst-leistungsmarketing in den Vordergrund. Ein besonderer Schwerpunkt bildeten dabei wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet des Marketings für Verkehrsdienstleistungen, insbesondere des Bahnmarketings. In enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG gründete Heribert Meffert die Forschungsstelle für Bahnmarketing e.V., die in den fünf Jahren ihres Bestehens beachtliche Forschungsergebnisse vorweisen kann.

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Phase der gesellschaftlichen Orientierung in Wissenschaft und Praxis

Nach seiner Emeritierung 2002 übernahm Heribert Meffert bis einschließlich 2005 den Vorsitz des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung und damit eine verantwortungsvolle Aufgabe im Interesse der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. In seiner dreijähri-gen Amtszeit konnte die Stiftung ihr strategisches Profil deutlich stärken durch eine Fokussierung der Arbeit in Großprojekten. Damit einher ging eine konsequente Ver-netzung der inhaltlichen Arbeit und die Entwicklung einer Dachmarkenstrategie. Sowohl vernetztes Arbeiten als auch die Dachmarkenstrategie gründeten in der Erar-beitung der gesellschaftspolitischen Ziele und Perspektiven der Bertelsmann Stiftung.

Ein Lebenswerk – getragen von der Philosophie des „Deepening“ und „Broadening“

Die zum 60. Geburtstag von Heribert Meffert erschiene Festschrift „Marktorientierte Unternehmensführung – Reflexionen – Denkanstöße – Perspektiven“ widmete sich mit wissenschaftlichen Beiträgen den Entwicklungsphasen und Perspektiven, die dreißig Jahre des Lebenswerkes des Jubilars reflektierten. Die vorliegende Schrift stellt mit einer Kombination von wissenschaftlichen und praxisbezogenen Expertisen einen besonderen Bezug zur letzten Dekade des Lebenswerkes von Heribert Meffert her. In dieser Phase beschäftigte er sich in besonderer Weise mit gesellschaftlichen Problem- und Handlungsfeldern des Marketings. Durch seine Tätigkeit als Vorsitzender des Präsidiums der Bertelsmann Stiftung erlangte die gesellschaftsorientierte Ausrichtung nach seiner Emeritierung eine interessante Akzentuierung und es war ihm möglich, Theorie und Praxis im Managementalltag einer Stiftung zu vereinen.

Gleichwohl trat Heribert Meffert auch als Spitzenforscher und Mahner auf, wenn es darum ging, die Verankerung der marktorientierten Unternehmensführungen in ei-nem sich verändernden Umfeld mit Theorien, Methoden und empirischen Studien zu fundieren. Er verstand es dabei immer, das viel zitierte „Deepening“ und „Broade-ning“ im Marketing geschickt miteinander zu verknüpfen. Beispielhaft seien hier die Forschungen zur Markenführung erwähnt. Heribert Meffert hat den identitätsorien-tierten Markenführungsansatz in Deutschland in einer frühen Entwicklungsphase aufgegriffen und vertieft. Schnell erlangten seine Beiträge gebührende Anerkennung in Wissenschaft und Unternehmenspraxis. Hierin zeigt sich konsequent der von Heri-bert Meffert verfolgte Weg des „Deepening“ im Kerngebiet des Marketings.

Es war Heribert Meffert aber immer auch ein Anliegen, die im kommerziellen Marke-ting entwickelten Konzepte und Instrumente auf weitere Anwendungen zu übertra-gen. An dieser Stelle sei auf seine vielfältigen Publikationen und Vorträge zum Stadt- und Regionenmarketing, Stiftungsmarketing und zu Marketingkonzepten für Kirchen, Kulturinstitutionen bis hin zu Hochschulen und politischen Parteien verwiesen. Auch brisante Themen griff er in seinen Forschungen auf, beschäftigte sich mit der Analyse des Organspendeverhaltens von Bundesbürgern oder der Übertragung des Marken-

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konzeptes auf Kirchen. „Kirche im Zeitalter der Marke“ - so lautete ein Interview mit Heribert Meffert im Jahre 2006, in dem er die verschiedenen Facetten der Markenfüh-rung für Kirchen provokant beleuchtete. Die von Heribert Meffert verfolgte Philoso-phie des „Broadening“ war ein wesentlicher Wegbereiter dafür, dass die marktorien-tierte Führung breite Anwendung auch in nicht-kommerziellen Institutionen erfahren hat. Heribert Mefferts Lebenswerk steht somit neben der Verknüpfung von Theorie und Praxis auch für eine intelligente Verbindung von „Deepening“ und „Broadening“.

Die Auswahl der Autoren und die Anordnung der Beiträge spiegelt diese Philosophie wider und sie nimmt insbesondere auf die letzte Dekade des Lebenswerkes von Heri-bert Meffert besonderen Bezug. Während sich die Autoren im ersten Teil der Schrift unter dem Aspekt des „Deepening“ mit den Möglichkeiten und Grenzen des kom-merziellen Marketing in einem sich wandelnden wirtschaftlichen und gesellschaftli-chen Umfeld beschäftigen, so wechselt die Perspektive im zweiten Teil zu marktorien-tierten Führungskonzepten in Non-Profit-Institutionen. Neben Grundlagenbeiträgen nehmen 36 renommierte Autoren aus Wissenschaft und Praxis auf verschiedene situa-tive Kontexte und institutionelle Rahmenbedingungen Bezug und diskutieren die Leistungsfähigkeit sowie die Möglichkeiten und Grenzen der von Heribert Meffert propagierten marktorientierten Unternehmensführung.

Im ersten Beitrag analysieren Klaus Backhaus und Helmut Schneider, inwieweit das von Heribert Meffert bereits im Jahre 1977 dargelegte Verständnis des Marketings als „be-wusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens“ tatsächlich eine Um-setzung erfahren hat und welcher Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Unternehmensperformance besteht. Hierzu widmen sich die Autoren zunächst der Frage nach der Operationalisierung des Konstruktes „Marktorientierung“ und ihrem Verhältnis zum Ansatz der komparativen Wettbewerbsvorteile. Sie konstatieren eine weite Verbreitung der marktorientierten Unternehmensführung in Wissenschaft und Praxis, wenngleich unterschiedliche Interpretationen und Ausprägungen vorherr-schen. Diese wissenschaftliche Diskussion reflektiert Ulrich Lehner aus der Sicht der Unternehmenspraxis. Er kontrastiert die Paradigmen „Make and Sell“ und „Sense and Response“ um schließlich die praktische Relevanz der Markt- und Kundenorientie-rung herauszuarbeiten. Akzeptieren und verinnerlichen Unternehmen den marketing-orientierten Grundsatz „Sense and Response“ dann können damit weitere Elemente der Wertschöpfung zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen verbunden werden. Inwieweit schließlich die Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssys-temen ihren Niederschlag findet, beleuchten Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein.Die Autoren folgen dem Grundgedanken, dass Kunden- und Marktorientierung auf der Individualebene der Entscheidungsträger eine notwendige aber keine hinreichen-de Bedingung für die Marktorientierung eines gesamten Unternehmens ist. Vielmehr sind die Strukturen und Systeme adäquat an den Anforderungen einer marktorientier-ten Unternehmensführung auszurichten. Die Autoren identifizieren auf Grundlage theoretischer wie auch empirischer Überlegungen Ansatzpunkte zur Gestaltung marktorientierter Führungssysteme.

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Während sich die vorgestellten Beiträge zunächst mit grundlegenden Fragen nach der Bedeutung, Wirkung und Implementierung der marktorientierten Unternehmensfüh-rung beschäftigen, so beleuchten die Autoren im Weiteren marktorientierte Führungs-konzepte in sich wandelnden situativen Kontexten. Die Globalisierung eröffnet vielfäl-tige Wachstumschancen in einem sich verschärfenden Wettbewerbsumfeld. Die Um-setzung von Kunden- und Marktorientierung im internationalen Kontext stellt eine besondere Komplexität dar. Vor diesem Hintergrund reflektieren Christian Homburgund Ove Jensen Ausgestaltungsformen und Steuerungsmöglichkeiten der internationa-len Marktbearbeitung. Kritisch setzen sie sich dabei mit der internationalen Anglei-chung der Kundenanforderungen und dem daraus folgenden Standardisierungsdruck auf das Marketing auseinander. Neben der Globalisierung wird die Umwelt- und Ressourcenproblematik weltweit als eine der größten Herausforderung dieses Jahr-hunderts eingestuft. Heribert Meffert hat bereits in den 1970er Jahren in konsequenter Weise Forschungen zum Umweltbewusstsein aufgegriffen und in den 1980er und 1990er Jahren Ansätze des Umwelt- und Öko-Marketing entwickelt. Vor diesem Hin-tergrund analysieren Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg die Entwicklung des Um-weltbewusstseins und umweltorientierten Marketings im Längsschnittvergleich. Sie weisen darauf hin, dass zukünftig Markt- und Kundenbeziehungen durch ökologische Diskontinuitäten „gestört“ werden, woraus grundlegende Veränderungen im Verhält-nis zwischen Mensch und Umwelt resultieren. Angesichts der Zukunftsbedeutung umweltorientierter Problemstellungen plädieren sie für eine verstärkte Reflexion der mit dieser Herausforderung verbundenen Chancen und Risiken im Rahmen marktori-entierter Führungskonzepte.

Blickt man auf die letzten drei Jahrzehnte der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in der Marketingwissenschaft, so dominiert in der konzeptionellen wie auch empiri-schen Analyse die Betrachtung von wachstumsorientierten Marketingstrategien. Es ist als ein besonderes Verdienst von Heribert Meffert zu werten, dass er sich bereits in den 1970er Jahren mit den Problemstellungen des Marketings in stagnierenden und gesättigten Märkten beschäftigt hat. Heute sehen sich Unternehmen in vielen Indust-rieländern und Branchen diesen Marktbedingungen gegenüber. Gegenüber wachsen-den Märkten wandeln sich die Erfolgsfaktoren des Marketings in gesättigten und stagnierenden Märkten grundlegend. Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner ana-lysieren datenbasiert die Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Unter-nehmensführung in stagnierenden Märkten. Sie weisen nach, dass insbesondere Inno-vationen ganze Produktkategorien aus einer Wachstumslethargie herausreißen kön-nen.

Gesättigte Märkte zeichnen sich neben einem ausgeschöpften Marktpotenzial, einer hohen Wettbewerbsintensität und Produkthomogenität durch eine zunehmende Rele-vanz von Marken als Erfolgsfaktor zur Präferenzbildung aus. Christoph Burmann und Jan-Philipp Weers diskutieren in ihrem Beitrag die Gefahr der Markenimagekonfusion in reifen Märkten. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungsdynamik spiegelt sich in gesättigten wie auch wachsenden Märkten in unterschiedlichen Werte-

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und Lebensstilentwicklungen auf der Konsumentenseite wider. Inwieweit in dieser Situation die Markenführung auf Kontinuität, Evolution oder Innovation setzen soll, beleuchtet Bernd M. Michael mit Blick auf „Just-in-Time“-Markenführung. Er betont, dass der Wert einer Marke mit ihrer Synchronisation auf den Zeitgeist wächst. Hieraus ergeben sich besondere Herausforderungen Kontinuität und Veränderungsdynamik in der Markenführung miteinander zu verbinden. Mit der Perspektive der Luxusmarken im gesellschaftlichen Wandel beschäftigt sich Helmut Sihler. Trotz der Schnelllebigkeit von gesellschaftlichen Trends zeigt dieser Beitrag, dass die Symbiose von „Luxusmar-ken und Langfristigkeit“ erfolgsbestimmend ist. Inwieweit Markenstrategien und andere Marketinginstrumente im Konzept eines proaktiven Marketings temporäre und rezessive Nachfrageausfälle überwinden helfen können, analysieren Manfred Krafft und Max Niederhofer. Sie bestärken den Leser in der Auffassung, dass Rezessio-nen eher als Chance denn als Bedrohung gesehen werden sollten und Möglichkeiten für ein proaktives Marketing erfolgversprechend genutzt werden können.

Besondere Herausforderungen ergeben sich für die Unternehmensführung auch in Situationen, in denen durch Deregulierungsbemühungen die Wettbewerbsintensität erhöht wird. In Deutschland wie auch anderen europäischen Ländern zählen Bahn-, Telekommunikations- und Postdienstleistungen zu jenen Bereichen, in denen im letz-ten Jahrzehnt veränderte Branchenspielregeln durch die Deregulierung von öffentli-chen Betrieben definiert wurden. Hartmut Mehdorn und Ralf Klein-Bölting beschäftigen sich mit der Deregulierung als Herausforderung an die marktorientierte Unterneh-mensführung der Deutschen Bahn. Jürgen Kluge reflektiert aus der Beratersicht, in welchem schwierigen Wettbewerbsumfeld sich Unternehmen im Mobilfunkmarkt befinden; in einem Markt, der sich vom regulierten Nischen- zum wettbewerbsintensi-ven Servicemarkt gewandelt hat. Beide Beiträge verdeutlichen, dass Unternehmen in diesen Branchen ein ganzheitliches Verständnis einer marktorientierten Unterneh-mensführung entwickeln und die Unternehmenskultur hierauf konsequent ausrichten müssen.

Während die bisherigen Beiträge die Herausforderungen der marktorientierten Un-ternehmensführung im kommerziellen Bereich betrachtet haben, wird der Blick im zweiten Teil der Festschrift auf marktorientierte Führungskonzepte in Non-Profit-Organisationen gerichtet. Auch in diesem Teil haben wir versucht, Perspektiven von Experten aus Wissenschaft und Praxis miteinander zu verbinden.

Heribert Meffert hat nach seiner Emeritierung als Vorstandsvorsitzender der Bertels-mann Stiftung die Herausforderungen angenommen, Stiftungsmanagement und Stif-tungsmarketing zu praktizieren. Hierzu stellen zwei Beiträge einen direkten Bezug her. Volker Then diskutiert die Herausforderungen für das Marketing von Stiftungen. Hierbei zeigt er auf, welche Gratwanderung im Stiftungsmarketing zu bewältigen ist und wie Stiftungsmarken im zunehmenden Wettbewerb wichtige Profilierungsfunkti-onen übernehmen können. Eine weitere Perspektive bringen Wilhelm Krull und Torsten M. Breden zur marktorientierten Führung von Stiftungen in der Bürgergesellschaft ein.

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Je stärker sich Stiftungen als Change Agent und Impulsgeber für Veränderungsprozes-se begreifen, desto mehr müssen sie auch selbst als erneuerungsfähige und lernende Institutionen begriffen werden. Konzepte des Marketings können in diesem Zusam-menhang einen wertvollen Input liefern.

Die Bedeutung der marktorientierten Führung von Hochschulinstitutionen wurde von Heribert Meffert bereits in den 1980er Jahren betont. Lange bevor Evaluierungs-, Akkreditierungs- und Rankingkonzepte diskutiert wurden, hatte Heribert Meffert bereits umfassende Studien zur Einstellung von Studenten am Hochschulstandort Münster durchgeführt. Vielfältige Initiativen zum Hochschulmarketing an der Univer-sität Münster und der Handelshochschule Leipzig gingen auf das Engagement von Heribert Meffert zurück. Passend zu diesem Erfahrungshintergrund sind drei Auto-renbeiträge angesiedelt. Detlef Müller-Böling nimmt einen umfassenden Rück- wie auch Ausblick zum Marketing von Hochschulen vor. Mit seiner Feststellung „Hoch-schulen sind noch nicht hinreichend für Hochschulmarketing aufgestellt“ verbindet sich ein Plädoyer für die Notwendigkeit, die Bedeutung des Hochschulmarketings im deutschen wie auch europäischen Kontext aufzuwerten. Die Möglichkeiten und Gren-zen der marktorientierten Führung von Bildungseinrichtungen sind Gegenstand der Ausführungen von Ernst Buschor. Ausgehend von den Besonderheiten des Gutes „Bil-dung“ diskutiert er die Auswirkungen der zunehmenden Internationalisierung und Deregulierung auf den Bildungsmarkt. Shared Values gehören auch in den Bildungs-institutionen zu einem zentralen Erfolgsfaktor um eine marktorientierte Führungskul-tur zu verankern. Erkenntnisse zu den Wertstrukturen von Hochschullehrern in Lehre und Forschung im globalen Kontext vermitteln Ursula Hansen, Dirk Moosmayer und Matthias Bode. Auf Grundlage einer globalen Studie analysieren die Autoren die Wert-profile von Hochschullehrern in verschiedenen Ländern dieser Welt. Sie stellen her-aus, dass die von Heribert Meffert geforderte Vermittlung von sozialen und interkul-turellen Kompetenzen weltweit von der Mehrheit der Hochschullehrer geteilt wird.

Aus der Sicht der öffentlichen Verwaltungen und politischen Institutionen schließen sich drei weitere Beiträge an. Roland Berger beleuchtet zunächst die Anwendungsberei-che von Marketing in der öffentlichen Verwaltung. Er bewertet die Anwendung des Marketings in der öffentlichen Verwaltung als günstig, allerdings sind die Besonder-heiten unterschiedlicher Anwendungsbereiche bei der Entwicklung und Umsetzung marktorientierter Führungskonzepte für Verwaltungsinstitutionen sorgfältig zu beach-ten. Dargestellt am Prozess des Stadtmarketings in Münster diskutieren Berthold Till-mann, Thomas Hauff und Bernadette Spinnen die Herausforderungen der marktorientier-ten Führung für Kommunen. Sie zeigen auf, wie sie in enger Zusammenarbeit mit Heribert Meffert bereits seit den 1980er Jahren erste Schritte des Stadtmarketings ent-wickelt und heute zu einem ganzheitlichen Stadtmarketingkonzept ausgebaut haben. Den Möglichkeiten des Stadtmarketings vor dem Hintergrund eines zunehmenden internationalen Wettbewerbs widmet sich Wolfgang Schuster mit seinen Ausführungen.

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Manfred Bruhn, Manfred Kirchgeorg und Johannes Meier

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Auf einer den öffentlichen Verwaltungen übergeordneten Ebene ist das Politische Marketing bzw. Marketing für Politik anzusiedeln. Mit welchen Besonderheiten sich ein politisches Marketing auseinandersetzen muss und welchen Stellenwert die Ver-mittlung emotionaler Inhalte einnimmt, betrachten Christoph Kannengießer und Christi-an Schnee.

Der letzte Festschriftbeitrag beschäftigt sich mit der Bedeutung von marktorientierten Führungskonzepten für kirchliche Institutionen. Hans Raffeé nimmt Stellung zu den Besonderheiten, Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung in Kir-chen.

Die Herausgeber und Autoren wünschen dem Jubilar sowie allen Lesern dieser Schrift eine anregende Lektüre.

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Teil I Marketing imwirtschaftlichen Wandel

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Marketing: Ein Interpretationsversuch aus Münsteraner Perspektive

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Klaus Backhaus und Helmut Schneider

Marketing: Ein Interpretationsversuch aus Münsteraner Perspektive

1 Marketing als marktorientierte Unternehmensführung – eine Bestandsaufnahme 15

2 Marketing als Management von KKVs und Marketing als marktorientierte Unternehmensführung – ein Antagonismus?...............................................................18

2.1 Zum Verhältnis von Wettbewerbsvorteilen und KKV .......................................192.2 Markthandeln auf Geschäftsfeldebene ohne Gesamtunternehmensverankerung? ....................................................................21

3 Der Münsteraner Marketingansatz – ein integriertes Konzept ..................................24

4 Zusammenfassung ...........................................................................................................25

5 Literaturverzeichnis .........................................................................................................26

Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Backhaus ist Direktor des Instituts für Anlagen und Systemtechnologien, Marketing Centrum Münster der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Honorar-professor für Marktorientiertes Technologiemanagement an der TU Berlin.

Prof. Dr. Dr. Helmut Schneider ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Dialogmarketing an der School of Management and Innovation, Steinbeis-Hochschule Berlin.

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Marketing: Ein Interpretationsversuch aus Münsteraner Perspektive

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1 Marketing als marktorientierte Unternehmensführung— eine Bestandsaufnahme

Schon in der 1. Auflage seines Marketing-Lehrbuches im Jahre 1977 hat Heribert Mef-fert Marketing definiert als „die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Un-ternehmens“ (Meffert 1977, S. 33). Damit teilte er die Meinung von Peter Drucker, für den „Marketing is not only much broader than selling, it is not a specialized activity at all. It is the whole business seen from the point of view of its final result, that is, from the customer’s point of view” (Drucker 1954, S. 37). Obwohl immer wieder konkurrie-rende Marketing-Definitionen in die Diskussion gebracht wurden – so wurde Marke-ting auch sehr stark funktional interpretiert und stand neben anderen Unternehmens-funktionen, wie F & E, Produktion und Vertrieb (vgl. für eine Aufbereitung der Litera-tur z.B. Homburg/Krohmer 2006, S. 6ff.) –, kann konstatiert werden, dass sich ein weitgehend einheitliches Marketingverständnis insofern durchgesetzt hat, als Marke-ting heute funktionsübergreifend als Führungsphilosophie im Sinne der marktorien-tierten Führung von Heribert Meffert interpretiert wird (vgl. Homburg 2000, S. 340). Allerdings zeigen empirische Untersuchungen, dass in jüngster Zeit die funktionale Interpretation sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft wieder an Bedeutung gewonnen hat (vgl. Meffert 2007). So fragen auch Webster et al. (2003) in ihrem Beitrag „Can Marketing regain its seat at the table?“, ob und unter welchen Bedingungen Marketing angesichts der Dominanz von Finanzzielen wieder seinen Platz am Tisch der Unternehmensführung findet.

Selbst wenn unter Marketing-Wissenschaftlern das Verständnis des Marketings als marktorientierte Unternehmensführung dominiert, bedarf diese Interpretation einer weitergehenden Konkretisierung, da auch die marktorientierte Unternehmensführung ein theoretisches Konstrukt ist. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Benson Shapi-ro (1988) schon vor knapp 20 Jahren in der Harvard Business Review der Frage nach-gegangen ist: „What the hell is market oriented?“. In dieser Überschrift kommt zum Ausdruck, dass das Selbstverständnis des Marketings als marktorientierte Unterneh-mensführung offenbar unterschiedliche Interpretationen zulässt. Elf Jahre später stellt George S. Day in seinem Beitrag über „Misconceptions about market orientation“ eine vergleichbare Frage: „Given the benefits of a market orientation why do so many of organizations fail to become market driven? One reason is confusion over what it means to be market driven” (Day 1999, S. 5).

Diese beispielhaften Fragestellungen verweisen auf eine mehr als dreißig Jahre andau-ernde intensive Diskussion des Konstruktes Marktorientierung. Dabei standen folgen-de Fragen im Mittelpunkt der Forschungsbemühungen:

(1) Wie lässt sich das Konstrukt „Marktorientierung“ operationalisieren?

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Klaus Backhaus und Helmut Schneider

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(2) Besteht ein Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Unternehmens-Performance?

(3) Gibt es verschiedene Grade oder Arten der Marktorientierung?

(4) Wie gelingt es einem Unternehmen, eine stärker ausgeprägte Marktorientierung zu erreichen?

(1) Operationalisierung des Konstrukts „Marktorientierung“

Mittlerweile liegt eine Reihe von Operationalisierungsvorschlägen für das Konstrukt „Marktorientierte Unternehmensführung“ in der Literatur vor. Besondere Beachtung haben dabei die Ansätze von Narver und Slater (1990) sowie Kohli und Jaworski (1990) gefunden. Beide sich ergänzende Operationalisierungsvorschläge zur Marktori-entierung haben nahezu alle Folgeuntersuchungen bestimmt. Auch in Europa sind entsprechende Ansätze entwickelt worden (vgl. z.B. Backhaus/Schlüter 1994; Schlüter 1997). Festzuhalten bleibt, dass die Skalen von Narver und Slater sowie Kohli und Jaworski immer noch den aktuellen Stand der Operationalisierungsdiskussion kenn-zeichnen, auch wenn sie intensiv hinterfragt worden sind (vgl. z.B. Homburg 2000). In beiden Fällen wird Marktorientierung im Wesentlichen über Verhaltensmerkmale mit allerdings unterschiedlichen Akzentuierungen operationalisiert. Während bei Koh-li/Jaworski der Informationsaspekt im Vordergrund steht, betonen Narver und Slater Denk- und Verhaltensmuster des Managements als Ausdruck einer Marktorientierung (vgl. Meffert 1998). So messen Kohli/Jaworski/Kumar (1993) in ihrem MARKOR-Index Marktorientierung über insgesamt 20 Indikatoren in den drei Dimensionen Informati-onsgewinnung (Intelligence Generation), Informationsverarbeitung (Intelligence Dis-semination) sowie Reaktion auf Informationen (Responsiveness). Narver/Slater hinge-gen operationalisieren Marktorientierung über lediglich sechs Items, die im Wesentli-chen auf Denk- und Verhaltensweisen des Managements abzielen.

(2) Der Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Unternehmens-Performance

Obgleich einzelne Autoren keinen Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Unternehmens-Performance entdecken konnten (vgl. z.B. Greenley 1995), kommt die überwiegende Zahl von Untersuchungen doch zu dem Schluss, dass von Marktorien-tierung ein– wenn auch nicht durchgängig sehr ausgeprägter (vgl. z.B. Hart/Diaman-topoulos 1993) – positiver Einfluss auf die Unternehmens-Performance ausgeht (vgl. z.B. Homburg/Pflesser 2000; Cano/Carillat/Jaramillo 2004; Kirca/Jayachandran/Bear-den 2005). Darüber hinaus ist mehrfach festgestellt worden, dass der Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Unternehmens-Performance durch moderierende und mediierende Faktoren beeinflusst wird (vgl. z.B. Fritz 1992; Atuahene-Gima 1996; Gatignon/Xuereb 1997; Lukas/Ferrell 2000; Han/Srivastava 1998; Matear et al. 2002). In letzter Zeit haben unter anderen Homburg/Grozdanovic/Klarmann (2005) herausgear-beitet, dass der Markterfolg eine wichtige mediierende Variable zwischen Marktorien-tierung und Unternehmenserfolg ist.

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(3) Verschiedene Grade und Arten der Marktorientierung

Auch die Frage nach dem optimalen Grad und der optimalen Form der Marktorientie-rung (vgl. z.B. Greenley, 1995a) ist nicht abschließend beantwortet. So ist etwa nach wie vor nicht endgültig geklärt, ob Kundenorientierung bedeutsamer für die Markt-orientierung ist als eine ausgeprägte Wettbewerbsorientierung. In einer interessanten Studie kommt Grozdanovic (2006) zu dem Ergebnis, dass es ein optimales Verhältnis zwischen Kunden- und Wettbewerbsorientierung im Hinblick auf die Maximierung des Unternehmenserfolges gibt. Diese Aussage gründet sich auf einem umgekehrt u-förmigen Zusammenhang zwischen dem Quotienten aus Wettbewerbsorientierung und Kundenorientierung als unabhängiger und dem Unternehmenserfolg als abhän-giger Variable (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Darstellung der Erfolgsauswirkungen des Verhältnisses von Wettbewerbs- und Kundenorientierung (in Anlehnung an Grozdanovic 2006) (Quelle: Homburg/Krohmer 2006, S. 1311)

Unternehmens-

erfolg

Wettbewerbsorientierung

Kundenorientierung

Optimum

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Das optimale Verhältnis von Wettbewerbsorientierung zu Kundenorientierung liegt mit 0,8 unter dem Wert von 1, so dass eine leichte Überbetonung der Kundenorientie-rung im Vergleich zur Wettbewerbsorientierung zielführend ist. Andere Studien (vgl. z.B. Greenley 1995; Oczkowski/Farrell 1998; Cardogan et al. 1999; Pelham 2000) zeigen analog zum Einfluss von Marktorientierung auf den Unternehmenserfolg eine starke Situationsabhängigkeit im Hinblick auf die Vorteilhaftigkeit einer stärkeren Kunden- oder Wettbewerbsorientierung, so dass nach wie vor ein hoher Forschungsbedarf bezüglich des Konstrukts der „Marktorientierung“ zu konstatieren ist. Das beeinflusst auch die 4. Fragestellung.

(4) Wie kann ein Unternehmen den Grad der Marktorientierung erhöhen?

Zur Frage der Handlungsausrichtung im Sinne einer stärkeren Marktorientierung eines Unternehmens liegen bereits Vorschläge vor. Ein Fragenkomplex stellt die Ge-staltung von Anreizsystemen für mehr Marktorientierung dar (vgl. Becker/Homburg 1999; Homburg/Jensen 2000; Gebhard/Carpenter/Sherry 2006; Gray/Matea/Otteson 2007).

Die Kreierung von mehr Marktorientierung wird in anderen Quellen eher als ein or-ganisatorisches Transformationsproblem aufgefasst. So verstehen von der Oelsnitz (1994) und Hilker (1993) das Problem als eine Frage der Marketing-Implementierung, die nur dann umfassend gelingen wird, wenn die Veränderungsbarrieren überwunden werden können. Dazu sind Maßnahmen in den vier Bereichen „Visioning“, „Leading“, „Fitting“ und „Promoting“ zu koordinieren (vgl. von der Oelsnitz 1994, S. 310).

Fasst man die Ergebnisse zu obigen vier Fragen zusammen, so lässt sich konstatieren, dass inzwischen zwar eine gewisse Einigkeit darüber besteht, dass Marketing funkti-onsübergreifend als marktorientierte Führung zu verstehen ist; es gibt jedoch noch immer Unklarheit darüber, was das konkret bedeutet und was zu tun ist, damit ein Unternehmen als marktorientiert ausgerichtet gilt.

2 Marketing als Management von KKVs und Marketing als marktorientierte Unternehmensführung — ein Antagonismus?

Heribert Meffert hat selbst versucht zu konkretisieren, was er unter marktorientierter Unternehmensführung versteht: „Zum anderen wird mit dem Marketing ein Leitkon-

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zept der Unternehmensführung verbunden, welches im Spannungsfeld zwischen Konsumenten, Handel und Wettbewerbern eine marktorientierte Koordination aller betrieblichen Funktionsbereiche im Sinne von „shared values“ sicherstellen soll. Das gesamte Unternehmen ist in funktionsübergreifender Weise auf die Bedürfnisse aktu-eller und potenzieller Kunden auszurichten. Im Wettbewerb ist das Leistungsangebot so zu gestalten, dass der Kunde es besser beurteilt als das der Konkurrenten, das heißt, es haben „komparative Wettbewerbsvorteile“ (Backhaus 1997, S. 26 f.) vorhanden zu sein. Solche Vorteile begründen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung und füh-ren letztlich zur Erreichung der ökonomischen Ziele des Anbieters. In diesem Sinne ist die Marketingphilosophie zu verstehen“ (Meffert 2000, S. 6 f.).

Zunächst ist zu vermuten, dass diese Interpretation marktorientierter Unternehmens-führung nicht widerspruchsfrei ist, was den Bezug zum „komparativen Wettbewerbs-vorteil“, kurz KKV® (komparativer Konkurrenzvorteil) betrifft. Marktorientierung ist ohne Zweifel eine Führungskonzeption des Gesamtunternehmens, die durch entspre-chende „shared values“ zu leben ist. Das Management von KKVs – der zweite Teil der Meffert’schen Marketinginterpretation – findet jedoch im Kern auf Geschäftsbereichs-ebene statt, denn nicht Unternehmen verfügen über KKVs – es sei denn, sie sind ein Einproduktunternehmen –, sondern die Leistungsangebote einzelner Geschäftsberei-che verfügen über KKVs – oder eben nicht (vgl. Backhaus/Schneider 2007). Um es an einem Beispiel festzumachen: General Electric (GE) als diversifiziertes Unternehmen besitzt KKVs in den einzelnen Geschäftsbereichen, wie Medizintechnik oder Automa-tisierungssysteme. KKVs beziehen sich immer auf ein konkretes Leistungsangebot in einem abgegrenzten relevanten Markt. Mit seinen verschiedenen Geschäftsfeldern ist GE in verschiedenen relevanten Märkten tätig, so dass eine KKV-Orientierung auf Unternehmensebene wenig Sinn ergibt.

Um der Frage eines möglichen Antagonismus zwischen den Interpretationsformen des Marketings als marktorientierter Unternehmensführung einerseits und Management von KKVs andererseits nachgehen zu können, erscheint zunächst eine weitere Konkre-tisierung des KKVs – insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zum verwandten, von Meffert benutzten Begriff des Wettbewerbsvorteils – erforderlich.

2.1 Zum Verhältnis von Wettbewerbsvorteilen und KKV

Sowohl der Wettbewerbsvorteil als auch das Konstrukt des KKVs haben mit der Kun-denperspektive (Effektivitätsbedingung) zunächst eine gemeinsame Dimension. In der Kundenperspektive hat der Anbieter im Wahrnehmungsfeld der Nachfrager über einen Kundenvorteil zu verfügen (vgl. Plinke 2000). Ein Unternehmen besitzt einen Kundenvorteil, wenn der empfundene Nutzen des Leistungsangebotes größer ist als

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der dafür zu zahlende Preis. Ein Leistungsangebot, das diese Bedingung erfüllt, ver-fügt über einen Kunden- oder Netto-Nutzen-Vorteil (vgl. Plinke 2000).

Um erfolgreich am Markt zu agieren, reicht dieser Kundenvorteil aber noch nicht aus. Er ist zu ergänzen um eine relative Wettbewerbsperspektive. Denn auch Wettbewerber haben möglicherweise Kundenvorteile; und der Nachfrager wird diejenige Alternative wählen, die über den größten Kundenvorteil verfügt. Plinke spricht deshalb von rela-tiven Kundenvorteilen (vgl. Plinke 2000; vgl. auch Anderson/Narus 2004). Um sein Leistungsangebot abzusetzen, hat der betrachtete Anbieter über den relativ größten Kundenvorteil aller relevanten Konkurrenten zu verfügen. Insofern impliziert die Kundenperspektive auch eine relative Wettbewerbsorientierung.

Plinke (2000, S. 82ff.) hat herausgearbeitet, dass die Kundenperspektive um eine An-bieterperspektive zu ergänzen ist. Diese Anbieterperspektive ist nach Plinke ebenfalls eine relative in Bezug auf den Wettbewerb. Ein Anbieter verfügt über einen relativen Anbietervorteil, wenn er das Leistungsangebot im Vergleich zur Konkurrenz (bei gleichem Preis) billiger herstellen kann. Ein solcher Anbieter verfügt über einen Anbie-tervorteil, der seinen Handlungsspielraum im Vergleich zum Wettbewerber vergrößert (vgl. Plinke 2000, S. 85). Relativer Kundenvorteil und relativer Anbietervorteil zusam-men bilden nach Plinke den Wettbewerbsvorteil. Aus unternehmensstrategischer Per-spektive ist dem unseres Erachtens nichts hinzuzufügen. Aus Marketingperspektive kommt es darauf an, ob der Anbieter den Kostenvorsprung preispolitisch im Markt weitergibt. Tut er dies nicht, verfügt er zwar über einen strategischen Wettbewerbsvor-teil. Aber nur, wenn er den Vorteil am Markt weitergibt, erzielt er in den Augen der Nachfrager eine Verbesserung der Kundenvorteilsposition. In diesem Fall verfügt er über eine KKV-Position in der Dimension „Preis“. Diese ist unmittelbar marktwirk-sam, weil sie die relative Kundenposition verändert. Insofern ist der KKV nicht iden-tisch mit dem Konstrukt des Wettbewerbsvorteils.

Darüber hinaus unterscheiden sich KKV und Wettbewerbsvorteil auch durch die Aus-gestaltung der Effizienzbedingung. So beinhaltet der KKV zwar auch eine Effizienz-bedingung, dieses ist im Gegensatz zum Wettbewerbsvorteil jedoch durch eine isolier-te Anbieterperspektive geprägt (vgl. Backhaus 2006; Backhaus/Voeth 2007, S. 17). Es ist nämlich zu fragen, ob der relative Kundenvorteil für den einzelnen Anbieter auch effizient gestaltet werden kann. Im Mittelpunkt steht also die Frage, „ob die Zah-lungsbereitschaften der Kunden ausreichen, um den relativen Kundenvorteil unter Wirtschaftlichkeitsaspekten am Markt zu realisieren“ (Backhaus/Voeth 2007, S. 17). Demzufolge unterliegt der KKV auch einer Effizienzbedingung, aber eben einer abso-luten.

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2.2 Markthandeln auf Geschäftsfeldebene ohne Gesamtunternehmensverankerung?

Sind marktorientierte Führung und Management von KKVs alternative Interpretatio-nen des Marketings, oder anders formuliert: Ist ein effektives und effizientes KKV-Management ohne entsprechende Verankerung auf Unternehmensebene realisierbar? Das impliziert die Frage nach der Unternehmenskultur. Bedarf es einer gemeinsamen (marktorientierten) Unternehmenskultur über alle Geschäftsbereiche hinweg oder ist ein Management von KKVs auch in einer anderen Unternehmenskultur als einer marktorientierten realisierbar? Letztere Meinung wird vorwiegend damit begründet, dass eine kulturelle Marktorientierung auf Unternehmensebene nicht erforderlich sei, da es Aufgabe der strategischen Geschäftsfelder ist, für angemessene Ergebnisse und Überschüsse Sorge zu tragen – wie sie dies tun, könne der Unternehmensleitung aber letztlich gleichgültig sein (vgl. das Beispiel bei Homburg/Krohmer 2006, S. 1153). Eine solche Argumentation greift aus unserer Sichtweise allerdings aus zwei Gründen zu kurz.

Erstens birgt eine rein ergebnisorientierte Steuerung der Geschäftsfelder das Risiko einer einseitigen Kostenreduktionsperspektive. Da Kostensenkungen aufgrund ihres primär intern orientierten Charakters im Gegensatz zu mit Unsicherheit behafteten Umsatzsteigerungen quasi über mit Sanktionsandrohungen verbundene Anweisungen in die Organisation hineingetragen werden können, besteht für das Management auf Geschäftsfeldebene ein systematischer Anreiz, geforderte Ergebnisverbesserungen zunächst über eine Kostensenkung herbeizuführen (Cost Cutting). Für die Unterneh-mensleitung sind die Alternativen Kostensenkung oder Umsatzsteigerung ungeachtet einer etwaigen Indifferenz im Hinblick auf das Ergebnis aber nicht indifferent. Eine einseitige Fokussierung auf die Kostenseite vernachlässigt die Wachstumsperspekti-ven und damit zukünftigen Ergebnischancen des Geschäftsfeldes durch Erlössteige-rungen. Sind die Kosteneinsparungspotenziale ausgereizt, ist ein rascher Wechsel auf eine Umsatzsteigerungs-Strategie kaum möglich, etwa weil marktfähige neue Produk-te fehlen. Um reines Cost Cutting zu verhindern, ist die (Gesamt-)Unternehmenslei-tung gefordert. Sie hat die Aufgabe, den Willen zum Wachstum vorzuleben und ein-zuklagen. Wie eine aktuelle Studie der Egon Zehnder Personalberatung aus dem Jahr 2006 ausführt, sind drei Fähigkeiten des „Wachstums-CEO“ erforderlich: Erstens muss er Veränderungskompetenz haben. Zweitens darf er bei allen Veränderungen den Markt und die Kunden nicht aus den Augen verlieren. Und drittens hat er ein talen-tierter Kommunikator zu sein, um seine Mitarbeiter für die bevorstehenden Änderun-gen begeistern zu können (vgl. Backhaus 2007, S. 12).

Es hat daher im Interesse der Unternehmensleitung zu sein, ein Klima zu schaffen, das neben der Ergebnisperspektive auch explizit eine Fokussierung auf Märkte beinhaltet, also auf aktuelle und vor allem zukünftige Umsätze. Somit kommt der Etablierung einer marktorientierten Unternehmenskultur, die als Gegengewicht zur möglicherwei-

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se einseitigen Kostenreduktionsperspektive den Blick des Geschäftsfeldmanagements auf die Erfordernisse des Marktes lenkt, ein hoher Wert zu, oder wie es der CEO von Porsche, Wendelin Wiedeking ausdrückt: „Wer immer nur Kosten reduziert, wird bald nichts und niemanden mehr haben, um seine Produkte herzustellen und zu verkau-fen“ (Wiedeking 2006, S. 229).

Zweitens erfordert auch die marktbezogene Koordination der strategischen Geschäfts-felder eine Marktorientierung auf Unternehmensebene. Eine solche Koordination ist dann nicht erforderlich, wenn es gelingt, die Geschäftsfelder so scharf abzugrenzen, dass sie jeweils mit eigenständigen Marktaufgaben betraut sind, d. h. keine marktsei-tigen Interdependenzen zwischen den Geschäftsfeldern bestehen. Allerdings stößt dieses lehrbuchmäßige Postulat – häufig illustriert mit Hilfe des Abell-Schemas (1980) – in der Praxis regelmäßig an seine Grenzen. Zum einen, da ganz bewusst unter-schiedliche Produkte in einem relevanten Markt angesiedelt werden, beispielsweise in Form einer Mehrmarkenstrategie (vgl. Meffert/Perrey 2005). Hierbei werden, vor allem unter der Zielsetzung einer besseren Marktdurchdringung, bewusst mehrere Marken parallel in einem Markt geführt. Hieraus ergibt sich ein Koordinationsbedarf, da das unkoordinierte Agieren der einzelnen Marken mit dem Risiko der Kannibalisierung verbunden ist (vgl. Meffert/Koers 2005, S. 298). Ein rein dezentrales Management von KKVs auf Geschäftsfeldebene könnte zur Folge haben, dass die einzelnen Marken, organisatorisch dezentral geführt, ähnliche KKV-Positionen im Markt anstreben und sich damit primär gegenseitig Wettbewerbspositionen streitig machen, was der über-geordneten Zielsetzung einer besseren Marktdurchdringung zuwider liefe. Zum ande-ren sind marktseitige Interdependenzen zwischen den strategischen Geschäftsfeldern auch häufig das Resultat von Fusionen oder Übernahmen, bei denen die beteiligten Unternehmen in ähnlichen oder sogar gleichen Geschäftsfeldern agieren. Analog zur Mehrmarkenstrategie ergeben sich hieraus marktseitige Abhängigkeiten, die eine Koordination der KKV-Positionen der Geschäftsfelder und damit eine marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens erforderlich machen. Ein möglicher Ansatz zur marktseitigen Koordination der Geschäftsfelder im Hinblick auf ihre KKV-Positionen ist die Vorgabe von Markenleitbildern (vgl. Meffert 2004) durch das Management auf Unternehmensebene. Damit wird zwar die KKV-Position der Geschäftsfelder nicht im Detail festgelegt, gleichwohl aber eine strategische Ausrichtung der einzelnen Marken vorgegeben, um das Kannibalisierungsrisiko zu reduzieren.

Demzufolge braucht ein Unternehmen eine Unternehmenskultur, die das Manage-ment von KKVs auf Geschäftsfeldebene auch gesamtorganisationsbezogen sanktio-niert. Das funktioniert jedoch nur, wenn die Geschäftsführung des Unternehmens die im Management von KKVs verankerte Marktorientierung auch auf Gesamtunterneh-mensebene vorlebt. Man darf Marktorientierung nicht nur proklamieren, sondern sie ist auch zu leben. Das geht nur, wenn die Unternehmensleitung dafür sorgt, dass sich marktorientierte Denkweisen durch alle Hierarchien und Funktionsbereiche des Un-ternehmens ziehen. Mit anderen Worten: Es geht neben dem Management von KKVs beim Marketing um die Schaffung einer marktorientierten Unternehmenskultur, die

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konzeptionell den Kunden in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt und über die Schaffung von KKVs Kundenwünsche effizient besser befriedigt als der Wettbewerb (vgl. auch Pflesser 1999).

Inwieweit Unternehmenskulturen überhaupt erfassbar (vgl. Hofstede et al. 1990) und vor allem veränderbar sind, ist in der Literatur durchaus umstritten (vgl. Schreyögg 2003; Homburg/Workman/Jensen 2000 und für eine Übersicht über empirische Studien zur Messung der Unternehmenskultur Poech 2003 und Unterreitmeier 2004) und er-klärt vielleicht auch, warum sich Unternehmen offenbar so schwer tun, marktorien-tierte Unternehmenskulturen zu etablieren (vgl. auch Payne 1988). Auf jeden Fall ist die potenzielle Veränderung einer Unternehmenskultur ein langfristiger Prozess, der es erforderlich macht, zunächst die im Unternehmen vorhandene Ist-Unternehmens-kultur zu erfassen, um aufbauend auf dieser Ist-Analyse eine gewünschte Soll-Unter-nehmenskultur abzuleiten.

Für die Veränderung der Unternehmenskultur in Richtung der gewünschten Soll-Kultur können Anleihen an Empfehlungen zu unternehmerischen Wandlungsprozes-sen gemacht werden. Weite Verbreitung hat hier das 3-Phasen-Modell von Lewin (1943) gefunden. Lewin unterscheidet zwischen den Phasen „unfreezing“, „moving“ und „freezing“. Ausgangspunkt einer Veränderung stellt die Einsicht dar, dass die bislang dominierenden Verhaltensmuster nicht mehr zielführend sind. Diese Einsicht muss jedoch bei denjenigen, die ihr Verhalten zu ändern haben, eigenständig wachsen. Allerdings kann dieser Einsichtsprozess unterstützt werden, etwa dadurch, dass In-formationen über negative Marktfeedbacks (z.B. rückläufige Erlöse, Kundenbe-schwerden, Wettbewerbsverhalten) offen kommuniziert werden. An diese Phase des Auflösens tradierter Verhaltensmuster schließt sich die Veränderung der alten Unter-nehmenskultur an. Auch wenn diese kurzfristig – vor allem im Hinblick auf den von Schein (1995) als „basic beliefs“ gekennzeichneten Unterbau einer Unternehmenskul-tur – kaum signifikant beeinflussbar ist, wurden inzwischen einige Parameter erfolg-reicher Kulturveränderungsprozesse in der Literatur identifiziert. Vor allem eine früh-zeitige und möglichst breite Einbeziehung der Mitarbeiter in den Veränderungspro-zess und in die Formulierung einer Soll-Unternehmenskultur im Sinne einer Unternehmensphilosophie gilt hierbei als besonders bedeutsam (vgl. Nadler 1988). Zudem ist aus Gründen der Glaubwürdigkeit ein vorbildhaftes und konsistentes Ver-halten aller Führungskräfte im Hinblick auf den geforderten kulturellen Wandel un-abdingbar (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 623).

Daneben spielen auch Visualisierungsaspekte (z.B. die Art der Büro- und Gebäude-ausstattung; vgl. Hilker 1993, S. 72ff.) eine Rolle. Vor allem wird bei jedem kulturellen Veränderungsprozess darauf zu achten sein, dass sich dieser nicht nur auf den sichtba-ren Teil der Unternehmenskultur, die so genannten Artefakte im Sinne Scheins, be-schränkt. Diese – wie z.B. die Kleidung der Mitarbeiter oder Rituale – sind zwar relativ leicht zu beeinflussen. Gelingt es aber nicht, auch zumindest mittelfristig die darunter liegenden Schichten der Normen und Werte sowie der grundlegenden Annahmen zu

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wandeln, wird die Kulturveränderung kaum handlungsrelevant sein können (vgl. Backhaus/Bonus 1998, S. 30ff.).

Die abschließende Phase des Modells von Lewin bildet die Fixierung der erreichten Veränderungen. So sind etwa positive Entwicklungen, die sich aus den Veränderungs-prozessen ergeben, möglichst schnell und breit zu kommunizieren. Ebenso sind die Strukturen – etwa im Hinblick auf den Zentralitätsgrad – und Systeme – etwa im Hin-blick auf Anreizsysteme – an die veränderte Kultur anzupassen (vgl. Hungenberg 2000, S. 33ff.).

Festzuhalten bleibt: Ohne kulturelle Verankerung der Marktorientierung in der Unter-nehmensführung wird ein erfolgreiches KKV-Management kaum gelingen. Dies belegt auch eine jüngere Untersuchung von Gray, Matea und Otteson (2007), in der marktori-entierte Praktiken von Unternehmen mit einer über- respektive unterdurchschnittli-chen Performance verglichen werden. Im Ergebnis kommen die Autoren zu dem Schluss, dass „Über-Performer“ „appear more motivated and committed to being market oriented“ (Gray/Matea/Otteson 2007).

Was bedeutet das nun für die Interpretation des Marketings aus einer Münsteraner Perspektive?

3 Der Münsteraner Marketingansatz — ein integriertes Konzept

Wer in Münster Marketing studiert, setzt sich unweigerlich mit zwei, auf den ersten Blick widersprüchlichen, Interpretationen des Marketings auseinander: einer unter-nehmensbezogenen Interpretation einerseits, die Marketing als marktorientierte Füh-rung begreift, und einer geschäftsbereichsbezogenen Interpretation andererseits, die Marketing als das Management von KKVs definiert. Beide Konzeptionen stehen je-doch nicht isoliert nebeneinander und sind erst Recht nicht widersprüchlich, sondern stellen im Gegenteil zwei sich ergänzende Perspektiven dar. Das auf Geschäftsbe-reichsebene verankerte KKV-Management wird nur dann erfolgreich gelingen, wenn es in den Rahmen einer marktorientierten Unternehmenskultur und -führung einge-bunden ist. Marktorientierung ist von der Unternehmensleitung vorzuleben. Das er-fordert auch den Einsatz von Motivations- und Anreizsystemen, die marktorientiertes Verhalten positiv sanktionieren. Nur dann wird es gelingen, die notwendigen Investi-tionsmittel für den Aufbau von KKV-Positionen verfügbar zu machen. Eine Unter-nehmensführung, die nicht marktorientiert ausgerichtet ist, wird aufgrund des abwei-chenden Wertesystems, das sie mehr oder weniger implizit kommuniziert, nicht bereit

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sein, alle notwendigen Investitionen zu finanzieren, um eine entsprechende KKV-Position aufzubauen. Das führt zu Effektivitäts- und Effizienzverlusten.

Darüber hinaus werden die Mitarbeiter im Unternehmen, die in der Regel über ein feines, sensitives Verständnis für die wirklichen Werte der Unternehmensführung verfügen, die konsequente KKV-orientierte Marktausrichtung in ihren Geschäftsberei-chen nicht realisieren können respektive wollen. Der sachinhaltliche Kern des Marke-tings, der Aufbau von KKV-Positionen, wird also nur dann erfolgreich gelingen, wenn die notwendigen Markthandlungen durch das Wertesystem eines Unternehmens ge-tragen werden. In diesem Sinne stellen marktorientierte Unternehmensführung und das Management von KKVs keine Antagonismen dar, sondern bieten komplementäre Perspektiven für das Verständnis des Marketings. Insofern hat Heribert Meffert dem Marketing Centrum Münster (MCM) eine Marketingkonzeption hinterlassen, die nicht nur in der Vergangenheit Bedeutung hatte, sondern auch zukünftig eine überzeugen-de Basis für Lehre und Forschung am Marketing Centrum Münster und darüber hin-aus bietet.

4 Zusammenfassung

Das Lebenswerk Heribert Mefferts ist eng mit der Interpretation des Marketings als marktorientierter Unternehmensführung verbunden. Obgleich diese Auffassung in Wissenschaft und Praxis weite Verbreitung gefunden hat, ist die Konkretisierung einer marktorientierten Unternehmensführung nach wie vor nicht vollständig abgeschlos-sen.

In dem Beitrag wird insbesondere der Frage nachgegangen, inwieweit die Interpreta-tion des Marketings als marktorientierter Unternehmensführung einerseits und dem Management von Komparativen Konkurrenzvorteilen (KKVs) andererseits wider-sprüchliche Konzepte sind. Im Ergebnis kann dabei festgehalten werden, dass sich beide Konzepte nicht widersprechen, sondern im Gegenteil komplementäre Perspek-tiven des Marketings darstellen. Der sachinhaltliche Kern des Marketings, der Aufbau von KKV-Positionen, wird nämlich nur dann erfolgreich gelingen, wenn die notwen-digen Markthandlungen durch ein marktorientiertes Wertesystem des gesamten Un-ternehmens getragen werden.

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Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis

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Ulrich Lehner

MarktorientierteUnternehmensführung— Reflexionen aus der Praxis

1 Marketing als marktorientierte Unternehmensführung .............................................33

2 Marketing-Paradigmen – „Make and Sell“ vs. „Sense and Respond“ ......................342.1 „Make and Sell“ ......................................................................................................342.2 „Sense and Respond“ .............................................................................................35

3 Konsequenzen für die Unternehmens-Praxis...............................................................363.1 Kunden-Orientierung von Geschäftsbereichen...................................................363.2 Internationale Markenführung..............................................................................37

4 Gelebte Kundennähe als Basis für erlebten Mehrwert ................................................384.1 Projekt-Generierung ...............................................................................................384.2 Projekt-Realisation ..................................................................................................404.3 Projekt-Beobachtung...............................................................................................41

5 Wert-Orientierung und Werte-Orientierung ................................................................43

6 Abschließende Thesen .....................................................................................................44

7 Literaturverzeichnis .........................................................................................................44

Prof. Dr. Ulrich Lehner ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Henkel KGaA, Düsseldorf.

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Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis

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1 Marketing als marktorientierte Unternehmensführung

Als mit Herrn Prof. Heribert Meffert 1969 der erste deutsche Lehrstuhl für Marketing an einer deutschen Universität besetzt wurde, befand sich die Auseinandersetzung der Wirtschaftssysteme Plan- vs. Marktwirtschaft auf ihrem Höhepunkt. Inzwischen hat sich die freie Marktwirtschaft klar als das effizientere Wirtschaftssystem durchgesetzt – in ihr gehen alle wesentlichen Impulse vom Markt aus und die Wertsteigerung für die einzelnen Marktpartner steht im Fokus (Meffert 2000).

Im Rahmen dieser Entwicklung hat auch Marketing in seiner Funktion als „marktorien-tierte Unternehmensführung“ entscheidenden Bedeutungszuwachs erfahren, vor allem, wenn es als Führungsphilosophie verstanden wird und nicht allein als organisato-rische Funktion im Unternehmen gesehen wird (vgl. Bruhn/Steffenhagen 1989; Despan-de 1999). Schon gar nicht darf die Bedeutung auf die Formel „Marketing = Werbung“ reduziert werden.

„Marketing“ bedeutet damit für uns in der Praxis, alle unternehmerischen Entschei-dungen an den Märkten auszurichten. Es geht dabei nicht allein um den Absatzmarkt,obwohl dieser nach wie vor unser wichtigster Markt darstellt. Es geht auch z.B. um die Kapital- oder Personalmärkte – also praktisch um alle Märkte, mit denen ein Unter-nehmen in Kontakt steht. Für den Kapitalmarkt heißt Marktorientierung beispielsweise, auf „Roadshows“ zu gehen und mit den Anteilseignern, Investoren, Analysten, und Rating-Agenturen zu sprechen. Für den Personalmarkt bedeutet dies, frühe und inten-sive Kontakte zu Studierenden zu etablieren und zu pflegen sowie unternehmensin-tern ein attraktives Arbeitsumfeld zu bieten.

Mit der Absichtserklärung allein ist es nicht getan – es ist unsere Aufgabe, alle Mittel einzusetzen, um für die verschiedenen Märkte durch „Stakeholder Insights“ die not-wendigen Einsichten zu erhalten, um den jeweiligen Bedarf besser zu verstehen und somit die Märkte mit innovativen Angeboten bedienen zu können, die das Leben der Menschen leichter, besser und schöner machen. Wir werden weiter unten im Detail noch darauf eingehen, was das z.B. für einen Absatzmarkt bedeutet (vgl. Barab-ba/Zaltman 1991).

Es gilt also, sich auf alle Märkte, auf alle Stakeholder des Unternehmens auszurichten und diese miteinander in Balance zu bringen. Deshalb „ist Marketing Chef-Sache!“, wie es Helmut Maucher formulierte. Marktorientierte Unternehmensführung bedeutet jedoch nicht nur, dass Marketing lediglich Chef-Sache für den CEO ist, sondern viel-mehr für jeden Mitarbeiter in Bezug auf seinen jeweiligen Markt.

Wir werden im Folgenden detaillierter darlegen, was marktorientierte Unternehmens-führung in der Praxis heute bedeutet. Dazu werden wir als erstes zwei grundlegende

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Ulrich Lehner

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Marketing-Paradigmen vergleichend darstellen und beurteilen. An zwei Beispielen werden wir dann die Implikationen für ein Unternehmen wie Henkel aufzeigen und schließlich ein Prozessmodell skizzieren, anhand dessen wir Kundennähe nicht nur propagieren, sondern auch tatsächlich leben.

2 Marketing-Paradigmen — „Make and Sell“ versus „Sense and Respond“

Wir sprechen zunächst über zwei unterschiedliche Verhaltensmuster in der Entwick-lung des Marketings und treffen eine grundlegende Unterscheidung, die so vertraut wirkt, dass sie uns schon fast trivial erscheint: der Unterschied zwischen einer Herstel-ler-fokussierten Sichtweise und die einer Konsumenten-fokussierten Sicht von Marketing. Beide Sichtweisen sind eng verbunden mit Begriffsstrukturen, die Haeckel (1999) mit den Etiketten „Make and Sell“ bzw. „Sense and Respond“ versehen hat.

2.1 „Make and Sell“

Eine erste Sichtweise („Make and Sell“) lässt sich mit einer Orientierung beschreiben, die den Hersteller als fast ausschließlich agierende Institution sieht: das Unternehmen stellt ein Produkt her und der Konsument hat die Gelegenheit, dies zu erwerben.

„Forschung und Entwicklung“ wird damit zum zentralen Wertschöpfungs-Garanten des Unternehmens. Die Impulse gehen in erster Linie von den Entwicklungslabors aus, in denen Entwickler das entwickeln, was ihnen einfällt. Auch die Rolle des Marketings (früher auch gerne als „Verkaufsabteilung“ oder „Werbeabteilung“ bezeichnet) scheint innerhalb dieser Orientierung klar festgelegt – die aus der „Forschung und Entwick-lung“ stammenden neuen Produkte sind so zu gestalten, zu bewerben und zu ver-markten, dass der Konsument ein Bedürfnis entwickelt, dieses Produkt zu kaufen.

Einer der profiliertesten Marketing-Theoretiker der 1970er und 1980er Jahre, der kürz-lich verstorbene Theodore Levitt von der Harvard Business School, hat bis zu seinem Lebensende die Doktrin vertreten, wonach Konsumenten lediglich „passive Rezipien-ten“ von Angeboten des Unternehmens sind und Produkte für den Verbraucher entwi-ckelt werden (Levitt 1983). Seine Vorstellung beispielsweise von der Dominanz der „globalen Marke“ ist wohl die aktuellere Version von Henry Fords Idee des Einheits-produktes in der Einheitsfarbe.

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Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis

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Wir haben die Levitt‘sche Doktrin in unserem Henkel Harvard Case zur „Globalen Markenführung“ beschrieben (vgl. Schroiff/Arnold 2004). Individuellere Bedürfnisse auf Konsumentenseite sind eben einfach Fehlervarianz in einer Hersteller-Philosophie, die sich primär an „economies of scale“ orientiert. Die „Make and Sell“-Sichtweise beinhaltet natürlich auch, dass Marketing als Funktion eher als Funktion gesehen wird, eher taktisch geprägt sein sollte und sich auf die Vermarktung des globalen Einheitsproduktes konzentriert. „Make and Sell“ ist daher wie der öffentliche Nahver-kehr – wenn man damit fahren will, muss man zur Abfahrtszeit an die Haltestelle, sonst bleibt man da, wo man ist.

2.2 „Sense and Respond“

Anders liegen die Dinge bei „Sense and Respond“ – hier stehen der Verbraucher und die jeweiligen Märkte im absoluten Zentrum der Aufmerksamkeit. In einer ständigen Bewegung und mit äußerster Sensibilität erfasst und antizipiert das Unternehmen Befindlichkeiten, Strömungen usw. auf Seiten der Konsumenten. Diese Erkenntnisse und ihre Veränderungen dienen als Wissens-Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte oder der Adaptation bestehender Angebote. Das Marketing reagiert und agiert zugleich bei Veränderungen des Pulsschlages der Verbraucher. Dieser Vorgang ist kontinuierlicher Art und damit etwas völlig anderes als das uns nicht unbekannte gelegentliche Punktieren des Konsumenten, wenn die Innovations-Pipelines ausge-trocknet sind oder man sich intern nicht über eine Werbe-Kampagne einigen kann und den armen Verbraucher als Schiedsrichter und Sündenbock herbeizitiert.

Niemand sollte aber jetzt den Eindruck haben, als ob man die „Forschung und Ent-wicklung“ komplett dem Verbraucher überträgt. Natürlich ist und bleibt die generati-ve Verantwortung einzig und allein beim Unternehmen – nur werden hier Produkte nicht mehr für, sondern mit den Konsumenten entwickelt. Das führt unmittelbar zu einer Verlagerung des Schwerpunktes in der Marketing-Funktion. Neben die natürlich fortzuführende taktische Umsetzung von Produktideen tritt nun als wesentliche De-terminante der Wertschöpfung die Generierung von kunden-zentrierten Produktkon-zepten. „Sense and Respond“ ist damit eher wie Taxi fahren, die holen einen überall ab und fahren ein überall hin und passen sich damit flexibel den Kundenbedürfnissen an.

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Ulrich Lehner

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3 Konsequenzen für die Unternehmens-Praxis

Grau ist alle Theorie – was bedeuten diese strukturellen Sichtweisen für die Praxis eines Unternehmens wie Henkel? „Make and Sell“ und „Sense and Respond“ beinhal-ten jeweils mehr als nur ein plakatives Schlagwort, sondern ziehen eine Reihe von Konsequenzen nach sich, die uns heute in der Marketing-Praxis maßgeblich beeinflus-sen. Wir möchten an zwei Beispielen erläutern, welche unmittelbaren Konsequenzen eine „Sense and Respond“-Orientierung auf grundlegende strukturelle Ausrichtungen eines Unternehmens haben kann. Exemplarisch beziehen wir uns zunächst auf die Kunden-Orientierung der Geschäftsbereiche unseres Unternehmens und dann auf grundle-gende Prinzipien der Internationalen Markenführung.

3.1 Kunden-Orientierung von Geschäftsbereichen

Markt ist nicht gleich Markt und Kunde ist nicht gleich Kunde. Marktorientierung bedeutet, dass wir diese Unterschiede anerkennen und sie als Chancenfeld in unsere strategischen und taktischen Überlegungen einbinden. Daher gehen wir auch mit dem Thema „Globalisierung“ kunden-orientiert um: es gibt ein Globalisierungs-„Muss“ und ein Globalisierungs-„Kann“. Dies hängt davon ab, wie sich unsere Kundenanfor-derungen gestalten; die Globalisierung der Geschäfte gestaltet sich daher in Abhän-gigkeit vom Globalisierungsgrad unserer Kunden. Für unseren Unternehmensbereich „Technologies“ z.B. mit seiner Sparte Industrieklebstoffe ist es quasi selbstverständlich, dass wir mit unseren Angeboten den global einheitlichen Anforderungen etwa der Automobil-Industrie entsprechen. Hier macht es keinen Unterschied, ob Industriekle-ber in der Fahrzeugproduktion in Brasilien, Tschechien oder Tokio eingesetzte werden: die einheitlichen Spezifikationen erfordern ein global einheitliches Produkt und eine global einheitliche Vermarktungsstruktur. In diesen Bereichen ist „Globales Marke-ting“ keine Option, sondern eine Notwendigkeit.

Anders sieht es beispielsweise in den Konsumgütersparten aus. Hier wissen wir um eine Vielfalt an regionalen oder sogar lokalen Bedürfnissen, denen wir mit unseren Angeboten an den Kunden zu entsprechen haben. Die Vermarktung einer einheitli-chen Spülmittel-Rezeptur stößt z.B. vor dem Hintergrund unterschiedlicher Verwen-dungsgewohnheiten (in Deutschland in stehendem heißen Wasser, in Spanien unter fließendem kalten Wasser) auf Schwierigkeiten. Von daher stellt sicherlich eine globale Vermarktung eines einheitlichen Produktes für uns ein Desiderat dar – dennoch haben wir die Tatsache zu respektieren, dass sich Verbraucher in ihren Ansprüchen und Verwendungsgewohnheiten weltweit immer noch deutlich unterscheiden. Insofern

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Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis

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bleibt hier „Globales Marketing“ bislang eher eine Zielvorstellung, hat aber mit der Realität in der Vermarktungspraxis aktuell weniger zu tun.

3.2 Internationale Markenführung

Im Rahmen eines wohl falsch verstandenen Globalisierungs-Konzeptes haben sich vor allem in den 1990er-Jahren viele Unternehmen einer Doktrin verschrieben, die ent-sprechend der Grundannahmen von Levitt (1983) annimmt, dass sich aufgrund zu-nehmend homogenerer Kundenbedürfnisse auch die Erscheinungsform von Produk-ten global einheitlicher gestalten würde (weltweit gleiches Produkt unter weltweit gleicher Marke). In Verbindung mit den ökonomischen Vorteilen höherer Losgrößen führte dies in vielen Unternehmen zu einer Art „Zwangs-Globalisierung“. Konsumen-ten fanden plötzlich nicht mehr ihre vertrauten Marken im Regal, sondern wurden mit artfremden Substituten beglückt, die auf der Vorstandsetage eines globalen Konzerns als global gültig deklariert worden waren.

Henkel hat sich dieser Art von „Globalisierungs-Zwangsjacke“ nie angeschlossen. Der Grund liegt in der spezifischen Kunden-Orientierung von Henkel, die uns seit jeher klar erkennen lässt, dass Kunden sowohl eine gewachsene emotionale Beziehung zu ihren Marken besitzen als auch eine gewachsene funktionale Erwartung an das Leis-tungsspektrum des Produktes haben.

Kunden-Orientierung bedeutet damit in der Praxis auch, dass wir starke Marken mit starken Produkten verbinden. Wie wir in unserer internationalen Markenführung erfolgreich bewiesen haben, bewährt sich entgegen der akademischen Doktrin (nach der Produkt und Marke eine feste Einheit bilden) die flexible Kombination von Pro-dukt- und Marken-Assets. Bei der gleichen Colorations-Marke finden sich unter-schiedliche Rezepturen in Abhängigkeit von der regionalen Beschaffenheit des Haares. Asiatisches Haar besitzt eben eine andere Struktur – daher ist auch (unter der gleichen Marke) ein unterschiedliches Produkt erforderlich. Ein gutes Produkt kann auch unter unterschiedlichen lokalen Marken eingesetzt werden, solange diese beim Konsumen-ten breit und emotional verankert sind. Wir haben das Produkt und auch das Konzept unserer deutschen Waschmittelmarke „Spee“ bei einer Reihe von lokalen Marken weltweit sehr erfolgreich umgesetzt.

Ein Produktkonzept existiert nicht ohne Marke. Wie bereits früher angesprochen, sehen wir heute die Bedeutung der Marke noch wesentlich zentraler als jemals zuvor. Wir haben zahlreiche Beweise dafür, welche ungeheuren emotionalen Bindungskräfte über die Marke erreicht werden und welchen Einfluss dies auf wichtige Zielgrößen wie Kunden-Loyalität ausübt. Die emotionale Verbindung einer Markenpersönlichkeit mit den psychologischen Strukturen unserer Kunden-Segmente ist damit eines der vor-dringlichsten Ziele unserer Marketing-Arbeit.

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Ulrich Lehner

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4 Gelebte Kundennähe als Basis für erlebten Mehrwert

Die Begriffsstruktur hinter „Sense and Respond“ beinhaltet offensichtlich weit mehr als ein Lippenbekenntnis zu mehr Marktorientierung und Kundennähe. Kunden-Orientierung ist mittlerweile ein inflationär gebrauchtes Schlagwort, das in keinem Geschäftsbericht fehlen darf. Zwischen artikulierter Kunden-Orientierung als bloßer Worthülse und einer gelebten Kundennähe liegen allerdings Welten.

Zentrale Aufgabe des Marketings ist die Transformation von Wissen in Netto-Umsätze. Aus Wissen über den Konsumenten werden nur dann Nettoumsätze, wenn man sich als Unternehmen zu einem umfassenden und kontinuierlichen Dialog mit dem Kunden verpflichtet und diesen auch tatsächlich umsetzt und lebt. Wir investie-ren daher in Wissen, um aus dem Wissen einen erkennbaren Mehrwert für unsere Kunden und Aktionäre zu generieren. Wert schaffen basiert auf einem innovativen und funktionalen Leistungsangebot. Dazu nutzen wir einen strukturierten sequentiel-len Prozess, der drei grundlegende Stufen beinhaltet (vgl. Schroiff 2007).

4.1 Projekt-Generierung

Mittels einer Serie von systematisch geplanten Interaktionen mit dem Kunden werden „Customer Insights“ gewonnen. Diese werden in Bedürfnisstrukturen überführt und katalogisiert, auf deren Basis Produkt- und Leistungskonzepte konzipiert werden. In Verbindung mit einer Marke als „psychologischem Träger-System“ werden die neuen Produkt- und Leistungsideen vom Kunden bewertet und ggf. in mehreren Iterations-schritten mit dem Kunden weiterentwickelt.

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Abbildung 1: Vom Wissen über den Kunden zur Produktidee (Quelle: Schroiff 2007)

ConsumerKnowledge

ProductIdea

Sequential Adaptive Process

Relatively vague Relatively certain

CONCEPTTEST

CONCEPTTEST

TESTINGTESTING

DISTILLINGDISTILLING

CAPTURINGCAPTURING

TRANSFORMINGTRANSFORMING

SCREENLAB

SCREENLAB

CONCEPTCLINIC

CONCEPTCLINIC

SUPERGROUPS

SUPERGROUPS

CREATIVEWORKSHOPS

CREATIVEWORKSHOPS

DESKRESEARCH

DESKRESEARCH

HOME VISITSHOME VISITS

CONSUMERHOTLINE

CONSUMERHOTLINE

DIARIESDIARIES

USAGE &ATTITUDE

USAGE &ATTITUDE

etc.

ConsumerKnowledge

ProductIdea

Sequential Adaptive Process

Relatively vague Relatively certain

CONCEPTTEST

CONCEPTTEST

TESTINGTESTING

DISTILLINGDISTILLING

CAPTURINGCAPTURING

TRANSFORMINGTRANSFORMING

SCREENLAB

SCREENLAB

CONCEPTCLINIC

CONCEPTCLINIC

SUPERGROUPS

SUPERGROUPS

CREATIVEWORKSHOPS

CREATIVEWORKSHOPS

DESKRESEARCH

DESKRESEARCH

HOME VISITSHOME VISITS

CONSUMERHOTLINE

CONSUMERHOTLINE

DIARIESDIARIES

USAGE &ATTITUDE

USAGE &ATTITUDE

etc.

Abbildung 1 lässt bereits die grundlegenden Charakteristika unseres Vorgehens erkennen. Wir bewegen uns hier (von links nach rechts) in einem geordneten und kontinuierli-chen Prozess, der gekennzeichnet ist durch unsere unabdingbare Konsumenten-Orientierung.

Zwischen „Wissen über den Konsumenten“ (Consumer Knowledge) und einer konsu-menten-orientierten Produktidee (Product Idea) liegen eine Reihe von Stufen, die wir in all unseren Unternehmensbereichen systematisch durchlaufen.

Ganz entscheidend ist der dritte Schritt, bei dem wir diese Erkenntnisse in einem krea-tiven Prozess in mögliche Produktideen transformieren, die wir dann wiederum in Interaktion mit dem Konsumenten auf ihre relative Relevanz prüfen.

Einem Missverständnis sollte an dieser Stelle aber unbedingt vorgebeugt werden: Es ist ein grundlegender Irrtum, anzunehmen, dass Kunden in der Lage sind, dem Un-ternehmen ein aussagefähiges Innovations-Programm in die Feder zu diktieren. Hier denken wir ähnlich wie seinerzeit Henry Ford mit dem ihm zugeschriebenen Zitat „Wenn ich die Kunden nach ihren Bedürfnissen gefragt hätte, dann hätten sie mir gesagt – ich möchte ein schnelleres Pferd“. Der o. a. Transformationsschritt ist eben daher so entscheidend, weil das Unternehmen sich hier auf ein bestimmtes Abstrakti-onsniveau zu bewegen hat, um die grundlegenden Informationen über Bedürfnis-Kataloge (z.B. schnellere Fortbewegung) in einem innovativen Sinne zu interpretieren und unternehmerisch-kreativ umzusetzen (Lehner 2006a). Hier liegt u. E. eine wichti-ge Quelle von erfolgreichem marktorientierten Unternehmertum.

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Ulrich Lehner

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Zwischen breiten Erkenntnissen über unsere Konsumenten und spitzen Konzeptideen liegt also ein systematischer Prozess, der „relativ vage“ beginnt und „relativ sicher“ endet – mit einer „gefühlten“ Innovationsidee eben, die wir über unsere enge Anbin-dung an den Konsumenten mit ihm/ihr zusammen erarbeitet haben.

4.2 Projekt-Realisation

Im zweiten Schritt werden die kundenbezogenen Produkt- und Leistungskonzepte in ihren einzelnen Marketing-Mix-Faktoren umgesetzt. Hierzu erfolgt im Pre-Testing durch die Interaktion mit dem Kunden eine systematische Anpassung aller Marketing-Mix-Faktoren.

Abbildung 2: Von der Produktidee zur Markteinführung (Quelle: Schroiff 2007)

ProductIdea

MarketIntroductionCONCEPT

TEST

CONCEPTTEST BASESBASES

PRODUCT TESTPRODUCT TEST

PRICE TESTPRICE TEST

ADVERTISING TESTADVERTISING TEST

Sequential Adaptive Process

Relatively vague Relatively certain

PACKAGING TESTPACKAGING TEST

CONCEPTCONCEPTSINGLE MARKETING MIX FACTORS

SINGLE MARKETING MIX FACTORS

FINAL OFFER

FINAL OFFER

ProductIdea

MarketIntroductionCONCEPT

TEST

CONCEPTTEST BASESBASES

PRODUCT TESTPRODUCT TEST

PRICE TESTPRICE TEST

ADVERTISING TESTADVERTISING TEST

Sequential Adaptive Process

Relatively vague Relatively certain

PACKAGING TESTPACKAGING TEST

CONCEPTCONCEPTSINGLE MARKETING MIX FACTORS

SINGLE MARKETING MIX FACTORS

FINAL OFFER

FINAL OFFER

Dazu zählt eine persuasive Werbung, ein überlegenes Produkt und ein angemessener Preis. Henkel hat im Herbst 2006 den „Saphir-Effie“ für unsere Werbung der letzten Jahrzehnte erhalten. Das ist sicher durch viele Erfolgsfaktoren bedingt. Unsere Agen-turen spielen hier eine große Rolle, aber natürlich gilt, dass Werbung ohne Inhalt nur Unterhaltungswert besitzt, für den man sich im wahrsten Sinne des Wortes nichts kaufen kann.

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Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis

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Wenn wir einen Film auf Sender geben, dann haben wir vorher intensiv mit den Kon-sumenten darüber gesprochen. Und das trägt wesentlich dazu bei, dass man uns auch hier sagt: „Ja, jetzt habt ihr uns verstanden“.

Beim Produkt sind wir ähnlich orientiert. Dass asiatisches Haar anders strukturiert ist als unser Haar, hat seinen Niederschlag in der Produkt-Zusammensetzung zu finden, sonst haben wir ein falsches Verständnis von dem, was „Globales Marketing“ bedeutet (Lehner 2003).

Und zum Thema „Preis“ kann nur gesagt werden, dass Konsumenten ganz offensicht-lich bereit sind, für Markenartikel mit funktionalem und emotionalem Mehrwert einen Preis zu zahlen, der eher im Premium-Bereich dieser Produktgruppe liegt. So etwas ist heute im Zeitalter der „Geiz ist geil“-Propaganda oder der „Ich bin doch nicht blöd“-Einstellung als ein umso größerer Erfolg zu werten.

Auch hier findet man wieder eine Illustration unseres grundlegenden Prinzips: wir bewegen uns von der Idee (links) bis zur Markteinführung (rechts) in steter Interakti-on mit dem Konsumenten in einer sequenziellen und adaptiven Optimierung unseres Angebotes.

Ausgehend von einer mit dem Konsumenten erarbeiteten konzeptionellen Idee verbessern wir kontinuierlich jeden unserer Marketing-Mix-Faktoren, bis wir eine optimale Kombination unserer Ausstattungsmerkmale erarbeitet haben. Das kann manchmal Zeit erfordern, da mehrere Iterationsschritte zu durchlaufen sind.

Am Ende aber steht ein Angebot, von dem wir nicht nur mit Recht behaupten können, dass es sich hier um einen Markenartikel handelt – nein, wir verfügen auch über eine wissenschaftlich begründbare Perspektive, inwieweit sich dieses Angebot unter „cete-ris paribus“-Bedingungen in einem äußerst kompetitiven Wettbewerbsumfeld behaup-ten wird. Zwischen Idee und Markteinführung liegt also auch hier ein systematisch angelegter Prozess, der uns hilft, unsere Opportunitäten zu maximieren und unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter zu steigern.

4.3 Projekt-Beobachtung

Wertschöpfung entsteht nicht zuletzt durch erfolgreiche Umsetzung im Markt. Im dritten Schritt wird daher die Steuerung der Markt-Performance vorgenommen. Dies wird anhand intensiver und kontinuierlicher Beobachtung von Kunden- und Wettbe-werbsverhalten (Business Intelligence) zur Klärung der Fragen „Was passiert?“ (Re-porting) und „Warum passiert es?“ (Modelling & Analytics) vorgenommen. Auch diese Aktivitäten erfolgen in Interaktion mit dem Kunden, um entsprechende Anpas-sungsmaßnahmen ergreifen zu können.

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Abbildung 3: Von der Markteinführung zu nachhaltigen Abverkäufen (Quelle: Schroiff 2007)

MarketIntroduction

SustainableNet Sales

DATAPURCHASES

DATAPURCHASES

REPORTINGREPORTINGANALYSESANALYSES

DATA MANAGEMENTDATA MANAGEMENT

DATAHARMONIZATION

DATAHARMONIZATION

CONCEPTUALHARMONIZATION(?WHITE BOOK“)

CONCEPTUALHARMONIZATION(?WHITE BOOK“)

STANDARDREPORTINGHIERARCHIES

STANDARDREPORTINGHIERARCHIES

STANDARDANALYTICALROADMAPS

STANDARDANALYTICALROADMAPS

MINERVAMINERVA

Sequential Adaptive Process

Relatively vague Relatively certain

WHAT?

WHY?

MarketIntroduction

SustainableNet Sales

DATAPURCHASES

DATAPURCHASES

REPORTINGREPORTINGANALYSESANALYSES

DATA MANAGEMENTDATA MANAGEMENT

DATAHARMONIZATION

DATAHARMONIZATION

CONCEPTUALHARMONIZATION(?WHITE BOOK“)

CONCEPTUALHARMONIZATION(?WHITE BOOK“)

STANDARDREPORTINGHIERARCHIES

STANDARDREPORTINGHIERARCHIES

STANDARDANALYTICALROADMAPS

STANDARDANALYTICALROADMAPS

MINERVAMINERVA

Sequential Adaptive Process

Relatively vague Relatively certain

WHAT?

WHY?

Über die Flopraten in der Konsumgüterindustrie ist schon viel geschrieben worden. In welcher Größenordnung auch immer die Schätzungen sind – der Prozentsatz ist ein-fach zu hoch; kein börsennotiertes Unternehmen kann es sich auf Dauer leisten, mit dem Kapital der Aktionäre eine Art vornehmes Glücksspiel zu betreiben.

Natürlich sind Flops darin begründet, dass man ein Produkt auf den Markt bringt, das keiner braucht, natürlich auch durch eine unzureichende Umsetzung von Produkt, Werbung und Preis.

Aber Fakt ist auch, dass viele gute und gut exekutierte Ideen deshalb sich nicht im Markt etablieren, weil die Vermarktungs-Aktivitäten der Hersteller nicht wirklich professionell geplant sind, die Marktentwicklung nicht kontinuierlich beobachtet wird und bei Abweichungen vom Soll nicht konsequent nachkorrigiert wird.

Henkel hat auch hier Maßstäbe gesetzt – unsere „Business Intelligence“-Aktivitäten zusammen mit ACNielsen sind hinreichend beschrieben worden. Wir beobachten Konsumenten- und Wettbewerbsverhalten und suchen nach Antwort auf die „Wa-rum?“-Fragen, die uns eine zielgerichtete Korrektur ermöglichen.

Neben der intensiven Interaktion mit dem Kunden, liegt das Erfolgsgeheimnis in dem systematisch und vor allem diszipliniert zu durchlaufenden Prozess – auf diese Weise kann die Floprate minimiert werden.

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Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis

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5 Wert-Orientierung und Werte-Orientierung

Wenn man als Unternehmen „Sense and Respond“ als eine Art Leitmotiv akzeptiert und verinnerlicht, so kommt man rasch auf weitere Determinanten der erlebten Wert-schöpfung durch Produkte eines Unternehmens, die sich mittlerweile deutlich vom Produkt bzw. der Marke selbst abheben. In diesem Zusammenhang haben wir bereits mehrfach das Thema „Corporate Social Responsibility“ (CSM) angesprochen (Lehner 2006b). Zunehmend ist unseren Kunden auch wichtig, dass wir unser Leistungsange-bot gesellschaftlich verantwortlich erbringen. Dabei gilt: Es ist entscheidend, wie sich ein Unternehmen bei der Erzielung von Gewinn verhält. Was es dann mit dem Ge-winn tut, ist eine zweite Frage und betrifft insbesondere die Eigentümer.

In diesem Sinne hat das Marketing nicht nur wert-orientiert, sondern auch Werte-orientiert zu sein. Dann erhöhen wir nicht nur die Qualität unseres Leistungsangebotes und steigern das Vertrauen in unser Unternehmen, sondern unterstützen gleichzeitig die gesellschaftliche Akzeptanz der Marktwirtschaft.

Laut der GfK vertrauen nur 18 Prozent der deutschen Bevölkerung den Managern. Schlechter schneiden nur Politiker mit 10 Prozent ab. Das höchste Vertrauen genießen die Mediziner mit 86 Prozent und Lehrer mit 77 Prozent. Das sind Zahlen aus dem Frühjahr 2006. Die bescheidene Reputation von Kaufleuten ist auch nicht wirklich etwas Neues. Es zieht sich zurück bis zum Beginn der zivilisierten Gesellschaft. Ob wir in das alte China-Reich schauen, nach Zentraleuropa oder in den arabischen Raum mit dem Zinsverbot blicken, Kaufleute gehörten zu den Gruppen mit eher niedriger ge-sellschaftlicher Wertschätzung. Erst mit der Industrialisierung haben die Unternehmer und später Manager eine Aufwertung erfahren, die es zu rechtfertigen gilt in einem zunehmend schwieriger werdenden Umfeld.

Insgesamt haben wir also unserem Umfeld zu vermitteln, dass wir nach Werten leben, diese diskutieren, und es ist zu vermitteln, dass in unseren Organisationen werteorien-tiertes Handeln belohnt wird. Es ist unsere Aufgabe, Mitarbeiter einzustellen und zu fördern, die werte-orientiert denken und handeln. Dies stützt die Reputation des Un-ternehmens und sorgt für einen Gleichklang mit den Werten der Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und anderer Stakeholder, von deren Wertschätzung unser wirtschaftlicher Erfolg abhängt. Damit ist nicht nur das Ergebnis unseres Handelns im wert-orientierten Sinne, sondern auch die Art der Wertschaffung im werte-orientierten Sinne ausschlaggebend für den nachhaltigen Unternehmenserfolg in der Marktwirt-schaft. So führt die Umsetzung von Wertorientierung zu Gemeinwohl; ganz dem We-sen der Marktwirtschaft folgend, wonach die Verfolgung von Eigeninteresse zu Ge-meinwohl führt.

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Ulrich Lehner

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6 Abschließende Thesen

Die Ausführungen des Beitrags sollen durch die folgenden Punkte zusammengefasst werden:

„Marketing“ ist eine grundlegende Orientierung, nicht mehr nur ein Funktion innerhalb einer Organisation.

„Marketing“ steht heute für eine Unternehmens-Philosophie, alle Aktivitäten am jeweiligen Markt auszurichten.

Für Absatzmärkte beinhaltet eine Marketing-Orientierung die ultimative Orientie-rung am Kunden.

„Kunden-Orientierung“ als Management-Prinzip wirkt in praktisch alle Vermark-tungs-Vorgänge hinein – vom Produkt-Portfolio über as Markenverständnis hin zur organisatorischen Ausrichtung von Unternehmensbereichen.

„Kunden-Orientierung“ bedeutet auch eine Hinwendung zu den als „Sense and Respond“ bezeichneten Denkstrukturen.

„Sense and Respond“ wiederum beinhaltet eine konsequente Umsetzung im Rah-men eines Marktforschungsprogramms, um (a) durchgehenden und intensiven Kundenkontakt zu gewährleisten, (b) die gesamte Wertschöpfungskette von Wis-sen über den Konsumenten bis hin zu profitablen Abverkäufen systematisch zu durchlaufen („Return on Marketing“).

Am Ende stehen Angebote an den Konsumenten, die das Leben der Menschen leichter, besser und schöner machen. Das ist immer dann der Fall, wenn der Kunde sagt: „Ja, jetzt habt ihr mich verstanden“.

7 Literaturverzeichnis

BARABBA, V./ZALTMAN, G. (1991): Hearing the Voice of the Market, Boston.

BRUHN, M./STEFFENHAGEN, H. (Hrsg.) (1998): Marktorientierte Unternehmensführung, 2. Aufl., Wiesbaden.

HAECKEL, S. (1999): The Adaptive Enterprise, Boston.

LEHNER, U. (2006a): Innovation is the job of every manager throughout the entire or-ganisation – Interview, in: Prism, 120 years of Arthur D. Little, S. 21.

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Marktorientierte Unternehmensführung — Reflexionen aus der Praxis

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LEHNER, U. (2006b): Business Ethics as a Management Instrument – Vision, Values and Code of Conduct at Henkel, in: Hennigfeld, J. et al. (Hrsg.): The ICCA Handbook on Corporate Social Responsibility, West Sussex.

LEHNER, U. (2003): Globale Unternehmen brauchen globale Strukturen – Globalisie-rung: Mittel zur Leistungssteigerung und Kostenoptimierung?, in: Horváth, P. (Hrsg.): Performancesteigerung und Kostenoptimierung. Neue Wege und erfolg-reiche Praxislösungen, Stuttgart.

LEVITT, TH. (1983): The Globalization of Markets, in: Harvard Business Review, Vol. 61, No. 3, S. 92-102.

MEFFERT, H. (2000): Marketing, 9. Aufl., Stuttgart.

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

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Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein

Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

1 Einführung ........................................................................................................................49

2 Führungssysteme in globalen Unternehmen – eine Exploration...............................492.1 Erste Befunde: das generische Führungssystem als konzeptioneller

Führungsrahmen.....................................................................................................522.2 Zweite Befunde: Zur Ausgestaltung von Führungssystemen in der Praxis....552.3 Dritte Befunde: Designprinzipien organisatorischer Führungssysteme..........57

3 Schlussfolgerungen und Thesen für eine Gestaltung marktorientierter Führungssysteme .............................................................................................................59

4 Literaturverzeichnis .........................................................................................................61

Prof. Dr. Dr. h.c. Ralf Reichwald ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre – Informati-on, Organisation und Management an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Techni-schen Universität München (TUM).

Prof. Dr. Kathrin M. Möslein ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik I an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

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1 Einführung

In der Führungspraxis multinationaler Großunternehmen genießen heute vielfältige Führungsinstrumente, Führungssysteme und Führungsrahmenwerke weithin Bedeu-tung und Verbreitung. Sie sollen den systematischen und nachhaltigen Aufbau von Führungsstärke in Unternehmen unterstützen und bilden letztlich den organisato-risch-institutionellen Rahmen für die individuelle Führung im Unternehmenskontext (vgl. Daft 2005, Yukl 2005).

Der vorliegende Beitrag widmet sich diesem Spannungsfeld individueller Führung und organisatorischer Führungssysteme. Er berichtet Ergebnisse explorativer For-schung aus einer groß angelegten Untersuchung organisatorischer Führungssysteme in 37 multinationalen Großunternehmen. Dabei zeigen sich die Grenzen der Marktori-entierung heutiger Führungssysteme, es zeigen sich aber auch Ansatzpunkte für eine gezielte Öffnung und Ausrichtung organisatorischer Führungssysteme im Sinne einer marktorientierten Unternehmensführung (vgl. Meffert 1988, 1999).

2 Führungssysteme in globalen Unternehmen — eine Exploration

Der systematische Aufbau von Führungskapital gilt insbesondere in der Praxis global agierender Großunternehmen zunehmend als strategische Ressource. Auf breiter Basis wurden daher in den letzten Jahren Instrumente, Mechanismen und Systeme für ein Management der Führung, so genannte Führungssysteme, implementiert. Mit der im Folgenden vorgestellten Studie (vgl. Reichwald/Möslein 2005; Möslein 2005) wurde der Versuch unternommen, das Feld der Führungssysteme in Unternehmen explorativ auszuleuchten und ein verbessertes Verständnis davon zu erarbeiten:

ob und wie Unternehmen heute Führungswissen als strategisches Kapital generie-ren,

welche Führungssysteme (im Sinne von Führungsinstrumenten, Führungsteilsys-temen und -systemen) Unternehmen zur Generierung von Führungswissen (be-wusst) nutzen,

welchen Nutzen sie sich von deren Nutzung versprechen und

welche Potenziale – aber auch Beschränkungen – diese Führungssysteme vor dem Hintergrund erklärter aktueller Herausforderungen der Unternehmensführung bieten.

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Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein

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Ziel der Untersuchung ist ein verbessertes Verständnis über die Analyse, Bewertung und Gestaltung von Führungssystemen als institutionelle Rahmenwerke der Unter-nehmenspraxis zum Aufbau von Führungsstärke im Hinblick auf eine Verbesserung der Unternehmensperformance. Dabei ist die langfristige Unternehmensentwicklung im Visier und die Fragestellung, welche Rolle das Führungssystem für die Generie-rung von Führungsstärke einnimmt. Der Blick richtet sich auf Großunternehmen mit einer großen Zahl an Führungskräften, die bereits über mehr oder weniger stark ela-borierte Systeme und Strategien der Entwicklung von Führungsstärke verfügen, da sie in natürlicher Weise den dringlichsten Bedarf der Entwicklung und Implementierung solcher Systeme und Strategien aufweisen. Hierzu wurden in 40 zumeist global agie-renden Großunternehmen über 90 Interviews und Workshops sowie umfangreiche Dokumentenanalysen durchgeführt. 37 der untersuchten Unternehmen konnten auf-grund der Vollständigkeit der Datenlage in die Auswertung einbezogen werden. Die in die Studie einbezogenen Unternehmen beschäftigen insgesamt mehr als 3,2 Mio. und durchschnittlich rund 87.000 Mitarbeiter. Die Anzahl der Führungskräfte je Un-ternehmen reicht von ca. 100 bis zu über 50.000 Personen in Führungsverantwortung. Eine Übersicht der in die Auswertung einbezogenen Unternehmen zeigt Tabelle 1.

Tabelle 1: Unternehmen im Untersuchungspanel der Exploration

Allianz Gruppe Deutsche Börse MAN Gruppe

Audi Deutsche Telekom Marsh

BAE Systems E.ON Energie Münchener Rück

Bayerische LB Fairchild Dornier Philip Holzmann

BayWa Hewlett Packard Philips

Bertelsmann HypoVereinsbank Roland Berger

BMW IBM SAP

BSH INA Schaeffler Siemens

British Telecom JPMorgan Chase Südchemie AG

ChevronTexaco Krones Transco

Cisco Systems Leoni TUI Gruppe

DaimlerChrysler Liberty Mutual

Deutsche Bank Lufthansa

Bei der Auswahl der Interviewpartner stand angesichts der Breite des Untersuchungs-themas vor allem das Bemühen um eine ganzheitlich strategische Einschätzung der Situation im Unternehmen im Vordergrund. Vor diesem Hintergrund wurden mit den

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

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Interviews in den Unternehmen in einem ersten Schritt jeweils Führungskräfte der obersten Führungsebenen (Vorstände, Geschäftsführer, weitere Top-Führungskräfte sowie Verantwortliche für die Führungskräfteentwicklung und die Ausgestaltung von Führungssystemen) adressiert. Interviews mit Top-Führungskräften sind bezüglich ihrer Aussagekraft bekanntermaßen mit Vorsicht zu interpretieren. Dies gilt insbeson-dere in Bezug auf die Selbstdarstellungsrhetorik der Befragten, ihre Wahrnehmung der Unternehmensrealität und die Gefahr unklarer Soll-Ist-Diskrepanzen. Dennoch wurde gerade diese Zielgruppe im Rahmen der Untersuchung adressiert. Dies erfolgte insbesondere aufgrund der ganzheitlich strategischen Ausrichtung sowie der Ent-scheidungsmacht von Top-Führungskräften in Bezug auf Zukunftsentwicklungen im Themenfeld. In durchschnittlich zweistündigen Interviews konnte jeweils ein Über-blick über die explizit im Einsatz befindlichen Instrumente, Systeme und Strategien eines Unternehmens zur Generierung von Führungsstärke erarbeitet werden („Füh-rungssysteme ‚in place’“). Es folgten ergänzende und vertiefende Interviews mit aus-gewählten Linienführungskräften und Teilnehmern von Führungskräfteentwick-lungsprogrammen. Sie boten die Gelegenheit zur gezielten Kontrastierung der „Füh-rungssysteme ‚in place’“ mit Aussagen über tatsächliche, häufig implizite Praktiken und Instrumente, Systeme und Strategien der Unternehmen zur Generierung von Führungsstärke („Führungssysteme ‚in use’“).

Die empirische Basis dieser Studie umfasst neben den Protokollen der Interviews, vertrauliche unternehmensinterne Dokumente sowie veröffentlichte Unternehmensin-formationen über die Führungssysteme der beteiligten Unternehmen des Untersu-chungspanels. Die Entwicklung des konzeptionellen Bezugsrahmens sowie der Erhe-bungs- und Auswertungsmethodik der Studie wurde darüber hinaus von einem Ex-pertenkreis einschlägiger Wissenschaftler und Praxisvertreter begleitet. Ausgerichtet am pragmatischen Wissenschaftsziel einer realwissenschaftlich orientierten Manage-mentforschung ist die Untersuchung konsequent explorativ angelegt. Die Schritte der Datenerhebung, der Datenauswertung sowie des Experimentaldesigns charakterisie-ren den Verlauf der Exploration. Der Forschungsprozess lässt sich dementsprechend in drei elementare Phasen untergliedern:

die Phase der konzeptionellen Entwicklung des Führungsrahmens und der Daten-erhebung im Untersuchungsfeld (Phase I),

die Phase der konzeptionellen Entwicklung des Evaluierungsrahmens und der Datenauswertung (Phase II) sowie

die Phase der konzeptionellen Entwicklung des Pilotierungsrahmens und des Experimentaldesigns (Phase III).

Im Ergebnis fokussiert die Studie auf qualitative Befunde mit Modellcharakter, die Aufschluss geben über den Status quo der Instrumente, Konzeptionen und Strategien der Generierung von Führungswissen in global agierenden Großunternehmen. Aus allen drei Etappen der Exploration sind nachfolgend Befunde zu berichten. Während

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Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein

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die grundlegenden Ergebnisse der Studie bereits vorgelegt wurden (vgl. Reich-wald/Möslein 2005; Möslein 2005), soll im Rahmen dieses Beitrags die Ergebnisdarstel-lung auf die Frage fokussiert werden, inwieweit die identifizierten Führungsinstru-mente und Führungssysteme dazu in der Lage sind, die Marktorientierung der Unter-nehmung zu unterstützen.

2.1 Erste Befunde: das generische Führungssystem als konzeptioneller Führungsrahmen

Die ersten Befunde der Exploration beziehen sich auf die Untersuchungsphase der Datenerhebung und die Entwicklung des integrierten Führungsrahmens. Auf Basis der Expertengespräche in sieben Nukleus-Unternehmen des Untersuchungspanels sowie ersten Feedbackdiskussionen mit den Wissenschaftlern des Expertenkreises erfolgte die Entwicklung einer grundlegenden konzeptionellen Modellvorstellung des Managements der Führung – die Entwicklung des konzeptionellen Führungsrahmens. Er beschreibt ein generisches Führungssystem und bildet damit das gedankliche Rah-menwerk, innerhalb dessen sich Führungsinstrumente systematisieren und in ihrem Zusammenspiel in einem realen Führungssystem analysieren lassen.

In allen Unternehmen des Untersuchungspanels fand sich ein breites Spektrum an Instrumenten, die dem Management der Führung zugerechnet werden. Sie entstam-men zumeist ganz unterschiedlichen Feldern, aus denen sie mit mehr oder weniger Modifikationen auf das Management der Führungskräfte angepasst und übertragen wurden, so z.B. aus dem Bereich des/der:

Personalmanagement: z.B. Führungs-Assessment Center, Führungskräfte-Befragungen und -Beurteilungen oder Führungs-Seminare;

Controlling: z.B. Economic Value Added (EVA), Geschäftswertbeitrag (GWB), Balanced ScoreCard (BSC);

Unternehmenskommunikation: z.B. Führungsleitbilder, Ansätze der Kultur- und Wertekommunikation, Open Door Policies, multimediale Großveranstaltungen und externes Marketing;

Organisationsgestaltung: z.B. differenzierte Führungshierarchie, Anreizsysteme, Profit Center Strukturen, Implementierung einer Vertrauensorganisation;

Strategischen Unternehmensführung: z.B. strategische Kompetenzplanung, Stär-ken-Schwächen-Portfolios, Business Impact Initiatives, integrierte Geschäftspla-nungsprozesse.

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

53

Abbildung 1: Die Instrumentenlandschaft des Managements der Führung

Zielvereinbarungen

180°-/ 360°-Feedback

Ziel-erreichungs-

gespräch

Leistungs-beurteilung

Nachfolgeplanung

Rekrutierungs-Assessment

Center

ExterneWeiterbildung

Managementder Führung:

InstrumentenlandschaftInterne

Weiterbildung

BalancedScorecard

Werte-Kommunikation

Open-Door-Policy

Führungs-Kriterien

Unternehmens-leitbild

Mitarbeitergespräche StrategischeKompetenzplanung

Corporate University,Unternehmensakademie

Führungs-Assessment

Center

Führungsstruktur-Untersuchung

Management-Review

Profit-CenterStrukturen

EVA

Entlohnungs-systeme

Coaching

Mentoren-Modelle

Intranet-Unterstützung

Anreizsysteme

Mitarbeiter-befragung

MultimedialeEvents

Entwicklungs-Assessment

Output-OrientierteMessung

BusinessImpact

Projects

Job-Rotation

ExternesMarketing

Action Learning

...

UnternehmenskulturFührungskultur

Führungsleitbild

Führungs-und Fach-karrieren

Projekt-karriere

Zielvereinbarungen

180°-/ 360°-Feedback

Ziel-erreichungs-

gespräch

Leistungs-beurteilung

Nachfolgeplanung

Rekrutierungs-Assessment

Center

ExterneWeiterbildung

Managementder Führung:

InstrumentenlandschaftInterne

Weiterbildung

BalancedScorecard

Werte-Kommunikation

Open-Door-Policy

Führungs-Kriterien

Unternehmens-leitbild

Mitarbeitergespräche StrategischeKompetenzplanung

Corporate University,Unternehmensakademie

Führungs-Assessment

Center

Führungsstruktur-Untersuchung

Management-Review

Profit-CenterStrukturen

EVA

Entlohnungs-systeme

Coaching

Mentoren-Modelle

Intranet-Unterstützung

Anreizsysteme

Mitarbeiter-befragung

MultimedialeEvents

Entwicklungs-Assessment

Output-OrientierteMessung

BusinessImpact

Projects

Job-Rotation

ExternesMarketing

Action Learning

...

UnternehmenskulturFührungskultur

Führungsleitbild

Führungs-und Fach-karrieren

Projekt-karriere

All diese Instrumente des Managements der Führung haben Führungskräfte bei ihrer Arbeit im Alltag zu unterstützen, Führungsleistung meßbar machen, um gute von schlechter Führung unterscheiden zu können, gute Führung zu fördern und Füh-rungsdefizite zu identifizieren und ausräumen zu helfen, Anreize für gute Führung zu schaffen, die Auswahl von Führungstalenten zu erleichtern und zu verbessern sowie die gezielte Entwicklung von Führungstalenten und den Aufbau von Führungskapital zu ermöglichen. Letztlich geht es stets um den Aufbau überlegener Führungsstärke. Vor dem Hintergrund dieser Zielvorstellung erlaubt ein systematisierender Blick auf die Instrumentenlandschaft eine Clusterung. Sie ist die Voraussetzung für die verglei-chende Analyse, Einordnung und Bewertung der in Unternehmen vorfindbaren Füh-rungsinstrumente und -systeme, um Stärken identifizieren und Gestaltungsempfeh-lungen ableiten zu können.

Vier Aktionsfelder zeigen sich als Ergebnis der Clusterung, die es für Unternehmen im Bereich des Managements der Führung auszugestalten gilt: Es zeigen sich:

1. Instrumente, die primär die Interaktion im täglichen Führungsprozess unterstüt-zen,

2. Instrumente, die für die Messung und Bewertung von Führungsqualität und Füh-rungsleistung Einsatz finden,

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Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein

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3. Instrumente, die leistungsorientierte Konsequenzen abbilden und zur Umsetzung bringen, sowie

4. Instrumente, die auf eine Auswahl und Fortentwicklung der Führung abzielen, um letztlich den täglichen Führungsprozess durch einen stabileren Sockel an Füh-rungskraft und Führungsstärke zu fundieren.

Diese Strukturierung ist freilich zunächst eine rein konzeptionelle, wie sie sich aus den intensiven Gesprächen mit den Vorstandsmitgliedern der Nukleus-Unternehmen sowie der wissenschaftlichen Experten auf der Basis der vorausgegangenen Literatur-analyse ergeben hat. Es zeigt sich rasch, dass die organisatorische Verankerung und Verantwortlichkeit für Aufbau, Einsatz und Anwendung im Unternehmen zum Teil ganz anderen Überlegungen folgt.

Abbildung 2: Das generische Führungssystem als konzeptioneller Führungsrahmen

Führungs-interaktionsprozess

Führungs-system

Führungs-anreizsystem

Führungsauswahl-und

-entwicklungssystem

Führungs-messsystem

Abbildung 2 zeigt das Ergebnis dieser zunächst rein konzeptionellen Verknüpfung. Wie die Interviews und Diskussionen mit Vertretern von Wirtschaft und Wissenschaft im Rahmen der frühen Erhebungsphase der Exploration gezeigt haben, stößt der re-sultierende konzeptionelle Führungsrahmen auf breite Akzeptanz und wird als geeig-net angesehen, um Auswahl, Anwendung und Auswirkungen des Einsatzes der in den Unternehmen identifizierten Führungsinstrumente zu strukturieren, zu analysieren und letztlich auch vergleichend zu evaluieren. Er beschreibt modellhaft ein generi-sches Führungssystem, auf das sich real in der Unternehmenspraxis vorzufindende Führungssysteme abbilden lassen und das die Systematisierung, Analyse und Bewer-tung identifizierter Instrumentenlandschaften aus der Unternehmenspraxis unter-stützt.

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

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2.2 Zweite Befunde: Zur Ausgestaltung von Führungssystemen in der Praxis

Die vorgestellte explorative Untersuchung verfolgte das primäre Ziel, ein verbessertes Verständnis organisatorischer Führungssysteme zu erarbeiten. Viele Teilfragen und Antwortdetails sind damit verbunden. Doch welche Instrumente, Prozesse und Sys-teme stehen zur tatsächlichen Umsetzung der Bekenntnisse in den Unternehmen be-reit? Hierzu liefert die Analyse und Diskussion der Fundstücke im Unternehmenspa-nel zu den vier Aktionsfeldern des generischen Führungssystems Einblicke:

Im Aktionsfeld „Führungsinteraktionssystem“ zeigt sich weitgehend übereinstim-mend die vordringliche Institutionalisierung von Kommunikation und Kommuni-kationsinstrumenten zur Entlastung und Unterstützung der Führung im täglichen Führungsprozess. Verstärkt wird insbesondere auf Kommunikationsinnovationen gesetzt, die Reichweite und Reichhaltigkeit von Kommunikation erhöhen. Organi-satorische Innovationen zur Entlastung und Unterstützung der Führung fanden hingegen kaum Einsatz.

Im Aktionsfeld „Führungsmesssystem“ dominiert ein deutlicher Trend zu einer verstärkten Messorientierung. Zahlreiche Unternehmen befanden sich im Aufbau neuer und im Umbau vorhandener Instrumente und Verfahren der Führungsmes-sung. Dabei dominierten weitgehend inputorientierte Messverfahren. Neuentwick-lungen, Absichtserklärungen und Zukunftserwartungen deuten jedoch auf eine wachsende Outputorientierung in der Führungsmessung hin. Der Begriff der Füh-rungsleistung gewinnt aktuell gegenüber dem Begriff der Führungsfähigkeit sicht-bar an Bedeutung. Doch wird Führungsleistung vielfach ausschließlich am Erfolg des Gesamtunternehmens bzw. an der Leistung des der Führung zugeordneten Ausführungsbereiches festgemacht.

Im Aktionsfeld „Führungsanreizsystem“ zeigen sich regelmäßig einfache, relativ zugespitzte Führungshierarchien, vielfach verfügen Unternehmen des Untersu-chungspanels über differenzierte Instrumentarien der Führungsvergütung, nur sel-ten finden sich jedoch überzeugende, transparente und nachvollziehbare Anreiz-systeme, die das Spektrum monetärer und nicht-monetärer Anreize nutzen und ausgewogen zielkompatibel im Hinblick auf den Aufbau von Führungsstärke im Unternehmen ausgestalten.

Im Aktionsfeld „Führungsauswahl- und -entwicklungssystem“ wurde die Dominanz informeller Formen der Führungsauswahl bei gleichzeitigem Vorherrschen forma-ler Mechanismen der Führungsentwicklung deutlich. Hier zeigte sich mit der ver-breiteten Einrichtung von Unternehmensakademien und Corporate Universtities auch eine organisatorische Innovation, die bei entsprechender Verankerung das Potenzial birgt, eine Bündelung und Generierung von Führungswissen entwick-lungsorientiert zu unterstützen.

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Darüber hinaus findet sich in der Breite des Unternehmenspanels übereinstimmend eine breite Instrumentenvielfalt, vielfältig ausgefeilte Instrumentarien mit Finesse im Detail und eine zumeist durchdachte Ablauflogik im Einsatz der Einzelinstrumente. Nur in Einzelfällen aber gilt eine Verbindlichkeit des Instrumenteneinsatzes. Der In-strumenteneinsatz erfolgt in der Regel weitgehend entkoppelt und lässt kaum oder keinen Strategiebezug erkennen. Erst die institutionelle Verankerung und kommuni-kative Umsetzung aber entscheidet über die Wirkung – und damit auch über die Ef-fektivität und Effizienz – von Instrumenten in Unternehmen. Im Rahmen der Untersu-chung hat sich der Blick in einem nächsten Schritt daher nicht auf die Ausdifferenzie-rung der Einzelinstrumente, sondern vielmehr auf ihr Zusammenspiel im Führungssystem als Ganzes gerichtet.

Aus einer solchen Gesamtsicht lassen sich alle identifizierten Instrumente der Generie-rung von Führungswissen im Unternehmen als Instrumente des Managements der Führung bzw. als Instrumente der Koordination und Motivation von Führungssubjek-ten interpretieren. Verallgemeinert handelt es sich bei den Instrumenten also um Insti-tutionen im Sinne von Erwartungen. Diese Erwartungen sind in besonderem Maße auf die Handlungs- und Verhaltensweisen der Führung gerichtet und können bei Enttäu-schung sozial sanktioniert werden. Institutionen informieren über die Handlungs-möglichkeiten und -grenzen der Führung sowie insbesondere über die an die Führung gerichteten Handlungs- und Verhaltenserwartungen. Sie bilden damit Wegweiser für das Führungshandeln in den Unternehmen. Solche Institutionen können nun generell entweder überwachungsbedürftig oder selbsterhaltend, formlos oder formgebunden, bewusst geschaffen oder evolutionär entstehend, von fundamentalem oder sekundä-rem Charakter, von niedrigem oder hohem Nettonutzen sein. Ihre Wirksamkeit hängt einerseits von der Ausgestaltung der Institution im Kontext des Institutionengefüges ab. Sie hängt aber auch in besonderem Maße von ihrer kommunikativen Vermittlung und Implementierung ab, die über die Verbreitung ihrer Wahrnehmung sowie über ihre handlungswirksame Verankerung bestimmt. Handeln und Verhalten in Organisa-tionen ergibt sich dementsprechend jeweils im Zusammenwirken von Institution und Kommunikation. Als innovative Institutionen im Bereich der Generierung von Füh-rungsstärke zeigten sich im Untersuchungspanel aus Gesamtsicht des Führungssys-tems insbesondere:

Die Schaffung von Konventionen im Sinne der Herausbildung gemeinsamer, strate-gieorientierter Führungsverständnisse, insbesondere die Herausbildung gemein-samer Verständnisse von Führungsleistung, von Kriterien der Leistungsmessung und ihrer anreizkompatiblen Umsetzung in Leistungskonsequenzen und deren Fi-xierung in Führungsleitbildern, Führungsleitfäden und Führungsgrundsätzen;

Die Etablierung von Frameworks, im Sinne verbindlich verabschiedeter Führungs-rahmen und Führungssystem-Konzeptionen als Standards eines konzernweit ein-heitlichen Managements der Führung, wie beispielsweise das „Leadership Evalua-tion And Development“-Framework (LEAD) der DaimlerChrysler AG;

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

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Die Einrichtung spezifischer Organisationseinheiten des Managements der Füh-rung, wie beispielsweise der Unternehmensakademien und Corporate Universi-ties, aber auch spezifischer Top-Führungsgruppen, sog. „Senior Leadership Groups“.

Alle aufgezeigten Institutionen wirken einerseits als kommunikationsfördernde, kommunikationsbündelnde oder kommunikationsstrukturierende Institutionen un-mittelbar auf die Kommunikation im Unternehmen und lassen sich andererseits auch nur kommunikativ im Unternehmen verankern und zur Wirkung bringen.

2.3 Dritte Befunde: Designprinzipien organisatorischer Führungssysteme

Die Evaluierung der Führungssysteme der 37 Unternehmen des Untersuchungspanels erfolgte über einen Mehrebenen-Ansatz in den vier skizzierten Aktionsfeldern. Sie richtet sich sowohl auf die Einzelfelder sowie auf deren Zusammenspiel im Gesamt-system. Die Auswertung der Evaluierungsergebnisse erlaubt eine Ableitung grund-sätzlicher Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Studie als Grundlage für Experimen-taldesign und Pilotierung. Diese Erkenntnisse zu bündeln, ist das Ziel des vorliegen-den Abschnitts. Hierzu ist folgendes vorauszuschicken: Die Gesamtanlage der interaktiv-iterativen Evaluierung im Rahmen der qualitativ ausgerichteten Exploration ist von Anfang an auf die Gewinnung reichhaltiger Erkenntnisse im Unternehmens-einzelfall gerichtet. Diese münden in individuelle Feedbackdokumente und -workshops mit den Unternehmen des Untersuchungspanels, in die Ausarbeitung besonders hervorstechender Unternehmensbeispiele im Sinne von „promising practi-ces“ sowie die Konzeption eines Self-Assessment-Instrumentariums und dessen Um-setzung in Pilotfeldern. Auf diese Ergebnisformen wird an anderer Stelle im Detail eingegangen (vgl. Möslein 2005). Hier soll vielmehr eine knappe Querauswertung der untersuchten Unternehmensfälle skizziert werden, die Hinweise auf erfolgsverspre-chende Designprinzipien liefert. In der Breite der untersuchten Unternehmen erwiesen sich durchgängig Führungssysteme als besonders wirkungsvoll im Unternehmensall-tag verankert und gelebt, die folgende Designeigenschaften aufwiesen:

Radikale Fokussierung: Zumeist suchen Unternehmen mit breitgefächerten, unüber-sichtlichen Instrumentenlandschaften, das Management der Führung zu struktu-rieren. Es findet sich eine „bunte Blumenwiese“ an mehr oder weniger ausgefeil-ten, stets jedoch vielfältig ausdifferenzierten Konzepten, Werkzeugen und Instru-menten. Die Gründe für die Existenz dieser Instrumente konnten von den Interviewpartnern häufig kaum, gar nicht oder ausschließlich historisch erklärt werden. Doch zeigten einige Unternehmen bereits „Mut zur Fokussierung“. Dem klassischen Bauhaus-Motiv Mies van der Rohes „Less is More!“ als Designprinzip

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Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein

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für die Gestaltung von Führungssystemen zu folgen, scheint sich als wertvolle Ge-staltungsstrategie zu entpuppen. Denn nur dort, wo Unternehmen den Mut hatten, viele der gewohnten, historisch gewachsenen Instrumente über Bord zu werfen, sich radikal auf ein einfaches, verständliches und nachvollziehbares Set von In-strumenten zu reduzieren, nur dort fanden sich tendenziell die intendierten Kon-zepte und Strategien des Managements der Führung auch in den Köpfen und im Alltag der Führungskräfte wieder – als gelebte Institution, nicht erloschene Inten-tion.

Zielführende Strukturierung: Beim Blick auf die Gesamtlandschaft der untersuchten Unternehmen überrascht, wie häufig die Strukturierung des Führungssystems ein langjährig und mit hohem Kapitaleinsatz betriebenes Projekt des Personalressorts ist, das kaum oder keine offenkundig erkennbaren und von den Betroffenen ver-standenen Bezüge zu den Geschäftszielen des Unternehmens aufweist. Wo Füh-rungskräfte das Management der Führung nicht ernst nehmen, weil sich ihnen der Bezug zu ihren ureigenen Geschäftszielen und damit den Geschäftszielen des Un-ternehmens nicht erschließt, dort verfehlen Führungssysteme ihr eigenes Ziel. Füh-rungssysteme zielführend zu strukturieren, heißt daher, wie einige Unternehmen eindrucksvoll zeigen, die Ziele des Managements der Führung und die Ziele des Managements der Geschäftsprozesse in transparenten Bezug zu den langfristigen Unternehmenszielen zu stellen.

Strategische Verankerung: Die Betrachtung der besonders überzeugenden oder auch besonders wenig überzeugenden Führungssysteme im Unternehmenspanel legt nahe, dass sich dieser Bezug zwischen Geschäfts- und Führungszielen am ehesten durch eine klare Verankerung in der Unternehmensstrategie sichtbar, lebbar und kommunizierbar machen lässt. Wie die Vielfalt der Einsatzformen der Balanced Scorecard in den Unternehmen zeigt, ist die strategische Verankerung eines Sys-tems zwar keinesfalls Garant dafür, dass ein System gelebt und wirkungsvoll ge-nutzt wird. Dennoch erscheint sie als Designprinzip für die Gestaltung eines Füh-rungssystems tendenziell deutlich vorteilhaft.

Integration ohne Standardisierung: Für die Durchsetzung von Führungssystemen als Institutionen des Managements der Führung im Unternehmen erwies sich vielfach Integration, nicht jedoch Standardisierung als weiteres wichtiges Designprinzip. In kaum einem der betrachteten Unternehmen fand sich in der Unternehmenszentra-le der Glaube an die Durchsetzbarkeit von Führungsinstrumenten mittels Standar-disierung in der Breite der Unternehmensbereiche. Hingegen finden sich vielfältige Versuche der Unterstützung einer Integration und Konvergenz vorhandener In-strumentenlandschaften. Die bereits angesprochenen Formen der Schaffung von Konventionen, Etablierung von Frameworks und Implementierung spezifischer Organisationseinheiten können dabei allesamt als Strategien der „Integration ohne Standardisierung“ interpretiert werden, und werden von den Unternehmen teil-

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

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weise selbst explizit als „Integrationsansatz in dezentralen Strukturen“ beschrie-ben.

Kommunikative Institutionalisierung: Als fünftes und letztes Designprinzip für die Gestaltung von Führungssystemen lässt sich aus den Erfahrungen im Unterneh-menspanel das Prinzip der kommunikativen Institutionalisierung ableiten. Alle in den Unternehmen als primär relevant identifizierten, innovativen Institutionen des Managements der Führung sind für ihre Implementierung auf erfolgreiche Kom-munikation angewiesen. Wo eine Top-Down-Durchsetzung von Konzepten, In-strumenten und Verfahren ausscheidet, dort ist Implementierung stets auf Akzep-tanz, Engagement und Mitwirkung angewiesen. Kommunikation wird damit auch für das Management der Führung zum entscheidenden Schlüssel der Diffusion in-tendierter Führungskonzeptionen – zum Schlüssel der Etablierung von Institutio-nen, die selbst wiederum Kommunikation gestalten.

3 Schlussfolgerungen und Thesen für eine Gestaltung marktorientierter Führungssysteme

Inspiriert durch die aktuelle Praxis des Managements der Führung und der Etablie-rung globaler Führungssysteme und Führungsrahmenwerke in multinationalen Groß-unternehmen bündelte der vorliegende Beitrag Ergebnisse einer groß angelegten Ex-ploration zu organisatorischen Führungssystemen. Dabei interessierte die Frage, wel-che Führungssysteme (im Sinne von Führungsinstrumenten, Führungsteilsystemen und -systemen) Unternehmen zur Generierung von Führungswissen heute nutzen, welchen Nutzen sie sich von deren Nutzung versprechen und welche Potenziale diese Führungssysteme vor dem Hintergrund erklärter aktueller Herausforderungen und Anforderungen der Unternehmensführung bieten. Es zeigte sich ein dominierendes Paradigma dynamischer Prozesse des Managements der Führung vor dem Hinter-grund der Annahme stabiler Rahmenbedingungen. Die Führungssysteme, die die Exploration in den Unternehmen des Untersuchungspanels analysierte, funktionieren am besten vor dem Hintergrund dieser Annahme relativ stabiler Rahmenbedingungen und weitgehend in sich geschlossener Unternehmensstrukturen. Wenngleich in vielen der untersuchten Unternehmen Umbrüche und Prozesse des Wandels und der markt-orientierten Öffnung den Ausschlag für die Einführung und Fortentwicklung der Führungssysteme gaben, so zeigte sich doch stets aufs Neue, dass die implementierten Systeme ihre Stärken häufig nur unter Bedingungen der Stabilität und innenorientier-ten Geschlossenheit entfalten können. Implementiert in der Absicht, Ordnung zu

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schaffen in der komplexen Führungslandschaft global agierender Großunternehmen und systematisch Führungsstärke aufzubauen, laufen zahlreiche Systeme in die aus dem strategischen Management altbekannte Falle, dass sich die in guter Absicht ent-wickelte Stärke zu einem späteren Zeitpunkt als Schwachpunkt und Bürde entpuppt. Denn wo immer Systeme Wandel behindern und Marktorientierung nicht unterstüt-zen, dort blockieren sie Innovation und werden damit zu einer Gefahr für die Führung und das Überleben der Unternehmung im Markt (vgl. Huff/Möslein 2004).

Für die Führungsforschung ergeben sich aus diesen Überlegungen offene Fragestel-lungen, die in Thesenform zusammengefasst werden sollen:

Klare Fokussierung bei ausreichender Diversität: Das Führungssystem und die zum Einsatz kommenden Führungsinstrumente sind für jedes Unternehmen identitäts-stiftend und ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur. Insbesondere in global agierenden Unternehmen bewegen sich Führungssysteme im Spannungs-feld von Corporate Identity und Cultural Diversity. Das Führungssystem muss ne-ben klarer Fokussierung ausreichenden Spielraum für kulturelle Diversität bilden.

Zielführende Strukturierung und Innovationsfähigkeit: Für die Gestaltung marktorien-tierter Führungssysteme bildet die Innovationsfähigkeit mittel- und langfristig die Schlüsselgröße. Das Führungssystem muss die Beziehungen von Führung und In-novation strukturieren und gestalten: von Wissensgenerierung und Wissenstrans-fer, von Kompetenzaufbau und marktbezogener Umsetzung in eine innovations-förderliche Unternehmenskultur. Dazu gehören vor allem auch innovationsförder-liche Arbeitsstrukturen und Geschäftsprozesse.

Strategische Verankerung als zweischneidiges Schwert: Eine starke Verankerung des Führungssystems in der Unternehmensstrategie ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sind Führungssysteme Bestandteil der Unternehmenskultur, und sie wirken verhaltensbeeinflussend und bewahrend. Andererseits sind Führungskräfte im Wandel stets mit der Herausforderung konfrontiert, die Menschen zur Verän-derung zu bewegen, Strukturen zu verflüssigen und Instrumente und Methoden der Führung abzulösen. Das Führungssystem muss hier den Prozess der Verfesti-gung und der Verflüssigung von Unternehmensstrukturen („ambidexterity“) glei-chermaßen unterstützen (vgl. Neuberger 2002; Birkinshaw/Gibson 2004).

Standardisierung als Verbesserung von Personaldienstleistungen: In zahlreichen Unter-nehmen ist heute ein Trend zur Standardisierung von Führungsprozessen im Be-reich des HR-Managements zu beobachten. Automatisierung personalwirtschaftli-cher Geschäftsprozesse wird als Beitrag zum Prozessmanagement (sog. Shared Services Systems) gesehen, auch um Personaldienstleistungen im Unternehmen zu verbessern. Diese Entwicklung läuft in eine gefährliche Richtung, zumal sie in Be-reiche der Mitarbeiterkommunikation, der Leistungsbewertung und der betriebli-chen Anreizsysteme hineinwirkt und dabei Entwicklungspotenziale zuschüttet und Motivation zerstört.

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Marktorientierte Führung in organisatorischen Führungssystemen

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Kommunikative Institutionalisierung für neue Formen der Arbeit: Für die Gestaltung marktorientierter Führungssysteme ist die kommunikative Institutionalisierung ein zentraler strategischer Ansatzpunkt für erfolgreiche Marktpartnerschaften, aber die Unternehmenspraxis hat hierfür noch keine Konzepte. Wie sind Füh-rungssysteme auszurichten, die die Mitarbeiterkompetenz aufbauen, um in Unter-nehmensnetzwerken zu agieren? Wie wird Interaktionskompetenz aufgebaut, die Mitarbeiter befähigt, in Wertschöpfungspartnerschaften mit Kunden Innovations-prozesse oder Produktionsprozesse interaktiv zu gestalten (Ansätze der Open In-novation, Mass Customization und neue Formen der Arbeitsteilung; vgl. Reich-wald/Piller 2006)? Die Unternehmenspraxis hält hier nur wenig bereit.

Der Bedarf nach neuem Wissen ist immens, doch es gibt auch Hoffnung: „Innovation and creativity emerge when there is sufficient order to make things happen“ (Delbrid-ge/Gratton/Johnson 2004). In der Tat zeigten zahlreiche Führungssysteme im Rahmen der Exploration hier beeindruckende Wirkung als Institutionen, die neue Kommunika-tionskanäle im Unternehmen eröffnen und Kommunikationsprozesse ordnend in Gang setzen. Als Schlüsselerkenntnis der Exploration wurde dieser Tatbestand als Designprinzip der kommunikativen Institutionalisierung formuliert. Zahlreiche der riesengroßen Unternehmen und einige wenige „small champions“ hatten in dieser Hinsicht beeindruckende Lösungsansätze vorzuweisen: Sie etablierten Führungssys-teme als Plattformen der Kommunikation, die ordnend wirken, ohne zu standardisie-ren, die den Ausnahmefall fördern, ohne an ihm zu scheitern, und außergewöhnliche Führungsleistung sichtbar und greifbar machen, statt sie im Durchschnitt zu bündeln. Sie institutionalisierten Einheiten der Führungsentwicklung nicht als „Statthalter“ betrieblicher Weiterbildung für Führungskräfte, sondern als prozessorientierte Lernar-chitekturen, Feedback-Kanäle der Führung und Kristallisationspunkte der Netzwerk-bildung. In diesem Zusammenhang entpuppt es sich als vielversprechendes For-schungsgebiet, insbesondere das Zusammenspiel individueller Führung mit den For-men und Methoden des Innovationsmanagement weiter zu erkunden. In ihrem Spannungsfeld zeigen sich Gestaltungsfelder hoher praktischer Brisanz, für die fun-diertes Forschungswissen heute noch weitgehend aussteht.

4 Literaturverzeichnis

BIRKINSHAW, J./GIBSON, C. (2004): Building Ambidexterity Into an Organization, in: Sloan Management Review, Vol. 45, No. 4, S. 47-55.

DAFT, R.L. (2005): The Leadership Experience, 3. Aufl., Orlando.

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Ralf Reichwald und Kathrin M. Möslein

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DELBRIDGE, R./GRATTON, L./JOHNSON, G. (2004): Making a Difference: The Exceptional Manager, internal discussion paper, unpublished, Advanced Institute of Manage-ment Research, London Business School, London.

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MEFFERT, H. (1999): Marketing – Entwicklungstendenzen und Zukunftsperspektiven, in: Die Unternehmung, 53. Jg., Nr. 6, S. 409-432.

MÖSLEIN, K. (2005): Der Markt für Managementwissen, Wiesbaden.

NEUBERGER, O. (2002): Führen und führen lassen: Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung, 6. Aufl., Stuttgart.

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YUKL, G. (2005): Leadership in Organizations, 6. Aufl., Upper Saddle River.

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Internationale Marktorientierte Unternehmensführung

63

Christian Homburg und Ove Jensen

Internationale Marktorientierte Unternehmensführung

1 Einleitung ..........................................................................................................................65

2 Thesen zur Gestaltung der internationalen Marktbearbeitung..................................65

3 Thesen zur Steuerung der internationalen Marktbearbeitung...................................73

4 Fazit....................................................................................................................................79

5 Literaturverzeichnis .........................................................................................................79

Prof. Dr. Dr. h.c. Christian Homburg ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing I an der Universität Mannheim und Direktor des Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung (IMU) an der Universität Mannheim.

Dr. Ove Jensen ist Habilitand am Lehrstuhl für Marketing I an der Universität Mannheim.

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Internationale Marktorientierte Unternehmensführung

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1 Einleitung

Dieser Beitrag betrachtet Marktorientierte Führung unter dem Aspekt der Internatio-nalisierung. In unserem Fokus steht vor allem die Situation der mitteleuropäischen und westeuropäischen Unternehmen. Unser Beitrag wird zunächst auf die Gestaltung der internationalen Marktbearbeitung eingehen. Gemäß dem Grundsatz „Structure follows Strategy“ werden wir aus der Gestaltung der internationalen Marktbearbei-tung dann Folgerungen für die Steuerung der internationalen Marktbearbeitung zie-hen. Unsere Ausführungen sind in Form von Thesen aufgebaut. Die Kürze dieses Beitrags impliziert natürlich, dass unsere Thesen nur einen Ausschnitt beleuchten und keinesfalls ein Gesamtbild liefern. Dieser Ausschnitt wurde so gewählt, dass er die Thesen von Meffert (1982, 2000), denen wir voll zustimmen, nicht wiederholt, sondern ergänzt.

2 Thesen zur Gestaltung der internationalen Marktbearbeitung

Unsere erste These lautet:

These 1: Gewohnte Verhaltensmuster verlieren im zunehmend internationalen Wettbewerb an Gültigkeit.

Es gibt eine Eigenschaft, anhand derer sich die Märkte selbst der unterschiedlichsten Branchen vergleichen lassen: die Aggressivität des Wettbewerbsverhaltens. In Abbil-dung 1 stellen wir die Aggressivität als ein Kontinuum dar. Unsere These ist, dass sich die Unternehmen heute einem erweiterten Aggressivitätsspektrum gegenübersehen, wodurch sie mit neuen Verhaltensmustern im Wettbewerb umzugehen lernen müssen. Typologien unterschiedlich aggressiver Verhaltensmuster finden sich auch bei Meffert (1985, 2005).

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Christian Homburg und Ove Jensen

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Abbildung 1: Das Aggressivitätsspektrum im internationalen Wettbewerb

Skrupelloser Wettbewerb auf neuen Märkten

Markt-erschließungs-wettbewerb auf

wachsenden Märkten

„Friedliche Koexistenz“ auf

verteilten Märkten

niedrig hoch

Konsolidierungs-wettbewerb mit

Rückzugs-gefechten auf

schrumpfenden Märkten

Aggressivität des Wettbewerbs„Das tut man nicht“ „Anything Goes“

Die linke Seite des Kontinuums bezeichnet ein geringes Maß an Aggressivität. Solche Märkte sind durch große Vorsicht gekennzeichnet: Es gilt, keine hektischen Reaktio-nen und Missverständnisse der Wettbewerber auszulösen. Wir haben häufig beobach-tet, dass in solchen Märkten klare Vorstellungen und ungeschriebene Regeln existie-ren, welche Verhaltensweisen im Wettbewerb vermieden werden sollten („Das tut man nicht“). Um nicht missverstanden zu werden: Wir sprechen hier nicht von kartellhaf-ten Absprachen, sondern von tradierten Verhaltensmustern, die sich über viele Jahre in einen stabilen Zustand eingeschwungen haben und bei denen niemand dem ande-ren im großen Stile Marktanteile abzunehmen trachtet. Solche Märkte haben wir in der Praxis sehr häufig beobachtet. Eine Anekdote aus unserer Projektarbeit mag den „Gentleman-Geist“ solcher Märkte verdeutlichen: Als wir in einer Diskussion von „Wettbewerbern“ sprachen, wurde uns bedeutet, dass man im Unternehmen den Beg-riff „Wettbewerber“ nicht gern verwende, sondern den Begriff „Mitbewerber“ vorzie-he.

Die rechte Seite des Kontinuums in Abbildung 1 bezeichnet dagegen ein hohes Maß an Aggressivität. Charakteristisch für solche aggressiven Märkte ist häufig die Präsenz von Wettbewerbern aus Niedriglohn-Ländern. In diesem Zusammenhang liegt der Gedanke an Patentverletzungen und Markenpiraterie nahe. Gewiss: Solche Verletzun-gen sind ein reales Problem, im Konsumgüter- wie auch im B2B-Bereich. Vom Vor-standsvorsitzenden eines großen Unternehmens ist sogar die Aussage überliefert, dass er seine gesamte Arbeitszeit in den Gerichtssälen eines bestimmten Landes verbringen könnte. Viele Unternehmen schweigen dagegen öffentlich über dieses Problem, das nach unserer Einschätzung noch größer ist, als landläufig in der Presse berichtet wird.

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Internationale Marktorientierte Unternehmensführung

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Trotzdem meinen wir, dass es verkürzt wäre, eigene Probleme im aggressiven Wett-bewerb allein auf Patentverletzungen der „Billig-Wettbewerber“ zu schieben. Eine nicht zu leugnende Tatsache ist, dass die Wettbewerber aus den neuen Wachstums-märkten vielfach (eroberungs)-„hungriger“ sind als so manches europäische Unter-nehmen, das im Vergleich geradezu saturiert erscheint. Da hinter den Unternehmen Menschen stehen, lässt sich unsere Aussage noch zuspitzen: Die handelnden Personen der neuen Wettbewerber haben häufig mehr „Biß“ als die Mitarbeiter der etablierten Unternehmen.

Europäische Unternehmen sollten sich kritisch fragen, wie fit ihre Mitarbeiter für den internationalen Wettbewerb sind. Eines ist klar: Hier hat man es nicht mit „Mitbewer-bern“ zu tun, sondern mit echten Wettbewerbern. Wir haben in Europa nicht selten Vertriebsmannschaften beobachtet, die sich mehr als Kundenbetreuungsmannschaftenverstanden und die bei der Neukundenakquise zuweilen geradezu ideenlos agierten. Vor diesem Hintergrund sind natürlich auch die Vergütungssysteme zu hinterfragen: Hohe Fixgehälter, die selbst im Vertrieb noch überraschend häufig anzutreffen sind, erzeugen nicht Akquise-Hunger, sondern Sättigung.

Unsere zweite These lautet:

These 2: Das Preis-Leistungs-Gefüge im internationalen Wettbewerb polarisiert sich.

Unsere zweite These bezieht sich auf die Entwicklung der Anbieterstruktur. Die linke Seite von Abbildung 2 zeigt das heute für viele Märkte klassische Preis-Leistungs-Gefüge: Das eine Extrem besetzen hochpreisige Leistungsführer, hier als Premium-Anbieter bezeichnet. Das andere Extrem nehmen niedrigpreisige Anbieter mit im Vergleich geringerer Qualität ein, die wir hier Economy-Anbieter nennen. Dazwischen gibt es ein preis- und leistungsbezogenes Mittelfeld.

Genau dieses Mittelfeld, so unsere These, wird unter Druck geraten: Wie auf der rech-ten Seite von Abbildung 2 visualisiert, bieten die Economy-Anbieter aus Niedriglohn-Ländern eine immer bessere Qualität und werden dadurch zu einer akzeptablen Al-ternative. Die Premium-Anbieter können deshalb keinen allzu großen Preisabstand zu den früheren Economy-Anbietern mehr rechtfertigen und müssen ihre Preise senken. Zwischen den qualitätsverbesserten Niedrigpreis-Anbietern und den preisreduzierten Hochleistungs-Anbietern verbleibt immer weniger Platz für ein Mittelfeld, welches mithin von zwei Seiten unter Druck gerät. Wir erwarten daher, dass sich das Preis-Leistungs-Gefüge polarisieren wird, so dass es nur noch zwei Klassen von Wett-bewerbern geben wird: auf der einen Seite die wirklich (leistungs-)differenzierten Wettbewerber und auf der anderen Seite eine breite Masse von Wettbewerbern, die im Wesentlichen über den Preis konkurrieren. Dabei wird die Spannweite zwischen den Anbietern sowohl beim Leistungs- als auch beim Preisniveau kleiner.

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Abbildung 2: Polarisierung des Preis-Leistungs-Gefüges im internationalen Wettbewerb

Neue Anbieterstruktur

Preisniveau

Leistungs-und

Qualitäts-niveau

niedrig hochniedrig

hoch

Klassische Anbieterstruktur

Preisniveau

niedrig hoch

Economy

Premium

Mittelfeld

Als dritte These formulieren wir:

These 3: Zunehmende länderübergreifende Ähnlichkeit der Kundenanforderungen und zunehmende Verbundenheit der Märkte erzeugen Standardisierungsdruck.

Bei der länderübergreifenden Gestaltung der internationalen Marktbearbeitung lautet eine der wichtigsten Fragen, wie stark länderübergreifend standardisiert bzw. wie stark länderspezifisch differenziert vorzugehen ist (vgl. z.B. Meffert 1986; Welge 1992). Wir denken dabei an solche Gestaltungsfelder wie Verpackungsgrößen und Ver-packungsformen, Markennamen und Markenlogos, Kommunikation und nicht zuletzt Preise (vgl. auch Meffert/Bolz 1995).

An diesem Punkt setzt unsere These mit drei Teilaussagen an. Erstens enthält unsere These die Teilaussage, dass die Vorteilhaftigkeit von Standardisierung vs. Differenzie-rung durch zwei zentrale Triebkräfte beeinflusst wird: zum einen durch die län-derübergreifende Verbundenheit der Märkte und zum anderen durch die länderüber-greifende Ähnlichkeit der Kundenanforderungen. In Abbildung 3 spannen diese bei-den Achsen den internationalen Gestaltungsraum für die Marktbearbeitung auf. Zweitens umfasst unsere These die Aussage, dass sowohl die Verbundenheit als auch die Ähnlichkeit zugenommen haben. Drittens postuliert unsere These, dass sich hier-aus für die Gestaltung der internationalen Marktbearbeitung ein Standardisierungs-druck ergibt.

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Internationale Marktorientierte Unternehmensführung

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Abbildung 3: Standardisierungsdruck auf die internationale Marktbearbeitung

Länderübergreifende Ähnlichkeitder Kundenanforderungen

hochniedrig

LänderübergreifendeVerbundenheit der Märkte

hoch

niedrig

vieleKonsumgüter-

geschäfte

vieleB2B-

Geschäfte

Die länderübergreifende Verbundenheit der Märkte bezieht sich auf die Einfachheit von Waren- und Informationsaustausch zwischen Märkten (vgl. auch Back-haus/Büschken/Voeth 2003). Der Warenaustausch ist durch den Wegfall von Han-delshemmnissen und durch sinkende Logistik- und Transportkosten in den letzten Jahrzehnten sehr viel leichter geworden. Der Informationsaustausch wurde durch die Fortschritte der Kommunikationstechnologie erleichtert. Die Einkäufer von B2B-Kunden sind dadurch international stärker vernetzt, die Verbraucher mobiler geworden. Je größer die Verbundenheit, desto stärker wirken sich Aktivitäten in einem Markt auf die Aktivitäten in einem anderen Markt aus. Als Beispiel einer solchen Wechselwirkung hatten wir einleitend Re-Importe angeführt: Je unter-schiedlicher die Warenverfügbarkeit oder die Preise zwischen zwei Ländern sind, desto größer ist für die Kunden im schlechter gestellten Land der Anreiz, ihre Nachfrage im anderen Land zu decken (vgl. z.B. Simon/Wiese 1992). Steigende Verbundenheit reduziert also den Spielraum für Unterschiede in der länderüber-greifenden Marktbearbeitung, übt mithin Standardisierungsdruck aus.

Die länderübergreifende Ähnlichkeit der Kundenanforderungen ergibt sich zum einen aus einer zunehmenden geographischen Expansion der Unternehmensaktivitäten. Man denke hier zum Beispiel an die Internationalisierung des Konsumgütereinzel-handels. Zum anderen ergibt sie sich aus einer steigenden Harmonisierung der Logistik (im B2B-Bereich und im B2C-Handel) sowie der Produktionsverfahren (im B2B-Bereich) innerhalb der multinationalen Unternehmen. Diese Harmonisierung der eigenen Prozesse wird als Standardisierungsdruck an die Lieferanten weiter-gegeben.

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Wie Abbildung 3 veranschaulicht, sagen wir unterschiedliche Entwicklungen für Kon-sumgütergeschäfte und B2B-Geschäfte voraus. Im B2B-Bereich (zur Vertiefung vgl. Homburg/Jensen 2004) nehmen sowohl die Verbundenheit als auch die Ähnlichkeit der Kundenanforderungen zu. Im Konsumgüterbereich nimmt die länderübergreifende Verbundenheit der Märkte ebenfalls zu. Der Grund hierfür sind allerdings nicht die Verbraucher, sondern die sich internationalisierende Handelsstufe (vgl. Müller-Hagedorn/Zielke 1998; Tietz 1992). Beispielsweise sind Händler bestrebt, für ähnliche Produkte in unterschiedlichen Ländern gleiche Einkaufspreise durchzusetzen. Die Ähnlichkeit der Kundenanforderungen nimmt im Konsumgütergeschäft dagegen weniger stark zu als im B2B-Geschäft. Zwar gibt es Produktsegmente und Zielgrup-pen, die sich länderübergreifend stark ähneln, wie das Luxussegment oder jugendliche Zielgruppen. Andererseits sind viele Verbrauchergewohnheiten unverändert national geprägt (vgl. Bamberger/Wrona 1997; Hermanns/Wißmeier 1993; Maucher/Brabeck-Lethmathe 1991), etwa im Hinblick auf Lebensmittel oder Reinigungsmittel. Beispiels-weise zeigen Nielsen-Studien, dass Wäsche in England selten (5% aller Maschinen) bei mehr als 40 Grad gewaschen wird, während in Deutschland knapp die Hälfte aller Maschinenladungen mit mehr als 60 Grad laufen. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an Waschmittel liegt in England bei 16 Kilogramm, in Deutschland nur bei der Hälfte.

Unsere vierte These ist:

These 4: Verbundenheit der Märkte und Ähnlichkeit der Kundenanforderungen erzeugen unterschiedliche Arten von Standardisierungsdruck.

Während wir von Standardisierung und Differenzierung der internationalen Marktbe-arbeitung bislang recht unspezifiziert gesprochen haben, wollen wir nun herausarbei-ten, wie die zwei zentralen Rahmenbedingungen (Verbundenheit der Märkte und Ähnlichkeit der Kundenanforderungen) auf spezifische Instrumente der Marktbear-beitung wirken. Wir konzentrieren unsere Erläuterungen im Folgenden auf die zwei wichtigsten Instrumente der Marktbearbeitung: die Produktpolitik und die Preispoli-tik. Bezüglich der Kommunikationspolitik kann man davon ausgehen, dass die Stan-dardisierungs- vs. Differenzierungsentscheidung den gleichen Kräften folgt wie die Produktpolitik. Eine ausführlichere Diskussion anderer Instrumente findet sich bei Meffert/Bolz (1995).

Da sich Kundenanforderungen auf die Charakteristika von Produkten beziehen, ist unmittelbar plausibel, dass die länderübergreifende Ähnlichkeit der Kundenanforderungennicht folgenlos für die Produktpolitik bleibt. Genauer: Je ähnlicher die Kundenanfor-derungen, desto größer sind der kundenseitige und der anbieterseitige Standardisie-rungsdruck in der Produktpolitik. Kundenseitig wirkt die Forderung nach homogenen Qualitätsstandards für die Produktionsinputs standardisierend. Anbieterseitig besteht ein Eigeninteresse an Standardisierung, weil dadurch Kosteneinsparungen erzielt werden können.

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Für die Preispolitik erzeugt die Ähnlichkeit der Kundenanforderungen alleine noch keinen Standardisierungsdruck. Die entscheidende Triebkraft ist hier die Verbundenheit der Märkte. Wenn in zwei logistisch eng verbundenen Märkten große Preisunterschiede bestehen, kommt es schnell zu Re-Importen, die die Preisdifferenzierung unterlaufen. Wenn sich die Kunden länderübergreifend über ihre Konditionen austauschen, kön-nen Preisunterschiede sehr leicht zu Kundenverärgerung führen. Umgekehrt gilt aber auch: Bei wenig verbundenen Märkten sollten Anbieter nicht voreilig die Preise stan-dardisieren, weil sie dadurch Zahlungsbereitschaft verschenken. Ein gutes Beispiel ist hier der Automobilhandel: Einer Untersuchung der Investmentbank Salomon Smith Barney aus dem Jahr 1999 zufolge beruhen 25% der Gewinne der Automobilkonzerne auf dem Umstand, dass es ihnen nach wie vor gelingt, die Automobilpreise selbst innerhalb von Europa zu differenzieren.

Auf die Standardisierung der Produktpolitik wirkt sich die Verbundenheit der Märkte jedoch kaum aus: Selbst wenn zwei Märkte hochgradig verbunden wären, würde man die Produktpolitik nicht standardisieren, solange die Kundenanforderungen stark unterschiedlich sind.

Abbildung 4: Unterschiedliche Arten des internationalen Standardisierungsdrucks

z.B.Zement

z.B.Reinigungs-mittel

z.B.IT- und TK-Kompo-nenten

z.B.Private Steuer-und Rechts-beratung

Standardisierung Produktpolitik

Stan

dard

isie

rung

Pre

ispo

litik

LänderübergreifendeVerbundenheit der Märkte

hoch

hochniedrig

niedrig

Länderübergreifende Ähnlichkeitder Kundenanforderungen

Den Zusammenhang zwischen den zwei Triebkräften und den zwei Arten des Stan-dardisierungsdrucks wollen wir am Beispiel der vier Marktkonstellationen in Abbil-dung 4 erläutern. Abbildung 4 greift den aus Abbildung 3 bekannten Handlungsraum auf.

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Eine hohe länderübergreifende Ähnlichkeit der Kundenanforderungen und gleich-zeitig eine hohe länderübergreifende Verbundenheit der Märkte weisen z.B. die Geschäfte für IT- und TK-Komponenten und für Automobilzulieferteile (vgl. z.B. Kuhn 1998) auf. In diesen Branchen besteht somit ein starker Standardisierungs-druck auf die Produktpolitik wie auch auf die Preispolitik.

Eine umgekehrte Situation herrscht im Quadranten links unten. Hier sind sowohl die Verbundenheit der Märkte als auch die Ähnlichkeit der Kundenanforderungen gering ausgeprägt. Ein Beispiel sind solche Dienstleistungen wie private Steuer- und Rechtsberatung. Hier besteht weder zur länderübergreifenden Preisstandardi-sierung noch zur Produktstandardisierung Veranlassung.

Im Quadranten unten rechts sind die Kundenanforderungen sehr ähnlich, doch die Verbundenheit der Märkte gering. Ein gutes Beispiel hierfür ist Zement. Dessen Verarbeitung ähnelt sich zwar länderübergreifend, doch die Märkte sind wegen des teuren Transports kaum verbunden. Dementsprechend finden sich in diesem Geschäft für ein identisches Produkt im Ländervergleich die unterschiedlichsten Preise.

Im Quadranten oben links geht eine hohe Verbundenheit der Märkte mit einer geringen Ähnlichkeit der Kundenanforderungen einher. Eine derartige Konstella-tion findet sich beispielsweise bei Reinigungsmitteln. Die diesbezüglichen Verbrauchergewohnheiten unterscheiden sich von Land zu Land deutlich, durch den international aufgestellten Einzelhandel sind die Länder jedoch verbunden. Die Folge: Unterschiedliche Produkte und Marken, jedoch ähnliche Verkaufspreise der Hersteller an den Handel.

Diese Beispiele (für weitere Branchen vgl. Welge 1990, S. 6) verdeutlichen, dass Pro-duktstandardisierung und Preisstandardisierung von unterschiedlichen Kräften ge-trieben werden. Hinzu kommt, dass die beiden Arten der Standardisierung nicht nur unterschiedlichen Triebkräften unterliegen, sondern auch entgegengesetzte Profitaus-wirkungen haben: Länderübergreifende Preisdifferenzierung ist tendenziell kosten-neutral und wirkt durch Abschöpfen von Zahlungsbereitschaften vor allem gewinn-steigernd. Länderübergreifende Produktdifferenzierung dagegen erhöht die (Komple-xitäts-)Kosten und wirkt dadurch tendenziell gewinnmindernd (wir abstrahieren hier von den mittelbaren Mengeneffekten).

Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass die unterschiedlichen Arten, die Marktbearbeitung zu standardisieren, keineswegs Hand in Hand gehen müssen. Eine generelle Standardisierung aller Marktbearbeitungsinstrumente, wie in der Wirt-schaftspresse zuweilen ausgemalt wird, ist bei weitem nicht in jeder Marktkonstellati-on angezeigt. Warum in der Presse zuweilen der Eindruck entsteht, jedes Unternehmen müsse Preise und Produkte standardisieren, erklärt sich unseres Erachtens auch da-durch, dass immer wieder die Computer- und die Automobilbranche als Fallbeispiele

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herangezogen werden. Die unspektakulären „stillen Differenzierer“ stehen weniger im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit – und wollen dies sicherlich auch nicht.

3 Thesen zur Steuerung der internationalen Marktbearbeitung

Unsere fünfte These lautet:

These 5: Die Autonomie der Landesgesellschaft muss sich an der Standardisierung der Marktbearbeitung ausrichten.

Unsere erste These zur Steuerung der internationalen Marktbearbeitung knüpft an die eben behandelte zentrale Gestaltungsfrage der internationalen Marktbearbeitung an: Wie sollte eine differenzierte, wie eine standardisierte Marktbearbeitung gesteuert werden? Und vor allem: durch wen – die Zentrale oder die Landesgesellschaften? Der Grad der Autonomie, der den lokalen Vertriebseinheiten bzw. Landesgesellschaften einzuräumen ist, ist eine der spannendsten Entscheidungen bezüglich der Steuerung der internationalen Marktbearbeitung (vgl. z.B. Welge 1989).

Diese Entscheidung kann nicht isoliert getroffen werden, sondern muss – „Structure follows Strategy“ – zur Gestaltung der Marktbearbeitung passen (vgl. auch Ringlstet-ter/Skrobarczyk 1994; Wolf/Egelhoff 2001). Derselbe Grad an Autonomie kann also zum Erfolg oder aber zum Misserfolg führen; je nachdem, wie die Marktbearbeitung gestaltet ist. Diesen Zusammenhang visualisiert die linke Hälfte von Abbildung 5. Unsere These läuft somit auf einen simplen Grundsatz hinaus: Je stärker die Standardi-sierung, desto weniger Autonomie, je stärker die Differenzierung, desto mehr Autonomie. Die zwei zugehörigen „Fit“-Konstellationen werden in der rechten Hälfte von Abbildung 5 durch Haken gekennzeichnet.

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Abbildung 5: Der Zusammenhang zwischen Standardisierung, Autonomie und Erfolg

Zusammenhangbei starkerDifferenzierung

Zusammenhang beistarker Standardisierung

Erfolg

Markt-bearbeitung

lokale Autonomieniedrig hoch

differen-ziert

standar-disiert

„Differenzierung ohne lokales

Unternehmertum“

„Unterlaufene Standardisierung“

lokale Autonomie

Das hier formulierte Prinzip erscheint fast schon trivial. Wer es trivial findet, wird allerdings umso erstaunter sein, dass Abweichungen von diesem einfachen Prinzip in der Unternehmenspraxis durchaus häufig vorkommen. Die zwei „pathologischen“ Situationen zwischen Zentrale und Landesgesellschaften werden in der rechten Hälfte von Abbildung 9 benannt:

Der Quadrant links oben beschreibt eine Situation, in der die Marktbearbeitung nach Ländern differenziert werden soll, in der jedoch gleichzeitig den einzelnen Ländern wenig Autonomie eingeräumt wird. Ein Mangel an Autonomie äußert sich z.B. in Form einer übertriebenen „Regelungswut“ der Zentrale, einer hohen Reporting-Last oder einer Überschüttung der Landesgesellschaften mit zentralen Initiativen und Anfragen. Hinter solchen Auswüchsen stehen allzu oft sehr menschliche Phänomene, wie Führungspersonen, die nicht „loslassen“ und dele-gieren können. Regelmäßig bewahrheitet sich auch der Satz, dass vorhandene Ka-pazitäten (hier: in der Zentrale) immer Aufgaben finden – und dabei nicht nur sich selbst beschäftigen, sondern auch andere (hier: in den Landesgesellschaften). Das Ergebnis ist nicht selten eine Demotivation der Mitarbeiter in der Landes-gesellschaft: Die Differenzierung scheitert an fehlendem lokalen Engagement.

Der Quadrant rechts unten beschreibt eine Situation, in der die Marktbearbeitung standardisiert werden soll, in der jedoch gleichzeitig den einzelnen Ländern viel Autonomie gelassen wird. Eine solche Konstellation kommt häufig dadurch zu-stande, dass es der Zentrale an Mut fehlt, die Macht renitenter „Landes- und Regi-onalfürsten“ zu brechen. Die Folge ist regelmäßig, dass die standardisierte Markt-bearbeitung von immer mehr Ausnahmen „durchlöchert“ wird oder dass die zent-

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ralen Vorgaben vor Ort schlichtweg ignoriert werden: Die Standardisierung wird „unterlaufen“.

Diese Schilderungen sollten plastisch vor Augen führen, wie wichtig die Machtvertei-lung im Unternehmen für die Steuerung der internationalen Marktbearbeitung ist. Das Thema Macht wird jedoch in Konsens-Kulturen wie der deutschen manchmal gerade-zu tabuisiert. Dies erklärt nach unserer Einschätzung einen Teil des oben beschriebe-nen Phänomens, dass das scheinbar so einfache Prinzip, den Autonomiegrad am Stan-dardisierungsgrad auszurichten, in der Praxis so häufig verletzt wird.

Unsere sechste These betrachtet die Machtverteilung dynamisch:

These 6: Das Organisationspendel schwingt in vielen Unternehmen von einem Extrem ins andere.

Anknüpfungspunkt ist wieder das Kontinuum zwischen einer länderübergreifend standardisierten und einer länderspezifisch differenzierten Gestaltung der internatio-nalen Marktbearbeitung. Dieses Kontinuum wird im Zentrum von Abbildung 6 abge-bildet.

Abbildung 6: Das organisationale Pendel

zentralisiert, starkeGlobale Business Unit

dezentralisiert, starkeLandes- oder Regional-organisation

Führungsstruktur

Marktbearbeitungstandardisiert,

wenig Raum fürlokale Experimente

differenziert,viel Raum fürlokale Experimente

übertriebenesPendeln

übertriebenesPendeln

Kosteneffizienz Marktnähe,ChancennutzungFokus

gesundes Pendeln als

Organisations-anpassung

Das eine Extrem des Kontinuums, in Abbildung 6 auf der linken Seite, stellt eine stark standardisierte Marktbearbeitung dar. Wenn Unternehmen die Marktbearbei-

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tung extrem standardisieren und wenig Raum für lokale Experimente lassen, steht dahinter oft ein starker Managementfokus auf Kosteneffizienz. Da die Steuerung ei-ner stark standardisierten Marktbearbeitung, wie wir in den vorigen Abschnitten gezeigt haben, nur sehr wenig Autonomie der lokalen Gesellschaften verträgt, geht mit der Standardisierung häufig eine zentralisierte Führungsstruktur mit starken Globalen Business Units einher.

Das rechte Extrem des Kontinuums, eine starke Differenzierung der Marktbearbei-tung, entspringt häufig einem Managementfokus, der Marktnähe und Chancennut-zung im Vertrieb betont. Da eine länderspezifische Differenzierung der Marktbe-arbeitung, wie gezeigt, nur bei starker Autonomie der lokalen Gesellschaften funk-tioniert, wird hier eher eine dezentrale Führungsstruktur mit mächtigen Landes- oder Regionalorganisationen zu finden sein.

Unsere These spiegelt wider, was wir in unseren Untersuchungen aktueller Organisa-tionstrends (vgl. z.B. Workman/Homburg/Gruner 1998; Homburg/Workman/Jensen 2000), die wir in mehrjährigen Abständen wiederholen, feststellen konnten: Die Un-ternehmen positionieren sich nicht etwa in der Mitte des Kontinuums, sondern verfol-gen im Laufe der Jahre mal das eine Extrem, mal das andere. Dieses sprichwörtlich gewordene organisationale Pendeln haben wir in der oberen Hälfte von Abbildung 6 dargestellt. Derzeit schwingt das Pendel nach unseren Beobachtungen sehr stark in Richtung Kosteneffizienz, Standardisierung und Zentralisierung. Unter Zentralisie-rung verstehen wir dabei die Zentralisierung innerhalb einer (globalen) Business Unit, nicht die Rollenverteilung zwischen den Business Units und der Konzernzentrale (vgl. hierzu Bühner 1996).

Ein gewisses Pendeln halten wir für normal. Dies ist allein schon zur Anpassung an geänderte Marktgegebenheiten erforderlich. Ferner zeigt alle Erfahrung mit Change-Prozessen, dass zur Einleitung von organisationalen Veränderungen das Ruder stets etwas stärker herumgerissen werden muss, um den angestrebten Zielkurs zu errei-chen.

Die extremen Pendelausschläge, die wir in vielen Unternehmen feststellen, halten wir jedoch für ungesund. Übertriebenes Pendeln verstärkt interne Friktionen und interne Machtspiele. Manager und Mitarbeiter investieren mehr Energie in Selbstabsicherung, Selbstrechtfertigung und Selbstdarstellung als in Sachfragen. Aufgebaute Assets, wie eingespielte interne Prozesse, Kundenkenntnis und Kundenvertrauen, werden häufig zerstört.

Warum neigen Unternehmen dann zu extremen Pendelschwüngen, wenn diese doch so viel Kollateralschaden anrichten? Wir können hier keine abschließenden Erklärun-gen anbieten, sondern nur Erklärungshypothesen (vgl. auch McKinley/Scherer 2000):

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Internationale Marktorientierte Unternehmensführung

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Eine erste Erklärungsmöglichkeit sind schlichte Fehleinschätzungen: Solche Fehlein-schätzungen der negativen Auswirkungen resultieren oft aus einer fehlenden Ba-sisnähe und Kundennähe des Top-Managements – und seiner Berater (vgl. Meffert 1990). Man muss sich in diesem Zusammenhang vor Augen führen, dass sich die negativen Konsequenzen extremer Pendelschwünge wesentlich im Bereich der sog. „weichen“ Faktoren abspielen. Diese sind nicht leicht monetär zu quantifizieren, haben aber mittelbar große monetäre Auswirkungen. Der Nutzen, z.B. von Re-strukturierungen, liegt hingegen häufig im Bereich der direkt monetär quantifi-zierbaren Faktoren. Infolgedessen werden die positiven Effekte im Vergleich zu den negativen überschätzt, wenn dem Management die Basisnähe fehlt. Ähnliche Phänomene sind auch aus dem Bereich der Post-Merger-Integration bekannt (vgl. Homburg/Bucerius 2003).

Eine zweite Erklärungsmöglichkeit ist normativer Druck von außen: Unternehmen und Führungspersonen stehen unter engerer Beobachtung denn je. Dies erzeugt den Druck, Aktivitäten zu demonstrieren, im Gespräch zu bleiben, eine kommuni-zierbare „Kapitalmarkt-Story“ zu bieten. Drastische interne Änderungen liefern solche benötigten „News“. Es verlangt von der Führung heute gewiss mehr Mut, den „Moden und Mythen“ (Kieser 1996) des Managements zu widerstehen als ih-nen im Kollektiv mit allen anderen nachzugeben.

Eine dritte Erklärungsmöglichkeit sind Überreaktionen: Extrem einseitige Ausrich-tungen, z.B. auf Kosteneffizienz, reißen klaffende Lücken auf, z.B. im Hinblick auf Innovationen und Marktnähe. Um die virulenten Defizite auszugleichen, betreibt man das gegenteilige Extrem. Das übertriebene Pendeln nährt sich hier also gewis-sermaßen selbst, d.h. die eine Restrukturierung schafft den Bedarf für die nächste. Dass ein solcher Kurs „im Mittel richtig“ sei und den gesunden Mittelweg ergebe, ist natürlich eine Illusion. Es drängt sich hier unwillkürlich eine etwas drastische Analogie auf: Ein oszillierender Ernährungswechsel zwischen Hungerkuren und Schlemmerphasen ist „im Mittel“ auch nicht gleichwertig zu einer dauerhaft ge-sunden Ernährung.

Unsere abschließende These lautet:

These 7: Das Personalmanagement hinkt in vielen Unternehmen bei der Internationalisie-rung hinterher.

Wir haben in den bisherigen Abschnitten gezeigt, wie delikat die Balance zwischen Standardisierung und Differenzierung, zwischen lokaler Autonomie und zentraler Lenkung ist. Zur Bewältigung dieser Aufgabe sind Manager und Mitarbeiter mit in-ternationaler Erfahrung erforderlich, die sich bei ihren Aufgaben auch in die Perspek-tive der anderen Seite hineinversetzen können. Wenn wir von Personen mit internati-onaler Erfahrung sprechen, meinen wir damit nicht nur Mitarbeiter aus dem Mutter-land des Unternehmens, die zeitweilig in die Welt hinausgeschickt wurden. Wir meinen damit auch die Durchmischung des Managementteams und Mitarbeiterstam-

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Christian Homburg und Ove Jensen

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mes in der Zentrale mit Personen aus anderen Nationen und Kulturkreisen („Inpatria-tes“), die im neudeutschen Business-Jargon als „Diversity“ bezeichnet wird (vgl. auch Moore 2003).

Eine Sollbruchstelle für die „Diversity“ liegt z.B. regelmäßig an dem Punkt, wo auf-strebenden ausländischen Talenten in ihren Ländern keine ausreichenden Entwick-lungsperspektiven mehr geboten werden können. Um diese Mitarbeiter nicht zu ver-lieren, ist eine international abgestimmte Mitarbeiterentwicklung und Nachwuchsför-derung vonnöten (vgl. auch Macharzina/Wolf 1998, 1999; Schneidewind 1992; Wächter/Müller-Camen 2003; Wolf 1997). Die Herausforderungen an die internationale Mitarbeiterentwicklung sind dadurch noch gestiegen, dass das Organisationspendel derzeit sehr stark in Richtung Standardisierung und Zentralisierung schwingt. Die Position des Landeschefs, die in diesem Zuge entmachtet wurde, war vordem aus Sicht der Mitarbeiter in den Ländern eine der interessantesten Entwicklungs-perspektiven.

Je wichtiger das internationale Personalmanagement wird, desto bessere Manager sind im Personalbereich erforderlich und desto mehr internationale Erfahrung müssen die Führungskräfte dort besitzen. Leider liegt jedoch die Internationalität im Personalbe-reich weit hinter der in anderen Funktionsbereichen zurück, wie etwa Vertrieb oder F&E. Unsere Ergebnisse zeigen, dass dieser Befund von Wunderer (1992) nach wie vor gültig ist. Man darf sich an dieser Stelle nicht von der Vita der Flaggschiff-Person täu-schen lassen, die in vielen Unternehmen als nach außen sichtbarer „Chief Develop-ment Officer“ oder „Chief Learning Officer“ installiert wird, sondern muss auf die zweite und dritte Reihe schauen. Hier endet der Horizont des Personalmanagements oft an den Landesgrenzen. Davon zeugen auch zahlreiche Arbeiten über die Rückin-tegrationsprobleme von Expatriates (Hammer/Hart/Rogan 1998; Lazarova/Caligiuri 2001; Welch 2003) oder die systematische Unterschätzung weiblicher Expatriate-Kandidaten (Stroh/Varma/Valy-Durbin 2000; Varma/Stroh/Schmitt 2001).

In Diskussionen begegnet uns an dieser Stelle oft der Einwand, mangelnde internatio-nale Erfahrung im Personalbereich sei nicht so schlimm, da das Personalmanagement in der Linie stattfinde – die „Personaler“ seien ja nur für den administrativen Part da. Nach unserem Dafürhalten greift dieser Einwand zu kurz: Natürlich finden Personal-führung und ein Teil des Personalmanagements in der Linie statt, doch internationale Personalentwicklung muss sich auf Konzepte und Systeme stützen. Diese Konzepte, Systeme und das zugehörige Monitoring können nur aus dem Personalbereich kom-men. Es führt kein Weg daran vorbei: International tätige Unternehmen brauchen im Personalbereich durchgehend Manager vom gleichen (internationalen) Kaliber, wie sie in anderen Funktionsbereichen zu finden sind.

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Internationale Marktorientierte Unternehmensführung

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4 Fazit

Unsere Thesen zur Gestaltung der internationalen Marktbearbeitung lauteten:

11.. Gewohnte Verhaltensmuster verlieren im zunehmend internationalen Wettbewerb an Gültigkeit.

22.. Das Preis-Leistungs-Gefüge im internationalen Wettbewerb polarisiert sich.

33.. Zunehmende länderübergreifende Ähnlichkeit der Kundenanforderungen und zunehmende Verbundenheit der Märkte erzeugen Standardisierungsdruck.

44.. Verbundenheit der Märkte und Ähnlichkeit der Kundenanforderungen erzeugen unterschiedliche Arten von Standardisierungsdruck.

Unsere Thesen zur Steuerung der internationalen Marktbearbeitung lauteten:

55.. Die Autonomie der Landesgesellschaft muss sich an der Standardisierung der Marktbearbeitung ausrichten.

66.. Das Organisationspendel schwingt in vielen Unternehmen von einem Extrem ins andere.

77.. Das Personalmanagement hinkt in vielen Unternehmen bei der Internationalisie-rung hinterher.

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Marktorientierte Führung im Wandel von ökologischen Rahmenbedingungen

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

Marktorientierte Führung im Wandel von Umweltbewusstsein und ökologischen Rahmenbedingungen

1 Umwelt- und Klimaschutz als Jahrhundertaufgabe der Weltgesellschaft ................85

2 Entwicklungsphasen der Umweltbewusstseinsforschung .........................................862.1 Entstehung und Entwicklung der Umweltbewegung .......................................862.2 Phasen der Umweltbewusstseinsforschung........................................................87

2.2.1 Konsumentenorientierung ........................................................................882.2.2 Handlungsorientierung .............................................................................882.2.3 Einflussfaktorenorientierung ....................................................................892.2.4 Integrationsorientierung............................................................................902.2.5 Betroffenheitsorientierung ........................................................................90

3 Entwicklung des Umweltbewusstseins in der deutschen Bevölkerung ...................913.1 Analyse des Umweltbewusstsein im Längsschnittvergleich – Studiendesign .......................................................................................................913.2 Entwicklung von ökologischen Konsumententypen im Zeitraum von 1977-2004 ..........................................................................................................923.3 Divergenz zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten ...................973.4 Verantwortung von Marktteilnehmern zur Lösung

von Umweltproblemen.........................................................................................1003.5 Zusammenfassung der Ergebnisse der Längsschnittstudie ............................102

4 Grundlegende Veränderungen der Mensch-Umweltbeziehung durch Klimawandel und Wetterextreme.....................................................................103

5 Implikationen für die marktorientierte Unternehmensführung ..............................107

6 Literatur...........................................................................................................................109

Prof. Dr. Manfred Bruhn ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) der Universität Ba-sel und Honorarprofessor an der Technischen Universität München.

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketingmanagement an der HHL – Leipzig Graduate School of Management.

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Marktorientierte Führung im Wandel von ökologischen Rahmenbedingungen

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1 Umwelt- und Klimaschutz als Jahrhundertaufgabe der Weltgesellschaft

Es gibt keinen Zweifel daran, dass in den letzten drei Jahrzehnten die Problemstellun-gen des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung erheblichen Einfluss auf die Bewusstseinslage und Verhaltensweisen der Marktteilnehmer genommen haben. Dies trifft gleichermaßen für Unternehmen wie auch Nachfrager zu. Heribert Meffert hat mit seinen Forschungen bereits vor drei Jahrzehnten nachgewiesen, welchen bedeu-tenden Stellenwert ein verändertes Sozial- und Umweltbewusstsein von Konsumenten für das Marketing hat. Die von Heribert Meffert an seinem Institut seit den 1970er Jahren regelmäßig durchgeführten Befragungen zum Umweltbewusstsein der bun-desdeutschen Bevölkerung gehören heute zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Längsschnittuntersuchungen. In den folgenden Ausführungen werden zunächst die Entwicklungsphasen der Umweltbewusstseinsforschung reflektiert, um im zweiten Schritt anhand von Längsschnittuntersuchungen wie auch den aktuellen Erkenntnis-sen zur Evidenz des Klimawandels Implikationen für die marktorientierte Unterneh-mensführung abzuleiten.

Seit Mitte des Jahres 2006 werden nahezu im Wochenrhythmus Studien zu den Aus-wirkungen des globalen Klimawandels publiziert. Experten sind sich jetzt darüber einig, dass die zu erwartenden Klimaveränderungen anthropogenen Ursprungs sind. Schneller als zunächst erwartet ist bereits in den nächsten 20 bis 50 Jahren mit tiefgrei-fenden Auswirkungen der globalen Erderwärmung auf das sozio-ökonomische Um-feld zu rechnen. Während sich Öffentlichkeit, Unternehmen sowie auch Politik nach ersten Anstrengungen für einen verstärkten Umweltschutz bereits auf dem Pfad einer nachhaltigen Entwicklung sahen, so wird jetzt evident: Das übergeordnete ökologi-sche System befindet sich in einem Veränderungsprozess und ein neues Gleichgewicht scheint sich einzuschwingen (Holling 2001; Radermacher 2002; Winn/Kirchgeorg 2005a, 2005b).

In diesem Zusammenhang wird weltweit eine zunehmende Betroffenheit der Men-schen durch Naturkatastrophen erwartet, wobei kontinentale und regionale Unter-schiede konstatiert werden. Zugespitzt wird diese Erkenntnis von Peter Schwartz und Doug Randall in dem im Oktober 2003 vorgelegten Bericht „An Abrupt Climate Change Szenario and Its Implications for United States National Security“ (Schwartz/Randall 2003). Die Autoren betonen, dass nicht die Bedrohung durch den Terrorismus, sondern die Verletzlichkeit von Ländern und Gesellschaften durch Na-turkatastrophen und Klimawandel als die größten Zukunftsherausforderungen ange-sehen werden müssen. Bereits ein Jahrzehnt zuvor hat u.a. Al Gore in seiner Monogra-fie „Earth in the Balance“ (Gore 1992) Bedrohungsszenarien eines aus dem Gleichge-

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

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wicht geratenden Ökosystems thematisiert. Auch die deutsche Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ hat Anfang der 1990er Jahre Handlungsnotwendigkeiten angemahnt (Enquete-Kommission 1992). Diese haben jedoch keine hinreichende öf-fentliche Beachtung erfahren. Hingegen hat der 2006 im Auftrag der britischen Regie-rung erstellte „Stern-Report“ (Stern Report 2006) weltweite Aufmerksamkeit erregt. In ihm werden Szenarien mit einer Quantifizierung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen aufgrund der globalen Erderwärmung dargelegt und untermauert. Wohl kein anderes Thema hat zur Jahreswende 2006/2007 das öffentliche Interesse mehr bewegt wie die Berichterstattungen zu den Folgen des Klimawandels.

Inwieweit sich das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung durch diese öffentliche Thematisierung und die zu erwartenden globalen Veränderungen verstärken wird oder ggf. angesichts einer sich verbreitenden „Endzeitstimmung“ hedonistische Ver-haltensweisen („Nach mir die Sintflut“) die Lebensstile zunehmend prägen werden, ist heute noch nicht absehbar. Diese Entwicklungen werden allerdings zukünftig einen wichtigen Einfluss auf die markt- und umweltorientierte Unternehmensführung neh-men, sodass sie in den folgenden Ausführungen vertiefend analysiert werden.

2 Entwicklungsphasen der Umweltbewusstseinsforschung

Versucht man die Beiträge zur Umweltbewusstseinsforschung zu würdigen, so lassen sie sich im Hinblick auf ihre Schwerpunktsetzungen unterschiedlichen Entwicklungspha-sen zuordnen. Im Rahmen der Umweltbewussteinsforschung wird der Umweltbewe-gung eine Schlüsselrolle bei der öffentlichen Thematisierung und Adressierung von Umweltproblemen zugeordnet.

2.1 Entstehung und Entwicklung der Umweltbewegung

Die Umweltbewegung („Ecology Movement“) kann in westlichen Demokratien als Be-standteil „neuer sozialer Bewegungen“ verstanden werden (Studenten-, Frauen-, Frie-dens-, Solidaritätsbewegungen mit der Dritten Welt, Menschenrechtsbewegungen usw.) und lässt sich in vier Hauptströmungen untergliedern (Messerli 2003).

Erste der vier Strömungen ist der Naturschutz. Er hat seinen Ursprung in traditionellen Naturschutzbewegungen („Conservation Movement“), deren Ziel es war – basierend

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Marktorientierte Führung im Wandel von ökologischen Rahmenbedingungen

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auf der christlich-jüdischen Ethik – die „Wildnis“ vor Eingriffen des Menschen zu schützen. Mit der Gefährdung der Artenvielfalt erhielt der Naturschutz Ende der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts neuen Aufwind. Naturschutzorganisationen, wie z.B. Naturschutzbund Deutschland (NABU), konzentrieren sich in ihrer Arbeit vorwiegend auf Interessenvertretung durch Lobbying und versuchen, die Öffentlich-keit für bestehende Umweltprobleme zu sensibilisieren. Dabei haben diese Institutio-nen auch in zunehmendem Maße gelernt professionelles Marketing zu betreiben (Kirchgeorg 2004). Vielfach weisen sie allerdings einen eher defensiven Charakter auf (Kriesi/Giugni 1996).

Als Folge des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses und einem zunehmenden Be-wusstsein für die Grenzen ökologischer Belastbarkeit entstand Ende der 1950er Jahre eine neue Richtung: die „politische Ökologie“ (Boulding 1966; Meadows 1972). Diese von Bürgerinitiativen ausgehende Strömung zeichnet sich durch eine starke Politisie-rung von Umweltproblemen aus. Sie dominierte vor allem in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren die Umweltbewegung mittels unkonventioneller Aktionen und Massendemonstrationen, unter anderem gegen den Bau von Kraftwerken, Staudäm-men oder die Umweltverschmutzung durch industrielle Emittenten.

Der politischen Ökologie folgt seit Beginn der 1980er Jahre eine gemäßigtere dritte Strömung: der Umweltschutz. Ziel dieser Bewegung ist es, die menschliche Umwelt im weiteren Sinne zu erhalten und zu pflegen (Messerli 2003). Die Kampagnen des Um-weltschutzes fokussieren meist auf spezielle Themen und verbinden sowohl konventi-onelle als auch unkonventionelle Aktionsformen zielorientiert miteinander (Mef-fert/Kirchgeorg 1998).

Neben diesen drei Hauptströmungen ist seit den 1980er Jahren eine vierte Ent-wicklungsrichtung zu erkennen. Sie wird mit dem Begriff „globale Ökologie“ umschrie-ben und entstand durch die Globalisierung von Umweltproblemen, wie z.B. Ozonloch, Treibhauseffekt oder Waldsterben. Mit ihr entstanden neue transnationale Umwelt-schutzorganisationen wie Greenpeace oder Earth First. Gleichzeitig wurden Fragestel-lungen des Sustainable Development in bestehenden (z.B. UNEP, OECD) oder neuen transnationalen Institutionen (z.B. Business Council for Sustainable Development) aufgegriffen. Diese Entwicklung ist durch eine zunehmende stakeholderübergreifende Sensibilisierung und Zusammenarbeit gekennzeichnet.

2.2 Phasen der Umweltbewusstseinsforschung

Die Entwicklung der Umweltbewegung beeinflusst – durch die in der öffentlichen Diskussion vorherrschenden Themengebiete – die wissenschaftliche Auseinander-setzung mit dem Thema „Umweltbewusstsein in der Bevölkerung“. Basierend auf den

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

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vier Hauptströmungen der Umweltbewegung lassen sich fünf Phasen der Umweltbe-wusstseinsforschung unterscheiden, die im Folgenden näher erläutert werden.

2.2.1 Konsumentenorientierung

Die erste Phase der Umweltbewusstseinsforschung kann mit dem Begriff der „Konsu-mentenorientierung“ umschrieben werden. Sie hat ihren Ursprung in der wachsenden Aufmerksamkeit der Bevölkerung für das Umfeld (Dawson 1969). Mit der Erkenntnis, dass der persönliche Konsum ebenso wie die industrielle Produktion einen schädi-genden Einfluss auf die Umwelt hat, richtet sich der Fokus Anfang der 1970er Jahre auf den Konsumenten und dessen Handeln. Insbesondere im Bereich der Marketing-forschung wird in einmaligen, regional begrenzten Umfragen der Erwerb bestimmter Produkte bzw. Produktlinien, die sowohl umweltschonende als auch schädigende Produktvarianten umfassen, untersucht.

Beispiele hierfür sind das Fahren mit bleifreiem bzw. verbleitem Benzin oder das Wa-schen mit phosphatfreiem bzw. phosphatbelastetem Waschmittel (Henion 1972; Kin-near/Taylor 1973). Umweltbewusste Handlungsweisen werden dabei vorrangig im Sinne eines gesellschaftlich-politischen Engagements verstanden (Maloney/Ward 1973), weshalb häufig auch von einem „Social Conscious Consumer“ gesprochen wird (Anderson/Cunningham 1972). Die soziale bzw. ökologische Verantwortung der Verbraucher wurde dabei im Rahmen verschiedener Skalen über Einstellungs- sowie Verhaltensvariablen gemessen und zur Marktsegmentierung herangezogen (z.B. An-derson/Cunnigham 1972; Kinnear et al. 1973).

2.2.2 Handlungsorientierung Ausgelöst durch den Entscheidungszwang in der Umweltpolitik aktiv zu werden, rückt gegen Anfang der 1980er Jahre das Handeln der Konsumenten immer stärker in das Zentrum der wissenschaftlichen Forschung (Fietkau et al. 1982, S. 3ff.). Die Phase der „Konsumentenorientierung“ wird durch die Phase der „Handlungsorientierung“ abgelöst. Forschungsschwerpunkte sind sowohl die Identifikation von Einflussfakto-ren auf das Kaufverhalten (z.B. Henion et al. 1981) als auch der Zusammenhang zwi-schen Umweltwissen und Umweltverhalten respektive zwischen Umweltbewusstsein und Konsumentenverhalten (Crosby/Gill 1981; Aldwarth/Wimmer 1986). Für die Un-tersuchung der Wirkungsbeziehungen werden – angeregt durch die amerikanische Einstellungs- und Verhaltensforschung – erstmalig Strukturgleichungsmodelle heran-gezogen (Crosby/Gill 1981; in Deutschland: Fietkau/Kessel 1981, Balderjahn 1986). Den Forschern geht es hierbei um die Überprüfung von Zusammenhangshypothesen, wie z.B. „Je ausgeprägter das Umweltwissen, desto umweltgerechter verhält sich eine Person“ (Kuckartz 1998). Durch die fehlende oder auch nur schwache kausale Ver-

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knüpfung zwischen den einzelnen Bereichen der menschlichen Psyche verlagert sich die empirische Forschung auf die Beschreibung des Umweltbewusstseins als integra-len Bestandteil des allgemeinen Bewusstseins (UBA 1985). Hierbei werden insbesonde-re im deutschsprachigen Raum, der Empfehlung von Bruhn (1978) folgend, das Kon-strukt „Umweltbewusstsein“ unter Einbeziehung der drei Sphären der menschlichen Psyche mittels umweltorientiertem Wissen, ökologischer Einstellung sowie umwelt-konformer Handlungsbereitschaft neu operationalisiert (Kessel/Tischler 1984; Urban 1986). Gleichzeitig erfolgt eine Ausweitung der Befragungen auf ein nationales Ni-veau, um einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung in die Befragung einzu-beziehen und fortlaufende Vergleiche zum Stand des Umweltbewusstseins innerhalb einer Bevölkerung zu ermöglichen (z.B. Strebel 1980; Fietkau et al. 1982; Kes-sel/Tischler 1984; Gruner+Jahr 1982, 1985).

2.2.3 Einflussfaktorenorientierung

Der Trend „vom Provinzialismus hin zum Kosmopolitismus“ setzt sich in den 1990er Jahren fort (Gruner+Jahr 1990, S. 10f.). Kennzeichnend hierfür ist die kontinuierliche Durchführung länderübergreifender Studien (z.B. Gruner+Jahr 1982-1999; Diek-mann/Franzen 1994, 1996; UBA 2000, 2002 usw.). Die Untersuchungen zum Konstrukt des Umweltbewusstseins konzentrieren sich im gleichen Zeitraum auf die konative Ebene, d.h. die Handlungsbereitschaft der Konsumenten, und die Divergenz zwischen Umweltbewusstsein und -verhalten (auch als Verhaltenslücke bezeichnet). In der Fol-ge wird nach verschiedenen Einflussfaktoren bzw. verschiedenen Ansätzen zur Erklä-rung des Umweltverhaltens gesucht. Entsprechend kann diese Phase auch mit dem Begriff „Einflussfaktorenorientierung“ umschrieben werden. Einen ersten Erklärungs-beitrag liefern Diekmann/Preisendörfer (1992) mit der Low-Cost-Hypothese. Danach verhalten sich die Verbraucher vorwiegend dann umweltfreundlich, wenn es sie nichts oder nur vergleichsweise wenig kostet. Die Rational-Choice-Theorie geht noch einen Schritt weiter und interpretiert den Begriff „Kosten“ nicht nur monetär, sondern als Inanspruchnahme jeglicher Ressourcen (z.B. Kraft, Zeit, Geld) (Balderjahn 1993, 2004). Darüber hinaus wird häufig auch die Wirkungslosigkeitsvermutung zur Erklärung herangezogen. Entsprechend den Ergebnissen von Gierl/Stumpp (1999) sind nur sol-che Personen geneigt, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, die für sich Hand-lungsfähigkeit wahrnehmen. Mit der Erklärung des Umweltbewusstseins geht im Rahmen der Typologisierungsansätze eine Verfeinerung der Zielgruppen einher (Gru-ner+Jahr 1990, 1995, 1999; Bohlen et al. 1993; Roberts 1995, 1996). Insbesondere wird das Umweltverhalten verschiedener Segmente in ausgewählten Situationen untersucht (Brigitte 1993; Wöhler 1993; Monhemius 1994).

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

90

2.2.4 Integrationsorientierung

Mit der Durchsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Orientierungsrahmen für die nationale und internationale Umweltpolitik beginnt die Phase der „Integrationsorientierung“. Ausgehend vom Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung – formuliert von der Brundtland-Kommission – soll den kommenden Generationen ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlas-sen werden, in dem die Erhaltung des natürlichen Umfeldes, der gesellschaftliche Zusammenhalt sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gleichberechtigt berück-sichtigt werden (Balderjahn 2004; Schaltegger 2004). Der Erkenntnis folgend, dass ökologische, ökonomische sowie soziale Faktoren nicht isoliert voneinander zu be-trachten sind, werden – insbesondere im Rahmen von repräsentativen Umfragen – sämtliche Facetten des Umweltbewusstseins einer integrierten Betrachtung unterzo-gen. Die Themenbereiche reichen hierbei von „Einschätzungen zur aktuellen Umwelt-politik“ über die „Beurteilung der Wahrscheinlichkeit von Zukunftsszenarien“ bis hin zur „gesundheitlichen Belastung durch Umweltprobleme“ (UBA 2000, 2002; Bundes-ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2004; SIDOS 2000). Gleichzeitig ist eine vertiefende Auseinandersetzung mit einzelnen Dimensionen des Umweltbewusstseins festzustellen. Frick (2003) beispielsweise untersucht die Struktur, Einstellungsrelevanz und Verhaltenswirksamkeit des umweltbezogenen Wissens. Bezüglich der ökologischen Einstellung findet eine Weiterentwicklung hinsichtlich der drei Dimensionen Umweltkrisenbewusstsein, Nachhaltigkeitsbewusstsein und Ent-dramatisierung statt (de Haan/Kuckartz 1996a; Kuckartz 1998, S. 46ff.; Schahn et al. 2000; Lappe et al. 2000; Wingerter 2006). Im Zusammenhang mit der dritten Dimensi-on – dem ökologischen Verhalten – werden die Studien auf die Zahlungsbereitschaft ausgeweitet (Laroche et al. 2001; Rowlands et al. 2002). In Anbetracht des Nutzens, der aus einem umweltbewussten Verhalten resultiert, wird ergänzend die Frage nach einer Hierarchisierung von Umweltverhaltensfeldern bezüglich ihrer Relevanz gestellt (Ku-ckartz 1998, S. 85).

2.2.5 Betroffenheitsorientierung Angesichts der zu erwartenden Veränderungen des Weltklimas mit den einleitendhervorgehobenen Extremwettersituationen besteht die Möglichkeit, dass eine neue Phase der Umweltbewusstseinsforschung entsteht, in der die Auseinandersetzung der Menschen mit Naturkatastrophen und die psychisch-emotionalen Folgen von Natur-katastrophen in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses rücken. Je mehr Menschen von den Extremwettersituationen betroffen werden, um so eher ist zu erwarten, dass sowohl die kognitive wie auch emotionale Auseinandersetzung mit den Risiken der Naturgefahren zunehmen wird (Grothmann 2005, S. 50ff.). Wenngleich Kesselmann in seiner Untersuchung bestätig, dass umweltgerechtes Verhalten dann am ehesten prak-tiziert wird, wenn keine abstrakte Bedrohung, sondern ein konkretes Ziel optimistisch

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angesteuert werden kann (Kesselmann 1997, S. 231), so deuten die Prognosen des globalen Phänomens „Klimawandel“ darauf hin, dass die mentale wie auch physische Auseinandersetzung mit diesem Sachverhalt angesichts der für die Gesellschaft er-fahrbaren Folgen - in Form von persönlichen Risiken wie auch Chancen - zunehmen wird.

Im Bereich der Psychologie ist ein Forschungsstrang der psychologischen Naturgefah-renforschung auszumachen, der sich mit den psychisch-emotionalen Folgen von Na-turkatastrophen bereits seit den 1950er Jahren beschäftigt (Miller/Kraus 1994). Die Integration von Erkenntnissen der Forschungen zur Risikowahrnehmung (z.B. Jun-germann et.al. 1990) kann in diesem Zusammenhang auch einen Beitrag dazu leisten, um die Verhaltensweisen und -änderungen in einem sich wandelnden ökologischen Kontext erklären zu können.

3 Entwicklung des Umweltbewusstseins in der deutschen Bevölkerung

3.1 Analyse des Umweltbewusstseins im Längsschnittvergleich — Studiendesign

Im Rahmen einer Längsschnittanalyse wurde vom Institut für Marketing der Universität Münster in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Marketing und Unternehmensführung der Universität Basel untersucht, welchen Stellenwert ökologische Problemstellungen in den letzten rund 30 Jahren einnehmen. Hierzu lagen Daten zum Umweltbewusst-sein und Umweltverhalten der deutschen Bevölkerung, die anhand eines identischen Untersuchungsdesigns erhoben wurden, aus den Jahren 1977, 1985, 1994 und 2004 zum Längsschnittvergleich zu Verfügung (Meffert/Bruhn 1978, 1996; Meffert et al. 1986; Meffert/Bruhn 2005).

Zur Operationalisierung des Umweltbewusstseins wurde in allen vier Untersuchungen von einem Dreikomponentenansatz ausgegangen. Darauf basierend setzt sich das theore-tische Konstrukt aus drei voneinander unabhängigen Dimensionen zusammen:

Ökologisches Wissen (kognitive Dimension)

Ökologische Einstellung (affektive Dimension)

Ökologisches Verhalten (konative Dimension)

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

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Dabei enthält die kognitive Dimension die mit dem ökologischen Bewusstsein ver-bundenen Gedanken, d.h. das subjektive Wissen des Befragten über die sozialen und ökologischen Konsequenzen des Konsumverhaltens. Es sollte ermittelt werden, ob die Konsumenten in der Lage sind, die Ausprägungen von Konsum- und Umweltproble-men bestimmten Produkten und Produktbereichen zuzuordnen. Die Fragen bezogen sich auf Waschmittel, Benzin, Autos sowie den Themenbereich Haushaltsmüll.

Die zweite Dimension – die ökologische Einstellung – misst die gefühlsmäßige Ein-schätzung der Konsumenten gegenüber den mit den ökologischen Aspekten zusam-menhängenden Problemen und Streitfragen. Als Einzelindikatoren wurden die The-menbereiche Involvement des Staates bei der Lösung von Umweltproblemen, höhere Preise für umweltschonende Produkte, Eigenverantwortlichkeit beim Benzin-verbrauch, Wichtigkeit von Umweltproblemen sowie die Bewertung der Energiever-knappung und Rohstoffverschwendung erhoben.

Das ökologische Verhalten verkörpert die mit dem ökologischen Bewusstsein verbun-denen Handlungstendenzen. Durch diese Dimension sollte ermittelt werden, ob der Befragte durch sein persönliches Verhalten bereit ist, einen Beitrag zur Lösung von Konsum- und Umweltproblemen zu leisten. Dabei wurden als Verhaltensabsichten die Rücksicht auf öffentliche Sauberkeit, Mülltrennung, die Diskussion von Umweltschutz im persönlichen Bereich sowie das Einsparen von Rohstoffen abgefragt. Jede dieser drei Dimensionen (Wissen, Einstellung, Verhalten) wurde durch fünf Fragen operatio-nalisiert.

Basierend auf dem Antwortverhalten erfolgte eine Klassifikation der Konsumenten in acht Gruppen des Umweltbewusstseins. Um die so identifizierten Gruppen näher beschreiben zu können, wurden ergänzend sozioökonomische und demographische Merkmale der Befragten erfasst.

3.2 Entwicklung von ökologischen Konsumententypen im Zeitraum von 1977-2004

Die Abgrenzung der Gruppen des ökologischen Bewusstseins erfolgt basierend auf dem dargestellten Dreikomponentenansatz (vgl. Abbildung 1). Hierbei werden für jede Dimension die möglichen Skalenwerte in jeweils zwei Gruppen geteilt. Werte zwischen 0 und 5 Punkten werden zu der Einschätzung „Dimension vorhanden“ zu-sammengefasst, während für Punktwerte zwischen 6 und 10 das Label „Dimension nicht vorhanden“ vergeben wird. Durch Kombination der zwei Ausprägungen für jede der drei Dimensionen entstehen 8 (23) Gruppen des ökologischen Bewusstseins.

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Bei den beiden Extremgruppen besteht eine konsistente Beziehung zwischen den drei Skalen. Personen, die eine positive ökologische Einstellung, ein hohes ökologisches Wissen sowie umweltbewusstes Verhalten aufweisen, werden als ökologisch bewusste Konsumenten (Gruppe 1) bezeichnet. Besteht eine negative Beziehung zwischen den Skalen, kann von ökologisch nicht bewussten Konsumenten (Gruppe 8) gesprochen werden. Sie sind dementsprechend durch eine negative ökologische Einstellung, ge-ringes ökologisches Wissen und ein nicht ökologiegerechtes Verhalten gekennzeichnet. Zwischen diesen beiden Randgruppen lassen sich weitere Konsumentengruppen abgrenzen, bei denen jedoch keine konsistente Beziehung zwischen den drei Dimensi-onen des sozialen Bewusstseins besteht (Gruppen 2-7). Es bietet sich an, diese acht Gruppen zu vier Gruppierungen des Umweltbewusstseins zusammenzufassen:

Die ökologisch bewussten Konsumenten (Gruppe 1),

Konsumenten mit einer ökologischen Einstellung und einem ökologischen Wissen (Gruppe 2),

ökologisch weniger bewusste Konsumenten (Gruppen 3 bis 5) sowie

ökologisch nicht bewusste Konsumenten (Gruppen 6 bis 8).

In Abbildung 2 sind die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten, die sich daraus ergebenden Gruppen sowie deren Verteilung in den Jahren 1977 bis 2004 für Gesamt-deutschland dargestellt.

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Abbildung 1: Gruppen des ökologischen Bewusstseins in Deutschland (1977-2004) (Quelle: Meffert/Bruhn 2005, S. 24)

Ökologische Einstellung

Ökologisches Wissen

Ökologisches Verhalten

IsolierteGruppen-grösse (in %)

KumulierteGruppen-grösse (in %)

+

++

+-

--

-

++

+-

--

1977

1985

1994

1985

1977

2004

1994

2004

16,4

37,6

17,015,310,49,49,214,58,0

15,3 6,3 9,3 7,37,8 11,8 4,7

55,0 10,3 4,7 1,2 22,8 3,8 1,4 0,8

29,0 1,3 24,5 1,3 17,1 1,8 22,7 2,3

16,4

37,6

8,0

7,8

55,0 10,3

42,633,0

31,7

28,7 6,0

22,9

42,9 26,829,0 1,3

Eine Betrachtung der prozentualen Verteilung der einzelnen Gruppen über die letzten vier Erhebungswellen spiegelt eine Trendwende im ökologischen Bewusstsein der deutschen Bevölkerung wider. Während in den ersten drei Wellen die Gruppe der ökologisch bewussten Konsumenten (Gruppe 1: hohes Wissen, positive Einstellung, ökologiege-rechtes Verhalten) ein anteilsmäßiges Wachstum von knapp 40 Prozent auf 55 Prozent verzeichnen konnte, setzte sich dieser Trend in den letzten zehn Jahren nicht fort. Entsprechend den Auswertungsergebnissen reduzierte sich die Gruppengröße seit der Erhebung im Jahr 1994 um ungefähr die Hälfte auf 29 Prozent. Auch die Gruppe der Konsumenten, die durch ökologisches Wissen und eine ökologische Einstellung (Gruppe 2) beschrieben werden kann, schrumpft. Der Anteil der Befragten sinkt im Zehn-Jahresvergleich um 9 Prozent auf 1,3 Prozent und spielt damit nur noch eine untergeordnete Rolle.

Ein anderes Bild zeichnet sich bei der Betrachtung der letzten zwei Gruppen. Die An-teilsverluste der ersten zwei Gruppen schlagen sich in Anteilsgewinnen der anderen zwei Gruppierungen nieder. Die Zahl der weniger bewussten Konsumenten (Gruppie-rung 3) erhöhte sich um das 1,5fache, während im Vergleichszeitraum das Segment der nicht bewussten Konsumenten (Gruppierung 4) sogar um das 4,5fache zunahm.

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Ein Vergleich der kumulierten Gruppengrößen zeigt, dass das Segment der weniger bewussten Konsumenten (Gruppierung 3) damit die Gruppe der ökologisch bewuss-ten Konsumenten (Gruppe 1) als stärkstes Segment in der Bevölkerung ablöst. An dritter Stelle rangiert mittlerweile das Segment der ökologisch nicht bewussten Kon-sumenten (Gruppierung 4), gefolgt von Gruppe 2.

Um die Anteilsgewinne der ökologisch weniger bzw. nicht bewussten Konsumenten genauer zu erklären (Gruppierung 3 und 4), bietet es sich an, die Entwicklung getrennt nach Gruppen zu analysieren. Gruppierung 3 setzt sich zusammen aus:

Konsumenten mit ökologischer Einstellung und ökologischem Verhalten (Gruppe 3),

Konsumenten mit ökologischer Einstellung (Gruppe 4) sowie

Konsumenten mit ökologischem Wissen und ökologischem Verhalten (Gruppe 5).

Die Anteilsgewinne dieses Segments sind bei getrennter Betrachtung auf das Wachs-tum der Gruppe 3 zurückzuführen. In den letzten 10 Jahren stieg der Anteil der Be-fragten in dieser Gruppe von 4,7 Prozent um knapp 20 Prozentpunkte auf 24,5 Pro-zent. Der Rückgang der Gruppe 5 wurde durch die Anteilsgewinne von Gruppe 3 aufgefangen. Gruppe 4 hat keinen Einfluss auf die Entwicklung. Die Größe der Grup-pe 4 blieb mit 1,3 Prozent fast unverändert.

Im Vergleich hierzu setzt sich Gruppierung 4 zusammen aus:

Konsumenten mit ökologischem Wissen (Gruppe 6),

Konsumenten mit ökologischem Verhalten (Gruppe 7) sowie

Ökologisch nicht bewussten Konsumenten (Gruppe 8).

Das Wachstum dieses Segments basiert vor allem auf den Anteilsgewinnen von Grup-pe 7. Die Anzahl der Befragten, die sich durch umweltbewusstes Verhalten auszeich-nen, aber weder über ökologisches Wissen noch über eine ökologische Einstellung verfügen, erhöhte sich in den letzten 10 Jahren um mehr als 20 Prozentpunkte auf 22,7 Prozent. Auch die Gruppe der ökologisch nicht bewussten Konsumenten verzeichnete einen Zuwachs. Der Anteil dieses Clusters stieg von 0,8 auf 2,3 Prozent. Während sich bei Gruppe 7 und 8 die Entwicklung mit der letzten Erhebung umkehrte, setzte sich bei Gruppe 6 der langfristige Trend fort. Die Gruppengröße schrumpfte um 2 Prozent auf den bisherigen Tiefststand von 1,8 Prozentpunkten.

Um die basierend auf psychographischen und verhaltensbezogenen Kriterien vor-genommene Segmentierung zu konkretisieren, wurden im Rahmen der vier Erhe-bungen ergänzend weitere sozio-demographische Merkmale erhoben. Einige dieser Merkmale sind in Abbildung 2 für ökologisch bewusste und nicht bewusste Konsu-menten (Gruppe 1 und 8) in einem Längsschnittsvergleich gegenübergestellt.

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Abbildung 2: Merkmale ökologisch bewusster und nicht bewusster Konsumenten (Vergleich 1977-2004) (Quelle: Meffert/Bruhn 2005, S. 28)

Volksschul-abschluss mit Lehre

Obere undmittlere

Schichten

Mittlereund höhereAbschlüsse

Jung undMittel

MehrMänner

VieleMänner

Gering

Weiter-führendeSchulen

Obere undmittlere

Schichten

MehrFrauen

AlleSchichten

MehrFrauen

VieleFrauen

MehrMänner

Hoch Älter

Volksschul-abschluss

GeringesAusbildungs-

niveau

GeringesAusbildungs-

niveau

Mittlerebis untereSchichten

UntereSchichten

Mittlerebis untereSchichten

Geschlecht

Durchschnitts-alter

Schulbildung

Soziale Schicht

Ökologisch bewusste Konsumenten Ökologisch nicht bewusste KonsumentenGruppe

Merkmale 1977 19941985 198519772004 1994 2004

Mittelbis älter

Jungbis mittel

Mittlere Abschlüsse

SowohlMännerals auchFrauen

SowohlMännerals auchFrauen

Mittlere Abschlüsse

Hinsichtlich des Kriteriums Alter zeigt sich, dass das Durchschnittsalter der ökologisch bewussten Konsumenten im Verlauf der letzten Erhebungen kontinuierlich zuge-nommen hat. Waren es im Jahr 1977 noch vorwiegend junge Konsumenten, die zu dieser Gruppe zählten, liegt das Durchschnittsalter für dieses Segment in der aktuellen Erhebung bei über 46 Jahren.

Bei den ökologisch nicht bewussten Konsumenten zeichnet sich eine umgekehrte Entwicklung ab. Während 1977 insbesondere ältere Konsumenten zum Kreis der öko-logisch nicht bewussten Konsumenten gerechnet wurden, sind es – entsprechend den Ergebnissen aus dem Jahr 2004 – vorwiegend jüngere Personen, die in dieses Segment fallen.

Eine genauere Analyse des Merkmals Geschlecht zeigt für beide Extremgruppen im Jahr 2004 ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen. Im Rahmen der ersten zwei Befragungen waren in der Gruppe der ökologisch bewussten Kon-sumenten die Männer stärker vertreten. Entsprechend war der Frauenanteil im Seg-ment der ökologisch nicht bewussten Konsumenten deutlich höher.

Auch hinsichtlich des Kriteriums Schulbildung zeichnen sich unterschiedliche Entwick-lungen in den zwei betrachteten Gruppen ab. Im Jahr 1977 und 1985 zählten vor allem Verbraucher mit einer höheren Schulbildung zur Gruppe der ökologisch engagierten Konsumenten. In den letzten zehn Jahren sind es vermehrt Personen mit mittlerem Schulabschluss, die zu diesem Segment gerechnet werden können. Im Vergleich hierzu zählen zur Gruppe der ökologisch nicht bewussten Konsumenten vor allem Personen

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mit geringem Ausbildungsniveau. Im Jahr 2004 haben 69,1 Prozent der Befragten in dieser Gruppe einen Volks- oder Hauptschulabschluss.

Bezüglich der sozialen Schicht kann festgehalten werden, dass Konsumenten mit aus-geprägtem ökologischem Bewusstsein verstärkt in mittleren bis oberen sozialen Schichten anzutreffen sind. Ökologisch nicht bewusste Personen gehören vergleichs-weise häufiger den mittleren bzw. unteren Bevölkerungsschichten an.

Im Hinblick auf das rückläufige Umweltbewusstsein soll im Folgenden die umwelt-orientierte Verhaltenskomponente einer gesonderten Analyse unterzogen werden.

3.3 Divergenz zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten

Hinsichtlich der dritten Dimension des ökologischen Bewusstseins – der ökologischen Verhaltensabsicht – zeigt sich im Vergleich zu den anderen Komponenten ein Trend zu einer verstärkten Ökologieorientierung. Während im Jahr 1977 nur 20,3 bzw. 6,5 Pro-zent der Bevölkerung ein sehr stark ausgeprägtes bzw. überragendes Umweltverhalten aufwiesen, haben sich die Werte in den letzten 27 Jahren in diesen Kategorien verdop-pelt bzw. verfünffacht. Die Gruppe der Konsumenten mit sehr stark ausgeprägtem ökologischem Verhalten wuchs von 26,8 Prozent im Jahr 1985 auf 34,3 Prozent im Jahr 1994. Dieser Trend setzte sich in den letzten 10 Jahren fort, sodass im Jahr 2004 bereits 41,2 Prozent der Bevölkerung ein stark ausgeprägtes umweltbewusstes Verhalten zeigten (vgl. Abbildung 3).

Eine ähnliche Entwicklung ist für die Gruppe der Konsumenten mit überragendem ökologischem Verhalten zu verzeichnen. Im Jahr 1985 zählten 20,6 Prozent der Bevöl-kerung zu dieser Gruppe, 1994 waren es bereits 26,7 Prozent, und im Jahr 2004 steigt dieser Prozentsatz nochmals auf 33,7 Prozent.

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Abbildung 3: Entwicklung des ökologischen Verhaltens 1977-2004 (Quelle: Meffert/Bruhn 2005, S. 24)

3.71.7

0.8 0.1

12.1

8.9

3.4

1

28.7

15.5

11.9

5.7

28.7

26.5

22.9

18.420.3

26.8

34.3

41.2

6.5

20.6

26.7

33.7

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

Anteil Bevölkerung (in Prozent)

gar nicht kaum etwas ziemlich sehr überragendökologisches Verhalten

1977198519942004

Im gleichen Zeitraum verringerten sich die prozentualen Werte der anderen Klassen kontinuierlich. Der Anteil der Konsumenten mit einem ziemlich stark ausgeprägten ökologischen Verhalten sank von 28,7 Prozent im Jahr 1977 um mehr als 10 Prozent auf 18,4 Prozent. Gleichzeitig schrumpfte die Zahl der Konsumenten, deren Verhalten sich nur etwas an umweltpolitischen Fragestellungen orientiert, von 28,7 Prozent auf 5,7 Prozent, d. h. auf ca. ein Fünftel.

Besonders deutlich wird die Verschiebung zugunsten eines ökologieorientierteren Verhaltens bei Betrachtung der anderen zwei „Extremklassen“, d.h. der Konsumenten, deren ökologisches Verhalten gering oder gar nicht ausgeprägt ist. Hier sinkt der Be-völkerungsanteil von anfänglich 15,8 Prozent auf knapp 1,1 Prozent im Jahr 2004. Damit sind diese beiden Segmente zu vernachlässigen.

Die Ergebnisse zeigen in Kombination mit den untersuchten Konsumententypen auf, dass die ökologieorientierten Verhaltensabsichten im Jahre 2004 im Vergleich zu den früheren Untersuchungen vielfach nicht mehr eine konsistente affektive und kognitive Umweltbewusstseinskomponente gestützt wird. Einerseits gehen Verbraucher heute

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vielfach davon aus, dass die überwiegende Mehrheit der Produktkategorien ökologi-sche Mindeststandards erfüllt. Dies führt zu einer kognitiven Entlastung, weil nicht mehr bei jedem Einkauf die Umweltverträglichkeit der Produkte geprüft wird. Ander-seits besteht aber auch die Gefahr, dass das bekundete Umweltverhalten nicht in tat-sächliches Verhalten umgesetzt wird. Der Lücke zwischen Umweltbewusstsein und tatsächlichem Umweltverhalten haben sich viele wissenschaftliche Untersuchungen gewidmet (vgl. z.B. Monhemius 1994).

Neben den drei Dimensionen des Umweltbewusstseins wurde im Rahmen der empiri-schen Studie untersucht, ob Divergenzen zwischen Umweltbewusstsein und umweltbe-wusstem Kaufverhalten bestehen. Hierzu wurden die Befragten gebeten in einer Fremdeinschätzung zu beurteilen, ob umweltbewusstes Verhalten von der übrigen Bevölkerung zwar grundsätzlich befürwortet, aber das eigene Verhalten nicht dement-sprechend ausgerichtet wird. Mehr als 70 Prozent der Konsumenten beantworteten diese Frage mit „ja“. Nur 22,9 Prozent der Bundesbürger vermuten ein konsistentes Verhalten der deutschen Bevölkerung (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Existenz von Divergenzen zwischen Umweltbewusstsein und umweltbewusstem Kaufverhalten (Vergleich 1994, 2004) (Quelle: Meffert/Bruhn 2005, S. 30)

66.8

73.8

31.8

22.9

1.4 3.3

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Anteil Bevölkerung (in Prozent)

ja nein fehlendAntwortverhalten

1994

2004

Vergleicht man diese Ergebnisse mit denen von vor 10 Jahren, so lässt sich feststellen, dass eine weitere Verschiebung hinsichtlich einer divergenten Verhaltensvermutung

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

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(divergenten Verhaltens) stattgefunden hat. Im Jahr 1994 waren es noch 66,8 Prozent der Befragten, die die Ökologieorientierung der Bevölkerung für ein Lippenbekennt-nis hielten. Gleichzeitig hat sich der Anteil derjenigen, die von einem konsistenten Verhalten ausgehen, um 10 Prozent reduziert. Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern waren im Hinblick auf die Fremdeinschätzung nicht festzustellen.

Dieser negative Trend ist eng damit verbunden, dass die Umwelt des Menschen ein kollektives Gut darstellt. Für die Überwindung von Kollektivgutproblemen ist ein kleiner Beitrag jedes einzelnen gefordert. Sind die einzelnen Bürger jedoch der An-sicht, sich bereits im ausreichendem Maße für den Umweltschutz zu engagieren, stel-len aber gleichzeitig fest, dass sich die Umweltprobleme nicht entschärfen, werden sie dies auf das mangelnde Engagement der übrigen Bevölkerung zurückführen.

Denkbar ist ebenfalls, dass sich Konsumenten unter dem Druck der öffentlichen Mei-nung zu ökologisch verträglichen Verhaltensweisen (sozial erwünschtes Verhalten) bekennen, sich aber aufgrund mangelnder individueller Anreize konträr verhalten. Zum einen ist ökologisch bewusstes Verhalten mit Kosten für den Einzelnen verbun-den, und das kollektive Ziel die Umwelt zu schützen, wird auch ohne den individuel-len Beitrag erreicht, wenn sich nur genügend viele beteiligen.

3.4 Verantwortung von Marktteilnehmern zur Lösung von Umweltproblemen

In allen vier Erhebungen wurde ferner eine Frage aufgenommen, die ermitteln sollte, welche Marktteilnehmer bzw. Personengruppen aus Sicht der deutschen Bevölkerung am Besten in der Lage sind, einen Teil zur Lösung der ökologischen Probleme beizu-tragen (vgl. Abbildung 5).

Eine vergleichende Analyse der Ergebnisse aus den letzten 30 Jahren zeigt, dass nach Meinung der Bürger Verbraucher, Hersteller und Staat den größten Beitrag zur Vor-beugung und Beseitigung von Umweltproblemen leisten können. Dabei rangierten in den Jahren 1977 und 1985 die Verbraucher deutlich vor Staat und Hersteller, während 1994 Verbraucher und Hersteller die Plätze tauschten. In der Befragung aus dem Jahr 2004 hat sich das Bild dahingehend verändert, dass der Verbraucher wieder als Hauptverantwortlicher zur Lösung von Umweltproblemen angesehen wird. Hersteller und Staat haben im Zehn-Jahresvergleich jeweils einen Platz verloren.

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Abbildung 5: Verantwortung der Marktteilnehmer zur Lösung von Umweltproblemen (1977-2004) (Quelle: Meffert/Bruhn 2005, S. 33)

Häufigkeiten der Nennungen (Rangfolge) 1977 1985 1994 2004 Tendenz

Die Verbraucher durch ihr Kaufverhalten 1 1 3 1

Die Hersteller durch freiwillige Maßnahmen 3 3 1 2

Die Verbraucherverbände durch ihreAufklärungsmaßnahmen

4 6 6 7

Die Medien durch ihre Berichte und Sendungen 5 4 7 4

Der Staat durch Gesetze und Verordnungen 2 2 2 3

Testinstitute durch vergleichende Warentests 6 8 9 8

Umweltschutzorganisationen durch ihre Aktionenund Proteste

- - 4 9

Der Handel durch das Sortiment 7 7 5 6

Die Wirtschaftsverbände durch ihre Vertreter 9 9 8 10

Die politischen Parteien durch ihre Abgeordneten 8 5 10 5

Diese Entwicklung kann folgendermaßen interpretiert werden: Die Verbraucher sind durch ihr Kaufverhalten gefordert, ökologischen Problemen entgegenzuwirken. Die Hersteller können die Verbraucher unterstützen, indem sie bei der Beschaffung, Pro-duktion und Entsorgung verstärkt auf Nachhaltigkeit setzten und dem Konsumenten ein größeres Maß an umweltfreundlichen Produkten anbieten. Hinter den Herstellern auf Platz 3 kommt dem Staat die Aufgabe zu, mithilfe von Verordnungen und Geset-zen die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Betrachtet man die Bele-gung der drei Rangplätze, so ist jedoch auch hervorzuheben, dass den Unternehmen und politischen Parteien von den Bundesbürgern das geringste Vertrauen bei der

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Lösung von Umweltproblemen zugesprochen wird (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2004, S. 65ff.).

An vierter Stelle wurden bei der hier durchgeführten Befragung im Jahr 2004 die Me-dien eingeordnet. Sie gewannen damit wieder drei Plätze zurück, die sie im Jahr 1994 eingebüßt hatten. Der Bedeutungszuwachs der Medien kann darauf zurückgeführt werden, dass sie aus Sicht der Bevölkerung durch weniger, aber seriösere Berichte in den letzten Jahren verstärkt dazu beigetragen haben, die Gesellschaft für ausgewählte umweltpolitische Fragen zu sensibilisieren.

Einen Bedeutungszuwachs konnten auch die politischen Parteien verzeichnen. Sie rückten in den letzten zehn Jahren vom letzten Platz auf die 5. Stelle vor. Ein Grund hierfür könnte darin bestehen, dass nach den letzten Bundestagswahlen – durch die Beteiligung der Grünen an der Regierung – Umweltaktivitäten vermehrt im Zentrum der Diskussionen standen.

Auffallend ist – im Vergleich hierzu – die abnehmende Relevanz der Umwelt-schutzorganisationen. Lagen sie zehn Jahre zuvor noch in der Beurteilung direkt hin-ter den Verbrauchern, haben sie mittlerweile 5 Plätze verloren und liegen damit auf dem vorletzten Platz. Diese Einschätzung kann zurückgeführt werden auf eine rück-läufige Berichterstattung über Proteste und Aktionen von Umweltschutzorga-nisationen in den Medien. Unternehmen haben aus den Umweltskandalen der Ver-gangenheit gelernt und beziehen Umweltbelange verstärkt in ihre Entscheidungen mit ein. Sie bieten so Umweltschutzorganisationen weniger Angriffsfläche für Proteste. Hinzu kommt, dass durch die Vielzahl von umweltorientierten Nonprofit-Organisationen eine differenzierte Wahrnehmung durch den Verbraucher erschwert wird.

Als am wenigsten geeignet, bestehende Umweltprobleme zu lösen, werden Wirt-schaftsverbände eingestuft; sie verlieren im Vergleich zu 1994 damit zwei Plätze. Dies kann als Indikator dafür gesehen werden, dass – entsprechend der Meinung der Be-fragten – Vertreter von Wirtschaftsverbänden umweltpolitische Fragestellungen häufig hinter die Interessen der jeweiligen Lobby zurückstellen.

3.5 Zusammenfassung der Ergebnisse der Längsschnittstudie

Die Ergebnisse der vorliegenden Längsschnittuntersuchung lassen sich zu sieben zentralen Aussagen zusammenzufassen:

(1) Die ökologischen Kenntnisse sind im Jahr 2004 rückläufig, während sich in den ersten drei Erhebungswellen das ökologische Wissen in der Bevölkerung kontinu-ierlich verbesserte.

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Marktorientierte Führung im Wandel von ökologischen Rahmenbedingungen

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(2) Die ökologischen Einstellungen sind im Jahr 2004 rückläufig, während sich in den ersten drei Erhebungswellen die Einstellung der Bevölkerung bzgl. ökologischer Fragestellungen kontinuierlich verbesserte.

(3) Über alle vier Wellen hinweg zeigt sich eine Verschiebung zugunsten eines ökolo-gieorientierten Verhaltens.

(4) Die Rückgang des ökologischen Wissens und der ökologischen Einstellung in der Bevölkerung spiegelt sich in der Entwicklung der Gruppen des ökologischen Be-wusstseins wider:

- Die Gruppierung der ökologisch bewussten Konsumenten (Gruppe 1) und die Gruppierung der Konsumenten mit ökologischer Einstellung und ökologi-schem Wissen schrumpfen, während die Gruppierung der ökologisch weniger bewussten (Gruppierung 3) sowie ökologisch nicht bewussten Konsumenten (Gruppierung 4) an Bedeutung gewinnen.

- Die Gruppierung der weniger bewussten Konsumenten (Gruppierung 3) löst damit die Gruppierung der ökologisch bewussten Konsumenten als stärkstes Segment in der Bevölkerung ab.

(5) Ökologisch bewusste Konsumenten lassen sich charakterisieren durch mittleres bis hohes Durchschnittsalter und mittlere Schulabschlüsse, während ökologisch nicht bewusste Konsumenten jüngeren bis mittleren Alters sind und geringere Schulbildung aufweisen.

(6) Im Rahmen einer Fremdeinschätzung halten mehr als 70 Prozent der Bevölkerung die Ökologieorientierung für ein Lippenbekenntnis.

(7) Nach Meinung der Bürger können Verbraucher, Hersteller und Staat den größten Beitrag zur Vorbeugung und Beseitigung von Umweltproblemen leisten. Aller-dings wird der Industrie und dem Staat in anderen Studien ein geringes Vertrau-en bei der umweltorientierten Lösungskompetenz zugesprochen.

4 Grundlegende Veränderungen der Mensch-Umweltbeziehung durch Klimawandel und Wetterextreme

Mit Blick auf die Ergebnisse der Langzeitstudie zum Umweltbewusstsein der Bundes-bürger ist festzustellen, dass – trotz der Intensivierung der Umwelterziehung und Umweltbildung – die bewusste Auseinandersetzung mit und das Wissen um die Um-weltprobleme eine rückläufige Tendenz aufweist. Trotz des rückläufigen Umweltbe-

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

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wusstseins scheint die Sensibilisierungsfähigkeit für Umweltprobleme in weiten Teilen noch gegeben, allerdings ist angesichts der dargestellten Situation eine verstärkte Überzeugsleistung von Unternehmen und Staat für die Intensivierung des Umwelt-schutzverhaltens in der Bevölkerung notwendig. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn umweltverträglichere Produkte eine höhere Zahlungsbereitschaft erfordern. Vielfach lassen sich umweltorientierte Produkte über andere Motivationen (Meffert, Kirchgeorg 1998, S. 277ff.), wie den Gesundheits- und Wellness-Trend z.B. im Lebens-mittelbereich, positionieren, ohne dass die Verbraucher über ein ausgeprägtes Um-weltbewusstsein einen Zugang zu entsprechenden Produkten finden. Dies erklärt die zunehmende Nachfrage, der sich Bioprodukte aus dem ökologischen Anbau derzeit gegenübersehen.

Bezieht man allerdings die seit 2006 eingetretene öffentliche Sensibilisierung für die Thematik Klimawandels mit in die Betrachtungen ein, so ist eine neue Entwicklungs-phase in der Ausprägung des Umweltbewusstseins wie auch in der Ausrichtung der in der Umweltbewusstseinsforschung (vgl. 2.2.5 zur Betroffenheitsorientierung) zu erwarten. Indizien für diese These sollen abgeleitet werden unter Einbeziehung von zwei empirischen Ergebnissen aus der vom Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit im Jahre 2004 durchgeführten repräsentativen Umwelt-bewusstseinsstudie.

Abbildung 6: Zustimmung zu Naturbildern der „Cultural Theory“ (Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2004, S.32)

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Marktorientierte Führung im Wandel von ökologischen Rahmenbedingungen

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In dieser Untersuchung wurden in Anlehnung an die Cultural Theory unterschiedli-che Einstellungen der Bevölkerungen zur natürlichen Umwelt bzw. Natur erfasst. Die Abbildung 6 zeigt, nahezu jeder zweite Bundesbürger ist der Ansicht, dass die Natur nur in Grenzen belastbar ist. Diese Einschätzung hat sich seit dem Jahre 2000 nicht grundlegend verändert. Hingegen ist eine auffällige Veränderung beim Anteil derjeni-gen zu erkennen, welche die Natur für unkalkulierbar oder unberechenbar halten. Fast ein Viertel der Bundesbürger zeigt dieses Meinungsbild. Dieser Zuwachs dürfte sich angesichts der exponierten Diskussion um den Klimawandel und dessen spürbare Folgen z.B. in Form von Wetterextremen verstärken. Hiermit könnte gleichzeitig eine veränderte emotionale Beziehung zur Natur wie auch eine veränderte Motivationslage entstehen, sich für den Natur- und Umweltschutz zu engagieren. Blickt man auf die empirischen Ergebnisse zur Motivation der deutschen Bevölkerung, sich für den Um-welt- und Naturschutz zu engagieren, so wir in der Abbildung 7 deutlich, dass die „Liebe zur Natur“ mit Abstand der wichtigste bekundete Beweggrund ist.

Abbildung 7: Motivation zum Engagement im Umwelt- und Naturschutz (Quelle: Bundes-ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2004, S. 75)

Das Verhältnis zwischen dem Menschen und Natur ist in unserer Gesellschaft noch durch positive Erfahrungen und Gefühle („Nature as Beauty“) geprägt. Extremwetter-ereignisse sowie die schleichenden Folgen des Klimawandelns können diese positive Mensch-Naturbeziehung allerdings nachhaltig verändern.

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

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Mit einer zunehmenden Erfahrbarkeit von Umweltkatastrophen wird das Bedro-hungspotenzial der Natur in der Gesellschaft evident. Somit besteht die Gefahr, dass sich die Einstellung „Nature as Beauty“ zur Metapher „Nature as Biest“ wandeln kann. Dies könnte dann implizieren, dass dem Begriff „Umweltschutz“ in der Öffent-lichkeit eine veränderte inhaltliche Bedeutung zugeschrieben wird: Nicht mehr der Schutz der Natur vor den gesellschaftlich verursachten Umweltproblemen, sondern der Schutz der Menschen vor den bedrohlichen Auswirkungen der veränderten natürli-chen Rahmenbedingungen – also Schutz vor der Umwelt – könnte die Mensch-Umweltbeziehung neu prägen.

Die Abbildung 8 soll diesen Paradigmawechsel in der Mensch-Umweltbeziehung verdeutlichen. War die Diskussion um den Umweltschutz in den 1970er und 1980er Jahren noch durch ein Bild geprägt, dass die Beteiligten in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik durch ihr Verhalten das sensible natürliche Umsystem beeinträchtigen und schädigen, sodass ein umweltorientiertes Verhalten (Inside-Out-Orientierung) aller Beteiligten als Erfordernis betont wurde. So müssen wir heute feststellen, dass die präventiven Umweltschutzmassnahmen nicht ausreichen, um eine Veränderung des ökologischen Gleichgewichtes zu verhindern. Dies hat zur Folge, dass die Einwirkun-gen des ökologischen Systems in Form einer globalen Erderwärmung mit den Phäno-menen der Wetterextreme auf das sozio-ökonomische System zunehmen werden (Winn/Kirchgeorg 2005a und 2005b). Welche Konsequenzen sich hieraus für das Um-weltbewusstsein und umweltorientierte Handeln der Bevölkerung ergeben, ist im Rahmen der Umweltbewusstseinsforschung zukünftig verstärkt zu untersuchen.

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Marktorientierte Führung im Wandel von ökologischen Rahmenbedingungen

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Abbildung 8: Möglicher Wandel der Mensch-Umweltbeziehung(Quelle: Winn/Kirchgeorg 2005a)

Sozio-ökonomischesSubsystem

Ökologisches System

Inside-out Effekte Forschungen über die

Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts

(Critical loads etc.)

Forschungen zum Diskontinui-täten, Resilience- und Risiko-

management

Ökologisches SystemZunehmender Einfluss von Risiken durch ökologische Diskontinuitäten (Klimawandel, Naturkatastrophen)

Outside-in Effekte

Traditionelles Paradigma

Neues Paradigma

Paradigmawechsel: Von der Inside-Out- zur Outside-In-Perspektive

5 Implikationen für die marktorientierte Unternehmensführung

Angesichts der dargestellten Erkenntnisse zur empirischen Umweltbewusstseinsfor-schung sowie der weiterführenden Überlegungen zu einem sich wandelnden Verhält-nis der Mensch-Natur-Beziehung stellt sich die Frage, welche Herausforderungen hieraus für die marktorientierte Unternehmensführung resultieren. Folgende Punkte lassen sich abschließend hervorheben:

Im Rahmen der marktorientierten Unternehmensführung sind die Motivations- und Bewusstseinslagen der Nachfrager im Hinblick auf den Natur- und Umwelt-schutz in den nächsten Jahren besonders sorgfältig zu analysieren. Eine grundle-gende Veränderung der Einstellung des Menschen zur Natur würde erhebliche

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Manfred Bruhn und Manfred Kirchgeorg

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Implikationen für die traditionellen Konzepte der umweltorientierten Profilierung mit sich bringen.

Der Klimawandel impliziert eine Trend- und Diskontinuitätenkomponente. Die sich hieraus ergebenen Chancen wie auch Risiken für bestehende Produkt- und Serviceleistungen sowie deren Wertschöpfungskette gilt es branchen- und unter-nehmensspezifisch zu analysieren. In der Tourismusbranche wird bereits deutlich, dass der Übergang vom Produkt- zum Nutzenversprechen eine Möglichkeit eröff-net, sich flexibler gegenüber wetterabhängigen Nachfrageschwankungen zu posi-tionieren.

Die Entwicklung von umwelt- und nachhaltigkeitsorientierten Führungskonzepten (Kirchgeorg 2002) hat in der Vergangenheit vielfach zum Phänomen des „Sustai-nability Myopia“ geführt. Proaktive Umweltschutzstrategien erschienen ausrei-chend, um einen nachhaltigen Entwicklungspfad beschreiten zu können, der zum Ausbalancieren von sozialen, ökonomischen und ökologischen Anforderungen führt. Dieser Prozess des Ausbalancierens wird zukünftig allerdings durch erhebli-che ökologische Diskontinuitäten gestört werden, mit der Folge, dass Marktent-wicklungen durch diese Einflüsse von noch größeren Volatilitäten geprägt sein werden. In diesen Situationen werden besondere Anforderungen an das Vertrau-ens- und Kundenbeziehungsmanagement zu stellen sein. Flexibilitäts-, Risikobe-wältigungs- und die zunehmend diskutierten Resilience-Strategien sind in die Konzepte der Marketingstrategien zu integrieren.

Im Rahmen der sich abzeichnenden Herausforderungen ist die marktorientierte Unternehmensführung in besonderer Weise als Stakeholdermanagement zu ver-stehen, in dem Entscheidungsträger die Ansprüche verschiedener gesellschaftli-cher Anspruchsgruppen (Staat, Verbände, Umweltschutzverbände u.a.) zu integ-rieren verstehen. Dem Konzept des „Generic Marketing“ wird somit zukünftig ei-ne zunehmende Bedeutung nicht nur im regionalen sondern auch im globalen Kontext zuteil.

Die Marketingwissenschaft und Käuferverhaltensforschung steht angesichts der skiz-zierten Entwicklungsperspektiven vor besonderen Herausforderungen, deren Bewäl-tigung vielleicht zur bestimmenden Jahrhundertaufgabe avanciert.

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

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Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientiertenUnternehmensführung in stagnierenden Märkten

1 Einleitung ........................................................................................................................117

2 Stagnierender privater Verbrauch................................................................................117

3 Stagnierende, wachsende und schrumpfende Märkte ..............................................120

4 Markenführung in stagnierenden Märkten ................................................................126

5 Schlussbemerkung .........................................................................................................133

6 Literaturverzeichnis .......................................................................................................134

Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst ist Vorsitzender des Vorstands der GfK AG. Dr. Raimund Wildner ist in der GfK AG Leiter der Methoden- und Produktentwicklung sowie

Vizepräsident des GfK-Nürnberg e.V.

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

117

1 Einleitung

Stagnierende Konsumentenmärkte sind Alltag in Deutschland. Von 2002 bis 2005 sind die Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel und bei Drogeriemärkten lediglich von 134,7 auf 136,6 Mrd. Euro oder nominal um 0,5 Prozent pro Jahr gestiegen. Die Non-Food-Umsätze des Handels gingen gar von 152,0 auf 147,0 Mrd. Euro oder um 1,3 Prozent pro Jahr zurück (vgl. Bachl 2006). Die Beschäftigung mit den Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Unternehmensführung ist daher eine von der Realität diktierte Aufgabe.

Der Beitrag gliedert die Untersuchung in mehrere Schritte: Zunächst wendet er sich der Frage zu, warum in Deutschland die Konsumentenmärkte insgesamt stagnieren. Im zweiten Schritt wird untersucht, warum unterhalb dieser globalen Ebene Waren-gruppen nicht wachsen. Bei der folgenden Untersuchung der Entwicklung der Marken innerhalb der stagnierenden Warengruppen werden Innovationen als der Schlüssel zum Markenerfolg identifiziert. Abschließend werden daher die Bedingungen erfolg-reicher Innovationen untersucht.

2 Stagnierender privater Verbrauch

Warum stagnieren die Konsumentenmärkte in Deutschland? Der wohl wichtigste Grund dafür ist, dass die dem Verbraucher zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel stagnieren, real sogar sinken: In den 15 Jahren von 1991 bis 2006 stieg die Netto-lohn- und -gehaltssumme zwar von 481 auf 595 Mrd. Euro an. Gemessen in der Kauf-kraft von 1991 bedeutet dies jedoch einen Rückgang von 481 auf 441 Mrd. Euro (vgl. Abbildung 1). Auch unter Berücksichtigung der Sozialtransfers ergibt sich ein reales Einkommensminus von 2 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt 2006).

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Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner

118

Abbildung 1: Entwicklung der Nettolohn- und Gehaltssumme in Deutschland

481

512527 525 529 527

518530

548

570

590 592 589603 601 595

481 487480

466 462453

437 443455

467474 469

461 465455

441

400

450

500

550

600

650

91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06

Quelle: Nominalwerte: Dt. Bundesbank Monatsbericht Sept. 2006, Preisindex: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen, Wert für 2006 Schätzung GfK auf Basis 1. HJ 2006, 1. HJ 2005 und 2005 total.

Nettolöhne und -gehälter der privaten Haushalte in Mrd. €

Dies führt dazu, dass ein steigender Anteil der deutschen Wohnbevölkerung das Ge-fühl hat, sich nichts mehr leisten zu können. Alle zwei Jahre fragt der GfK-Nürnberg e.V. den Trendsensor Konsum ein. Eine Frage ist die Einschätzung der eigenen finan-ziellen Situation. Sagten noch 2001 19 Prozent „es reicht vorne und hinten nicht“ oder „ich komme gerade über die Runden“, so stieg dieser Anteil bis 2005 bereits auf 25 Prozent. Dagegen blieben die Anteile am oberen Ende der Skala fast stabil: Im Jahre 2001 waren es 27 Prozent, die von sich sagten „ich bin gut versorgt und kann mir eini-ges leisten“ oder „ich muss mich in keiner Weise einschränken“, vier Jahre später 26 Prozent.

Dass diese Selbsteinschätzung durchaus Folgen für die Konsumentwicklung haben, zeigt eine Analyse aus den GfK-Haushaltspanels. Dabei wurde die gleiche Frage nach der Einschätzung der eigenen finanziellen Situation den haushaltsführenden Personen der Panelhaushalte gestellt. Hierbei zeigt sich, dass diejenigen, die ihre Situation nega-tiv beurteilen, einen hohen Discountanteil und zurückgehende Ausgaben haben, sowie dass dagegen diejenigen, die ihre Situation positiv beurteilen, steigende Ausgaben und deutlich geringere Discountanteile aufweisen (vgl. Abbildung 2). Dabei kaufen die finanziell klammen Haushalte nicht weniger ein, sie kaufen jedoch preiswerter.

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

119

Abbildung 2: Einschätzung der finanziellen Situation und Kaufverhalten bei Fast Moving Consumer Goods

25 % können sich fast nichts mehr

leisten

49 % kommen im Großen und Ganzen zurecht

26 % können sich fast alles leisten

Mehr-/Minderausgaben FMCG 2005 vs. Vorjahr

-1,2 % -0,2 % +1,6 %

Discounter-Anteil Basis: Wert in %2004 2005

4544

2004 2005

4040

2004 2005

3636

FMCG = fast moving consumer goods = verpackte Lebensmittel, Getränke und DrogeriewarenQuelle: GfK-Haushaltspanel ConsumerScan

Dazu kommt, dass trotz stagnierender Einkommen ein in den letzten Jahren steigen-der Betrag gespart wird: Betrug die Ersparnis der privaten Haushalte 1999 noch 122,7 Mrd. Euro, so stieg sie seitdem kontinuierlich bis auf 156,9 Mrd. Euro in 2005. Damit wurden den Konsumgütermärkten 2005 im Vergleich zu 1999 über 34 Mrd. Euro ent-zogen.

Der Grund für die steigende Ersparnisbildung liegt vor allem in der größten Sorge der Deutschen, in der Angst vor der Arbeitslosigkeit. Einmal jährlich fragt die GfK für die Studie „Challenges of Europe“ in 10 Ländern Europas offen, d.h. ohne Vorgaben, nach den dringlichsten Aufgaben, die im jeweiligen Land zu lösen sind. Seit vielen Jahren ist in Deutschland die Arbeitslosigkeit das weitaus größte Problem, das in 2006 80 Prozent aller Befragten spontan genannt haben. Damit ist Deutschland unter den be-fragten Ländern trauriger Spitzenreiter. Nur in Polen mit 70 Prozent und in Frankreich mit 64 Prozent hat dieses Problem eine vergleichbare Bedeutung. In allen anderen Ländern sind es unter 50 Prozent, in Großbritannien beispielsweise nur 5 Prozent.

Dabei wird die Arbeitslosigkeit durchaus als persönliche Bedrohung empfunden. Auf die Frage, ob auch der eigene Arbeitsplatz bedroht sein könnte, antworten nur 19 Prozent mit „sicher nicht“. 1995 waren es noch 31 Prozent gewesen. Dagegen stieg der

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Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner

120

Anteil derjenigen, die auf diese Frage mit „ja“ antworten, die ihren Arbeitsplatz also bedroht sehen, im gleichen Zeitraum von 24 Prozent auf 35 Prozent. Nur in Polen war dieser Wert mit 40 Prozent noch größer.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Deutschen den Personen, die das Problem der Arbeitslosigkeit richten könnten, nämlich den Politikern und den Managern, nur we-nig vertrauen. Beide Berufsgruppen erreichen mit 10 Prozent bzw. 18 Prozent nur sehr geringe Anteile von Personen, die ihnen eher vertrauen oder ganz vertrauen. Unter 20 Ländern ist dies bei den Managern der schlechteste und bei den Politikern der dritt-schlechteste Wert.

Das also ist die Gemengelage, die sich seit Jahren wie Mehltau auf die Konsumfreude legt: Stagnierende Einkommen, gepaart mit Angst vor der Arbeitslosigkeit und wenig Vertrauen in die Kompetenz derjenigen, welche die Aufgabe haben, das Problem zu lösen.

Ganz aktuell – im Spätherbst 2006 – deutet sich eine mögliche Wende an: Das Kon-sumklima ist auf dem höchsten Wert seit vier Jahren. Die Ersparnis ist leicht rückläu-fig. Kommt die Konsumfreude wieder, ausgelöst durch die erfolgreiche und freudvol-le Fußball-WM? Es ist möglich, doch noch keineswegs sicher.

Das Konsumklima wird derzeit (Spätherbst 2006) vor allem durch das Anschaffungs-klima getrieben, das aktuell noch nie da gewesene Höhen erklimmt. Doch da ist es vor allem die aktuell bevorstehende Mehrwertsteuererhöhung, welche die Menschen die Frage bejahen lässt, ob es derzeit gut ist, größere Anschaffungen zu tätigen. Dieser Faktor wird zum Jahresbeginn 2007 entfallen. Dagegen ist die Einkommenserwartung, die ein positives Konsumklima langfristig tragen kann, derzeit noch eher negativ. Auf der anderen Seite ist positiv zu werten, dass nunmehr seit mehreren Monaten die Arbeitslosigkeitszahlen unter den Werten des jeweiligen Vorjahresmonats liegen, dass im November 2006 sogar 4 Mio. unterschritten wurden. Setzt sich dieser Trend fort, dann ist es durchaus möglich, dass die Furcht vor der Arbeitslosigkeit an Bedeutung verliert und so die Konsumfreude wieder steigt.

3 Stagnierende, wachsende und schrumpfende Märkte

In einem zweiten Schritt wird die globale Betrachtung durch die Untersuchung einer Vielzahl von Märkten ergänzt. Aus dem Bereich der verpackten täglichen Verbrauchs-güter oder FMCG (für Fast Moving Consumer Goods) wurden insgesamt 298 Waren-gruppen betrachtet mit einem Wert von über 96 Mrd. Euro in 2003. Dabei wurden jeweils die Wert-, Mengen- und Preisentwicklung betrachtet. Datenquelle sind die

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

121

GfK-Haushaltspanels. Aus dem Bereich der technischen Gebrauchsgüter wurden 177 Warengruppen mit einem Gesamtwert von 39,5 Mrd. Euro in 2003 nach den gleichen Kriterien betrachtet. Datenquelle sind hier die GfK-Handelspanels.

Warengruppen mit einem wertmäßigen jährlichen Durchschnittswachstum zwischen -3 Prozent und +3 Prozent wurden als stagnierend, schneller wachsende Warengrup-pen als wachsend, schneller fallende Warengruppen als fallend bezeichnet.

Betrachtet man die 298 FMCG-Warengruppen genauer, so fällt zunächst die große Spannweite des Wachstums bzw. der Schrumpfung fest (vgl. Abbildung 3a). Den höchsten Rückgang zeigen die Alkoholmischgetränke, die durch die neue Besteuerung von 60 Mio. Euro in 2003 auf 8 Mio. Euro in 2005 eingebrochen sind, was einem durch-schnittlichen jährlichen Rückgang um 63 Prozent entspricht. Am anderen Ende des Spektrums steht die neue Warengruppe der Küchenreiniger, die sich von 6 Mio. Euro in 2003 auf 17 Mio. Euro in 2005 auf fast das Dreifache oder um 68 Prozent pro Jahr verbessern konnten.

Abbildung 3b zeigt, dass 40 Prozent der Warengruppen im Bereich der FMCG stagnie-rend sind und dass diese 54 Prozent des Umsatzes auf sich vereinen. Der hohe Anteil stagnierender Warengruppen und die Tatsache, dass es sich dabei um eher umsatz-starke Warengruppen handelt, unterstreicht die Bedeutung des Themas in diesen Märkten.

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Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner

122

Abbildungen 3a und 3b: Entwicklung von 298 FMCG-Warengruppen 2003 bis 2005

298 FMCG-Warengruppen

-70,0%

-50,0%

-30,0%

-10,0%

10,0%

30,0%

50,0%

70,0%

1 22 43 64 85 106 127 148 169 190 211 232 253 274 295

Warengruppe

Wac

hstu

m p

ro J

ahr

in %

27% 23%

40% 54%

33%23%

0%10%20%

30%40%50%60%70%

80%90%

100%

Anzahl Umsatz

wachsendstagnierendschrumpfend

Abb. 3a: Wachstumsraten Abb. 3b: Anzahl und Umsatz

Quelle: GfK-Verbraucherpanels; Basis WertStagnation: Änderung zwischen -3% und +3% durchschnittlich pro Jahr

Bei den 177 technischen Warengruppen zeigt sich eine noch deutlich größere Spann-weite (vgl. Abbildung 4a). Die am stärksten wachsende Warengruppe konnte von 52 Mio. Euro in 2003 auf 418 Mio. Euro in 2005 auf das etwa Achtfache steigen oder um durchschnittlich 184 Prozent pro Jahr wachsen. Insgesamt vier Warengruppen zeigen ein Wachstum von mehr als 100 Prozent pro Jahr. Dabei handelt es sich um die Flach-bildfernseher, die MP3-Player, USB-Speichersticks und Autonavigationsgeräte. All diese Warengruppen waren durch eine Vielzahl an neuen Produkten und durch ein hohes Innovationstempo gekennzeichnet. Am unteren Ende des Spektrums sind Wa-rengruppen, die durch den technischen Fortschritt ersetzt werden: Mini-Disc-Player (Ersatz durch MP3-Player), Analogkameras (Substitution durch Digitalkameras) und TV-Recorder (statt DVD-Recorder). Alle drei Warengruppen schrumpfen pro Jahr um mehr als 50 Prozent.

Der technische Fortschritt führt letztlich auch dazu, dass es bei den technischen Wa-rengruppen deutlich weniger stagnierende Kategorien als im FMCG-Bereich gibt: Nur ein knappes Viertel der Warengruppen mit einem Drittel des Umsatzes entfällt auf stagnierende Märkte (vgl. Abbildung 4b). Doch zeigt sich auch bei technischen Gütern, dass die stagnierenden Warengruppen im Durchschnitt umsatzstärker sind als die wachsenden oder schrumpfenden Warengruppen.

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

123

Abbildungen 4a und 4b: Entwicklung von 177 technischen Warengruppen 2003 bis 2005

Abb. 4a: Wachstumsraten Abb. 4b: Anzahl und Umsatz

177 Warengruppen technische Gebrauchsgüter

-70,0%

-20,0%

30,0%

80,0%

130,0%

180,0%

1 14 27 40 53 66 79 92 105 118 131 144 157 170

Warengruppe

Wac

hstu

m p

ro J

ahr i

n %

47%34%

24%33%

29% 34%

0%10%20%

30%40%50%60%70%

80%90%

100%

Anzahl Umsatz

wachsendstagnierendschrumpfend

Quelle: GfK-Handelspanels; Basis WertStagnation: Änderung zwischen -3% und +3% durchschnittlich pro Jahr

Zerlegt man in einem weiteren Schritt die Wertentwicklung in ihre Komponenten „Mengenentwicklung“ und „Preisentwicklung“, so zeigt sich in beiden Warenberei-chen erwartungsgemäß ein negativer Korrelationskoeffizient: Steigende Preise gehen tendenziell mit zurückgehenden Mengen einher und umgekehrt. Beide Zusammen-hänge sind jedoch eher schwach ausgeprägt (Korrelationskoeffizienten -0,355 bei FMCG und -0,358 bei technischen Gütern).

Der Zusammenhang ist in der Regel auch zu schwach, als dass durch eine generelle Preissenkung in einer Warengruppe Hoffnung auf ihre positive Wertentwicklung besteht (vgl. Abbildungen 5 und 6). Im Gegenteil: Im Wert wachsende Warengruppen wachsen auch durch den Preis und schrumpfende Warengruppen schrumpfen auch durch den Preis. Es zeigt sich nämlich, dass die jeweils gleich gerichteten Entwicklun-gen überdurchschnittlich ausgeprägt sind (z.B. haben wachsenden FMCG-Warengruppen zu 29 Prozent einen steigenden Preis vs. der Durchschnitt nur 15 Pro-zent; vgl. Abbildung 5). Bei stagnierenden Warengruppen stagniert sowohl im FMCG- als auch im Technikbereich überdurchschnittlich häufig auch der Preis. Unterschiede bestehen vor allem in der generellen Preisentwicklung. Technische Warengruppen zeigen aufgrund des Fortschritts in der Produktionstechnologie viel häufiger sinkende Preise als FMCG-Warengruppen.

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124

Abbildung 5: Warengruppenentwicklung und Preisentwicklung von 298 Warengruppen FMCG

Quelle: GfK-Verbraucherpanels; Basis Anzahl MarkenStagnation bzw. Konstanz: Änderung zwischen -3% und +3% durchschnittlich pro Jahr

27%

38%

18%

28%

58%

50%

77%

43%

15%

12%

5%

29%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Gesamt

Rückgang

Stagnation

Zuwachs

RückgangKonstanzAnstieg

Preis-entwicklung

Wertentwicklung

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

125

Abbildung 6: Warengruppenentwicklung und Preisentwicklung von 177 technischen Warengruppen

58%

66%

43%

56%

31%

29%

43%

25%

11%

5%

14%

19%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Gesamt

Rückgang

Stagnation

Zuwachs

Rückgang

Konstanz

Anstieg

Quelle: GfK-Handelspanels; Basis Anzahl MarkenStagnation bzw. Konstanz: Änderung zwischen -3% und +3% durchschnittlich pro Jahr

Preis-entwicklung

Wertentwicklung

Der wesentliche Unterschied zwischen wachsenden Warengruppenumsätzen auf der einen und stagnierenden bzw. negativen Wertentwicklungen liegt demnach nicht in der Preisentwicklung begründet, sondern in einem anderen Faktor, nämlich der Inno-vation. Für technische Warengruppen ist dies offenkundig. Doch auch bei FMCG-Warengruppen gibt es einen eindeutigen Einfluss der Innovationshöhe (gemessen als „Launchdruck“, das ist die Zahl der Neuprodukteinführungen pro 1 Million Euro Umsatz) und dem Warengruppenumsatz, wie Geis/Wildner (2004) aufzeigen (vgl. Abbildung 7): Das Drittel der Warengruppen mit dem geringsten Launchdruck zeigt einen durchschnittlichen Umsatzrückgang um 5 Prozent über zwei Jahre, bei dem Drittel mit mittlerem Launchdruck ist die Vergleichszahl -1,4 Prozent und bei dem Drittel mit dem höchsten Launchdruck +2,9 Prozent. Innovationen sind also der Schlüssel, um zurückgehende und stagnierende Warengruppen in Wachstumsmärkte zu verwandeln.

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126

Abbildung 7: Einfluss des Launchdrucks auf das Warengruppenwachstum

-30%

-20%

-10%

0%

10%

20%

30%

40%

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Launches pro Mio. € Umsatz (Launchdruck)

Ver

ände

run

g U

msa

tz 2

00

3 z

u 2

00

1

Quelle: 69 Warengruppen GfK Verbraucherpanels; vgl. Geis / Wildner (2004)

r = 0,49

4 Markenführung in stagnierenden Märkten

Es wurde gezeigt, dass stagnierende Märkte besonders bei FMCG-Warengruppen eine große Rolle spielen: 40 Prozent der Warengruppen mit 54 Prozent des Umsatzes fielen in diese Kategorie. Dagegen waren es bei den technischen Warengruppen nur 24 Pro-zent der Warengruppen mit 33 Prozent des Umsatzes. Die folgende Darstellung be-schränkt sich daher auf den Bereich der FMCG.

Aus den stagnierenden Märkten wurden die Marken mit mindestens 100 Einkaufsak-ten in 2003 ausgewählt. Die Grenze wurde gebildet, um die Aussagen nicht durch zu große statistische Schwankungsbreiten unsicher werden zu lassen. Insgesamt 2.330 Marken aus 111 Warengruppen erfüllten diese Bedingung.

In Summe waren die Herstellermarken in diesen Märkten nicht erfolgreich: In nur vier der 111 Warengruppen konnte der Gesamtwert der Herstellermarken um mehr als 3

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

127

Prozent pro Jahr zulegen. Dagegen stagnierte die Wertentwicklung in 67 Warengrup-pen (Veränderung pro Jahr zwischen -3 Prozent und +3 Prozent) und ging in 40 Wa-rengruppen um mehr als 3 Prozent pro Jahr zurück. Dies korrespondiert mit insge-samt rückläufigen Marktanteilen für die Herstellermarken insgesamt in diesem Zeit-raum: Laut GfK-Haushaltspanel ging dieser Anteil von 2003 bis 2005 von 67,9 Prozent auf 64,9 Prozent zurück.

Bei der Entwicklung der Marken zeigt sich eine sehr große Spannweite (vgl. Abbil-dung 8a): 25 oder 1,1 Prozent der Marken konnten ihren Umsatz pro Jahr mehr als verdoppeln. Auf der anderen Seite verschwanden auch 84 oder 3,6 Prozent der Mar-ken ganz vom Markt. Abbildung 8b zeigt, dass knapp 59 Prozent der Marken um mehr als 3 Prozent zurückgingen und nur 29 Prozent der Marken ein Wachstum von mehr als 3 Prozent erzielen konnten.

Abbildungen 8a und 8b: Entwicklung von 2.330 Marken aus 111 stagnierenden FMCG-Warengruppen

Abb. 8a: Wachstumsraten Abb. 8b: Anzahl und Umsatz

Quelle: GfK-Haushaltspanel; Basis WertStagnation: Änderung zwischen -3% und +3% durchschnittlich pro Jahr

2330 Marken aus stagnierenden Märkten

-120.0%

-20.0%

80.0%

180.0%

280.0%

380.0%

1 228 455 682 909 1136 1363 1590 1817 2044 2271

Marke

Wac

hstu

m p

ro J

ahr i

n %

58.5% 55.4%

12.7% 25.1%

28.8%19.5%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Anzahl Umsatz

wachsendstagnierendschrumpfend

Ein erstes Ergebnis lautet also: Erfolg ist möglich, aber offensichtlich nicht leicht, denn nur eine Minderheit schafft einen Wertzuwachs von mehr als 3 Prozent pro Jahr. Hin-tergrund dafür ist die bereits dargestellte allgemeine Stagnation der Märkte sowie die generelle Zunahme der Handelsmarken von Aldi & Co. Weiter ist es so, dass die

58.5% 55.4%

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Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner

128

wachsenden Marken eher umsatzschwach und stagnierende Marken eher umsatzstark sind.

Betrachtet man sich in einem weiteren Schritt den Zusammenhang zwischen der Preis- und der Wertentwicklung, so zeigt sich, dass eine positive Wertentwicklung auch bei einzelnen Marken in der Tendenz nicht durch Preissenkungen erreicht werden kann. Im Gegenteil: Marken mit positiver Wertentwicklung zeigen überdurchschnittlich häufig einen Preisanstieg und Marken mit negativer Wertentwicklung überdurch-schnittlich häufig auch eine Preisreduktion. Allerdings ist dieser Zusammenhang eher schwach ausgebildet (vgl. Abbildung 9).

Abbildung 9: Preis- und Wertentwicklung von 2330 Marken aus stagnierenden Märkten

28%

30%

21%

26%

51%

49%

61%

49%

21%

21%

18%

25%

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Gesamt

Rückgang

Stagnation

Zuwachs

RückgangKonstanzAnstieg

Quelle: GfK-Verbraucherpanels; Basis Anzahl MarkenStagnation bzw. Konstanz: Änderung zwischen -3% und +3% durchschnittlich pro Jahr

Preis-entwicklung

Wertentwicklung

In einem nächsten Schritt wurden 20 Marken mit mehr als 3.000 Einkaufsakten in 2003 und mit mehr als zweistelligem Umsatzwachstum genauer untersucht. Bei einer Mar-ke (Pepsi Cola) war die Einführung des Einwegpfands und die fehlende Reaktion des Hauptkonkurrenten darauf ursächlich für den Erfolg. Vier weitere Marken (Mars, Kinder Bueno, Barilla, Kuchenmeister) wuchsen durch den Aufbau der Distribution bei Discountern. Discounter haben inzwischen einen Umsatzanteil im Lebensmittel-einzelhandel von über 40 Prozent. Zudem ist die Konkurrenz durch andere Marken im Discountbereich eher gering, da Aldi & Co. vor allem auf ihre Eigenmarken setzen.

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

129

Unter diesen Umständen kann die erstmalige Listung bei einem oder mehreren Dis-countern entscheidend zum Markterfolg beitragen.

Bei 15 der 20 und damit bei 75 Prozent der untersuchten zweistellig wachsenden Mar-ken waren es jedoch gelungene Neuprodukteinführungen, die zumindest wesentlich zum Erfolg beigetragen haben: So hat Campina neue Desserts mit nur 0,1 Prozent Fett eingeführt. Danone reüssiert durch den Launch der activia-Produkte im Joghurtbe-reich und Exquisa bringt 2004 fettarmen Frischkäse und 2005 Frischkäse in Scheiben auf den Markt. Sarotti ist durch die Neueinführung von Sarotti Bio und Sarotti Nr. 1 erfolgreich und im Milchbereich können Bärenmarke, Bergbauer und Weihenstephan durch die Einführung länger haltbarer Frischmilch zweistellig zulegen. Der Wäsche-weichspüler Lenor kann durch neue Düfte und eine neue Flasche in Kombination mit einer Gemeinschaftsaktion mit dem Waschmittel Ariel seinen Umsatz ebenso zweistel-lig steigern wie Head & Shoulders durch neue Produkte im Shampoomarkt.

Schon diese wenigen Beispiele zeigen: Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg auch und gerade in stagnierenden Märkten. Doch andererseits gilt auch hier, dass Innovationen keine Erfolgsgarantie sind: So haben zahlreiche Marken trotz mehrerer Neuprodukteinführungen nur stagniert bzw. hatten sogar einen Rückschlag hinzu-nehmen. Ganz wesentlich ist also, dass das Konzept und die Einführung der Innovati-on stimmen. Die folgenden Ergebnisse gelten dabei nicht nur für stagnierende Märkte, sondern für alle Märkte.

Als zentrale Stellgröße für den Erfolg von Neuprodukten hat sich ihr Preis erwiesen. Er beeinflusst sowohl die Absatzmenge als auch den Deckungsbeitrag (vgl. Diller 2000). Ist das Neuprodukt zu teuer, so wird es sich nicht im Markt durchsetzen. Wird es dagegen zu billig verkauft, so verzichtet der Hersteller auf Gewinn. Geis (2003) empfiehlt für innovative Neuprodukte einen Preis leicht über den Marktdurchschnitt (Index 106). Aber die von ihm gezeigten Zusammenhänge sind eher schwach.

Zu klaren Ergebnissen kommt Twardawa (2006) bei der Untersuchung von 265 Neu-produkteinführungen mit den GfK-Haushaltspanels. Er unterscheidet drei Gruppen von Neuprodukten bezüglich des Preis-Leistungs-Verhältnisses:

Overpromising (58 Prozent aller untersuchten Produkte): Eine nur geringfügige Produktverbesserung wird zu einem mittleren oder Premiumpreis oder eine mitt-lere Produktverbesserung wird zu einem Premiumpreis angeboten. Der Innovati-onsgrad rechtfertigt also die Preisstellung nicht.

Underpromising (12 Prozent): Eine mittlere Produktverbesserung wird zu einem günstigen Preis oder eine große Verbesserung zum mittleren oder günstigen Preis angeboten. Diese Produkte werden unter Wert verkauft.

Optimales Preis-Leistungs-Verhältnis (30 Prozent): Es liegt vor, wenn ein Neupro-dukt bei geringfügigem Innovationsgrad zum günstigen Preis, bei mittlerem Inno-

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130

vationsgrad zum mittleren Preis oder bei großem Innovationsgrad zum Premi-umpreis angeboten wird.

Der Grund für den hohen Anteil von Neuprodukten mit überzogenem Preis-Leistungs-Verhältnis wird deutlich, wenn man die Markenpolitik der 265 Produkte untersucht. Nur 12 Prozent aller Neuprodukte wurden unter einer neuen Marke ange-boten, 88 Prozent unter einer existierenden Marke, davon 69 Prozent wiederum unter dem Label einer existierenden Premiummarke. Dadurch wird die Bekanntheit einer starken existierenden Marke genutzt. Konsequenterweise wird das mit dem Premium-label versehene Neuprodukt dann auch zum Premiumpreis angeboten, und das selbst dann, wenn die Höhe der Innovation eine solche Preisstellung nicht rechtfertigt.

Betrachtet man den Erfolg der Neuprodukte, so erhält man eine weitere Einteilung. Erfolgreiche Neuprodukte haben zunächst genügend Probierkäufe zu generieren, weil nur so schnell das erforderliche Volumen geschaffen wird. Twardawa (2006) nennt einen Erfahrungswert von mindestens 5 Prozent für die Käuferpenetration, damit eine Neuprodukteinführung erfolgreich ist. Doch dies ist nicht ausreichend. Der Erfolg ist nur dann nachhaltig, wenn genügend Probierer zu Wiederkäufern werden. Der kriti-sche Wert für die Wiederkäuferpenetration liegt bei 30 Prozent. Entsprechend lassen sich vier verschiedene Fälle unterscheiden:

Losers (58 Prozent aller untersuchten Neuprodukte) erreichen sowohl bei der Käu-ferpenetration als auch bei der Wiederkäuferpenetration nicht die kritischen Werte.

Flashes (9 Prozent) schaffen es zwar, genügend Probierkäufer zu generieren. Diese kaufen aber nicht in ausreichendem Maße das Produkt bzw. die Marke nach. Diese Produkte haben oft Anfangserfolge, der Erfolg ist aber nicht nachhaltig.

Potentials (16 Prozent) schaffen es zwar nicht, genügend Erstkäufer zu generieren, können aber beim Wiederkauf punkten. Diese Produkte erreichen zwar nur ein kleines, aber nachhaltiges Volumen.

Runners (17 Prozent) übertreffen sowohl beim Erst- als auch beim Wiederkauf die kritischen Werte und erreichen ein hohes und nachhaltiges Volumen.

Korreliert man in einem weiteren Schritt die Einteilung nach dem Preis-Leistungsverhältnis mit der Einteilung nach dem Erfolg, dann zeigt sich ein sehr deut-licher Zusammenhang (vgl. Twardawa 2006): 65 Prozent der Loser und 72 Prozent der Flashs sind Overpromising, aber nur 39 Prozent der Runner und 41 Prozent der Poten-tials (vgl. Abbildung 10).

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

131

Abbildung 10: Preis-Leistungs-Verhältnis und Erfolg von Neuprodukten

820

72

10

25

65

Quelle: 17.000er Haushaltspanel, GfK ConsumerScan 2003, 2004, 2005, Basis: 265 InnovationenVgl. Twardawa (2006)

10

4941

15

4639

Gesamt

Loser

Flash Runner

Potential

12

30

58

Under Optimal Overpromising promising

Zwei Drittel aller Flops scheitern am

überzogenenPreis-Leistungs-

Verhältnis

Underpromising /optimales Preis-Leistungsverhältnis / Overpromising

Auch Geis (2003) zeigt die Bedeutung der Innovationshöhe. Er analysierte 869 Neu-produkte aus 31 FMCG-Warengruppen. Diese wurden nach drei Kriterien in je eine von drei Klassen eingeteilt:

Markteintrittsfolge: Pionier, früher oder später Folger.

Innovationshöhe aus Marktsicht: Neuer Markt, durchschnittliche und geringe Veränderung.

Innovationshöhe aus Herstellersicht: Neuer Markt, durchschnittliche und geringe Veränderung.

Abbildung 11 zeigt Beispiele für diese Einteilung.

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132

Abbildung 11: Beispiele für die Klassifizierung von Neuprodukten

Domol VollwaschmittelSpäter FolgerUnternehmenssicht: Neuer MarktMarktsicht: geringe Verbesserung

Dr. Oetker süße GerichtePionier (Süße Gerichte)Unternehmenssicht: Neuer MarktMarktsicht: Neuer Markt

Hochland Sandwich ScheibenPionier (Frischebox)Unternehmenssicht: Mittlere VerbesserungMarktsicht: Mittlere Verbesserung

Brise MediterranFrüher Folger (Duftstecker, Pionier: Ambi Pur)Unternehmenssicht: Mittlere VerbesserungMarktsicht: Wesentliche Verbesserung

Quelle: Gerold Geis, unveröffentlichte Beispiele für Klassifizierungen

Die Ergebnisse sind eindeutig:

Der Pionier hat eine 57 Prozent-Chance zu den erfolgreichsten 25 Prozent der In-novationen zu gehören, beim frühen Folger sind dies 33 Prozent, beim späten Fol-ger 20 Prozent. Das ist nicht überraschend: Der Pionier besetzt das Segment in der Wahrnehmung der Verbraucher und bestimmt die Regeln für die Nachfolger.

Aus Herstellersicht ist es eher positiv, wenn die Innovationshöhe gering ist. Auch dies ist nicht überraschend: Je neuer ein Produkt für den Hersteller ist, desto weni-ger Erfahrung hat er in der Produktionstechnologie und in der Bearbeitung des re-levanten Marktes.

Aus Marktsicht sind es nicht die seltenen Innovationen, die einen neuen Markt schaffen, die am meisten Erfolg haben. 36 Prozent dieser Innovationen befinden sich im obersten Viertel. Am unteren Ende sind die Neuheiten mit der geringsten Innovationshöhe aus Marktsicht am wenigsten erfolgreich: Nur 20 Prozent sind bei den Top 25 Prozent. Am erfolgreichsten sind die mittleren Innovationen mit 54 Prozent im erfolgreichsten Viertel. Auch dies ist nicht überraschend: Geringe Neu-erungen werden oft nicht als Innovationen wahrgenommen. Auf der anderen Seite erfordern die Innovationen, die einen neuen Markt schaffen, oft beträchtliche An-

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Marktorientierte Unternehmensführung in stagnierenden Märkten

133

strengungen in der Kommunikation und auch teilweise Umstellungsaufwand beim Verbraucher.

Steuert der Preis eher den Wiederkauf, so lässt sich durch die Distribution eher der Erstkauf beeinflussen. Flash- und Runner-Produkte haben signifikant höhere Distribu-tion, insbesondere bei Discountern (vgl. Twardawa 2006).

Auch die Kommunikation beeinflusst vor allem den Erstkauf. Positiv ist, dass Wer-bung für Neuprodukte etwa doppelt so erfolgreich ist wie für existierende Produkte (vgl. Geis/Wildner 2004). Der Grund ist einleuchtend: Wer eine relevante Innovation hat, der hat etwas zu sagen und wer etwas zu sagen hat, der wird gehört.

Flashs und Runner haben im Durchschnitt auch einen deutlich höheren Werbeetat als Loser und Potentials und setzen diesen in Mix-Kampagnen mit einem hohen Anteil elektronischer Medien ein. Von der Gestaltung wird der Neuigkeitscharakter unter Verwendung eines Schlüsselbilds betont, welches das Besondere des Neuprodukts herausstellt (vgl. Twardawa 2006). Übertreibungen beim USP scheinen dagegen be-sonders schädlich für den Wiederkauf zu sein.

Auf den Zusammenhang zwischen Innovationen und Warengruppenwachstum wurde schon hingewiesen. Im Extremfall schaffen es Innovationen, eine ganze Warengruppe aus der Stagnation zu führen. So konnte WC-Frisch durch die Einführung von Tabs 1998 und Schaum 2000 den Markt der WC-Reiniger aus einen stagnierenden in einen wachsenden Markt verwandeln, der von 43,5 Mio. Euro in 1999 auf 56,2 Mio. Euro in 2001 wuchs (vgl. Wübbenhorst/Wildner 2002).

5 Schlussbemerkung

Stagnierende Märkte spielen insbesondere bei den täglichen Verbrauchsgütern eine erhebliche Rolle. Es wurden einige Einflussgrößen für den Markenerfolg in stagnie-renden Märkten herausgearbeitet. Dabei sind es insbesondere Innovationen, die auch in solchen Märkten dazu führen können, dass deutliches Wachstum erzielt werden kann. Weiter wurden einige Bedingungen für erfolgreiche Innovationen aufgezeigt: Die Preisstellung hat der Innovationshöhe zu entsprechen und die Innovation ist rich-tig zu bewerben und zu distribuieren werden. Im Extremfall ist es dann möglich, dass eine erfolgreiche Innovation eine ganze Warengruppe aus der Lethargie reißt.

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Klaus L. Wübbenhorst und Raimund Wildner

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6 Literaturverzeichnis

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Christoph Burmann und Jan-Philipp Weers

Markenimagekonfusion: Eine neue Managementherausforderung in reifen Märkten

1 Markenimagekonfusion als Paradoxon in reifen Märkten .......................................137

2 Begriffsexplikation von Markenimagekonfusion.......................................................139

3 Theoretische Fundierung der Dimensionen von Markenimagekonfusion.............1423.1 Wahrgenommene Markenunklarheit .................................................................1423.2 Wahrgenommene Markenähnlichkeit ................................................................1443.3 Wahrgenommene Markenunglaubwürdigkeit .................................................145

4 Wirkungen von Markenimagekonfusion auf die Handelsmarkenpräferenz .........1474.1 Theoretische Vorüberlegungen ...........................................................................1474.2 Empirische Evidenz ..............................................................................................150

5 Zusammenfassung und Fazit .......................................................................................153

6 Literaturverzeichnis .......................................................................................................154

Prof. Dr. Christoph Burmann ist Inhaber des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement (LiM®)am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen.

Dipl.-Kfm. Jan-Philipp Weers ist Doktorand am Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement (LiM®) und promoviert über das Thema Markenimagekonfusion.

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1 Markenimagekonfusion als Paradoxon in reifen Märkten

Die Nachkriegsjahre gelten als das goldene Zeitalter, in dem Wachstum sich beinahe „automatisch“ einstellte und Umsätze schnell und beträchtlich wuchsen. Um an dem Wachstum partizipieren zu können, dehnten sowohl Hersteller- als auch Handelsun-ternehmungen ihre Produktangebote stetig aus (vgl. Slywotzky/Wise 2005). Nach Jahren unzähliger Markenneueinführungen und Markenerweiterungen sehen sich nun aber viele Unternehmensführungen verstärkt der Problematik reifer, stagnierender Märkte gegenüber. Viele Markenprodukte bedienen immer kleinere Nischen und kämpfen darum, überhaupt noch einen Platz auf den immer voller werdenden Su-permarktregalen zu besetzen. Schätzungen zufolge weisen in der entwickelten Welt 50-75 Prozent der Branchen nur noch geringe, gar keine oder sogar negative Wachs-tumsraten auf (vgl. Meffert 2000, S. 259).

Die Konsumenten wiederum nehmen angesichts der heute kaum noch überschauba-ren Angebotsvielfalt in vielen Warengruppen das Einkaufen immer häufiger als frust-rierend wahr. Engel/Blackwell/Miniard (1995) bezeichnen das Einkaufen gar als „deci-sion-making-marathon“ und Autoren wie Schweizer (2005) diagnostizieren angesichts der überlastenden Angebotsfülle „confusion“ auf Seiten des Nachfragers.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Greenleaf/Lehmann (1995), die Grün-de für Kaufabbrüche bzw. langfristige Kaufaufschübe empirisch erfassten, das am Point of Sale wahrgenommene „Überangebot“ als wichtigsten Erklärungsansatz iden-tifizierten. In der neueren Literatur zum Käuferverhalten finden sich daher verstärkt Forderungen nach einer Komplexitätsreduktion im Einkaufsprozess, die beispielhaft unter Schlagwörtern wie „mental convenience“ (Esch/Rutenberg 2004) oder „lean consumption“ (Womack/Jones 2005) diskutiert werden.

Vor dem Hintergrund der Vielzahl der im Konsumalltag zu treffenden Auswahlent-scheidungen ist der normative Referenzpunkt einer rein sachlich-rationalen Auswahl-entscheidung, in der der Nachfrager die einzelnen Produktalternativen attributiv vergleicht, prüft und bewertet, zunehmend unrealistisch (vgl. Schwartz 2004). Ent-sprechend konstatieren Iyengar/Lepper (2000, S. 1004): „One important paradox confronting the modern world is that as the freedom of individuals expand (im Sinne eines Freiheitszugewinns durch größere Auswahl, Anm. der Verfasser), so too does their dependency on institutions“.

Eine solche Institution ist klassischer Weise die Marke in ihrer Funktion als Orientie-rungshilfe und emotionaler Vertrauensanker (vgl. Burmann/Meffert/Koers, 2005, S. 10 ff.). So werden mit der Wahrnehmung von Marken über die damit ausgelöste Aktivierung zugehöriger Markenimages Schlüsselinformationen verfügbar, die dem Nachfrager ein schnelles „Sichzurechtfinden“ in der Produktkategorie ermöglichen

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(Informationsfunktion der Marke). Man denke hier bspw. an erinnerte Claims, die das zentrale Nutzenversprechen der Marken in komprimierter Form wiedergeben. Dar-über hinaus können Marken auch als Mittel der Kommunikation der eigenen Persön-lichkeit oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe fungieren. Die Marke wirkt in diesen Fällen symbolhaft für wichtige Motivatoren des menschlichen Verhaltens, womit sie auch auf emotionaler Ebene entscheidungsvereinfachende Kaufargumente liefern kann (symbolische Funktion der Marke). Ein Aspekt, mit dem sich Heribert Meffert schon früh in seiner Forschungstätigkeit beschäftigt hat (vgl. Meffert/Bruhn 1984). Hervorzuheben ist auch das Vertrauen, welches Nachfrager den Marken auf-grund deren Bekanntheit, Kompetenz und Identität entgegenbringen. Marken fungie-ren damit auch als Signale für bestimmte Qualitätsniveaus, die das subjektiv wahrge-nommene Einkaufsrisiko zu mindern vermögen und es dem Nachfrager bei der Ver-folgung seiner Einkäufe ein Stück weit erlauben, „bewusste Unnachdenklichkeit“ zu üben (Vertrauensfunktion der Marke).

Abbildung 1: Markenfunktionen und Markenimagekonfusion

Marken wirken heute jedoch immer öfter dysfunktional, das heißt, sie Versagen darin, dem einkaufsgestressten Nachfrager bei den zu treffenden Auswahlentscheidungen eine Hilfe zu sein. Der Nachfrager greift zwar bei seiner Auswahlentscheidung auf die Institution Marke in Form von im Gedächtnis abgespeicherten Markenimages zurück,

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doch die aktivierten Markenbilder empfindet er als verwirrend, weil sie ihm aus-tauschbar, unklar und oder unglaubwürdig erscheinen (vgl. Abbildung 1). Einkaufs-entscheidungen werden deswegen immer öfter nicht mehr markengeleitet getätigt, sondern Ersatzinstitutionen nehmen den Platz der Marke ein, allzu häufig ist dies der Preis.

2 Begriffsexplikation von Markenimagekonfusion

Markenimagekonfusion ist ein neuartiges Konstrukt. Bei Durchsicht der Literatur konnten nur zwei Beiträge zum Thema identifiziert werden. In dem Beitrag von Clan-cy/Trout (2002, S.3) wird ausgeführt, dass Markenimagekonfusion dann auftritt, „when consumers are finding it harder to distinguish among competing products“. Die Konfusion des Nachfragers lässt sich damit auf eine wahrgenommene mangelnde Diskriminanzfähigkeit von Markenimages zurückführen. Im Rahmen der Brand Parity Studie von BBDO Consulting wurde das Ausmaß von Markenähnlichkeit empirisch erhoben. Demnach können inzwischen knapp zwei Drittel der Deutschen keinen gro-ßen Unterschied mehr zwischen konkurrierenden Marken erkennen (vgl. BBDO 2005).

In dem zweiten Beitrag, der von Esch (2005) stammt, wird Markenimagekonfusion nicht auf die wahrgenommene Ähnlichkeit, sondern auf eine wahrgenommene Un-klarheit von Markenimages zurückgeführt. Esch (2005) führt aus, dass mit steigender Unklarheit darüber, wofür Marken in ihrem Kern stehen, die Markenimagekonfusionwächst. Verwiesen werden kann hier auf das Beispiel weit „ausgeuferter“ Markener-weiterungen, die dazu führen, dass unterhalb desselben Markendachs eine Vielzahl von Produkten mit mehr oder weniger unterschiedlichen Nutzenversprechen angebo-ten werden.

Im Rahmen von über 100 Focusgesprächen hat sich gezeigt, dass sich die verwirrende Wahrnehmung von Marken neben der wahrgenommenen Ähnlichkeit und Unklarheit auch darin zeigen kann, dass Nachfrager Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Marken haben (vgl. zur Studie Burmann/Weers 2006).

Markenglaubwürdigkeit (brand trust) kann definiert werden als „the confidence a consumer develops in the brand’s reliability and integrity“ (Chatterjee/Chaudhuri 2005, S. 2). Folglich beschreibt wahrgenommene Unglaubwürdigkeit im Kontext von Markenimagekonfusion einen negativ verlaufenden Prozess, in dem der Nachfrager Verwirrung hinsichtlich der Verlässlichkeit und Integrität von Marken verspürt. Bei-spielsweise geraten angesichts des hohen zivilisatorischen Produktstatus auf reifen Märkten viele Herstellermarken in Rechtfertigungsnöte, wenn Handelsmarken bei

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ähnlicher Qualität zu deutlich günstigeren Preisen angeboten werden. Einer aktuellen Studie zufolge glauben nur noch rund 49 Prozent der Nachfrager in Deutschland, dass ein Preispremium für einen Markenartikel gerechtfertigt ist (vgl. Dellago 2005, S. 17).

Damit kann festgehalten werden, dass die wahrgenommene Ähnlichkeit, die wahrge-nommene Unklarheit und die wahrgenommene Unglaubwürdigkeit die Dimensionen des Konstruktes Markenimagekonfusion konstituieren. Hierauf aufbauend erfolgt die Definition von Markenimagekonfusion. Eine Neudefinition ist gerechtfertigt, wenn sie eine höhere Eignung in Bezug auf Exaktheit, Überschneidungsfreiheit und Einfachheit aufweist als existierende Definitionen (vgl. Chmielewicz 1994, S. 51). Da Marken-imagekonfusion bisher in der Literatur nicht definiert wurde, können diese Anforde-rungen als erfüllt angesehen werden. Die folgende Definition gibt das Begriffsver-ständnis von Markenimagekonfusion wieder:

Markenimagekonfusion beschreibt einen Geisteszustand, in dem der Nachfrager Informations-verarbeitungsprobleme hinsichtlich der Nutzung von Marken bei Kaufentscheidungsprozessen bewusst wahrnimmt. Die Marken wirken auf den Nachfrager verwirrend, da sie als ähnlich, unklar und/oder nicht glaubwürdig wahrgenommen werden.

Ausdrücklich sei erwähnt, dass die Autoren Clancy/Trout und Esch nicht den Begriff Markenimagekonfusion sondern Markenkonfusion bzw. brand confusion nutzen. Diese Begriffswahl scheint aber aus zweierlei Gründen unglücklich:

Zum einen besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass das Wahrnehmungsbild einer Marke als Image bezeichnet wird (vgl. z.B. Meffert 2000, S. 879). Das Phäno-men einer konfusen Markenwahrnehmung impliziert folglich, dass nicht die Mar-ke, sondern das Image, welches der Nachfrager von der Marke besitzt, konfus ist.

Zum anderen wird die Begrifflichkeit Markenkonfusion schon im Rahmen der Konsumentenverwirrtheitsforschung verwendet (vgl. Walsh 2002, S. 25). Es be-schreibt dort das Phänomen einer unbewussten Verwechselung einer Originalmar-ke mit einem Nachahmerprodukt. Der Nachfrager besitzt gerade kein konfuses, sondern ein klares, sein Verhalten lenkendes Markenimage (Kaufpräferenz für eine bestimmte Marke); aufgrund einer Verwechselung kauft der Nachfrager allerdings nicht wie beabsichtigt die Originalmarke, sondern ein Nachahmerprodukt. Da die-ses Phänomen insbesondere im Rahmen gerichtlicher Schutzrechtsverfahren von Relevanz ist, versteht Kapferer (1995) Markenkonfusion primär als ein urheber-schutzrechtliches Konstrukt. Diese Begrifflichkeit ist daher nicht zur Beschreibung des Phänomens einer konfusen Markenwahrnehmung zu verwenden.

Zur weiteren Förderung des Begriffsverständnisses scheint es zudem zweckmäßig, Markenimagekonfusion auch gegen das Konstrukt Konsumentenverwirrtheit (consu-mer confusion) abzugrenzen. Konsumentenverwirrtheit beschreibt die aus der Kom-plexität der Umwelt resultierenden negativen Konsequenzen für das nachfragerbezo-gene Entscheidungsverhalten (vgl. Schweizer 2005, S. 29). Grundannahme ist, dass Nachfrager im Falle der Reizüberflutung in einen Zustand der Verwirrung geraten

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bzw. kognitiv überfordert werden. Wenn dem Nachfrager dieser Zustand der Verwir-rung bewusst ist, ergreift er entsprechende Gegenmaßnahmen, um sich mit der Kom-plexität zu arrangieren; ist dieser Zustand dem Nachfrager nicht bewusst, kann die Verwirrung zu Verwechselungskäufen bzw. Markenkonfusion führen. Im Falle der bewussten Wahrnehmung des Konfusionszustandes werden so genannte Reduktions-strategien gewählt, die zu einer Vereinfachung des Auswahlprozesses führen. Dabei wird eine abnehmende Qualität der Auswahlentscheidung angenommen. Konsumen-tenverwirrtheit ist demnach Folge einer komplexitätsgeschuldeten Marktintranspa-renz, die den kognitiven Vergleich und die Bewertung von Alternativen beeinträchtigt. Aus diesem Verständnis heraus sprechen einige Autoren von Konsumentenverwirrt-heit als „negativem Hygienefaktor“ und beziehen sich primär auf die Konsumenten-sicht, indem sie die Gefahr nicht optimaler Kaufentscheidungen betonen (vgl. Mit-chell/WalsH/Yamin 2005, S. 147). Verbraucherschutzrechtliche Aspekte nehmen daher prominenten Raum in der Konsumentenverwirrtheitsforschung ein (vgl. z.B. Walsh 2002).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass analog zu dem Konstrukt Konsu-mentenverwirrtheit auch beim Konstrukt Markenimagekonfusion Entscheidungsano-malien im Vordergrund stehen. Die Normabweichung besteht beim Konstrukt Mar-kenimagekonfusion darin, dass die markenbezogene Orientierung in der Umwelt gestört ist. Marken werden vom Nachfrager zwar wahrgenommen, sie erleichtern aber die Auswahlentscheidung nicht, in der Folge wird die markengelenkte Orientierung während der Entscheidungsfindung aufgegeben. Im Gegensatz zum Konstrukt Kon-sumentenverwirrtheit existiert damit kein nachfragerzentrierter, normativer Referenz-punkt, wie ihn die „optimale Kaufentscheidung“ darstellt. Bezugspunkt beim Kon-strukt Markenimagekonfusion ist vielmehr die markengeleitete Auswahlentscheidung. Der Referenzpunkt ist damit eher anbieter- als nachfragerzentriert. Nicht die Frage nach der (Sub-) Optimalität einer Kaufentscheidung steht im Mittelpunkt, sondern ob Markeninvestitionen tatsächlich lohnend eingesetzt wurden, in dem Sinne, dass sie aus Sicht des Markenartiklers Kaufverhalten positiv beeinflussen.

Aus Markenartiklersicht ist Konsumentenverwirrtheit nach Überzeugung der Autoren auch nicht per se schädlich, denn Marktintransparenz wird durch das Marketing häu-fig bewusst initiiert, um sich vor einseitigem Wettbewerb auf der Preisdimension zu schützen (vgl. Meffert 2000, S. 1033). Empirische Evidenz liefern Untersuchungsergeb-nisse von Turnbull/Leek/Ying (2000). Trotz der bei breiten Käuferschichten festgestell-ten Konsumentenverwirrtheit wurden bisher keine schädlichen Markteffekte diagnos-tiziert. Vielmehr unterstreichen die Autoren, dass verwirrte Nachfrager sich besonders stark an Markenimages orientieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Marken gerade auf reifen Märkten, die überangebotsbedingt von hoher Konsumentenverwirrtheit geprägt sind (vgl. Schweizer 2005), besonders relevant sind. Voraussetzung für die Erfolgsrele-vanz von Marken ist aber, dass ein „komplexitätstreibendes Marketing“ von einem Markenmanagement flankiert wird, das bei allen Lebensäußerungen der Marke si-

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cherstellt, dass nachfragerübergreifend ein konsistentes Verständnis dessen gewahrt bleibt, wofür die Marke in ihrem Kern steht, sie also identitätskonform auftritt.

3 Theoretische Fundierung der Dimensionen von Markenimagekonfusion

3.1 Wahrgenommene Markenunklarheit

Die Wissensstrukturen zu einer Marke sind in so genannten Schemata gespeichert. Nach den so genannten Konsistenztheorien verlangt der Aufbau eines klaren Marken-bildes eine Integriertheit bzw. einen stimmigen Fit der einzelnen das Vorstellungsbild determinierenden Assoziationen (vgl. Heider 1977; Osgood 1968). Ist dies nicht ge-währleistet, ist das Markenbild inhaltlich unklar und damit konfus. Die wahrgenom-mene Markenunklarheit kann in diesem Sinne als vom Menschen wahrgenommene kognitive Inkonsistenz in seinem Schemasystem charakterisiert werden. Kognitive Inkonsistenzen können zum einen innerhalb desselben Schemas, also zwischen den das Schema konstituierenden kognitiven und affektiven Komponenten (Intra-Einstellungsinkonsistenz) als auch zwischen Schemata selbst (Inter-Einstellunsinkonsis-tenz) auftreten (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 183). Wahrgenommene Marke-nunklarheit aufgrund einer Intra-Einstellungsinkonsistenz entsteht beispielsweise, wenn eine lieb gewonnene Marke in einem Testurteil der Stiftung Warentest ein nega-tives Qualitätszeugnis ausgestellt bekommt.

Ein Beispiel für eine Inter-Einstellungsinkonsistenz bildet der folgende Fall: Eine Per-son hat eine positive Einstellung zu einer Marke A und eine negative Einstellung ge-genüber Discountgeschäften. Aus der Presse erfährt die Person nun aber, dass die Marke A auch in Discountgeschäften angeboten wird. In der Folge erfährt er eine kog-nitive Inkonsistenz in seinem Schemasystem. Ausdrücklich sei aber betont, dass In-konsistenzen nicht in einem logischen, sondern „psycho-logischen“ Sinne zu verste-hen sind (vgl. Aronson 1978, S. 185 ff). Dies bedeutet, dass Inkonsistenzen nur dann wahrgenommen werden und für Verwirrung sorgen können, wenn eine Beziehung zwischen den Entitäten subjektiv wahrgenommen wird. Daher ist es auch möglich, dass der Nachfrager sich von der Information des Vertriebs seiner Marke in unbelieb-ten Discountgeschäften nicht gestört fühlt, da er die Marke und den Absatzort (Dis-countgeschäft) in einer zueinander irrelevanten Beziehung sieht.

Die wahrgenommene Unklarheit von Markenimages lässt sich auch auf Informations-störungen zurückführen, die Cox (1976) unter dem Begriff cognitive unclarity fasst.

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Damit wird die mangelnde rational-kognitive Verständlichkeit von Informationsinhal-ten beschrieben. Kognitive Unklarheit wird in der Literatur auch als Ausdruck von Konsumentenverwirrtheit verstanden (vgl. z.B. Walsh 2002). Vor diesem Hintergrund gilt es zu betonen, dass kognitive Unklarheit nur dann ein Phänomen von Marken-imagekonfusion ist, wenn es in einem engen Markenzusammenhang steht. Bspw. können komplexe Preissysteme den Kunden kognitiv unklar erscheinen (vgl. Turn-bull/Leek/Ying 2000), ein Phänomen von Markenimagekonfusion sind sie aber nicht. Zumal dann, wenn sie als Instrument genutzt werden, um Preisvergleiche zu erschwe-ren und Nachfrager dazu anzuregen, nicht auf Basis des günstigsten Preises Auswahl-entscheidungen zu treffen.

Wenn allerdings Stimuli mit zentraler markenbildender Funktion als unverständlich wahrgenommen werden und es dem Nachfrager dadurch nicht gelingt, Markensigna-le so zu decodieren, dass sich ihm das Nutzenversprechen einer Marke erschließt, kann kognitive Unklarheit zur Markenimagekonfusion führen. Als Beispiel mit gera-dezu anekdotischem Gehalt kann auf in englischer Sprache abgefasste Marken- Claims verwiesen werden, die wie eine Studie unlängst zeigte, von vielen Personen gar nicht verstanden werden (vgl. Kick 2004). Die in Tabelle 1 dokumentierten „skurrilen“ Ant-worten zeigen plakativ, dass aufgrund der Unverständlichkeit der Claims eine Ver-mittlung zentraler Nutzenversprechen misslingen kann.

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3.2 Wahrgenommene Markenähnlichkeit

Zum Thema der Markenähnlichkeit stellt Kottman (1977, S. 146) fest: „The idea of parity is an anathema in marketing. It is antithetical to the notion of differentiation, and product differentiation is regarded as the life blood of successful national brand marketing and advertising.” Gleichwohl hat die BBDO Brand Parity Studie dem Prob-lem der Ähnlichkeit von Marken eine gewisse Aufmerksamkeit verschaffen können. Nichtsdestotrotz ist Iyer/Muncy (2005, S. 223) zuzustimmen, wenn sie konstatieren: „Despite the importance of parity, there has been surprisingly little research on (…) brand parity perceptions“.

In der Literatur können zwei Denkschulen zum Thema Markenähnlichkeit identifiziert werden. Die eine versteht Ähnlichkeitswahrnehmungen als eine Herausforderung, der sich eine Unternehmung zu stellen hat: „the very purpose (…) is to differentiate brands in consumers’ mind and to minimize brand parity when it does exist“ (Giges 1988, S. 68). Die andere Denkschule hingegen argumentiert, dass Ähnlichkeitswahr-nehmungen auf reifen Märkten mehr oder weniger unvermeidbar sind. Folglich wird Unternehmungen auf reifen Märkten geraten „to learn to live with parity“ (Lamons 1994, S. 10). Zugestimmt werden kann in diesem Zusammenhang sicherlich Malburg (2000), der konstatiert, dass Ähnlichkeitswahrnehmungen mit zunehmendem Reife-grad eines Marktes zwar tendenziell zunehmen, die Realisierung einer Differenzie-rungsstrategie aber nach wie vor möglich ist. Allerdings stellt sie auf reifen Märkten im Gegensatz zu einer Preis-Mengen-Strategie eine kreative Herausforderung dar.

Vor diesem Hintergrund wird das Phänomen der wahrgenommenen Markenähnlich-keit nun schematheoretisch beleuchtet. Schemata sind hierarchisch geordnet. Dies entspricht dem Prinzip der kognitiven Ökonomie, da so gemeinsame Eigenschaften aller Marken auf übergeordneter Ebene abgelegt und der Speicheraufwand je Marke reduziert werden kann (vgl. Fiske/Linville 1980). Hier setzt der so genannte Verer-bungsmechanismus an, wonach ein neues Markenschema automatisch die Eigen-schaftsausprägungen von übergeordneten Schemata übernimmt. Dies impliziert, dass angesichts der Speicherweise des Gedächtnisses Marken derselben Produktkategorie ein Stück weit immer auch als ähnlich wahrgenommen werden, da sie sich die Eigen-schaften des ihnen hierarchisch übergeordneten Produktkategorieschemas teilen. Marken werden vor diesem Hintergrund immer dann als sehr ähnlich wahrgenom-men, wenn sie kaum über eigene, sich von anderen Marken derselben Produktkatego-rie unterscheidende Assoziationsinhalte verfügen, Markenassoziationen sich also vielmehr dominant aus den Assoziationen der hierarchisch übergeordneten Schemata speisen.

Die Bedeutung der wahrgenommenen Einzigartigkeit von Marken kann sowohl ent-scheidungs- als auch sozialpsychologisch erklärt werden. Die Entscheidungstheorie betont, dass Marken differenzierende Nutzenversprechen bzw. wahrnehmbare Diffe-renzierungsmerkmale benötigen, damit Auswahlentscheidungen ohne größere kogni-

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tive Anstrengungen möglich sind (vgl. Shafir/Simonson/Tversky 2002, S, 597 ff.; Si-monson 1989). Selbst Differenzierungsmerkmale, die außerhalb der Entscheidungssi-tuation für die Probanden keine Relevanz besitzen oder sogar negativ bewertet wer-den, werden in Auswahlsituationen herangezogen, sofern sie sich nutzen lassen, um zu einer schnellen Entscheidungsfindung zu gelangen; bspw. indem bei einer Anzahl homogener Marken die Marke, die im Besitz eines eigentlich irrelevanten, aber diffe-renzierenden Attributes ist, aufgewertet wird (vgl. Dhar/Sherman 1996).

Sozialpsychologisch lässt sich die Bedeutung von Distinktheit ebenfalls begründen. Wie bereits dargestellt, erfüllen Marken für den Nachfrager eine Identifikations- und Selbstdarstellungsfunktion. Diese Funktionen sind für das Selbstkonzept des Men-schen sehr wichtig, da die Wahrnehmung der persönlichen Einzigartigkeit ein zentra-les Bedürfnis eines jeden Individuums darstellt (vgl. Leyens/Yzerbyt/Rogier 1997). Nach Belk (1988, S. 139) wird der Besitz als Teil der eigenen Person bzw. als „erweiter-tes Selbst“ betrachtet. Deswegen nutzen Individuen Konsumakte, um der eigenen Einzigartigkeit Ausdruck zu verleihen (vgl. Tian/Belk 2005). Der Erwerb von Besitz kann somit das eigene Selbstkonzept stabilisieren. Darüber hinaus eignen sich Objekte auch zur Demonstration der eigenen Selbstkonzeption gegenüber dem sozialen Um-feld (vgl. Lynn/Harris 1997, S. 603). Entsprechend sind Marken, die ähnlich bzw. aus-tauschbar wahrgenommen werden, ungeeignet, der eigenen Einzigartigkeit Ausdruck zu verleihen.

3.3 Wahrgenommene Markenunglaubwürdigkeit

Auf Basis der Erkenntnisse aus der Alltagspsychologie (vgl. Heider 1958) wird eine Erklärung für die Frage angestrebt, warum Nachfrager bei Auswahlentscheidungen in Verwirrung geraten können, wenn sie die Leistungsversprechen von Angebotsalterna-tiven auf ihre Glaubwürdigkeit hin prüfen. Zur Erklärung der Urteilsbildung im Kon-sumalltag ist insbesondere die Attributionstheorie von Kelley (1978) geeignet. Sie beschäftigt sich mit der Frage, auf welche Weise Menschen zu Schlussfolgerungen über die Ursachen von Handlungen und Handlungsergebnissen kommen, wenn diese nicht offenkundig sind. Unterstellt wird ein mehr oder weniger nach rationalen Regeln ablaufendes Vorgehen, welches die „Psycho-Logik“ der gewöhnlichen Leute zur Erklä-rung erlebter Phänomene im Alltag abbildet (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 299). Demnach werden die Ursachen für ein Verhalten in den Eigenschaften von Personen, Entitäten (z.B. Marken) oder aber in besonderen Handlungsumständen während eines bestimmten Zeitpunktes gesucht. Welche Ursache aus der Vielzahl der in Frage kom-menden Gründe zur Erklärung herangezogen wird, hängt von der Urteilsheuristik ab, die der Beobachter anwendet. Die wichtigste Heuristik ist das so genannte Kovariati-onsprinzip. Es postuliert, dass kausale Schlussfolgerungen auf der Grundlage von subjektiv wahrgenommenen bzw. erinnerten Informationen über die gemeinsame

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Veränderung (Kovariation) von einem Ereignis mit seinen möglichen Ursachen vorge-nommen wird (vgl. Kelley 1978, S. 216). Zentralen Raum nehmen dabei Informations-muster ein, anhand derer das Individuum entscheidet, ob die Attribution auf die Per-son, die Entität oder aber auf die allgemeinen Umstände bezogen werden. Dies wird anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht:

Ein Fernsehspot aus dem Jahre 1995: Eine Frau schließt sich auf einer Flugzeugtoilette ein. Wenige Sekunden später ertönt lustvolles Stöhnen. Die anderen Fluggäste schauen betreten. Des Rätsels Lösung: Die Frau hat sich gerade die Haare mit dem Shampoo Herbal Essences gewaschen und ist dadurch in Ekstase geraten

Im vorliegenden Beispiel versucht der Fernsehspot den Zuschauer ganz offensichtlich zu der Attribution anzuregen, dass das Shampoo Herbal Essences eine junge, frische Marke ist, die das Haare waschen zum aufregenden Erlebnis werden lässt. Der Zu-schauer wiederum wird gemäß des Kovariationsprinzips die Glaubwürdigkeit prüfen, indem er Konsensus-, Distinktheits- und Konsistenzinformationen einholt.

Konsensusinformationen beziehen sich darauf, inwieweit der Effekt (das Haare wa-schen wird zum aufregenden, frischen Erlebnis) über verschiedene Personen variiert, wenn diese mit derselben Entität konfrontiert werden. Auf den Fernsehspot bezogen bedeutet dies, dass Konsensusinformationen hoch sind, wenn aus der Werbung bspw. hervorgeht, dass das Shampoo über eine große Verwenderschaft verfügt (im Sinne von „das meistgekaufte Shampoo Deutschlands“) oder einzelne Testimonials ihre Treue zum Produkt bekunden („auch ich nutze die Marke Herbal Essences“).

Distinktheitsinformationen beziehen sich auf die Entitäten, mit denen die Personen interagieren. Sie geben an, inwieweit der Effekt variiert, wenn Personen mit anderen, sehr ähnlichen Objekten konfrontiert werden. Wieder auf das Beispiel bezogen bedeu-tet eine hohe Distinktheit, dass mit einer Variation der Marke eine Veränderung des Effektes einhergeht. In diesem Fall wird der Zuschauer nur schlecht prüfen können, ob der von den Verwendern des Shampoo Herbal Essences beschriebene Effekt bei ihnen nicht auch dann eintritt, wenn sie ein anderes Shampoo verwenden.

Konsistenzinformationen geben Auskunft darüber, in wieweit der Effekt möglicher-weise nur auf besondere Umstände zu attribuieren ist, die zum Zeitpunkt des beo-bachteten Effektes vorlagen. Es wird folglich geprüft, ob mit einer Variation der Um-stände eine Veränderung des Effektes einhergeht. Für das vorliegende Beispiel könnte dies bedeuten, dass der Zuschauer möglicherweise prüft, ob die Marke außerhalb der Werbung ebenfalls jung, frisch und rebellisch auftritt. Wie die Fortsetzung des Bei-spiels zeigt, können niedrige Konsistenzinformationen dazu führen, dass eine Attribu-tion auf die Umstände (der beobachtete Effekt tritt auf, weil es Werbung ist) vorge-nommen wird.

Fortsetzung des Beispiels Herbal Essences: Der Fernsehspot katapultierte die Marke Herbal Essences in der Beliebtheit weit nach oben. Doch lange hielt der Erfolg nicht an. Das Produkt rutschte in der Beliebtheit genauso schnell auch wieder ab. Was war geschehen? Eine Marktfor-

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schungsstudie ergab: Die Verpackung der Marke wirkte altbacken und passte laut Kundenmei-nung nicht zur „Orgasmuswerbung“. Die Marke erschien in der Folge vielen als unglaubwür-dig

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Marken dann unglaubwürdig erscheinen, wenn Konsensus-, Distinktheit- und oder Konsistenzinformationen ein nur geringes Niveau aufweisen (vgl. Orvis/Cunningham/Kelley 1975).

Im Alltag liegen Kovariationsmuster häufig nicht in der Klarheit vor, die nötig wäre, um eine eindeutige Attribution vornehmen zu können (vgl. Meyer 2003, S. 20). Daher ist davon auszugehen, dass immer dann, wenn Konsensus-, Distinktheit- und oder Konsistenzinformationen in sich widersprüchlich sind, der Nachfrager in Verwirrung gerät bzw. er unglaubwürdigkeitsinduzierte Markenimagekonfusion erfährt.

Ferner ist hervorzuheben, dass Attributionen subjektive Meinungen darstellen, die Individuen sich über die Ursachen von Ereignissen bilden. Auch wenn das Kovariati-onsprinzip eine sehr stringente, logische Prüfung impliziert, ist diese immer stark subjektiv gefärbt. Welcher Grund von mehreren Gründen als Ursache identifiziert wird, ist bspw. auch davon abhängig, wie der eine Grund sich emotional von anderen Gründen abhebt oder welche Motivationen das Individuum mit einer Attribution verfolgt (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 300).

4 Wirkungen von Markenimagekonfusion auf die Handelsmarkenpräferenz

4.1 Theoretische Vorüberlegungen

Zu beobachten ist, dass Nachfrager gerade in reifen Märkten häufig anstelle von Mar-kenartikeln Handelsmarken kaufen (vgl. Meffert 2000, S. 262). Ihr wertmäßiger Anteil stieg in 2004/05 innerhalb nur eines Jahres weltweit um fünf Prozent auf absolut 17 Prozent des gesamten Umsatzvolumens im Lebensmitteleinzelhandel, wie eine Studie von AC Nielsen (2005) herausfand. Im Jahr 2005 betrug in Deutschland der wertmäßi-ge Handelsmarkenanteil sogar 30 Prozent, womit die Bundesrepublik nach der Schweiz (45 Prozent) weltweit auf Platz Zwei liegt.

Bereits 1984, also zu einer Zeit, in der die Handelsmarkenpolitik noch in ihren Kinder-schuhen steckte, forschte Heribert Meffert bereits auf diesem Gebiet und mahnte auf Seiten vieler Herstellerunternehmungen eine Neuorientierung in ihren Markenstrate-gien an (vgl. Meffert/Bruhn 1984). Dies ist insofern erstaunlich, als dass der wertmäßi-

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ge Handelsmarkenanteil damals noch bei circa 6,3 Prozent lag und ein solch enormes Handelmarkenwachstum damals kaum vorhersehbar war.

Im Folgenden wird nun der Frage nachgegangen, ob Markenimagekonfusion (als Phänomen einer konfusen Wahrnehmung von Herstellermarken) eine mögliche Erklä-rungsgröße für die beständig zunehmende Kaufpräferenz von Handelsmarken sein kann.

Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht ist eine Abgrenzung nach den Trägern der Marken in Hersteller- und Handelsmarken insofern kritisch zu sehen, als dass mit dem Aufkommen von Premium Handelsmarken, die gegenüber dem Nachfrager wie klassische Herstellermarken in Erscheinung treten (vgl. Koppe 2003, S. 69), diese Diffe-renzierung immer mehr an Trennschärfe verliert (vgl. Strebinger/Otter 2002, S. 4). Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die hier vorliegende Untersuchung auf klassische Handels- und Gattungsmarken.

Klassische Handelsmarken weisen gegenüber Herstellermarken ein in Bezug auf den Gebrauchsnutzen ähnliches Qualitätsniveau aus, werden allerdings mit einem deutli-chen Preisvorteil von 5 - 25 Prozent angeboten. Die Aufmachung ähnelt oft der einer bekannten Marke („Me-too“), um sich als zum Markenartikel ähnliche, aber preis-günstigere Alternative anzubieten (vgl. Fassnacht/Kreft 2004, S. 2).

Gattungsmarken dagegen weisen ein noch stärker auf den Grundnutzen reduziertes Profil auf, das sich auch in ihrer sehr schlichten Aufmachung widerspiegelt. Sie beset-zen das Preiseinstiegssegment einer Warengruppe und werden um bis zu 30 - 50 Pro-zent günstiger angebotenen als führende Herstellermarken (vgl. Meffert 2000, S. 872).

Die klassische Herstellermarke zeichnet sich dagegen typischerweise durch häufige Innovationen, eine intensive werbliche Unterstützung sowie eine nicht auf einzelne Verkaufsstätten beschränkte Distribution aus (vgl. Liebmann/Zentes 2001, S. 497).

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Abbildung 2: Imageprofile von Hersteller- und Handelsmarken im Vergleich (Quelle: Liebmann/Zentes 2001, S. 497)

Wie die Ergebnisse einer Kundenbefragung zeigen (vgl. Abbildung 2), spiegelt diese Beschreibung auch das in den Köpfen der Nachfrager vorhandene Bild von Hersteller- bzw. Handelsmarken wider. Bemerkenswert dabei ist, dass sämtliche in Abbildung 2 aufgeführten Imagemerkmale signifikant zwischen den Markentypen trennen, Her-steller- und Handelsmarken somit aus Kundensicht über ein sehr differenziertes Pola-ritätenprofil verfügen.

Zusammenfassend steht der Nachfrager damit heutzutage vor der Entscheidung, zwischen mehr oder weniger über Werbung bekannt gemachten, höherpreisigen Mar-kenartikeln und kaum über klassische Werbung beworbenen, in Bezug auf den Gebrauchsnutzen jedoch ähnlichen und zugleich deutlich günstigeren Handelsmar-ken, zu wählen.

Im Folgenden wird nun der Frage nachgegangen, in wieweit eine konfuse Wahrneh-mung von Herstellermarken den Nachfrager möglicherweise dazu anleitet, anstelle eines Markenartikels lieber eine Handelsmarke zu kaufen.

Im Fall ähnlichkeitsinduzierter Markenimagekonfusion nimmt der Nachfrager die Herstellermarkenalternativen als stark austauschbar wahr. Typischer Weise sinkt in so einer Situation das technisch-funktionale Unsicherheitsgefühl des Nachfragers, was zumeist zu einem höheren Preisbewusstsein führt. Sobald Nachfrager stärker preisfo-

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kussiert auswählen, ist zu erwarten, dass ihre Präferenz für günstigere Handelsmar-ken steigt.

Aber selbst nicht preisbewusste Nachfrager greifen möglicherweise zur Handelsmar-ke, da eine Auswahlentscheidung anhand des Kriteriums des günstigsten Preises zugleich eine entscheidungsvereinfachende Auswahloption darstellt. Letztere Argu-mentation trägt auch für den Fall, dass der Nachfrager dominant unklarheits- oder unglaubwürdigkeitsinduzierte Markenimagekonfusion wahrnimmt. Die Wahl einer Handelsmarke „befreit“ den Nachfrager von der kognitiv aufwendigen Auseinander-setzung mit den als konfus wahrgenommenen Herstellermarken.

Möglicherweise empfindet der Nachfrager aber nach wie vor noch ein hohes wahrge-nommenes soziales Risiko, das ihn davon abhält, auf preisgünstigere Handelsmarken auszuweichen. Allerdings dürften als austauschbar, unklar oder unglaubwürdig wahrgenommene Herstellermarken eine Identifikations- oder Selbstdarstellungsfunk-tion kaum erfüllen können. Ganz im Gegenteil könnte sogar postuliert werden, dass das nach Lynn/Harris (1997) auf Seiten vieler Nachfrager ausgeprägte Bedürfnis, über Kaufakte der eigenen Einzigartigkeit Ausdruck zu verleihen, in dieser Situation noch am ehesten von einer Handelsmarke befriedigt werden kann (z.B. zur Demonstranz der eigenen Person als „Smart Shopper“).

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wird postuliert, dass mit steigender Mar-kenimagekonfusion die Handelsmarkenpräferenz des Nachfragers zunimmt.

4.2 Empirische Evidenz

Im Rahmen einer vom Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement (LiM®) durchge-führten Online-Studie zur Markenwahrnehmung und Handelsmarkenpräferenz in reifen Märkten, wurden im Dezember 2006 1.488 Personen befragt. Dabei diente der Kochgeschirrmarkt mit Herstellermarken wie AMC, Berndes, Fissler, Roesle, Schulte-Ufer, Silit, Tefal und WMF als Beispiel.

Mittels Indexbildung, bei dem die zur Markenimagekonfusionsmessung verwendeten Einzelfragen zu einem einzelnen Wert verdichtet wurden, lässt sich das Spektrum von Markenimagekonfusion auf dem Kochgeschirrmarkt visualisieren. Wie aus Abbil-dung 3 hervorgeht, sind die Indexwerte annähernd normalverteilt (Kolmogorov-Smirnov-Wert = 0,278). Zur Analyse des Einflusses des Markenimagekonfusionsgrades auf die Handelsmarkenpräferenz empfiehlt es sich daher, 3 Gruppen zu bilden, da insbesondere die Extrempole der Markenimagekonfusion bzw. der Markenimage-prägnanz interessieren. Die Schwellenwerte wurden entsprechend bei 2,7 respektive 3,5 angesetzt (bei einem theoretischen Indexspektrum von 1 (sehr hohe Markenimage-konfusion) – 5 (sehr niedrige Markenimagekonfusion)). Es zeigt sich, dass 15 Prozent

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der Kochgeschirrkäufer über vollkommen konfuse, 55 Prozent über mittel-konfuse und nur 30 Prozent über mehr oder weniger prägnante Markenimages verfügen.

Wie die Gruppenmittelwerte zu der Handelsmarkenpräferenz aus Tabelle 2 zeigen, stieg mit zunehmendem Grad der Markenimagekonfusion die Handelsmarkenpräfe-renz deutlich an. Während bei der Gruppe mit der geringsten Konfusion die durch-schnittliche Handelsmarkenpräferenz auf einer 5-stufigen Rating Skala lediglich einen Wert von 3,19 annimmt, beträgt dieser bei der markenkonfusen Gruppe 1,84 (mit 1 = sehr hohe Handelsmarkenpräferenz und 5 = sehr niedrige Handelsmarkenpräferenz).

Abbildung 3: Histogramm des Markenimagekonfusionsindexes

Die Validierung des Beziehungszusammenhangs zwischen Markenimagekonfusionund Handelsmarkenpräferenz erfolgte mittels einfaktorieller Varianzanalyse (ANO-VA). Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, sind die Gruppenunterschiede bei einem F-Wert von 39,513 höchst signifikant. Der zusätzlich durchgeführte Duncan-Test bestätigt auch für die Gruppen untereinander die Trennschärfe. Damit bestätigen die Ergebnis-se die Vermutung, dass Kunden in reifen Märkten nicht unbedingt preisbewusster sind, sondern vielmehr der Mangel an glaubwürdigen, klar profilierten und sich von Wettbewerbern differenzierenden Marken die Nachfrager dazu motiviert, Handels-marken zu kaufen.

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Tabelle 2: Mittelwertvergleich zwischen den Konfusionsgruppen nach der Handelsmarkenpräferenz

Konfusionsgruppen Ø Handelsmarken-

präferenz (mit 1=sehr hoch und 5=sehr niedrig)

F-Wert Signifikanz

Hohe Marken-imagekonfusion 1,84

Mittlere Marken-imagekonfusion 2,27

Geringe Marken-imagekonfusion 3,19

39,513 0,000

In Reaktion auf diese Ergebnisse könnten Markenartikler erwidern, dass die gestiege-ne Handelsmarkenpräferenz auch mit der Präsentation der Herstellermarken im Han-del zusammenhängt; die Markenumwelt am Point of Sale also für die verwirrende Erscheinung der Herstellermarken (mit) verantwortlich zu machen sei (Point of Sale induzierte Markenimagekonfusion). Der Handel würde möglicherweise argumentie-ren, dass die in den Köpfen ihrer Kundschaft existenten Markenimages bereits vor dem Betreten ihrer Geschäfte konfus sind (gedächtnisbasierte Markenimagekonfusi-on).

Vor diesem Hintergrund wurde ebenfalls empirisch untersucht, ob Einkaufserfahrun-gen Markenimagekonfusion eher verstärken oder reduzieren. Wie ein t-Test ergab, waren die Mittelwerte zwischen der Gruppe mit Einkaufserfahrungen (letzter Einkauf liegt nicht länger als sechs Monate zurück) bzw. ohne Einkaufserfahrungen (letzter Einkauf liegt länger als sechs Monate zurück) signifikant unterschiedlich (p = 0,0), wobei das Ausmaß gedächtnisbasierter Markenimagekonfusion bei der Gruppe ohne jüngere Einkaufserfahrungen (letzter Einkauf liegt länger als 6 Monate zurück) deut-lich größer war.

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Abbildung 4: Ausmaß Point of Sale induzierter Markenimagekonfusion

Zur Validierung dieser Ergebnisse wurde in einem zweiten Schritt die Gruppe der „Kauferfahrenen“ noch danach befragt, ob im Vergleich zu ihren vormals rein ge-dächtnisbasierten Markenbildern die Marken am Point of Sale an Klarheit, Differen-ziertheit und Glaubwürdigkeit eher (a) dazu gewonnen haben, (b) unverändert geblie-ben sind oder (c) verloren haben. Wie Abbildung 3 zeigt, ist in Übereinstimmung zu den vorangegangenen Ergebnissen auch hier zu beobachten, dass Einkaufserfahrun-gen im Handel Markenimagekonfusion eher reduzieren, als dass sie sie verstärken. Der Einfluss der Markenumwelt am Point of Sales auf die Induzierung von Marken-imagekonfusion ist daher als eher gering anzusehen. Vielmehr tragen Einkaufserfah-rungen im Durchschnitt eher zur Reduzierung von Markenimagekonfusion bei. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung an die Adresse der Hersteller aufrecht zu erhal-ten, stärkere Anstrengungen zur Profilierung ihrer Marken zu unternehmen.

5 Zusammenfassung und Fazit

Ziel des vorliegenden Beitrages war es, mit der Vorstellung des Konstruktes Marken-imagekonfusion einen Erklärungsbeitrag zum häufig beobachtbaren Phänomen der nachlassenden Kaufverhaltensrelevanz von Marken in reifen Märkten zu liefern.

Dabei wurde betont, dass es sich bei dem Phänomen der nachlassenden Kaufverhal-tensrelevanz von Marken eigentlich um ein Paradoxon handelt. Nachfrager empfinden

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das Einkaufen immer häufiger als stressgeladen und haben ein starkes Bedürfnis da-nach, effizienter und effektiver Auswahlentscheidungen treffen zu können. Doch die Marke in ihrer klassischen Funktion als Orientierungs- und Vertrauensankern wird nicht genutzt. Die Implikationen dieser Beobachtung aus der Herstellerperspektive sind erheblich: „This means that the $ 100 billion and more spent each year (…) to introduce and maintain specific brands in the mind of the consumer could prove to be a vain effort“ (Petrof/Daghfous 1996, S. 74).

Allzu häufig wird gerade in reifen Märkten dieses „Markenversagen“ mit einem all-gemein gesteigerten, geradezu unvermeidlichem Preisbewusstsein der Nachfrager erklärt: „contemporary consumers are more attracted by things that give them a sense of getting more for their money than top-of-mind brands“ (Petrof/Daghfous 1996, S. 75).

Wie empirisch am Beispiel der Kochgeschirrbranche gezeigt wurde, scheint jedoch gerade die Inexistenz von „top-of-mind brands” die Preisfokussierung des Nachfra-gers zu stimulieren. Der Preis ist Orientierungshilfe geworden, weil aussagefähigere Entscheidungsanker wie im Gedächtnis der Nachfrager gespeicherte Markenimages, konfus sind. Der Nachfrager erkennt nicht, worin sich die Marken voneinander unter-scheiden, sie sind ihm oftmals unklar und Zweifel existieren hinsichtlich ihrer Glaub-würdigkeit.

Die ausgeprägte Preisorientierung ist damit in weiten Teilen auf schwere Mängel in der Markenführung der Herstellermarken zurückzuführen. Ein ebenfalls untersuchter möglicher handelsseitiger Einfluss durch die Art der Markenpräsentation am Point of Sale konnte nicht identifiziert werden, vielmehr zeigte sich, dass konkrete Einkaufser-fahrungen eher zu einer Klarifizierung konfuser Markenimages beitragen.

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„Just-in-Time“-Markenführung oder: Wie geht man mit dem hektischen Zeitgeist um?

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Bernd M. Michael

„Just-in-Time“-Markenführung oder: Wie geht man mit dem hektischen Zeitgeist um?

1 Zeitgeist und Wertewandel ...........................................................................................161

2 Zur Evolution der Marke im Zeitgeist.........................................................................161

3 Wie viel Zeitgeist verträgt die Marke?.........................................................................163

4 Zeitgeist als Innovator der Marke ................................................................................166

5 „Just-in-Time“-Markenführung ...................................................................................167

6 Emotio und Ratio als „Treiber“.....................................................................................169

7 Die Marke erweitert ihren Kompetenzanspruch........................................................170

8 Die Zukunft der Marke..................................................................................................173

9 Literatur...........................................................................................................................174

Bernd M. Michael war bis September 2005 Chairman & CEO der Grey Global Group Europe, Mid-dle East & Africa.

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„Just-in-Time“-Markenführung oder: Wie geht man mit dem hektischen Zeitgeist um?

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1 Zeitgeist und Wertewandel

Die Hypothese ist nicht gewagt, dass der Zeitgeist auch im 21. Jahrhundert die imagi-näre Materie ist, aus der Unternehmenserfolge wachsen können. Die Marketing-Wissenschaft sieht Wechselwirkungen zwischen Zeitgeist und Wertewandel der Kon-sumenten:

Dabei werden zwei Ebenen der Wertepyramide der Konsumenten voneinander abge-grenzt (vgl. Kotler/Bliemel 2001, S. 319 f.). Sie trennen Grundwerte der Menschen wie Ehe, Arbeit, Ehrlichkeit oder Wohltätigkeit von Sekundärwerten wie Jugendkult, Mode-Erscheinungen oder Fitness. Natürlich fällt auch der bis zum Geiz reichende Spartrieb in diese Kategorie.

Grundwerte sind gegen Zeitgeist-Attacken immun. Unternehmen und deren Marken sollten daher nicht versuchen, die Beständigkeit der Grundwerte anzutasten. Die Mar-keting-Forscher lenken stattdessen den Blick auf Chancen im Reich der sekundären Wertvorstellungen. Hier haben charakteristische Kultur- oder Zeitgeist-Phasen Ein-fluss. Nur sie sind markenstrategisch relevant.

Eine offene Markenführung nimmt permanent Zeitgeist-Elemente auf. Dies ist Grund-voraussetzung für die Evolution der Marke. Und für die Sicherheit, immer im gesun-den Zentrum des Marktes zu bleiben. Allerdings ist der Zeitgeist seit einigen Jahren vom überschaubaren Dauerlauf in hektische und sprunghafte Zwischenspurts ausge-artet: Statt der regelmäßigen Wellen-Bewegung von Mega-Trends – die kommen und gehen – haben wir heute gleich mehrere Mini-Trends, die parallel zueinander und mit kurzen und heftigen „Fieberkurven“ immer schneller auftauchen und verschwinden. Damit gerät die sorgfältige strategische Planung durch allzu viele taktische Zwischen-sprünge leicht ins Schwanken. Gefährdet ist also eine „Just-in-Time“-Markenführung, die es umzusetzen gilt ohne gleichzeitig die große langfristige Strategie-Linie aus dem Auge zu verlieren.

2 Zur Evolution der Marke im Zeitgeist

Damit erlebt die strategische Markenführung zurzeit eine besonders große Herausfor-derung. Schneller wechseln Trends und Werte als je zu vor. Das erfordert neues Den-ken und Handeln. Gefragt ist die permanente Evolution der Marke.

Im Idealfall wird die Marke zum zeitlosen Wert, der es schafft, sich permanent im Gespräch zu halten. Leider gelingt das nur wenigen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Markenartikels verschwinden mehr Konsumgüter-Marken vom Markt, als neue

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hinzukommen. Warum? Es gibt nicht nur einen Grund. Es ist – wie so oft im Leben – eine Fülle von Gründen dafür verantwortlich.

In einer Welt mit immer mehr austauschbaren Angeboten wird die Frage nach dem erlebbaren Unterschied für die Menschen zum entscheidenden Wettebewerbsvorteil. Die Marke vermittelt im Idealfall diese Differenzierungsmerkmale – egal ob emotional oder rational. Sie übernimmt die aktive Rolle des Werttreibers nach innen und nach außen. Ihr Ansehen verhindert oder fördert Kaufentscheidungen. Aber, wenn früher die einmal erarbeiteten Kernwerte ausreichten, gilt es heute, die Marke permanent auf Zeitgeist-Strömungen zu justieren. Sensibel, behutsam – aber auch konsequent, um „Top of Mind“ in den Augen möglicher Interessenten zu bleiben. Markenführung als Balance-Akt der Zukunft. Mit der Kraft, andere im Markt zu verdrängen. In diesem Balance-Akt stecken zwei gegensätzliche Erfolgsfaktoren: Kontinuität und „Zeitgeist-Dynamik“. Die Markenführung hat die Aufgabe, beide Faktoren zu kombinieren und deren Energie sinnvoll zu nutzen. Das Marken-Management wird durch die „Zeit-geist-Induzierten“ Veränderungen in der Gesellschaft fortwährend herausgefordert, den tugendhaften Pfad der Kontinuität zu verlassen. Der Wert der Marke wird vor allem in den Köpfen der Konsumenten geschaffen, wo Gedanken und Gefühle im Sinne des „Zeitgeistes“ gespeichert und kontinuierlich verändert werden. Die Kunst der Führung hat diesem permanenten „Wertewandel“ sensibel zu entsprechen:

Der folgende Beitrag will zeigen, dass Marken, die im Zeitgeist geführt werden, mehr zur Wertschöpfung der Unternehmen beitragen können. Dabei löst Marken-Evolution die rein Lebenszyklus-Orientierten-Strategien ab. Der Begriff „Just-in-Time-Markenführung“ bietet sich an, weil der Wertewandel des Zeitgeistes auf die Marken eine zeitnahe Anpassung der Strategien und Führungsinstrumente erfor-dert.

Der Markenführung droht aber gleichzeitig eine Zeitgeist-Falle. Denn die Öffnung der Markenkonzepte gegenüber neuen Trends in der Gesellschaft verführt zur Diskontinuität in der Führung der Marken. Die Marke kann von ihrem Kurs ab-kommen, Kult oder Mode werden. Und sie wird schnell Opfer eilfertiger Anpas-sung. Die Suche nach der richtigen Balance entscheidet über Erfolg und Misserfolg.

Andererseits können Unternehmen den Zeitgeist als ökonomisches Kraftfeld nut-zen. Für die praktische Umsetzung wird eine neue Kombination der Marketing-Instrumente benötigt, um die Veränderungsprozesse der Markenführung präzise zu beherrschen. Die Praxis beweist, dass Marken erfolgreich werden, wenn sie ihre Kernwerte sensibel auf Zeitgeist-Anforderungen anpassen.

Die Marke verändert sich in Zukunft immer häufiger von einer Mono-Funktion in eine Multi-Funktion. Nicht zuletzt aus Gründen der Economies of Scale, aber auch auf Grund des eingeschränkten Auffassungs- und Lern-Vermögens der Menschen findet diese Entwicklung statt. Die Marke entwickelt sich von der reinen Vermark-tungs-Funktion von Produkten und Dienstleistungen hin zu Feldern und Ziel-

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„Just-in-Time“-Markenführung oder: Wie geht man mit dem hektischen Zeitgeist um?

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gruppen, die im weitesten Sinne auf Unternehmen Einfluss nehmen: der Kapital-Markt, der Personal-Markt, der Markt der Lieferanten und Partner oder – beson-ders wichtig – die breite Öffentlichkeit und ihr soziales und gesellschaftliches Um-feld. Alle fordern eine Antwort der Unternehmens-Marke, um die gewünschte Ak-zeptanz zu erreichen.

3 Wie viel Zeitgeist verträgt die Marke?

Markenwert als ein Haupttreiber des Unternehmenswertes hat eine hohe strategische Bedeutung erlangt. Das Ansehenskapital einer Unternehmensmarke wird wichtiger als das Stammkapital. Je ähnlicher und austauschbarer die Produkte und Services weltweit werden, umso wichtiger wird die Rolle der Marke. Die Welt der Gleichartig-keit und Austauschbarkeit verunsichert die Menschen und ändert ihre Einkaufsge-wohnheiten dramatisch. Die Frage nach dem überlegenden Nutzungswert bleibt im-mer öfter unbeantwortet und hat zum unseligen Verfall in eine Discountwelt geführt, die sich gerade mitten im ihrem globalen Siegeszug befindet. Für den Konsumenten ist daraus der Eindruck entstanden, nichts Falsches mehr kaufen zu können. Sein logi-scher nächster Gedanke konzentriert sich also auf den Preis und den Vorteil, der dar-aus erwächst.

Analytisch betrachtet sind es aber inzwischen fünf Aspekte des Zeitgeistes, die in erfolgreiche Markenführung einbezogen werden sollten:

1. Die Aldisierung ist zur Normalität geworden:

Der Konsument als Souverän der Märkte übt seit einigen Jahren in Deutschland eine starke Kaufzurückhaltung. Allgemeine Verunsicherung und die verlockenden Discountmärkte, mit ihren günstigen Preisen, sind gesellschaftsfähig geworden und keine alleinige Frage von notwendiger Kaufkraft mehr. Der Blick auf den günstigen Preis ist zu einer Art Volkssport geworden. Und: „Geiz ist geil“ lässt grüßen. Es gibt jedoch Anzeichen, dass sich dieser Run in die Banalität und Trivia-lität zukünftig selbst erstickt: Er führt zur Lustlosigkeit oder Langeweile bei den Menschen. Es ist abzusehen, dass der Wunsch nach Qualität, Substanz und Ge-nuss an Bedeutung zurückgewinnt. Die ersten Anzeichen sind bereits sichtbar, um aus „Geiz ist geil“ „Reiz ist geil“ zu machen. Zum Smart-Shopper gesellt sich der Verwöhn-Shopper.

2. Der Konsument verlangt Orientierung:

Das Marketing von heute muss sich die Mahnung gefallen lassen, zu viele Seg-mente zugleich adressieren zu wollen bzw. mit einer übertriebenen Segmentie-rung in der Vergangenheit allen Anforderungen des Kunden gerecht werden zu

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wollen. Am Ende ist der Mensch mit z.B. 134 verschiedenen Haar-Shampoos, die ihm im Supermarkt gegenüberstehen, einfach überfordert. Eine optimale und schnelle Kauf-Entscheidung wird unnötig erschwert. Verwirrung tritt an die Stelle von Orientierung. Es ist nicht die Aufgabe des Marketings, die Qual der Wahl zu erhöhen, sondern Entscheidungshilfe zu geben.

3. Die Lernfähigkeit der Konsumenten ist erschöpft:

Die Informationsflut und die fast unbegrenzte Zahl von Marken (in Deutschland werden mehr als 50.000 Marken beworben) hat zu einer Erschöpfung des Fas-sungs- und Lernvermögens geführt. Und die Economies of Scale für Mono-Marken geraten aus dem Tritt. Der Werbedruck setzt sich nicht zwangsläufig in höheren Abverkauf der Mono-Marken-Produkte um. Sie erzielen keinen ausrei-chenden Return of Investment mehr. Deutlich macht sich diese Entwicklung in der Bereinigung der Mono-Marken-Portfolios und der Fokussierung auf starke Dach- und Kompetenzmarken. Der Umbau vieler Marken-Portfolios globaler Markenar-tikler hat längst begonnen.

4. Der Verbraucher wird Manager der Marke:

Die Vielzahl neuer Medien und die Rolle, die sie im Leben der Menschen bereits einnehmen, führen schrittweise zu einem Paradigmen-Wechsel. Es gilt nicht mehr: Ich muss zur Marke passen. Die Zukunft fordert: Die Marke muss zu mir passen. A.G. Lafley, Chef von Procter & Gamble, drückt es so aus: „Der Konsument wird zum Chef der Marke und wir haben uns schnellstens darauf einzustellen“. Das In-ternet als Plattform intensiver Meinungsäußerung innerhalb der Communities, das Phänomen Blogging – und gerne auch Youtube und deren Nachahmer – grei-fen in das Marketing und die Markenführung ein. Eine kontinuierliche Interaktion zwischen Konsument und Produkt-Management wird zur Norm werden. Mar-kenkonzepte entstehen weniger als je zuvor auf den Schreibtischen und For-schungslabors, sondern zunehmend auch in den Haushalten oder auf der Straße!! Durch die Nähe, die die neuen Technologien zulassen, sitzt der Verbraucher in Zukunft sozusagen mit am Tisch, wenn „seine“ Produkte oder Services entwickelt und vermarktet werden.

5. Die Sanduhr-Theorie wird zur Realität:

Die Mitte des Marktes wird immer dünner. Die Konsumgeschichte der letzten De-kade führt zu einem zweigeteilten Markt: Auf einer Seite dominiert das Verwöhn-Shopping, während auf der anderen das Smart-Shopping Realität wurde. Die Markenführung muss beide Treiber des Konsums zeitgeist-sensibel, d.h. unter Be-achtung aktueller Strömungen ansprechen. Bereits heute ist die Polarisierung in diese beiden Marktsegmente in schon fast allen Märkten sichtbar. Die Zukunft der Märkte teilt sich in zwei Kaufmotivationen: in den Teil, den man unbedingt braucht – auf neudeutsch: Needs – und den Teil, den man gerne hätte – auf neu-

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„Just-in-Time“-Markenführung oder: Wie geht man mit dem hektischen Zeitgeist um?

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deutsch: Wants. Diese beiden Nutzenfelder werden den Markt der Zukunft bestimmen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Sanduhr-Theorie – Die Mitte ist gefährdet

Die Mitte ist gefährdet.

Hard-Discounter

Lust-Brands

Lust-Discounter

Verwöhn-Shopping

Smart-Shopping

Das führt zu einer sorgfältigen Überprüfung aller Bausteine erfolgreicher Marken-Architektur (siehe Abbildung 2) um sicher zu sein, dass die Marken-Assets der Ver-gangenheit auch auf die Zukunft richtig ausgerichtet werden.

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Abbildung 2: Die Bausteine erfolgreicher Marken-Architektur

Bildmarke

Die Bausteine erfolgreicher Marken-Architektur

Markenfarbe2

Marken-Versprechen

3

Markenwelt4

Hörmarke6

Wortmarke1

5

4 Zeitgeist als Innovator der Marke

Der Zeitgeist ist ein unbarmherziger Geselle. Er kommt wie und wann er will. Früher noch mittelfristig vorhersehbar. Heute sprunghaft, unberechenbar und launisch. Er verläuft in Zick-Zack-Bewegungen mit schnellem Auf und Ab. Und schlimmer noch: Manchmal tauchen gleich mehrere Zeitgeist-Phänomene parallel auf. Die einen kürzer, andere bleiben, wieder andere gelten nur für kleine Splitter-Gruppen und verglühen wie Sternschnuppen, ohne den Mainstream der Marke je zu erreichen. Marken wie Opel, Karstadt, Lego, Ford oder Warsteiner stecken tief in der Zeitgeist-Falle. Sie ha-ben deutlich an Bedeutung für die Konsumenten eingebüßt. Und sie arbeiten intensiv daran, diesen Vertrauensverlust wieder auszugleichen.

Aber auch viele andere Unternehmen und Marken bewegen sich – zum Teil unsichtbar – in einer Abwärtsspirale ihres Ansehens. Zuerst weichen die Sympathiewerte auf, dann die Relevanzwerte. Schließlich entscheidet sich der Konsument gänzlich, Pro-dukte dieser Marke nicht mehr zu kaufen. Eine typische Reaktion der Unternehmen ist

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„Just-in-Time“-Markenführung oder: Wie geht man mit dem hektischen Zeitgeist um?

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dann die Beauftragung von Sanierern. Die Kosten – nicht das Thema Markenführung – bestimmen die Richtung des strategischen Gegensteuerns. Wenn aber Kunden tau-sendfach die innere Bindung zur Marke auflösen oder sich gänzlich dem Konsum bestimmter Marken „verweigern“, leidet auch der Markenwert darunter. Das Unter-nehmen muss sich und seine Marken neu justieren und die Markenführung auf aktu-elle Strömungen in der Gesellschaft ausrichten – ohne ihren Markenkern zu gefähr-den.

BMW zeigt am Beispiel des Mini sehr eindrucksvoll, wie ein Unternehmen eine Tradi-tions-Marke verjüngen und sie in den Zeitgeist zurückführen kann. Respekt vor der Identität dieser Marke und feinfühliger Umgang mit dem Zeitgeist machten aus leicht angestaubtem Mythos wieder einen neuen Wert für die Kunden. Die Marke Mini in-szeniert zur Zeit Innovation und Zeitgeist wie sonst kaum andere Automobilmarken. Und doch bewahrt der Mini soviel Tradition und technische Grundwerte, wie sie für das Wiedererkennen durch den Kunden nötig sind.

Warum aber gelingt es der Zeitgeistmarke Smart im vergleichbaren Automobil-Segment nicht, die Kunden erfolgreicher anzusprechen? Smart ist Trendsetter, Innova-tor – aber ohne eine gewachsene Identität gleicht die Marke einer einstufigen Rakete, deren Schubkraft für die Reise zu den Sternen wohl noch nicht reicht. Die Markenfüh-rung von Smart wird wohl weiter experimentiert, neujustiert und umpositioniert wer-den müssen. Um einen Weg im wachsenden Segment der „Funktions-Autos“ zu fin-den.

5 „Just-in-Time“-Markenführung

Die Praxis der Markenführung zeigt, wie der Zeitgeist als Quelle der Inspiration wirkt und so zum ökonomischen Kraftfeld werden kann. Aber der Zeitgeist ist nicht auto-matisch – und bei weitem nicht als einziger Erfolgsfaktor – für Aufstieg und Wert einer Marke verantwortlich. Der Zeitgeist inspiriert und motiviert Konsumenten, den Wan-del zu leben. Er gibt sogar oft das Tempo dieses Wandels vor. Die Marke muss diesen Empfindungen und Erwartungen Rechnung tragen und gegebenenfalls die eigene Position anpassen. Eine erfolgreiche Markenführung verleugnet bei allen Referenzen an den Zeitgeist jedoch nicht die Kernkompetenzen ihrer Marken.

Die kulturelle Entwicklung in den vergangenen Dekaden hat sich deutlich beschleu-nigt. Das Tempo ist schneller geworden, heute ist Zeitgeist, was übermorgen längst vergessen ist. Wie wird nun Zeitgeist definiert?

„Als Zeitgeist bezeichnet man die Besonderheiten des Denkens und Empfindens, der Ideale und Werte in einer bestimmten geschichtlichen Epoche.“ Man verwendete im

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18. und 19. Jahrhundert auch die Synonyme genius saeculi, Geist der Zeit und Geist der Zeiten (vgl. Phillex 2005).

Doch wie geht das Brand-Management mit dieser „Just-in-Time“-Markenführung richtig um? Wie kommt es, dass starke Trends nicht richtig umgesetzt oder ganz ver-passt werden? Oder: Warum lässt sich Markenführung vom Zeitgeist „blenden“? Die Lehre aus diesen Beobachtungen:

Eine Marke darf einerseits den Zeitgeist nicht überholen. Sie riskiert damit, zur reinen Modeerscheinung zu werden und damit schnell ihre Bindung an Markt und Kunden zu verlieren. Sie braucht die Evolution, die aus dem Markenkern heraus entwickelt wird.

Eine Marke darf anderseits nicht zu weit hinter dem Zeitgeist – zu traditionsge-bunden – operieren, weil konservative Markenbilder schnell angestaubt wirken können. Die Kunden von heute identifizieren sich nicht gerne mit Auslaufmodel-len.

Abbildung 3: „Just-in-Time“-Markenkommunikation (Quelle: Michael 2003)

Zeit

Strategische Ziele der Markenführung

Kundengewinnung

Marken-Entwicklungs-Stufen

Marken-Bekanntheit

Kundengewinnung

Product-Trial

Kundenbasis

Bekanntheitsausbau

Imageaufbau

Verwenderbasis

Kundenbindung

Kunden-Bindung

Markenaktualisierung

Verwendungs-Intensität

DB

Kunden-Rückgewinnung

Kunden-Rückgewinnung

Marken-Revitalisierung

Marken-Dehnung

Just in time-Markenkommunikation

Tool

s

Brand Design

Public Relation

Event-Marketing

POS-Marketing

Dialog-Marketing

Sponsoring

Internet

Klassische Werbung

Quelle: Werkbuch M wie Marke

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6 Emotio und Ratio als „Treiber“

„In einer Überflussgesellschaft wird nicht mehr das Angebot knapp, sondern die Wünsche“, heißt das Thema der Zukunft. In diesem Sinn wirkt Zeitgeist als Biotop, aus dem neue Wünsche wachsen. Und auf die gilt es sich einzustellen.

Markenführung kann sich keinen Stillstand mehr leisten. Vielmehr treibt der Zeitgeist die Marken zu immer neuer Dynamik. Bei den rationalen Werten, ebenso wie bei den emotionalen. Intelligente Markenführung muss beide Seiten des menschlichen Gehirns ansprechen, um den Added Value einer Marke in den Köpfen der Menschen zu veran-kern. Ohne den erlebbaren oder gefühlten Unterschied geht nichts mehr.

Dieses Spannungsfeld, zwischen Realität und Perzeption, ist das Wirkungsfeld von Marken und Marken-Images.

Die Marke signalisiert den funktionalen, technischen oder faktischen Wert einer Sache, ergänzt um den emotional gefühlten Wert. Damit erreicht sie beide Seiten des mensch-lichen Gehirns – die linke rational-mathematisch und die rechte fantasieorientiert zugleich. Starke Marken schaffen es, mit einer ausgewogenen Balance dieser Einflüsse im Kopf der Menschen eine Einstellungs-Veränderung zu bewirken. Je intensiver beide Bereiche in die Meinungsbildung einwirken, umso positiver ist der Mensch zu dieser Marke eingestellt. In der Regel führt ein ausgeprägtes Marken-Image – also hoher Bekanntheitsgrad, Sympathie und ein starkes Image-Profil der Marke zu Präfe-renzen im Entscheidungs- und Kaufverhalten.

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Abbildung 4: Arbeitsmodell: „The Whole Brain“ (Quelle: Michael 2003)

Arbeitsmodell: “The Whole Brain®”

• Bilder• Musik• Gefühle• Intuition

• Wörter• Zahlen• Fakten• Business

EmotionaleIntelligenz

Rechte Seite

RationaleIntelligenz

Linke Seite

Soft Facts Hard Facts

Quelle: Werkbuch M wie Marke

7 Die Marke erweitert ihren Kompetenzanspruch

Auch hierin steckt ein Stück des Zeitgeistes: Die Menschen – Investoren, Kunden, Mit-arbeiter, Lieferanten – interessieren sich für das Unternehmen als Einheit, nicht mehr nur für seine einzelnen Produkte. Im Fokus stehen Performance, Profitabilität, die Attraktivität und Sicherheit der Arbeitsplätze, die Qualität der Forschung, Nachhal-tigkeit und Umweltorientierung mit der Verantwortung für zukünftige Generationen, die Einhaltung von Corporate Governance, die Bewertung an der Börse und immer auch die Visionen des Managements, die den Zukunftswert erahnen lassen.

Der Wert einer Marke – ihr Brand Value – ist daher das Konzentrat aus Soft Facts und Hard Facts und – ob man mag oder nicht – ihre Passung zu Zeitgeist-Strömungen. Der

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Zeitgeist des beginnenden 21. Jahrhunderts überträgt Unternehmen deutlich größere Verantwortung für alle diese Aspekte. Die ganzheitliche Haltung des Unternehmens ist gefragt.

Marken hatten ursprünglich nur eine Aufgabe: Sie mussten als Vermarktungshilfen funktionieren und beim Käufer die Kaufentscheidung sichern. Mit dieser Mono-Funktion wird sich zukünftig kein CEO mehr begnügen. Dafür ist auch das Invest-ment in die Marke zu hoch. Heute, in einer Zeit voller Verdrängungswettbewerb auf der einen Seite, aber auch zunehmender CSR (Corporate Social Responsibility), ist der Wert der Marke multipler als je zuvor auszurichten.

Die Markenführung hat nun die Multi-Funktion der Marke entdeckt. Die Marke zielt darauf, gleichzeitig mehrere Zielgruppen abzudecken, die den Bestand und die Ak-zeptanz des Unternehmens maßgeblich beeinflussen. Eine durchaus komplexe Aufga-be, die gekonnt synchronisiert werden muss, um hohe Economies of Scale zu errei-chen. Diese Multi-Funktion kapitalisiert die Marke auf die bestmögliche Weise und schafft Wettbewerbsvorteile an folgenden fünf Fronten gleichzeitig:

Abbildung 5: Die Multi-Funktion der Marke (Quelle: Michael 2003)

Die Multi-Funktion der Marke

Marke als Bindungswert für

Partner/Lieferanten & Allianzen

Marke als Ansehens-Wert in der

ÖffentlichkeitMarke als

Vermarktungs-hilfe

Marke als Identifikation für Mitarbeiter und

Talentsuche

Marke als Ansehenswert

in der Finanzwelt

Marke

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1. Ansehens-Wert in der Finanzwelt:

Die zunehmende Bedeutung der Börse und des Kapital-Marktes erfordert die Pflege dieses meinungsbildenden Bereiches durch die Unternehmensführung. Das zentrale Element dafür ist die Ausrichtung der Unternehmens-Marke. Die Krite-rien nach denen die Finanzwelt ein Unternehmen beurteilt, befinden sich heute im Wandel. Waren es früher vorwiegend Fakten und Bilanzen, sind es heute ergän-zend dazu Visionen und Perspektiven der CEO´s und Vorstände. Gleichzeitig gilt es, das Ansehen des Unternehmens präzise auf die Kriterien der Analysten, der Börsenmakler und der großen Anleger auszurichten. Das umfasst die Hard Facts ebenso wie die Soft Facts. Auch hier ist permanente Pflege und Kontinuität, vor al-lem vor dem Hintergrund schneller wechselnder Marktgegebenheiten, von hoher Bedeutung. Der visionäre Blick nach vorn, welche Rolle das Unternehmen als Marke in Zukunft spielen will, wird für den Kapitalmarkt wichtiger als der Blick zurück auf die Bilanzen der Vergangenheit.

2. Identifikations-Wert für Mitarbeiter und Talente:

Die entscheidende Ressource der Zukunft ist das, was man heute auf neudeutsch „Human Capital“ nennt. In allen Assets wie Rohstoffe, Maschinen, Kapital, Paten-te usw. greifen die Unternehmen auf gleichartige Ressourcen zurück. Zum ent-scheidenden Wettbewerbsvorteil werden das Wissen und die Motivation des Per-sonals. Wem es gelingt, die Besten an sich zu ziehen, schafft Vorsprünge. Und die besten gehen nur zu Unternehmen mit dem höchsten Ansehen und der höchsten Reputation. Seit Jahren zeigen Studien, dass die Auswahl der Unternehmen so-wohl von den Top-Studenten als auch von den führenden Praktikern sich immer mehr an ihrem Image und ihrem Markenwert orientiert. Die Zahl der Ranking-Listen in den Medien ist Legion – national wie international. Der Personalmarkt orientiert sich an diesen Daten. Und damit ist die Aufgabe der Markenbildung klar: Die Attraktionspunkte, Mitarbeiter in diesem Unternehmen zu werden, sind Inhalt der Markenführung.

3. Bindungs-Wert für Partner/Lieferanten und Allianzen:

Marken spielen eine zentrale Rolle bei Fusionen, Akquisitionen, strategischen Al-lianzen oder vertikaler Integration aus Industrie- und Handelsstufe. Ihr Bindungs-Wert knüpft Partnerschaften und ist Entscheidungskriterium für Lieferanten oder Vertriebspartner. Wer bekommt als erstes die Innovationen eines Lieferanten? Wer wird Referenzkunde? Mit welcher Lieferantenmarke zeigt sich die Kundenmarke am liebsten öffentlich? Das Profil der Marke liefert hier einen maßgeblichen Bei-trag zur Identifikation und Qualität der Partner.

4. Vertrauens-Wert in der Öffentlichkeit:

Die Stichworte Social Responsibility und Sustainability im weiteren Sinne domi-nieren die Schlagzeilen der Medien. Die soziale Akzeptanz von Unternehmen in

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der Öffentlichkeit ist zum Tagesthema geworden. Manche Umweltverschmutzung oder manche soziale Härte im Umgang mit Mitarbeitern haben die Aufmerksam-keit der breiten Öffentlichkeit erregt. Unternehmen agieren nicht mehr nur für sich selbst, sondern haben sich als „gewünschter“ Teil der Öffentlichkeit zu be-trachten. Eine Politik der gläsernen Wände, eine Strategie der totalen Transparenz – nach innen und nach außen – ist das Gebot der Stunde. Unternehmens-Marken sind nach diesen Kriterien auszurichten und zu führen. Präventives Crisis Mana-gement – und wenn es nur für die Schublade ist – ist Pflicht für jeden Vorstand. Je höher der Industrialisierungsgrad wird, umso kritischer wird die öffentliche Mei-nung. Umso akzeptabler hat sich eine Unternehmensmarke gegenüber der öffent-lichen Meinung zu präsentieren.

5. Vermarktungs-Wert bei der Käufer-Zielgruppe:

Mit dem Vermarktungs-Wert von Marken hat alles begonnen. Ursprünglich wur-den Produkte zu Marken gemacht, um ihre Unterscheidbarkeit und Wiederer-kennbarkeit deutlich zu machen. Diese ursprüngliche Aufgabe der Marke ist geblieben. Zugegeben, heute stehen wir vor überbesetzten Märkten – sowohl im Bereich der Herstellung als auch in der Menge der Verkaufsflächen des Handels. Ein Krieg der Marken tobt, Verdrängung ist angesagt. Der Ausleseprozess ist im vollen Gange und die Zahl globaler und lokaler Marken wird neu justiert. Und der Job der Marke hat sich von Unterscheidbarkeit zur Verdrängungskraft zu entwickeln. Nur dann ist die Investition in die Marke noch sinnvoll.

Fazit: Jede dieser fünf Zielgruppen bedarf sorgfältiger Analyse der Wert-Treiber, ihrer Prioritäten und hat maßgeschneidert die Mentalität dieser Einflussgruppen zu treffen. Es wird die Kunst zukünftiger Markenführung sein, alle fünf Bereiche im Wert der Unternehmens-Marke reflektiert zu sehen.

8 Die Zukunft der Marke

Unternehmen und Marken werden in Zukunft verstärkt von außen von ihren Kunden gesteuert – und nicht mehr nur von innen. Das Produkt steht am Ende der Kette. Erst wenn Wünsche und Werte der Menschen ermittelt und in Waren oder Services über-setzt worden sind, ist der Erfolg wahrscheinlich, sagt Harvard-Professor Gieseler.

Es gilt, sich mehr denn je an den Wünschen der Kunden zu orientieren und weniger am hersteller-orientierten Denken der Produkt-Entwickler und -Forscher. Die Marke hat also mehr von außen als von innen zu leben. Ein mentaler Switch, der zwar viel-fach schon unterwegs ist – aber in den kommenden Jahren verschärft die Entschei-dungen bestimmen wird – ist notwendig.

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Im Idealfall wird die Marke zum zeitlosen Wert, der dieses Denken verkörpert und der es schafft, sich permanent im Gespräch zu halten. Die Werthaltigkeit von Marken wächst mit ihrer Synchronisation auf den Zeitgeist. Nur dann kann die Marke ein Besitzstand des Unternehmens bleiben, der als echter Differenzierungs-Wert betrachtet werden kann und der hilft, den Wettbewerb erfolgreich zu verdrängen.

9 Literatur

Kotler, P./Bliemel, F. (2001): Marketing-Management: Analyse, Planung und Verwirkli-chung, 10. Aufl., Stuttgart.

Michael, B.M. (Hrsg.) (2003): Werkbuch M wie Marke, Stuttgart.

PhilLex (2005): Lexikon der Philosophie, siehe http://www.phillex.de/zeitgei.htm.

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Luxusmarken im gesellschaftlichen Wandel

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Helmut Sihler

Luxusmarken im gesellschaftlichen Wandel

1 Definition.........................................................................................................................177

2 Gesellschaft und Luxusmarke ......................................................................................178

3 Anmerkungen zum Marketing.....................................................................................1793.1 Sortiment................................................................................................................1803.2 Werbung.................................................................................................................1803.3 Zielgruppen ...........................................................................................................1813.4 Vertrieb ...................................................................................................................181

4 Schlussbetrachtung ........................................................................................................182

Prof. Dr. Helmut Sihler war von 1980-1992 Vorsitzender des Zentralvorstands des Henkel-Konzerns, Düsseldorf sowie Vorsitzender des Aufsichtsrats der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Stuttgart (1993-2007), der Deutschen Post AG, Bonn (1995-2000) sowie der Deutschen Tele-kom AG, Bonn (1996-2000). Der Verfasser bedankt sich für Anregungen aus dem Beitrag „Lu-xusmarkenstrategie“ von Heribert Meffert und Ingo Lasslop im Handbuch Markenführung, Hrsg. Bruhn, M., 2. Aufl., Wiesbaden 2004, S. 927-947.

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Luxusmarken im gesellschaftlichen Wandel

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1 Definition

„Luxus muss nicht teuer sein“: Dieser Werbespruch einer Ladenkette ist offensichtlich ein Oxymoron. Man weiß natürlich, dass das Gegenteil richtig ist: Luxusmarken sind immer im oberen Preissegment angesiedelt. Aber dieses Merkmal reicht natürlich allein nicht aus. Ein Luxusprodukt ist nicht notwendigerweise eine Luxusmarke oder genauer gesagt ein Luxusmarkenartikel. Ein von einem Modeschneider gefertigter Anzug mag höherwertig sein als ein Armani-Anzug, aber trotz des eingenähten Labels ist er offensichtlich kein Markenartikel. Marken sind gekennzeichnet durch ihre gleichbleibende Qualität, ihre weite Verbreitung, ihre Geltung bei einem größeren Kundenkreis und ihre leichte Erhältlichkeit, wenn auch nicht unbedingt Überallerhält-lichkeit.

Versuchen wir eine Definition der Luxusmarke anhand von drei Beispielen aus unter-schiedlichen Märkten: Louis Vuitton, Rolex und Porsche. (Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Hersteller von „echten“ Luxusmarken nie mit dem Begriff Luxus-marke operieren.)

Für alle drei Marken gilt: Sie sind erheblich teurer als der Durchschnitt ihrer Konkur-renzprodukte, aber sie sind nicht die teuersten Produkte ihrer jeweiligen Märkte. Sie sind deshalb für relativ große Verbrauchergruppen zumindest teilweise oder zeitweise erschwinglich. Sie sind weltweit verbreitet, was aber nicht heißt, dass man sie überall kaufen kann. Exklusivität auch durch die Ausgestaltung des Vertriebs ist eines ihrer nicht unwesentlichen Merkmale. Eine Luxusmarke garantiert sozusagen selbstver-ständlich die höchstmögliche Qualitätsstufe, aber entscheidend ist für sie im Verhält-nis zu den Wettbewerbsprodukten der höhere ästhetische Gehalt. Nehmen wir das Beispiel Louis Vuitton. Wer einen Koffer dieser Marke kauft, dokumentiert drei ihm (und vor allem ihr) wichtige Merkmale: seinen höheren Lebensstandard, sein höheres Anspruchsniveau, vor allem aber auch seinen guten Geschmack. Jeder Anhauch von Protzigkeit ist deshalb für eine Luxusmarke kontraproduktiv; sie soll ja gerade vor-nehmes Understatement suggerieren.

Markenartikel sind nicht nur geprägt durch ihre objektiven Merkmale, sondern mehr noch durch die subjektive Einschätzung ihrer Käufer. Das Image einer Marke ist für den Erfolg entscheidend. Es kann durch viele Maßnahmen und Erfahrungen mit dem Produkt selbst beeinflusst werden, aber es entsteht immer nur im Kopf des Verbrau-chers. Das entscheidende Differenzierungsmerkmal der Luxusmarke ist dies: Es kommt nicht nur auf das Image der Marke bei ihren eigenen Verbrauchern an. Lu-xusmarken haben auch ein ausgeprägtes Image bei den Nichtkäufern. Dieses „Fremd-image“ wirkt auf das „Eigenimage“ zurück. Der Käufer von Luxusmarken möchte sich zwar differenzieren, aber die Akzeptanz der anderen nicht verlieren. Er möchte nicht seinen Reichtum demonstrieren, sondern seinen guten Geschmack beweisen. Wenn Fahrer von Porsche-Autos als aggressiv und dünkelhaft eingestuft werden, dann fällt

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Helmut Sihler

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der Entschluss schwerer, ein solches Auto zu kaufen, wenn das (angestrebte) Selbst-bild des potenziellen Käufers ein ganz anderes ist.

Mit erfolgreichen Luxusmarken lassen sich aufgrund der Preisgestaltung hohe Ge-winne erzielen. Manchmal tritt der paradoxe Zustand auf, dass Preiserhöhungen zu Mehrverkäufen führen, weil der Geltungsnutzen möglicherweise gesteigert wird. Der technische Ausdruck dafür lautet, oft durch die Fakten gerechtfertigt, „confident pri-cing“. Die Kehrseite dieser Medaille ist die Markenpiraterie. In begrenztem Ausmaß ist Nachahmung sicherlich auch eine Art von Werbung. „Es sind die schlechtesten Früchte nicht, an denen die Wespen nagen“. Das Prestigebewusstsein des Käufers von Luxusmarken verhindert die Jagd nach Schnäppchen. Die selbstbewusste Frau, die „es sich leisten kann“, bei Aldi einzukaufen, wird sich nie mit einer nachgeahmten LV-Tasche in der Öffentlichkeit zeigen. Eine Rolex-Uhr am Arm eines anscheinend weni-ger bemittelten Käufers macht einen kontraproduktiven Eindruck; statt differenzie-renden Geschmack suggeriert sie anmaßendes Geckentum, auch wenn sie echt sein sollte. Es mag sein, dass gerade bei leicht nachzuahmenden Uhren das Übermaß an Imitaten auf die Ausgangsmarken negativ zurückschlägt, nicht nur im Image, sondern auch im Absatz.

Eine besondere Rolle im Umfeld der Luxusmarken spielen die Modemarken. Es wür-de hier zu weit führen, Unterschiede und Ähnlichkeiten mit Marken, die nicht alljähr-lich wechselnden Modetrends unterliegen, im Einzelnen zu beschreiben. Der Hinweis muss genügen.

2 Gesellschaft und Luxusmarke

In seinem 1899 erschienenen Buch „The Theory of the Leisure Class“ hat der amerika-nische Soziologe Thorstein Veblen sozusagen die Grundlage für alle Betrachtungen über Luxus und luxuriösen Konsum gelegt. „Conspicuous consumption of valuable goods (an anderer Stelle: luxury goods”) is a means of reputability to the gentlemen of leisure”. Nehmen wir das Beispiel der Kunstsammler: Nicht wenige sammeln Kunst nicht nur für sich, sondern auch, um ihren besonderen Geschmack zu dokumentieren. Die Kulmination dieses Wunsches nach öffentlicher Geltung ist letztlich die Stiftung eines eigenen Museums für die eigene Sammlung. Kunst ist kein Markenartikel, aber es gibt durchaus Ähnlichkeiten zwischen ihnen, vor allem Unverwechselbarkeit und Qualitätsanspruch.

Die gesellschaftlichen Schichten werden in Demokratien, wie Veblen ausführt, nicht mehr von „oben“ definiert und dokumentiert. Adelsprädikate gibt es nicht mehr. Auch akademische Titel haben eine abnehmende gesellschaftliche Relevanz. Umso wichtiger wird die Nutzung von Luxusgütern als Differenzierungsmerkmal. Natürlich geht es

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Luxusmarken im gesellschaftlichen Wandel

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hier nicht in erster Linie um Luxusmarken, sondern um einen Lebensstil, der sich in Häusern in Florida, in Zweimast-Segelbooten, in Reisen zu Festspielen dokumentiert. Immer wird es auch darum gehen, erlesenen Geschmack zu demonstrieren und eigene Persönlichkeitswerte hervorzuheben.

Ohne in falsches Psychologisieren verfallen zu wollen, sei doch darauf hingewiesen, dass „conspicuous consumption“ nicht selten von Unsicherheit motiviert wird. Man möchte anerkannt werden, man möchte einer bestimmten sozialen Schicht zugerech-net werden; deshalb fürchtet man sich davor, falsche Signale auszusenden. Die eher absurden Listen von dem, was „in“ und was „out“ ist, spiegeln diese Ängste wieder.

Eine in ihrer längerfristigen Bedeutung kaum zu unterschätzende gesellschaftliche Entwicklung ist die zunehmende Spreizung des Einkommens. Die Spreizung wird mit dem Gini-Koeffizienten gemessen (entwickelt vom italienischen Statistiker Gini 1912), der einen Wert zwischen Null (absolut gleiche Verteilung) und 1 (höchstmögliche Ungleichheit) annehmen kann. (Beispiele: Deutschland 0,29, Österreich 0,30, USA 0,46). Entscheidend für unser Thema ist aber weniger die Verteilung an sich, sondern die Tatsache, dass sich der Gini-Koeffizient fast in allen Ländern nach oben verschiebt und damit größer werdende Ungleichheit signalisiert. Ein Beispiel dafür ist Japan. Noch rechnen sich die meisten Japaner der Mittelschicht zu, aber die einkommensmä-ßig definierte Mittelschicht wird kleiner. Noch extremer sind die Verhältnisse im „so-zialistischen“ China. Die gesellschaftlichen Konsequenzen dieser zunehmenden Sprei-zung sind gefährlich. Man kann voraussagen, dass damit die sozialen Spannungen erheblich zunehmen werden. Die Verteilung des Wohlstands, nicht dessen Vermeh-rung, wird deshalb in den Demokratien zunehmend zum entscheidenden Motiv für die Wahl von Parteien werden.

Für unser Thema gilt aber: Die potentiellen Zielgruppen für Luxusmarken wachsen überall auf der Welt. Luxusmarken werden deshalb noch mehr als bisher globalisierte Marken werden, um ihre Chancen optimal auszuschöpfen.

3 Anmerkungen zum Marketing

Aus den vorstehenden Überlegungen lassen sich eine Reihe von Schlussfolgerungen für das Marketing der Luxusmarken ziehen. Sie sollen kurz im Folgenden erörtert werden.

Das Marketing der Luxusmarken folgt anderen Gesetzen als das „normaler“ Marken-artikel. Ihr Erfolg hängt nicht vom Erreichen bestimmter Qualitätsstandards und ent-sprechender Preiswürdigkeit ab. Das erfordert von den Verantwortlichen eine beson-dere Sensibilität für die Erfordernisse der jeweiligen Marke. Man wird vor allem dar-

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auf achten müssen, dass die Grenzen der Marke gewahrt bleiben. Die Versuchung ist natürlich immer groß, das besondere Image der Marke durch Verbreiterung zu nut-zen. Wer „von oben“ versucht, in den Massenmarkt einzusteigen, wird dies fast immer mit dem Verlust des Luxus-Images bezahlen. Umgekehrt gilt: Wer „von unten“ ver-sucht, seine Marke in das Luxusfeld auszudehnen, wird nie Erfolg haben. Ein Beispiel dafür ist der wohl misslungene Versuch von Volkswagen mit dem – von der Qualität her durchaus konkurrenzfähigen – Luxusauto Phaeton.

3.1 Sortiment

Die Luxusmarke ist fast immer eine Sortimentsmarke; das ist eine Konsequenz der relativen Kleinheit der Zielmärkte. Wer international erfolgreich sein will, braucht aber gewisse Mindestgrößen in Absatz und Umsatz, um entsprechende Vertriebssysteme aufbauen zu können. Dies sei kurz am Beispiel Porsche erläutert: Der Markt für den klassischen Sportwagen „911“ liegt bei optimaler Ausschöpfung bei etwa 40.000 Fahr-zeugen im Jahr. Dies reicht in kleineren Märkten nicht für einen Vertrieb über exklusi-ve Händler, der wiederum für die Geltung der Marke wichtig ist. Die Antwort könnte in Kooperationen liegen; Porsche hat sich für den langfristig interessanteren Weg der Sortimentsausweitung entschieden. Zum 911er kam der kleinere Boxster und der größere Cayenne, ein „SUV“ (Sports Utility Vehicle). Bei dieser Ausweitung kam es entscheidend darauf an, die Vorzüge des 911 zu transportieren (Sportlichkeit vor al-lem), ohne das Image der Ausgangsmarke zu beschädigen, und Kannibalisierung durch konsequente Produktdifferenzierung weitgehend zu vermeiden. Der viertürige Panamera, der 2009 auf den Markt kommen soll, wird diese Strategie der Markenaus-weitung fortsetzen.

Die Grundfrage stellt sich für alle Luxusmarken (wie auch für andere Marken) immer wieder: Wie weit trägt die Ausgangsmarke? Betrachtet man das Riesensortiment z.B. von Louis Vuitton, dann glaubt man kaum, dass es Grenzen geben könnte. Weil die Luxusmarke einen bestimmten „Lifestyle“ verkörpert, scheint sie an die Grenzen einer bestimmten Produktkategorie nicht gebunden. So lange keines der angebotenen Pro-dukte den gesetzten Geschmacksstandard verletzt, ist der Verbraucher wohl nicht irritiert.

3.2 Werbung

Die Käufer von Luxusmarken sind mobil. Sie haben viele gesellschaftliche Kontakte und bewegen sich im internationalen Milieu. Lokale Werbeansprachen sind deshalb die Ausnahme. Es kommt darauf an, eine weltweit tragfähige und stilsichere Werbung

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Luxusmarken im gesellschaftlichen Wandel

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zu entwickeln. Ein interessantes Problem ist der Einsatz von internationalen Prestige-figuren, z.B. Topmodels oder Sportidole. Die Gefahr besteht, dass sie ein Eigenleben neben der Marke und unter Umständen gegen die Marke zu entwickeln. Werbung ist für die Käufer von Luxusmarken oft auch ein Meinungsgegenstand. Sie möchten ihren guten Geschmack durch die Art der Werbung bestätigt sehen; sie trauen sich zu, Wer-bung beurteilen zu können. Deshalb wird die Werbung für Luxusmarken immer über den bloßen Produktnutzen hinausgehen. Sie wird Stimmungen und Gefühle vermit-teln, aber dies mit einer gewissen Distanz zum potenziellen Kunden. Der Geltungs-nutzen der Luxusmarke muss mit Behutsamkeit vermittelt werden. Jede Art von „Kumpelhaftigkeit“ wäre kontraproduktiv. Die Auswahl der Medien entspricht natür-lich dem Grundtenor der Exklusivität. Deshalb finden sich Luxusmarken fast nie im Fernsehen, das im Allgemeinen kaum definierte Zielgruppen anspricht.

3.3 Zielgruppen

Die Luxusmarke verkörpert eine bestimmte Geschmacksrichtung. Deshalb muss sie in allen Dimensionen zielgruppenadäquat sein. Verbraucher einer Luxusmarke sind irritiert, wenn „ihre“ Marke von jemandem verwendet wird, den sie nicht als gleich-wertig ansehen. Dies gilt für soziale Schichten wie für Altersgruppen. Luxusmarken sind nie Jugendmarken; aber sie brauchen auch bei Jüngeren eine gewisse Geltung, um für ältere Zielgruppen attraktiv zu bleiben. Für Porsche sind die „Woofs“ (well-off old folks) von wirtschaftlich großem Interesse, aber es wäre für die Marke kontrapro-duktiv, wenn sie in wichtigen Eigenschaften auf diese Zielgruppe zugeschnitten wür-de. Bei den „Dinks“ (double income no kids) mag dies anders aussehen. Die richtige Zielgruppendefinition ist eine unerlässliche Voraussetzung für erfolgreiches Marke-ting gerade im Bereich der Luxusmarken.

3.4 Vertrieb

Die Vertriebsstruktur ist grundsätzlich anders als bei „normalen“ Markenartikeln. Es geht nicht um Überallerhältlichkeit. Das Ideal ist der Aufbau einer eigenen Vertriebs-organisation mit eigenen Geschäften oder exklusiven Franchisenehmer. Der Zwi-schenhandel wird ausgeschaltet. Nur so lassen sich Preisstabilität und optimale Wa-rendarbietung garantieren. Ein Porsche, der neben einem Golf verkauft wird, wird tendenziell nur zu einem besseren oder teurerem Auto, aber nicht zu einem ganz an-deren. Das Erlebnis des Kaufens wird zu einem wichtigen Bestandteil des Images der Marke. Die Warenpräsentation kann nur in eigenen Läden kontrolliert werden.

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Helmut Sihler

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4 Schlussbetrachtung

Der potenzielle Markt der Luxusmarken wird mit steigenden Einkommen und ver-stärkter Einkommensspreizung wachsen. Die Gesellschaft wird sich weiter differen-zieren. Mehr und mehr Hersteller werden diesen Trend für sich zu nutzen versuchen. Um aber nachhaltig Erfolg zu haben, bedarf es eines in sich geschlossenen Marketing-konzepts, dessen Initialkosten sehr hoch sind. Damit sind für neue Hersteller hohe Eintrittsbarrieren gegeben. Diejenigen aber, die bereits eine Luxusmarke etabliert haben, tun gut daran, langfristige Markenpflege nicht einer kurzfristigen Gewinnma-ximierungsstrategie unterzuordnen. Luxusmarke und Langfristigkeit gehören zu-sammen.

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Marktorientierte Unternehmensführung in Zeiten der Rezession

183

Manfred Krafft und Max Niederhofer

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientiertenUnternehmensführung in Zeiten der Rezession

1 Einleitung ........................................................................................................................185

2 Stilisierte Fakten des Marketings in der Rezession....................................................186

3 Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Unternehmensführung .........188

4 Zusammenfassung .........................................................................................................192

5 Literaturverzeichnis .......................................................................................................193

Prof. Dr. Manfred Krafft ist Direktor des Instituts für Marketing an der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster.

Dr. Max Niederhofer ist Mitarbeiter am dortigen Institut.

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Marktorientierte Unternehmensführung in Zeiten der Rezession

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1 Einleitung

Die deutsche Wirtschaft weist seit Ende des Zweiten Weltkriegs insgesamt vier deut-lich erkennbare gesamtwirtschaftliche Abschwungphasen auf: die auf der Steigerung des Ölpreises beruhenden Rezessionen 1974/75 und 1981/82, die nach der Wiederver-einigung Deutschlands 1993 einsetzende Rezession, sowie die durch außenhandels- und strukturbedingten Nachfrageausfall verstärkte Rezession in 2003. Diese Phasen waren allesamt durch ein negatives Jahreswachstum des Bruttoinlandsprodukts in zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Quartalen gekennzeichnet, was als Rezessions-indikator anzusehen ist.

Für die marktorientierte Unternehmensführung stellen Rezessionen eine besondere Herausforderung dar. So bedeutet ein rezessionsbedingter Absatzausfall neben der direkten Wirkung auf den Cash Flow auch einen potenziell geringeren Ertrag auf-grund zunehmender Lagerbestände, niedrigerer Kapazitätsauslastung und damit verbundenen höheren Stückkosten. Des Weiteren werden in der Rezession im Rahmen unternehmensweiter Sparprogramme Marketingbudgets zumeist gekürzt, insbesonde-re weil es sich hier um Verträge mit Drittparteien handelt (bspw. Werbeagenturen oder Sponsoringpartner), die einfacher aufzulösen sind als z.B. Vertragsverhältnisse mit fest angestellten Mitarbeitern in der Produktion. Das Marketing steht in Rezessionen daher vor einer recht komplexen Aufgabe: Einerseits werden die Mittel gekürzt, mit denen der Erfolg sichergestellt werden könnte, andererseits soll das Marketing als umsatzge-nerierende Funktion die Effekte der Rezession möglichst kompensieren.

Angesichts der Herausforderung, die eine Rezession an das Marketing stellt, ist es überraschend, dass in der internationalen Literatur nur wenige Forschungsbeiträge zur Gestaltung des Marketings in der Rezession zu finden sind. Eine Literaturrecher-che der drei führenden wissenschaftlichen Marketing-Zeitschriften (Journal of Marke-ting, Journal of Marketing Research und Marketing Science) ergibt nur drei Artikel (vgl. Coulson 1979; Cundiff 1975; Yang 1964), von denen einer lediglich einen Aufruf zu weitergehender Forschung darstellt (vgl. Srinivasan/Lilien/Rangaswamy 2005). Die Veröffentlichungen von Heribert Meffert, insbesondere Meffert (1994), Mef-fert/Wagner/Backhaus (1993), Meffert/Müller (1993) sowie die von ihm begleitete Dis-sertation von Rohlmann (1977) stellen somit einige der wenigen Werke dar, die der marktorientierten Unternehmensführung in der Rezession gewidmet sind. Tabelle 1 führt Beiträge der deutschen Marketingliteratur auf.

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Manfred Krafft und Max Niederhofer

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Tabelle 1: Deutsche Literatur zu Marketing in der Rezession

Quelle Theoretischer Fokus

Berndt (1994) Marketing-Management Qualität als Tool in der Krise

Fritz (1994) Marktorientierung versus Kosten- und Produktionsorientierung in der Rezession

Hinder (1986) Strategische Unternehmensführung in der Rezession

Krommes (1972) Unternehmensentwicklung in der Rezession

Meffert (1994) Marketingheuristiken für die Rezession als Anleitung für Praktiker

Rohlmann (1977)

Marketingprogramme in der Rezession

Tomczak/Belz (1993)

Allokation von Marketingbudgets auf Instrumente während der Rezession

Uphues (1979) Unternehmenswandel in der Rezession

2 Stilisierte Fakten des Marketings in der Rezession

Auf Basis der von Meffert (1994) und Rohlmann (1977) beschriebenen Effekte von Rezessionen auf das Marketingumfeld, die Marketingstrategie und den Marketing-Mix wurde von den Autoren dieses Beitrags in 2004 eine aktuelle Umfrage in der Tex-til-, Lebensmittel-, Bekleidungs- und Möbel-Branche in Deutschland durchgeführt. Aus der Kunden-Datenbank einer deutschen Unternehmensberatung wurden 604 Unternehmen kontaktiert. 165 Führungskräfte (Rücklaufquote somit 28 Prozent), die Marketingverantwortung für eine strategische Geschäftseinheit tragen, nahmen schließlich an dieser Studie teil. Verglichen wurde jeweils der Zustand des Marketing-umfelds oder -instruments während der Rezession im zweiten und dritten Quartal 2003 und der Zustand vor der Rezession Ende 2002 (also die „Normalität“ im Markt-umfeld). Ziel der Umfrage war es, eine Reihe von deskriptiven, stilisierten Fakten über das Marketing in der Rezession zusammenzutragen. Im Folgenden werden diese Er-gebnisse im Überblick berichtet, um auf deren Basis im dritten Teil unseres Beitrags auf die Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Unternehmensführung in der Rezession einzugehen.

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Marktorientierte Unternehmensführung in Zeiten der Rezession

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Aufgrund der Wirtschaftslage ändern Konsumenten in einer Rezession ihre aus dem verfügbaren Einkommen getätigten Käufe (vgl. Rohlmann 1977; Meffert 1994). Gene-rell sparen Konsumenten in der Rezession mehr als in anderen Konjunkturphasen. Daher wird einem vor der Rezession präferierten Produkt beispielsweise ein preiswer-teres vorgezogen, Käufe werden in die Zukunft verlagert oder aber zu Lasten eines geplanten anderen Kaufes trotz der Rezession getätigt. Generell steigt das Preisbe-wusstsein der Konsumenten in der Rezession. Die Befunde unserer eigenen Studie, welche die Perspektive der Marketingmanager widerspiegeln, bestätigen die gestiege-ne Nachfrage-Elastizität für Preiskommunikation in der Werbung. Dagegen sinkt die generelle Nachfrage-Elastizität der Werbung insgesamt. Konsumenten kaufen mehr Handelsmarken, und Einkäufe werden zu Discountern verlagert. Gebrauchsgüter (durables) leiden dabei in Rezessionen stärker als Konsumgüter (consumables).

Ebenso wie das Konsumentenverhalten ändert sich in einer Rezession auch das Wett-bewerbsverhalten. Wie von Rohlmann (1977) und Meffert (1994) postuliert, nehmen die von uns befragten Marketingmanager eine höhere Wettbewerbsintensität wahr. Dies drückt sich zum einen in einer höheren Wettbewerbsgeschwindigkeit aus, also in einer schnelleren Reaktion auf Wettbewerbsaktionen, zum anderen nimmt die Stärke dieser Reaktionen aus Sicht der Marketingmanager zu. Des Weiteren ist der Wettbe-werb auch fokussierter auf konkrete Maßnahmen anderer Wettbewerber ausgerichtet. Beispielsweise werden Werbemaßnahmen viel gezielter erwidert.

Entgegen der insbesondere von Rohlmann (1977) vertretenen Auffassung verhalten sich Intermediäre, wie z.B. Händler, nicht besonders prozyklisch. Auch nehmen struk-turelle Adaptionen, beispielsweise in Form von Produkt- oder gar Lieferantenauslis-tungen, in der Rezession nicht zu. Ähnlich wurde seitens der von uns befragten Mar-ketingmanager kein größerer Handelswiderstand gegenüber Produktneueinführun-gen während der Rezession gemeldet. Wie vermutet, besteht aber während der Rezession sowohl ein höherer Preisdruck als auch das Bestreben nach einer höheren Beteiligung der Unternehmen an den Werbekosten des Handels. Diese abweichenden und nicht erwarteten Befunde zur wahrgenommenen Rolle des Handels können auch damit begründet werden, dass die Handels-Hersteller-Beziehung aufgrund von Supply-Chain-Überlegungen innerhalb der letzten Jahrzehnte im Sinne einer Partner-schaft gestärkt wurde.

Die Marketingstrategie ihrer strategischen Geschäftseinheiten wird von den Befragten generell als prozyklisch beschrieben. Dies bedeutet insbesondere, dass Marketingbud-gets während der Rezession gesenkt, im Aufschwung dagegen wieder angehoben werden. Dies wird analog von Rohlmann (1977) und Meffert/Müller (1993) berichtet. Antizyklisches Marketing, also eine dem Wirtschaftszyklus gegenläufige Investition in Marketing während der Rezession, ist in unserer Studie dagegen kaum zu beobachten, obwohl dies schon von Meffert (1994) als eine für längere Rezessionen potenziell sinn-volle Strategie angesehen wird.

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Manfred Krafft und Max Niederhofer

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Der Marketing-Mix ist passend zur Marketingstrategie zu gestalten. So werden wäh-rend der Rezession – verglichen mit der normalen Wirtschaftslage – beispielsweise weniger Produkte neu im Markt eingeführt oder modifiziert. Die von uns betrachteten Unternehmen senkten mehrheitlich ihre Preise. Ebenso wurde weniger in Kommuni-kation investiert. Interessanter Weise gab es aber keine Verschiebung zu Gunsten kurz-fristig wirkender Kommunikationsinstrumente (wie Sales Promotion) zu Lasten von langfristig effektiven Mitteln (wie dem Sponsoring); vielmehr wurden alle Kommuni-kationsinstrumente gleicher Maßen während der Rezession zurückgefahren. Die Dist-ributionspolitik wurde dagegen während der Rezession relativ stabil gehalten.

3 Möglichkeiten und Grenzen der marktorientiertenUnternehmensführung

Die zentrale Frage, die sich aus Sicht des Marketing-Managements während der Re-zession stellt, ist die nach der Profitabilität von antizyklischem Marketing. Als Folge der Rezession ist zu erwarten, dass Wettbewerber ihre Marketingbudgets reduzieren und die Kosten für Marketingaktivitäten von Dienstleistern, beispielsweise Werbe-agenturen oder Medien, sinken. Sofern die Nachfrage-Elastizität konstant bleibt, könn-te ein Unternehmen also bei gleichbleibendem Marketingaufwand während der Re-zession mehr Werbung schalten, einen höheren Share-of-Voice realisieren und mehr Absatz generieren. Da sich während der Rezession allerdings das Konsumentenver-halten ändert, die Nachfrage-Elastizität grundsätzlich sinkt und mehr auf den Preis geachtet wird, wäre es aber auch möglich, dass diese Strategie zwar zu mehr Sichtbar-keit der Produkte im Markt führt, der Abverkauf aber nicht stimuliert wird. Gleich-wohl könnte durch die erhöhte Sichtbarkeit während der Rezession, auch wenn der Absatz gegenüber der Zeit vor der Rezession nicht signifikant steigt, der Marktanteil gesteigert werden. Kann der höhere Marktanteil im folgenden Aufschwung gehalten werden, könnte sich antizyklisches Marketing – trotz kurzfristig gewinnmindernder Effekte – langfristig profitabel auswirken.

Die Grenzen einer solchen antizyklischen Strategie liegen einerseits in den marktseiti-gen Beschränkungen des Konsumenten-, Wettbewerbs- und Intermediärverhaltens (stark fallende Nachfrage-Elastizität für Kommunikation während der Rezession, schnelle Veränderung der Marktanteile nach der Rezession) und in den knappen Res-sourcen des Unternehmens begründet. Eine antizyklische Politik ist zudem nur mög-lich, wenn dem Unternehmen ausreichend Finanzmittel bereitstehen und diese auch für Marketingmaßnahmen alloziiert werden.

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Marktorientierte Unternehmensführung in Zeiten der Rezession

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Andererseits wird antizyklisches Marketing oft auf den Bereich der Kommunikations-politik beschränkt, obwohl es sich eigentlich um eine umfassendere Marketingstrate-gie handelt, die dem Marktgeschehen konträr gegenübersteht. Hierbei ist nicht gesagt, dass die Maßnahmen auf die Produkt-, Kontrahierungs-, Kommunikations- oder Dist-ributionspolitik beschränkt sind. Ausschlag gebend ist vielmehr, dass das Unterneh-men die Rezession als Möglichkeit begreift, das Marktgeschehen positiv zu beeinflus-sen und für Marketinginvestitionen seitens der Unternehmensleitung entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden.

Beiträge in Fachzeitschriften sowie Sonderveröffentlichungen der Werbebranche (siehe beispielsweise Ryan 2001) legen seit längerer Zeit nahe, Rezessionen als eine Chance anzusehen und diese durch Marketinginvestitionen offensiv zu nutzen. Ausgehend von diesen Überlegungen wurde von Srinivasan/Lilien/Rangaswamy (2005) ein neues Konstrukt entwickelt. Das von ihnen betrachtete Phänomen „Proaktives Marketing“ baut auf zwei zentralen Elementen auf: einerseits auf der Wahrnehmung der Rezessi-on als Chance für das Unternehmen und andererseits auf der systematischen Nutzung der sich aus der Rezession für das Unternehmen ergebenden Chance. Das Konstrukt umfasst also nicht nur die gesamte Marketingstrategie und den Marketing-Mix, son-dern auch die veränderte Sichtweise auf Seiten der Unternehmensführung sowie – wenngleich nur implizit – das Vorhandensein von genügend Ressourcen, um eine antizyklische Marketingpolitik während der Rezession umzusetzen.

„Proaktives Marketing“ ist gegenüber anderen etablierten Konzepten ein nicht gerade trennscharfes Konstrukt (vgl. Srinivasan/Rangaswamy/Lilien 2005). So gibt es bei-spielsweise Überschneidungen mit den Phänomenen der Marktorientierung (vgl. Jaworski/Kohli 1990), Wettbewerbsorientierung (vgl. Slater/Narver 1994) sowie Strate-gischen Flexibilität (vgl. Grewal/Tansuhaj 2001). Mit dem Konstrukt der Marktorientie-rung nach Jaworski/Kohli (1990) teilt sich Proaktives Marketing beispielsweise die Beobachtung des Unternehmensumfeldes. Während aber Proaktives Marketing das feindliche Umfeld der Rezession als eine Chance für das Unternehmen begreift, nimmt die Skala Marktorientierung an sich keine Bewertung vor, sondern stellt eher eine organisatorische Grundausrichtung des Unternehmens dar. Ein ähnlicher Unterschied gilt für das Konstrukt der Wettbewerbsorientierung (vgl. Srinivasan/Rangaswamy/ Lilien 2005). Die Strategische Flexibilität nach Grewal/Tansuhaj (2001) ist einerseits ebenfalls als organisatorisches Merkmal des Unternehmens zu werten, andererseits sieht sie als mögliche Antwort auf eine Rezession sowohl eine defensive als auch eine offensive Reaktion vor. Proaktives Marketing hingegen ist nur dann gegeben, wenn das Unternehmen die Rezession auch offensiv nutzt.

Srinivasan/Rangaswamy/Lilien (2005) operationalisieren Proaktives Marketing, indem sie drei Indikatoren zur Beurteilung der Rezession als Chance und sechs Indikatoren zur Messung der offensiven Marketingaktivitäten erheben (siehe Tabelle 2).

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Manfred Krafft und Max Niederhofer

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Tabelle 2: Indikatoren des Konstrukts „Proaktives Marketing (Quelle: angelehnt an Srinivasan/Rangaswamy/Lilien 2005)

1. Unsere Geschäftsführung hat die Rezession eher als Chance denn als Bedrohung angesehen.

2. Wir haben die Rezession als Gelegenheit gesehen, einige unserer vorsich-tigeren Wettbewerber zu überholen.

3. Das Management unseres Unternehmens sah die Rezession als Chance, unsere Unternehmensziele zu erreichen.

4. Unsere Marketingpläne haben die Gelegenheit ausgenutzt, die sich durch die Rezession bot.

5. Wir haben entschieden gehandelt, um Marktchancen in der Rezession auszunutzen.

6. Wir haben schneller auf die Rezession reagiert als unsere Wettbewerber.

7. Wir haben die notwendigen Investitionen getätigt, um auch während der Rezession zu wachsen.

8. Wir sind in der Entwicklung unserer Marketingpläne während der Rezessi-on sehr proaktiv gewesen.

9. Unser Marketingplan für die Rezession war im Grunde genommen abzu-warten, bis sich die Marktlage bessert.

Aus Sicht des Praktikers stellen sich zwei Fragen zu Proaktivem Marketing:

1. Kann antizyklisches Marketing – operationalisiert durch das Konstrukt Proaktives Marketing – kurzfristig (während der Rezession) sowie mittel- und langfristig (während des Aufschwungs) zu überdurchschnittlichem Erfolg führen?

2. Welche Maßnahmen kann man vor der Rezession ergreifen, um während der Rezession sicherzustellen, dass – gesetzt den Fall, der Markt ist günstig und die Unternehmensressourcen lassen dies zu – antizyklisches Marketing im Sinne des Proaktiven Marketing ermöglicht wird?

Die erste Frage kann durch eine direkte Messung des Markt- beziehungsweise Unter-nehmenserfolgs sowie des Konstrukts Proaktives Marketing beantwortet und mit Hilfe eines Kausalmodells überprüft werden. Die zweite Frage ist komplexer und daher schwieriger zu beantworten. Es handelt sich hierbei um eine Analyse der vor-auslaufenden organisatorischen und strategischen Faktoren, die den Erfolg einer Stra-tegie des Proaktiven Marketing im Falle einer Rezession begünstigen.

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Marktorientierte Unternehmensführung in Zeiten der Rezession

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Srinivasan/Lilien/Rangswamy (2005) postulieren vier Konstrukte als Determinanten des Proaktiven Marketing: Strategische Betonung des Marketings, Unternehmerische Kultur, Organisatorische Überschüssige Ressourcen sowie Strategische Flexibilität. Die Strategische Betonung des Marketings nach Miller (1988) bedeutet, dass Unternehmen Marketingaktivitäten entfalten, um insgesamt einen höheren Gewinn zu erzielen, beispielsweise durch höhere Preise, eine höhere Kundenloyalität oder besser auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Produkte. Eine strategische Betonung des Marke-tings führt vor allem durch zwei Umstände zu einer ausgeprägteren Umsetzung von Proaktivem Marketing während der Rezession: Einerseits ist der Unternehmensfüh-rung – also auch den Managern ohne direkte Marketingverantwortung – die strategi-sche Bedeutung des Marketings für den Unternehmensgewinn schon vor der Rezessi-on bewusst, andererseits bestehen partnerschaftliche und langfristige Beziehungen und Verträge mit Marketingdienstleistern, mit denen in der Rezession geeignete Stra-tegien und Konditionen ausgehandelt werden können (vgl. Srinivasan/Rangaswamy/ Lilien 2005).

Abbildung 1: Proaktives Marketing als marktorientierte Unternehmensführung in der Rezession (Quelle: angelehnt an Srinivasan/Lilien/Rangaswamy 2005)

Eine unternehmerische Kultur im Sinne von Covin/Slevin (1989) bedeutet, dass Mana-ger dazu ermutigt werden, geschäftliche Risiken einzugehen, um höhere Erträge zu erwirtschaften, und Veränderungen im Markt als Chance zu begreifen, da sie hier-durch Wettbewerbsvorteile erzielen können. Eine unternehmerische Kultur erhöht somit die Wahrscheinlichkeit, dass eine Rezession nicht als Bedrohung, sondern viel-mehr als Chance aufgefasst wird. Ebenso wird das unterschiedliche Risikoverhalten

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Manfred Krafft und Max Niederhofer

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eher dazu führen, dass Manager in der Rezession investieren, um höhere Gewinne zu erzielen.

Organisatorische Überschüssige Ressourcen (vgl. Chattopadhyay/Glick/Huber 2001) wiederum sind eine Voraussetzung, um überhaupt in einer Rezessionsphase investie-ren zu können. Würden derartige flexible, freie Ressourcen – z.B. in Form von Mitar-beiter- oder Produktionskapazitäten bzw. Budgets – nicht vorhanden sein, wäre es dem Marketing kaum möglich, in einer Rezession zusätzliche Mittel einzusetzen.

Schließlich sollte auch strategische Flexibilität nach Grewal/Tansuhaj (2001) in Unter-nehmen gegeben sein, um einen intensiveren Einsatz von Proaktivem Marketing in der Rezession zu ermöglichen. Strategische Flexibilität ist die organisatorische Fähig-keit im Sinne eines Risikomanagements, zeitnah auf neue Marktgegebenheiten reagie-ren zu können. Unternehmen mit ausgeprägter strategischer Flexibilität greifen dabei auf einen substanziellen Pool an Ressourcen zurück, um durch Reallokationen und Investitionen sich bietende Chancen wahrzunehmen. Die Strategie des Proaktiven Marketing in einer Rezessionsphase kann als derartige Chance angesehen werden.

Diese vier organisatorischen und strategischen Determinanten werden mit dem Markt- und Unternehmenserfolg sowie dem zentralen Konstrukt des Proaktiven Mar-ketings von Srinivasan/Lilien/Rangaswamy (2005) in ein Modell zur marktorientierten Unternehmensführung in der Rezession integriert (siehe Abbildung 1). Dieses Modell wurde von den Autoren dieses Beitrags auf Basis primär erhobener Daten geschätzt und um formativ gemessene Marketing-Mix-Konstrukte erweitert. Die Resultate sind ermutigend und werden in Kürze publiziert. Vorläufige Analyen bestätigen den nach-haltigen Effekt der vier diskutierten Determinanten auf den Einsatz von Proaktivem Marketing, wobei von den Marketing-Mix-Instrumenten eine signifikante Wirkung als Mediator auf den Markterfolg ausgeht.

4 Zusammenfassung

Proaktives Marketing ist ein umfassender Ansatz für die Gestaltung von Maßnahmen der marktorientierten Unternehmensführung in der Rezession. Die Betrachtung von Rezessionen als Chance und nicht als Bedrohung sowie eine offensive Marketingpoli-tik während der Rezession bieten die Möglichkeit, einen höheren Markt- sowie Unter-nehmenserfolg während und nach der Rezession zu erzielen.

Proaktives Marketing wird durch mehrere strategische und organisatorische Faktoren begünstigt. So hilft eine strategische Betonung des Marketings, diesem Funktionsbe-reich auch während der Rezession die notwendige Bedeutung als umsatzgenerierende Einheit einzuräumen. Eine unternehmerische Kultur ermöglicht, das Risiko-Ertrags-

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Marktorientierte Unternehmensführung in Zeiten der Rezession

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Verhältnis richtig einzuschätzen und hierdurch einen höheren Gewinn zu erwirtschaf-ten. Organisatorische überschüssige Ressourcen sind ebenso wie strategische Flexibili-tät nötig, um dem Marketing-Management während der Rezession überhaupt freie Ressourcen bereitstellen zu können.

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Manfred Krafft und Max Niederhofer

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Marktorientierte Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn

195

Hartmut Mehdorn und Ralf Klein-Bölting

Möglichkeiten und Grenzender marktorientierten Führungin deregulierten Märktenam Beispiel der Deutschen Bahn

1 Deregulierung als Herausforderung an die marktorientierte Führung von Unternehmen...........................................................................................................197

2 Veränderungen des Geschäftsfeldes der Deutschen Bahn im Kontext der Bahnreform...............................................................................................................1982.1 Eckpunkte der Bahnreform..................................................................................1982.2 Ergebnisse der Bahnreform .................................................................................199

2.2.1 Verkehrs- und Haushaltspolitische sowie unternehmerische Effekte........................................................................199

2.2.2 Wettbewerb auf der Schiene....................................................................200

3 Implikationen für die marktorientierte Unternehmensführung der Deutschen Bahn..............................................................................................................2013.1 Strategische und operative Implikationen im nationalen Kontext .................201

3.1.1 Implikationen im Hinblick auf Strukturen und Prozesse im Unternehmen.......................................................................................201

3.1.2 Implikationen für die Marktbearbeitung im Hinblick auf die Konkurrenz ..................................................................................202

3.1.3 Implikationen für die Marktbearbeitung im Hinblick auf die Kunden .........................................................................................203

3.2 Strategische Implikationen im internationalen Kontext ..................................2053.3 Organisatorische und unternehmenskulturelle Aspekte.................................206

4 Fazit..................................................................................................................................207

5 Literaturverzeichnis .......................................................................................................208

Hartmut Mehdorn ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG. Ralf Klein-Bölting ist Generalbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG (Konzernmarketing und

Kommunikation).

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Marktorientierte Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn

197

1 Deregulierung als Herausforderung an die marktorientierte Führung von Unternehmen

In den 1990er Jahren wurden in Deutschland Branchen wie Energieversorgung, Paket- und Briefdienstleistungen, Telekommunikation und auch das Transportwesen sukzes-sive für den Wettbewerb geöffnet. Beabsichtigt war es, durch den entstehenden Wett-bewerbsdruck notwendige Anreize für Produktivität und Innovationen zu setzen und die gesamtwirtschaftliche Effizienz dieser Sektoren zu steigern.

All diesen Branchen war und ist gemein, dass eine Marktbearbeitung auf der Diensteebene nur möglich ist, wenn der Zugang zur Netzinfrastruktur – dem natürli-chen Monopol – diskriminierungsfrei möglich ist. Neu in den Markt tretende Anbieter von Dienstleistungen haben hinsichtlich des Netzzugangs die gleichen Wettbewerbs-chancen zu erhalten wie die etablierten Anbieter.

Die bisherigen Erfahrungen mit der Liberalisierung von Netzsektoren zeigen, dass der Übergang vom Monopol zum Wettbewerb regulatorisch abzusichern ist. Es ist sicher-zustellen, dass Netzbetreiber ihre Marktmacht nicht aus den monopolistischen Berei-chen in wettbewerbsfähige Bereiche übertragen (vgl. Knieps/Brunekreeft 2003). Die Aufsicht über den Wettbewerb in den Märkten für Elektrizität, Gas, Telekommunikati-on und Eisenbahnen obliegt der Bundesnetzagentur. Sie ist verantwortlich für die Gewährung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs.

Neben der Öffnung der Märkte und der Etablierung von Wettbewerb ist die Privatisie-rung der ehemaligen Staatsunternehmen ein weiterer Schritt zur Effizienzsteigerung in den Netzsektoren. Durch die Umwandlung eines Unternehmens mit öffentlich-rechtlicher Rechtsform in ein Unternehmen mit privater Rechtsform – dies wird als formelle Privatisierung bezeichnet – werden die Voraussetzungen für unternehmeri-sche Strukturen und marktorientiertes Handeln geschaffen. Wenn nach der Umwand-lung in eine private Rechtsform auch das Eigentum am Unternehmen an Private über-tragen wird – was meist durch die Ausgabe von Aktien geschieht –, dann spricht man von materieller Privatisierung.

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Hartmut Mehdorn und Ralf Klein-Bölting

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2 Veränderungen des Geschäftsfeldes der Deutschen Bahn im Kontext der Bahnreform

Im Falle der Deutschen Post und der Deutschen Telekom hat sich der Staat inzwischen mehrheitlich von seinen Anteilen getrennt. Für die Deutsche Bahn steht die materielle Privatisierung noch aus.

Wichtige Impulse für die Deregulierung der Schienenverkehrsmärkte gingen in den vergangenen Jahren vor allem von der europäischen Ebene aus. Zentrales Ziel der europarechtlichen Vorgaben ist es, in allen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft einen diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und damit die Vorausset-zungen für wirksamen Wettbewerb auf den Schienenverkehrsmärkten zu schaffen.

In Deutschland ist der Zugang zu den Schienenverkehrsmärkten seit 1994 rechtlich und faktisch offen, der diskriminierungsfreie Zugang zum Schienennetz ist seitdem gesetzlich verankert. Mit dieser konsequenten Marktöffnung kommt Deutschland eine europaweite Vorreiterrolle bei der Liberalisierung zu.

2.1 Eckpunkte der Bahnreform

Die Deutsche Bahn war in ihrer Vergangenheit als Behördenbahn einer Unterneh-mensverfassung unterworfen, die unternehmerische Entscheidungen stark einschränk-te und schnelles und unbürokratisches Handeln erschwerte. So erforderte z.B. jede Tarifänderung eine Genehmigung des Verkehrsministers und jedes Investitionsvorha-ben über 2,5 Mio. EUR bedurfte der Genehmigung von Verkehrs- und Finanzminister. Das öffentliche Dienstrecht führte zu Inflexibilitäten im Personalbereich, die Vermi-schung hoheitlicher und unternehmerischer Aufgaben zu mangelnder Transparenz und Wirtschaftlichkeit.

Mit der 1994 eingeleiteten Bahnreform beabsichtigt, war die Schaffung von Bedingun-gen, die der Bahn ein unternehmerisches, marktnahes und kostenbewusstes Wirtschaf-ten ermöglichen. Die erste Stufe dieser Reform umfasste die Überführung der zwei Staatsbahnen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn in das privatwirtschaft-lich geführte Unternehmen Deutsche Bahn AG. Staatliche und unternehmerische Auf-gaben der Eisenbahnen wurden voneinander getrennt. 1996 ging mit dem Regionali-sierungsgesetz die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung für den Schienennahver-kehr vom Bund auf die Länder über. Seither entscheiden diese eigenverantwortlich darüber, bei welchem Anbieter sie welche Nahverkehrsleistungen bestellen.

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Marktorientierte Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn

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Im Jahre 1999 trat die zweite Stufe der Bahnreform in Kraft, die ihren Schwerpunkt vor allem in einer Umstrukturierung hatte. Die Deutsche Bahn AG wurde in verschiedene Teilunternehmen gegliedert, die unter der Führung einer gemeinsamen Holding eine bessere Marktbearbeitung innerhalb der verschiedenen Teilmärkte zu gewährleisten beabsichtigte.

Neben der Überführung der Bahn in unternehmerische Strukturen und ihrer Befrei-ung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen war die Öffnung der Schienenver-kehrsmärkte für den Wettbewerb ein zentrales Instrument der Bahnreform. Der im Wettbewerb entstehende Preis- und Innovationsdruck trug dazu bei, die Ziele der Bahnreform – Stärkung der Schiene im gesamtwirtschaftlichen Verkehrssystem und Verringerung der Belastung öffentlicher Haushalte – zu erfüllen.

2.2 Ergebnisse der Bahnreform

2.2.1 Verkehrs- und Haushaltspolitische sowie unternehmerische Effekte

Die Schiene hat sich seit der Bahnreform gegenüber den anderen Verkehrsträgern gut behauptet. Die Schienenverkehrsleistung ist sowohl im Personen- als auch im Güter-verkehr gewachsen. Hierbei war im Schienenpersonenverkehr nicht nur ein absolutes Wachstum der Verkehrsleistung zu verzeichnen (rund 5,5 Prozent von 1999 bis 2006), sondern vor allem auch ein Wachstum des Anteils der Schiene am Modal Split, also ein relativ größeres Wachstum im Vergleich zu konkurrierenden Verkehrsträgern (der Anteil stieg von 8 Prozent auf 9,3 Prozent). Im Güterverkehr war mit 38 Prozent im gleichen Zeitraum ein noch höheres absolutes Wachstum zu verzeichnen, im Modal Split hat sich die Schiene in diesem Bereich von 15,5 Prozent auf 17,6 Prozent verbes-sert.

Die gewünschte Verringerung der Belastung öffentlicher Haushalte – und damit eine Entlastung des Steuerzahlers – konnte ebenso erreicht werden. Die von 1994 bis 2003 erzielten Entlastungen betrugen in der Summe 108 Mrd. EUR.

Die Deutsche Bahn hat seit der Bahnreform erhebliche Anstrengungen unternommen, um wettbewerbsfähiger zu werden. Die internen Leistungsprozesse wurden verbessert und seit Beginn der Bahnreform konnte die Mitarbeiterproduktivität (gemessen auf Basis von Personen- bzw. Tonnenkilometern pro Mitarbeitendem) um über 200 Pro-zent gesteigert werden.

Das Geschäftsportfolio wurde durch Investitionen und Akquisitionen weiterentwickelt und die Deutsche Bahn von der nationalen Eisenbahn zu einem internationalen Mobi-

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Hartmut Mehdorn und Ralf Klein-Bölting

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litäts- und Logistikdienstleister ausgebaut, der neben dem Verkehr auf der Schiene z.B. auch im Personennahverkehr auf der Straße sowie im Land-, See- und Luftfrachtver-kehr aktiv ist. 1994 bis 2005 flossen 92 Mrd. EUR alleine in die Modernisierung von Infrastruktur und Fahrzeugen sowie in die Erneuerung der Bahnhöfe. Im gleichen Zeitraum hat die Deutsche Bahn ihren Umsatz von 14,8 Mrd. EUR auf 25,1 Mrd. EUR gesteigert. Mittlerweile erwirtschaftet sie mehr als ein Drittel des Umsatzes im Aus-land.

2.2.2 Wettbewerb auf der Schiene

Seit der Öffnung der deutschen Eisenbahnmärkte im Jahr 1994 hat sich der Wettbe-werb auf der Schiene dynamisch entwickelt. Rund 300 Bahnen betreiben ihr Geschäft in Konkurrenz zur Deutschen Bahn. Dabei hat sich eine bunte Unternehmensland-schaft entwickelt, in der internationale Konzerne und ausländische Bahngesellschaften ebenso aktiv sind wie mittelständische Privatbahnen, Industriebahnen oder Kommu-nal- und Landesbahnen.

Seit der Regionalisierung im Jahr 1996 hat der Wettbewerb im Schienennahverkehr von Jahr zu Jahr zugenommen. Die Marktanteile der Konkurrenten der Deutschen Bahn sind bezogen auf die Zugleistung bis 2005 auf über 13 Prozent gestiegen. Die wichtigsten Wettbewerber in diesem Markt gehören zu internationalen Staatskonzer-nen – nahezu die Hälfte aller von Wettbewerbern der Deutschen Bahn erbrachten Zugkilometer werden von diesen Unternehmen erbracht.

Der Schienenpersonenfernverkehr steht in einem sich weiter verschärfenden intermo-dalen Wettbewerb mit Straßen- und Luftverkehr. Angebotsplanung, Produktion und Vertrieb für größere Liniennetze generieren Vorteile, die nicht beliebig nachgeahmt werden können. So konzentriert sich denn auch der Wettbewerb im Schienenperso-nenfernverkehr bislang auf einzelne Verbindungen (Punkt-zu-Punkt-Verkehre). Drei Konkurrenten der Deutschen Bahn bieten solche Verbindungen an.

Der Wettbewerb im Schienengüterverkehr konzentriert sich vor allem auf das profitab-lere Ganzzuggeschäft, bei dem im Vergleich zum Geschäft mit Einzelwagen deutlich geringere logistische Anforderungen zu bewältigen sind. Hier haben die Wettbewer-ber der Deutschen Bahn bereits einen Marktanteil von rund 15 Prozent erobert, der sich in den kommenden Jahren noch deutlich vergrößern wird. Im Einzelwagenge-schäft ist durch die geringere Margen und höhere Komplexität eine deutlich geringere Wettbewerbsintensität zu erwarten.

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Marktorientierte Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn

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3 Implikationen für die marktorientierte Unternehmensführung der Deutschen Bahn

Die wichtigste Motivation für die Deregulierung von Netzsektoren sind die volkswirt-schaftlichen Implikationen und insbesondere die mit gesundem Wettbewerb verbun-dene Effizienzsteigerung bei allen Marktteilnehmern. Für die neuen potenziellen Wett-bewerber besteht die wichtigste Implikation darin, dass sie jetzt überhaupt die Chance haben, mit der Marktbearbeitung zu beginnen. Die ehemaligen Staatsunternehmen haben sich dagegen auf verschiedenen Ebenen auf die neue Wettbewerbssituation einzustellen, wobei für sie neben dem Wettbewerbsrisiko auch neue Chancen entste-hen können.

3.1 Strategische und operative Implikationen im nationalen Kontext

In der Regel steht ein ehemaliger Monopolist nach der Marktöffnung nicht sofort im Wettbewerb – vielmehr kann er die Zeit bis zum ersten ernsthaften Markteintritt von Wettbewerbern nutzen, um sich auf die neue Marktsituation vorzubereiten. Diese Situation erwartete z.B. die Deutsche Telekom mit ihrer „letzten Meile zum Kunden“. Gleiches galt auch für die Deutsche Bahn AG, als sie im Zuge der Bahnreform ihre staatliche Monopolstellung verlor. Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die Deut-sche Bahn erfolgreich auf die neue Situation eingestellt hat und sich durch Einführung neuer Strukturen, Prozesse und Denkweisen erfolgreich in alten und neuen Märkten behaupten konnte.

3.1.1 Implikationen im Hinblick auf Strukturen und Prozesse im Unternehmen

Die zentrale Herausforderung, der sich ein Unternehmen im Rahmen der Deregulie-rung zu stellen hat, ist die verstärkte Notwendigkeit einer ausgeprägten Kundenorien-tierung. Eine kundenorientierte Marktbearbeitung ist aber nur möglich, wenn zu-nächst organisatorische und prozessuale Grundlagen geschaffen werden. Ein Unter-nehmen kann erst dann kundenorientiert handeln, wenn es in der Lage ist, die Bedürfnisse seiner Kunden zu erkennen, darauf aufbauend angemessene Strategien zu entwickeln und diese dann auch erfolgreich umzusetzen.

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Die Erkennung von Kundenbedürfnissen erfordert einerseits die grundsätzliche Fä-higkeit, in einen Dialog mit den Kunden zu treten. Ein wesentliches Instrument hierzu ist die Einführung von regelmäßigen Untersuchungen im Bereich der Marktforschung. Ebenso wichtig ist es aber auch, die Kenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeitenden mit direktem Kundenkontakt zu nutzen, z.B. durch regelmäßige Feedbackrunden mit Vorgesetzten und die Einführung eines betrieblichen Vorschlagswesens. Zuletzt sind auch weitere Quellen einzubeziehen, bei denen insbesondere eine regelmäßige Beo-bachtung der relevanten Presse sowie ein stetiger Dialog mit Meinungsbildnern und Verbänden zu nennen sind.

All diese Quellen bilden verschiedenste Aspekte der Kundenbedürfnisse ab, doch allein für sich genommen ermöglichen sie dem Unternehmen noch keinen ausreichen-den Überblick. Es gilt, diese Informationen auch noch zu sammeln und auszuwerten sowie den Entscheidern zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Um dies sicherzustellen, hat die Deutsche Bahn ihre Organisation angepasst und ein starkes Konzernmarketing geschaffen, dessen primäre Aufgabe das Einbringen der Kunden-sicht ist. In diesem Rahmen ist auch die Etablierung des Vorstandsausschusses für Service und Qualität hervorzuheben, einem Gremium, an dem alle Konzernvorstände persönlich teilnehmen und in dem die Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt steht. Dort werden sowohl kurzfristige als auch langfristige Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung der Kundenzufriedenheit abgeleitet und in die Umsetzung gegeben.

Zur Entwicklung kundenorientierter Strategien hat die Deutsche Bahn ein strukturier-tes Planungssystem eingeführt, das anders als zu Bundes- und Reichsbahnzeiten nicht Kosten und Budgets in den Vordergrund stellt, sondern alle Bereiche zu einer kunden- und marktorientierten Planung auf Basis von Umsatzprognosen zwingt. Dieser so genannte Strategische Management Prozess (SMP) bündelt alle Planungsaktivitäten. Am Ende kommen abgestimmte Programme und Maßnahmen heraus, die dann in die Umsetzung gehen können.

Die Umsetzung selbst erfolgt je nach Maßnahme in den normalen Linienaktivitäten oder über Projekte. Entscheidend ist hier eine effiziente Organisation und eine regel-mäßige Fortschritts- und Erfolgsmessung. Um die Maßnahmen wirklich im Sinne der Kunden umzusetzen, sind aber auch alle Mitarbeitenden für das Thema zu sensibili-sieren – Kundenfreundlichkeit und Service sind Themen, die direkt mit der Unter-nehmenskultur zusammenhängen. Hierauf wird in Abschnitt 3.3 näher eingegangen.

3.1.2 Implikationen für die Marktbearbeitung im Hinblick auf die Konkurrenz

Auch wenn der Kunde bei der Deutschen Bahn im Mittelpunkt der Unternehmensstra-tegie steht, so darf doch im Hinblick auf die Deregulierung des Marktes der Blick auf die bestehende und sich neu entwickelnde Konkurrenz nicht fehlen. Dabei ist die

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Marktorientierte Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn

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Konkurrenzsituation eine sehr vielfältige. Beim Personenfernverkehr sind die wich-tigsten Konkurrenten der Deutschen Bahn das Auto und der Luftverkehr, im Perso-nennahverkehr und im Güterverkehr entsteht verstärkt auch Wettbewerb durch ande-re Bahnen. Der Einfachheit halber konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf den Personenfernverkehr, da bei diesem das Endkundengeschäft am stärksten ausge-prägt ist. Der Personennahverkehr wird dagegen stark vom Ausschreibungsgeschäft dominiert.

Die Entwicklung einer konkurrenzgerichteten Strategie im Rahmen der Deregulierung erforderte eine dezidierte Analyse der eigenen Stärken und Schwächen im Vergleich zur aktuellen und potenziellen Konkurrenz. Die Stärken der neu etablierten Deutschen Bahn AG lagen vor allem in ihrer Größe und der vorhandenen Netzinfrastruktur. Auch die Bekanntheit ihrer Marken und ihre Kapitalkraft waren Faktoren, die von Wettbewerbern nicht ohne weiteres kopiert werden konnten. Verbesserungswürdig waren hingegen die bereits in Abschnitt 3.1.1 beschriebene Kundenorientierung sowie die ungünstige Kostensituation. Letztere machte vor allem kurz nach der Bahnreform einen Preiswettbewerb mit Wettbewerbern schwierig, konnte aber durch verschiedene Projekte und Maßnahmen stark verbessert werden und stellt mittlerweile keinen Nachteil gegenüber den Wettbewerbern mehr dar.

Während die Bahn im intermodalen Wettbewerb alle Freiheiten hat, stehen alle kon-kurrenzorientierten Strategien im intramodalen Wettbewerb – also im Verhältnis zu Wettbewerbern auf der Schiene – unter dem Vorbehalt einer vollständigen Diskrimi-nierungsfreiheit. Kontrolliert wurde dies durch das Eisenbahnbundesamt bzw. seit kurzem auch durch die Bundesnetzagentur. Dieser Eingriff in die unternehmerische Freiheit schränkt die Handlungsmöglichkeiten zwar ein, die Bahn hat sich aber darauf eingestellt und ihre Strategien im Rahmen der vorgegebenen Handlungsspielräume entwickelt und umgesetzt.

3.1.3 Implikationen für die Marktbearbeitung im Hinblick auf die Kunden

Im Rahmen des Marketing-Mix-Instrumentariums der Deutschen Bahn nach der Bahnreform kam dem Preis eine zentrale Bedeutung zu. Dieser Schwerpunkt hat sich auch zehn Jahre nach der Bahnreform nicht verändert: Zum einen ist der Preis die dominierende Determinante der Verkehrsmittelwahlentscheidung (vgl. Schneider 1999), zum anderen stehen preisbezogene Maßnahmen der Deutschen Bahn in beson-derem Maße im Fokus der öffentlichen Diskussion. Durch die Verbesserung der Kos-tensituation ist die Deutsche Bahn in der Lage, Freiheiten in der Preisgestaltung zu nutzen und durch attraktive Angebote die Preiswahrnehmung bei den Kunden – vie-len gilt die Deutsche Bahn im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln immer noch als teuer – positiv zu beeinflussen. Durch die Einführung einer Auslastungssteuerung bei

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den Angeboten konnte zudem das Yield Management verbessert werden und so mit flexibler Preisgestaltung auf die Kundenwünsche und die Rahmenbedingungen im Markt reagiert werden.

Bei der Produktgestaltung liegt die wichtigste Zielsetzung der Deutschen Bahn darin, durch marktgetriebene Innovationen die Mobilitätskette zwischen Nah- und Fernver-kehr weiterzuentwickeln und Cross-Selling-Potenziale auszuschöpfen. Hiermit lässt sich ein Wettbewerbsvorteil gegenüber der nicht-integrierten Konkurrenz erlangen. Während etwa das City-Ticket den BahnCard-Kunden eine kostenlose Anschlussfahrt im Zielort ermöglicht, bilden DB Carsharing und Call-a-Bike-Bausteine einer flexiblen Gestaltung der individuellen Reisekette im Nah- und Fernverkehr. Letztlich geht es darum, dem Kunden bei Bedarf eine vollwertige Dienstleistung von Tür zu Tür anbie-ten zu können und somit die Kundenbedürfnisse möglichst umfassend zu erfüllen.

Im Vertrieb wurde in den letzten Jahren vor allem Wert auf eine verstärkte Kunden-bindung gelegt. Der Erfolg dieser Strategie zeigt sich in steigenden BahnCard-Absätzen sowie wachsender Teilnahme an den Kundenbindungsprogrammen bahn.bonus und bahn.comfort. Beim Vertriebskanalmix forciert die Bahn die kosten-günstigen Vertriebskanäle Internet und Automat, legt aber gleichzeitig großen Wert darauf, dem Kunden die Entscheidung über die für ihn optimale Vertriebskanalwahl zu überlassen. Innovative neue Vertriebskonzepte, wie die DB Mobility Center – hochwertige Verkaufsstellen mit besonders intensiver Beratung an exponierten Stand-orten – ergänzen den bestehenden Vertriebskanalmix und helfen bei der Erschließung neuer Kundengruppen.

Die Kommunikation der Deutschen Bahn wurde nach der Bahnreform offener und kundenorientierter gestaltet. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Reisendeninformations-system (RIS) – es bildet die Grundlage für eine umfassende Information der Kunden über Verspätungen und deren Ursachen. Werbung und Kommunikation wurden dar-auf ausgelegt, die Komplexität des Systems Bahn zu reduzieren und dem Kunden die für ihn wesentlichen Angebots- und Produktmerkmale zu vermitteln. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Verwendung von faktenbasierter Kommunikation – die komple-xen Sachverhalte werden anhand von Beispielen verdeutlicht. Auf diese Weise sind die Themen für den Kunden nicht nur leichter verständlich, sondern sie lassen sich auch leichter von Kunde zu Kunde weitererzählen. Alle Kommunikationsmaßnahmen der Deutschen Bahn werden zudem konsequent an den Unternehmenszielen ausgerichtet und aufeinander abgestimmt, um eine möglichst hohe Wirkung zu entfalten und Wi-dersprüche zu vermeiden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Deutsche Bahn nach der Bahnreform intensiv an allen Dimensionen des Marketingmix gearbeitet hat, um sich bestmöglich auf die Kundenwünsche einzustellen und eine Dienstleistung anzubieten, die im Markt erfolgreich ist. Der grundlegende Wandel zu einem kundenorientierten Unter-nehmen ist geschafft. Jetzt gilt es, sich jeden Tag von neuem auf die Kundenwünsche einzustellen und Trends im Markt proaktiv zu begleiten.

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Marktorientierte Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn

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3.2 Strategische Implikationen im internationalen Kontext

Die Deregulierung des Schienenverkehrsmarktes in Deutschland hat die Deutsche Bahn gezwungen, sich zu einem kundenorientierten und wettbewerbsfähigen Unter-nehmen zu wandeln. Die Unternehmensstrukturen sind effizienter geworden und das Unternehmen ist in der Lage, sich im intramodalen Wettbewerb ebenso zu behaupten wie im intermodalen Wettbewerb. Trotzdem hat die Deregulierung zwangsläufig auch den Verlust von Marktanteilen bedeutet, denn selbst wenn der Gesamtmarkt wächst, kann der nachhaltige Aufbau von Wettbewerb in einem ehemaligen Monopolmarkt nur dann funktionieren, wenn der ehemalige Monopolist Marktanteile verliert.

Um den Verlust an Umsatzvolumen auszugleichen und weitere Wachstumsmöglich-keiten zu sichern, war es daher für die Bahn unabdingbar, sich nach Möglichkeiten für die Erweiterung des eigenen Geschäfts umzusehen. Im Inland erfolgte dies vor allem durch den Kauf von Schenker, mit dem das Logistikgeschäft erheblich gestärkt und von der reinen Schienenlogistik auch auf Straße, Luft und See ausgeweitet wurde. Aber auch im Kerngeschäft Schienenverkehr boten sich Potenziale, die ebenfalls in den Kontext der Deregulierung fallen: Nicht nur Deutschland hatte nach Maßgaben der EU mit der Deregulierung des nationalen Schienenverkehrsmarktes begonnen, son-dern auch die anderen EU-Mitglieder. In diesen Auslandsmärkten bot sich nun die Chance für die Deutsche Bahn, ihrerseits grenzüberschreitende oder sogar vollständig im Ausland gelegene Schienenverkehrsleistungen anzubieten und als neuer Konkur-rent für die heimischen Staatsbahnen aufzutreten.

Obwohl die Deregulierung der Schienenverkehrsmärkte auf Vorgaben der EU basiert, sind die Deregulierungsbemühungen in den verschiedenen europäischen Märkten unterschiedlich weit fortgeschritten. Die Umsetzung in Großbritannien, Schweden und Deutschland gilt als vorbildlich. In den Märkten der meisten anderen europäischen Länder bestehen noch rechtliche und faktische Zugangshürden, die einen Markteintritt erschweren. Selbst wenn rechtliche Hürden keine wesentliche Rolle spie-len, so ist ein Markteintritt in die deregulierten Auslandsmärkte nicht einfach. Genau wie im deutschen Markt entwickelt sich auch im Auslandsmarkt der Wettbewerb erst Stück für Stück. Anders als im deutschen Markt ist die Deutsche Bahn dort aber nicht der etablierte Marktteilnehmer, der Wettbewerbsvorteile wie seine Größe und seinen Bekanntheitsgrad ausspielen kann. Stattdessen ist sie einer unten vielen neuen und im Markt noch unbekannten Wettbewerbern.

Je nach Art des Marktes und der anzubietenden Schienenverkehrsleistung findet der Wettbewerb entweder direkt über die Endkunden oder in Form von Ausschreibungen statt. Unter diesen Rahmenbedingungen sind meist kooperative Markteintrittsstrate-gien von Vorteil, z.B. in Form von Joint Ventures oder vertraglich geregelten Koopera-tionen in einzelnen Wertschöpfungsstufen. Ein Beispiel hierfür ist der Hochgeschwin-

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digkeitsverkehr zwischen Paris und Frankfurt, den die Deutsche Bahn und die franzö-sische SNCF ab Mitte 2007 gemeinsam über eine Kooperationsgesellschaft betreiben werden.

Individuelle Engagements wie Unternehmensakquisitionen oder der Aufbau eigener Firmen sind auch denkbar, erfordern aber wesentlich größere Investitionen und sind mit einem höheren unternehmerischen Risiko behaftet. Andererseits bringt die eigen-ständige Marktbearbeitung auch höhere Wachstumschancen mit sich und lässt eine größere Kontrolle der Marktaktivitäten zu. Unternehmensakquisitionen bieten dabei den Vorteil einer Übernahme von Markt-Know-how, was einen Markteinstieg wesent-lich erleichtern kann (vgl. Röder 2003). Nachdem die Deutsche Bahn sich in einem Auslandsmarkt etabliert hat, kann sie dort ihre Markterfahrung weiter ausbauen und diese bei Ausschreibungen und in eigenverantwortlichen Projekten für ein organisches Wachstum nutzen.

3.3 Organisatorische und unternehmenskulturelle Aspekte

In Anbetracht der vorherigen Ausführungen ist festzustellen, dass die Deregulierung der Märkte im europäischen Kontext der Deutschen Bahn AG den Aufbau vollkom-men neuer Kompetenzen abfordert.

Abschnitt 3.1 zeigte, dass mit der Öffnung der nationalen Märkte ein verstärkter Wett-bewerb entsteht, dem die Deutsche Bahn AG nur unter der Bedingung einer immer höheren Kunden- und Dienstleistungsorientierung standhalten kann. Dies betrifft nicht nur die Mitarbeitenden im direkten Kundenkontakt, sondern darüber hinaus auch alle internen Kunden-Lieferanten-Verhältnisse, da sie für die Erreichung der Leistungen am Markt erforderlich sind.

Damit zielt die notwendige Veränderung direkt auf die Unternehmenskultur, die sich letztlich in den Grundeinstellungen, Werten und Überzeugungen der Mitarbeitenden darstellt. Beispiele für solche Grundeinstellungen sind eine positive Tonalität im Kun-denkontakt oder eine ausgeprägte innerbetriebliche Liefertermintreue. Um diese Ein-stellungen der Mitarbeitenden dauerhaft zu ändern, ist die Veränderung der gesamten Unternehmenskultur der Deutschen Bahn AG erforderlich. Hierzu zählen insbesonde-re folgende Werte und Überzeugungen, die die Mitarbeitenden der Deutschen Bahn sich auch nach mehr als zehn Jahren seit Beginn der Bahnreform immer wieder ins Gedächtnis zu rufen haben:

Externe sowie interne Kunden- und Marktorientierung sichert die Existenz des Unternehmens.

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Wettbewerb ist ein notwendiges und positives Phänomen. Es sichert Innovation und Fortschritt und den Bestand gegenüber dem Hauptwettbewerber PKW.

Die Veränderung der Unternehmenskultur kann indes nicht vom Management „ange-ordnet“ werden, sondern hat aus eigener Überzeugung heraus zu wachsen. Das Ma-nagement nimmt dabei eine fördernde und lenkende Funktion ein, indem es Werte und Überzeugungen vermittelt und das Klima für die Entwicklung schafft (z.B. durch Empowerment auf Arbeitsebene und Abbau von Überreglementierung). Dass der erforderliche Change Prozess bei der Bahn bisher sehr erfolgreich ist, lässt sich ebenso wenig leugnen wie die Tatsache, dass das Unternehmen auch an dieser Stelle noch einen langen Weg vor sich hat.

4 Fazit

Die Ausführungen in dem Beitrag sollen durch die folgenden Aspekte zusammenge-fasst werden:

In den 1990er Jahren wurden die Netzsektoren in Deutschland sukzessive deregu-liert. Hierzu gehörte auch der Schienenverkehrsmarkt mit den Staatsunternehmen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn. Im Rahmen der Bahnreform wurden die beiden Bahnen zur Deutschen Bahn AG vereinigt und der Markt wur-de über Gesetze und die Einführung einer Regulierungsbehörde für den Wettbe-werb geöffnet.

Die Deutsche Bahn AG hat sich durch organisatorische, prozessuale und unter-nehmenskulturelle Veränderungen erfolgreich auf die neue Markt- und Wettbe-werbsituation eingestellt. Aus dem ehemaligen Monopolisten ist ein kundenorien-tierter dynamischer Konzern geworden, der sein Leistungsportfolio sukzessive ausgebaut hat und zu einem der weltweit führenden Mobilitäts- und Logistikan-bieter geworden ist.

Ein Unternehmen kann erst dann kundenorientiert handeln, wenn es in der Lage ist, die Bedürfnisse seiner Kunden zu erkennen, darauf aufbauend angemessene Strategien zu entwickeln und diese dann auch erfolgreich umzusetzen. Diesen Aufgaben hat sich die Deutsche Bahn gestellt und sie erfolgreich gelöst.

Die Deregulierung der Schienenverkehrsmärkte ist nicht auf Deutschland be-schränkt, sondern findet ebenso in allen anderen Mitgliedsstaaten der Europäi-schen Union statt. Die meisten EU-Mitglieder sind dabei aber noch nicht so weit fortgeschritten wie Deutschland.

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Auslandsaktivitäten sind ein Weg für die Deutsche Bahn, die im Rahmen der Marktöffnung in Deutschland eintretenden Umsatzverluste auszugleichen und weiter zu wachsen. In den Auslandsmärkten tritt die Deutsche Bahn aber zwangs-läufig als neuer und relativ kleiner Marktteilnehmer auf und hat ihre Markteintrittsstrategien entsprechend anzupassen.

Unternehmenskultur ist ein entscheidender Aspekt für ehemalige Monopolisten in deregulierten Märkten. Grundsätze und Werte der Kundenorientierung sind zu fördern und zu formen, um jedem einzelnen Mitarbeitenden die Bedeutung des Kunden in der neuen Marktsituation zu verdeutlichen.

5 Literaturverzeichnis

RÖDER, J. (2003): Europäische Markterschließungsstrategien im Schienenverkehrs-dienstleistungsbereich, am Beispiel des Personenverkehrs der Deutschen Bahn AG, Frankfurt am Main.

MEFFERT, H./BURMANN, C./KOERS, M. (Hrsg.) (2005): Markenmanagement, 2. Auflage, Wiesbaden.

SACKMANN, S. (2004): Bertelsmann Stiftung. Erfolgsfaktor Unternehmenskultur. Mit kulturbewusstem Management Unternehmensziele erreichen und Identifikation schaffen, 6 Best Practice Beispiele, Wiesbaden.

KNIEPS, G./BRUNEKREEFT, G. (2003): Zwischen Regulierung und Wettbewerb, Netzsek-toren in Deutschland, Heidelberg.

SCHNEIDER, H. (1999): Preisbeurteilung als Determinante der Verkehrsmittelwahl – Ein Beitrag zum Preismanagement im Verkehrsdienstleistungsbereich, Wiesbaden.

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Marketing für den Mobilfunk von morgen

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Jürgen Kluge

Marketing für den Mobilfunk von morgen— Wie sich in einem saturierten Markt Wachstumsimpulse schaffen lassen

1 Einleitung – Zunehmend schwieriges Wettbewerbsumfeld.....................................211

2 Angebote und Kanalstrategie am Kundennutzen orientieren .................................2142.1 Produkte und Services auf den Kunden abstimmen........................................2142.2 Die Kanalarchitektur an den Kundenbedürfnissen ausrichten ......................216

3 Hervorragende Marketing Exekution als Maxime ....................................................2173.1 Das Markenversprechen täglich erlebbar machen............................................2173.2 Preise am Nutzen ausrichten...............................................................................2183.3 Marketing Return on Investment (ROI) zur Messlatte machen......................219

3.3.1 Investitionen transparent werden lassen...............................................2193.3.2 Performance optimieren ..........................................................................2203.3.3 Ergebnisse in Organisation und Prozessen konsequent umsetzen....221

4 Das gesamte Unternehmen auf Kundennutzen und Service ausrichten ................222

5 Abschließende Thesen ...................................................................................................223

Prof. Dr. Jürgen Kluge ist Mitglied des Shareholder´s Council von McKinsey&Company und war von 1999-2006 Office Manager von McKinsey&Company Deutschland.

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Marketing für den Mobilfunk von morgen

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1 Einleitung — Zunehmend schwieriges Wettbewerbsumfeld

Von der Hightech-Anwendung zum Allerweltsprodukt, vom regulierten Nischen- zum wettbewerbsintensiven Servicemarkt – kein Zweifel, die deutsche Mobilfunk-branche hat eine erstaunliche Entwicklung genommen. Es war im Jahr 1990, als die ersten beiden GSM-Lizenzen an T-Mobile und Mannesmann Mobilfunk (heute Voda-fone) vergeben wurden. Rund drei Jahre hatte dieses Duopol Bestand, ehe zwei Her-ausforderer auf den Plan traten: Im Mai 1993 erhielten E-Plus als dritter und im März 1997 Viag Interkom (heute o2) als vierter Anbieter die Lizenz zum Funken.

Zersplitterung der Marktstruktur

Auf Basis dieser vier Netze ist eine Fülle neuer Marken entstanden. Heute, im No-vember 2006, gibt es in Deutschland mehr als 40 Mobilfunkanbieter. Den Anfang machten mobilcom und debitel. Seit dem Start des Vollbetriebs der digitalen Netze D1 und D2 vertreiben diese beiden Service Provider der ersten Stunde ihre netzunabhän-gigen Dienste. Kunden kaufen also bei ihnen – doch übertragen werden die Sprach- und Datenpakete über die Infrastruktur eines der Betreiberunternehmen. Einen ersten Scheitelpunkt der Entwicklung zum „Low-Cost-Angebot“ markierte der Start von Tchibo Mobilfunk. Im Oktober 2004 trat das Joint Venture von Tchibo und o2 in den Markt ein. Mit blau.de, callmobile, klarmobil oder Simyo gibt es heute eine Vielzahl von „Günstig-Tarifen“. Mittlerweile sind auch Lebensmittel-Discounter auf den Zug aufgesprungen. Seit Dezember 2005 bietet ALDI in Zusammenarbeit mit E-Plus Mobil-telefone an. Rewe kooperiert mit T-Mobile und verkauft seit Juni 2006 Handys der beiden Marken rewecom und Penny Mobil. Mit der aktuellen Low-Cost-Welle geht ein weiterer Trend einher: zielgruppenspezifische Marken wie Ay Yildiz, betrieben von einer Tochtergesellschaft von E-Plus, oder vybemobile, gestartet im Oktober 2006 als Kooperation von Universal Music Deutschland und E-Plus. Die eine richtet sich an türkische Kunden, die andere umgarnt Musikfans. Der Markt wird zunehmend un-übersichtlich.

Mit dem Aufstieg der Herausforderer schwand die Marktmacht der beiden ersten Netzbetreiber. Im Jahr 1992 hielt T-Mobile noch einen Marktanteil von 88,4 Prozent. Seither verlor der Branchenprimus Jahr um Jahr; Vodafone erging es in der jüngeren Vergangenheit kaum besser. Heute liegen beide mit 36,5 und 35,8 Prozent fast gleich-auf, gefolgt von E-Plus und o2, deren Marktanteile im dritten Quartal 2006 auf 14,8 bzw. 12,9 Prozent gestiegen sind. Während also die beiden Branchenführer, begünstigt durch die sukzessive Vergabe von Lizenzen, noch im Jahr 1995 auf einen gemeinsa-men Marktanteil von 94,8 Prozent kamen, so haben sie diese beherrschende Stellung heute verloren (Quelle: Bundesnetzagentur, Unternehmenszahlen).

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Jürgen Kluge

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Saturierte Märkte – sinkende Preise

Der Mobilfunkmarkt ist annähernd gesättigt, denn statistisch gesehen besitzt jeder Deutsche ein Handy – vom Säugling bis zum Greis. Analog zur Saturierung sank das – im internationalen Vergleich noch immer hohe – Preisniveau zwischen 2003 und 2006 um 15 Prozent. Im Oktober 2006 kostete eine Handyminute 8,6 Prozent weniger als im Vorjahr (Quelle: Statistisches Bundesamt). Seitens der EU gibt es derzeit Bemühungen, die hohen Preise für das „Roaming“, also das Telefonieren auf Netzen anderer Betrei-ber im Ausland, zu regulieren. Im November 2006 hat bereits die Bundesnetzagentur indirekt in die Mobilfunkpreise eingegriffen und beschlossen, die so genannten Ter-minierungsentgelte um ein Viertel zu senken. Hierbei handelt es sich um Gebühren für Telefonate, die aus anderen Netzen eingehen. Damit droht den Netzbetreibern ein nicht unerheblicher Umsatzverlust.

Sinkendes Interesse der Kunden

Problematisch für die Telekommunikationsanbieter ist zudem, dass die Mobil-funksparte den Reiz des Neuen verloren hat. Beim Kundeninteresse rangieren Handys heute nur noch im unteren Mittelfeld. Auf einer Skala von -3 (sehr wenig Interesse an einer Kategorie) bis +3 Punkten (sehr hohes Interesse) erreichen sie einen Wert von 0,3. Zum Vergleich: Kleidung liegt auf dieser Skala bei 1,5 Punkten, Autos halten sich bei 0,9 Punkten und elektrische Geräte allgemein erzielen 0,7 Punkte. Selbst wenn ein Kauf ansteht, ändert sich diese Position kaum – das Produkt-Involvement der Konsu-menten bei Handys bleibt vergleichsweise gering (Quelle: Universität St. Gallen, Mc-Kinsey&Company, Media Matics research, 2005).

Steigende Komplexität des Angebots

Gleichzeitig lässt das Aufkommen neuer Lösungen die technische Komplexität stei-gen. Wie schwer Marktpotenziale einzuschätzen sind, demonstriert die Entwicklung von UMTS (Universal Mobile Telecommunications System). Auch als Mobilfunkstan-dard der dritten Generation (3G) bezeichnet, bietet UMTS durch höhere Übertra-gungsgeschwindigkeit eine technische Plattform für multimediale Dienste, zum Bei-spiel Videotelefonie und Music Downloads. Doch in ganz Europa ist 3G alles andere als eine Erfolgsstory. Bislang sind die Nutzerzahlen deutlich unter den Erwartungen von Analysten und Betreibern geblieben.

Den optimistischen Schätzungen aus dem Frühjahr 2001 zufolge sollte die Markt-durchdringung von 3G in Deutschland bereits Ende 2004 bei 20 Prozent liegen, Ende 2006 sogar bei 60 Prozent (Quelle: Commerzbank, 2001). Die (potenziellen) Netz-betreiber versprachen sich hohe Gewinne und waren deshalb bereit, viel Geld zu be-zahlen: Alleine in die im August 2000 versteigerten Lizenzen investierten die sechs Auktionsgewinner T-Mobile, Vodafone, E-Plus, o2, Quam und mobilcom jeweils mehr als 8 Milliarden Euro. Die erhofften Erfolge blieben jedoch aus. Ende 2004 nutzten weniger als zwei Prozent aller Mobilfunkkunden in Deutschland den UMTS-Standard, Ende 2005 waren es 4,2 Prozent (Quelle: Yankee Group, 2006).

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Marketing für den Mobilfunk von morgen

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Die Gründe dafür sind vielfältig. Anfänglich gab es technische Probleme und Liefer-engpässe, doch auch funktionierende Endgeräte und Anwendungen überzeugten die Kunden bisher nicht: Die meisten Handynutzer begnügen sich noch immer mit Sprachdiensten oder SMS-Versand und sind nicht bereit, für Multimedia-Services deutlich mehr Geld zu bezahlen. Lediglich im Business-Bereich gewinnen UMTS-Karten an Bedeutung – generieren sie doch mit der Möglichkeit, überall und jederzeit online zu sein, einen spürbaren Mehrwert. Zwei Anbieter gaben ihre hochfliegenden Pläne in Deutschland ganz auf: Quam, die Marke eines spanisch-finnischen Konsorti-ums, verschwand bereits vor Aufbau eines eigenen UMTS-Netzes im Juli 2002 vom Markt. Und mobilcom hat seine Lizenz im Dezember 2003 an die Regulierungsbehör-de zurückgegeben. Technische Innovationen erfolgreich im Markt umzusetzen, bleibt risikobehaftet.

Vervielfachung der Kanäle

Nicht nur die Technik, auch die Kundenansprache wird immer komplizierter: Die Zahl der Kommunikations- und Verkaufskanäle hat stark zugenommen. Vor rund 15 Jahren wurden Konsumenten noch fast vollständig von den klassischen Medien Fern-sehen, Radio und Print erreicht. Mit dem Internet und damit verbundenen Plattformen wie Blogs oder Gruppennetzwerken („Social Software“) stehen deutlich mehr Optio-nen für die Kundenansprache zur Verfügung. Aber auch direkte Kommunikations-formen wie Veranstaltungen oder Haus-zu-Haus-Besuche gewinnen an Bedeutung. Für die klassischen Medien bedeutet diese Konkurrenz eine Reduktion der Aufmerk-samkeit. Beispiel TV-Werbung: Von 2003 bis 2005 ist die Anzahl der Spots im deut-schen Fernsehen von 2,56 Millionen auf 3,19 Millionen gestiegen. Trotz nicht unerheb-lich gestiegenen TV-Konsums bekommt der einzelne Werbespot also weniger Auf-merksamkeit als früher (Quelle: Nielsen Media Research).

Analog dazu hat sich auch das Einkaufsverhalten der Konsumenten geändert. Der klassische Offline-Erwerb von Konsumgütern herrscht zwar noch vor, verliert in ein-zelnen Segmenten aber immer mehr an Bedeutung. So benutzt heute bereits deutlich mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung das Internet (57,2 Prozent). Fast drei Viertel davon (72,8 Prozent) haben in den letzten 12 Monaten mindestens eine Online-Transaktion getätigt. Speziell für Mobilfunkanbieter sind Internetnutzer eine äußerst interessante Zielgruppe. Denn fast jeder zweite (46,9 Prozent) informiert sich im Netz über Telekommunikationsprodukte, gut jeder siebte (14,6 Prozent) kauft sie auch gleich online (Quelle: AGOF e.V./internet facts 2006-II).

Zersplitterung der Marktstruktur, Vervielfachung von Kanälen, zunehmende Komple-xität des Angebots, sinkendes Kundeninteresse und anhaltende Preiserosion: Der Mobilfunk ist in der Realität vieler Konsumgüter- und Servicemärkte angekommen. In Zukunft wird es weiterhin wichtig sein technologische Innovationen voranzutreiben. Doch in weitaus höherem Maße wird die Professionalität des Marketings über den Erfolg einer Marke entscheiden. Die Gewinner von morgen werden diejenigen sein, die ihren Kunden den größten Nutzen bieten und dies glaubwürdig kommunizieren.

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Drei Aspekte stehen deshalb für Telekommunikationsanbieter ganz oben auf der A-genda:

Angebote und Kanalstrategie am Kundennutzen orientieren.

Hervorragende Marketing Execution zur Maxime erheben.

Das gesamte Unternehmen auf Kunden- und Serviceorientierung trimmen.

Was einfach und logisch klingt, bedeutet in Wirklichkeit nicht weniger als eine völlige Abkehr von traditionellen Arbeitsweisen. Aber nur diese Kehrtwende wird aus den Großen von gestern die Gewinner von morgen machen.

2 Angebote und Kanalstrategie am Kundennutzen orientieren

In den Jahren der Mobilfunkeinführung Anfang der 1990er waren die Anbieter fast unabhängig von der Qualität ihres Marketings erfolgreich. Zeitweise überstieg die Nachfrage sogar das Angebot – es gab Wartezeiten bei der Antragsbearbeitung. Eine Korrelation von Marketingausgaben und Geschäftsentwicklung ließ sich oft nicht herstellen. Doch heute, bei einer Marktstruktur mit mehr als 40 Anbietern, kommt es mehr denn je darauf an, die richtigen Produkte und Services zu entwickeln und mit den Kunden über die passenden Kanäle zu kommunizieren.

2.1 Produkte und Services auf den Kunden abstimmen

So neu die Erkenntnis im Mobilfunk ist, in vielen anderen Branchen stellt sie längst Gewissheit dar: Nicht alle guten Produktideen setzen sich durch. Erfolgskritisch ist das Verständnis des Kundennutzens, wie das Beispiel i-mode zeigt: Im März 2002 startete E-Plus als erster deutscher Netzbetreiber diesen Portaldienst, der seinem Nut-zer einen mobilen Internetzugang verschafft. International, insbesondere in Japan, ist das Angebot sehr erfolgreich, in Deutschland dagegen konnte es sich bislang nicht durchsetzen. Wesentlicher Grund für die mangelnde Akzeptanz: Das Produkt besitzt keinen klaren Nutzen. In Japan fußt der Erfolg von i-mode auf der Tatsache, dass der Dienst die komplizierten Schriftzeichen der japanischen Sprache unterstützt und ihre Anwendung vereinfacht. So war es Nutzern möglich, in kurzer Zeit elektronische

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Nachrichten zu verfassen – ein Novum zur Zeit der Einführung. i-mode war also zu-nächst nichts anderes als die japanische Variante von SMS. Erst daraus entwickelte sich ein Portal mit einer Vielzahl multimedialer Angebote. In Europa hingegen, wo SMS bekannt war und das lateinische Alphabet kein Hemmnis darstellt, kann der Dienst wenig Mehrwert stiften und kam bislang über das Stadium eines Feldversuchs kaum hinaus.

Starken Marken gelingt es, langfristig einen klaren Kundennutzen aufzubauen. Auf diese Weise schaffen sie es auch in schwierigen Zeiten, Kunden zu binden und neue Nutzerkreise zu erschließen. „Sixt ist günstig“, „Persil wäscht strahlend weiß“, „Nivea pflegt“ – wo der Nutzen stimmt und konsistent kommuniziert wird, ist der Erfolg machbar.

Telekommunikationsanbieter sind deshalb gut beraten, in Zukunft die Bedürfnisse der Konsumenten deutlich besser zu verstehen und – noch wichtiger – das Schaffen von Kundennutzen bei der Produkt- und Serviceentwicklung in den Vordergrund zu stel-len. Um Hinweise auf den möglichen Erfolg einer Idee zu erhalten, benutzen erfahrene Marketeers das gesamte zur Verfügung stehende Instrumentarium, von der Fokus-gruppe bis hin zum quantitativen Produkttest. Nur durch rigorose Kundenorientie-rung einschließlich Nachjustierungen am Ende der Entwicklungsphase lässt sich die Floprate verringern und die Einführung optimal vorbereiten. Dazu gehört allerdings auch ein striktes Prozessmanagement für Produkt-Launches, das Schnellschüsse auf das notwendige Maß reduziert. Erfolgskritisch dabei ist vor allem die Segmentierung der Kunden nach den Dimensionen „Nutzung“ (Welche Produkte werden wie ver-wendet?), „Kaufentscheidungskriterien und Motivationen“ (Wie wird entschieden und auf Grund welcher Bedürfnisse?) sowie „Kundenwert“ (Wie hoch ist das Potenzi-al einer Zielgruppe?). Telekommunikationsunternehmen besitzen den einzigartigen Vorteil, das Kundenverhalten in ihrer Datenbank ablesen zu können. Durch Extrapola-tion lassen sich daraus hervorragend Prognosen ableiten. Exzellente Segmentinforma-tionen, die sich für Kundenakquise und Produktentwicklung nutzen lassen, liefern außerdem Marken-Treiberanalysen sowie Kauffaktoren-Conjoints.

Selbstverständlich werden Innovationen in der Telekommunikation nicht immer aus der Marktforschung heraus geboren, sondern sind auch das Ergebnis von Ideen, Trends oder einem neuen Verständnis technischer Möglichkeiten. Für alle Quellen der Innovation hat aber die gleiche Hürde gelten: der nachweisbare Nutzen für den Kun-den. Sinnvolle, nützliche Produkte und Services, die noch nicht erfunden sind, gibt es zur Genüge. Wie wäre es mit einem Telefon, das der Nutzer nicht mehr selbst zu kon-figurieren hat? Oder einem Callcenter ohne lästiges und irreführendes Sprachmenü? Oder einem Breitbandanschluss, der ab dem ersten Tag funktioniert? Die Möglichkei-ten, einen Mehrwert zu schaffen, sind längst nicht ausgeschöpft.

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2.2 Die Kanalarchitektur an den Kundenbedürfnissen ausrichten

Fakt ist, dass die Bedürfnisse einzelner Nutzergruppen immer weiter auseinanderdrif-ten. Vertrieb und Service haben sich beispielsweise darauf einzustellen, dass ein 70-jähriger Handynutzer wahrscheinlich mehr Beratungsbedarf hat als sein 15-jähriger Enkel. Junge Kunden suchen nach Informationen im Internet und kaufen dann im Geschäft. Ältere Interessenten hingegen freuen sich über einen Anruf und sind eher bereit, auf Angebote am Telefon einzugehen.

Eine erfolgreiche und effiziente Kanalarchitektur versteht die Bedürfnisse und das Verhalten der Kunden und lenkt sie in die richtigen Kanäle – sei es Internet, Callcenter oder Ladengeschäft. Zentrales Erfolgskriterium ist, dass der Kunde einen Zusatznut-zen empfindet. „Overlays“ werden solche Mehrwertlösungen genannt, die in Ergän-zung standardisierter Grunddienste für eine zielgruppenspezifische Ansprache sor-gen. Beispiel für ein derartiges Overlay ist die Vermögensberatung einer Bank. Sie kostet pro Vorgang zwar deutlich mehr als eine Basisberatung am Telefon – stellt je-doch für den Kunden einen erkennbaren Mehrwert dar, was in der Regel zu höherwer-tigen Transaktionen führt. Für die wichtigsten Kundengruppen und Produkte solche Overlays zu finden, das ist die vornehmste Aufgabe des Kanalmanagements.

Eine integrierte Kanalarchitektur basiert auf einer für alle Kundensegmente hoch standardisierten Backoffice-Plattform („Backbone“) mit entsprechenden Overlays. Sie hilft nicht nur dabei, Kunden zufrieden zu stellen, sondern kann sie auch in den je-weils kostengünstigsten oder effektivsten Kanal lotsen. Standardprozesse wie Adress-änderungen etwa sind eher im Internet als im Shop durchzuführen. Weitere Effizienz-gewinne lassen sich realisieren, wenn die Kundenberater in Shops, in Callcentern und im Außendienst auf dieselben, idealerweise vernetzten Datenbanken und Computer-systeme zugreifen.

Welche enormen Sparpotenziale in einem „Lean Backbone“ stecken, zeigt die US-Computerfirma Dell. Alle Basisdienste werden bei ihr standardisiert und zu niedrigen Kosten erbracht. Dazu gehört beispielsweise die Bereitstellung von Produktinformati-onen oder das Konfigurationsmanagement. Bei Vertrieb und individueller technischer Beratung dagegen setzt Dell auf Internet und Telefon als Overlay, was von der Ziel-gruppe wegen der hohen Servicequalität sehr geschätzt wird. Auch der US-Finanzdienstleister Charles Schwab managt seine Kanalarchitektur professionell unter Kostenaspekten und lenkt die jeweiligen Kundengruppen in unterschiedliche Kanäle. Im Zentrum stehen die Filialen, in denen 70 Prozent der neuen Konten eröffnet wer-den. Berater erklären den Kunden, wie sie Internet oder Callcenter für alle weiteren Transaktionen nutzen können. Und dorthin will Charles Schwab seine durchschnittli-che Kundschaft auch lotsen. Nur besonders wohlhabende Kunden oder solche, die ausführlichen Rat suchen, werden weiter in den Filialen betreut.

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Die Kanalarchitektur vieler Mobilfunkanbieter ist meist historisch gewachsen und wenig integriert. Handys werden in der Regel entweder über Shops oder über Callcen-ter vertrieben. Analysen zeigen, dass Kunden oft mehrere Kanäle nacheinander nut-zen, um sich beispielsweise vor einem Kauf zu informieren oder auch, um eine Re-klamation einzureichen. Hier ist integriertes „Lead Management“ gefragt, das Kun-dendaten auf allen Kanälen bereitstellt. Damit wird vermieden, dass der Kunde beispielsweise bei einer Reklamation seine Geschichte immer wieder von neuem zu erzählen hat. Folglich geht es für Mobilfunkanbieter darum, ihre Vertriebs- und Servi-cestrukturen im Sinne eines optimierten Backbones anzupassen und darauf Mehrwert stiftende Overlays aufzusetzen. Das kann bedeuten, dass im Shop für bestimmte The-men eigene Infoecken eingerichtet werden. Und im Callcenter besteht ein möglicher Zusatzservice darin, Großkunden mit einer Sonderschaltung bevorzugt zu bedienen.

3 Hervorragende Marketing Exekution als Maxime

Marken sind kein Zufallsprodukt. Sie sind machbar, das heißt, sie können systema-tisch auf- und ausgebaut werden. Ihre Wirkung lässt sich nachweisen, auch wenn die nachhaltige Erfolgs- und Effizienzmessung im Marketing schwieriger ist als in vielen anderen Bereichen. Eine hervorragende Marketing Performance zählt deshalb zu den Kernaufgaben des Topmanagements. Drei Elemente sind hierbei wesentlich: die Erfül-lung des Markenversprechens, die Preisgestaltung und die Orientierung am Marke-ting Return on Investment (ROI).

3.1 Das Markenversprechen täglich erlebbar machen

Eine Serviceorganisation wird langfristig nur erfolgreich sein, wenn der Konsument das Markenversprechen an allen Kontaktpunkten spürt und erlebt. Wer zum Beispiel „Schnelligkeit“ verspricht, ist gut beraten, seine Kunden auch wirklich rasch zu bedie-nen, sei es im Shop oder im Callcenter. Inkonsistenz vernichtet das Vertrauen in die Marke in Windeseile. Jeder weiß es aus eigener Anschauung: Die Verärgerung kann erheblich sein, wenn Anspruch und Wirklichkeit beim Service auseinanderklaffen.

Für Telekommunikationsunternehmen stellen sich in diesem Zusammenhang zwei Fragen:

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Welche Kontaktpunkte sind für den Kunden wichtig?

Und welche Servicequalität wird benötigt, um den Dienst am Kunden profitabel zu erbringen?

Zu den zentralen Kontaktpunkten zählen nach wie vor das Netzwerk als Markenkern, aber auch Rechnungsstellung oder Callcenter; sie bestimmen den Grad der Kundenzu-friedenheit. Zwar sind auch Werbung oder Serviceprozesse alles andere als unwichtig – folgen allerdings erst mit Abstand. Zweitens geht es um das richtige Maß an Service. So akzeptieren Kunden im Callcenter z. B. keine längere Wartezeit – sind aber durch-aus einverstanden, weiterverbunden zu werden oder auf einen Rückruf zu warten.

Die Wichtigkeit dieser Elemente kann durch neue Arten von Kundenbefragungen präzise gemessen werden und trägt im Zusammenspiel mit der heutigen Perzeption und den Zielen für die Zukunft dazu bei, die wirklich relevanten Service-Levels zu bestimmen. Ein solch professioneller Ansatz – in vielen reifen Industrien heute Stan-dard – hilft, die Zufriedenheit zu erhöhen und unnötige Kosten zu vermeiden.

3.2 Preise am Nutzen ausrichten

Die sich abzeichnende Sättigung im deutschen Mobilfunkmarkt hat, wie beschrieben, einen harten Preiskampf entfacht. Trotz günstigerer Tarife telefonieren die neuen Handynutzer im Durchschnitt weniger, die Umsätze pro Kunde sinken, der Druck auf die Netzbetreiber steigt.

Um dieser Abwärtsspirale zu begegnen und den ARPU (average revenue per user, durchschnittlicher Umsatz pro Kunde) zu stabilisieren, sind die Anbieter gut beraten, eine nutzenorientierte Preisstrategie zu entwickeln. Einige Kunden sind zum Beispiel relativ wenig preissensitiv. Die Marke oder die Größe des Netzwerks stellen für sie einen hohen Wert dar und geben den Ausschlag bei der Wahl eines Anbieters. Diese Gruppe umfasst, je nach Land, rund 15 bis 25 Prozent aller Handynutzer in Europa. Rund 75 bis 85 Prozent der europäischen Mobilfunkteilnehmer jedoch verhalten sich stark preissensitiv. Etwa die Hälfte schaut dabei auf den Preis als Ganzes, die andere Hälfte interessiert sich mehr für dessen einzelne Komponenten. Grundsätzlich gibt es zwei Gruppen von Preisen: auf der einen Seite sichtbare Preise, beispielsweise für Gespräche innerhalb des eigenen Netzes (on-net) oder zu anderen Netzen (off-net), den Mindestumsatz oder die Kosten für eine SMS; auf der anderen Seite für den Kun-den weniger sichtbare Preise wie die Roaming-Gebühren oder Kosten für die Folge-minute.

Um unterschiedlichen Nutzergruppen gerecht zu werden, geht es darum, die konkre-ten Kauffaktoren herauszufiltern und entsprechende Tarifmodelle anzubieten. Oft genügt es einzelne Preiskomponenten zu verändern. Ein europäischer Mobilfunkan-

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bieter beispielsweise hat die Preise für seinen on-net-Tarif leicht gesenkt, um im Ge-genzug seine off-net-Tarife deutlich zu erhöhen. Resultat war eine erheblich gestiegene Kundenzufriedenheit bei leicht erhöhtem Umsatz pro Kunde. Das Beispiel zeigt: Der Preis wird auch weiterhin ein wichtiger Stellhebel bleiben, um Wettbewerbsvorteile zu generieren. Professionelles Marketing kann hier erhebliche Unterstützung leisten.

3.3 Marketing Return on Investment (ROI) zur Messlatte machen

In der Branche herrscht ein enormer Werbedruck: Die Bruttowerbeaufwendungen für Mobilfunktarife sind im ersten Tertial 2006 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 58 Prozent gestiegen (Quelle: „Telekommunikation 2006“, Axel Springer Verlag). Doch nicht das Budget alleine entscheidet über den Erfolg. Analysen zeigen, dass einige Anbieter eine Marketing Performance auf Weltklasseniveau erreichen, obwohl sie fast ein Drittel weniger ausgeben als der Branchendurchschnitt (Quelle: „Driving Marke-ting Spend Excellence in Telecoms“, McKinsey 2005).

Die Erfolgsformel lautet: Marketing Return on Investment (ROI). Im Kern geht es darum, die Marketingausgaben auf ihren Nutzen zu untersuchen und die Verwen-dung der Mittel zu optimieren. Anders ausgedrückt: Ein stringent auf den ROI hin ausgerichtetes Marketing stellt sicher, dass die richtige Botschaft auf konsistente Weise vermittelt wird – und zwar im richtigen Medium, für die richtige Zielgruppe und zum richtigen Zeitpunkt. Auf diese Weise lassen sich nach McKinsey-Erfahrungen im Mar-ketingbudget durchschnittliche Einsparungen von 5 bis 10 Prozent erzielen – in Anbe-tracht der Werbebudgets also eine stattliche Summe.

Um diese Einsparungen realisieren zu können, ist es ratsam, drei klaren Leitlinien zu folgen: Marketinginvestitionen transparent machen, Performance optimieren, Ergeb-nisse konsequent in Organisation und Prozessen umsetzen.

3.3.1 Investitionen transparent werden lassen

Bei diesem Schritt geht es darum, alle Vertriebs- und Marketingausgaben zu erfassen, die an den Kontaktpunkten mit dem Konsumenten entstehen, also beispielsweise durch TV- oder Radiospots, Printanzeigen, Point-of-Sale-Aktionen oder Sponsoring. Ziel ist es herauszufinden, welche Ausgaben keine Wirkung auf den Verbraucher entfalten, also zum Beispiel interne Kosten. Am Ende steht eine Datenbank der gesam-ten Marketingausgaben, die pro Land, Medium und Zielgruppe anfallen. Sie bildet die Basis für die folgenden Entscheidungen zur Optimierung des Marketingbudgets. Was einfach klingt, entpuppt sich in der Realität als schwierig: Zu oft sind Budgets über

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verschiedene Abteilungen verstreut oder nicht korrekt aufgeschlüsselt. Doch stellt gerade eine ständige Inventur sicher, dass überhaupt übergreifende Budgetoptimie-rungen vorgenommen werden – also nicht nur innerhalb einer Abteilung, sondern über alle Kontaktpunkte hinweg. Berücksichtigt man, dass der Marketingschwerpunkt beim Mobilfunk sich gerade von der Akquisition zur Retention verlagert, ist diese übergreifende, an den Kundenkontaktpunkten orientierte Sichtweise besonders wich-tig.

3.3.2 Performance optimieren

Am Anfang jedes am ROI orientierten Marketings steht das Setzen der richtigen Prio-ritäten hinsichtlich Kunden, Produkten und daraus resultierender Marketingziele. Die Leitfragen lauten: Haben wir diejenigen Kunden, die wir tatsächlich wollen, passen sie zu unseren Services und Produkten und stimmt diese Auswahl mit unserer strategi-schen Zielsetzung überein? Wie schwer sind andererseits jene Nutzergruppen, die wir möglicherweise verstärkt erreichen wollen, zu gewinnen? Grundidee ist es, das Marktpotenzial verschiedener Alternativen zu bewerten, und sich dann auf jene Felder zu konzentrieren, die den höchsten Marketing ROI versprechen. So trivial diese Vor-gehensweise erscheinen mag, in der Realität findet ein Abgleich nur selten statt. Als einfacher Test bietet sich das Verteilen einer Kunden-Produkt-Matrix unter den Top-managern des Unternehmens an – mit der Bitte, zwei bis drei Prioritäten für das kommende Jahr anzukreuzen. Die Erfahrung zeigt: Es tun sich fast immer signifikante Meinungsdivergenzen auf. So amüsant die Testergebnisse erscheinen mögen, sie wei-sen doch auf ein Kernproblem hin. Denn nur klar abgestimmte Prioritäten erlauben es einem Unternehmen, gegenüber Mitarbeitern und Kunden konsistent zu kommunizie-ren.

Im nächsten Schritt geht es darum, überzeugende Botschaften zu formulieren, die mit dem Markenversprechen übereinstimmen und Marktgegebenheiten berücksichtigen. Ein wichtiges Instrument in diesem Prozessabschnitt ist der Kauftrichter, eine schema-tische Darstellung der fünf Etappen, die Konsumenten typischerweise während eines Kaufvorgangs durchlaufen: Sie nehmen zunächst eine Marke wahr, machen sich an-schließend mit ihr vertraut, ziehen sie danach in Erwägung, entscheiden sich schließ-lich zum Kauf und bleiben der Marke im Idealfall auch beim nächsten Mal treu. Springt ein Kunde beispielsweise zwischen engerer Wahl und eigentlichem Kauf ab, kann der Bruch möglicherweise gekittet werden, indem der Anbieter gleichermaßen überzeugende wie zielgerichtete Botschaften formuliert. „Weil ich es mir wert bin“ ist eine solche Botschaft, die seit vielen Jahren bei L'Oréal perfekt funktioniert, weil sie den Nerv der Zielgruppe trifft und der Kosmetikhersteller durch neue Produkte im-mer wieder den Beweis antritt, dass die Botschaft stimmig ist.

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Im dritten Schritt sind die Instrumente zu optimieren. Die Schlüsselfragen hierbei lauten: Wie gut passen die gewählten Medien zum Produkt und zum Kundeninteres-se? An Telekommunikation interessierte Konsumenten nutzen zum Beispiel die Infor-mationsquellen TV- oder Radiowerbung zu 115 Prozent stärker als jene, die an ent-sprechenden Produkten und Services kein Interesse haben. Beim Internet beträgt die Quote laut McKinsey Research sogar 166 Prozent (Quelle: Universität Sankt Gallen, McKinsey & Company, Media Matics Studie, 2005). Leider bleiben aber die Streuver-luste bei Funk und Fernsehen hoch. Denn während Konsumenten mit hohem Produkt-Involvement entsprechende Kampagnen bewusst wahrnehmen, schauen oder hören weniger Interessierte – also die Mehrheit – kaum hin.

Selbst bei einer unmittelbar anstehenden Kaufentscheidung ändert sich an diesem Desinteresse kaum etwas. Dagegen werden gedruckte Medien und das Internet dann mehr als doppelt so häufig nach Informationen durchforstet als sonst – vor allem aber Freunde nach ihren Erfahrungen befragt. Diese Quellen beeinflussen eine anstehende Kaufentscheidung also sehr viel stärker als TV- oder Radiospots. Es zeigt sich: Nur ein genaues Verständnis der Perzeption aller Mediengattungen führt zu einer wirklichen Verbesserung des Marketing ROI. Dieses Verständnis kann oft nur durch proprietäre Marktforschung ermittelt werden. Ergänzt um die Schaltkosten für die jeweiligen Medien ergibt sich so ein Gesamtbild, das oft eine signifikante Optimierung der ein-zelnen Marketinginstrumente erlaubt.

Im vierten Schritt steht die Perfektionierung der Ausführung im Vordergrund. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die langfristige Konsistenz im Werbeauftritt, wie sie zum Beispiel der Zigarettenhersteller Marlboro praktiziert: Schon seit 1963 reitet der Cow-boy im Dienste der Marke, obwohl der Inhalt der Kampagnen immer wieder an den Zeitgeist angepasst wurde. Konkurrent Camel dagegen hat im selben Zeitraum seine Positionierung durch wechselnde Visuals laufend verändert. Das Spektrum reicht vom Zigaretten rauchenden Abenteurer „Joe Camel“ in den 1970er und 1980er Jahren über das Stoffkamel in Lack und Leder bis hin zur aktuellen Sternbild-Kampagne. Die Fol-ge: Von 1991 bis 2004 hat Marlboro den Marktanteil für alle seine Produktmarken von 26,3 auf 29,5 Prozent erhöht, während der entsprechende Wert für Camel im selben Zeitraum von 5,8 auf 2,3 Prozent sank (Quelle: Deutsche Tabakzeitung, veröffentlicht in "Mega-Macht Marke", 2005). Häufig wechselnde Kampagnen und Botschaften scha-den also der Marke. Gerade in einer dynamischen Branche wie dem Mobilfunk ist es erfolgskritisch, im Marketing auf Konsistenz zu achten.

3.3.3 Ergebnisse in Organisation und Prozessen konsequent umsetzen

Langfristiger Marketing ROI wird nur erzielt, wenn es gelingt, Transparenz und Op-timierungsmaßnahmen dauerhaft im Unternehmen zu verankern. Zunächst kommt es

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darauf an, Wirkungen und Ergebnisse z. B. mittels eines so genannten Markencockpits zu erheben. Hierbei handelt es sich um ein regelmäßig aktualisiertes Abbild der Mar-kenkommunikation bzw. Marketingaktivitäten, welches Aufwand und Ertrag gegen-überstellt. Ein solches Tool erhöht die Transparenz deutlich und versetzt Controlling und Management in die Lage, gezielt auf Effektivität und Effizienz in einer Disziplin hinzuarbeiten, in der Erfolgsmessung als besonders schwierig gilt. Denn zum einen wirken sich Marketingausgaben meist nur indirekt auf den Geschäftserfolg aus – ganz im Gegensatz zu Preispolitik oder Produktgestaltung. Zum anderen greifen Marke-tingmaßnahmen oft erst mit zeitlicher Verzögerung. Nur wer klar definierte Prozesse etabliert, kann sein Marketingbudget strategisch planen. Und nur wer entsprechende Anreize für Mitarbeiter schafft, kann den transparenten, effektiven und effizienten Einsatz von Marketinginvestitionen in der Praxis fördern.

4 Das gesamte Unternehmen auf Kundennutzen und Service ausrichten

Ein nach außen hin serviceorientiertes Unternehmen kann auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn dieser Anspruch auch intern gelebt wird. Niemand wird von einem Mitar-beiter im Verkauf erwarten können, Kunden freundlich und mit einer „Nichts ist un-möglich“-Attitüde zu bedienen, wenn er intern auf Anfragen zu hören bekommt: „Dafür bin ich nicht zuständig“. Konsistenz ist auch hier absolut erfolgskritisch. Ein positives Beispiel liefert die Hotelkette Ritz-Carlton, deren Credo lautet: „Wir küm-mern uns aufrichtig um unsere Kunden. Ihre Annehmlichkeit steht für uns im Mittel-punkt.“ Dieses Motto hat jeder Mitarbeiter zu kennen und zu verinnerlichen, dafür stehen 120 Stunden Training pro Jahr zur Verfügung. Wer eine Beschwerde erhält, ist dafür zuständig, das Problem zur Zufriedenheit des Kunden zu lösen. Individuelle Wünsche werden in einer speziellen Datenbank abgelegt („Herr Peters möchte sein Frühstück morgens aufs Zimmer“), so dass der Gast sich gut aufgehoben fühlt. Das Ergebnis ist beeindruckend: Der Anteil der sehr zufriedenen Ritz-Carlton-Kunden liegt bei 92 Prozent (Quelle: Horst Schulze, ehemaliger Präsident Ritz-Carlton).

Die aktuell wahrscheinlich größte Herausforderung besteht für viele Mobilfunkanbie-ter darin, Einstellung und Verhalten der Mitarbeiter zu ändern. Diese Transformation hat in der Unternehmensspitze beginnen – durch die eindeutige Definition des Markenversprechens. Im Zentrum stehen dabei Leitfragen wie: Welchen Nutzen pro-pagieren wir? Was macht uns besonders? Aus der endgültigen Definition des Verspre-chens ergibt sich dann ein Umsetzungsprogramm, das alle Ebenen der Organisation umfasst und Mitarbeiter so weit wie möglich einbindet.

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Schon heute zeichnet sich ab: Mit steigender Saturierung wird sich der Wettbewerb im Mobilfunkmarkt verschärfen und der Service als Differenzierungskriterium wird wei-ter an Bedeutung gewinnen. Die ehemals geschützten Anbieter können ihre Stellung nur verteidigen, wenn sie sich und ihre Angebote auf die Erbringung von Kundennut-zen fokussieren. Dazu wird, wie Erfolgsbeispiele aus anderen Branchen zeigen, eine Transformation von Technologieanbietern zu kundenorientierten Serviceorganisatio-nen erforderlich sein, die ihre Marke klar definiert haben und konsequent erlebbar machen; ein Weg, der für viele der heutigen Anbieter noch weit ist – der aber die viel-leicht spannendste Aufgabe für die heutige Generation von Telekommunikationsma-nagern darstellt.

5 Abschließende Thesen

Die deutsche Mobilfunkbranche befindet sich im Umbruch. Ein unübersichtliches Angebot, steigender Preisdruck und sinkendes Kundeninteresse haben dafür gesorgt, dass Netzbetreiber und Provider in der Realität vieler Konsumgüter- und Service-märkte angekommen sind, die unter schwierigen Wettbewerbsbedingungen und schwindenden Margen leiden. Künftig wird – neben technischen Innovationen – vor allem die Professionalität des Marketings über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Dabei gibt es drei zentrale Faktoren:

Angebote und eine dazugehörige Kanalstrategie entwickeln, die sich am Kunden-nutzen orientieren.

Eine hervorragende Marketing Execution zur obersten Maxime machen.

Das gesamte Unternehmen auf Kunden- und Serviceorientierung trimmen.

Fakt ist: Die Saturierung mit Mobilfunkdiensten schreitet voran, der Wettbewerb ver-schärft sich weiter, der Service als Differenzierungskriterium gewinnt immer mehr Bedeutung. Etablierte Netzbetreiber und Provider können deshalb ihre Stellung nur verteidigen, wenn sie sich wandeln – von Technologieanbietern zu Serviceorganisatio-nen.

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Teil II Marketing von nicht-kommerziellen Institutionen im gesellschaftlichenWandel

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Marketing in Stiftungen

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Volker Then

Marketing in Stiftungen

1 Drei Herausforderungen für das Marketing von Stiftungen....................................229

2 Marketing in Stiftungen – Brückenbauer zwischen den Handlungslogiken der Sektoren ....................................................................................................................230

3 Definition und Verständnis des Marketing in Stiftungen.........................................232

4 Faktoren für Markenvertrauen.....................................................................................234

5 Projektmarke versus Stiftungsmarke...........................................................................236

6 Zusammenfassung .........................................................................................................237

7 Literaturverzeichnis .......................................................................................................238

Dr. Volker Then ist geschäftsführender Direktor des CSI – Centrum für soziale Investitionen und Innovationen der Universität Heidelberg.

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Marketing in Stiftungen

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1 Drei Herausforderungen für das Marketing von Stiftungen

Stiftungen stehen vor einer dreifachen Herausforderung, wenn sie gesellschaftlich wirkungsvolle Arbeit leisten wollen. Als Akteure der Zivilgesellschaft bedürfen sie der Öffentlichkeit, der Kenntnis ihrer Arbeit, aber auch der Legitimität ihres Handelns in den Augen der Bürgerinnen und Bürger, und beides hängt letzten Endes von ihrem Erfolg bei der Arbeit ab.

Die Arbeit von Stiftungen leidet in der allgemeinen Öffentlichkeit in Deutschland an einem insgesamt relativ geringen Bekanntheitsgrad, und selbst bei speziellen Ziel-gruppen lässt die Präzision ihrer Kenntnisse zu wünschen übrig (vgl. Meffert 2006, S. 69; Meffert 2005, Abb. 21). Dies hängt unter anderem mit dem geringen „Marktanteil“ zusammen, den Stiftungen am gesamten Dritten Sektor (also der Gesamtheit der Nonprofit-Tätigkeiten) haben. Nach den letzten verfügbaren Daten tragen Stiftungen und Spenden 3,4 Prozent zur gesamten Finanzierung des Sektors bei (vgl. Salamon et. al. 1999, Anhang Tabelle 3.). Auch wenn sich diese Zahl aufgrund der zahlreichen Stiftungsgründungen in den letzten Jahren erhöht haben mag (Bundesverband Deut-scher Stiftungen, www.stiftungen.org), liegt sie doch immer noch klar unter 10 Prozent und selbst im Spitzenland der Stiftungskultur, den USA, nur bei 12,9 Prozent. Die Situation wird zusätzlich erschwert durch die noch immer sehr verbreitete Wahrneh-mung, dass für das Gemeinwohl öffentliche Hände zuständig seien.

Diese Wahrnehmung eines omnipräsenten Staates ist in den letzten Jahren immer mehr in Frage gestellt worden. Zudem wird die Rolle des Staates bei der Bereitstellung öffentlicher Güter heute grundlegend anders beschrieben als in der Vergangenheit. Der moderne Gewährleistungsstaat ist in seiner letzten Entwicklungsstufe zum er-möglichenden, zum aktivierenden Staat geworden, der die Kräfte der Privatautono-mie, der Zivilgesellschaft und der Eigenverantwortung freisetzt (vgl. Schuppert 2004, S. 47ff.).

Stiftungen sind solche Akteure der Zivilgesellschaft, die ihren Gemeinwohlbeitrag in Wahrnehmung der grundgesetzlich und zivilrechtlich verankerten Privatautonomie gestalten. Die Privatautonomie kommt bei ihnen vor allem darin zum Ausdruck, dass sie durch den Stifterwillen geprägt werden. Nicht die Frage des gesellschaftlich Erfor-derlichen oder des politisch Gewünschten, sondern die freie Wahl des Stifters be-stimmt die Stiftungszwecke und die Satzungsgestaltung einer Stiftung. Soweit die Stiftung gemeinnützig ist, resultiert aus dieser Autonomie jedoch eine besondere Notwendigkeit der Legitimation des Handelns gegenüber der Öffentlichkeit, gegen-über den anderen Bürgerinnen und Bürgern. Nicht demokratische Wahlentscheidung, nicht das Eigentumsprinzip kontrolliert das Handeln einer Stiftung, sondern staatliche Aufsicht im Zusammenwirken mit der Öffentlichkeit (vgl. Meyn/Richter 2004, S. 29f.).

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Volker Then

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Stiftungshandeln unterscheidet sich von demokratisch legitimiertem staatlichen Han-deln insbesondere dadurch, dass staatliches Handeln durch Rechtsgleichheit vor dem Gesetz gekennzeichnet ist, Bürger also Anspruch auf gleiche Behandlung haben, so-weit sie sich in der gleichen Lage befinden, während Stiftungshandeln keine Aufgaben übernehmen kann, auf die Bürger einen Rechtsanspruch haben.

Die Öffentlichkeit interessiert sich jedoch nicht nur dafür, was Stiftungen überhaupt tun, sondern vor allem dafür, wie wirkungsvoll sie arbeiten. Hier liegt jedoch zugleich eine besondere Herausforderung: Es fehlt ein standardisierter Vergleichsmaßstab, wie er etwa im ROI für wirtschaftlich investiertes Kapital existiert. Es ist außerordentlich schwierig, Stiftungen insgesamt wie auch die Vielfalt ihrer Programme hinsichtlich ihres Erfolges miteinander zu vergleichen. Von besonderem Interesse sind dabei die Nachhaltigkeit ihrer gesellschaftlichen Wirkung, die Verbreitung ihrer Arbeitsergeb-nisse, und vor allem die Zurechenbarkeit ihrer Erfolge.

Da Stiftungen ihre Wirkung in der Gesellschaft auf ganz verschiedene Weise, immer jedoch unter Mitwirkung von Partnern erzielen, ist es oft schwierig, Ergebnisse exakt den beteiligten Akteuren zuzurechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Stiftung in ihrer Wirkung von Fördermittelempfängern, Kooperationspartnern in Wissenschaft, öffentlichem Sektor oder Wirtschaft, Zivilgesellschaft oder anderen Stiftungen abhän-gig ist, oder gar eine Initiatorenrolle für Prozesse der Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit oder der Willensbildung in der Demokratie anstrebt. Es erscheint gera-dezu typisch, dass Stiftungen andere Teilhaber und Anspruchsberechtigte in der Ge-sellschaft zu moderieren bzw. einzubeziehen haben (vgl. Lang/Schnieper 2006, insbes. S. 208ff. zu den „Umweltsphären“, aber auch S. 170ff. zu den Paradoxien im Manage-ment von Stiftungen).

Das Marketing von Stiftungen steht also vor der dreifachen Aufgabe, der relativen Unbekanntheit in der Öffentlichkeit abzuhelfen, die Legitimität der Stiftung zu sichern und den Erfolg der Stiftung zu dokumentieren.

2 Marketing in Stiftungen – Brückenbauer zwischen den Handlungslogiken der Sektoren

In ihrer strategischen Steuerung haben Stiftungen Anforderungen aus drei divergie-renden Handlungslogiken der Sektoren zu verarbeiten: Markt, Staat und Dritter Sektor arbeiten nach ihren jeweils dominierenden Handlungslogiken. Entscheidungen am Markt werden durch Preise im Wettbewerb, solche im demokratischen Staat durch Wahl und Rechtsstaatlichkeit und solche in der Zivilgesellschaft und dem Dritten

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Marketing in Stiftungen

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Sektor, vor allem anderen durch Freiwilligkeit gesteuert. Stiftungen haben in unter-schiedlichen Aspekten ihrer Tätigkeit allen drei Handlungslogiken gerecht zu werden. Das Marketing in Stiftungen hat die Aufgabe, die öffentliche Positionierung der Stif-tung in diesem Geflecht der Rationalitäten zu bewerkstelligen.

Stiftungen sind in ihrer Tätigkeit in Aktivitäten aller drei Sektoren involviert: Sie ver-walten Stiftungsvermögen bzw. Rücklagen am Kapitalmarkt, stellen ggf. Mitarbeiten-de am Arbeitsmarkt ein oder erwerben Güter und Leistungen am Markt. Gegenüber der demokratischen Öffentlichkeit und den staatlichen Aufsichtsorganen haben sie Bericht zu erstatten und sich zu legitimieren, vielfach sind sie jedoch auch bestrebt, auf Politik und öffentliche Hände im Sinne der Verwirklichung ihrer Satzungszwecke einzuwirken. Stiftungen streben Reformen in Politik und Gesellschaft an, entwickeln Modellprojekte, die öffentliche Hände übernehmen oder durchführen – kurz, Stiftun-gen handeln im Spannungsfeld zwischen demokratisch legitimierter Politik und Pri-vatautonomie.

In der Zivilgesellschaft mobilisieren viele Stiftungen zusätzliche Spenden und bezie-hen vor allem Freiwillige in ihre Aktivitäten ein. Mehr als 90 Prozent aller Stiftungen sind so klein, dass sie keine hauptamtlichen Mitarbeitenden beschäftigen und ihre Arbeit ausschließlich auf den Schultern von ehrenamtlichen Gremienmitgliedern und zusätzlich in Projekten tätigen Freiwilligen ruht (vgl. Anheier 2003, S. 64f.).

Gelingt Stiftungen die Vermögensverwaltung nur unzureichend, drohen rechtliche Sanktionen (Bestandserhaltungsgebot für das Stiftungsvermögen!), aber auch legitima-torische Konsequenzen. Stellen Stiftungen qualifizierte Mitarbeitende am Arbeits-markt zu hohen Gehältern ein oder honorieren gutachterlichen Sachverstand, haben sie zum einen marktübliche Preise zu akzeptieren, zum anderen haben sie nachzuwei-sen, dass dies zu effektiver Zweckverwirklichung beitrug.

In der politischen Debatte haben Stiftungen die Gratwanderung zwischen ihrer feh-lenden demokratischen Legitimierung und ihrem Anspruch, Innovationsmotor und Katalysator für gesellschaftliche Entwicklung zu sein, zu bewältigen. Die Mobilisie-rung von finanziellen Zuwendungen ebenso wie von ehrenamtlichen Beteiligten hängt von der Motivationsleistung eines überzeugenden inhaltlichen Programms ebenso ab wie von dessen effektiver und effizienter Umsetzung.

Im Mittelpunkt der Informations-, Vertrauensbildungs- und Risikobegrenzungsstrate-gien der Stiftungen in ihrer Brückenfunktion zwischen den Handlungslogiken der Sektoren steht eine gelingende Positionierung, steht erfolgreiches Marketing, das auf inhaltlicher Substanz, qualifizierten Mitarbeitenden oder Freiwilligen und effektiver Arbeit aufbaut.

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3 Definition und Verständnis des Marketing in Stiftungen

Unter Marketing in Stiftungen wird für die Zwecke dieses Beitrags in Anlehnung an Meffert (vgl. Meffert 2005, 2006) die umfassende strategische Positionierung der Stif-tung mittels geeigneter Kommunikationsmaßnahmen verstanden, die dazu dienen, die Stiftung erfolgreich als Marke zu etablieren, also bei den Adressaten in der allgemei-nen Öffentlichkeit ebenso wie in speziellen Zielgruppen ein „unverwechselbares Vor-stellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung“ zu erzeugen (Meffert 1998, S. 785). Die Marke wiederum dient der Informationseffizienz, der Risikomini-mierung und der Schaffung von psychologischen Vorteilen für Stakeholdergruppen in einer Situation der eingangs beschriebenen Defizite.

Marketing in Stiftungen ist also definiert als das Management aller für den Stiftungser-folg bei den relevanten Zielgruppen notwendigen Beziehungen (vgl. Meffert 1998, S. 9). Schon in Bezug auf Unternehmen umfasst das moderne Marketingverständnis Beziehungen, die über den Kreis der Kunden, der anderen Partner (Stakeholder) hi-nausgehen und weitere gesellschaftliche Anspruchsgruppen einbeziehen. Dies gilt für (gemeinnützige) Stiftungen in besonderem Maße, weil hier das öffentliche Interesse am Gemeinwohlbeitrag der Stiftung per definitionem zentrale Anspruchsgruppen definiert, aber auch die gesellschaftliche Öffentlichkeit insgesamt einen Anspruch auf Legitimation der mit steuerlichen Vorteilen behafteten Stiftungstätigkeit hat.

Die drei zentralen Funktionen der Marke – Informationseffizienz, Risikoreduzierung und psychologische Vorteile – werden im Folgenden näher betrachtet. Von Stiftungen lässt sich nur mit Einschränkung sagen, dass sie an Märkten tätig sind. Sie stehen jedoch in doppelter Hinsicht in Marktbeziehungen: Zum einen nutzen sie Ressourcen, deren Verfügbarkeit über Wettbewerb an Märkten gesteuert wird. Dies bezieht sich auf die Verwaltung ihres Stiftungsvermögens, bei der Stiftungen am Kapitalmarkt tätig werden, aber auch Nachfrager im Wettbewerb der Vermögensverwalter bzw. Anlageberater sein können. Es bezieht sich aber auch auf die Rekrutierung von Sach-verstand und Personal, sei es in Form hauptamtlicher Mitarbeitender am Arbeits-markt, sei es in Form freiwilliger Mitwirkender in Gremien oder Fördertätigkeit bzw. Projektarbeit (vgl. Kennedy/Rumberg/Then 2003). Schließlich treten Stiftungen an einer Vielzahl von Dienstleistungsmärkten als Kunden von Dienstleistungen in Er-scheinung, insbesondere wenn sie eine stark strategisch ausgerichtete bzw. sogar ope-rative Arbeitsweise pflegen. In allen diesen Hinsichten nehmen Stiftungen als Nach-frager an Marktbeziehungen teil, wobei der Stiftungserfolg vor allem von der Qualität der eingekauften Leistungen besonders abhängig ist.

Zum anderen arbeiten Stiftungen bei ihrer Zweckverwirklichung an Quasi-Märkten. Es kommt dabei auf die Positionierung im Wettbewerb zu anderen gemeinnützigen Akteuren, teilweise auch im Wettbewerb zu öffentlichen Händen an. Der Wettbewerb

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gilt der effektiven Lösung gesellschaftlicher Probleme, aber auch der dabei notwendi-gen öffentlichen Aufmerksamkeit und der effizienten Verwendung der eingesetzten Ressourcen. Es ist erforderlich, dass sich Stiftungen nach der Nachhaltigkeit ihrer Arbeit, d.h. dem Weiterwirken ihrer Problemlösungsbeiträge nach Ende der eigenen Beteiligung, fragen lassen. Im Sinne von „Good Governance“ (und in gemeinnützig-keitsrechtlicher Hinsicht) werden ihre Organe danach beurteilt, inwieweit sie die Zwe-cke der Stiftung im Interesse der Allgemeinheit und selbstlos, d.h. uneigennützig ver-folgen (vgl. Meyn/Richter 2004, Rz. 75, 332, 333).

Alle diese Kriterien sind anzulegen, wenn der Erfolg einer Stiftung im Verhältnis zu anderen Akteuren bei der Verwirklichung nicht nur desselben gemeinnützigen Zwe-ckes gemessen wird. Da diese Wirkung objektiv und im Sinne standardisierter Krite-rien schwer zu messen ist, kommt der Marke eine besondere Rolle der Vertrauensbil-dung zu. Dabei wird nicht nur mit anderen Organisationen, die zu demselben Zweck arbeiten, verglichen, sondern genauer mit Stiftungen, die vergleichbare Projekte oder Pogramme haben. Bei einer forschungsfördernden Stiftung mag der Maßstab die An-zahl der Spitzenforscher sein, die aus einem Stipendien- oder Förderprogramm in bestimmten Fachdisziplinen hervorgegangen sind, bei einer Stiftung, die sich für Kin-der und Jugendliche engagiert, vielleicht die Zahl der Geförderten, die den Übergang von der Schule zum Beruf besonders erfolgreich absolviert haben (oder denen bei massiven sozialen Problemen dabei geholfen werden konnte, an dieser Hürde nicht völlig zu scheitern).

Markenbildung und Markenvertrauen helfen also unmittelbar, sich in einem so intransparenten Umfeld unvollkommener Quasi-Märkte, wie es der Stiftungssektor darstellt, zurechtzufinden. Wenn man dabei etwa an die Markenwirkung des START-Programms der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung denkt, wird dies unmittelbar an-schaulich (siehe www.start.ghst.de). Das Projekt arbeitet 2006 mit 76 Partnern, die jeweils Stipendien für förderungswürdige Schüler aus Migrantenfamilien auf dem Weg zur Ausbildung finanzieren. Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung initiierte das Projekt in einem regelrechten Produktformat, das feste Leistungen zu einem festen Preis pro gefördertem Schüler anbot und so den Partnern ermöglichte, einen „Mar-kenartikel“ zu erwerben.

Mit diesen Fragen der Rolle von Marken bei der Erfolgsmessung ist zugleich deren zweite Funktion der Risikominimierung angesprochen. Die fehlende Marktabgren-zung, der fehlende objektive Vergleichsmaßstab ebenso wie eine fehlende objektive Ertragsrechnung sozialer Erträge führen dazu, dass Stiftungstransaktionen vor allem auf Vertrauen basieren. Stiftungen arbeiten weit weniger mit finanziellen Mitteln und weit stärker mit Vertrauensbeziehungen, als dies auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint. Dies wird bestätigt durch die Ergebnisse der Stifterstudie, die zeigen, dass Stifter selbst ihren Weg in den Sektor durch Testen und Erfahrung sammeln, also da-durch beschreiten, dass sie zunächst in kleinerem Maßstab ihre Arbeit beginnen und dann eine Aufstockung ihrer Stiftung planen (vgl. Timmer 2005, S. 90).

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Die vertrauensbildende Funktion von Marken wird jedoch noch wesentlich deutlicher, wenn wir Stiftungen betrachten, die neben ihren Kapitalerträgen auch laufend einge-worbene Mittel verwenden. Umgekehrt sind Stiftungen, die ihre Ziele durch Einwir-kung auf politische Strategiebildung und öffentliche Bewusstseinsbildung zu errei-chen suchen, ebenso so sehr auf öffentliches Vertrauen angewiesen, unterliegen sie doch nicht der laufenden demokratischen Legitimation durch Wahlen. Zugleich gehört es zu den Einsichten der jüngsten Literatur zum Thema Stiftungsstrategie, dass Stif-tungen große gesellschaftliche Wirkung durch bestimmte Arbeitsweisen erzielen, bei denen sie methodisch weit über die traditionelle Dichotomie der operativen oder för-dernden Stiftung hinausgehen (vgl. Tayart de Borms 2005, S. 76; Anheier/Leat 2006).

In psychologischer Hinsicht wirken Stiftungsmarken bei der Bildung von Sozialkapi-tal. Sie signalisieren Zugehörigkeit zu Wertegemeinschaften und tragen so zur gesell-schaftlichen Integration bei (vgl. Berger 1997; Putnam 2001). Da auch innerhalb der Zivilgesellschaft mit ihrer Vielzahl von Organisationen ein Wertepluralismus vor-herrscht, helfen Marken, eine Stiftung mit bestimmten Wertvorstellungen zu verbin-den. Stifter bringen dies häufig in der Satzung zum Ausdruck, etwa indem sie auf Werte wie Liberalität, Wettbewerb, Solidarität oder Toleranz Bezug nehmen. Zum einen stellt eine Stiftungsmarke also eine verdichtete Form der Stifterwerte dar und nimmt dabei häufig Bezug auf die Selbstverwirklichung der Stifter (vgl. Timmer 2005, S. 28, Abb. 3: 68 Prozent der Stifter haben ihre Stiftung gegründet, weil sie etwas „be-wegen“ wollten), zum anderen hilft sie, Menschen mit bestimmten Wertvorstellungen für die Stiftungsarbeit zu begeistern bzw. für die Arbeit der Stiftung zu interessieren. Zu den über Stiftungsmarken prinzipiell getragenen Werten gehören Empathie und Solidarität, für die Stifter und ihre Stiftungen die unterschiedlichsten Ausdrucksfor-men wählen (Als Beispiel sei hier nur Reinhard Mohn genannt: Mohn 2003). Dieser Wertebezug ist jedoch entscheidend für den prinzipiell positiven Klang der Stiftung als Institution.

4 Faktoren für Markenvertrauen

Im Zusammenhang mit den Funktionen der Marke wurden die wesentlichen Fakto-ren, die Markenvertrauen konstituieren, bereits genannt. Sie beziehen sich auf unter-schiedliche Anspruchsgruppen (allgemeine Öffentlichkeit; Destinatäre und Projekt-partner der Stiftung; Stifter und Geber, Freiwillige und Ehrenamtliche; Mitarbeitende) und lassen sich zusammenfassend zuordnen:

Die allgemeine Öffentlichkeit: Altruismus, Gemeinwohlbezug, Selbstlosigkeit; Werteübereinstimmung, Universalität; Governance der Stiftung; Transparenz und Publizität.

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Die Destinatäre der Stiftung: Effektivität und Effizienz; Transparenz; Governance.

Die Stifter und anderen Geber: Effektivität und Effizienz; Transparenz; Governan-ce.

Die Mitarbeitenden: Werteübereinstimmung; Governance; Effektivität und Effi-zienz; Kompetenz.

Der Kern einer Stiftungsmarke wird von den Werten des Stifters ausgehend definiert, durch die Wertschöpfungsprozesse der Stiftung verstärkt und durch die Erfolge der Arbeit bestätigt (vgl. Meffert 2005, Abb. 23). Stifterwerte, die in dieser Weise einen Markenkern begründen helfen, sind z.B. die Orientierung an Freiheit, Wettbewerb, Menschlichkeit oder Solidarität. Die Stifterstudie zeigt, dass die überwiegende Her-kunft des deutschen Stiftungsvermögens aus Unternehmertätigkeit auch eine unter-nehmerische Wertorientierung der Stifter bedingt (vgl. Timmer 2005, S. 49ff.).

Stifter, die vor allem an gesellschaftlicher Wirkung interessiert sind, nutzen die Unab-hängigkeit der Stiftung, um aus ihrer Sicht relevante und drängende Probleme der Gesellschaft aufzugreifen. Stiftungen haben dabei die Chance, der allgemeinen gesell-schaftlichen Wahrnehmung in solchen Fragen voraus zu sein, Trends zu setzen und Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken. Sie nutzen die Öffentlichkeit, positionieren ihre Arbeit als Anwälte von Themen und wenig vertretenen Interessen bzw. An-spruchsgruppen, etwa Benachteiligten in der Gesellschaft, und treten so als Impulsge-ber in den gesellschaftlichen Dialog ein.

Eine Stiftung, die neue Themen aufgreift, den Anspruch erhebt, innovativ zu arbeiten, sozialunternehmerisch an Fragestellungen heranzugehen, hat sich nach der Effektivi-tät ihrer Arbeit zu fragen. Dabei wird die Beurteilung von der eigenen Arbeitsweise abhängen, denn eine Stiftung, die sich weitgehend als strategischer Förderer versteht, wird sich etwa vor allem nach der Qualität ihrer Auswahlprozesse zu fragen haben, während eine operative Stiftung Fragen der Prozesssteuerung, der Kooperationsbe-reitschaft, der Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Akteuren standzuhalten hat. Es wird also darauf ankommen, sich in einer Themennische, einem Marktsegment gegenüber den anderen Akteuren zu behaupten.

Dies schließt bei der Arbeit an einem gesellschaftlichen Reformprozess die Positionie-rung in der Wertschöpfungskette ein, die insgesamt notwendig ist, um breite Wirkung zu erzielen (vgl. Then 2004). Ein solcher Reformprozess lässt sich in Schritte von der Relevanzprüfung über die exakte Problemdefinition, die konzeptionelle Entwicklung der Lösung, die Einbeziehung relevanter Stakeholder in die Anwendung der Lösung, den Modellversuch bis hin zur Ausbreitung in der Fläche gliedern. Eine Stiftung hat sich in dieser Wertschöpfungsklette klar zu positionieren. Deckt ihre Arbeit nicht alle Schritte ab, hat sie zumindest Klarheit darüber zu gewinnen, wer in welcher Reihen-folge für die anderen Schritte mitwirken kann und ggf. zur Kooperation gewonnen werden kann. Geschieht dies nicht, setzt sich die Stiftung dem Risiko aus, „Investiti-

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onsruinen“ zu produzieren, also Projektarbeit zu leisten, die ihre Wirkung sofort mit dem Ende der Förderung verliert.

Die Fähigkeit, sozialen Wandel zum Besseren zu gestalten, wird man einer Stiftung um so eher zuschreiben, je besser es ihr gelingt, als thematisch klar abgegrenzte, in-haltlich kompetente, mit anderen Akteuren gut kooperierende und allgemein als be-sonders relevant eingeschätzte Arbeit zu leisten. Diese Einschätzung darf sich jedoch nicht nur auf den ersten öffentlichen Eindruck stützen, sondern ist durch messbare Ergebnisse zu untermauern und zu dokumentieren. Wird die Wertschöpfungskette bis zum Reformerfolg abgedeckt, so verzeichnet die Evaluation nicht nur Input und Out-put sowie ggf. Outcome, sondern Impact.

5 Projektmarke versus Stiftungsmarke

Stiftungen sind satzungsgemäß unter Umständen in einer Reihe grundverschiedener Märkte tätig. Sie können gleichzeitig Träger einer eigenen Tochterinstitution, z.B. einer Hochschule oder einer Kultureinrichtung, eines Wettbewerbs und mehrerer Förder-programme sein. Jeder Schwerpunkt bildet eine eigene Marke, und es stellt sich die Frage, ob Projektkommunikation und Projektmarke in Spannung zur Stiftungsmarke stehen bzw. die Stiftungsmarke unter Umständen weniger bekannt ist als ihre Pro-jektmarken (zu Öffentlichkeitsarbeit für einzelne Projekte bzw. Kommunikation für die Stiftung als Ganzes vgl. v.a. Kaehlbrandt 2003).

Die Bucerius Law School, das Robert Bosch Krankenhaus, der Bergedorfer Gesprächs-kreis oder der Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundesprä-sidenten sind renommierte Beispiele von Stiftungsprogrammen, die den Bezug zur Stiftung nicht oder nur teilweise in ihrem Namen enthalten, jedoch mit großen Erfolg arbeiten. In den vergangenen Jahren lassen sich verstärkt Bemühungen von Stiftungen erkennen, die Dachmarke der Stiftung verstärkt zu positionieren (zur Dachmarke in Stiftungen vgl. Meffert 2005, Chart 26; Meffert 1998, S. 798ff.). Ein prominentes Beispiel hierfür findet sich im „Körber Forum“, das baulich und programmatisch die Körber Stiftung insgesamt an ihrem Standort Hamburg zu positionieren sucht und die Klam-mer aller Stiftungsprogramme bildet.

Im Idealfall ergänzen sich Projektmarken gegenseitig, etwa hinsichtlich unterschiedli-cher Zielgruppen, aber gleichartiger Wertvorstellungen, die aus der Werteorientierung der Stiftung insgesamt gespeist werden. Es ist aber auch denkbar, dass Projekte, die eher der Schärfung gesellschaftlichen Problembewusstseins dienen (etwa Kampag-nen), durch Projekte ergänzt werden, die der Reflexion und Ursachenforschung die-nen, und beide gemeinsam im Sinne der Wertschöpfungskette Projekte tragen, die Lösungen umsetzen und verbreiten. Die Positionierung der Stiftung insgesamt als

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innovativer gesellschaftlicher Problemlöser wird jedoch nur gelingen, wenn Projektbe-reiche oder einzelne Markenfamilien in sich eine starke Position erringen können und nicht etwa das Gesamtbild schwächen oder konterkarieren. Dachmarken bedürfen im Stiftungssektor deshalb häufiger der Kombination mit einem Konzept der Markenfa-milien, weil Stiftungen unterschiedliche Zwecke gleichzeitig verfolgen, dabei ganz verschiedene Zielgruppen ansprechen und häufig auch unterschiedliche Elemente der vom Stifter mit auf den Weg gegebenen Werteorientierung ansprechen (vgl. Meffert 1998, S. 799f.).

Aufgrund des insgesamt relativ geringen gesellschaftlichen Bekanntheitsgrades der Stiftungsarbeit in Deutschland können sich Stiftungen um so weniger darauf verlas-sen, dass Marken sich gegenseitig befruchten, als die einzelnen „Marktsegmente“ und Vorgehensweise stifterischen Handelns an sich relativ unbekannt sind und daher Transfers auf andere Arbeitsgebiete als besonders voraussetzungsreich anzusehen sind (vgl. zu den ohnehin vorhandenen Risiken von Markentransferstrategien Meffert 1998, S. 800ff.).

Aufgrund ihres über jede Marktsegmentierung hinaus reichenden Bedarfs an gesell-schaftlicher Legitimierung ihrer Arbeit in der allgemeinen Öffentlichkeit kann das Marketing von Stiftungen niemals nur in der Verengung an einer Zielgruppe orientiert werden. Gegenwärtig profitieren Stiftungen allerdings in Deutschland davon, dass der Stiftung als solcher ein positiver Wert beigemessen wird, im Gegensatz etwa zu einer in der politischen Öffentlichkeit der USA in den letzten Jahren gewachsenen Skepsis (zum Vergleich der Stiftungskulturen und -rechtslagen demnächst Then 2006).

6 Zusammenfassung

Das Marketing von Stiftungen hat die komplexe Aufgabe, diese im Spannungsfeld der Handlungslogiken des Marktes, des Staates und der Freiwilligkeit zu positionieren. Stiftungsmarken dienen der Information, Risikominimierung und psychologischen Gruppenbildung in der Zivilgesellschaft. Dabei haben Stiftungen insbesondere mit der hohen Intransparenz der Quasi-Märkte in ihrem Sektor zu kämpfen, die Vergleiche auch hinsichtlich der Effektivität und Effizienz der Arbeit erschwert. Einerseits ist die Abgrenzung der Märkte schwierig, andererseits das Marketing nicht nur auf An-spruchsberechtigte im engeren Sinne (Stifter, Destinatäre, Mitarbeitende, Projektpart-ner), sondern immer auch auf die allgemeine Öffentlichkeit bezogen, weil Stiftungen ihre rechtliche und steuerliche Privilegierung zu legitimieren haben.

Stiftungen haben die Aufgabe, sich bei wachsendem öffentlichen Interesse an ihrer Arbeit verstärkt um Vertrauensbildung in der Öffentlichkeit zu bemühen: Um der Motivation weiterer Stifter und freiwilligen Engagements, der Wirksamkeit ihrer Ar-

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beit sowie der Legitimation ihres Handelns willen. Im gegenwärtigen Wachstums-trend des deutschen Stiftungssektors haben sie die Chance, dass dies in zunehmendem Maße gelingt.

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Marktorientierte Führung von Stiftungen in der Bürgergesellschaft

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Torsten M. Breden und Wilhelm Krull

Marktorientierte Führung von Stiftungen in der Bürgergesellschaft — Möglichkeiten und Grenzen der Marktmetaphorik

1 Stiftungen und Markt – Markt der Stiftungen? ..........................................................2431.1 Stiftungen: ein vielfältiges Phänomen................................................................2451.2 Stiftungen im Wettbewerb ...................................................................................2461.3 Marktnahes Agieren in der Vermögensanlage..................................................247

2 Professionelles Stiftungsmanagement .........................................................................2492.1 Strategie und Profilbildung .................................................................................2502.2 Operationale Exzellenz.........................................................................................2512.3 Qualitätssicherung und Evaluation....................................................................2522.4 Öffentlichkeitsarbeit .............................................................................................254

3 Erfolg und Reputation ...................................................................................................2553.1 Stiftungen als Impulsgeber ..................................................................................2553.2 Stiftungen als lernende Institutionen .................................................................256

4 Thesen und Ausblick .....................................................................................................257

5 Literaturverzeichnis .......................................................................................................259

Dr. Wilhelm Krull ist Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Hannover. Dr. Torsten M. Breden ist Referent des Generalsekretärs der VolkswagenStiftung, Hannover.

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Marktorientierte Führung von Stiftungen in der Bürgergesellschaft

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1 Stiftungen und Markt — Markt der Stiftungen?

Die letzten Jahre waren in Deutschland geprägt von einem immensen Zuwachs priva-ter Geldvermögen und umfangreichen Erbschaften. Daraus erklärt sich zu einem er-heblichen Teil auch der „Stiftungsboom“ der vergangenen Jahre – jährlich wurden in Deutschland seit 2000 zwischen 700 und 850 neue Stiftungen errichtet.

Während die öffentliche Hand überall zum Sparen gezwungen ist, wird die Bürger- und Zivilgesellschaft immer häufiger als Ersatz für staatliches Handeln gesehen. Da-her mag es nicht verwundern, dass die Begriffe „Bürgergesellschaft“ und „Zivilgesell-schaft“ zu viel benutzten Schlagworten avanciert sind. Sie finden quer durch unter-schiedliche politische Denkströmungen und gesellschaftliche Gruppen Anwendung und Zustimmung. Seinen heutigen Stellenwert erhielt der Begriff der Bürger- oder Zivilgesellschaft zunächst durch die Freiheits- und Demokratiebewegungen in Mittel- und Osteuropa. Er wurde hier zum Schlüsselbegriff für das antidiktatorische Bemü-hen, die Entmündigung durch den Staat zu beenden und neue Freiräume für gesell-schaftliche Selbstorganisation zu schaffen. Auch wenn die Ausgangsbedingungen ganz andere waren und die Erfahrungen aus den osteuropäischen Ländern nicht ein-fach übertragen werden konnten, inspirierte die Wiederentdeckung des Begriffs bald auch im Westen die sozialwissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskurse.

Zum einen stand und steht er für eine Vision einer aktiven Gesellschaft, in der ein großer Teil der Bevölkerung sich politisch einbringen kann, Mitverantwortung über-nimmt und Solidarität praktiziert. In dieser stärker normativen Diktion bestehen Ana-logien zu den vor allem im englischsprachigen Bereich entstandenen Ideen des Kommunitarismus. Die Vertreter des Kommunitarismus sehen die individuellen Rech-te und sozialen Verpflichtungen in den westlichen Gesellschaften außer Balance gera-ten und erachten es als dringend geboten, dass die Bürger mehr Gemeinsinn entwi-ckeln und Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen (vgl. Honneth 1993). Zum anderen wird der Begriff der Bürgergesellschaft gerade in Deutschland aber auch sehr weit gefasst als Sammelbegriff für das gesamte Spektrum gesellschaftlichen En-gagements verwendet. Beide Begriffsdeutungen widersprechen sich freilich nicht. Denn auch wenn man konstatiert, dass es die Bürgergesellschaft bereits gibt, so kann man doch gleichzeitig fordern, dass ihre Rolle und Bedeutung zukünftig noch wesent-lich gestärkt werden. Gemeinsam ist beiden Vorstellungen, dass die Bürgergesellschaft auf drei geistigen Grundhaltungen beruht, die sich mit den Begriffen „Bürgersinn“, „Zivilcourage“ und „Solidarität“ benennen lassen. Insofern lässt sich die Bürgergesell-schaft verstehen als Ausdruck für demokratische, gesellschaftliche Selbstorganisation, unabhängig vom Staat und außerhalb des Marktes (vgl. Kocka 2000).

Mit „gesellschaftlich“ ist gemeint, dass es sich nicht um rein private Aktivitäten han-deln kann, sondern um öffentliches Engagement geht. Die Zusätze „unabhängig vom

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Staat“ und „außerhalb des Marktes“ sind freilich durchaus hinterfragbar. Ist doch gerade in Deutschland der gesamte „Dritte Sektor“ im internationalen Vergleich über-durchschnittlich staatlich subventioniert, woraus sich unweigerlich auch Abhängig-keitsverhältnisse ergeben. Und was ist, wenn der Staat intermediäre Organisationen mit der Durchführung öffentlicher Aufgaben beauftragt – können diese dann noch Teil der Bürgergesellschaft sein? Stehen Organisationen, die sich durch Sponsoring oder den Verkauf von Dienstleistungen finanzieren, wirklich außerhalb des Marktes? Un-abhängig vom Staat und außerhalb des Marktes meint daher, als kleinsten gemeinsa-men Nenner, dass es sich um selbst verwaltete, nicht-gewinnorientiert arbeitende Organisationen, Zusammenschlüsse oder Initiativen handelt.

Eine über diese Definition hinausgehende starre Grenzziehung erscheint weder not-wendig noch sinnvoll, weil die Bürgergesellschaft aus einer Vielzahl höchst unter-schiedlicher Organisationen, Zusammenschlüsse, Initiativen und Projekte mitsamt ihren vielfältigen Vernetzungen untereinander und mit der Außenwelt besteht. Dies impliziert auch, dass ein und dieselbe Organisation in manchen Fällen innerhalb und in anderen außerhalb der Bürgergesellschaft angesiedelt werden kann. Diese Hetero-genität, die auch für die Themen, Inhalte und Ziele gilt, macht gerade die Lebendigkeit und Stärke der Bürgergesellschaft aus. Ihre Offenheit schützt sie gegen Stagnation und Bürokratisierung und ermöglicht ihr eine flexible Anpassung an unterschiedliche Problemlagen und den jeweiligen Organisationsbedarf, wozu auch situationsspezifi-sche Kooperationen mit wechselnden Partnern aus Markt und Staat gehören können.

Dass der Staat ein zunehmendes Interesse an einer aktiven Bürgergesellschaft hat, liegt dabei auf der Hand. Schließlich gehen soziale Integration, die Entwicklung und Verbreitung neuer Ideen von bürgerschaftlichem Engagement aus. Die Bürgergesell-schaft entlastet den Staat aber auch finanziell, indem sie wichtige Aufgaben in vielen gesellschaftlichen Bereichen übernimmt. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Robert D. Putnam hat in diesem Zusammenhang die Bedeutung von „social capital“ für den inneren Zusammenhalt und den Erfolg von Gesellschaften beschrieben (vgl. Putnam 1993, 2000). Das „social capital“ einer Gesellschaft ist für Putnam definiert durch die Fähigkeit und Bereitschaft ihrer Mitglieder zur Zusammenarbeit. Bürger-schaftliches Engagement ist eine solche Form der Zusammenarbeit, ist „social capital“ par excellence. Es stiftet nicht nur Identität und fördert sozialen Zusammenhalt, es kann auch immer wieder die notwendigen Funktionen eines unkonventionellen An-stoßgebers und einer Korrekturinstanz bei Fehlentwicklungen von Markt und Staat ausfüllen. Viele Reformen der letzten Jahrzehnte etwa wären ohne das Engagement der Bürgergesellschaft nicht zustande gekommen. Gegenüber dem Strukturkonserva-tismus des Staates wird daher zugespitzt die größere Innovationsfähigkeit und Risiko-freudigkeit, die freiwillige Umverteilung privater Vermögen sowie die Komplementär-funktion zu staatlichen Leistungen zugunsten der Legitimation von Stiftungen als Ausdruck des bürgerschaftlichen Engagements angeführt (vgl. Boulding 1972; Anheier 2001).

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Marktorientierte Führung von Stiftungen in der Bürgergesellschaft

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1.1 Stiftungen: ein vielfältiges Phänomen

Mit ihrem Engagement und der Übernahme von Mitverantwortung entlasten die Bür-gerinnen und Bürger den Staat in materiell nicht bezifferbarer Größenordnung. Dies gewinnt in dem Maße an Bedeutung, in dem die traditionellen Instrumente des Sozial- und Interventionsstaates an Grenzen stoßen und die Aufgabenteilung zwischen Staat und Gesellschaft angesichts künftiger Herausforderungen neu auszubalancieren sind.

Vor diesem Hintergrund sind Stiftungen gleich in doppelter Hinsicht ein konstitutives Element der Bürgergesellschaft. Zum einen ist Stiften selbst eine Ausdrucksform akti-ven Bürgerengagements. Indem Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen privates Vermögen dauerhaft für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stellen, über-nehmen sie Mitverantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung. Zum anderen gehören Stiftungen zu den größten Förderern und Ermöglichern bürgerschaftlichen Engagements. Viele innovative zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte wären ohne die finanzielle Unterstützung von Stiftungen nicht zustande gekommen oder hätten ohne sie nicht überlebt.

Betrachtet man die Entwicklung dieses und des letzten Jahrhunderts, fallen neben der Bedrohung durch diktatorische Machthaber vor allem ökonomische Krisen als Risiko-faktoren für Stiftungen ins Auge, die, wie beispielsweise die Geldentwertungen in Deutschland 1923 und erneut 1948, viele Stiftungen um ihr gesamtes Kapital gebracht haben (vgl. von Campenhausen 1998). Mithin zeigt sich darin, dass Stiftungen durch-aus nicht krisenresistent sind und sich daher – auch im eigenen Interesse – immer wieder aufs Neue ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen haben.

Ebenso vielfältig wie die Bedingungen, unter denen Stiftungen ins Leben gerufen werden und auch wieder verschwinden, ist der Stiftungsbegriff selbst. Er ist zumeist weder rechtlich definiert noch als Bezeichnung geschützt. Allein bei den Rechtsformen reicht in Europa das Spektrum von der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts über die Stiftungs-GmbH, die Stiftung als eingetragener Verein, nicht rechtsfähige Stiftungen in privater oder öffentlicher Trägerschaft, kirchliche Stiftungen des privaten oder des öffentlichen Rechts, kommunale Stiftungen bis hin zu rechtsfähigen öffentli-chen Stiftungen des bürgerlichen Rechts und rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts. Darüber hinaus ist in jedem der genannten Fälle noch zwischen vorwiegend oder ausschließlich privatnützigen Stiftungen, wie z.B. den meisten Familienstiftun-gen, und den gemeinnützigen Stiftungen zu unterscheiden. Trotz dieser Vielfalt unter-schiedlicher Erscheinungsformen gibt es keinen Zweifel, dass die rechtsfähige Stiftung des Privatrechts die grundlegende Stiftungsform verkörpert, die im Unterschied zu Vereinen und anderen Korporationen nicht dem Willen von Mitgliedern unterworfen, sondern nur dem satzungsmäßig manifestierten Willen des Stifters verpflichtet ist. Demnach darf eine privatrechtliche Stiftung von den zuständigen Behörden nur dann genehmigt werden, wenn die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungs-

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zwecks gewährleistet erscheint. Um dies zu sichern, fordern viele Stiftungsgesetze, das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Dies bedeutet, dass nur die Erträge des Stiftungsvermögens ausgeschüttet werden dürfen, nicht jedoch Teile des Stiftungsvermögens selbst. Da gemeinnützig selbstlos tätige Stiftungen steu-erbefreit sind, leistet auch der Staat einen erheblichen finanziellen Beitrag zur Erfül-lung des Stiftungszwecks und unterstützt damit ein wichtiges Element einer freiheit-lich demokratischen Gesellschaft.

Keine Bedeutung hat in diesem Zusammenhang, welche gemeinnützigen Zwecke verfolgt werden. Dennoch lassen sich für private, gemeinnützige Stiftungen folgende konstitutive Elemente bestimmen. Zunächst hat die Autonomie der Stiftung in der Trias von Vermögen, Zweck und Eigenorganisation zugrunde zu liegen. Dabei ist es vorrangiges ökonomisches Ziel, durch effiziente und effektive Vermögensverwaltung ein stetiges Einkommen zu erzielen, mit dem der Stiftungszweck erfüllt, das Stiftungs-vermögen erhalten und auch die Steuerbegünstigung gewährleistet werden kann. Dazu gehört der durch qualitative Zielvorgaben angestrebte effektive Einsatz privaten Vermögens und daraus resultierender Erträge für anerkannt fremdnützige Zwecke. Denn erst daraus ergibt sich die gesellschaftspolitische Funktion der Stiftung, die in der Teilhabe Privater an der Gestaltung des Gemeinwohls besteht. Letztlich aber kann und soll die Förderung nur subsidiär zur öffentlichen Hand stehen und weder Etatlü-cken stopfen, noch staatliche Fördermaßnahmen duplizieren. Dennoch erfüllen insbe-sondere die Stiftungen, die durch eigenes Kapital unabhängig agieren können, eine wichtige Funktion für die Gesellschaft, da ihre Fördermaßnahmen in der Regel kom-plementär zur öffentlichen Hand ausgerichtet sind und somit dazu beitragen, struktu-relle und thematische Defizite zu überwinden. Vor allem durch die den Stiftungen eingeräumten Handlungsspielräume können sie direkte Anstöße zu Veränderungen geben oder Hindernisse, die Reformen entgegenstehen, überwinden helfen. Gleich-wohl bleibt ihre Rolle auch angesichts der großen Anzahl von Stiftungsgründungen in den letzten drei Jahrzehnten nicht nur in quantitativer Hinsicht eindeutig subsidiär zur öffentlichen Hand.

1.2 Stiftungen im Wettbewerb

Stiftungen stehen in einem sozialen Interaktionsraum, in dem sie mit anderen Akteu-ren gemeinsam handeln. Wie in einem Tauschgeschäft bieten Stiftungen gewisse Leis-tungen und erhalten dafür einen Gegenwert. Das Mittel dieser Reziprozität ist aller-dings nicht Geld, sondern Ehre, Anerkennung und Reputation (vgl. Münkler 2002). Die Stiftung verwandelt in diesem Sinne Vermögen in wissenschaftliche, gesellschaft-liche oder soziale Reputation, die je nach Stifter wiederum einem Unternehmen, einer Familie oder einem allgemeinen Stiftungszweck zugute kommen.

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Im Prinzip kann man dementsprechend das Stiftungshandeln in ein Verhältnis zum unternehmerischen Handeln setzen. Doch während es dem Unternehmer vorrangig darum geht, seinen Gewinn zu steigern, wird sich eine Stiftung an der Maximierung ihres Wirkungsgrades und an ihrem Erfolg gemessen in Reputation und Anerkennung ausrichten. In diesem Sinne kann man auch von einem Wettbewerb der Stiftungen auf einem speziellen Markt sprechen. Ein bedeutender Unterschied zu kommerziellen Unternehmen besteht jedoch in der organisatorischen Unabhängigkeit der Stiftung von ihrer „Geschäftsidee“. Anders als Unternehmen können Stiftungen eine Idee po-pularisieren, ohne dass es erforderlich ist, dass ihr organisatorischer Apparat dem damit erzielten Erfolg entsprechend mitwächst.

In Konkurrenz treten viele, vor allem kleinere Stiftungen wiederum beim Fundraising, das zum Beschaffen von Geldern zur Verwirklichung des Stiftungszwecks betrieben wird. Aus diesen Gründen werden für Stiftungen auch ähnliche Marketingstrategien wie für Unternehmen diskutiert. Denn selbst anspruchsvolle Projekte einer Stiftung werden im Hinblick auf den intendierten Erfolg als auch im Zuge der Partnergewin-nung nur wenig bewirken, wenn sie im Verborgenen bleiben und nicht ans Licht der Öffentlichkeit treten (vgl. Meffert 2004b).

Nicht zuletzt stehen Stiftungen bei der Verwirklichung ihres Stiftungszweckes in ei-nem Wettbewerb um die besten Köpfe, Ideen, Konzepte und Projekte. Dies gilt vor allem in den Bereichen, die ohnehin eine hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit ge-nießen. In einigen Fällen erscheint aber auch ein gemeinsames Vorgehen geboten, um Wirkung und Reichweite des Angebots und der finanziellen Spielräume zu erhöhen. In der Kooperation oder strategischen Allianz mit anderen Institutionen bieten sich für die betreffenden Kooperationspartner oftmals erhöhte Chancen, ungeachtet ihres marginalen finanziellen Volumens, richtungsweisende Akzente zu setzen, die auch eine breitere Öffentlichkeit erreichen können. Selbst große Stiftungen können in der Zusammenarbeit ihre Potenziale vervielfachen. Die vereinten Anstrengungen der Bertelsmann Stiftung, der BASF AG und der VolkswagenStiftung zur Förderung des Wissenschaftsjournalismus sowie die Förderinitiative „Pro Geisteswissenschaften“, die von der VolkswagenStiftung gemeinsam mit der Fritz Thyssen Stiftung getragen wird und an der sich auch der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft sowie die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius beteiligen, sind erfolgreiche Beispiele für solche Stiftungskooperationen.

1.3 Marktnahes Agieren in der Vermögensanlage

In der Regel kann unterstellt werden, dass eine gemeinnützige Stiftung auf Dauer angelegt ist. Ziel der Stiftung ist dementsprechend die kontinuierliche und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes (vgl. Benke 1999) und somit zugleich die reale Erhal-tung ihres Stiftungskapitals. Bei kapitalbasierten Stiftungen bietet das Stiftungsvermö-

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gen hierzu die Grundlage. Mit der Anlage des Stiftungskapitals werden neben der Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebes vor allem zwei Ziele verfolgt: Zum einen gilt es, hohe und zugleich sichere ordentliche Erträge (Zinsen, Dividenden, Mie-ten) zu erwirtschaften, über deren Ausschüttung der Stiftungszweck verwirklicht wird, zum anderen gilt es, das Stiftungskapital in seinem realen Wert zu erhalten.

Wenngleich die Strategie der Vermögensanlage auf die jeweiligen stiftungsspezifi-schen Gegebenheiten und Bedürfnisse auszurichten ist, lassen sich doch einige allge-meine strategische Überlegungen anführen. Die auf Dauer ausgerichtete Existenz der Stiftung verbietet es grundsätzlich, dass die Förderung unter Zugriff auf das Stif-tungskapital erfolgt. Hierfür dürfen daher ausschließlich die laufenden Erträge aus der Vermögensbewirtschaftung eingesetzt werden. Damit jene auch in Zukunft in ihrem materiellen Gegenwert eine zumindest konstante Höhe behalten, ist das Stif-tungsvermögen gegen bestimmte Risiken wie etwa eine inflationsbedingte Selbstent-wertung zu schützen (vgl. Brockhoff 2002). Dies geschieht durch die Bildung von Rücklagen aus einem Teil des Jahresertrages sowie über erzielte Wertzuwächse. Ge-mäß § 58 Nr. 7a AO kann jährlich bis zu einem Drittel der ordentlichen Erträge aus der Vermögensanlage dem Stiftungskapital zum Zweck der Kapitalerhaltung zugeführt werden.

Über eine Kapitalerhaltungsrechnung wird jährlich ermittelt, inwieweit das Ziel der Kapitalerhaltung realisiert werden kann. Das vorhandene Stiftungskapital wird dabei mit einem Preissteigerungsfaktor fortgeschrieben und ergibt den Sollwert des Kapi-tals, der mit dem tatsächlichen Wert des angelegten Vermögens verglichen wird. Somit kommt dem Wertzuwachs des angelegten Kapitals ebenfalls große Bedeutung zu. Die Vermögensanlage hat deshalb sowohl auf verzinslichen Wertpapieren als auch auf so genannten Substanzwerten (Aktien und Immobilien) zu basieren. Jene tragen, biswei-len auch zusammen mit alternativen Investments, durch ihre kontinuierliche Wert-entwicklung zusätzlich zur Vermögenserhaltung bei (vgl. Lehmann 2004). Das Ge-samtportfolio der Vermögensanlage hat sich dementsprechend aus einem Anlagenmix zusammenzusetzen, bei dem sowohl hohe ordentliche Erträge als auch ein Wertzu-wachs zu erwarten sind (vgl. Brockhoff 2003).

Die Identifizierung einzelner Asset-Klassen erfolgt beispielsweise bei der Volkswagen-Stiftung zunächst über die Einteilung des gesamten Anlageuniversums in Assetklassen und geografische Einzelmärkte. Für diese wird jeweils der Index gesucht, der die Spe-zifika des jeweiligen Marktes am besten abzubilden vermag. In einem zweiten Schritt wird das Kursentwicklungsverhalten dieser Einzel-Assets zueinander untersucht. Über Korrelationsanalysen kann festgestellt werden, ob sich die einzelnen Anlagefor-men parallel zueinander entwickeln, ob eine konträre Wertentwicklung oder kein erkennbarer Zusammenhang vorliegt.

Die optimale prozentuale Mischung der einzelnen Assetklassen zueinander wird in einer Modellrechnung ermittelt. Diese wird – basierend auf der Frage, welches Risiko notwendigerweise einzugehen ist, um die gesetzten Zielvorgaben der Stiftung zu

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erfüllen – durchgeführt, wobei das Gesamtrisiko der Vermögensanlage möglichst gering zu halten ist. Auf der Grundlage einer Marktdatenhistorie von ca. 25 Jahren und einer Prognose im Hinblick auf die Entwicklung der Volatilitäten werden die für die Erfüllung der mit der Vermögensanlage verfolgten Ziele notwendig einzugehen-den Risiken klassifiziert (Bodemer 2006).

Um die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes zu ermöglichen, gilt es für Stiftungen einen überwiegend passiven Investmentstil zu praktizieren. Da-her ist das Kapital gemäß den Erkenntnissen der Portfoliotheorie anzulegen. Danach ist der positive Gesamterfolg der Anlage eines Vermögens umso sicherer, je breiter die eingegangenen Risiken gestreut sind. Stiftungen nutzen somit den Effekt der Risikodi-versifikation.

Ständige Veränderungen der Märkte und Rahmenbedingungen erfordern eine stetige Analyse der Ist-Struktur des Gesamtportfolios, um jederzeit Anpassungen vornehmen zu können. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Gesamtstrategie den Rahmen für die notwendigen Anpassungen einzelner Details bildet. Schließlich ist der Gesamtprozess der Vermögensverwaltung einem umfassenden und stetigen Controlling zu unterwer-fen, welches die Einhaltung der in den Grundsätzen für die Vermögensanlage be-schriebenen Festlegungen in Anlehnung an die Mindestanforderungen für das Betrei-ben von Handelsgeschäften überprüft.

2 Professionelles Stiftungsmanagement

Mit der Verwendung der Erträge aus der Anlage ihres Stiftungskapitals verfolgt eine Stiftung neben der Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebes vor allem zwei Ziele: Zum einen gilt es, die Förderung ihrer satzungsgemäßen Vorhaben sicherzustel-len, zum anderen ist es erforderlich, dass das Stiftungskapital in seiner Werthaltigkeit erhalten bleibt. So steht neben der steten Herausforderung neue Förderinitiativen vorzubereiten, Anträge auf Förderung zu bearbeiten, Antragsteller zu beraten sowie bewilligte Vorhaben zu begleiten, auch, dass notwendige Investitionsentscheidungen in der Vermögensverwaltung zu treffen sowie die Ertragsentwicklung und die Er-tragsverwendung zu steuern und die bestimmungsgemäße Verwendung der Mittel zu prüfen sind. Ein zentrales Element der Vermögensbewirtschaftung ist es, die Sub-stanzerhaltung des Stiftungsvermögens durch sachgerechte Rücklagenbildung im Rahmen der steuerlichen Möglichkeiten zu gewährleisten, um so die Förderkraft des Stiftungsvermögens auch für die Zukunft sicherzustellen.

Bei der Erfüllung all dieser Aufgaben unterliegen Stiftungen zwar nicht der direkten Marktkontrolle, doch steigen mit zunehmender Bedeutung von Stiftungen im öffentli-chen Raum auch die Ansprüche an die Qualität und Transparenz ihres Handelns.

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Dabei kommt es für Stiftungen, die sich zunehmend als aktive Kraft in gesellschaftli-chen Veränderungsprozessen verstehen, immer stärker darauf an, durch eine effektive und effiziente Führung den Nachweis gesellschaftlicher Legitimation zu erbringen. Diese Führungsaufgaben beziehen sich sowohl auf Fragen der „Good Governance“ als auch auf Führungstechniken, die Entscheidungsprozesse unterstützen und dabei hel-fen, die angestrebten Ziele zu erreichen.

Die Leistungen des operativen Stiftungsmanagements orientieren sich maßgeblich an der Einhaltung von Effektivitäts- und Effizienzzielen. Damit rücken die bestmögliche Erschließung und Nutzung von Ressourcen, der wirksame Einsatz verfügbarer Mittel, die Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren und Verwaltungsprozesse so-wie die intensive Kommunikation auf verschiedenen Ebenen und zwischen einzelnen Instanzen, Gremien und Personen in den Fokus der Stiftungsführung. Dabei kann die Evaluation von Projekten und der Gesamtinstitution im Rahmen eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements zu einem wichtigen Kontroll- und Entscheidungsinstrument werden.

Zum professionellen Stiftungsmanagement gehört darüber hinaus ein zukunftsorien-tiertes Personalmanagement. Bisher hat sich der Arbeitsmarkt für gemeinnützige Or-ganisationen allerdings noch nicht eindeutig als selbstständiges Feld herausgebildet und professionalisiert. Dies mag an dem relativ geringen Anteil am Gesamtarbeits-markt, aber auch an der uneinheitlichen Personalstruktur liegen, hat aber aufgrund der Bedeutung von qualifiziertem Personal für erfolgreiche Stiftungsarbeit künftig mehr Beachtung zu finden.

2.1 Strategie und Profilbildung

Je mehr private und öffentliche Organisationen im gleichen Operationsfeld tätig sind, desto stärker hat sich eine private Fördereinrichtung durch ein scharf konturiertes Profil von allen anderen Förderern abzuheben. Ohnehin gilt es aufgrund der mehr oder weniger großen finanziellen Spielräume, ein Schwerpunkt der Fördertätigkeit im Hinblick auf den in der Satzung festgelegten Stiftungszweck zu finden. Den größten Erfolg haben erfahrungsgemäß Stiftungen, die Nischenthemen besetzen oder als erste ein wissenschaftliches, soziales oder gesellschaftliches Thema aufgreifen.

Die Fokussierung auf ausgewählte Förderinhalte und -formate bietet neben einem Marketingvorteil auch die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum ein umfangrei-ches Expertenwissen sowohl im Hinblick auf bestimmte Inhalte als auch in Bezug auf die jeweilige Förderpraxis zu erwerben.

Die strategische Ausrichtung einer Stiftung erfolgt in drei Entscheidungsdimensionen: thematisch inhaltlicher Zuschnitt, geografischer Fokus, verfolgter Ansatz. Im Hinblick auf den Stiftungszweck ist es das Ziel des Stiftungsmanagements, den Stifterwillen

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möglichst getreu und mit der größtmöglichen gesellschaftlichen Wirkung umzusetzen. Dabei sind neben dem Ertrag (Outcome) eines Projektes auch die intendierte und die tatsächliche gesellschaftliche Wirkung (Impact) in Betracht zu ziehen. In diesem Sinne kann von einer Optimierung des zu erzielenden sozialen, kulturellen oder wissen-schaftlichen Erfolgs pro investiertem Euro gesprochen werden.

Dazu werden unter Berücksichtigung des Stiftungszwecks Operationsfelder benannt, in denen sich das Stiftungshandeln in aufeinander abgestimmten Aktivitäten zu entfal-ten hat. Eine spezifische Zielgruppenorientierung und Programmatik helfen eine klare Kompetenzführung aufzubauen und sich damit gegenüber anderen Akteuren im gleichen Betätigungsfeld abzuheben. Notwendigerweise sind bei der Fokussierung der Aktivitäten auch mögliche Handlungsfelder auszuschließen, da es keiner Organisation gelingen kann, in allen thematischen Feldern exzellent zu sein. Die Grundlage einer thematischen Schwerpunktsetzung bilden bei alledem Begutachtungsverfahren zur Prüfung und Sicherung von Qualität und Bedeutung der jeweiligen Vorhaben.

Die mit der Strategie der Stiftung festgelegten Ziele sind in einem Dokument, z.B. in Form eines Leitbildes zusammenzufassen, mit dessen Hilfe eine klare und differen-zierte Position im Feld der Wettbewerber behauptet werden kann (vgl. Meffert 2003a). Mit dem Leitbild ist schließlich ein Orientierungsmaßstab für die gesamte Stiftungsar-beit und die Kernbotschaften in der Außenkommunikation gegeben. „Im Leitbild werden die normativen Grundhaltungen und Werte der Stiftung definiert. […] es ist das Fundament der Stiftung, auf dem sie sich langfristig ausrichtet.“ (Meffert 2004). Die Zielgruppe des Stiftungshandelns erhält somit ein deutliches Profil und eine klare Positionierung gegenüber anderen Stiftungen und öffentlichen Einrichtungen.

2.2 Operationale Exzellenz

Greift man die eingangs erwähnte Unterteilung der Gesellschaft in drei Sektoren auf, so unterscheiden sich auch die Kriterien des Erfolgs für jeden Sektor. Es macht daher wenig Sinn, die Erfolgskriterien des einen Sektors eins zu eins auf den anderen Sektor übertragen zu wollen. Gleichwohl können allgemeine Erfolgsfaktoren, wie etwa die klare Definition der Aufgaben und Ziele, zielorientiertes Handeln sowie der transpa-rente Einsatz von Instrumenten der Erfolgskontrolle angegeben werden. Die gestal-tenden Aufgaben von Stiftungen und die mit ihnen verbundenen Handlungsfreiräume bedürfen freilich zugleich eines effizienten internen und externen Kontrollsystems. Dies wird etwa durch eine klare Funktionstrennung der einzelnen Organisationsein-heiten sowie durch ein zeitgemäßes Risikocontrolling gewährleistet. Darüber hinaus lassen sich auch externe Experten begleitend und beratend hinzuziehen. Das gilt so-wohl für die Vorbereitung, fachliche Beurteilung und Betreuung der Förderprojekte als auch für die Verwaltungs- und Kontrollaufgaben in der Vermögensbewirtschaf-tung.

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Dabei gilt es zum einen, die Organisationsstruktur kontinuierlich auf Funktionalität zu prüfen und bei Veränderungen des Anforderungsprofils entsprechend aus- oder um-zugestalten. Zum anderen kommt es darauf an, neue Mitarbeitende mit größtmögli-cher Sorgfalt auszuwählen und die Qualifikation des vorhandenen Personals durch systematische, dem jeweiligen Arbeitsplatz und Aufgabenbereich angemessene Fort- und Weiterbildung auf hohem Niveau zu halten. Das gilt sowohl mit Blick auf Fach-wissen, Sprach- und Methodenkompetenz als auch hinsichtlich Kooperationsverhal-ten, Kommunikations- und Führungskompetenz. Neben der regelmäßigen Teilnahme an nationalen und internationalen Veranstaltungen ist auch der Personalaustausch als nützliche Personalentwicklungsmaßnahme in Betracht zu ziehen. Mehrwöchige Ar-beitsaufenthalte von Mitarbeitenden bei Organisationen mit vergleichbarer Aufgaben-stellung, vor allem im Ausland, sind wichtige Bausteine fachliche Kompetenz zu erhal-ten und zu erweitern. Solche und ähnliche Qualifikationsmöglichkeiten gilt es auf- und auszubauen, bedarfsgerecht auszugestalten und systematisch zu nutzen. Dabei steht außer Frage, dass mit den Qualifikationsanforderungen auch der Grad der Selbstständigkeit steigen wird und damit einhergehend die Anforderungen an das Engagement und die Bereitschaft der Mitarbeitenden operationale Verantwortung zu übernehmen.

2.3 Qualitätssicherung und Evaluation

Ein grundlegendes Werkzeug des zielgerichteten Managements ist die Beurteilung des Stiftungshandelns mit Hilfe von Evaluationen. Dabei wird die Evaluation eine syste-matische, datenbasierte Beschreibung und Bewertung spezifizierter Programme, Pro-jekte und Maßnahmen an Hand von Kriterien, die explizit auf einen Sachverhalt bezo-gen sind, definiert (vgl. Kromrey 2001). Ziel der Evaluation ist es, die Qualität von Programmen und Fördermaßnahmen des Handelns zu überprüfen, zu optimieren und zu sichern. Dies geschieht auf unterschiedlichen Handlungsfeldern von der Antrags- und Projektebene bis hin zum Gesamtportfolio und der Fördertätigkeit der Stiftung insgesamt. Eine umfassende Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle durchzieht dem-entsprechend alle Phasen des Förderhandelns, das durch die Evaluationsergebnisse einen stetigen Professionalisierungsprozess durchläuft. Die Ergebnisse dienen zum anderen der Transparenz nach außen, was wiederum die Vertrauensbildung bei Ko-operationspartnern oder in der Öffentlichkeit erhöht.

Die Bewertung und Ergebnisformulierung einer Evaluation findet dabei immer vor dem Hintergrund einer gegebenen konkreten Zielsetzung statt. Die Evaluation misst ein Konzept oder ein Programm zuvörderst an seinen eigenen Zielen. Evaluationen sind dabei singuläre Bewertungen zu einem bestimmten Zeitpunkt, die die verant-wortlichen Mitarbeitenden und Organe über Wirksamkeit und Zielerreichungsgrad der jeweiligen Maßnahmen informieren. Im Vorfeld einer Evaluation sind die Ziele

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und Zwecke des zu untersuchenden Vorhabens konkret darzustellen, da sie die Evalu-ationskriterien determinieren. Durch unklar definierte Ziele, durch Differenzen zwi-schen festgeschriebenen und tatsächlich verfolgten Zielen, durch im Zeitablauf verän-derte Ziele oder durch eine Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Zielebenen wird die Operationalisierung von Evaluationskriterien und eine spätere Ergebnisfor-mulierung erschwert. Je nach Programmphase und grundlegendem Erkenntnisinteres-se können mit einer Evaluation sämtliche oder ausgewählte Ziele einer Bewertung unterworfen werden.

„Evaluationen stellen […] keinen Selbstzweck dar. Sie sind nicht dem puren Erkennt-nisinteresse verpflichtet, sondern sollen einen Nutzen stiften. Sie sollen dazu beitra-gen, Prozesse transparenter zu machen, Wirkungen zu dokumentieren und Zusam-menhänge aufzuzeigen, letztendlich um Entscheidungen treffen zu können“ (Stock-mann 2002, S. 219). Eine Evaluation geht der Frage nach, ob und wie die Ziele einer gesamten Institution bzw. eines einzelnen Programms erreicht werden. Sie ist damit Teil des Qualitätsmanagements mit Blick auf den eigenen Anspruch und die Außen-darstellung der jeweiligen Tätigkeit oder auch der Institution. Die Evaluation befasst sich dabei nicht ausschließlich mit der durch die Ziele vorgegebenen inhaltlichen Aus-richtung der Tätigkeit – also deren Effektivität (Wirksamkeit). Sie fragt gleichermaßen nach der Effizienz (Wirtschaftlichkeit) der Tätigkeit bei der Verfolgung der Ziele, also ob personelle, sachliche und finanzielle Ressourcen entsprechend der Zielsetzung „dimensioniert“ eingesetzt werden und nicht zuletzt nach dem jeweiligen Wirkungs-grad.

Intern ist die Evaluation im oben genannten Sinne eine Planungs- und Entscheidungs-hilfe, die allen Beteiligten ein Kontrollinstrument in die Hand legt. Evaluationen zei-gen, wo und wie Ziele wirkungsvoll und effizient umgesetzt werden und wo das nicht der Fall ist. Sie dienen damit der nachhaltigen Profilbildung und sukzessiven Profil-schärfung einer Institution. Dieser Nutzen wird sich allerdings nur dann einstellen, wenn der Evaluationsprozess von den intern Beteiligten aktiv reflektiert, die Ergebnis-se der Evaluation diskutiert und die notwendigen Veränderungen umgesetzt werden. Erst die transparente und dialogorientierte Nutzung der Evaluation und ihrer Ergeb-nisse vermag ihren Aufwand und Ertrag für die gesamte Institution zu rechtfertigen.

Doch bereits unabhängig von konkreten Ergebnissen wird die Bereitschaft einer Insti-tution, ihre Programme in der Gesamtheit evaluieren zu lassen, als ein positives Zei-chen der Transparenz und Glaubwürdigkeit nach außen bewertet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn die Evaluation aus eigenem Antrieb, also gerade nicht aufgrund von äußeren Forderungen und gesetzlichen Vorschriften, initiiert wird. Somit können Evaluationen nicht zuletzt zu einem erheblichen Reputationsgewinn beitragen.

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2.4 Öffentlichkeitsarbeit

Stiftungen haben heute nicht zuletzt aufgrund der stetig steigenden Anzahl neuer Akteure im gleichen Operationsfeld stärker als in der Vergangenheit in der Öffentlich-keit präsent zu sein. Zur Umsetzung der mit der Strategie festgelegten Kommunikati-onsziele dienen Studien, Jahresberichte, ein übersichtlicher Internetauftritt sowie eine professionelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus sind Podiumsdiskus-sionen und andere Auftritte in der Öffentlichkeit geeignet, die von der Stiftung fokus-sierte Zielgruppe anzusprechen.

Eine strategisch orientierte, langfristige und zielgerichtete Kommunikation nach innen und außen wird daher immer bedeutsamer, um Unterstützer und Förderer zu errei-chen sowie Akzeptanz und Ressourcen zu gewinnen. Heribert Meffert rät den Stiftun-gen daher, einen Markennamen auszuprägen und diesen als Markenzeichen zu pfle-gen (vgl. Meffert 2004a). Ein Herkunftszeichen, mit dem bestimmte Leistungen, Anlie-gen oder Ideen verbunden sind, hilft der Stiftung, sich gegenüber anderen Wettbewerbern abzugrenzen. Über eine Orientierungsfunktion hinaus fungiert die Stiftungsmarke als Qualitätssiegel und erleichtert die Identifikation mit den Wertvor-stellungen der Stiftung. Vorraussetzung einer Markenpolitik ist die Ausrichtung der Gesamtstrategie sowie des operativen Handelns an markenpolitischen Zielen. Dabei wird die Markenidentität wesentlich vom Stiftungszweck geprägt, der im Hinblick auf bestimmte Leitbilder im Stiftungshandeln operativ umgesetzt ist. Inwieweit eine Stif-tung eine Markenidentität entwickeln kann, hängt allerdings nicht zuletzt von ihrer Größe und ihren Förderbedingungen ab.

Unabhängig davon gilt es zu bedenken, ob eine Markenpolitik mit dem Anspruch eines innovativen Impulsgebers vereinbar ist. Denn eine starke Marke setzt eine stabile Leistungs- und Qualitätswahrnehmung voraus, die aufgrund der Innovatorenrolle von Stiftungen in vielen Feldern nicht gegeben ist. Der Forschungsförderung etwa hat eine stetige Modifikation des Leistungsprofils innezuwohnen. In diesem Bereich errei-chen Stiftungen daher eher ein konstantes Leistungsprofil hinsichtlich ihrer Reputati-on und operationalen Exzellenz (vgl. Sandberg 2004).

Über die eigentliche Öffentlichkeitsarbeit hinaus vermag eine Stiftung auch einen Beitrag zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements in der Öffentlichkeit zu leisten. Daher ist auch die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit einer Stiftung darauf aus-zurichten, nicht nur die eigene Tätigkeit der Stiftung, sondern ebenso sehr die von ihr geförderten Vorhaben und deren Inhalte einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Im Bereich der Wissenschaftsförderung ist etwa neben der inhaltlichen Vermittlung wissenschaftlicher Themen auch der Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit insgesamt zu fördern. Dies gilt im besonderen Maße für brisante neue Themenfelder der Wissenschaften und deren wirtschaftliche und soziale Auswirkungen wie bei-spielsweise im Bereich der Gen- oder Nanotechnologie.

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3 Erfolg und Reputation

Jenseits von Kurzatmigkeit und Markttrends besteht der Erfolg von Stiftungen darin, eine Balance zu finden zwischen dem Anspruch, zum einen Impulsgeber und Vorden-ker zu sein, zum anderen aber durch nachhaltige Förderung der jeweiligen Partner letztlich auch der Gesellschaft insgesamt als verlässlicher Partner zur Seite zu stehen. Denn im radikalen Sinne neue Ansätze und bahnbrechende Visionen bedürfen einer ausreichenden finanziellen Unterstützung, die mittel- bis langfristig garantiert ist. Die kurzfristige Projektfinanzierung ist daher durch eine Gesamtstrategie der Förderung zu ersetzen.

3.1 Stiftungen als Impulsgeber

Wenngleich es in Deutschland in den letzten Jahren sehr viele Stiftungsneugründun-gen gegeben hat, ist die Anzahl derjenigen Stiftungen, die über ein substanzielles Ei-genkapital verfügen, weiterhin gering.

Aber ohnehin kann es nicht die Aufgabe von Stiftungen sein, den grundlegenden Bedarf an finanziellen Mitteln für Forschung und Lehre oder Kunst und Kultur zu decken. Vielmehr gilt es für die Stiftungen, sich darauf zu konzentrieren, neuen Ideen und Förderformen flexibel und nachhaltig zum Erfolg zu verhelfen. Darüber hinaus können sie natürlich auch eine intellektuelle Anstoßfunktion wahrnehmen, indem sie z.B. in Denkschriften auf thematische oder strukturelle Defizite aufmerksam machen. Mithin können Stiftungen neue Wege bahnen, Anstöße geben und zu Innovationen anstiften. So lassen sich auch mit finanziell eingeschränkter Wirkungsmacht etwa Beispiele guter Forschungspraxis unterstützen, spezielle Exzellenzinitiativen starten, Investitionen in innovative Köpfe tätigen und Reformprozesse initiieren (vgl. Meffert 2003b).

Der Anspruch, innovative Prozesse zu initiieren oder zumindest zu beschleunigen, lässt sich freilich nicht realisieren, ohne ein Zusammenwirken von öffentlichen und privaten Geldgebern. Als beständiger Dialogpartner übernehmen Stiftungen in der Zusammenarbeit mit dem Staat zunehmend eine Innovatorenrolle. Sie sind nicht mehr nur Geldgeber in der Not, sondern leisten einen wichtigen Beitrag als Ideengeber und Motor der Veränderung (vgl. Meffert 2005). Aufgrund des begrenzten finanziellen Rahmens können Stiftungen zwar kein Langzeitengagement übernehmen, aber umso wirksamer Anstöße und Förderimpulse gegenüber öffentlich finanzierten Einrichtun-gen geben. Dies gilt insbesondere für Pilotprojekte und für Startfinanzierungen von neuen Einrichtungen, die ab einem bestimmten Zeitpunkt (in der Regel nach spätes-tens fünf bis acht Jahren) in öffentliche Trägerschaften überführt werden. Hier gibt es zwar aus der Vergangenheit eine Fülle von Beispielen, die eindrucksvoll belegen, dass

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eine Startfinanzierung von privaten Stiftungen im Zusammenwirken mit der öffentli-chen Hand erfolgreich sein kann, gleichwohl ist angesichts leerer öffentlicher Kassen nicht zu verkennen, dass gerade solche Anschlussfinanzierungen derzeit besonders schwierig sicherzustellen sind.

Stiftungen können aber auch mit geringen finanziellen Mitteln risikoreiche Projekte und viel versprechende Persönlichkeiten fördern, Pilotprojekte unterstützen, unab-hängig von politischen und wirtschaftlichen Interessen agieren, flexibel und schnell auf neue Herausforderungen antworten, Freiräume schaffen und erhalten, Themen und Regionen fördern, die keine öffentliche Unterstützung erfahren, und nicht zuletzt Anreize zu strukturellen Reformen geben. Dabei gilt es, dass Stiftungen stets wichtige Impulsgeber und Wegbereiter einer aktiven Bürgergesellschaft sind (vgl. Krull 2004).

3.2 Stiftungen als lernende Institutionen

Stiftungen sind wie andere Organisationen auch in die gesellschaftlichen Trends der Zeit eingebunden. Globalisierung, Technisierung und Beschleunigung des Arbeitsall-tags sind Phänomene, mit denen sich auch Stiftungen auseinanderzusetzen haben. Obgleich Motor der Innovation gilt es aber für Stiftungen, nicht einfach modischen Trends zu unterliegen. Sie haben Vertrauen in die eigene Urteilskraft zu besitzen und auch eine zum Teil bewahrende Funktion auszuüben. Denn Innovationskraft besteht zuweilen gerade darin, den Anstoß zur selbstkritischen Überprüfung des gesellschaft-lich eingeschlagenen Weges zu geben. Für Stiftungen gilt es, in diesem Sinne zur rech-ten Zeit auch Widerstandsfähigkeit zu beweisen. Dies wird wiederum nur gelingen, wenn sie flexibel auf die Anforderungen der Zeit reagieren können, indem sie ihre Strategie, deren Umsetzung und die Reichweite ihres Handelns permanent reflektie-ren und den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend weiterentwickeln.

So hat sich jede Stiftung immer wieder die Frage vorzulegen, ob und in wieweit För-derangebot, Förderverfahren und Förderpraxis mit den Veränderungen in dem ge-wählten Betätigungsfeld Schritt halten und wie sie ihrem Anspruch, Impulsgeber zu sein, weiterhin gerecht werden kann (vgl. VolkswagenStiftung 2006). Welche Aufga-ben und künftigen Herausforderungen stellen sich und mit welchem Förderprofil, mit welchen spezifischen Angeboten kann sie sich auch künftig, etwa im Kreise anderer Akteure, national und international erfolgreich positionieren? Eine zu starre Fokussie-rung auf ein bestimmtes Themen- oder Fachsegment würde nicht zuletzt das Risiko einer sozialen, kulturellen oder wissenschaftlichen „Fehlinvestition“ in einem Maße erhöhen, das sich durch den zu erwartenden „Ertrag“ nicht rechtfertigen ließe. Zum anderen gilt es, dass bestimmte Ziele für einen gewissen Zeitraum Vorrang genießen, um eine nachhaltige Wirkung entfalten zu können.

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All dies gibt Veranlassung, das finanzielle Handeln, ebenso wie das Förderangebot und die Förderpraxis, kontinuierlich daraufhin zu überprüfen, inwieweit damit den aktuellen Herausforderungen begegnet werden kann, wo Handlungsbedarf besteht und welche Initiativen zur Optimierung sich gegebenenfalls anbieten. In der offenen Auseinandersetzung mit diesen Fragen werden Stiftungen im Idealfall zu lernenden Organisationen und übernehmen damit wiederum eine wichtige Vorbildfunktion in der Gesellschaft. Aber ohnehin kann zur Bewegung nur derjenige anstiften, der klare Gründe angeben kann, warum sich andere zu bewegen haben, und der mit gutem Beispiel vorangeht.

4 Thesen und Ausblick

Die Ergebnisse unserer Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

In der heutigen Bürgergesellschaft kommt privaten, kapitalbasierten Stiftungen eine immer größere Bedeutung zu. Sie sind zugleich selbst eine Ausdrucksform ak-tiven Bürgerengagements.

Auch Stiftungen befinden sich zunehmend in einem Wettbewerb, und zwar vor allem um Anerkennung und Reputation.

Trotz spezifischer gesetzlicher Einschränkungen sind viele Stiftungen am Kapital-markt unmittelbar (durch eigene Vermögensabteilungen) oder mittelbar (über Ka-pitalanlagegesellschaften) als Akteure präsent. Sie legen damit die Grundlage für eine dauerhafte Erfüllung des Stiftungszwecks und die reale Kaufkrafterhaltung des Stiftungsvermögens. Von entscheidender Bedeutung ist hierfür eine hinrei-chende Diversifizierung der Vermögensanlage.

Um die selbst gesetzten Effektivitäts- und Effizienzziele zu erreichen, ist ein pro-fessionelles Stiftungsmanagement – verbunden mit einer zukunftsorientierten Or-ganisations- und Personalentwicklung – unverzichtbar.

Strategieentwicklung und Profilbildung sind in einer immer unübersichtlicher werdenden Stiftungslandschaft zu wichtigen Erfolgsvoraussetzungen für wir-kungsvolles operatives ebenso wie förderndes Handeln geworden.

Zur Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle trägt die Offenheit einer Stiftung für Monitoringprozesse und externe Evaluationen entscheidend bei. Sie unterstützen die Herausbildung einer lernenden Organisation und verschaffen der Stiftung zugleich einen zusätzlichen Reputationsgewinn.

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Stärker als in den vorangegangenen Jahrzehnten ist es erforderlich, dass eine Stif-tung heute in der Öffentlichkeit präsent ist. Die Herausbildung „einer starken Mar-ke“ (Meffert) erleichtert es ihr, die jeweiligen Ziele mit größerer Wirksamkeit zu er-reichen.

Je stärker sich Stiftungen als Impulsgeber für Veränderungsprozesse begreifen, desto mehr haben sie auch sich selbst als erneuerungsfähige, lernende Institutionen zu be-greifen. Nur diejenigen Stiftungen werden langfristig erfolgreich agieren können, die bereit sind, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen.

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Marketing von Hochschulen — Ein Rück- und Ausblick

261

Detlef Müller-Böling

Marketing von Hochschulen— Ein Rück- und Ausblick

1 Marketing als Führungsphilosophie und Managementinstrument im Hochschulbereich – Entwicklung.................................................................................263

2 Möglichkeiten und Grenzen des Hochschulmarketing – Definition.......................266

3 Märkte, Produkte und Kunden von Hochschulen.....................................................270

4 Anforderungen an die Hochschule..............................................................................276

5 Thesen zum Hochschulmarketing ...............................................................................277

6 Fazit: „10 Jahre Hochschulmarketing – schon hinter uns und noch vor uns!“ ......279

7 Literaturverzeichnis .......................................................................................................279

Prof. Dr. Detlef Müller-Böling ist Lehrstuhlinhaber für Empirische Wirtschafts- und Sozialfor-schung an der Universität Dortmund, diente der Universität Dortmund von 1990 bis 1994 als Rektor und ist seit 1994 Leiter des CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh.

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Marketing von Hochschulen — Ein Rück- und Ausblick

263

1 Marketing als Führungsphilosophie und Managementinstrument im Hochschulbereich — Entwicklung

Der „Siegeszug“ des Marketing, der im Konsumgüterbereich begann und sich seit den 1970er-Jahren auch in anderen Güter- und Dienstleistungsbereichen fortsetzte, hat längst auch die Hochschulen erreicht. Schon in den späten 1970er-Jahren (vgl. z.B. Alewell 1977) und den frühen 1980er-Jahren (vgl. z.B. Wangen-Goss 1983) finden sich erste Übertragungen auf den Hochschulkontext in der Marketing-Literatur. Aus der Mitte der 1980er-Jahre stammt dann auch das Buch „Strategic Marketing for Educatio-nal Institutions“, in dem sich erstmalig auch Kotler ausführlich mit der Übertragung auf den Hochschulkontext auseinandersetzt (vgl. Kotler/Fox 1995). Seit den frühen 1990er-Jahren gibt es zudem eine eigene Zeitschrift für das Hochschulmarketing, das „Journal of Marketing for Higher Education“. In diesem werden seither verschiedenste Fragestellungen aus dem Kontext des Hochschulmarketing diskutiert, angefangen mit Marketingstrategien (vgl. z.B. Dolinsky/Quazi 1994) bis hin zu stark operativ-anwendungsorientierten Themen wie dem „Enrollment Management“ (vgl. z.B. Grove 1992) sowie auch grundlegende Fragen zum Marketing von „Higher Education“ (vgl. z.B. Canterbury 1999).

In Deutschland dokumentiert sich die zunehmende wissenschaftliche Befassung mit dem Hochschulmarketing neben einigen Aufsatzartikeln (vgl. z.B. Fritz 1996) und Arbeitspapieren (vgl. z.B. Tutt 1997a und 1997b) in einer größeren Zahl von Dissertati-onen zu diesem Thema: Schober (2001) entwickelte ein Konzept für das Strategische Fakultätsmarketing, Trogele (1997) setzte sich mit Strategischem Marketing von Uni-versitäten auseinander, Heiland (2001) mit Marketing und Wettbewerb im deutschen Hochschulsystem, Gerhard (2004) wiederum mit dem Konzept der Hochschulmarke. Auch wenn diese Arbeiten (sieht man einmal von der erstgenannten ab) häufig nicht über einen relativ schlichten Transfer des Marketinginstrumentariums und -vokabu-lars auf den Hochschulkontext hinauskommen, haben sie doch alle ihren Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion geleistet. Dass das Thema nach wie vor aktuell ist, zeigt sich zudem in einer erheblichen Zahl von Anfragen und Nachfragen zu Theorie und Praxis des Hochschulmarketing, die zurzeit auch wieder im CHE Centrum für Hoch-schulentwicklung auflaufen. Ein nicht unerheblicher Anteil dieser Anfragen kommt von Studierenden, die sich im Rahmen von Seminar- und Examensarbeiten mit Fragen des Hochschulmarketing befassen. Dabei hat dies bereits eine vergleichsweise lange Historie. Exemplarisch sei nur auf die Diplomarbeit von Siminovskaia (1997) verwie-sen, die sich bereits 1997 mit zielgruppenorientiertem Hochschulmarketing befasst hat.

Darüber hinaus existiert ein breites Grundverständnis, dass Hochschulmarketing seine Wurzeln im Dienstleistungsmarketing hat, was sich in Deutschland unter anderem in

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Detlef Müller-Böling

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entsprechenden Grundlagenaufsätzen (vgl. Hansen 1998 und 1999) und Sammelwer-ken (vgl. Stauss et al. 1999) dokumentiert. Darüber hinaus findet dieses Grundver-ständnis schon in den früheren 1990er-Jahren mit Adaptionen von Instrumenten der Qualitäts- und Zufriedenheitsmessung aus dem Dienstleistungsbereich seinen Nieder-schlag in wissenschaftlicher und hochschulpraktischer Auseinandersetzung mit dem Marketing, so beispielsweise in der Entwicklung der Lehrevaluationsinstrumente TEACH-Q (vgl. Hansen et al. 1997; Hennig-Thurau/Hansen 1998) und FACULTY-Q (Hansen et al. 2000).

In Anerkennung des zweiten Wesensmerkmals des Hochschulmarketings erfolgen Adaptionen des Beziehungsmarketings im Hochschulkontext, zunächst in den USA (vgl. z.B. Holdford/White 1997) und später auch in Deutschland. Ein entsprechender Ansatz liegt auch dem Hochschulbindungsmodell (vgl. Langer et al. 2001) zugrunde, welches auch Basis der einschlägigen praktischen Arbeit des CHE in Hochschulen ist. Das Modell konnte empirisch überprüft und weitgehend bestätigt werden, was schließlich seinen Niederschlag in einer Publikation im Journal of Service Research fand (vgl. Hennig-Thurau et al. 2001).

Diese wissenschaftliche Entwicklung findet ihre Entsprechung – oder genauer sogar ihre Grundlage und Berechtigung – in einer realgeschichtlichen Entwicklung, im Zuge derer eine stärker als zuvor ausgeprägte Marktorientierung von Hochschulen auf Basis der Implementierung von Marktmechanismen im Hochschulsystem stattfindet. Dies wiederum findet seinen Ausdruck in einem sich vollziehenden Perspektivwechsel der Hochschulen von einer reinen Angebots- zu einer Nachfrageorientierung. Fand – ganz analog zur Entwicklung im Konsumgüterbereich des Nachkriegsdeutschlands – zu-nächst nahezu jedes Hochschulangebot auch seine Abnehmer, entstehen mit einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Angebote der Hochschulen gerade in Zeiten einer rückläufigen Studiennachfrage auch immer wieder Nachfragelücken. In den östlichen Bundesländern Deutschlands wird dies bereits in den kommenden Jahren besonders ausgeprägt der Fall sein, während im Westen noch ein Nachfrageüberhang zu verzeichnen ist. Aber auch dieser Nachfrageüberhang wird gegen Ende des zweiten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts abschmelzen (vgl. Buch et al. 2006).

Entscheidend für den Einzug des Marketing in die Hochschulen war mithin bisher (und wird zukünftig auch bleiben) der zunehmende Wettbewerbsdruck, dem sich Hochschulen ausgesetzt sehen. Um in diesem Wettbewerb bestehen zu können, haben die Hochschulen bereits in vielen Bundesländern mehr Autonomie erhalten. Die da-durch gewonnenen Freiheiten für die Hochschulen begründen gleichzeitig neue Her-ausforderungen, die Marketing für Hochschulen attraktiv machen. Hochschulmarke-ting steht somit in engem Zusammenhang mit dem Leitbild der entfesselten Hoch-schule (vgl. Müller-Böling 2000). Profiliertheit und Wettbewerblichkeit als Kennzeichen der entfesselten Hochschulen verlangen ebenfalls nach neuen Instrumen-ten des Hochschulmanagements. An vielen Hochschulen sind bereits Leitbilder und

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Marketing von Hochschulen — Ein Rück- und Ausblick

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Strategien entwickelt worden. Das Hochschulmarketing kann nun bei der konkreten Umsetzung von Nutzen sein.

Auf den oben angesprochenen und auch von den Hochschulen wahrgenommenen zunehmenden Wettbewerb um Studierende und Finanzmittel haben viele Hochschu-len mit einer aktiven PR- und Kommunikationspolitik reagiert. Folgt man jedoch der Philosophie des Marketings, so greift dies allein zu kurz. Gesucht ist für jede Hoch-schule ein ganzheitliches Marketingkonzept, welches konsequent vom Markt und den Zielgruppen („Kunden“) her denkt und auch die übrigen Instrumentalbereiche des Marketing berücksichtigt. Nur durch ein integriertes Marketingkonzept, das z.B. auch die marktorientierte Gestaltung von „Produkten“ in Lehre und Forschung einschließt, kann diesen Herausforderungen adäquat entsprochen werden. Thematisiert wurde dies bereits in den 1990er-Jahren vereinzelt aus dem Kreise der Presse- und Öffent-lichkeitsarbeiter in Hochschulen (vgl. z.B. Hellstern 1997) und hat dort auch die Debat-te um das Verhältnis von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und Mar-keting befördert.

Konsens ist unterdessen, dass es zwar gelingen mag, durch aktive Kommunikation kurzfristige Erfolge, wie z.B. die Erhöhung der Zahl der Studienanfänger, zu errei-chen. Damit ist aber der langfristige Erfolg, gemessen z.B. an der Zahl der Studieren-den, einer geringen Drop-Out-Quote, entsprechend hohen Absolventenzahlen und aktiven und gebundenen Studierenden bzw. Alumni, nicht garantiert. Hierzu bedarf es weiterer Anstrengungen.

Diese grundlegende Erkenntnis hat sich bereits frühzeitig im internationalen Hoch-schulmarketing durchgesetzt. Mit Blick auf die tatsächliche Umsetzung und Anwen-dung von Marketinginstrumenten im deutschen Hochschulsystem hat zunächst das durch den DAAD Deutschen Akademischen Austausch Dienst und GATE Germany (als einem Konsortium deutscher Hochschulen) vorangetriebene internationale Hoch-schulmarketing (vgl. u.a. DAAD 1999) deutliche Erfahrungs- und Umsetzungsfort-schritte in deutschen Hochschulen erbracht. Zudem wurde damit die Akzeptanz des Marketings als einem Instrument des Hochschulmanagements deutlich verbessert. Dazu beigetragen haben die (akquisitorischen) Erfolge des internationalen Hoch-schulmarketing. In der Folge der ersten Aktivitäten stieg der Anteil ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen deutlich an. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass ein Marketing von Hochschulen (auch internationaler Art) sich nicht alleine auf werblich-kommunikative Instrumente stützen kann. Den akquisitorischen Erfolgen standen nämlich ziemlich schnell offenkundige Probleme gegenüber: Ange-bote stimmten nicht mit den Erwartungen ausländischer Studierender überein (bspw. fehlende Services, keine englischsprachigen Angebote) und die Preispolitik stand vor neuen Herausforderungen: Keine Gebühren zu erheben, war und ist teilweise schwer kommunizierbar, da damit auch fehlende Qualität assoziiert wird. Die Erhebung hö-herer Gebühren wiederum war und ist im Wettbewerb mit anglophonen Ländern international für deutsche Hochschulen nur schwer durchsetzbar. Diese und weitere

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Herausforderungen waren dann auch Thema eines Symposiums von CHE und DAAD im Jahr 2003 (vgl. DAAD 2004). Die Universität Kassel und das CHE haben sich eben-falls mit den diesbezüglichen Anforderungen an das Marketing-Controlling, insbe-sondere auslandsorientierter Studiengänge, auseinandergesetzt (vgl. Armbruster et al. 2005).

Parallel zum Ausbau der internationalen Marketingaktivitäten der deutschen Hoch-schulen, begannen auch erste Marketinganwendungen innerhalb Deutschlands. Das CHE hat seither in einer Vielzahl von Projekten Hochschulen bei Entwicklung und Implementierung von Marketingstrategien begleitet (vgl. CHE 2006a). Dabei wurden unter anderem vielfältige erste Ansätze und Instrumente des Hochschulmarketing aus den Kontexten Student Recruitment, Markenpolitik und Standortmarketing abgeleitet.

Seit 2004 besteht zudem die CHE-Marketing-Runde (vgl. CHE 2006b). Dabei handelt es sich um ein Expertengremium, das sich zum Ziel gesetzt hat, Fragestellungen des Marketing von Hochschulen zu diskutieren und die gewonnenen Erkenntnisse in geeigneter Form an die Hochschulöffentlichkeit weiterzugeben. Erste Publikationen aus dem Umfeld der CHE-Marketing-Runde existieren zur Imagepolitik von Hoch-schulen (vgl. CHE-Marketingrunde 2005) und zu Mastermärkten (vgl. Hüning/Langer 2006).

Der Rückblick zeigt vielfältige Aktivitäten von Marketingwissenschaft und Hoch-schulmarketingpraxis. Ansatzweise scheinen zudem schon die noch offenen Fragen und Probleme auf. Vor allem aber werden die weiter fortschreitende Internationalisie-rung der deutschen Hochschulen im Zuge der Globalisierung sowie der demographi-sche Wandel mit geändertem Mobilitätsverhalten der Studierenden bei gleichzeitig steigender (auch finanzieller) Autonomie der Hochschulen das Hochschulmarketing als Instrument oder gar Leitidee des Hochschulmanagements noch weiter befördern. Dafür wird es auch erforderlich sein, Marketing stärker als bisher über eine rein in-strumentelle Sichtweise hinaus zu einem Führungsinstrument der Hochschulen wei-terzuentwickeln.

2 Möglichkeiten und Grenzen des Hochschulmarketing — Definition

Marktorientiertes Verhalten ist für Unternehmen in aller Regel dem schlichten Bedürf-nis nach Sicherung der eigenen Existenz geschuldet. Dort wo Hochschulmarketing auch als strategisches Instrument der Hochschulleitung verstanden wird, entwickelt sich dieses markt- oder auch marketingorientierte Verhalten ebenfalls aus der Er-kenntnis heraus, dass die langfristige Existenzsicherung der jeweiligen Hochschulen

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anders nicht zu erreichen sein wird. Die aus diesem Langfristziel abgeleiteten Zielstel-lungen des Hochschulmarketing (und damit die Möglichkeiten) lassen sich aus den laufenden Aktivitäten von Hochschulen im Marketing ablesen. Hochschulmarketing kann unter anderem zu folgenden Aspekten beitragen respektive eingesetzt werden:

Studierendenwerbung/-Recruitment: Es gilt, die Kapazitäten über mehr Werbung auszulasten. Mithilfe von Studienprogrammen, in denen es Zulassungsbeschrän-kungen und Auswahlprozeduren gibt, können bessere Bewerber gewonnen wer-den.

Studiengebühren: Mit der schrittweisen Einführung von Studiengebühren in ver-schiedenen Bundesländern gewinnt auch die Preispolitik als einem weiteren In-strumentalbereich der Hochschulen an Bedeutung.

Schulprogramme: Viele Hochschulen arbeiten unterdessen intensiv mit Schulen und Schülern zusammen. Dadurch kommen sie zum einen ihrer bildungspolitischen Verantwortung nach. Zum anderen wird dadurch aber auch die Basis für eine re-gional höhere Studierbereitschaft gelegt und es werden Präferenzen für die jewei-lige Hochschule geformt.

Imagepolitik: Das Bild der Hochschule bei den verschiedenen Stakeholdern (Gesell-schaft, Bevölkerung, Politiker, Arbeitgeber etc.) ist zu verbessern und positiv zu gestalten sowie inhaltlich zu unterfüttern.

Public Understanding of Sciences and Humanities („PUSH“): Damit wird gleicherma-ßen die Allgemeinbildung gefördert, Wissenschaft für breite Schichten der Bevöl-kerung begreifbar und zum anderen auch die Bedeutung von Hochschulen für Ge-sellschaft und Region erfahrbar gemacht.

Internetkommunikation: Entsprechend der hohen Bedeutung des Internets in der Außenkommunikation richten die Hochschulen ihre Interntauftritte auf die Be-dürfnisse ihrer Zielgruppen aus.

Alumniarbeit: Insbesondere in der gestiegenen Bedeutung dieses Bereiches für das Hochschulmarketing kommt die Relevanz eines beziehungsorientierten Hoch-schulmarketings zum Ausdruck. Gleichzeitig ist dies einer der Bereiche, in dem be-reits umfängliche Aktivitäten einschließlich eines Investments in Personal und Strukturen an deutschen Hochschulen etabliert sind. Dabei entspringen die Aktivi-täten der Erkenntnis, dass eben diese Netzwerke mit Blick auf Imagebildung, Fundraising, Werbung durch Weiterempfehlung etc. von hoher Bedeutung für die Hochschulen sind.

Fundraising: Auch hier entstehen erste Strukturen an Hochschulen. Umfängliche wissenschaftliche, praktische und beraterische Aktivitäten charakterisieren diesen Bereich des (Beschaffungs-) Marketings. Unbefriedigend erscheinen dabei bis dato die angesichts dieser Aktivitäten eher bescheidenen Erfolge in diesem Bereich.

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Sonstiges: Weiterhin werden die Optimierung der Student Services sowie des jewei-ligen Umfeldes respektive des Campus betrieben, Hochschulgründungen im Aus-land vorgenommen, Studienprogramme in anderen Ländern angeboten und mit-hin exportiert sowie Weiterbildungsprogramme etabliert. Das bedeutet mit Blick auf die erstgenannte Entwicklung, dass hier auch Konsequenzen aus dem Dienst-leistungscharakter von Hochschulangeboten gezogen werden. Mit Blick auf die zweite Entwicklung wird weiterhin deutlich, dass auch der vierte Instrumentalbe-reich (der der Distribution der Angebote einer Hochschule) mittlerweile Gegen-stand des Hochschulmarketings ist.

Damit wird klar, wie umfänglich bereits die Marketingaktivitäten von Hochschulen sind. Der vollständige Marketingmix wird unterdessen eingesetzt, um Hochschulen marktorientiert zu steuern. Vor diesem (eher operativen) Hintergrund können nun folgende (häufig durch die Hochschulen selbst nicht explizierte) strategische Zielstel-lungen des Hochschulmarketing deduziert werden. Hochschulen wollen mit ihren Marketingaktivitäten vor allem Folgendes erreichen:

Lebenslange Bindung (ehemaliger) Studierender,

Kapazitätsauslastung,

Verbesserung und Diversifizierung der finanziellen Basis,

Entwicklung eines positiven Images in der Öffentlichkeit.

Dabei ordnen sich eben diese Marketing-Ziele dem eingangs angeführten Oberziel der langfristigen Existenzsicherung der jeweiligen Hochschule unter. Die Ziele machen auch deutlich, dass es angesichts einer Vielzahl von Stakeholdern erforderlich ist, dass die verschiedenen Aufgabenfelder Public Relations, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und Marketing von Hochschulen Hand in Hand arbeiten, will man einen Erfolg bewerkstelligen.

Die Möglichkeiten sind hiermit umfassend und unter Berücksichtigung der realen Hochschulmarketing-Aktivitäten beschrieben worden. Entsprechend der in dieser Hinsicht eher positiven Grundeinstellung in den Hochschulen wurde dies bewusst in den Vordergrund gerückt.

Auf der anderen Seite stehen eben diesen Möglichkeiten auch Grenzen gegenüber. Dabei ist entscheidend, wo sich über die allgemeinen Grenzen des Marketings hinaus, hochschulspezifische Grenzen für den Einsatz des Marketings ergeben bzw. identifi-zieren lassen.

Unterschiede zum privatwirtschaftlichen Dienstleistungssektor ergeben sich insbe-sondere aus dem Bildungsauftrag der Hochschulen zum einen und den Spezifika hochschulbezogener Forschung zum anderen. Unterschiedliche Anspruchsgruppen (z.B. die Gesellschaft im Allgemeinen oder Arbeitgeber) formulieren eigene Anforde-rungen hinsichtlich der universitären Forschung und Lehre (Hansen et al. 1998). Das

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Marketing von Hochschulen — Ein Rück- und Ausblick

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bedeutet, dass die Hochschule sich nicht nur an den Wünschen ihrer Kunden im enge-ren Sinne (Studierende, Drittmittelgeber) orientieren kann, sondern dass durch die Interessen der gesellschaftlichen Anspruchsgruppen ein Rahmen (der Bildungsauf-trag) definiert wird, innerhalb dessen der Hochschule die Ausgestaltung ihrer Tätig-keit obliegt. In einer vergleichbaren Situation befinden sich allerdings beispielsweise Beratungsgesellschaften, die im Rahmen ihrer Dienstleistungstätigkeit insbesondere durch rechtliche Rahmenbedingungen (z.B. im Steuerrecht) in ihrer Kundenorientie-rung beschränkt sind. Der Bildungsauftrag impliziert aber darüber hinaus immer auch eine Angebotsorientierung, die unabhängig von der Nachfrage zu sein hat. Das heißt, es ist erforderlich, dass jeder Lehrer im Rahmen seiner – im Übrigen grundgesetzlich garantierten Autonomie – auch Inhalte und Werte in die Lehre einbringen kann, die (aktuell) nicht nachgefragt werden. Ebenso gilt dies für die Forschung. Sofern nur noch geforscht wird, was absehbar nachgefragt wird, hat die Universität ihren gesell-schaftlichen Auftrag und ihre Sinngebung verloren. An diesen beiden Punkten stößt Hochschulmarketing eindeutig an seine Grenzen, macht es aber keineswegs überflüs-sig.

Für ein tiefer gehendes Verständnis dessen, was auch Hochschulmarketing in letzter Konsequenz bedeutet, mag es instruktiv sein, noch einmal folgende – gängige – Mar-ketingdefinitionen zu betrachten:

„Marketing ist die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung.“ (Meffert 1990, S. 29)

Oder etwas präziser:

„Marketing bedeutet dementsprechend Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmungsziele im gesamtwirtschaftlichen Güterversorgungsprozess verwirklicht werden.“ (Meffert 1990, S. 31)

Für das Hochschulmarketing ließe sich dies analog formulieren. Entscheidend ist also auch hier, dass es nicht um etwas Zufälliges geht und dass Marketing immer die ge-samte Hochschule betrifft, dies schließt insbesondere auch die Hochschulleitung ein. Weiterhin hat auch Hochschulmarketing die Aufgabe, sich mit seinen Aktivitäten auf Märkte zu richten, die es folglich zu identifizieren und zu bearbeiten gilt.

Dabei hat Marketing selbst wiederum einem Leitbild zu folgen:

„Das Leitbild für das Marketing ist ein Austausch in freier Wahl bei fairen Bedingun-gen unter geschäftsfähigen Partnern zum Wertgewinn beider.“ (Kotler 2001, S. 5)

Ohne Fairness, ohne freie Wahl und wechselseitigen Wertgewinn ist demnach Marke-ting zum Scheitern verurteilt. Dies lässt sich so ohne weiteres auch für das Hoch-schulmarketing postulieren.

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3 Märkte, Produkte und Kunden von Hochschulen

Eine Diskussion des Hochschulmarketings unterstellt, dass auch Hochschulen auf Märkten agieren, auf denen Kunden ihre Produkte nachfragen. Genau darüber sich zu vergewissern, ist zwingende Voraussetzung, will man mit Instrumenten des Marke-tings in Hochschulzusammenhängen arbeiten. Vor allem hat auf Seiten der Hochschu-len ein Rahmen vorhanden zu sein, innerhalb dessen ein marktorientiertes Verhalten auch tatsächlich belohnt wird. Dazu gehört zum einen, dass eine mangelnde Nachfra-ge überhaupt auftreten kann. Dies ist, wie vorstehend gezeigt wurde, durchaus denk-bar. Des Weiteren sind daraus auch Konsequenzen für die Hochschule abzuleiten. Das ist noch nicht immer der Fall. Wenigstens den folgenden Anreizen werden Hochschu-len allerdings bereits heute oder in naher Zukunft ausgesetzt (sein):

Grundausstattung in Abhängigkeit von Studierendenzahlen,

Berücksichtigung von Studierendenzahlen in formelgebundener Mittelverteilung,

Finanzierung nach dem Prinzip „GefoS - Geld folgt Studierenden“ im Zusammen-hang mit dem Hochschulpakt und den kommenden regional ungleichen Entwick-lungen der Studienanfängerzahlen im Bundesgebiet,

Unmittelbare Mittelzuflüsse aufgrund von Studiengebühren,

Forschungsmittel in Abhängigkeit von Forschungsleistungen und Forschungsrepu-tation,

Lenkung von Studierendenströmen (und in der Folge auch Mittel) durch Leis-tungstransparenz aufgrund etwa des CHE HochschulRanking,

Reputationsgewinne durch Transparenz von Forschungsleistungen aufgrund etwa des CHE ForschungsRanking.

Aufgrund der Eigengesetzlichkeit von Wissenschaft bleibt indes zunächst die Frage offen, worin denn nun genau die Produkte und Kunden, also Märkte von Hochschu-len bestehen und worin hier der Zusammenhang zum Marketing zu suchen ist.

Kernprodukte der Hochschulen sind zunächst Forschung und Lehre sowie Weiterbil-dung. Darüber hinaus definiert das Hochschulrahmengesetz und nachgeordnet die Landeshochschulgesetze bislang als Produkte auch die Weiterbildung des Hochschul-personals, die Förderung der sozialen Belange der Studierenden, die Unterstützung der internationalen Zusammenarbeit im Hochschulbereich und des Wissens- und Technologietransfers sowie die Unterrichtung der Öffentlichkeit über ihre (die der Hochschulen) Arbeit. Hinzu kommen weitere Produkte, die sich nur indirekt aus dem vorgenannten ergeben, die aber für die Erfüllung der dort bezeichneten Aufgaben

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erforderlich sind. Dies sind vor allem beratende und unterstützende Dienstleistungen wie z.B. die Studienberatung und die Fachstudienberatung oder die Fremdsprachen-ausbildung, aber auch die sozialen Angebote einer Hochschule wie z.B. Mensen, Cafe-terien und Hochschulsport, und Angebote, die Hochschulen in ihrer Eigenschaft als Kulturträger unterbreiten.

Es wird bereits hier deutlich, dass die Hochschulen mit ihren verschiedenen (Dienst-) Leistungen ähnlich wie ein „Mehrproduktunternehmen“ sich an verschiedene Kun-dengruppen richten. Von einer Dienstleistung kann genau genommen nur im Falle der Lehre und den ergänzenden Angeboten gesprochen werden, da nur hier die Merkmale von Dienstleistungen vollständig erfüllt sind. Nur gegenüber den Studierenden als Kunden der Hochschule werden die hinter den Leistungen liegenden Prozesse trans-parent und nur die Studierenden sind als Kunden in den Leistungserstellungsprozess involviert (vgl. Hansen 1999, S. 5). Forschung oder Transfer als Leistungen der Hoch-schule dagegen besitzen diese Merkmale i.d.R. nicht (sieht man einmal von Kooperati-onsprojekten u.Ä. ab).

Abb. 1 gibt in Anlehnung an Hansen (1999) die verschiedenen Märkte, Produkte und Kunden von Hochschulen wieder.

Abbildung 1: Märkte von Hochschulen (in Anlehnung an Hansen 1999, S. 5)

Wissensmarkt

Arbeitsmarkt

Ausbildungsmarkt

gesellschaftliche Anspruchsgruppen

gesellschaftliche Anspruchsgruppen

Hochschule Lehre

Produkt

Kunde + Produkt

potentielle

Studierendeaktuelle

Produkt

Arbeitskräfte

Forschungsergebnisse

Produkt

Kunde

Unternehmen,Behörden,

Hochschulen...

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Demzufolge, und dies steht auch in Einklang mit den vorstehenden Ausführungen, agiert die Hochschule auf insgesamt drei Märkten, namentlich dem Ausbildungs-, dem Wissens- sowie dem Arbeitsmarkt. Dabei ist dem Ausbildungsmarkt auch die interne Weiterbildung der eigenen Mitarbeitenden sowie Weiterbildung im Allgemei-nen und auch die Ausbildung im nichtwissenschaftlichen Bereich als Arbeitgeber im dualen Ausbildungssystem zuzuordnen.

Kunden der Hochschulen sind demzufolge die Hochschule selbst, gesellschaftliche Anspruchsgruppen, potentielle und aktuelle Studierende sowie Unternehmen, Behör-den, andere Hochschulen etc. Gesellschaftliche Anspruchsgruppen, wie in Abb. 2 wiedergegeben, definieren den Bildungsauftrag der Hochschule und damit die rechtli-chen und normativen Rahmenbedingungen der Tätigkeit der Hochschulen. Dabei schlagen sich deren unterschiedliche Interessen im Bildungsauftrag der Hochschulen nieder (vgl. Hansen et al. 2000, S. 26f.).

Abbildung 2: Anspruchsgruppen der Hochschule (in Anlehnung an Hansen et al. 2000, S. 27)

Gemeinde/Bevölkerung Schülerglobale

Öffentlichkeit JournalistenPolitiker

Wirtschaft Bildungseinrichtungenforschungsfördernde Institutionen

Hochschule Assistenten

nicht-wiss. Personal

Professoren

Studenten

AbsolventenAngehörige

andere Universitäten

scientific community

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Marketing von Hochschulen — Ein Rück- und Ausblick

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Gleichzeitig sind diese gesellschaftlichen Anspruchsgruppen wiederum Abnehmer der Leistungen der Hochschule, insbesondere der Forschungsergebnisse und der Arbeits-kräfte. Im Zentrum des Schaubildes und im Zentrum der Aktivitäten der Hochschulen stehen die Studierenden. Sie sind Abnehmer verschiedenster Leistungen der Hoch-schule, namentlich der Lehre sowie von Forschungsergebnissen. Unternehmen, Be-hörden, Hochschulen etc. fragen als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfte aus den Hochschulen nach, bedienen sich zudem des Wissens der Hochschulen und sind potentielle Abnehmer von Weiterbildungsangeboten der Hochschulen. Deutlich werden folgende Spezifika des Gesamtmarktes von Hochschulen:

1. Der Markt der Hochschulen besteht aus mindestens drei miteinander verbunde-nen Teilmärkten. Ein Teil dieser Verbundenheit resultiert dabei aus den Studie-renden als Bindeglied, da diese im Laufe ihres Lebens sowohl als Studierende, als Mitglieder der Hochschule, als Arbeitgeber sowie als Vertreter gesellschaftlicher Ansprüche als Kunde der Hochschule in Erscheinung treten.

2. Lehre und Forschung sind die originären Produkte der Hochschule, unabhängig davon, ob zu deren Erstellung weitere Dienstleistungen notwendig sind oder ob aus diesen beiden Kernprodukten weitere Produkte wie z.B. Arbeitskräfte hervor-gehen.

3. In dieser Marktsituation sind die Studierenden Kunde und (als Absolventen) Produkt der Hochschule zugleich und darüber hinaus rein formal auch Mitglied der Hochschule mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten.

4. In ihrer Art heterogene gesellschaftliche Anspruchsgruppen sind von den Aktivi-täten der Hochschule auf allen Märkten betroffen und artikulieren ihre Ansprüche übergreifend oder Teilmarkt-spezifisch.

5. Für die Leistungen der Hochschule werden in weiten Teilen keine nennenswerten direkten Gegenleistungen erbracht. Auf der anderen Seite sind alle Kunden der Hochschule auch an deren Finanzierung beteiligt. Für alle gilt, dass sie über ihre Steuerzahlungen Anteil an der Finanzierung der Hochschulen haben. Gesell-schaftliche Anspruchsgruppen sind außerdem je nach Art auch direkt oder indi-rekt (z.B. forschungsfördernde Institutionen) an der Finanzierung beteiligt. Ar-beitgeber zahlen i.d.R. keine direkten Preise für die Abnahme von Arbeitskräften, sind aber ebenfalls z.B. über Stiftungen, Förderprogramme und Steuergelder an der Hochschulfinanzierung beteiligt und entrichten darüber hinaus ggf. Gebühren für die Verwertung von Forschungsergebnissen der Hochschulen. Studierende als zentrale Kunden der Hochschule dagegen entrichten entsprechend den Umstän-den (Bundesland, Studiendauer, Hochschultyp) für die an ihnen erbrachten Dienstleistungen Gebühren, so z.B. Verwaltungskostenbeiträge und Studienge-bühren als Finanzierungsbeitrag und zahlen darüber zumindest indirekt einen Preis in Form von Opportunitätskosten, Lebenshaltungskosten etc.

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Mit den genannten Aufgaben in Lehre, Forschung und Weiterbildung sind gleichzeitig verschiedene Märkte angesprochen, auf denen Hochschulen agieren. Je nach betrach-tetem Markt wandeln sich auch die Zielgruppen bzw. in der Terminologie des Marke-tings die „Kundengruppen“. Grundsätzlich lassen sich hier (wenigstens) fünf Ziel-gruppen unterscheiden, die für das Hochschulmarketing von Bedeutung sind: die Studierenden, die Alumni, die „Scientific Community“ einschließlich der Hochschul-angehörigen, die Unternehmen bzw. die zukünftigen Arbeitgeber sowie die allgemei-ne Öffentlichkeit. Die zielgruppenorientierte Sichtweise des Marketings erfordert eine Berücksichtigung der jeweils relevanten Zielgruppen. Für die Lehre wären dies bei-spielsweise in erster Linie die Studierenden sowie die zukünftigen Arbeitgeber. Hoch-schulmarketing bedarf folglich zuerst einer konkreten Eingrenzung des betrachteten Marktes und dann einer Identifikation der relevanten Zielgruppen. Die Marktfor-schung kann dann genauere Informationen über die Zielgruppen, insbesondere deren Erwartungen an die Hochschulen, zugänglich und verfügbar machen. Liegen diese Informationen vor, so kann der so genannte Marketingmix zum Einsatz kommen. Dieser liefert Instrumente für die Leistungspolitik (s.o.), die Kommunikationspolitik, die Distributionspolitik sowie die Preispolitik der Hochschulen.

Abbildung 3 veranschaulicht diese Logik in Anlehnung an eine Darstellung, die sich bei Schober (2001) findet. Gleichzeitig macht diese die Komplexität des Hochschul-marketings deutlich und lässt erahnen, warum in der Umsetzungsrealität so viele gut gemeinte und ambitionierte Marketingprojekte an Hochschulen scheitern. Die mar-kierte Säule beispielsweise steht für das Studierendenmarketing, welches derzeit in aller Regel im Zentrum der Marketingaktivitäten von Hochschulen steht.

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Marketing von Hochschulen — Ein Rück- und Ausblick

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Abbildung 3: Der Hochschulmarketing-Kubus mit den Dimensionen Angebote, Marketing-mix und Zielgruppen (in Anlehnung an Schober 2001, S. 280)

Preis

Distribution

Kommunikation

Produkt

Forschung

Lehre

Wirt-schaft

Hoch-schule

Studie-rende Alumni

Weiterbildungsonstige Leist.

Sonstige Öffentl.

Hochschulen und Fachbereiche befassen sich im Rahmen ihrer profilierungsbedingten Ausdifferenzierung des Lehrangebotes zunehmend mit Fragen der marktorientierten Lehrangebotsentwicklung. Sie entsprechen damit zugleich den Anforderungen einer sich spezialisierenden Wissenschaft und einer zunehmenden Nachfrage nach mehr oder minder unmittelbar für den Beruf qualifizierenden Abschlüssen. Der Bologna-Prozess hat Hochschulen dabei in besonderer Weise dazu inspiriert und befähigt, spezifische Studiengänge auf der Basis von Modularisierung und gestuften Abschlüs-sen zu konzipieren. Das wachsende Angebot an Studiengängen steht jedoch einer begrenzten Zahl geeigneter Studierwilliger gegenüber und lässt den Wettbewerbs-druck zwischen den Hochschulen steigen. Hinzu kommt eine zunehmende Intranspa-renz des Marktes für Lehrangebote, was Konsequenzen für das Studierendenmarke-ting sowohl mit Blick auf potenzielle Studienanfänger als auch mit Blick auf deren zukünftige Arbeitgeber hat.

Dabei stellt sich den Hochschulen bei der Entwicklung neuer und bei der Pflege beste-hender Studiengänge die grundlegende Marketingfrage:

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Für wen ist welches Studienangebot zu welchem Preis bereitzustellen und wie wird dieses Angebot kommuniziert? Und genau hier setzt ein umfassendes Marketingkon-zept an. Marktforschung und Marktsegmentierung helfen bei der Klärung der Frage „Für wen?“, die Produktpolitik legt fest „Welches Studienangebot?“, im Rahmen der Preispolitik wird geklärt „Zu welchem Preis“ und durch die Kommunikationspolitik wird das Konzept abgerundet: „Wie kann das Angebot gegenüber Arbeitgebern und Studienanfängern kommuniziert werden?“

Diese beispielhafte Problemstellung aus dem Studierendenmarketing kann im Marke-tingkubus für vielfältige Fragestellungen durchgegangen werden, wie z.B. Weiterbil-dung, Alumni, Forschung von Hochschulen oder Public Understanding of Sciences and Humanities.

4 Anforderungen an die Hochschule

Um die vorstehend skizzierte Komplexität in den Griff zu bekommen, sind für das Hochschulmarketing bestimmte Rahmenbedingungen zu schaffen, ohne die Hoch-schulmarketing in sinnvoller Weise nicht betrieben werden kann. Dies sind insbeson-dere folgende:

Marketing-Ziele: Zuerst ist zu prüfen, wie aus an der Hochschule vorhandenen Leitbild- und Strategieinhalten operationale Marketing-Ziele abgeleitet werden können. Diese stellen den Zielpunkt für alle Marketingaktivitäten dar und dienen gleichzeitig als Maßstab für das Marketing-Controlling. Bis dato unterbleibt dieser Schritt häufig, was wenig spezifische Marketingmaßnahmen der Hochschulen zur Folge hat oder wenigstens eine hochschulseitige Erfolgskontrolle verhindert.

Marketing-Organisation: Als nächstes ist zu überlegen, wie Marketing in der Hoch-schule zu verankern ist. Es erscheint zunächst wenig realistisch, vom Start weg da-für eine vollständig neue Organisationsstruktur zu schaffen. Wo immer es möglich ist, die neuen Marketingaufgaben durch Verantwortungszuordnung mit den be-stehenden Strukturen zu bewältigen oder an diese anzubinden, ist diese Möglich-keit zu nutzen. Marketing ist ohnedies bei Weitem nicht vollständig an eine wie auch immer geartete Abteilung delegierbar.

Ort der Marketing-Verantwortung: Zweierlei ist unstrittig, und zwar zum ersten, dass Marketingkompetenzen zentral gebündelt und bereitzustellen sind und zum zwei-ten, dass eine dezentrale Mitverantwortung unabdingbar ist. Es ist also zu klären, welche Marketingentscheidungen zentral getroffen werden können und wo nur dezentral in den Fachbereichen über die relevanten Marketinginhalte entschieden werden kann.

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Marketing-Information: Marketing braucht eine informatorische Basis. Hierzu ist insbesondere die Frage zu klären, durch wen und vor allem auch wie Marktfor-schung für die Hochschule zukünftig zu betreiben ist.

Internes Marketing: Die Zielgruppen-, Markt- und Wettbewerbsorientierung als Handlungsmaxime des Marketing ist einer möglichst großen Zahl von Hochschul-angehörigen zu vermitteln. Marketing richtet sich folglich nicht nur nach außen, sondern ist auch intern zu vermitteln.

Marketing-Kompetenz: Wenn Marketing eine (neue) Aufgabe größerer Teile der Hochschule ist, dann kann Marketingkompetenz nur begrenzt von außen einge-kauft werden. Marketing-Kompetenz ist im Rahmen von Personalentwicklungs-konzepten auch intern aufzubauen. Dies gilt auch für die Leitungsebene der Hoch-schule, die sich mit der Frage geeigneter marktorientierter Führung zu befassen hat.

Marketing-Budget: Hochschulmarketing ist auch eine Frage des Budgets. Es ist immer eine Investition in die Zukunft der Hochschule. Damit ergibt sich aber schon die erste Schwierigkeit: Vergleichsweise hohe Kosten entstehen sofort, die daraus resultierenden Wirkungen sind erst in der Zukunft zu beobachten und sind heute oft nicht mit direkten finanziellen Erträgen verbunden.

5 Thesen zum Hochschulmarketing

Zusammenfassend lassen sich folgende Thesen zu Stand, Entwicklung und Anforde-rungen des Hochschulmarketing bilden:

These 1: Hochschulmarketing ist bereits Realität.

Hochschulen betreiben Marketing, weil sich Märkte für Angebote von Hochschulen im Zuge der Reform zur entfesselten Hochschule und von Internationalisierung und Globalisierung entwickeln.

These 2: Hochschulen haben zunehmend Marketing zu betreiben.

Die Entwicklung von Nachfragermärkten für Angebote von Hochschulen wird sich – nicht zuletzt aufgrund der langfristigen demografischen Trends – weiter fortsetzen. Hochschulen, die diesen Herausforderungen offensiv begegnen wollen, haben sich des Marketings als Instrumentenkasten und Führungsphilosophie zu bedienen.

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These 3: Hochschulmarketing hat Grenzen.

So klar der Trend zu einer zunehmenden Bedeutung des Marketings ist, so klar ist auch, dass es Bereiche innerhalb der Hochschule gibt, die – insbesondere im Bereich der Grundlagenforschung – einer Eigengesetzlichkeit unterliegen, die sich mit Marke-ting nicht bearbeiten lässt. Hochschulmarketing findet seine Grenzen ganz klar in der Freiheit von Forschung und Lehre und im Bildungsauftrag der Hochschulen.

These 4: In der Lehre wird das gesamte Instrumentarium des Marketings zur Anwendung kommen.

Vom Produkt über die Kommunikation und Distribution bis zum Preis hat das Hoch-schulmarketing in der Lehre das gesamte Spektrum zu beachten und zu gestalten.

These 5: In der Forschung wird ein Schwerpunkt bei der Kommunikation liegen.

Bei der (grundlagenorientierten) Forschung ist das Hochschulmarketing überwiegend auf die Kommunikation zur Erzielung von Reputation begrenzt.

These 6: Hochschulen sind noch nicht hinreichend für Hochschulmarketing aufgestellt.

Die meisten Hochschulen haben für ein erfolgreiches Hochschulmarketing erst die notwendigen Strukturen zu schaffen. Die diesbezüglichen Anforderungen sind hoch. So gilt es, zunächst eine Marketingorganisation aufzubauen, Marketing als Führungs-aufgabe zu verankern sowie eine kritische Masse an Marketingkompetenz auszubil-den.

These 7: Hochschulmarketing ist Relationship Marketing.

Hochschulen agieren nicht allein „im hier und jetzt“, sondern es ist für sie erforderlich, sich strategisch aufzustellen. Der Bezugsrahmen auch für das Marketing ist langfristi-ger Natur – wer heute für die Hochschule noch Student ist, kann morgen schon ein interessanter Arbeitgeberkontakt sein. Beziehungen zu etablieren und zu pflegen so-wie in den Mittelpunkt auch des Hochschulmarketings zu stellen, ist zwingend. Der relevante theoretisch-konzeptionelle Bezugsrahmen ist daher das Beziehungsmarke-ting und dessen „Instrumentenkasten“.

These 8: Hochschulmarketing ist und bleibt immer eine Investition.

Hochschulmarketing ressourcenfrei betreiben zu wollen, ist unsinnig. Hochschulen haben für ihre Marketingaktivitäten auch bereit zu sein, die notwendigen Ressourcen bereitzustellen.

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6 Fazit: „10 Jahre Hochschulmarketing — schon hinter uns und noch vor uns!“

Die wissenschaftliche Diskussion des Hochschulmarketings blickt auch im deutsch-sprachigen Raum bald auf 25 Jahre zurück. Die konsequente Anwendung von Marke-ting-Techniken von und für Hochschulen ist allerdings deutlich jünger. Praktisches Hochschulmarketing findet seinen Ausgangspunkt wohl etwa 10 Jahre zurück, wo erstmalig beispielsweise die – allerdings immer noch aktuelle – Frage, ob auf die Öf-fentlichkeitsarbeit nun das Marketing folge, gestellt wurde. Seither hat sich das Hoch-schulmarketing gleichermaßen in Theorie und Praxis dynamisch weiterentwickelt – und doch ist festzustellen, dass es immer noch am Anfang steht. Insofern liegen nicht nur 10 Jahre Hochschulmarketing hinter uns, sondern auch noch vor uns.

Die jüngsten Neuregelungen mit Blick auf die Einführung von Studienbeiträgen und die noch zu erwartenden Reformen in den kommenden Jahren werden dabei noch einmal ganz neue Impulse setzen. Mit den Einnahmen ergeben sich für Hochschulen neue Gestaltungsspielräume mit Blick auf die Studienangebote, aber auch neue Not-wendigkeiten, sich im Rahmen der Gebührenfestsetzung auch mit preispolitischen Erwägungen auseinanderzusetzen und sich in der Kommunikation von einer reinen Angebotskommunikation weiterzuentwickeln hin zur Kommunikation von Preis-Leistungs-Verhältnissen. Neue Herausforderungen im Sinne einer gesteigerten Bedeu-tung des Marketings von und für Hochschulen kommen auf diese in den nächsten Jahren zu. Ob sie erfolgreich mit ihrem Marketing sind, wird davon abhängen, inwie-weit es ihnen gelingt, nicht nur die notwendigen Fachkompetenzen zu akkumulieren, sondern auch, inwieweit die jeweiligen Hochschulleitungen die neue Führungsver-antwortung im Sinne einer Marktorientierung ihrer Hochschulen annehmen.

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Ernst Buschor

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Bildungseinrichtungen

1 Besondere Merkmale der Bildungsgüter.....................................................................285

2 Wachsende Bedeutung der Globalisierung.................................................................287

3 Das Bildungswesen der deutschsprachigen Länder zwischen staatlicher Regulierung und vermehrter Wettbewerbssteuerung ...............................................288

4 Vielfältiges Instrumentarium zur Wettbewerbsförderung im Bildungswesen ......292

5 Integriertes Bildungsmarketing in wettbewerbsgesteuerten Bildungssystemen...294

6 Neue Verwaltungskultur für eine wettbewerbsorientierte Bildungsverfassung ...296

7 Literaturverzeichnis .......................................................................................................297

Prof. Dr. Ernst Buschor ist Vorsitzender des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung, zuvor hatte er die Professur für Betriebswirtschaftslehre und das Prorektorat der Universität St. Gallen sowie als Mitglied der Kantonsregierung Zürich die Leitung der Bildungsdirektion inne.

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1 Besondere Merkmale der Bildungsgüter

Bildungsgüter weisen eine Reihe von Merkmalen auf, welche ihre Marktfähigkeit begrenzen. Zwar gelten solche Merkmale, wie z. B. Langfristwirkung, auch für Bauten, oder der Distanzschutz der Vorschulphase auch für gewerbliche Tätigkeiten (z.B. Kaminfeger). Bei Bildungsgütern kumulieren aber solche Merkmale in besonderer Weise, was die klassische Marktbeurteilung durch die Leistungserwerber erschwert und damit einer Marktsteuerung spezifische Grenzen setzt.

Ein besonderer Aspekt ist die Langfristwirkung, deren Wirkungszuteilung auf einzel-ne Bildungsstufen oft an praktische Grenzen stößt. So zeigen die Analysen von PISA, dass eine gut konzipierte Vorschulphase vor allem bei bildungsfernen Milieus oder Immigrantenfamilien die Zahl der „poor performers“ massiv senken kann, weil spezi-fische Defizite schon in der Vorschulphase abgebaut werden können (z. B. Legasthe-nie, Diskalkulie, Kenntnisse der Lokalsprache, motorische Defizite usw.). Dies belegen vor allem auch die relativ niedrigen Anteile von „poor performers“ in den nordischen Ländern mit einer gut ausgebauten, allgemein zugänglichen und weitgehend unent-geltlichen Vorschulphase. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Vorschul-phase entscheidend ist für die Chancenfairness – eine eigentliche Chancengleichheit erfordert auch in den folgenden Bildungsphasen noch gezielte Maßnahmen. Die Mes-sung der Langfristwirkung und vor allem ihre kausale Zuordnung auf einzelne Maß-nahmen erweist sich aber als sehr schwierig. Wegen der komplexen, sich über mehrere Jahre erstreckenden Wirkungsgefüge und der häufigen Verstärker oder Bremseffekte anderer Maßnahmen oder außerschulischen Faktoren im Bildungsprozess erfordern Nachweise komplexe Evaluationen, deren Kosten die Behörden häufig scheuen.

Ein ähnliches Problem stellen die langen Produktionszyklen dar. Von der Vorschule bis zum Abschluss eines Hochschulstudiums verstreichen rund zwanzig Jahre mit vielen schulischen und außerschulischen Einflüssen. Eine kausale Rückführung von Wirkungen auf einzelne Interventionen ist daher oft schwierig und vor allem für den Laien nur bedingt möglich. Gesamtökonomisch haben aber mehrere Länder den Nachweis erbracht, dass mit steigender Bildung die Gefahr der Arbeitslosigkeit deut-lich sinkt und die kapitalisierte Rendite der eingesetzten Bildungsaufwendungen („Bildungsinvestitionen“) steigt. Bildung lohnt sich somit sowohl gesamtwirtschaftlich als auch für den Einzelnen.

Der hohe gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Nutzen wurde vor allem seit dem 19. Jahrhundert vermehrt erkannt. Dies führte zur Einführung der allgemeinen Volksschulpflicht und zu einer Gründungswelle von Universitäten. Dabei verlief die Entwicklung in Europa und in den USA unterschiedlich. In Europa führte dies – im Wesentlichen bis heute – zur überwiegend unentgeltlichen Bereitstellung der Bil-dungsangebote durch den Staat. Dieser bestimmt die Inhalte und stellt die Angebote in staatlichen Einrichtungen zur Verfügung. Die staatliche Finanzierung von Angebo-

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ten ohne oder mit teilweiser Entgeltpflicht wird in der Ökonomie als Meritorisierung bezeichnet. Sie hat die doppelte Wirkung einer höheren Nachfrage nach Bildungsleis-tungen (teilweise als Folge des Besuchsobligatoriums) und gleichzeitig einer höheren gesamtwirtschaftlichen Produktivität.

Kontrovers ist die Frage, inwiefern in hoch entwickelten Gesellschaften die Meritori-sierung abgebaut werden kann. So zeigt sich zum Teil insofern ein sinkender Grenz-nutzen, als die Bildungsproduktivitätsunterschiede tendenziell insbesondere zwischen der höheren Berufsbildung, Fachhochschulen und Universitäten abnehmen; dem steht allerdings gegenüber, dass der Wert der Bildung auch einen hohen individuellen Nut-zen haben kann. Zudem belegt das Beispiel der USA, dass auch mit einer geringen Meritorisierung der höheren Bildung eine hohe gesamtwirtschaftliche Produktivität erreicht werden kann. Zum Teil stellt sich daher die Frage, ob eine weitgehende Meri-torisierung des gesamten Bildungswesens den ökonomischen Charakter einer Subven-tionierung des individuellen Konsums erhält, wenn Bildungsinvestitionen keine oder eine sinkende Produktivität gegenübersteht. Die Debatte wird durch den Umstand erschwert, dass die bildungsökonomische Forschung noch einer erheblichen Entwick-lung bedarf. Es gilt daher, die Diskussion um die Studiengebühren und den Ersatz von Stipendien durch Studiendarlehen auch aus dieser Perspektive zu beurteilen. Man kann durchaus den Standpunkt vertreten, dass im Rahmen einer notwendigen Sen-kung der öffentlichen Verschuldung und der Staatsquote auch ein erheblicher Abbau der Bildungsmeritorisierung vor allem auf höheren Bildungsstufen zu prüfen ist, die erheblich über die gegenwärtige Diskussion der Studiengebühren hinausgeht. Dabei stellen sich auch Fragen der durch höhere (Markt-)Entgelte möglichen Wettbewerbs-steuerung des Bildungswesens und einer damit möglichen Neupositionierung der Rolle der Bildungsinstitutionen, auf die noch zurückzukommen ist. Generell werden die Möglichkeiten eines Bildungswettbewerbs und damit auch der marktwirtschaftli-chen Steuerung zu prüfen sein.

Ein weiterer Aspekt ist der Umstand, dass oft die die Bildungsleistungen beanspru-chende Person nicht oder nur teilweise faktischer Entscheidungsträger ist. Dies gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche und ist im Rahmen einer Marketingstrategie zu beachten. Es sind die betroffene Person und die Entscheidungsträger anzusprechen. Schließlich stehen Bildungsleistungen vor allem für Kinder und Jugendliche unter einem Distanzschutz. Für viele Erziehungsverantwortliche sind die Transportmöglich-keiten beschränkt. Dies reduziert die Intensität des Wettbewerbs u. U. entscheidend oder verunmöglicht ihn in ländlichen Räumen sogar. Damit wird teilweise auch ein staatliches Bildungsmonopol begründet.

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2 Wachsende Bedeutung der Globalisierung

Bei der Wirkungsbeurteilung der Bildungsangebote ist zu beachten, dass der raschere technische Fortschritt zum Teil als Folge der Globalisierung der Märkte zu einer sin-kenden Halbwertszeit des Wissens geführt hat. Dies senkt tendenziell die Bildungs-renditen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass vor allem hoch entwickelte Indust-riestaaten ihren Wohlstand nur halten und mehren können, wenn sie im Innovations-wettbewerb eine Spitzenposition einnehmen. Dies erfordert zum einen eine hoch entwickelte, effiziente Forschung sowie zum anderen deren rasche und breite Umset-zung in Güter und Dienstleistungen. Wesentlich ist, dass die gesamte Prozesskette optimiert wird; es genügt nicht, nur über Spitzenforschungsergebnisse oder eine rati-onelle Industrie zu verfügen. Hier bestehen vor allem in Europa noch Defizite. Mit dem Lissabon-Prozess will hier die Europäische Union gegenüber den USA und Japan aufholen, was allerdings bis jetzt nicht gelungen ist (vgl. European Scoreboard 2005 sowie Innovation Strengths and Weaknesses 2005). Die Innovationskapazität liegt immer noch deutlich hinter derjenigen der USA und Japans zurück, wobei sie auch unter den europäischen Ländern erheblich variiert. Bildungsleistungen sind Teil eines komplexen Wirkungsgefüges, dessen Analyse teilweise noch zu wünschen übrig lässt.

Diese Darlegungen zeigen, dass wir uns in wachsendem Maße auch in einem interna-tionalen Bildungswettbewerb befinden. Den sichtbaren Ausdruck findet dies etwa in PISA, mit dem die Leistungsfähigkeit der Volksschulsysteme verglichen wird (vgl. OECD 2003). Im Hochschulbereich ist auf die wachsende Zahl internationaler Ran-kings hinzuweisen. Vor allem das Shanghai Higher Education Ranking entfaltet eine wachsende Lenkungswirkung, indem asiatische Länder ihre Studierenden in die Spit-zenuniversitäten schicken. Eine wichtige Folge ist auch die deutsche Exzellenzinitiati-ve, mit der die Präsenz der deutschen Universitäten in der internationalen Kopfgrup-pe verstärkt wird. Auch im European Innovation Scoreboard steht der Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit vor allem auf Hochschulebene im Mittelpunkt.

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3 Das Bildungswesen der deutschsprachigen Länder zwischen staatlicher Regulierung und vermehrter Wettbewerbssteuerung

Das Bildungswesen der deutschsprachigen wie auch der romanischen Länder ist durch eine ausgeprägt staatliche Versorgung und einen hohen Regulierungsgrad ge-kennzeichnet. Private Bildungsträger spielen eine untergeordnete Rolle. Sie versorgen in Deutschland und der Schweiz einen Anteil von 4-6 Prozent der Auszubildenden. Dies ist, wie bereits aufgezeigt wurde, durch die frühe Meritorisierung des Bildungs-wesens mit der damals wohl einzigen Möglichkeit staatlicher Versorgung zu erklären.

Vor allem im Rahmen des New Public Management wurde auch in Kontinentaleuropa – vorwiegend in den Niederlanden und den nordischen Ländern – im anglo-amerikanischen Raum entwickelte Modelle übernommen und dem eigenen sozio-kulturellen Kontext angepasst. Solche Modelle inspirieren sich an den allgemeinen Grundsätzen des New Public Management: Klare Aufgabentrennung zwischen Finan-zierungsträgern (Enabler) und Dienstleistungserbringern (Providern) sowie möglichst weitgehende Delegation vor allem der operativen Aufgaben (Devolution). New Public Management ist eher eine Bewegung als ein fest gefügtes Modell. Es gibt auch in Deutschland vielfältige Formen des New Public Management: moderner Staat, akti-vierender Staat oder neues Steuerungsmodell auf kommunaler Stufe sind Beispiele. In der Schweiz werden solche Modelle als „wirkungsorientierte Verwaltungsführung“ bezeichnet. Lange Zeit war Neuseeland ein Mekka des New Public Management. Zurzeit sind Australien und einzelne nordische Länder besonders zu erwähnen. Aber auch andere Länder wie das Vereinigte Königreich haben bemerkenswerte Ansätze entwickelt.

Dabei bestehen zwei Hauptgruppen von Ansätzen. Der erste ist der management-orientierte Ansatz, der vor allem in Europa verbreitet ist. Er operiert mit Instrumenten wie Globalbudget und Leistungsaufträgen. Im anglo-amerikanischen Raum ist der Marketisation-Ansatz stärker verbreitet. Hier werden vor allem Privatisierungen der Aufgabenerfüllung angestrebt. Hauptsächliche Instrumente sind Ausschreibungen und Kontrakte mit der Privatwirtschaft und mit privatisierten Institutionen. Beiden Modellen sind zwei Instrumente und die Kulturprägung gemeinsam:

das Kostenmanagement,

das Benchmarking (Leistungsvergleiche),

die Aufwertung der Führung (Leadership) und

eine Innovationshaltung, die künftige Entwicklungen proaktiv einbezieht.

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In der jüngsten Zeit geht die Diskussion eher in Richtung Public Governance. Diese Modelle sind kaum von Weiterentwicklungen des New Public Management abzu-grenzen. Teilweise ist das eine Folge des Consultings, bei dem oft weniger die Inhalte, aber alle paar Jahre die Namen geändert werden, um am Markt neue Kunden zu gene-rieren. Dadurch werden oft mehr Verunsicherungen als neue Reformimpulse bewirkt (vgl. Bolay 2006, S. 325 ff.). Das niederländische Finanzministerium definiert die Public Governance wie folgt: „Governance will die Verbindung zwischen Führung, Kontrolle und Oberaufsicht der staatlichen und vom Staat unterstützten Organisationen so ge-stalten, dass die Ziele selbstverantwortlich, effizient und effektiv sowie in offener Kommunikation von der Institution zum Wohl der Betroffenen und Beteiligten er-reicht werden.“ (Ministry of Finance, 2001 S. 9).

Diese Kulturprägung erfordert die Abschaffung bestehender und die Einführung neuer Steuerungsformen. Im europäischen Raum dominiert die konditionale Regel-steuerung, die vor allem in Deutschland das Verwaltungsgeschehen geradezu einseitig prägt. Es sind dies im Wesentlichen staatliche Vorschriften, die detailliert festlegen, was zu tun ist. Dies hat den Vorteil der hohen Berechenbarkeit der Verwaltung. In der klassischen Hoheitsverwaltung (z. B. Straf- oder Steuerrecht) steht diese Steuerungs-form im Zentrum. Im Bereich der finanziell und personell dominierenden Leistungs-verwaltung ist damit aber die entscheidende Schwäche verbunden, dass Eigeninitiati-ve und Innovation zu kurz kommen, was sich längerfristig in mehrfacher Hinsicht nachteilig auswirkt (bürokratisches Verhalten, sinkende Bürgernähe usw.).

Eine andere Form, die mit dieser konditionalen Regelsteuerung eng verbunden ist, ist die Steuerung über die Professionalität. Im Bildungswesen ist das sehr ausgeprägt der Fall. Das auf Max Weber zurückgehende Konzept sieht vor, dass die Lehrpersonen so gut ausgebildet werden, dass sie lebenslang in der Lage sind, guten Unterricht zu erteilen. Die berufliche Qualifikation der einzelnen Lehrperson steht im Zentrum. Die Gefahr ist groß, dass Lehrpersonen zu Einzelkämpfern werden. Das Standesdenken ist bei Lehrpersonen, wie auch bei Ärzten oder anderen Berufsgruppen, sehr ausgeprägt. Diese Form der professionellen Führung hat zwar große Vorteile. Sobald aber Leistun-gen im Team oder in Netzwerken zu erbringen sind, zeigen sich empfindliche Schwä-chen. Dies trifft vor allem dann zu, wenn Bildungseinrichtungen auf sich ändernde Kontexte zu reagieren haben und Lerninhalte und Lernformen innovativ weiterzu-entwickeln sind.

Beim Managementansatz des New Public Management sind die zentralen Instrumente die Leistungsaufträge, die Globalbudgets und Ausschreibungen. Wesentlich ist ferner der Leistungslohn und die Belohnung von Spitzenleistungen. Die erwähnte Innovations-förderung und das Networking nehmen im New Public Management und zunehmend auch in der Wissenschaft eine Schlüsselrolle ein. Verwaltungsreformen, die solche konstitutiven Elemente nicht konsequent einsetzen, scheitern.

Im Bildungswesen werden Innovation und proaktives Verhalten immer wichtiger. Zehn Aspekte sind für das Bildungswesen zentral. Die Wertschöpfungsketten werden

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zunehmend global angeordnet und damit auch die Arbeitsmärkte globalisiert. Einzel-ne Produktionsphasen werden ins Ausland verlagert, andere kommen wieder hierher. Dies führt zu einem dauernden Kommen und Gehen. Es stellt sehr hohe Ansprüche an die Weiterbildung, weil sich die Rahmen- und Produktionsbedingungen dauernd ändern. Wir werden nur im Wohlstand überleben, wenn wir innovativ sind. Der Inno-vationswettbewerb ist eine zentrale Form des Wettbewerbs. Je dienstleistungsorientier-ter die Volkswirtschaften werden, umso wichtiger werden kommunikative Fähigkei-ten. Gleichzeitig haben wir eine fortschreitende Informatisierung in integrierte Prozes-se, die höhere Ansprüche an das Lernen und an die Mitarbeitenden stellen. Mit dem Fortschritt sinkt die Halbwertzeit des Fachwissens. Das Orientierungswissen wird nicht unter die Halbwertszeit fallen. Wir haben einen schnellen Wechsel der Anforde-rungen. Daraus entstehen Anforderungen, denen das Bildungswesen gerecht zu wer-den hat. Wir werden in Zukunft eine Verringerung der Stammbelegschaft und eine wesentlich niedrigere Arbeitsplatzsicherheit haben, weil sich die Rahmenbedingungen rascher verändern. Das hat weitreichende Folgen für die ganze Ausbildung. Wir wer-den mit neuen Lebens- und Arbeitszeitmodellen leben.

Das Beispiel PISA illustriert, wie sich Elemente des Bildungswesens und des New Public Management in einem solchen Konzept vermengen (vgl. OECD 2003). Acht Elemente charakterisieren die besten Schulsysteme:

Gute Schulsysteme haben evaluierte Standards. In Deutschland sind sie im Auf-bau. Die KMK hat die ersten Standards verabschiedet. Die Evaluation von Stan-dards setzt Eigen- und Fremdevaluation voraus.

Gute Schulen verfügen über eine hohe Schulautonomie, die wesentlich größer als in Deutschland ist. Diese Autonomie dient der innovativen Gestaltung in der Schu-le selbst.

Die Schulen verwenden nicht nur nationale oder regionale Standards, sondern sie setzen selbst lokal angepasste klare und kontrollierte Lern- und Leistungsziele. Diese sind charakteristisch für erfolgreiche Bildungssysteme.

Gute Schulen haben einen positiven Umgang mit Multikulturalität.

Sehr wichtig sind Ergänzungsstrukturen in den Schulen. Es ist Wert darauf zu legen, dass alle Schüler in einem Schulsystem mitgetragen werden. Die Betreuung ist ein Element, das neben der rein kognitiven Vermittlung von Wissen gerade für Schwächere eine Schlüsselrolle einnimmt.

Gute Schulen verfügen über ein Schulklima des Vertrauens und sind vom Geist der Innovation geprägt.

Typisch für New Public Management ist der Elterneinbezug (client orientation) im Sinne der Kunden- oder Elternorientierung.

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Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Bildungseinrichtungen

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Schließlich ist die ganzheitliche Sicht des Schulsystems wichtig. Hier ist auch auf die Vorschulphase zu verweisen, die eine Schlüsselrolle für die gesamte Schulung spielt oder die Begleitung der Jugendlichen bei der Berufswahl.

Das Gleiche gilt auch für die Universitäts-Governance. Schon im Jahre 2000 hat die Österreichische Rektorenkonferenz zehn Merkmale einer NPM-Universität aufgeführt. Es sind dies (vgl. Titscher/Winckler 2000, S. 62):

Eigene Rechtspersönlichkeit der Universität,

Wissenschaftsfreiheit,

Mehrjährige Leistungsaufträge mit Leistungs- und Zielvorgaben sowie verbindlichen Mittelzuteilungen,

Finanzielle Gewährleistung des freien Hochschulzugangs,

Universitäre Festlegung des Forschungs- und Studienangebots,

Starke Senkung der staatlichen Regelungsdichte,

Universitäre Satzungsautonomie für Entscheidungsstrukturen,

Vereinfachte, transparente Entscheidungsstrukturen,

Regelmäßige interne und externe Evaluation,

Vermehrte privatrechtliche Dienstverhältnisse,

Mögliches Dienstleistungsangebot,

Reduktion der Ministerialverwaltung,

Teilrechtsfähigkeit der Institute etc.,

Sonderstatus der medizinischen Fakultät.

Diese Grundsätze der neuen Universitätsreform der österreichischen Rektorenkonfe-renz enthalten viele Elemente des New Public Management. Eine Universität hat die Aufgabe, in einem stark deregulierten Umfeld mit Innovationen ein überzeugendes Profil umzusetzen. Dazu benötigen die Hochschulen eine klare Führungsstruktur. New Public Management neigt bewusst mehr zu Personen- und weniger zu den klas-sischen universitären Gremienentscheiden. Vor allem große Gremien bewirken Kollek-tivierungen von Verantwortung, die letzten Endes niemanden persönlich treffen. Es sind zwar alle beteiligt, aber keiner ist klar verantwortlich. New Public Management will klare Verantwortlichkeiten schaffen und diese personalisieren. Wir geraten damit in Konflikt mit der klassischen Gremienorganisation der meisten Bildungseinrichtun-gen.

In der Schweiz ist ein so genanntes nationales Bildungsmonitoring im Aufbau, das fünf Bereiche umfasst. Der erste Bereich ist der Kontext der Bildungsvermittlung, der

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Ernst Buschor

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zweite Bereich enthält die Inputs (verfügbare finanzielle und personelle Ressourcen, Studienanfänger usw.). Es folgen die Prozesse (was kostet ein Studienjahr bzw. ein Studienabschluss?). Im Rahmen der Outputmessung werden die Anzahl der Ab-schlüsse auf den verschiedenen Ausbildungsstufen erfasst. Die schwierigste Dimensi-on ist die Messung der Wirkungen. Dabei werden die Hochschulabsolventen ein Jahr und fünf Jahre nach Studienabschluss über ihre Beurteilung des Studiums und ihre gegenwärtige Position am Arbeitsmarkt befragt. Es werden detailliert die Zufrieden-heit mit einzelnen Studienteilen sowie allfällige Ausbildungslücken erhoben. Insge-samt werden die fünf Dimensionen Kontext, Inputs, Prozesse, Outputs und Wirkun-gen erfasst (vgl. Bundesamt für Statistik 2003).

Es braucht Globalbudgets mit Zielen und Leistungen. Diese sind schulintern durch Kontrakte zu ergänzen. Die Schulleitung hat die Aufgabe, mit den Fakultäten, Institu-ten usw. Kontrakte mit Ressourcenvorgaben und Leistungen festzulegen, die nachher kontrolliert werden. Es ist wichtig, dass Transparenz auf der Kostenseite (Vollkosten-rechnung) sowie bei den erbrachten Leistungen und erzielten Wirkungen besteht. Im Rahmen einer solchen Autonomisierung gehen viele Funktionen von der Ministerial-verwaltung in die Schulen über. Deshalb ist geplant, die Ministerialverwaltung zu reduzieren. Wenn die Verwaltung weiter in der gleichen Größe besteht, wird sie sich über kurz oder lang neue eigene Steuerungswege schaffen.

4 Vielfältiges Instrumentarium zur Wettbewerbsförderung im Bildungswesen

Wie diese Ausführungen zeigen, hat der Verzicht auf eine marktwirtschaftliche Steue-rung des Bildungswesens zum Teil historisch und verwaltungskulturell bedingte Gründe. Deshalb werden auch im Bildungswesen managementorientierte Ansätze des New Public Managements im Vordergrund stehen. Auf allen Bildungsstufen ist eine wesentliche Vorbedingung neuer Steuerungsmodelle die Gewährleistung einer hohen und umfassenden Schulautonomie im dargestellten Sinne mit kompetenten Schullei-tungen als Führungsorgane. Hier sind im deutschsprachigen Raum vor allem auf der Hochschulstufe bedeutende Fortschritte zu verzeichnen. Auf der Primär- und Sekun-darstufe sind solche Modelle in der Schweiz in breitem Maße eingeführt, in Deutsch-land befinden sie sich in einzelnen Bundesländern in der Einführungsphase. Die Ber-telsmann Stiftung hat mit den Schulprojekten wesentliche Impulse vermittelt (vgl. www.bertelsmann-stiftung.de/Bildung). Bei den Berufsbildungsschulen ist der Frei-heitsgrad niedrig, was vor allem durch die Einflussnahme der Verbände auf die Berufe bedingt ist. Dass dies auch in einem dualen Berufsbildungsmodell mit Erfolg anders

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sein kann, belegt das dänische Berufsbildungsmodell. Dort spielt sich die Zusammen-arbeit mit der Wirtschaft und die Gestaltung der Berufsbildungsmodule maßgeblich im regionalen Rahmen mit den Schulen ab (vgl. Carl Bertelsmann Preis 1999, Berufli-che Bildung der Zukunft, verliehen an das Königreich Dänemark). Bei den Gymnasien besteht nur sehr bedingt eine freie, wettbewerbsgesteuerte Schulwahl, wobei aber private Anbieter in der Regel faktisch durch das unentgeltliche staatliche Schulmono-pol diskriminiert sind. Hingegen besteht unter den öffentlichen Hochschulen eine weitgehende Freizügigkeit bei der Schulwahl. Mit den laufenden Bologna-Reformen wird diese sogar international ausgeweitet. Allerdings sind durch die weitgehende Unentgeltlichkeit des Hochschulbesuchs bei den staatlichen Universitäten die privaten Träger ebenfalls faktisch erheblich diskriminiert.

Eine wettbewerbsgesteuerte Volksschule (Vorschule oder Kindergarten, Primär- und Sekundarstufe I) ist somit möglich, wenn den Eltern das Recht auf die freie und un-entgeltliche Schulwahl eingeräumt wird. Gleichzeitig hat aber eine Gleichbehandlung öffentlicher und privater Schulen über gleich bemessene Schülerpauschalen auf Voll-kostenbasis für Schüler an privaten und öffentlichen Schulen zu erfolgen (Privatschu-len erhalten in der Regel keine oder nur teilweise kostendeckende öffentliche Leistun-gen). Als Gegenleistung sind allgemeine Standards auch von privaten Trägern zu erfüllen. Es sind dies der Nachweis der erforderlichen Lehrkompetenz, in der Regel die prioritäre Aufnahme von Schülern im näheren Umkreis der Schule und eine hohe Offenheit bei der Schüleraufnahme. Hier ist vor allem auf das holländische Schulmo-dell zu verweisen, das einen hohen Anteil solcher privater (zumeist kirchlicher) Schu-len mit einer konfessionell nicht gebundenen Schüleraufnahme aufweist; allgemein ist wohl festzuhalten, dass es sich bei Privatschulen mehrheitlich um nicht erwerbswirt-schaftliche (häufig kirchliche) Träger, Stiftungen usw. handelt, die keine Gewinnziele verfolgen. Insofern ist eine rein marktwirtschaftliche Steuerung begrenzt vorhanden. Dennoch weisen sich Formen der freien Schulwahl auch in privaten Schulen effizienz- und qualitätsfördernd aus, wie die Erfahrungen mehrerer Länder belegen. Im Kern handelt es sich häufig um offene Formen der Performance-Steuerung über Wettbewerb und nicht um klassische Marktsteuerung über Preise; erwerbswirtschaftliche Träger sind aber in der Regel zugelassen. Gewinnen sind jedoch relativ enge Grenzen gesetzt. Bei privaten, rein marktwirtschaftlich geführten Trägern dürfte daher in der Regel das Engagement an bestimmten Bildungsaufgaben dominanter sein als die Absicht, hohe Gewinne zu erzielen.

Solche Öffnungen der Bildungssysteme für private Anbieter setzen allerdings voraus, dass die ministeriellen oder kommunalen Schulverwaltungen eine klare Trennung zwischen der Behörde, welche aufgrund von Ausschreibungen Verträge mit (gleichge-stellten) öffentlichen und privaten Schulen abschließt, und den öffentlichen Schulträ-gern erreichen. In der Regel werden Standardkosten als Grundlage dienen. Die Ver-tragsschulen haben entsprechende Rechnungs- und Qualitätsstandards zu erfüllen. Denkbar sind in einem solchen Modell auch Verträge, mit denen z. B. Kommunen eigene Räumlichkeiten an private Schulträger gegen Entgelt zur Verfügung stellen,

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damit bei sinkenden Schülerzahlen bestehende Schulräumlichkeiten weiter genutzt werden können.

Die Sicherung einer bestimmten Qualität und deren Transparenz nach außen erfordert allerdings zusätzliche Monitoringkosten der Schulen und der Behörden. Sie sind in der Regel in Standards zu umschreiben. Dabei ist auf Verhältnismäßigkeit zwischen effektivem Nutzen und Verwaltungskosten zu achten, da häufig die Gefahr ausufern-der Anforderungen besteht. Ein solches Monitoring wird zweckmäßigerweise Indika-toren, Selbstevaluation der Institutionen und Peer reviews sowie – zumindest auf der Primär- und Sekundarstufe – periodische Leistungstests umfassen. Soweit Informatio-nen nicht unter den Persönlichkeitsschutz fallen, sind sie öffentlich zugänglich zu machen, was die Wahl der Schule erleichtert.

Interessant sind die Performance-Ergebnisse unterschiedlicher Steuerungssysteme. Im Bereich der Volksschule weisen Länder, wie Deutschland oder die Schweiz, mit klassi-schen bürokratischen Schulsteuerungssystemen größere Anteile an schwachen Schü-lern auf als Länder mit freier Schulwahl (vgl. OECD 2003). Die freie Schulwahl schafft somit für Eltern und Schüler positive Anreize. Anders verläuft die Entwicklung auf der Hochschulstufe. Im Allgemeinen begünstigen dort wettbewerbsgesteuerte Syste-me eine faktische Hierarchisierung der Hochschulen, was wohl vor allem durch die wettbewerbsgesteuerte Vergabe von Forschungsgeldern bewirkt wird.

5 Integriertes Bildungsmarketing in wettbewerbsgesteuertenBildungssystemen

Die Vorteile einer wettbewerbsorientierten Bildungsverfassung bestehen darin, dass – wie PISA belegt – bei entsprechenden flankierenden Maßnahmen die Chancengleich-heit und Qualität der unteren Bildungsstufen gesteigert wird. Heute kommt den pri-vaten Schulträgern insofern weitgehend eine Lückenbüßerrolle zu, als sie sich auf Marktnischen im staatlichen Schulsystem zu konzentrieren haben, weil sie als allge-meine Anbieter weitgehend diskriminiert sind. Eine konsequente Gleichstellung aller (auch privater) Schulträger setzt neue Formen der Finanzierung und die Trennung der Trägeraufgaben (Provider) von den strategischen ministeriellen Führungsaufgaben (Erlass von Standards) und Aufsichtsaufgaben (Monitoring, externes Qualitätsmana-gement) voraus. Dies bedeutet eine Abkehr von der Verwaltungskultur der umfassen-den Regelsteuerung in eine Kultur der offenen Innovations- und Qualitätsförderung. Auf der Ebene der Schulen setzt dies voraus, dass diese über umfassende operative Kompetenzen verfügen, die sie mit eigener Leadership ausüben.

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Eine solche Bildungsverfassung bedingt auch, dass die Schulen ihr besonderes Profil wirksam öffentlich kommunizieren. Dies erfordert ein aktives Schulmarketing. Sowohl Kotler als auch Meffert haben darauf hingewiesen, dass Dienstleistungs- und Nonpro-fit-Marketing besonders anspruchsvoll ist. Es sind komplexe Verhaltenanforderungen und ein häufiges Auseinanderfallen des Finanzierungsträgers (Erziehungsberichtigte – Jugendliche) zu berücksichtigen. Bildungsmarketing erfordert die Koordination eines komplexen Leistungs-, Schnittstellen- und Beziehungsmanagements (vgl. Meffert 1998, S. 978), wobei sowohl globale Trends als auch lokale Besonderheiten zu berück-sichtigen sind (global village approach). Die relative Kleinheit der Schuleinheiten setzt dem Marketing enge finanzielle Grenzen. Die Betriebswirtschaftslehre hat sich wenig mit diesen anspruchsvollen Fragestellungen befasst, deren Bewältigung für den Erfolg sehr wichtig ist.

Dazu sind die Thesen von Heribert Meffert zur Entwicklung des Dienstleistungsektors und der marktorientierten Führung von Dienstleistungsunternehmen hilfreich, die eine gute Einbettung des Marketings in die Gesamtführung und eine gezielte Pflege der (im Bildungswesen besonders vielfältigen) Stakeholder fordern. „Kundenbindung wird zur zentralen Zielgröße von Dienstleistungsunternehmen“ wobei die Preiselasti-zität im Bildungswesen gering und die Marketingbudgets in der Regel klein sein wer-den. Er verweist auch auf die besonders kostengünstigen multimedialen Kommunika-tionsmöglichkeiten (vgl. Meffert 1998, S. 976 ff).

Hinweise über Ansätze zu einem wirksamen Bildungsmarketing finden sich eher in der Literatur über Nonprofit-Organisationen. Hier sind vor allem die Arbeiten des Verbandsmanagementinstituts der Universität Freiburg/Schweiz zu erwähnen. Robert Purtschert unterstreicht in seinem Standardwerk zum Marketing für Verbände und weitere Nonprofit-Organisationen ebenfalls einen ganzheitlichen Marketingansatz, der häufig mit bescheidenen Mitteln und aufgrund eines niedrigen Informationsstandes eingesetzt wird. Bernd Helmig und Robert Purtschert bezeichnen folgende sechs Er-folgsfaktoren eines ganzheitlichen Non-Profit-Managements als zentral: Zielorientie-rung, Effizienz-/Effektivitätsorientierung, Zukunftsorientierung, Marketingorientie-rung, klare Positionierung des Leistungsangebots, wirkungsvolles Management der Austauschbeziehungen und Innovationsorientierung (vgl. Helmig et al. 2005, S. 325 ff.; Purtschert 2005).

Dabei ist insbesondere der Internetzugang zu pflegen, weil die Zugangsraten der Haushalte in den meisten zentraleuropäischen Ländern hoch sind. Sie betragen für Deutschland, Norwegen, die Schweiz und Luxemburg rund 60 Prozent. Höhere Zu-gangsraten weisen Südkorea mit 86 Prozent, Dänemark mit 69 Prozent und für die Niederlande 65 Prozent auf. Tiefere Werte weisen Finnland (51 Prozent), Österreich (45 Prozent) sowie Frankreich, Italien und Spanien (34 Prozent) auf (Bundesamt für Statistik 2006, S. 14). Für das Bildungsmarketing ist insbesondere auch wichtig, dass der Internetzugang bei den Jüngeren klar überdurchschnittlich und vor allem bei den weniger marketingrelevanten Älteren deutlich niedriger ist (vgl. Bundesamt für Statis-

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tik 2006, S. 17). Diese Möglichkeiten sind daher vor allem auch in Deutschland gut und kostengünstig nutzbar.

Leider fehlt es noch in starkem Maße an einem Angebot integrierter digitaler Füh-rungssysteme für Schulen, die Finanzen, Personalmanagement, Ressourcen und Facili-tymanagement sowie Kontakte mit Erziehungsberechtigten über Mails umfassen. Erfolgreiche PISA-Länder verfügen über eine gute Individualisierung des Unterrichts durch binnendifferenzierte Lehrmittel (Lernstoff für unterschiedliche Leistungsstufen innerhalb einer Klasse) und für Schüler individualisierte Lernzielpläne, die ohne gute Informatikunterstützung nicht durchführbar sind. Sie stellen auch dann noch hohe Anforderungen an die Lehrkräfte und die Schulen. Die Schule, die Lernenden und die Erziehungsberechtigten erhalten dabei über digitale Netze Einblick in den individuel-len Leistungsstand haben. Als – allerdings noch partielle – Ansätze sind die Schweizer Softwarepakete (Schuladministration) oder SIL (individualisiertes digitales Lernmana-gement) zu nennen.

6 Neue Verwaltungskultur für eine wettbewerbsorientierteBildungsverfassung

Wie diese Ausführungen zeigen, ist eine Ablösung der regelgesteuerten öffentlichen Bildungsversorgung durch eine wettbewerbsorientierte Bildungsverfassung möglich. Sie ist, wie die Beispiele mehrerer Länder zeigen, bürokratischen Steuerungsmodellen bezüglich der Individualisierung der Bildungsangebote, der Effizienz, der Effektivität und des Innovationspotenzials überlegen. Die Umstellung setzt aber einen umfassen-den Wandel der Verwaltungskultur voraus, ohne den das Modell nicht erfolgreich sein kann. Eine solche Verwaltungskultur kann in einer Ministerialverwaltung auf Dauer nicht isoliert für das Bildungswesen geschaffen werden, weil dann zu viele Steue-rungskonflikte mit anderen Verwaltungsbereichen entstehen. Es ist somit ein eher langer und schwieriger Weg zu einer maßgeschneiderten Lösung zu beschreiten, wie dies praktisch in den Verwaltungsreformen im deutschen Sprachraum erfolgt (Neues Steuerungsmodell [Deutschland] oder wirkungsorientierte Verwaltungsführung [Schweiz]).

Dabei ist es wichtig, dass die einzelnen Schuleinheiten über eine hohe und möglichst umfassende Autonomie verfügen (Devolution), die sie im Rahmen eines umfassenden Managementansatzes mit klarem Leadership nutzen. Hierfür bestehen noch insgesamt ungenügende Supportstrukturen. Mehrere Stiftungen und vor allem die Bertelsmann Stiftung leisten hier wertvolle und unabdingbare Entwicklungsarbeit, für die sich auch

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Heribert Meffert erfolgreich eingesetzt hat. Noch bleibt viel zu tun. Die Zukunft unse-res Wohlstandes wird maßgeblich davon abhängen, ob uns der Schritt zur Manage-mentkultur einer maßgeschneiderten Form des New Public Management und der entsprechenden Public Governance gelingt. Politik, Bildungsträger, Wissenschaft und Stiftungen sind gemeinsam gefordert.

7 Literaturverzeichnis

BOLAY, F. W. (2006): Was haben eigentlich die Bürger von der Verwaltungsreform?, in: Verwaltung und Management, 12. Jg., Nr. 6, S. 325-328.

BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2003): Indikatorsystem der Schweizer Hochschulen, Neu-châtel.

BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2006): Internetnutzung in den Haushalten der Schweiz, Neuchâtel.

EUROPEAN COMMISSION (2005): European Scoreboard 2005, Comparative Analysis of Innovation Performance.

EUROPEAN COMMISSION (2005): Innovation Strengths and Weaknesses.

HELMIG, B./PURTSCHERT, R./BECCARELLI, C. (2005): Erfolgsfaktoren im Nonprofit-Management, in: Helmig, B./Purtschert, R. (Hrsg.): Nonprofit-Management – Bei-spiele für Best-Practices im Dritten Sektor, Wiesbaden, S. 325-331.

MEFFERT, H. (1998): Marktorientierte Führung von Dienstleistungsunternehmen – State of the Art und Entwicklungsperspektiven, in: Bruhn, M./Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 970-985.

MINISTRY OF FINANCE (2001): Government Governance, Den Haag 2001.

OECD (2003): First Results from PISA 2003. Learning for tomorrow’s World, Paris.

PURTSCHERT, R. (2005): Marketing für Verbände und weitere Nonprofit-Organisatio-nen, Bern et. al.

TITSCHER, S./WINCKLER, G. (Hrsg.) (2000): Universitäten im Wettbewerb: Zur Neustruk-turierung österreichischer Universitäten, München.

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Werte betriebswirtschaftlicher Professoren in Forschung und Lehre

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Ursula Hansen, Dirk Moosmayer und Matthias Bode

Werte betriebswirtschaftlicher Professoren in Forschung und Lehre — Ergebnisse einer weltweiten Studie

1 Werte betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer als Untersuchungsgegenstand ..301

2 Theoretisches Modell zur Erklärung der Intention zur Beeinflussung von Werten ............................................................................................................................302

3 Methodik der empirischen Untersuchung..................................................................304

4 Eine empirische Perspektive auf die Wertebasis betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer..............................................................................................................3054.1 Die Wertebasis betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer...............................306

4.1.1 Werte in Bezug auf Unternehmen ..........................................................3064.1.2 Werte in Bezug auf Studierende .............................................................3084.1.3 Werte in Bezug auf die eigene Tätigkeit ................................................310

4.2 Die Teildisziplin als ausgewählter Rahmenfaktor der Wertebasis .................3124.3 Die Intention zur Beeinflussung von Werten ....................................................315

5 Eine integrative Perspektive auf Wertebasis und Beeinflussungsintention............318

6 Ausblick...........................................................................................................................320

7 Literaturverzeichnis .......................................................................................................321

Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Hansen ist Lehrstuhlinhaberin und Institutsdirektorin des Institut für Marketing und Konsum der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover.

Dirk Moosmayer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut. Prof. Dr. Matthias Bode ist Adjunkt Professor am Institute for Marketing & Management der Syd-

dansk Universitet Odense, Dänemark.

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Werte betriebswirtschaftlicher Professoren in Forschung und Lehre

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1 Werte betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer als Untersuchungsgegenstand

Es gibt deutsche Marketingwissenschaftler, die sich durch ihre Forschungsarbeiten auszeichnen. Dann gibt es welche, die sich besonders intensiv um die Weiterentwick-lung der Managementausbildung und des wissenschaftlichen Nachwuchses küm-mern. Heribert Meffert gehört zu den wenigen Ausnahmen, denen beide Aspekte, sowohl die Forschung als auch die Lehre, gleichermaßen am Herzen liegen und dies auch aktiv in ihrer Arbeit umzusetzen vermögen. Dabei wies er schon früh darauf hin, dass die Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Verantwortung innerhalb der Marke-tingwissenschaft proaktiv zu verfolgen sei und nicht einfach nur als Reaktion auf zukünftige Rahmenentwicklungen (vgl. z.B. Meffert 1978).

Wie weit wird diese Werteposition aber nun innerhalb der Marketingwissenschaft vertreten? Diese Frage stand als ein Ausgangspunkt zur Entwicklung eines For-schungsprojektes, das angestoßen und gefördert von Heribert Meffert innerhalb des IFSAM-Netzwerkes durchgeführt wurde. IFSAM ist der internationale Dachverband der nationalen und regionalen betriebswirtschaftlichen Hochschullehrerverbände (z.B. VHB, AOM, BAM). Er dient der Entwicklung einer globalen wirtschaftswissenschaftli-chen Community und der Schaffung einer Kommunikationsbasis zwischen den Mit-gliedern in Fragen der Forschung und Lehre. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, auch eine IFSAM-eigene Forschung zu betreiben.

Die Ausgangsfrage wurde international um weitere Management-Teildisziplinen er-weitert, um angesichts der zunehmenden betriebswirtschaftlichen Diskussion über Wertfragen des internationalen Managements die Chance des weltweiten IFSAM- Netzwerkes zu nutzen. Generell stand dabei nun die Frage im Vordergrund, auf wel-cher Wertebasis die Arbeit betriebswirtschaftlicher Professoren gründet und inwiefern eine dementsprechende zielgruppenseitige Veränderung von Werten im Rahmen der Forschung und Lehre angestrebt wird. Die empirische Untersuchung wurde als inter-nationale Onlinebefragung über alle Kontinente hinweg in sechs Sprachen durchge-führt. Die Ergebnisse ermöglichen somit Vergleiche zwischen Ländern und Teildiszip-linen der Betriebswirtschaftslehre.

Im Folgenden wird zunächst das theoretische Modell vorgestellt, auf dem die Befra-gung basiert, und im Anschluss daran ein Überblick über zentrale Ergebnisse gegeben.

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2 Theoretisches Modell zur Erklärung der Intention zur Beeinflussung von Werten

Das Modell (vgl. Abbildung 1) setzt auf der Ebene individueller Hochschullehrer an. Im Vordergrund stehen dabei ihre Wertebasis und die Intention, Werte zu beeinflus-sen. Um auch die individuellen und sozialen Einflussgrößen zu erfassen, werden Hochschullehrer in ihrem erweiterten Kontext betrachtet.

Die theoretische Wertekonzeption bezieht sich auf Kluckhohn (1951, S. 395), nachdem Werte verstanden werden können als „conception (…) of the desirable, which influen-ces the selection from available modes, means, and ends of action“. Die Kernvariable des Modells ist die Intention zur Beeinflussung von Werten. Die Intention umfasst An-nahmen über einen möglichen Einfluss und die Motivation, dementsprechend zu handeln (vgl. Ajzen/Fishbein 2005; Lee/Green 1991).

Die Intention zur Wertebeeinflussung kann grundsätzlich über drei zu unterscheiden-de Wirkungswege umgesetzt werden. Zunächst gibt es den Einfluss durch die Lehre. Explizit kann die Diskussion über Werte in Lehrveranstaltungen wie beispielsweise Wirtschaftsethikkursen die Werte von Studierenden modifizieren. Ein impliziter Ein-fluss ist über unterschiedliche Lehrstile und -formen sowie das Verhalten als Vorbild möglich (vgl. Kragh/Bislev 2005). Auf diese Weise können Hochschullehrer einen Einfluss auf die Werte von Studierenden haben, die als zukünftige Manager wiederum die unternehmerischen Werte der Zukunft mitgestalten. Der zweite Wirkungsweg bezieht sich auf die Forschung. Hierbei stellt die weitere Scientific Community zu-nächst den primären Adressatenkreis dar. Über die weitere Diffusion und Artikulation von Forschungsergebnissen sind auch Politiker, Medienvertreter oder Unternehmen Adressaten möglicher Wertebeeinflussungen. Die dritte Wirkungskette besteht in der direkteren Einflussnahme auf Unternehmensvertreter durch unternehmensnahe Tä-tigkeiten wie Beratung und konkrete, unternehmensbezogene Forschungsprojekte.

Die Intention zur Wertebeeinflussung wird in Stärke und Richtung von der Wertebasis der Hochschullehrer beeinflusst. Auf Basis von Experteninterviews und der Analyse empirischer Studien wurden die folgenden Wertebereiche als zentral für die modell-theoretische Rolle der Hochschullehrer ausgewählt: Werte in Bezug auf Unternehmen, in Bezug auf Studierende und in Bezug auf ihre eigene Tätigkeit.

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Werte betriebswirtschaftlicher Professoren in Forschung und Lehre

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Abbildung 1: Theoretisches Modell zur Erklärung der Wertebasis und Beeinflussungs-intention betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer

1

Umfeldfaktoren

•Fakultät•Teildisziplin•Studierende•Unternehmen

Individuelle Faktoren

•Alter•Nationalität•Geschlecht•Job Status•Akademische Ausbildung•Internationalität

Intention zur Beeinflussung von Werten

durch•Lehre•Forschung•Sonstiges(z.B. Beratung)

Wertebasis des Hochschullehrers

•Werte in Bezug aufUnternehmen

•Werte in Bezug auf Studierende

•Werte in Bezug auf eigene Tätigkeit

Individu

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Die Werte in Bezug auf Unternehmen repräsentieren die unternehmerische Idealkonzep-tion des Hochschullehrers und stellen die Antwort dar auf die Frage „Welche Art von Unternehmen wünsche ich mir?“. Werte in Bezug auf Unternehmen haben eine be-sondere Bedeutung für Hochschullehrer als zentrale Referenzpunkte für ihre wissen-schaftliche Tätigkeit. Die erwünschte Konzeption unternehmerischer Wertepositionen beeinflusst die Auswahl von Forschungsfragen und die Entwicklung von Handlungs-empfehlungen (vgl. Raffée 1993). Die Werte in Bezug auf Studierende umfassen entspre-chend die normative Konzeption des idealen Studierenden („Welche Art von Absol-venten wünsche ich mir an meiner Universität?“) und geben die Richtung vor, in der Studierende im Laufe ihres Studiums vom Erstsemester zum Absolventen zu entwi-ckeln sind. Werte in Bezug auf die eigene Tätigkeit können in allgemein-akademische und disziplinspezifische Werte unterschieden werden. Unabhängig von der jeweiligen Fachrichtung existieren allgemeine akademische Werte wie beispielsweise akademi-sche Freiheit (vgl. Altbach 2001; Merton 1942/1973) und eine grundsätzliche Einstel-lung zur Zulässigkeit und Relevanz von Werten in bestimmten Forschungszusam-

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menhängen. Disziplinspezifische Werte berühren bei betriebswirtschaftlichen Hoch-schullehrern in erster Linie die Beziehung zwischen dem Hochschullehrer als Wis-sensproduzent und den Unternehmen als Forschungsobjekt und auch potenzieller Adressat der generierten Wissensprodukte. Diese Diskussion hat in der betriebswirt-schaftlichen Literatur bereits eine lange Tradition im Methodenstreit zur reinen Wis-senschaft oder Kunstlehre, wie sie sich bei der Entstehung der BWL aus den Handels-hochschulen zeigte (z.B. Schmalenbach 1911/1912) oder nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Erich Gutenberg (1953) und Konrad Mellerowicz (1952). In einer breiteren Perspektive können auch darüber hinaus gehende Einflüsse unternehmerischen Han-delns, z.B. auf die Umwelt oder auf relevante Stakeholdergruppen, in diesem Wertebe-reich verortet werden.

Die individuellen Hochschullehrer sind in eine weitere Umwelt eingebettet, die prä-gend ist für individuelle Werte und die Intention, Werte zu beeinflussen (vgl. Hit-lin/Piliavin 2004). Im Modellrahmen spiegelt sich dies in der Betrachtung der Arbeits-umgebung (z.B. Fakultät oder Teildisziplin) und individueller Faktoren wie Alter, Geschlecht, Nationalität, usw. wider. Wie im Modell dargestellt, beschränkt sich die angenommene direkte Wirkung der individuellen und kontextuellen Faktoren nicht auf die Werte. Vielmehr geht mit einer direkten Wirkung dieser Determinanten auf die Beeinflussungsintention auch die Möglichkeit einer Beeinflussungsintention in das Modell ein, die nicht zwingend mit entsprechenden individuellen Werten einherge-hen. Beispielsweise könnte eine Fakultät im Rahmen ihres Curriculums den Ausgleich ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele vermitteln wollen. Ein Hochschullehrer könnte aus dieser Zielsetzung der eigenen Fakultät eine Beeinflussungsintention ablei-ten, ohne dass er oder sie selbst diesen Wert teilt.

3 Methodik der empirischen Untersuchung

Parallel zur Entwicklung des dargestellten Modells wurden Hypothesen erarbeitet und Operationalisierungen der relevanten Konstrukte definiert. Als Teil dieses Ent-wicklungsprozesses wurden der Modellrahmen und die Hypothesen in mehreren Schritten mit nationalen und internationalen Fachvertretern diskutiert und daraufhin modifiziert. Zur Vermeidung eines disziplinären Bias wurden dabei Expertengesprä-che mit Professoren der im Fokus stehenden Teildisziplinen Marketing, Finanzierung (inkl. Rechnungslegung), Personalwirtschaft, Unternehmensführung und Organisation geführt. Die Fokussierung auf die angesprochenen fünf Teildisziplinen basiert auf der Annahme möglicher Unterschiede in den jeweiligen Paradigmen und akademischen Kulturen. Eine Grundthese ist dabei die vielfach vermutete Unterscheidung zwischen

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eher weicheren, qualitativ orientierten Verfahrensweisen wie bei Personalwirtschaft und Organisation und tendenziell eher an harten, quantitativen Wissenschaftsidealen orientierten Teildisziplinen wie Finanzierung und Rechnungslegung (Truss et al. 1997).

Die interkulturelle Anwendbarkeit des Modells und der in der Befragung verwende-ten Operationalisierungen wurde im Austausch mit Vertretern von neun IFSAM Ver-bänden (Frankreich, Spanien, Niederlande, Skandinavien, USA, Kanada, Südafrika, Japan und China) im Rahmen des IFSAM Council Meeting 2005 in Bloemfontein (Süd-afrika) verbessert.

Die endgültige Version des Fragebogens wurde zur Sicherung einer weltweiten Zu-gänglichkeit als Online-Befragung in sechs Sprachen bereitgestellt. Zur Reduktion sprachlich-kultureller Einflüsse durch das Forschungsteam wurde der Fragebogen dazu zunächst in einem „de-centering“ Verfahren (vgl. Sechrest/Fay/Zaidi 1972, S. 53) parallel auf Englisch und auf Deutsch entwickelt. Zur Sicherung einer funktionalen Äquivalenz der übersetzten Fragebögen in Chinesisch, Französisch, Japanisch und Spanisch erfolgte eine Überprüfung durch externe Muttersprachler in Form von Rückübersetzungen (vgl. zur Methode Johnson 1998; Weidmer 1994, S. 1227).

Die Online-Befragung war zwischen Januar und April 2006 zugänglich. Die Verteilung und Kommunikation erfolgte primär über die Mitgliedsverbände von IFSAM und wurde bei Bedarf durch weitere kommunikative Maßnahmen wie direkte Ansprache per E-Mail ergänzt. Durch diese Anpassung an die jeweiligen Strukturen der IFSAM Mitgliedsverbände konnte die Zahl der teilnehmenden Länder und der auswertbaren Antworten gegenüber einem einheitlichen Vorgehen erheblich gesteigert werden, allerdings ist dadurch keine Berechnung einer allgemeinen Antwortquote möglich. Im Rahmen der direkten Probandenansprache mit individualisierten E-Mails durch das Forschungsteam und zweifachem Nachfassen wurden Rücklaufquoten zwischen 5 Prozent in den USA und 30 Prozent in Indien erreicht. Insgesamt sind 1.741 verwert-bare Fragebögen verfügbar.

4 Eine empirische Perspektive auf die Wertebasis betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer

Im Folgenden geben wir einen Überblick über die zentralen Ergebnisse der Befragung, wobei sich die Darstellung an den Modellkonstrukten orientiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Darstellung der deskriptiven Ergebnisse, so dass wir nur in ausge-wählten Fällen auf signifikante Beziehungen zwischen den Konstrukten eingehen. Zunächst wird dazu die Wertebasis detailliert vorgestellt. Im Kontext der erweiterten

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Betrachtung steht die Teildisziplin als Determinante der Arbeitsumgebung im Vorder-grund. Auf die Nationalität als individueller Faktor wird im Zusammenhang mit der Darstellung der Beeinflussungsintention eingegangen.

4.1 Die Wertebasis betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer

4.1.1 Werte in Bezug auf Unternehmen Zunächst stehen die Werte von Hochschullehrern in Bezug auf Unternehmen im Vorder-grund. Ausgehend von den empirischen Daten wurde das folgende Ergebnis erzielt, welches im Anschluss erläutert wird:

1. Betriebswirtschaftliche Hochschullehrer sind sich weltweit darin einig, dass Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung einen höheren Stel-lenwert einräumen sollten.

Im Rahmen der Untersuchung wurden Hochschullehrer gefragt, wie sie sowohl die Ist-Situation als auch die ihrer Meinung nach ideale Soll-Situation in Unternehmen ihres Arbeitsumfelds in Bezug auf gesellschaftliche Verantwortung einschätzen.

Hierbei dient das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) (vgl. Han-sen/Schrader 2005) zur Operationalisierung der Bedeutung gesellschaftlicher Verant-wortung von Unternehmen als Grundlage. Die Messung erfolgte mittels der PRESOR-Skala, die von Singhapakdi et al. (1996) entwickelt und von Etheredge (1999) ange-passt wurde. Darüber hinaus weist sie den Vorteil einer Anwendung in interkulturel-len Kontexten auf (vgl. Axinn et al. 2004; Vitel/Paolillon 2004; Singhapakdi et al. 2001).

Die 10-Item-PRESOR-Skala verwendet Items wie „Unternehmen haben eine gesell-schaftliche Verantwortung, die über die Erwirtschaftung von Gewinnen hinaus reicht” und „Unternehmensethik und gesellschaftliche Verantwortung sind entscheidend für das Überleben eines Unternehmens“. Während die Skala ursprünglich eingesetzt wurde, um die Einstellung von Managern gegenüber gesellschaftlicher Verantwortung zu messen, verwenden wir sie hier, um die Verantwortung von Managern und den durch sie repräsentierten Unternehmen in der Wahrnehmung der Hochschullehrer zu messen.

Die Bedeutung, die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung geben (vgl. Abbildung 2), ist danach aus Sicht der Hochschullehrer recht gering mit einem Wert von 1,88, gemessen auf einer 5-Punkt-Likert-Skala von 0 („Stimme überhaupt nicht zu“) bis 4 („Stimme voll zu“). Die Bedeutung, die CSR aus Sicht der Hochschullehrer beizumessen ist, ist hingegen weit größer. Mit einem Durchschnittswert von 3,13 wün-schen sich Hochschullehrer deutlich mehr Verantwortungsübernahme, als sie dies in

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der unternehmerischen Praxis derzeit wahrnehmen. In Bezug auf die Intention zur Beeinflussung von Werten kommt diesem Unterschied zwischen Erwartung und Reali-tätswahrnehmung insofern eine besondere Bedeutung zu, als er als motivationaler Aspekt aufgefasst werden kann, der auf die Reduktion der Dissonanz zwischen idea-ler Welt und Realität gerichtet ist (vgl. Harmon-Jones/Mills 1999; Festinger 1957).

Die Betrachtung der Unterschiede zwischen den Ländern (Abbildung 2) zeigt hohe Signifikanz1. Besonders erwähnenswert sind Indien und China zum einen und die DACH-Region zum anderen. Die Hochschullehrer aus den asiatischen Wachstums-ländern erwarten eine besonders hohe Verantwortung von Unternehmen, sehen diese aber gleichzeitig in besonders starkem Maße in ihrer Umgebung erfüllt. In den deutschsprachigen Ländern sind beide Werte hingegen besonders niedrig. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass in der DACH-Region viele Aktivitäten wie z.B. Mülltrennung gesetzlich vorgeschrieben sind, die in anderen Ländern als freiwillige CSR-Aktivitäten angesehen würden. Dadurch wird sowohl die Wahrnehmung der von Unternehmen übernommenen gesellschaftlichen Verantwortung als auch die Erwar-tung, in welchem Ausmaß Unternehmen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus aktiv zu sein haben, reduziert.

1 Die Signifikanz der Länderunterschiede konnte durch Varianzanalysen gezeigt werden (Für die Wahrnehmung der von aktuellen Unternehmen übernommenen Verantwortung – Ist: F = 11,64; p < 0,001; für die gewünschte Verantwortung, die ein ideales Unternehmen übernehmen sollte – Soll: F = 15,26; p < 0,001).

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Abbildung 2: Bedeutung von gesellschaftlicher Verantwortung aus Sicht betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer

„Bitte beschreiben Sie sowohl die Ist-Situation als auch die Ihrer Meinung nach ideale Soll-Situation in Unternehmen Ihres Arbeitsumfelds“

0 1 2 3 4

USA (114)

Kanada (59)

Australien & Neuseeland (225)

China (77)

Japan (70)

Indien (66)

Spanien (70)

Frankreich (115)

DACH (266)

UK (179)

Skandinavien (216)

Andere (148)

Die Zahlen in Klammern stellen die im spezifischen Land betrachtete Fallzahl dar

Faktor “Wichtigkeit gesellschaftlicher Verantwortung”

Soll Perspektive (p < 0,001; = 0,31)Ist Perspektive (p < 0,001; = 0,27)

Durchschnitt über alle Probanden

N = 1.539

0 = „Stimme überhaupt nicht zu“4 = „Stimme voll zu“

4.1.2 Werte in Bezug auf Studierende Studierende stellen im Kontext der Lehre die zentrale Bezugsgruppe für Hochschul-lehrer dar. Die Werte der Hochschullehrer in Bezug auf Studierende bilden somit ein weite-res Element ihrer Wertebasis und zugleich eine Determinante ihrer Beeinflussungsin-tention. Aus den empirischen Daten lässt sich in diesem Zusammenhang das folgende Ergebnis ableiten.

2. Betriebswirtschaftliche Hochschullehrer erwarten von ihren Studierenden vor allem, dass sie ihre beziehungsorientierten verantwortungsbezogenen Kompetenzen stärken.

Um die Werte von Hochschullehrern in Bezug auf Studierende zu messen, unterschei-den wir individuumszentrierte Werte, die sich auf die Führungsqualitäten („Leader-

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ship“) beziehen, und beziehungsorientierte Werte („Verantwortungsübernahme“), die sich auf andere bzw. auf die Auswirkung eigenen Handelns auf andere beziehen. Beide Faktoren wurden aus einer Liste von Studierendeneigenschaften abgeleitet, die auf der Arbeit von Meffert und Kirchgeorg (1994) basiert. Diese wurde ergänzt um Aspekte der Deutschen Wertekommission, einem Netzwerk von Fach- und Führungs-kräften, die gemeinsam einen Wertekatalog für verantwortliche Unternehmer und Manager entwickelt haben (vgl. Unger et al. 2005). Die Trennung in die beiden be-schriebenen Faktoren ergibt sich aus einer Faktorenanalyse und liefert reliable Ergeb-nisse.

Der individuumszentrierte Leadership-bezogene Faktor2 wurde mit den folgenden Items gemessen:

Führungsfähigkeit,

Fähigkeit, eine Gruppe von neuen Ideen zu überzeugen,

Wille, besser zu sein als andere,

Erfolgsorientierung,

Der beziehungsorientierte verantwortungsbezogene Faktor3 enthält Items wie,

Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen,

Bereitschaft und Fähigkeit, ökonomische, soziale und ökologische Ziele auszuglei-chen,

Fähigkeit, anderen zu vertrauen,

Respekt für das Verhalten und die Leistungen anderer.

In der Datenauswertung kommt zum Ausdruck, dass Professoren mehr beziehungs-orientierte als individuumszentrierte Eigenschaften von ihren Studierenden erwarten (vgl. Abbildung 3).

Des Weiteren ist die Lücke zwischen wahrgenommenen tatsächlichen und gewünsch-ten Eigenschaften für den beziehungsorientierten Faktor größer als für den indivi-duumszentrierten. Dies kann als ein Indikator dafür gesehen werden, dass Professoren bei diesen Eigenschaften einen höheren Handlungsbedarf und eine höhere Hand-lungsmotivation sehen.

2 Die Überprüfung der Reliabilität dieses Faktors ergibt ein Cronbach’s von 0,719 für wahrgenommenes Leadership (Ist) und ein von 0,674 für gewünschtes Leadership (Soll). 3 Die Überprüfung der Reliabilität dieses Faktors ergibt ein Cronbach’s von 0,870 für wahrgenommene Verantwortungsübernahme (Ist) und ein von 0,842 für gewünschte Verantwortungsübernahme.

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Abbildung 3: Werte in Bezug auf Studierende

„D ie se E ig en scha ft is t/so llte un te r S tud ienan fänge rn / id ea len A bso lven ten w e it ve rb re ite t [se in ]:”

W e rte in B e zug au f S tud ie rende

2,3

9

2,0

8

3,21 3

,41

0

1

2

3

4

F a k to r „L e a d e rsh ip “(In d iv id u a lis t isch )

F a k to r „V e ra n tw o rtu n g “(B e z ie h u n g so rie n tie rt)

S tud ien an fänge r

Idea le Ab so lven ten

S tud ien an fänge r

Idea le Ab so lven ten

N = 1 .5 1 8

0 = „S tim m e übe rh aup t n ich t zu “4 = „S tim m e vo ll zu “

4.1.3 Werte in Bezug auf die eigene Tätigkeit

Als dritte Säule in der Wertebasis des Hochschullehrers werden Werte in Bezug auf die eigene Tätigkeit betrachtet. In diesem Kontext fragten wir, für welche Ziele sich Hoch-schullehrer in ihrer spezifischen Rolle verantwortlich fühlen und wie sie den Mainstream ihrer eigenen Teildisziplin wahrnehmen. Im Modellrahmen spiegelt sich dies in der Frage wider, wie der Mainstream als Teil des Arbeitsumfeldes die Werteba-sis beeinflusst. Die Auswertung führt zu dem folgenden Ergebnis:

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3. Betriebswirtschaftliche Hochschullehrer fühlen sich stärker für ökonomische als für gesellschaftliche Ziele verantwortlich.

ABER:

4. Im Vergleich zum Mainstream fühlen sie sich stärker für gesellschaftliche und weniger stark für ökonomische Ziele verantwortlich.

Für die Befragung haben wir die zugrunde gelegten Zielkategorien aus den Nachhal-tigkeitsdimensionen der Brundlandt-Kommission (vgl. Brundlandt 1987) abgeleitet, die eine ökonomische sowie eine ökologische und eine soziale Perspektive vereinigen. Eine Faktorenanalyse liefert zwei Faktoren mit insgesamt guter Reliabilität.

Abbildung 4: Werte in Bezug auf die eigene Tätigkeit

W erte in Bezug auf d ie e igene Tätigke it

2,97

1,90

2,79

2,38

0

1

2

3

4

Faktor „ökonom ische V erantw ortung“

Faktor „gese llschaft-liche Verantw ortung"

Ich füh le m ich verant-w ortlich , m it m einer A rbe it zu d iesem Z ie l be izu tragen

Der M ainstream m einer Te ild isz ip lin füh lt s ich veran tw ortlich , zu d iesem Z ie l be izu tragen

„Für w e lche Z ie le füh lt s ich der M ainstream Ihrer D iszip lin und für w elche Z ie le füh len S ie sich a ls Pro fesso r verantw ortlich?”

N = 1 .555

0 = „S tim m e überhaupt n ich t zu“4 = „S tim m e vo ll zu “

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Der Faktor gesellschaftliche Verantwortung4 vereinigt soziale und ökologische Ziele wie

Menschenrechte zu schützen

Den Zustand von Natur und Umwelt zu verbessern

Geschlechtergleichheit zu erreichen

Soziale Gerechtigkeit im eigenen Land zu schaffen

Der Faktor ökonomische Verantwortung5 enthält ökonomische Ziele, für die die Hoch-schullehrer sich verantwortlich fühlen. Diese sind

Unternehmen innovativer zu machen

Unternehmen kundenorientierter zu machen

Den Shareholder Value zu steigern

Unternehmen profitabler zu machen

Insgesamt übersteigt das Verantwortungsbewusstsein für ökonomische Ziele dasjenige für gesellschaftliche Ziele (vgl. Abbildung 4). Dabei gibt es einen bedeutenden Unter-schied zwischen ökonomischen und gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten. Hoch-schullehrer fühlen sich weniger für ökonomische Ziele verantwortlich, als dies der Mainstream tut. Für gesellschaftliche Ziele fühlen sich die befragten Hochschullehrer indessen selbst weit mehr verantwortlich, als sie dies beim Mainstream ihrer Teildis-ziplin wahrnehmen.

4.2 Die Teildisziplin als ausgewählter Rahmenfaktor der Wertebasis

Die Determinanten, die auf die Wertebasis und die Beeinflussungsintention wirken, werden in soziale und individuelle Faktoren unterschieden. Diese erweiterte Betrach-tung reflektiert die paradigmatischen Unterschiede, wie sie in der Hochschulfor-schung zwischen Nordamerika und Europa bestehen. (vgl. Silver 2003; Lichty/Stewart 2000; Välimaa 1998): In Nordamerika betonen die Forscher stärker soziale Faktoren zur Erklärung individueller Werte von Hochschullehrern, wie z.B. die Ebene der Fa-kultät oder Universität. In Europa werden dagegen stärker individuelle Erklärungs-

4 Die Überprüfung der Reliabilität dieses Faktors ergibt ein Cronbach’s von 0,914 für wahrgenommene gesellschaftliche Verantwortung des Mainstreams und ein von 0,910 für die eigene gesellschaftliche Verantwortung. 5 Die Überprüfung der Reliabilität dieses Faktors ergibt ein Cronbach’s von 0,663 für wahrgenommene ökonomische Verantwortung des Mainstreams und ein von 0,705 für die eigene ökonomische Verantwortung.

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muster in den Mittelpunkt gestellt. Diese Tendenz lässt sich auf die Unterschiede in der jeweilig vorherrschenden Hochschullandschaft zurückführen. Während in Europa relativ homogene Bildungsinstitutionen mit überwiegend staatlicher Koordination vorherrschen, ist das Hochschulsystem in Nordamerika durch eine größere Homoge-nität mit dezentraler Steuerung geprägt.

Exemplarisch sei im Folgenden der Einfluss der Teildisziplin vorgestellt. Die Teildis-ziplin stellt die informelle wissenschaftliche Community dar. Sie ist das Netzwerk, welches sich aus direkter und indirekter Kommunikation mit Kollegen der gleichen Forschungsrichtung unabhängig von dem konkreten Arbeitsplatz der Hochschule ergibt. Die wissenschaftliche Community beeinflusst die individuellen Hochschulleh-rer durch die jeweiligen geförderten und sanktionierten Forschungsmethoden und -standards, wie auch Forschungsgegenstände und -traditionen und insofern rollen-spezifische Werte. Eine zunehmende Bedeutung erlangt die Teildisziplin vor allem durch peer-reviews und zunehmende Karriererelevanz von Zeitschriftenpublikationen (vgl. Tuire/Erno 2001). Insofern begründet sich in der Scientific Community auch eine Machtposition über den Einfluss auf den beruflichen Erfolg von Hochschullehrern.

Als Ausgangspunkt einer Untersuchung des Einflussfaktors Teildisziplin kann die Forschung zu ‚akademischen Kulturen’ dienen. Prägend waren dabei die Arbeiten von C.P. Snow, der 1959 die Metapher der „zwei Kulturen“ nutzte, um die Unterschiede im „intellectual, moral, and psychological climate“ (Snow 1959, S. 2) zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu beschreiben. Die empirischen Daten lassen eine mögliche Übertragung auf die betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen vermuten:

5. In Bezug auf ihre Werte können Teildisziplinen in zwei Gruppen eingeteilt werden:

- Personalwirtschaft und Organisation mit hoher Affinität zu „weichen“, gesellschaftlichen Werten,

- Marketing and Finanzierung mit hoher Affinität zu „harten“, ökonomi-schen Werten.

Ein klarer Unterschied zeigte sich hier in der Beantwortung der Frage „Für welche Ziele fühlt sich der Mainstream Ihrer Disziplin und für welche Ziele fühlen Sie sich als Professor verantwortlich?”. Die Antworten lassen sich zu drei Faktoren in wissen-schaftliche, ökonomische und gesellschaftliche (sozial-ökologische) Ziele zusammen-fassen.

Während sich alle Befragten gleichermaßen stark für wissenschaftliche Ziele verant-wortlich fühlen, ist die Verantwortung für gesellschaftliche Ziele seitens der Teildiszip-linen Finanzierung und Rechnungslegung sowie Marketing unterdurchschnittlich ausgeprägt. Auf der anderen Seite zeigen Vertreter der Teildisziplinen Organisation und Personalwirtschaft als Wissenschaftler eine besonders hohe gesellschaftliche Ver-antwortung. Über alle Teildisziplinen und Verantwortungsbereiche hinweg bringen

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die Befragten zum Ausdruck, dass sie sich selber ein höheres Verantwortungsbewusst-sein zugestehen als dem Mainstream ihrer Teildisziplin.

Für den Faktor ökonomische Verantwortung zeigt sich zunächst, dass dieser höher be-wertet wird als gesellschaftliche Verantwortung. In Bezug auf die Teildisziplinen ist aller-dings auffällig, dass sich die ökonomische Verantwortung spiegelbildlich zur gesellschaft-lichen Verantwortung verhält (vgl. Abbildung 5).

Abbildung 5: Gesellschaftliche und ökonomische Verantwortung nach Teildisziplin

5

Gesellschaftliche und Ökonomische Verantwortung von Hochschullehrern

Andere (350)

Organisation (171)

Marketing (249)

Unternehmensführung (405)

Personalwirtschaft (135)

Finanzierung & Rech-nungslegung (225)

0 1 2 3 4

Durchschnitt über alle Probanden

N = 1.539

Dargestellte Faktoren:Gesellschaftliche Verantwortung Mainstream (p < 0,001; ? = 0,23) Eigene gesellschaftliche Verantwortung (p < 0,001; ? = 0,21) Eigene ökonomische Verantwortung (p < 0,001; ? = 0,27)Ökonomische Verantwortung Mainstream (p < 0,001; ? = 0,24)

Der Werteeinfluss der Teildisziplin

0 = „Stimme überhaupt nicht zu“4 = „Stimme voll zu“

Die Zahlen in Klammern stellen die in der spezifischen Teil-disziplin betrachtete Fallzahl dar

Zunächst könnte man dazu neigen, eine Erklärung für die Unterschiede in den Ge-genstandsbereichen der Teildisziplinen zu suchen. Eine nähere Analyse schwächt die Erklärungskraft aber stark ab. Beispielsweise geht die Forschungsrichtung des „Social Accounting“ im Bereich Finanzierung und Rechnungslegung schon seit längerem weit über die Berechnung von Bilanzwerten hinaus (vgl. Matthews 1997). Außerdem sind die Werte von Konsumenten ein weit verbreiteter Forschungsgegenstand der Marke-tingwissenschaft. Insgesamt scheint wahrscheinlich, dass die Orientierung an teildis-ziplinären Paradigmen und deren Akzeptanz zu diesen Unterschieden beiträgt. Inso-

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fern steht bei Finanzierung und Rechnungslegung sowie Marketing tendenziell als Wissenschaftsideal die quantitative Ausrichtung mehr im Vordergrund als bei Perso-nalwirtschaft und Organisation. Eine derartige Setzung von Kriterien, die Wissen-schaft als Prozess und als Ergebnis definieren, scheint auch die Werteverantwortlich-keit der individuellen Professoren zu formen.

4.3 Die Intention zur Beeinflussung von Werten

Die Intention zur Beeinflussung von Werten stellt in dem entwickelten theoretischen Modell die zu erklärende Variable dar. Sie schließt den Glauben an einen potenziellen Einfluss, d.h. die Wahrnehmung einer grundsätzlichen Möglichkeit der Wertebeein-flussung mit ein. Über die Möglichkeit hinaus wird die Motivation entsprechend zu handeln, also die Beeinflussungsintention im engeren Sinne, betrachtet. Die Daten stützen das folgende Ergebnis:

6. Weltweit sehen Hochschullehrer Möglichkeiten zur Beeinflussung von Wer-ten und intendieren auch, diese auszuüben. Dabei kommt der Lehre die höchste Bedeutung zu.

Ausgangspunkt des Forschungsprojekts war die Annahme, dass Professoren Möglich-keiten zur Wertebeeinflussung sehen, und dass sie darüber hinaus auch die Intention haben, Werte zu beeinflussen. Empirisch hat sich ergeben, dass die wahrgenommene Möglichkeit wie auch die Intention zwar zwischen den Ländern schwankt, ihr Vor-handensein aber für die Befragten weltweit gezeigt werden kann.

Im Rahmen der Auswertungen hat sich ergeben, dass die Lehre als wichtigster Ein-flussbereich angesehen wird6. Der Forschung und beratungsähnlichen Aktivitäten wird hingegen geringere Bedeutung beigemessen. Die hohen Werte im Bereich Lehre könnten auf zwei Ursachen zurückzuführen sein. Zum einen ist der Einfluss auf Stu-dierende in der täglichen Arbeit der Hochschullehrer unmittelbar sichtbar. Zum ande-ren besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit der expliziten Thematisierung und Aktuali-sierung, wenn die Frage nach der Wertevermittlung in der Lehre ein Diskussionspunkt am Fachbereich bzw. der Universität ist. Im Bereich der Forschung bewerten die Hochschullehrer die eigene Beeinflussungsintention höher als die grundsätzliche Möglichkeit7. Für beratungsähnliche Aktivitäten stellt sich das Bild mit einer relativ

6 Im Durchschnitt wird die Beeinflussungsmöglichkeit durch Lehre mit 3,00 ( = 0,74), die -intention mit 3,05 ( = 0,86) bewertet. 7 Im Durchschnitt wird die Beeinflussungsmöglichkeit durch Forschung mit 2,39 ( = 1,00), die -intention mit 2,47 ( = 1,08) bewertet.

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hohen wahrgenommenen Möglichkeit und der geringsten Intention umgekehrt dar8.Das Ergebnis, dass Hochschullehrer mehr wollen, als sie zu können glauben, kann als Indikator dafür interpretiert werden, dass Forschung als Kernaktivität der Hochschul-lehrer angesehen wird, während Beratung zwar die Möglichkeit der wertebezogenen Einflussnahme eröffnet, allerdings außerhalb der eigentlichen Sphäre wissenschaftli-chen Arbeitens. In der Beratung spielt somit eine pragmatische Abwägung von Wir-kungskonsequenzen eine stärkere Rolle als in einer identitätsnahen Wahrnehmung der Forschung.

In einem weiteren Schritt wird das Arbeitsland als eine soziale Determinante der Be-einflussungsintention von Hochschullehrern untersucht. Die länderspezifischen Un-terschiede zur Wertebeeinflussung im Bereich Lehre sind relativ gering, während die Lücken zwischen höchster und niedrigster Ausprägung für Forschung und Beratung erheblich größer sind. In den asiatischen Schwellenländern wird sowohl die Intention als auch die Möglichkeit der Beeinflussung über alle drei Einflussbereiche besonders hoch eingeschätzt. Dies könnte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass die jewei-ligen Kulturen eine traditionelle Verankerung der Wertevermittlung im akademischen Kontext aufweisen (vgl. White 2002; Altbach 1989). Zum anderen könnte das Zusam-mentreffen einer stark wachsenden Wirtschaft mit begrenzten Möglichkeiten eines Rekurses auf gewachsene, historische Erfahrungen im Umgang mit marktökonomi-schen Entwicklungen die Notwendigkeit von Werten im unternehmerischen Handeln mit sich bringen (vgl. Schoenheit 2006). Letzteres würde besonders die Position von Hochschullehrern stärken, die eine aktive Rolle bei der Etablierung von Werten als ein relevantes Thema des Wirtschaftslebens übernehmen.

Die Hochschullehrer in der DACH-Region sehen lediglich eine begrenzte Möglichkeit der Wertebeeinflussung und ebenso eine begrenzte Intention. Hier bieten sich zwei mögliche Erklärungsstränge an. Einer bezieht sich auf die Forderung nach einer wert-freien Wissenschaft (vgl. Weber 1917). Aber entgegen dem wissenschaftstheoretischen Diskussionsstand, bei dem Werturteile explizit nur im Aussagenbereich zu vermeiden sind (vgl. Aram/Salipante 2003; Raffée/Abel 1979; Raffée/Specht 1974), werden in den Antworten aus der DACH-Region Werturteile im Basis, Objekt- und Aussagenbereich gleichermaßen skeptisch bewertet. Der zweite Erklärungsstrang bezieht sich deshalb auf die deutsche Geschichte der BWL. Durch die scheinbar problemlose Anbindung normativer Ansätze an das Naziregime, wie etwa bei Nicklisch (1933), wurden diese Ansätze nachhaltig diskreditiert (vgl. Küpper/Picot 1999). Diese Ablehnung zeigte sich auch Anfang der 70er Jahre bei erneuten Versuchen einer explizit normativ geprägten BWL, wie der „Arbeitsorientierten Einzelwirtschaftslehre (AOEWL)” (WSI-Forum, 1973).

8 Im Durchschnitt wird die Beeinflussungsmöglichkeit durch beratungsähnliche Aktivitäten mit 2,78 ( = 0,76), die -intention mit 2,35 ( = 1,02) bewertet.

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Um ein besseres Verständnis der Beeinflussungsintention zu erlangen, wurden die Hochschullehrer gefragt, welches ihre grundsätzlichen Lehrziele sind. Dabei hat sich folgendes Resultat ergeben:

7. Als Lehrziel ist Wertebeeinflussung fast ebenso anerkannt wie Fachwissens-vermittlung. Die Fähigkeit eigene Werte zu entwickeln wird dabei wichtiger eingeschätzt als die Vermittlung spezifischer Werte.

Grundsätzlich können drei Pfade der Wertebeeinflussung in der Lehre unterschieden werden. Bei der direkten Vermittlung spezifischer Werte werden den Studierenden inhaltlich definierte Werte vermittelt. Ein zweiter Pfad setzt auf die Thematisierung von Werten im Rahmen von Rollenspielen oder Gruppendiskussionen, um so den Studierenden die Fähigkeit zu vermitteln, ein eigenes Werteset zu entwickeln. Der dritte Weg fokussiert auf die Fachwissensvermittlung, ohne dabei Werte zu themati-sieren.

Bei der Analyse der empirischen Daten wird zunächst deutlich, dass die Vermittlung von Fachwissen und die Vermittlung der Fähigkeit, eigene Werte zu entwickeln, nahe-zu gleich wichtig sind. Der Vermittlung spezifischer Werte, d.h. einer konkreten Vor-gabe normativer Positionen, wird hingegen weniger Bedeutung zugemessen9. Hierbei ergeben sich allerdings signifikante Unterschiede in der interkulturellen Betrachtung10.So weist Spanien nicht nur die höchste Akzeptanz auf, durch Lehre spezifische Werte zu vermitteln. Gleichzeitig finden sich hier auch der höchste Wert für die Vermittlung von Fachwissen und ein überdurchschnittlicher Wert für die Vermittlung der Fähig-keit, eigene Werte zu entwickeln.

Im Gegensatz dazu können die japanischen Daten zur Vermittlung spezifischer Werte als globaler Ausreißer nach unten bezeichnet werden. Eine mögliche Erklärung für diese starke Ablehnung gegen direkte Vermittlung spezifischer Werte kann die spezi-fisch japanische Wertekonzeption liefern: Hier werden Werte primär als durch (Er-) Leben und Ritualisierung, durch Sozialisation und Akkulturation gewachsen verstan-den (vgl. Hendry 2003; Kumagai/Keyser 1996). Zumindest lassen sich Werte im japani-schen Verständnis keineswegs auf eine Inhaltsdimension reduzieren, die durch theore-tischen Unterricht in einer Business School vermittelt werden kann bzw. soll.

9 Der Mittelwert für die Vermittlung von Fachwissen liegt bei 3,38 ( = 0,88) der für die Vermittlung der Fähigkeit, eigene Werte zu entwickeln, bei 3,35 ( = 0,88), für die Vermitt-lung spezifischer Werte beträgt er 2,57 ( = 1,14). 10 Die Signifikanz des Ländereinflusses konnte durch Varianzanalysen für die Wertever-mittlung (F = 9,357; p < 0,001), die Entwicklung von Wertekompetenz (F = 3,478; p < 0,001) und für die Fachwissensvermittlung (F = 2,988; p = 0,001) gezeigt werden.

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5 Eine integrative Perspektive auf Wertebasis und Beeinflussungsintention

Im diesem Abschnitt wird eine Perspektive entwickelt, welche die Wertebasis der Hochschullehrer mit deren Intention zur Wertebeeinflussung in Beziehung setzt. Da-bei ergeben sich insbesondere die beiden folgenden Ergebnisse:

8. Es gibt Professoren, die eine ökonomische Position als explizite Wertepositi-on vertreten.

9. Die meisten Professoren verbinden ökonomische mit gesellschaftlichen Wer-ten.

Abbildung 6 dient der Einordnung der Probanden gemäß ihrer Verantwortung für gesellschaftliche und ökonomische Ziele sowie ihrer Intention zu Beeinflussung von Werten. Zunächst werden daher die ökonomische (horizontale Achse) und die gesell-schaftliche Verantwortung der Hochschullehrer (vertikal) in Beziehung gesetzt. Die ent-standene Matrix wird mit der Beeinflussungsintention um eine dritte Dimension er-gänzt. Die Zuordnung der Probanden erfolgt dabei über die von den drei Achsen repräsentierten Konstruktausprägungen, wobei Werte größer als 2 jeweils als hoch eingeordnet wurden.

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Abbildung 6: Die Beziehung zwischen Werten und Beeinflussungsintention

5

Die Beziehung zw ischen W erten und Beeinflussungsintention

- Ökonom ische Verantwortung +

-G

esel

lsch

aftl

iche

Ver

antw

ortu

ng

+

Ökonom istischerIgnorant

6,2 %

Sozia ler M issionar

6,3 %

Ausgeglichener Bekenner

57,5 %

Ökonom ischer M issionar

17,0 %

-

Beeinflussungsintentio

n

+

Dem klassischen Stereotyp folgend wären vor allem zwei Probandengruppen zu er-warten, nämlich die „Ökonomistischen Ignoranten“ und die „Sozialen Missionare“. Erstere übernehmen lediglich Verantwortung für ökonomische Ziele und verfolgen keinerlei gesellschaftliche Perspektive. Sie beanspruchen für sich eine wertfreie Position und haben folglich auch keine Beeinflussungsintention. Die zweite zu erwartende Gruppe sind die Sozialen Missionare, die ökonomische Ziele zurückstellen und sich vor allem für gesellschaftliche Ziele verantwortlich fühlen. Dementsprechend wollen Soziale Missionare Werte beeinflussen. Allerdings repräsentieren diese beiden Gruppen ledig-lich 6,2 Prozent bzw. 6,3 Prozent der Gesamtstichprobe. Die stereotypischen Klischees der binären Struktur eines ignorant werteaversen Mainstreams auf der einen und einer Gruppe verbohrter radikaler Weltverbesserer auf der anderen Seite sind also weltweit in der vermuteten Form nicht präsent. Es stellt sich daher die daran anknüpfende Frage: Wo sind die verbleibenden 87 Prozent?

Die Suche führt uns zunächst zu einer in der Diskussion stark vernachlässigten Kate-gorie: die Ökonomischen Missionare. Diese Gruppe fühlt sich stark für ökonomische Ziele, aber nicht für gesellschaftliche Ziele verantwortlich. Trotzdem haben die Profes-soren dieser Gruppe aber eine hohe Intention zur Beeinflussung von Werten. Wir erwarten, dass ihre Intention eine gewisse Kohärenz mit den eigenen Werten aufweist und somit auf ökonomische Ziele fokussiert. Dies impliziert, dass die Vertreter dieser

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Gruppe ihre ökonomische Position als explizit wertegeladen ansehen. Mit insgesamt 17 Prozent der Probanden vereinigt diese Gruppe mehr als die beiden betrachteten Stereotype. Sie wird daher im Folgenden genauer dargestellt.

21 Prozent der Ökonomischen Missionare sind weiblich. Damit sind Frauen in dieser Gruppe gegenüber dem Gesamtsample, in dem 26 Prozent weiblich sind, unterreprä-sentiert. Mit einem Durchschnittsalter von 45,6 Jahren ist diese Gruppe außerdem jünger als die Gesamtstichprobe mit 47,4 Jahren. Des Weiteren finden sich in dieser Gruppe überdurchschnittlich viele Kanadier und Hochschullehrer aus der DACH-Region. Vor allem für letztere ist dies besonders deutlich. Die Professoren aus deutsch-sprachigen Ländern haben einen Anteil von 16,2 Prozent am Gesamtsample, aber mit 31,5 Prozent einen fast doppelt so hohen Anteil an der Gruppe der Ökonomischen Mis-sionare. Außerdem sind Hochschullehrer der Disziplinen Marketing und Finanzierung in dieser Gruppe etwas stärker vertreten.

Dennoch kombiniert die größte Gruppe als unerwartete Mehrheit eine hohe Akzeptanz gesellschaftlicher und ökonomischer Verantwortlichkeiten mit einer hohen Beeinflus-sungsintention. Wir nennen diese „Ausgeglichene Bekenner“. Sie bekennen sich zu ihren eigenen Werten und versuchen diese weiterzugeben. Folglich haben sie die Intention, die Werte anderer zu beeinflussen. Den Diskussionsstand eines antagonistischen Ver-hältnisses von ökonomischen und gesellschaftlichen Werten haben sie hinter sich ge-lassen. Vielmehr akzeptieren sie Wirtschaft als ein komplexes System, welches eine Wahrnehmung ökonomischer und gesellschaftlicher Verantwortung erfordert.

Mit 57,5 Prozent der Probanden sind in dieser Gruppe über die Hälfte der Befragten vertreten. Die Gruppe zeichnet sich durch einen durchschnittlichen Anteil an Frauen aus und entspricht im Altersdurchschnitt dem Gesamtsample. Probanden aus der Region Asia-Pacific sowie Vertreter der Teildisziplin Unternehmensführung sind dabei relativ überrepräsentiert.

6 Ausblick

Im Rahmen dieses Beitrages konnten wir einen kurzen Überblick über die Wertebasis betriebswirtschaftlicher Hochschullehrer und deren Intention zur Beeinflussung von Werten geben. Insbesondere konnten wir zeigen, dass klassische Stereotype der welt-weiten Realität der Hochschullehrer und ihrer Wertepositionen nicht gerecht werden. Vielmehr zieht die Mehrheit der betriebswirtschaftlichen Community komplexe Ver-antwortlichkeitsstrukturen in Betracht und hat die Intention, die Werte heutiger und zukünftiger Marktteilnehmer zu beeinflussen.

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Zusammenfassend ist der Nutzen hervorzuheben, den dieses erste weltweite IFSAM-Projekt unseres Erachtens erbracht hat. Die Untersuchung liefert insbesondere eine empirische Basis für eine Diskussion der Standortbestimmung und strategischen Wei-terentwicklung der betriebswirtschaftlichen Community. Ein Teil dieser Reflexionen wurde sicher durch die Durchführung der Befragung an sich angestoßen. Wichtiger scheint aber die Wirkung, die von der Interpretation der erhobenen Daten ausgehen kann. Der allergrößte Teil der Reflexion hat allerdings in jedem einzelnen von uns und innerhalb unserer Community stattzufinden.

Angesichts der Millenniumswende formulierte Heribert Meffert (2000, S. 336) die Vermittlung von sozialen und interkulturellen Kompetenzen als neue Ausbildungs-aufgabe. Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass diese Ausbildungsaufgabe von vielen betriebswirtschaftlichen Hochschullehrern weltweit geteilt wird, es aber länder- und disziplinspezifische Unterschiede in der Akzeptanz, wie auch in der inhaltlichen Defi-nition sozialer Kompetenzen und Werte gibt. Es zeigt sich somit, dass diese Ausbil-dungsaufgabe auch im Zusammenhang mit den von Hochschullehren selbst geteilten Werten zu betrachten ist. Dies bedeutet dann konsequenterweise, Werte nicht nur als mögliche Aufgaben oder Analyseobjekte zu betrachten, sondern als integralen Be-standteil der alltäglichen Arbeit von betriebswirtschaftlichen Hochschullehrern.

7 Literaturverzeichnis

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

325

Roland Berger

Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

1 Einleitung ........................................................................................................................327

2 Entwicklung von Marketing in der öffentlichen Verwaltung...................................327

3 Anwendungsbereich von Marketing in der öffentlichen Verwaltung.....................3283.1 Unterscheidung öffentlicher Institutionen zu Marketingzwecken.................3293.2 Gruppierung staatlicher Dienstleistungen zu Marketingzwecken.................3323.3 Segmentierung der Nutzer der öffentlichen Verwaltung zu

Marketingzwecken................................................................................................336

4 Beitrag von Marketing zu zentralen Zielen der öffentlichen Verwaltung ..............3374.1 Qualität und Wirtschaftlichkeit staatlicher Dienstleistungen .........................3384.2 Standortattraktivität von Kommunen und Regionen ......................................3404.3 Legitimation staatlichen Handelns .....................................................................343

5 Schlussfolgerungen ........................................................................................................345

6 Literaturverzeichnis .......................................................................................................346

Prof. Dr. h.c. Roland Berger ist Unternehmensberater und Vorsitzender des Aufsichtsrats von Ro-land Berger Strategy Consultants, München.

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

327

1 Einleitung

In klassischer Sicht wird Marketing für die Privatwirtschaft als „bewusst marktorien-tierte Führung des gesamten Unternehmens“ (Meffert 2000) definiert. In diesem Bei-trag wird für den Bereich der öffentliche Verwaltung der Beitrag marktorientierter Führung untersucht: Nach einem ersten Abriss der Entwicklung von Marketing in der öffentlichen Verwaltung folgt zweitens eine Analyse unterschiedlicher Anwendungs-bereiche und drittens der mögliche Beitrag von Marketing zu zentralen Zielen der öffentlichen Verwaltung. Am Ende stehen zusammenfassende Schlussfolgerungen.

2 Entwicklung von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

Bereits Ende der 1960er Jahre wurde der Einsatz von Marketing in der öffentlichen Verwaltung in den USA erstmals diskutiert (vgl. Kotler/Levy 1969), Anfang der 1980er Jahre wurde zu diesem Thema erstmals in Deutschland publiziert. In den folgenden Jahren wurden einzelne Marketinginstrumente in der öffentlichen Verwaltung einge-setzt. In einer ersten Phase geschah dies im Bereich einer professionelleren Öffent-lichkeitsarbeit der Verwaltung und im verstärkten Marketingeinsatz bei öffentlichen Unternehmen. In einer zweiten Phase folgte eine generell höhere Kundenorientierung unter dem Dach des New Public Management und verstärktes Standortmarketing von Kommunen und Regionen (vgl. Brüggemeier/Röber 2004).

Gleichzeitig wurde Marketing als Gesamtkonzept für die öffentliche Verwaltung als wenig geeignet angesehen. Marketing wurde als konträr zur bisherigen Organisati-onskultur vor allem durch die mittlere und untere Ebene öffentlicher Bediensteter abgelehnt, was beispielsweise in Großbritannien dazu führte, dass diesbezügliche Ansätze der Leitung der öffentlichen Verwaltung nicht umgesetzt wurden (vgl. Laing/McKee 2001). Inhaltlich lagen die Gründe für die Ablehnung darin, dass Mar-keting sich ursprünglich mehr mit Konsumgütern als mit Dienstleistungen befasste und mehr auf einzelne Transaktionen statt auf Beziehungen zwischen Anbieter und Kunden ausgerichtet war.

In beiden Bereichen, also in Richtung Dienstleistungen und Beziehungen, hat sich Marketing in den letzten Jahren aber deutlich weiterentwickelt (vgl. Meffert/Bruhn 2001). Aus diesem Grund sind heutige Marketingkonzepte zunehmend besser geeig-net, die Besonderheiten der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen durch die Ver-waltung an die Bürger zu analysieren und zu optimieren.

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Roland Berger

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Darüber hinaus ist der Einsatz von Marketing in der öffentlichen Verwaltung heute vielversprechender als früher, da in den letzten Jahren der Einfluss der Privatwirt-schaft auf die öffentliche Verwaltung in einem sich selbst verstärkenden Prozess deut-lich zugenommen hat (vgl. Laing 2003), wie folgende Beispielfelder zeigen:

Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen (oder Privatisierungsdruck wie derzeit bei der deutschen Flugverkehrssicherung) und Wettbewerb mit privaten Leis-tungserbringern,

Ausweitung privatwirtschaftlicher Managementmethoden in der öffentlichen Verwaltung (Ausgliederungen in privatrechtliche Organisationsformen, ergebnis-orientierte Steuerung),

Einbindung von Privatunternehmen in die Produktion öffentlicher Dienstleistun-gen (Outsourcing des Facility Managements öffentlicher Gebäude),

Nutzung von Wettbewerb innerhalb der öffentlichen Verwaltung (Wettbewerb zwischen Universitäten im Rahmen der derzeitigen Exzellenzinitiative des Bundes, Standortwettbewerb zwischen Kommunen und Regionen),

Vermehrte Einführung direkter finanzieller Gegenleistungen für staatliche Dienst-leistungen (Gebühren für Hochschulstudien oder Polizeieinsätze),

Kultureller Wandel von der Rolle der „Bürger“ hin zum „Konsumenten staatlicher Dienstleistungen“ (geringes Interesse an politischer Beteiligung, aber Erwartung hoher Qualität öffentlicher Dienstleistungen).

Es haben sich also sowohl das Verständnis von Marketing als auch die öffentliche Verwaltung so weiterentwickelt, dass in Zukunft umfassendere Anwendungsbereiche von Marketing in der öffentlichen Verwaltung möglich und wünschenswert sind.

3 Anwendungsbereich von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

Die Anwendungsbereiche von Marketing in der öffentlichen Verwaltung lassen sich, wie in Abbildung 1 veranschaulicht, in Abhängigkeit von den Institutionen der öffent-lichen Verwaltung, den unterschiedlichen staatlichen Dienstleistungen und ihren Nut-zern darstellen.

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

329

Abbildung 1: Anwendungsbereiche von Marketing in der öffentlichen Verwaltung, dargestellt anhand von drei Dimensionen

Institutionen

Dienst-leistungenNutzer

Marketingin der öffentl.Verwaltung

1

23

Institutionen der öffentlichen Verwaltung• Besonderheiten im Vergleich zur

Privatwirtschaft• Sonderfälle „öffentliche Unternehmen“ und

„politischen Organe“

Nutzer staatlicher Dienstleistungen• Gegensätzliche Interessen der Nutzer und

keine Wahlmöglichkeit von Verwaltungsseite• Segmentierung nach Bürgern, Unternehmen

und gesellschaftliche Akteure

1

Staatliche Dienstleistungen• Auswirkung des öffentlichen oder privaten

Interesses auf die Chancen von Marketing• Wichtigkeit von Marketing für Dienst-

leistungen mit gemischter Interessenlage

2

3

3.1 Unterscheidung öffentlicher Institutionen zu Marketingzwecken

Der Anwendungsbereich von Marketing in der öffentlichen Verwaltung hängt stark von den institutionellen Eigenschaften der öffentlichen Verwaltung ab. Die institutio-nellen Eigenschaften öffentlicher Verwaltungen zeigen sich am deutlichsten im Ver-gleich mit den Eigenschaften von Privatunternehmen.

Erstens werden Privatunternehmen vor allem durch die Kräfte des Marktes gesteuert, was eine Orientierung am Markt nahelegt. Die öffentliche Verwaltung hingegen wird nach klassischem Verständnis politisch und rechtlich gesteuert. Sie darf nur das, was ihr rechtlich erlaubt ist und selbst ihr Ermessensspielraum ist rechtlich genau definiert. Ein Privatunternehmen darf alles, was ihm nicht verboten ist. Auf Grund dieses grundsätzlichen Unterschieds sind der Verwaltung nicht nur ihre Ziele weitgehend rechtlich vorgegeben, sondern in vielen Fällen auch die dafür einzusetzenden Mittel. Es handelt sich in der Regel um hoch regulierte Monopole, die mit der Anbindung an demokratisch legitimierte Organe und dem Schutz der Rechte der einzelnen Bürger begründet werden. Im Gegensatz dazu werden die Entscheidungen von Privatunter-nehmen vor allem durch die Freiheit zu wirtschaftlicher Betätigung und durch das Grundrecht auf Eigentum legitimiert. Dieses klassische Verständnis von Verwaltung hat sich in den vergangenen Jahren durch neue Steuerungsmodelle und Principal-

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Roland Berger

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Agent-Ansätze zwar schrittweise verändert. Diese Ansätze heben stärker auf die Set-zung von Zielen ab und überlassen die Umsetzung den Akteuren der Verwaltung weitgehend selbst. Doch diese Annäherungen an unternehmerisches Handeln können die Sondersituation der öffentlichen Verwaltung, nämlich den in der Regel fehlenden Marktbezug und die nötige demokratische Legitimation staatlichen Handelns, nicht aufheben.

Während es auf den Märkten zwischen Privatunternehmen automatisch zu Wettbe-werb kommt, ist dieses Prinzip der öffentlichen Verwaltung vom Grundsatz her fremd. Hier handelt nicht derjenige, der sich im Wettbewerb durchsetzt, sondern der Zuständige. Es gibt eine feste Zuständigkeitsverteilung nach dem Prinzip der Vermei-dung paralleler Zuständigkeiten und Regeln für die Lösung von Zuständigkeitskon-flikten (vgl. König 1997). Konsequenzen für das Marketing bestehen etwa in der Pro-duktpolitik darin, dass Privatunternehmen die Produktion unrentabler Produkte ein-stellen werden, wohingegen die öffentliche Verwaltung gerade in diesen Fällen häufig eine Auffangverantwortung reklamiert.

Zweitens verfolgen Privatunternehmen primär das messbare Ziel Profitabilität und davon abgeleitete quantifizierbare Unterziele. Die Verwaltung orientiert sich typi-scherweise an mehreren, teilweise einander widersprechenden qualitativen und quan-titativen Zielen, zwischen denen sie eine Interessenabwägung vorzunehmen hat. Ge-rade dann, wenn ein privater Interessenausgleich über den Wettbewerb zwischen Privatunternehmen nicht möglich ist, wird ein öffentliches Interesse an einer Angele-genheit definiert und der Verwaltung übertragen. Verfolgt die Verwaltung dieses öf-fentliche Interesse, ist es erforderlich, dass sie früher oder später die dahinterstehen-den einander widersprechenden privaten Interessen ausgleicht. Ein Beispiel ist die Raumordnung, die nicht einfach dem Immobilienmarkt überlassen werden kann und wo die öffentliche Verwaltung einen hoheitlichen Interessenausgleich durchführt. Als Auswirkung im Marketingbereich kann sich die Verwaltung nicht ausschließlich am Interesse ihrer unmittelbaren Nutzer orientieren, sondern hat stets mehrere Interes-sengruppen zu berücksichtigen.

Drittens bestehen im Bereich der öffentlichen Verwaltung vergleichsweise unklare und langfristige Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Welche Effekte etwa die Gesamtschule auf den sozialen Aufstieg im späteren Berufsleben hat, hängt von vielen Faktoren ab und kann erst nach einigen Jahren beurteilt werden. Konsequenzen für das Marketing bestehen darin, dass Effekte von Marketingmaßnahmen nur schwer messbar sind und die letztliche Beurteilung dieser Maßnahmen von politischen Wertentscheidungen abhängt.

Nicht nur Unterschiede zwischen Privatunternehmen und der öffentlichen Verwaltung erlauben Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich von Marketing in der öffentlichen Verwaltung, sondern auch institutionelle Unterschiede innerhalb der öffentlichen Verwaltung selbst. Hier ist es für Marketingzwecke sinnvoll, von der öffentlichen

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

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Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen die öffentlichen Unternehmen und die politischen Organe zu unterscheiden:

Öffentliche Unternehmen verfolgen genau wie die Verwaltung öffentliche Interes-sen, unterscheiden sich aber durch ihre Organisationsform und die Ausrichtung auf die Herstellung entgeltlicher Individualgüter im direkten Interesse der Nutzer. Teilweise stehen sie bereits im Wettbewerb mit Privatunternehmen oder es existie-ren Pläne, Wettbewerb zuzulassen. Wegen der Wettbewerbssituation und der Art der produzierten Güter stellt Marketing für öffentliche Unternehmen ein notwen-diges Instrument dar und wird bereits seit längerem eingesetzt. Ähnlich wie in der öffentlichen Verwaltung werden aber teilweise nur einzelne Marketinginstrumente und nicht das Gesamtkonzept im Sinne einer marktorientierten Unternehmensfüh-rung eingesetzt (vgl. Raffée/Fritz/Wiedmann 1994). Da öffentliche Unternehmen aber nicht ausschließlich gewinnorientiert sind, ist das Ziel ihres Marketings nicht unbedingt die Erhöhung der Nachfrage nach ihren Dienstleistungen und Gütern, sondern auch die Verfolgung öffentlicher Interessen. Ein öffentliches Wasserwerk z.B. verfolgt auch das öffentliche Interesse Umweltschutz und wird daher nicht das Verschwenden von Trinkwasser fördern, um höhere Umsätze zu erzielen.

Politische Organe haben Führungsaufgaben gegenüber der öffentlichen Verwal-tung und werden in demokratischen Staaten von den Bürgern durch Wahlen legi-timiert. Damit treffen sie die strategischen Entscheidungen im Marketing der öf-fentlichen Verwaltung: Ihre eigene Orientierung am Wählerwillen im Hinblick auf ihre Wiederwahl im Abstand von einigen Jahren führt zu einer strategischen marktorientierten Führung der Verwaltung.

Im Bereich der Kommunikation stellt sich somit das Problem der Abgrenzung zwi-schen der Werbung der Politiker für ihre Umfragewerte und ihre Wiederwahl und der Werbung der Verwaltung für ihre Dienstleistungen oder für die Sinnhaftigkeit sonsti-ger öffentlicher Ziele.

Zum einen hat die Verwaltung in einer Demokratie gegenüber den politischen Orga-nen weisungsgebunden zu sein. Zum anderen gilt es, dass sie im politischen Wettbe-werb neutral ist, da sie ja nach einem Regierungswechsel auch der neuen Regierung gegenüber loyal zu sein hat (vgl. Mayntz 1985). Daraus leitet sich die Pflicht zur sach-lichen, unpolitischen Information von Bürgern und Unternehmen ab. Der politische Wettbewerb darf also mit Hilfe der Kommunikationsetats nicht beliebig auf die Ver-waltung ausgedehnt werden. Ist es zulässig, dass ein Minister knapp vor den Wahlen mit Hilfe seines Ministeriums eine große Informationskampagne zur gesunden Ernäh-rung startet, bei der er selbst positiv ins Bild gerückt wird? Darf mit Erfolgen in der Verwaltungsreform, die u.a. zu Serviceverbesserungen für die Bürger geführt hat, politische Werbung betrieben werden? Über die Grenzen entscheiden zum einen im Zusammenhang mit den Marketingausgaben die Budgetgesetze unter der Kontrolle der Rechnungshöfe und zum anderen die politische Kultur eines Landes und damit die Wähler.

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Roland Berger

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3.2 Gruppierung staatlicher Dienstleistungen zu Marketingzwecken

Über den Anwendungsbereich von Marketing in der öffentlichen Verwaltung ent-scheidet vor allem die Art der zugrunde liegenden staatlichen Dienstleistungen.

In marktwirtschaftlichen Systemen bestanden die Kernleistungen der öffentlichen Verwaltungen immer schon hauptsächlich in Dienstleistungen. Die Herstellung ande-rer Güter diente entweder ergänzend der Erstellung dieser Dienstleistungen (z.B. Druck von Banknoten, um ein Währungssystem zu ermöglichen) oder fand im Bereich staatlicher Infrastruktur (z.B. Wasser- und Stromversorgung) statt. Beide Bereiche staatlicher Güterproduktion wurden in den letzten Jahren massiv an Privatunterneh-men ausgelagert. Daher kann man den Begriff „staatliche Dienstleistungen“ heute als Überbegriff verwenden und vereinzelte staatliche Güterproduktionen durch die öf-fentliche Verwaltung darunter subsumieren.

Zur Abschätzung ihres Marketingpotenzials werden staatliche Dienstleistungen am besten nach dem Gewicht damit verwirklichter öffentlicher oder privater Interessen gruppiert (vgl. Laing 2003).

In die Gruppe marktferner Dienstleistungen zur Verwirklichung hauptsächlich öffent-licher Interessen fallen sämtliche Dienstleistungen, die echte Kollektivgüter sind, für die also Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität in der Nutzung gilt. Man kann also einzelne Bürger von ihrer Nutzung nicht ausschließen und die Nutzung durch einen Bürger beeinträchtigt die Nutzung durch einen anderen nicht. Typischerweise handelt es sich hier um sehr komplexe gesamtgesellschaftliche Dienstleistungen wie „innere Sicherheit“ und „Währungsstabilität“.

Im Gegensatz dazu spielen in der Gruppe der marktnäheren Dienstleistungen zur Verwirklichung hauptsächlich privater Interessen öffentliche Individualgüter eine wesentliche Rolle, also Güter von deren Nutzung einzelne Personen ausgeschlossen werden können und bei denen Nutzerrivalität besteht. Ein Beispiel ist die Betreuung in einem öffentlichen Kindergarten, zu der nur bestimmte Kinder Zugang haben, und bei der die Betreuungsqualität mit steigender Nutzerzahl abnehmen kann. Die Ent-scheidung wie marktnah man eine solche Dienstleistung in der Praxis gestaltet, hängt vom Gewicht des öffentlichen Interesses ab, das man dieser Dienstleistung zuschreibt. In demokratisch und marktwirtschaftlich verfassten Staaten ist stets ein erhebliches öffentliches Interesse an einer Dienstleistung vorhanden zu sein, um sie dauerhaft als staatliche Dienstleistung bereitzustellen, und nicht der individuellen Entscheidungs-freiheit des Einzelnen und den Kräften des Marktes anzuvertrauen.

Eindeutig im öffentlichen Interesse werden jedenfalls diejenigen staatlichen Dienstleis-tungen erbracht, die unabhängig von Rivalität und Ausschließbarkeit offensichtlich nicht dem Willen der betroffenen Privaten entsprechen. Beispiele sind belastende

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

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Verwaltungsakte (wie eine Steuernachzahlung) oder staatliche Zwangsmaßnahmen (wie die Räumung einer Mietwohnung). Dass die Unterscheidung zwischen Kollek-tivgütern und öffentlichen Individualgütern nur Hinweise auf stärker damit verbun-dene öffentliche oder private Interessen gibt, zeigt sich auch darin, dass mit sehr ähnli-chen öffentlichen Dienstleistungen sehr unterschiedliche öffentliche oder private Inte-ressen verfolgt werden können. So werden mit der Baubewilligung für ein Chemiewerk deutlich stärker öffentliche Interessen wie Zivil- und Umweltschutz verfolgt, mit der Baubewilligung für ein Einfamilienhaus hingegen sehr viel stärker private Interessen wie Nachbarrechte.

Hinzu kommt noch, dass die Zuerkennung öffentlichen oder privaten Interesses an einer staatlichen Dienstleistung eine politische Wertentscheidung darstellt, die nur teilweise rationalisierbar ist. So kann man etwa bei einer Universitätsausbildung je nach Studienrichtung und persönlicher Einstellung eher öffentliche oder private Inte-ressen verwirklicht sehen. Damit ist aber die Gewichtung öffentlichen und privaten Interesses im Zusammenhang mit staatlichen Dienstleistungen zeitlich einem Wandel unterworfen. So nimmt in Deutschland das öffentliche Interesse an der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in die Sprachgemeinschaft derzeit stark zu und wird nicht länger primär als Privatinteresse der Eltern angesehen.

Worin besteht nun der Zusammenhang zwischen dem Gewicht öffentlicher bzw. pri-vater Interessen an einer staatlichen Dienstleistung und ihrem Marketingpotenzial?

Das öffentliche Interesse an einer Dienstleistung wirkt sich erstens auf den Einfluss der Nachfrager auf Entscheidungen über ihre Ausgestaltung und zweitens auf ihre Finanzierung aus. Beide Faktoren bestimmen wiederum wesentlich das Marketingpo-tenzial (vgl. Abbildung 2).

Wird die staatliche Dienstleistung hauptsächlich im Interesse von Privaten erbracht, haben diese auch tendenziell größere Wahlmöglichkeiten, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder einen bestimmten Anbieter staatlicher Dienstleistungen zu wählen. Durch diese Wahlmöglichkeiten wird eine stärkere Orientierung an den Nut-zern und damit der Einsatz von Marketinginstrumenten sinnvoll.

Ist mit einer öffentlichen Dienstleistung hauptsächlich privates Interesse verbunden, wird diese tendenziell über Gebühren oder Entgelte ihrer direkten Nutzer finanziert, womit der Nutzerkreis auch klar abgrenzbar ist (vgl. van der Hart 1991). Die Chancen des Einsatzes von Marketing steigen, da die Anbieter staatlicher Dienstleistungen finanziell von ihren Nutzern abhängen und diese durch die Bezahlung von Gebühren eher die Rolle von Konsumenten als von Bürgern übernehmen.

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Roland Berger

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Abbildung 2: Das Marketingpotential öffentlicher Dienstleistungen in Abhängigkeit von dem Gewicht öffentlicher oder privater Interessen

Hauptsächlich öffentliche Interessen an der DL

Hauptsächlich privates Interesse an der DL

• Finanzierung über allgemeine Steuern • Nutzer und Zahler stimmen nur in

geringem Maße überein• Nutzerkreis schwer abgrenzbar

• Teilweise oder vollständig über Gebühren und Entgelte der direkten Nutzer

• Nutzerkreis klar abgrenzbar• Rechtfertigungsdruck für den Einsatz

öffentlicher Mittel

• Hauptsächlich angebotsseitig durch die Verwaltung– Demokratisch legitimierte einseitige

Entscheidungen – Juristische und fachliche Argumentation

• Stärker nachfrageseitig – Einfluss auch der Nutzer– Zustimmung der Nutzer durch ihre

Konsumentscheidung– Wahlmöglichkeiten für alternative

öffentliche oder private Anbieter

Geringe Chancen für den Einsatz von Marketing

Große Chancen für den Einsatz von Marketing

Finanzierung der öffentlichen Dienstleistung

Entscheidung über öffentliche Dienstleistung

Ein Beispiel für den oben dargestellten Zusammenhang sind öffentliche Theater, die hauptsächlich im Interesse der konkreten Nutzer betrieben werden. Daher werden sie zu einem guten Teil über den Verkauf der Eintrittskarten finanziert, weshalb man ihren Nutzerkreis quantitativ und qualitativ mit Hilfe der Marktforschung gut be-schreiben kann. Durch die Wahlmöglichkeit, alternativ ein privates Theater zu besu-chen oder zu Hause zu bleiben, wenn bestimmte Stücke auf dem Spielplan stehen, nehmen die Nutzer starken Einfluss auf die Ausgestaltung dieser öffentlichen Dienst-leistung.

Im umgekehrten Fall überwiegen bei der öffentlichen Dienstleistung Strafgerichtsbar-keit die öffentlichen Interessen. Finanziert werden die Strafgerichte zu einem großen Teil über allgemeine Steuereinnahmen. Der Nutzerkreis dieser öffentlichen Dienstleis-tung ist nicht abgrenzbar, da er durch die generalpräventiven Effekte der Urteile über die Prozessparteien weit hinausgeht. Der Einfluss der Nutzer dieser Dienstleistung auf ihre Ausgestaltung ist sehr begrenzt. Wenn sie eine verbindliche Entscheidung straf-rechtlicher Fragen anstreben, erreichen sie das nur über das zuständige Gericht, haben also keine Wahlmöglichkeit. Mit dem Gericht können sie zwar in einen juristischen Dialog treten, die gerichtlichen Entscheidungen sind aber kaum beeinflussbar. Die Chancen für den Einsatz von Marketing sind unter diesen Voraussetzungen sehr ge-ring.

Beide Beispiele sind aus den Bereichen staatlicher Dienstleistungen genommen, bei denen entweder private oder öffentliche Interessen eindeutig dominieren. Im Fall der Dominanz privater Interessen kann Marketing ohne größere Anpassungen auch für staatliche Dienstleistungen zum Einsatz kommen, was auch schon seit längerem ge-

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

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schieht. Da solche Dienstleistungen außerdem zunehmend von Privatunternehmen erbracht werden, wird hier der Einsatzbereich für Marketing bedeutsamer, um im Wettbewerb bestehen zu können. Da aber gerade in diesem Feldern ein Trend besteht, Dienstleistungen in immer größerem Ausmaß auf Private zu übertragen, wird dieses marketingintensive Feld in der öffentlichen Verwaltung mengenmäßig kleiner.

Im gegenteiligen Fall der Dominanz öffentlicher Interessen ist der Einsatz von Marke-ting wenig Erfolg versprechend, da der Orientierung am Markt spezielle öffentliche Interessen entgegenstehen. Durch einen unüberlegten Einsatz in diesem Bereich be-steht sogar die Gefahr, Marketing in der öffentlichen Verwaltung insgesamt zu diskre-ditieren (vgl. Laing 2003).

An den beiden äußeren Pole (Vorherrschen eindeutig öffentlicher oder eindeutig pri-vater Interessen) liegen also nicht die entscheidenden Herausforderungen für Marke-ting in der öffentlichen Verwaltung. Diese ergeben sich bei den staatlichen Dienstleis-tungen im Bereich zwischen den beiden geschilderten Extremen: so sind etwa im Bil-dungs- oder Gesundheitsbereich öffentliche und private Interessen an staatlichen Dienstleistungen beide in erheblichem Maße betroffen. Die öffentlichen Interessen bedürfen eines Ausgleichs und deshalb staatlicher Formen der Einflussnahme und demokratisch legitimierter Entscheidung. Gleichzeitig sind aber auch die privaten Interessen und die individuelle Freiheit der Nutzer unmittelbar betroffen, welche von einer stärkeren Marktorientierung profitieren können (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Herausforderungen für das Marketing in der öffentlichen Verwaltung bei Dienstleistungen mit sowohl öffentlichen als auch privaten Interessen

Öffentliche Interessen vorherrschend

Private Interessen vorherrschend

Sowohl öffentliche als auch private Interessen betroffen

Einsatz von Marketing wenig Erfolg versprechend

Große Chancen für intelligent an die öffentliche Verwaltung angepasste Marketingkonzepte

Sinnvoller Einsatz von Marketing ohne größere Anpassungen möglich

Einsatz von Marketing

StaatlicheDienst-leistungen

ZahnbehandlungStrafurteil

Luftraumüberwachung

Pflichtschulunterricht

Hochschulunterricht

Luftgütemessung

Verkehrskontrolle

Bäderbetrieb

Theateraufführung

Nahverkehrsbeförderung

Gewerbegenehmigung

Schlaganfallbehandlung

Volkshochschulkurs

Raumplanung

Altenpflege

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Roland Berger

336

Bei der Beurteilung des Anwendungsbereichs von Marketing in der öffentlichen Ver-waltung ist also entscheidend, wie in einem bestimmten Gemeinwesen momentan die Abgrenzung öffentlicher bzw. privater Interessen in Bezug auf bestimmte staatliche Dienstleistungen gesehen wird.

3.3 Segmentierung der Nutzer der öffentlichen Verwaltung zu Marketingzwecken

Marketing bedeutet konsequente Orientierung an Kundenbedürfnissen und Wettbe-werbsvorteilen, wobei dieser Ansatz auch bei Privatunternehmen als Vernachlässi-gung der übrigen Stakeholder kritisiert wird (vgl. Schneider 1983). Umso mehr träfe dieser Vorwurf auf eine konsequente Ausrichtung der öffentlichen Verwaltung auf die unmittelbaren Nutzer staatlicher Dienstleistungen zu. Es ist nämlich eine der Kern-aufgabe der öffentlichen Verwaltung, zur Verfolgung öffentlicher Interessen eben die Interessen einer breiteren Öffentlichkeit und damit einer Reihe von Stakeholdern zu berücksichtigen. Im Genehmigungsverfahren für einen Betrieb sind nicht nur die Inte-ressen der Antragsteller, sondern auch der Wohnbevölkerung und des Umweltschut-zes zu berücksichtigen. Im Verfahren der Ausstellung einer Arbeitserlaubnis spielen neben dem ausländischen Antragsteller der potentielle Arbeitgeber aber auch die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts eine Rolle. Für die Bestimmung der Anwendungsberei-che von Marketing in der öffentlichen Verwaltung lohnt sich eine grundsätzliche Seg-mentierung ihrer Nutzer.

Immer wenn Verwaltungen individualisierbare Dienstleistungen für konkrete Nutzer erbringen, diese an der Finanzierung über Gebühren beteiligt sind und eine gewisse Wahlfreiheit haben, ob sie die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, kann man von „Kunden“ im vollen Wortsinn sprechen (Brüggemeier/Röber 2004). Dies ist tendenziell dann der Fall, wenn wie oben dargestellt, ein deutliches Übergewicht privater Interes-sen an einer konkreten Dienstleistung besteht. Umfassender als die Rolle des Kunden ist das Konzept des Bürgers. Er ist nicht passiver Konsument öffentlicher Dienstleis-tungen, sondern steht als Adressat staatlicher Hoheitsentscheidungen oder als Teil-nehmer am politischen Prozess in einem Verhältnis vielfacher Rechte und Pflichten zum Staat: aktives und passives Wahlrecht, Möglichkeit zu Bürgerbeteiligung, Steuer-pflicht, Wehrpflicht. Vor diesem Hintergrund hängt die Sinnhaftigkeit der allseits geforderten Behandlung des „Bürgers als Kunden“ stark von den betroffenen staatli-chen Dienstleistungen ab (vgl. König 1997).

Da jeder ständig in irgendeiner Form mit den Dienstleistungen der öffentlichen Ver-waltungen zu tun hat, ergeben sich zwei Unterschiede zwischen den Nutzern der Dienstleistungen von Privatunternehmen und der öffentlichen Verwaltung:

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

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Erstens sind die Nutzergruppen der öffentlichen Verwaltung denkbar heterogen, von gegensätzlichen Interessen geprägt und wegen ihres kollektiven Charakters schwer abgrenzbar. Vom dauerhaft ansässigen, wahlberechtigten Pensionisten über den vorübergehend vor Ort tätigen, Steuern zahlenden Angestellten bis zum Ruck-sack-Touristen sind alle Nutzergruppen denkbar.

Zweitens kann sich die öffentliche Verwaltung ihre Nutzer vor allem dann nicht aussuchen, wenn deren elementare Interessen berührt sind. Durch ihre Auffang-verantwortung hat sie gerade mit problematischen Nutzern intensiv zu tun.

Neben den natürlichen Personen bilden die Unternehmen die zweite entscheidende Nutzergruppe der öffentlichen Verwaltung. Sie nutzen eine Reihe unterschiedlicher staatlicher Dienstleistungen: vom Firmenregister für die Gründung, dem Grundbuch-amt, dem Gewerbe- und Bauamt für den Aufbau eines Standorts; der Sozial-, Steuer- und Zollverwaltung für den Betrieb; bis zum Patentamt und dem Zivil- oder dem Konkursgericht zu bestimmten Momenten. Daraus ergeben sich Einteilungen von Unternehmen als Nutzer der öffentlichen Verwaltung nach ihren Lebenszyklen, nach der Branche, der lokalen, regionalen oder internationalen Ausrichtung und der Bedeu-tung für das Steueraufkommen und die Arbeitsplätze eines Standorts.

Daneben bilden nicht auf Gewinn ausgerichtete gesellschaftliche Akteure eine wichti-ge Nutzergruppe. Parteien, Gewerkschaften oder Verbände spielen für politische Pro-zesse und die Erstellung staatlicher Dienstleistungen und damit auch für Marketing-überlegungen eine bedeutende Rolle. Beispiele sind große Genehmigungsverfahren, Stadtteilsanierungen oder regionale Beschäftigungsinitiativen.

4 Beitrag von Marketing zu zentralen Zielen der öffentlichen Verwaltung

Innerhalb der oben dargestellten Anwendungsbereiche kann Marketing Beiträge zu den Zielen der öffentlichen Verwaltung liefern. Aus den vielfältigen Einzelzielen, die der öffentlichen Verwaltung von den politischen Organen und den Gesetzen vorgege-ben sind, wird hier der Beitrag des Marketings zu drei grundlegenden Zielen staatli-chen Handelns dargestellt, die zur Zeit einem tiefen Wandel unterworfen sind:

Qualität und Wirtschaftlichkeit staatlicher Dienstleistungen

Standortattraktivität von Kommunen und Regionen

Legitimation staatlichen Handelns

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Roland Berger

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4.1 Qualität und Wirtschaftlichkeit staatlicher Dienstleistungen

Der Beitrag von Marketing zur Qualität und Wirtschaftlichkeit staatlicher Dienstleis-tungen ist insbesondere dort relevant, wo das Interesse an diesen Dienstleistungen ihren Nutzern relativ klar zugeordnet werden kann. Hier besteht auch am ehesten ein Wettbewerb zu den Dienstleistungen privater Unternehmer, der Marketing für die öffentliche Verwaltung besonders wichtig macht. Zu denken ist hier etwa an die Ar-beitsmarktverwaltung oder die Krankenversicherung, wo private Anbieter in Konkur-renz zu den öffentlichen Anbietern treten.

Die Qualität von Dienstleistungen kann drei Ausrichtungen haben. Einmal auf die Dienstleistung selbst bezogen als Summe ihrer objektiven Eigenschaften, dann auf das Verfahren ihrer Erstellung bezogen und schließlich bezogen auf die Beurteilung durch den Nutzer der Dienstleistung (vgl. Bruhn 2001b). In den öffentlichen Verwaltungen dominiert ohne Zweifel der zweite verfahrensbezogene Qualitätsbegriff vor dem ers-ten dienstleistungsbezogenen Begriff. Die für das Marketing wichtige dritte Ausrich-tung, welche sich auf die Sicht der Nutzer der Dienstleistung bezieht, spielt derzeit in der öffentlichen Verwaltung noch eine untergeordnete Rolle.

Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Bei der Dienstleistung „Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus“ spielt für die zuständige Kommunalverwaltung aus rechtsstaatli-chen Gründen vor allem die Qualität des Verfahrens in Form des Antrags, der Einhal-tung der Fristen, der Ladung verschiedener Parteien, der Verhandlungsprotokolle, der Rechtsmittelbelehrung etc. die primäre Rolle. Dieses Verfahren dient dazu, die Ent-scheidung der Verwaltung gegenüber den politischen Organen und den betroffenen Bürgern transparent zu machen und Willkür zu verhindern. An zweiter Stelle steht für die Verwaltung die inhaltliche Qualität der Baugenehmigung aus ihrer eigenen Sicht. Ist es ihr mit einer juristisch korrekten Entscheidung gelungen, die widerstreitenden Interessen der beteiligten Privaten untereinander, mit dem öffentlichen Interesse an Raumplanung und bautechnischer Sicherheit und einem etwaigen Interesse der politi-schen Ebene auszugleichen? An letzter Stelle erst steht die Überlegung, ob der Nutzer der Dienstleistung mit der Qualität der Dienstleistung „Baugenehmigung“ zufrieden ist. Findet er die Gebühren und die Zeitdauer der Entscheidung angemessen? Hat er das Verfahren und das Ergebnis der Entscheidung verstanden? Wurde er freundlich und kompetent beraten?

Hier kann der Beitrag von Marketing darin bestehen, mehr Aufmerksamkeit auf die Qualität aus Kundensicht zu lenken. Jedenfalls in so weit, als dies ohne eine Beein-trächtigung der beiden anderen Dimensionen von Dienstleistungsqualität möglich ist.

Empirische Untersuchungen zeigen, dass Bürger bei staatlichen Dienstleistungen insbesondere auf folgende Qualitätsmerkmale Wert legen (vgl. Broekmate/Dahren-dorf/Dunker 2001):

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

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Möglichst einen Ansprechpartner und nicht mehrere zuständige Stellen,

Umgang auf Augenhöhe und Freundlichkeit,

Medienwahl zwischen Internet, Telefon, Brief, persönlichem Termin,

Umfassende Information in verständlicher Sprache,

Kurze Bearbeitungszeiten und Termintreue,

Gut erreichbare, angenehme Amtsgebäude mit langen Öffnungszeiten.

Es ist kein Zufall, dass man diese von Kunden gewünschten Qualitätsmerkmale vor allem der Kommunikations- und Distributionspolitik zuordnen kann. Gerade hier sind weitreichende Verbesserungen möglich, ohne etwa durch eine Veränderung der Pro-duktpolitik mit wichtigen öffentlichen Interessen in Konflikt zu geraten. Drei Beispiele verdeutlichen dies im Folgenden:

Ein Beispiel für die Bündelung einzelner staatlicher Dienstleistungen in Lebenssituati-onen der Bürger ist das mehrfach international ausgezeichnete E-Government-Portal www.help.gv.at. Es ist in Lebenssituationen für Bürger (z.B. Geburt, Arbeitslosigkeit, Umzug) und Unternehmen (z.B. Betriebsgründung, Franchising, Konkurs) gegliedert und nicht in die einzelnen Verfahren oder die zuständigen Behörden.

Ein Beispiel für eine flächendeckende Ausrichtung der Distributionspolitik an der Nutzergruppe Bürger ist das Projekt „Kundenzentrum der Zukunft“ der Bundesagen-tur für Arbeit, wo die Anliegen aller Nutzer und aller Anrufer an einer Stelle gebün-delt und zielgerichtet verteilt oder – bei einfachen Anliegen – sofort geklärt werden.

Einen ähnlichen Weg ging für die Nutzergruppe der Unternehmen die Stadt Dort-mund mit ihrem „Dienstleistungszentrum Wirtschaft“, das vor allem kleinen und mittleren Unternehmen und Existenzgründern eine einheitliche Anlaufstelle für alle Anliegen bietet.

In Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen stellt sich die Frage, was der Beitrag von Marketing zur Wirtschaftlichkeit staatlicher Dienstleistungen sein kann. Die Qualität der staatlichen Dienstleistung aus Kundensicht zu erhöhen, oder über gezieltes Mar-keting die Kundenakzeptanz zu steigern, verursacht ja häufig ebenfalls Kosten.

Bei Dienstleistungen, deren Gebühren und Entgelte einen Deckungsbeitrag für die öffentliche Verwaltung liefern, kann Marketing genau wie in der Privatwirtschaft die Nachfrage nach der Dienstleistung erhöhen und damit ihre Finanzierung sichern. Ein Beispiel wäre hier der Betrieb öffentlicher Bäder, wo durch das Eingehen auf Kunden-bedürfnisse zusätzliche Kunden gewonnen und so das Ergebnis verbessert werden kann. Für kommunale Betriebe gilt es also nicht nur ihre Kosten senken, sondern auch die marktseitigen Potenziale auszuschöpfen. Der Preispolitik sind hier aber, wie bei vielen öffentlichen Unternehmen, durch ihre öffentlichen Ziele oft engere Grenzen gesetzt als in der Privatwirtschaft. Die Eintrittspreise in die Schwimmbäder können

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sich nicht allein an der Gewinnmaximierung orientieren, sondern haben in der Regel ebenfalls das öffentliche Ziel „preisgünstige Freizeitgestaltung für Kinder und Jugend-liche“ zu berücksichtigen.

Einnahmeseitig ist klar, dass bei staatlichen Dienstleistungen, die hauptsächlich im öffentlichen Interesse ohne die Erhebung von Gebühren und Entgelten erbracht wer-den, eine Preispolitik nicht möglich ist. Teilweise ist Preispolitik auch auf bestimmten Staatsebenen nur eingeschränkt möglich. So können Kommunen ihre Gebührenord-nung nur teilweise autonom gestalten, weil größere Teile vom jeweiligen Bundesland per Gesetz vorgegeben werden.

Aber selbst bei solchen Dienstleistungen kann Marketing ausgabeseitig einen Beitrag zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit liefern. Etwa, wenn Nutzer besser informiert werden, kann diese bessere Information zu einer geringeren Anzahl von Rückfragen, neuerlichen Antragstellungen oder Verweisen an zuständige Behörden führen. Zufrie-denere Nutzer akzeptieren auch eher für sie ungünstige Entscheidungen und legen daher weniger leicht Widerspruch gegen Verwaltungsentscheidungen ein. Beides erspart der Verwaltung Verfahrenskosten, wobei die möglichen Einsparpotenziale dann auch wirklich zu heben sind.

Im Zusammenhang mit ausgabeseitigen Sparplänen kann staatliche Aufgabenkritik als Produktpolitik im Sinne des Marketings betrieben werden. Welche staatlichen Dienst-leistungen soll die öffentliche Verwaltung aus Sicht der Nutzer dieser Dienstleistungen direkt erbringen, welche an Private abgeben, wo bietet sich Public-Private-Partnership als Lösungsmöglichkeit an?

Führt diese Aufgabenkritik zu einer Reduktion von staatlichen Dienstleistungen, kann Marketing zu einer möglichst starken Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse bei-tragen. So kann eine quantitative Reduktion der Öffnungszeiten einer Dienststelle aus Kostengründen etwa durch die Einrichtung eines Call Centers, das auch abends er-reichbar ist, für die Bürger mehr als ausgeglichen werden.

4.2 Standortattraktivität von Kommunen und Regionen

Die Flexibilität von Unternehmen in Bezug auf ihre Standortwahl hat sich in den letz-ten Jahren drastisch erhöht. Die wesentlichen Ursachen dafür sind der europäische Binnenmarkt, der globale Freihandel und die rasante Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien. Im Zusammenhang damit haben kulturelle Ver-änderungen zu einer höheren Mobilität der Bürger bei der Wahl ihrer Wohn-, Arbeits- und Freizeitorte geführt. In einer ersten Welle hatte sich daher Anfang der 1990er Jahre die Beschäftigung deutscher Kommunen mit Standortmarketing erheblich intensiviert,

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

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um die Ansiedelung von Unternehmen, aber auch von natürlichen Personen („gute Steuerzahler“) zu fördern. Für die Zukunft wird sich der Standortwettbewerb in Mit-teleuropa durch den absehbaren demographischen Wandel noch weiter verschärfen. Die Chancen von Marketing in der öffentlichen Verwaltung in Form von Stadt- und Regionalmarketing zur Sicherung der Standortattraktivität für Bürger und Unterneh-men wird also weiter zunehmen.

Was in anderen Bereichen des öffentlichen Marketings gilt, gilt besonders für das Standortmarketing, das sich auf ein ganzes Territorium bezieht: Die Interessen unter-schiedlicher Nutzer an einem Standort sind sehr unterschiedlich und widersprechen einander naturgemäß. So wird ein Flughafenbetreiber an kurzen Betriebspausen inte-ressiert sein, die Wohnbevölkerung an einer ungestörten Nachtruhe. Es gilt also, im Rahmen des politischen Prozesses eine Marketingstrategie zu entwickeln, die sich in ausgeglichener Weise an unterschiedlichen Interessengruppen orientiert (Hohn 2006). Bei größeren Strategieentwicklungsprojekten, wie etwa derjenigen für den Rhein-Neckar-Raum, wurden auch externe Strategieberater eingebunden, um das Potenzial einer Region vergleichend zu evaluieren und die Ansprüche der unterschiedlichen Interessengruppen auf den Punkt zu bringen und daraus eine Erfolg versprechende Gesamtstrategie als Grundlage des zukünftigen regionalen Standortmarketings zu entwickeln.

Standortmarketing hat als Adressat traditionell Unternehmen und versucht, diese zur Niederlassung am eigenen Standort und damit zu Investitionen, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und laufenden Steuerzahlungen zu bewegen. Ergänzt wird die klassi-sche Wirtschaftsförderung mit dem Ziel der Betriebsansiedelungen durch die Pflege der Beziehung zu vorhandenen Unternehmen und mit Imagekampagnen im Fernse-hen. Man denke nur an die Imagekampagne des Landes Baden-Württemberg: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“

Ein jüngeres und innovatives Beispiel für einen radikalen Perspektivenwechsel der öffentlichen Verwaltung im Rahmen von Standortmarketing stellt die Messung der Bürokratiekosten von Unternehmen mit dem Standard-Kosten-Modell dar (vgl. Nij-sen/Vellinga 2002). Hier wird nicht mehr gefragt, welche Gesetze und Verordnungen der Staat für seine Zwecke braucht, sondern welche Kosten den Unternehmen aus diesen Gesetzen auf Grund von Informationsverpflichtungen gegenüber der öffentli-chen Verwaltung entstehen. Mit der Messung und der anschließenden Senkung dieser Kosten werden Wirtschaftsstandorte auf regionaler und nationaler Ebene attraktiver gemacht. Ursprünglich in den Niederlanden entwickelt, wird dieses Verfahren derzeit in allen drei deutschsprachigen Ländern unter Mitwirkung externer Berater eingesetzt.

Neben Unternehmen werden aber auch einzelne Bürger als Adressaten des Standort-marketings immer wichtiger. Hintergrund ist der demographische Wandel, der vor allem Kommunen und Regionen als die davon am unmittelbarsten betroffene staatli-che Ebene vor umfassende Herausforderungen stellt. Infrastruktur und Wohnungs-bau, Gesundheit und Pflege, Kultur und Bildung sowie Tourismus sind davon betrof-

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fen (vgl. Hohn 2005). Als Ergebnis findet ein zunehmender demographischer Wettbe-werb, vor allem um junge, wirtschaftlich leistungsfähige und sozial angepasste Bürger statt: Geschäftsreisende und Touristen sollen eine Stadt bevorzugen, Studenten sie als Studienort wählen und hochqualifizierte Arbeitnehmer sollen auf Grund der Attrakti-vität der Region angezogen werden. Der Wettbewerb um die fähigsten Zuwanderer findet sogar weltweit statt.

Ein jüngeres, mit Hilfe externer Berater entstandenes Praxisbeispiel ist das 2006 erstell-te Tourismuskonzept für das Land Schleswig-Holstein. Es analysiert zum einen die Ansprüche der Tourismusunternehmen an den Standort, um so genannte Leucht-turmprojekte realisieren zu können, zum anderen wird in Bezug auf die Touristen auf Grundlage von wertebasiertem Zielgruppenmarketing eine klare Konzentration auf drei Gruppen von Touristen empfohlen.

Standortmarketing hat auch zum Ziel, die Zufriedenheit und Identifikation der unter-schiedlichen Bevölkerungsgruppen mit einer Stadt oder Region zu erhöhen und nach außen ein positives Image zu vermitteln (vgl. Hohn 2006). Deshalb werden auch ge-sellschaftliche Akteure wie Vereine, Stiftungen, Sozialpartner und die Vertreter unter-schiedlicher staatlicher Institutionen in den Entwicklungsprozess einbezogen. Hier zeigen sich aber auch die Grenzen von Marktorientierung der öffentlichen Verwal-tung. Diese darf sich in einem Gemeinwesen, das soziale Grundrechte achtet, nicht ausschließlich an bestimmten erwünschten Bevölkerungsgruppen orientieren, sondern hat die Interessen aller in ihrem Zuständigkeitsbereich lebenden Menschen zu wahren. Beispielsweise entlässt ein Privatunternehmen Arbeitnehmer, die innerhalb des Unter-nehmens nicht länger beschäftigt werden können, in die Arbeitslosigkeit. Gerade dann werden diese Menschen aber zu Nutzern kommunaler Sozialleistungen. Eine Kom-mune kann sich in dieser Situation nicht auf ihre Ausrichtung auf andere Bevölke-rungsgruppen berufen und die Betroffenen als unerwünschte Personen behandeln.

Eine Stadt oder eine ganze Region, die nicht mehr den Anforderungen von Bürgern und Unternehmen entspricht, und durch Abwanderung und Unternehmensschließun-gen geprägt ist, erneut an den Interessen des Marktes auszurichten, erfordert Ressour-cen, die weit über die Möglichkeiten von Städten und Regionen in Krisensituationen hinausgehen (vgl. Hohn 2006). Diese Ressourcen sind daher regelmäßig von außerhalb zu kommen. Neben nationalen Finanzausgleichsmechanismen sind der Einsatz von Kohäsionsfonds und Strukturfonds der Europäischen Union Beispiele für den Versuch von öffentlichen Verwaltungen, ganze Regionen mit großem Einsatz öffentlicher Mittel neu an den Anforderungen von Unternehmen und Bürgern auszurichten. Dazu laufen in Anwendung von Marketingkonzepten aufwändige Planungsprozesse unter Beteili-gung zahlreicher Stakeholder, die in mittelfristige Strategien zur Hebung der Stand-ortattraktivität mit anschließendem Umsetzungsmonitoring münden.

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Anwendungsbereiche und Ziele von Marketing in der öffentlichen Verwaltung

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4.3 Legitimation staatlichen Handelns

Im öffentlichen Bereich kann Marketing nicht nur zur Hebung der Qualität staatlicher Dienstleistungen oder der Attraktivität von Wirtschaftsstandorten eingesetzt werden, sondern auf der Beziehungsebene zwischen Bürger und Staat auch zur Legitimation staatlichen Handelns beitragen.

Da Bürger zum einen Kunden der Dienstleistungen ihres Staates sind, zum anderen „Eigentümer“ dieses Staates, lohnt es sich in Bezug auf die Legitimation staatlichen Handelns zwischen Input- und Output-Legitimation zu unterscheiden (vgl. Scharpf 2000). Das bedeutet, dass der Staat zum einen über die formelle Zustimmung seiner Bürger in demokratischen Wahlen legitimiert wird (Input-Legitimation), zum anderen die Zustimmung seiner Bürger zu den staatlichen Dienstleistungen braucht (Output-Legitimation).

Auf unterschiedlichen Staatsebenen stehen wir zurzeit vor dem Problem schwinden-der Input-Legitimation, die sich an folgenden Entwicklungen fest machen lässt:

Die Wahlbeteiligung geht seit Jahren auf allen Staatsebenen zurück.

Das Interesse an direkter Demokratie etwa in Form von Bürgerbeteiligung nimmt ab.

Millionen Einwohner mit ausländischer Staatsbürgerschaft können an Wahlen gar nicht teilnehmen.

Im komplexen staatlichen Mehrebenensystem ist der Zusammenhang zwischen der Wahlentscheidung und der Lösung von Problemen kaum mehr zu erkennen.

Die wachsende Bedeutung der Europäischen Union steht in einem Missverhältnis zu ihrer schwachen Input-Legitimation

Diese Probleme bei der Input-Legitimation können durch verstärkte Output-Legitimation ein Stück weit kompensiert werden. Die Europäische Union ist ein gutes Beispiel dafür, wie öffentliche Verwaltungen durch Output-Legitimation gestärkt werden könnten. Die Europäische Union hat eine relativ indirekte Input-Legitimation durch die Gründungsverträge, die Wahlen zum Europaparlament und über die im Rat der Europäischen Union vertretenen nationalen Regierungen. An diesem Demokratie-defizit wird sich in absehbarer Zeit nichts Wesentliches ändern. Daher hat es das Ziel zu sein, eine möglichst breite Zustimmung der Bürger zu den öffentlichen Dienstleis-tungen der EU zu erreichen.

Marketing kann zur Erhöhung dieser Output-Legitimation einen entscheidenden Beitrag leisten. Einmal durch die Ausrichtung von staatlichen Dienstleistungen an den Vorstellungen der Bürger und umgekehrt durch die Vermittlung des Werts vorhande-ner Dienstleistungen. Ein spezielles Problem ist nämlich, das die vorhandene Qualität staatlicher Dienstleistungen als selbstverständlich angesehen wird und laufend schwer

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finanzierbare Verbesserungen erwartet werden (vgl. Riedel 2006). Beispielsweise füh-ren immer neue und kostspieligere medizinische Verfahren das Gesundheitswesen in Deutschland zwangsläufig an seine finanziellen Grenzen. Die politische Diskussion über eine Begrenzung der Leistungen hat aber erst begonnen und Marketing kann einen Beitrag zur Definition der weiterhin kostenlosen medizinischen Leistungen und der Vermittlung eines vernünftigen Anspruchsdenkens leisten. Ziel wäre es hier, dass die Bürger die Notwendigkeit von Veränderungen einsehen und das im internationa-len Vergleich hohe Niveau der verbleibenden Leistungen schätzen lernen.

Häufig erkennt nämlich der einzelne Bürger nicht den Nutzen von staatlichen Dienst-leistungen, die primär im öffentlichen Interesse erbracht werden. Mit den Mitteln der Kommunikationspolitik werden diese Zusammenhänge wieder deutlich gemacht (vgl. Newman 1999).

Insgesamt wird so eine positive Identifikation mit dem Gemeinwesen erreicht. Ähnlich wie dies in der Privatwirtschaft geschieht, gilt es, das transaktionsorientierte Marke-ting dafür in Richtung eines beziehungsorientierten Marketings zu erweitern (vgl. Bruhn 2001a). Ziel ist, die komplexe Gesamtbeziehung zwischen Bürger und Staat zu analysieren und zu optimieren. Dadurch geraten die langfristigen Beziehungen zwi-schen Bürger und Staat ebenso ins Blickfeld, wie Vertrauen und Loyalität oder der aktive Bürger, der an der staatlichen Leistungserstellung mitwirkt. Ein Beispiel dafür wäre die Erreichung des kollektiven Gutes „niedrige Feinstaubbelastung“ in einem Ballungsgebiet. Dafür gilt es, unter Einsatz von Marketingkonzepten zuerst den In-formationsstand der Bürger zu verändern, sie zu konkreten Handlungen zu bewegen und schließlich ihre Einstellungen dauerhaft zu verändern. Vor allem letzteres ist nur langfristig und mit großem Aufwand möglich.

Ein Praxisbeispiel aus dem Bereich der Beziehung zwischen öffentlicher Verwaltung und Unternehmen ist die 2006 mit Unterstützung externer Berater erstellte Kommuni-kationsstrategie „Familie & Beruf“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Im Rahmen des Projektes konnten mehrere Hundert Unterneh-men dafür gewonnen werden, ihre Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus einer unternehmerischen Kalkulation heraus erheblich auszuweiten.

Durch die mediale Berichterstattung und Meinungsumfragen besteht die Gefahr, dass staatliche Entscheidungen unabhängig von Wahlterminen und in kurzfristiger Per-spektive dem „Markt der Popularität“ folgen. Dieser Populismus ist für die inhaltliche Qualität komplexer und langfristig orientierter staatlicher Entscheidungen problema-tisch und das Gegenteil strategischen marktorientierten Handelns. Der Beitrag von Marketing kann hier darin bestehen, die Dynamik politischer Popularität zu verstehen und eine mittelfristigere, strategischere Ausrichtung an den Vorstellungen der Bürger zu ermöglichen, ohne die Qualität staatlicher Entscheidungen im Hinblick auf das, was wirklich zu tun ist, allzu negativ zu beeinflussen.

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5 Schlussfolgerungen

Die Voraussetzungen für eine zukünftig breitere Anwendung von Marketing in der öffentlichen Verwaltung sind günstig. Zum einen ist Marketing durch die Vertiefung im Bereich der Dienstleistungen und der längerfristigen Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager heute besser für einen Einsatz im öffentlichen Sektor geeignet. Zum anderen öffnet sich die öffentliche Verwaltung auch unter dem Einsatz externer Bera-ter zunehmend Konzepten und Instrumenten aus der Privatwirtschaft.

Wichtig für eine breitere Anwendung von Marketing in der öffentlichen Verwaltung, ist allerdings die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Anwendungsbereichen. Als Abgrenzungsmerkmal auf Ebene der einzelnen staatlichen Dienstleistungen bietet sich die Gewichtung der damit verfolgten öffentlichen oder privaten Interessen an: Dominiert das öffentliche Interesse, ist die Anwendung von Marketing nur sehr einge-schränkt möglich. Dominieren private Interessen an einer Dienstleistung, ähnelt der Einsatz von Marketing demjenigen in der Privatwirtschaft. Die große Herausforde-rung liegt daher in der intelligenten Anwendung von Marketing für die große Gruppe der staatlichen Dienstleistungen, mit denen sowohl Interessen privater Nutzer als auch zentrale öffentliche Interessen verfolgt werden. Beispiele sind Dienstleistungen im Gesundheits- und Bildungswesen.

Bei differenzierter Berücksichtigung der unterschiedlichen Anwendungsbereiche kann Marketing einen wesentlichen Beitrag zu drei zentralen Zielen der öffentlichen Ver-waltung leisten:

Erstens kann Marketing erheblich zur Qualität staatlicher Dienstleistungen beitra-gen, verursacht dabei allerdings auch Kosten, welche durch den deutlich geringe-ren Beitrag von Marketing zur Wirtschaftlichkeit staatlicher Dienstleistungen nicht ausgeglichen werden können.

Zweitens wird Marketing in der lokalen und regionalen Standortpolitik als Aus-richtung an den Standortbedürfnissen von Bürgern und Unternehmen intensiv eingesetzt, wobei seine Bedeutung hier durch Globalisierung und demographische Entwicklung wächst.

Drittens sind Marketinginstrumente unverzichtbar für die Legitimation staatlichen Handelns durch die Vermittlung des Werts staatlicher Dienstleistungen an die Bürger.

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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Thomas Hauff, Bernadette Spinnen und Berthold Tillmann

Marktorientierte Führung für Kommunen— Anspruch, Praxis und Perspektiven eines ganzheitlichen Stadtmarketings

1 Marketing, Meffert, Münster – Die 3 „M“ eines strategischen Dreiecks.................351

2 Von der marktorientierten Unternehmensführung zum ganzheitlichen Stadtmarketing................................................................................................................3532.1 Merkmale des ganzheitlichen Stadtmarketings ................................................3532.2 Besonderheiten und Implementierungsprobleme des Stadtmarketings .......3552.3 Identitätsorientiertes Stadtmarketing als ganzheitliche

Führungskonzeption ............................................................................................357

3 Städte im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel – Herausforderungen und Konsequenzen ..................................................................3583.1 Herausforderungen und Hauptprobleme der Stadtentwicklung...................3583.2 Konsequenzen für die Führung von Kommunen und ein ganzheitliches

Stadtmarketing ......................................................................................................361

4 Ganzheitliches Stadtmarketing in der Praxis..............................................................3634.1 Entwicklung des ganzheitlichen Stadtmarketings in Deutschland................3634.2 Stadtmarketing in Münster – Ein ganzheitlicher Ansatz .................................366

5 Perspektiven eines ganzheitlichen Stadtmarketings..................................................376

6 Zusammenfassung .........................................................................................................380

7 Literaturverzeichnis .......................................................................................................380

Dr. Thomas Hauff ist Fachstellenleiter im Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrspla-nung, Stadt Münster, und Lehrbeauftragter am Institut für Geographie der Westfälischen Wil-helms-Universität Münster.

Bernadette Spinnen ist Werkleiterin von Münster Marketing, eigenbetriebsähnliche Einrichtung der Stadt Münster.

Dr. Berthold Tillmann ist seit 1.10.1999 hauptamtlicher Oberbürgermeister der Stadt Münster, zuvor Stadtkämmerer und Beigeordneter für das Dezernat Jugend, Soziales und Gesundheit.

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Marktorientierte Führung für Kommunen

351

1 Marketing, Meffert, Münster— Die 3 „M“ einesstrategischen Dreiecks

Mit der Gründung des Instituts für Marketing an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Jahr 1969 hat der Jubilar dieser Festschrift die Entwicklung des Marketings in Wissenschaft und Praxis sehr maßgeblich vorangetrieben. Aus Sicht der Stadt Münster war es eine außerordentlich glückliche Fügung, dass der Jubilar immer einen sehr engen Kontakt zur kommunalen Praxis gesucht und sich seit Beginn seiner Tätigkeit intensiv in und für Münster engagiert hat. Aufgrund der herausragenden Verdienste um die Stadt Münster hat der Rat im Juni 2006 einstimmig beschlossen, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert die Paulus-Plakette als höchste Auszeichnung der Stadt zu verleihen.

In der Laudatio zur Verleihung der Paulus-Plakette im September 2006 wird dazu ausge-führt: „Mit Professor Meffert ehrt die Stadt Münster heute einen hervorragenden Wis-senschaftler, einen engagierten Hochschullehrer, einen kompetenten Ratgeber, einen Initiator, Ideengeber, Motivator, Motor der weiteren Entwicklung unserer Stadt und ihres besonderen Profils im nationalen und internationalen Wettbewerb der Städte und Regionen. Sie ehrt damit eine prägende Persönlichkeit des Hochschul- und Wis-senschaftsstandort Münsters […]: Sie ehrt einen durch und durch sympathischen und unprätentiösen Münsteraner aus Überzeugung und Leidenschaft“ (Tillmann 2006a, S. 5).

Mit seinen Arbeiten hat der Jubilar den Grundgedanken einer konsequent auf den Markt ausgerichteten Unternehmensführung wissenschaftlich entwickelt und die Philosophie des Marketings als ganzheitliches Führungskonzept geprägt (vgl. Meffert 1999a, b, 2000). Bei der Übertragung des ursprünglich für Unternehmen entwickelten Marketingkonzepts auf nicht kommerzielle Bereiche diente Münster häufig als „La-bor“.

Unter den zahlreichen Arbeiten zu Münster sind insbesondere der viel beachtete Vor-trag und Aufsatz „Städtemarketing – Pflicht oder Kür?“ im Rahmen der Veranstaltung „Stadtvisionen – Stadtstrategien und Städtemarketing in der Zukunft“ (02/03.03.1989) sowie die Impulse und Vorträge von Professor Heribert Meffert als Vorsitzender des Beirats Münster Marketing hervorzuheben (vgl. Meffert 1989a, b, 2001, 2005, 2006a; Spinnen/Hauff 2006).

Stets hat der Jubilar dafür plädiert, dass Stadtmarketing mehr umfasst als Public Rela-tions und klassische Werbung, und verdeutlicht, dass Stadtmarketing im Sinne eines marktorientierten Führungskonzepts einen ganzheitlichen Denkansatz fordert, der die

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Thomas Hauff, Bernadette Spinnen und Berthold Tillmann

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„konsequente Planung, Steuerung und Kontrolle der Beziehungen einer Stadt mit ihren unterschiedlichen Anspruchsgruppen“ beinhaltet (Meffert 1989a, S. 1).

Im Zuge der Ausformulierung der identitätsorientierten Markenführung gab der Jubilar darüber hinaus den Anstoß, diesen Ansatz auf das Stadtmarketing zu übertragen. Die empirische Fundierung des Konzepts eines identitätsorientierten Stadtmarketings erfolgte vor allem am Beispiel von Münster in enger Kooperation zwischen Wissen-schaft und Praxis (vgl. Meffert/Ebert 2002; Ebert 2004, 2005).

Dass das langjährige Wirken des Jubilars in Münster auf „fruchtbaren Boden“ gefallen ist, zeigt eine bundesweite Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu, Berlin) zum Stadtmarketing in Städten und Gemeinden aus dem Jahr 2004. Anhand dieser Untersuchung wird Münster als umfassender Ansatz mit überzeugender Erfolgs-bilanz typisiert und als Best Practice präsentiert (vgl. Grabow/Hollbach-Grömig 2006a; Spinnen/Hauff 2006). „Das Beispiel Münster steht für einen umfassenden Stadtmarke-tingansatz. Dort wurde und wird versucht, durch ein integriertes, leitbildgesteuertes Konzept viele Akteure unter einer Gesamtidee zu ‹verpflichten› und neue Impulse in Richtung ganzheitlicher Führung und strategischer Steuerung zu setzen“ (Gra-bow/Hollbach-Grömig 2006a, S. 27).

Gleichzeitig macht diese Untersuchung auch deutlich, dass der umfassende Ansatz zwar den größten Erfolg verspricht, aber nur von 20 Prozent der Kommunen verfolgt wird. Hingegen dominierte 2004 der Typus des partiellen Stadtmarketings mit über 50 Prozent, in dem nur einzelne Ansätze ohne besonderen Schwerpunkt realisiert werden. Bemerkenswert ist, dass sich der Anteil dieses Typs zwischen 1995 und 2004 von 24 Prozent auf 53 Prozent mehr als verdoppelt hat, während der Typus des um-fassenden Stadtmarketings von seinem relativen Gewicht her nahezu gleich geblieben ist (vgl. Grabow/Hollbach-Grömig 2006a).

Angesichts des zunehmenden Wettbewerbsdrucks und abnehmender kommunaler Handlungsspielräume stellt sich die Frage, welche Perspektiven ein ganzheitliches Stadtmarketing im Sinne eines funktionsübergreifenden, integrierten Führungskon-zepts besitzt. Dazu werden im Folgenden zunächst der Anspruch des ganzheitlichen Stadtmarketings beleuchtet (Kapitel 2) und die aktuellen Herausforderungen an Stadtent-wicklung und Stadtmarketing skizziert (Kapitel 3).

Im Anschluss daran wird anhand empirischer Untersuchungen die Praxis des Stadt-marketings in Deutschland dargestellt (Abschnitt 4.1) und der ganzheitliche Münsteraner Ansatz erläutert (Abschnitt 4.2). Der Münsteraner Ansatz zeigt, dass ganzheitliches Stadtmarketing in der Praxis grundsätzlich erfolgreich realisierbar ist (vgl. Meffert 2006b; Gra-bow/Hollbach-Grömig 2006a; Spinnen/Hauff 2006; Hauff/Spinnen 2007). Auf dieser Basis erfolgt eine Reflektion der Perspektiven der marktorientierten Führungfür Kommunen mittels ganzheitlichen Stadtmarketings (Kapitel 5).

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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2 Von der marktorientierten Unternehmensführung zum ganzheitlichen Stadtmarketing

2.1 Merkmale des ganzheitlichen Stadtmarketings

Der Jubilar hat nicht nur das erste Institut für Marketing in Deutschland gegründet, sondern gehört auch zu den Pionieren des Stadtmarketings (1989a, b). Im Rahmen der Veranstaltung „Stadtvisionen – Stadtstrategien und Städtemarketing in der Zukunft“ konzipierte er die Eckpunkte eines ganzheitlichen Stadtmarketings, die bis heute Bestand haben. Grundlage hierfür war das Verständnis von Marketing als einer funktionsüber-greifenden, integrierten Führungskonzeption, die alle Unternehmensaktivitäten am Kundennutzen und der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen ausrichtet (vgl. Meffert 2000, 2007).

Der Transfer des betriebswirtschaftlichen Ansatzes auf den kommunalen Bereich wur-de dadurch möglich, dass mittlerweile neben der klassischen (ökonomischen) Auffas-sung von Marketing durch Kotler u. a. eine generische (weite) Interpretation entwi-ckelt worden war (vgl. Kotler 1972). Hier wird Marketing als Mittel zur Stimulierung und Förderung von Austauschprozessen zwischen Transaktionspartnern verstanden, unabhängig davon, ob sie kommerzielle oder nicht-kommerzielle Ziele verfolgen (vgl. Institut für Marketing 1989). Damit wurde der Gegenstandsbereich des Marketings zunehmend auf nicht-kommerzielle Bereiche ausgeweitet, was Ende der 1980er Jahre angesichts des steigenden Wettbewerbsdrucks auch die Frage nach den Möglichkeiten und der Notwendigkeit eines Stadtmarketings aufwarf.

Ausgehend von der generischen Definition und dem Verständnis von Marketing als funktionsübergreifender Führungskonzeption wird Stadtmarketing als ganzheitlicher Denkansatz konzipiert, der eine integrierte Gesamtsicht der Bedürfnisse der An-spruchsgruppen fordert. Stadtmarketing umfasst „die konsequente Planung, Steue-rung und Kontrolle der Beziehungen einer Stadt mit ihren unterschiedlichen An-spruchsgruppen“ (Meffert 1989a, S. 1).

Aufgrund der Analogien des Stadtmarketings zum Dienstleistungsmarketing ist bei der Betrachtung der Austauschbeziehungen die Weiterentwicklung des Transaktions-Marketings zum Relationship Marketing zu berücksichtigen (vgl. Meffert 2000, S. 25; Meffert/Bruhn 2006, S. 73ff.). Damit wird der Fokus auf eine prozessuale, ganzheitliche und dynamisch angelegte Betrachtung von Austauschbeziehungen gelegt und der

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Thomas Hauff, Bernadette Spinnen und Berthold Tillmann

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Blick stärker auf Partnerschaften zu allen internen und externen Anspruchsgruppen und die Bildung von Netzwerken gerichtet.

Ganzheitliches Stadtmarketing lässt sich durch folgende Merkmale charakterisieren (vgl. Meffert 1989a, S. 2; 2000, S. 8f.):

Philosophieaspekt: Auf die Stadt übertragen bedeutet Marketing, die Leistungen einer Stadt stärker auf die Bürger und potenzielle Zielgruppen auszurichten, d.h. Bürgerorientierung und Kundennähe.

Informationsaspekt: Voraussetzung für kunden- bzw. bürgergerechtes Verhalten sind Informationen über deren Bedürfnisse und Probleme.

Segmentierungsaspekt: Das betriebswirtschaftliche Prinzip der differenzierten Marktbearbeitung wird beim Stadtmarketing zum „Denken in Zielgruppen“.

Koordinationsaspekt: Die Wirksamkeit des Stadtmarketings hängt nicht nur von der Zielgruppenorientierung, sondern auch von einer koordinierten Vorgehensweise ab.

Strategie- und Aktionsaspekt: Ein erfolgreiches Stadtmarketing umfasst die Festle-gung der Ziele und Strategien in einem längerfristigen Verhaltensplan und den zieladäquaten Einsatz aller Instrumente des Marketing-Mix.

Diese Merkmale zeigen, dass anstelle der direkten Marktorientierung des klassischen Marketings beim Stadtmarketing die Zielgruppenorientierung und die Förderung von Austauschbeziehungen mit den internen und externen Zielgruppen einer Kommune zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen in den Vordergrund treten. Ziel ist die Profilie-rung der Städte bei den Zielgruppen, die Steigerung der Attraktivität der Städte, die Schaffung einer Stadtidentität, die Verbesserung des Images und eine klare Positionie-rung der Städte in ihrem Wettbewerbsumfeld.

Entsprechend dem Verständnis von Marketing als Leitkonzept des Managements wird zur Planung des Stadtmarketings ein systematischer Managementprozess vorgeschlagen. „Die Planung einer Städte-Marketingkonzeption ist ein komplexer Prozess der Wil-lensbildung und -durchsetzung, der von einer vorurteilsfreien Situationsanalyse über die Festlegung von Leitbildern und Zielen, die Strategie- und Maßnahmenplanung bis hin zur Umsetzung und Kontrolle zahlreiche Phasen durchläuft“ (Meffert 1989a, S. 3).

Während diese Prozessphasen durchaus nicht vom unternehmerischen Management abweichen, ist bei der Stadtmarketingkonzeption der kooperative Charakter des Erar-beitungsprozesses hervorzuheben, der ein gemeinsames Selbstverständnis der unter-schiedlichen Interessengruppen voraussetzt. Somit kommt dem prozessualen Charak-ter von Stadtmarketing eine wichtige Rolle zu, in dem der Stadtmarketingprozess auch kommunikative und konsensbildende Aufgaben übernimmt. Diese Funktionen drücken sich in der Auffassung von „Stadtmarketing als Prozess“ aus (vgl. Meffert 2002).

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Bereits im Zusammenhang mit der Erstellung einer strategischen Konzeption wird auf die große Bedeutung der Stadtidentität hingewiesen, die eine wesentliche Grundlage der Integrationsfunktion des Stadtmarketings ist (vgl. Meffert 1989a, S. 5). In späteren Arbeiten gewann die (Stadt)Identität im Zuge der Neuorientierung der Markenfüh-rung noch stärkere Bedeutung, als zunächst eine identitätsorientierte Markenführung und dann ein identitätsorientiertes Stadtmarketing entwickelt wurden. Hierbei wird die Outside-in-Perspektive (Nachfrage- bzw. Imageorientierung) um eine In-side-out-Perspektive (Ressourcen- und Kompetenzorientierung) ergänzt (vgl. Mef-fert/Burmann 2005). Damit kann ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden.

Stadtidentität und strategische Ausrichtung bilden den Rahmen für die Auswahl der Marketinginstrumente, die dann in den unterschiedlichen strategischen Geschäftsfel-dern zum Einsatz kommen. Häufig dominiert die Wahrnehmung, dass beim Stadt-marketing Werbung und Public Relations im Mittelpunkt stehen. Demgegenüber weist Meffert (1989a, b) eindeutig darauf hin, dass die Produkt- bzw. Leistungspolitik den Kern des Marketing-Mix bildet. Im Zusammenhang hiermit steht, dass für ein erfolgreiches Stadtmarketing das Vorliegen der entsprechenden Stadtqualitäten erforderlich ist. Entscheidend ist daher die Integration von Leistungs- und Kommunikationspolitik (vgl. Meffert 2002, S. 57).

2.2 Besonderheiten und Implementierungsprobleme des Stadtmarketings

Bereits bei der Begründung des Stadtmarketings im Jahr 1989 weist der Jubilar sehr deutlich darauf hin, wo die Unterschiede zwischen Stadtmarketing und dem kommerziellen Marketing liegen (vgl. Meffert 1989a, S. 3). Zu beachten sind beim Stadtmarketing:

die Pluralität der Willensbildung,

die hohe Komplexität des sozialen Systems Stadt,

die selektive Wahrnehmung der Zielgruppen,

die Vielzahl von Austauschbeziehungen und

die Vielzahl von relevanten Märkten.

Hinzu kommt hinsichtlich der Zielformulierung, dass öffentliche Verwaltungen immer auf Gemeinwohlorientierung ausgerichtet sind (vgl. Meffert 2000, S. 1270). Dazu haben Kommunen Pflichten im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge und übernehmen hoheitsrechtliche Aufgaben. Zudem resultieren aus den institutionellen Rahmenbe-dingungen kommunalen Handelns spezifische Rahmenbedingungen für die Erarbei-

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tung und Umsetzung von Marketingkonzeptionen. Dieses erfordert einen kontext- bzw. problemangepassten Transfer der marktorientierten Unternehmensführung auf den kommunalen Bereich.

Neben diesen grundsätzlichen Restriktionen sind weitere Probleme anzusprechen, die der Implementierung eines ganzheitlichen Stadtmarketings Grenzen setzen (vgl. Mef-fert 1989a, S. 7):

Unzureichendes Marketingverständnis der unterschiedlichen Interessengruppen, insbesondere im Hinblick auf die strategische Ausrichtung der Stadtmarketing-konzeption.

Kurzfristige Unveränderbarkeit der materiellen Bestandteile einer Stadt und der Stadtkultur im Sinne von typischen Verhaltensmustern der Einwohnerschaft.

Vereinbarkeitsprobleme zwischen der Langfristorientierung eines ganzheitlichen Stadtmarketings und der Kurzfristorientierung im Denken und Handeln von Inte-ressengruppen.

Unzureichende Maßnahmenintegration im Stadtmarketing, die unmittelbar mit Organisations- und Steuerungsproblemen verbunden ist.

Aus der Kritik an der marktorientierten Unternehmungsführung heraus ist sicherlich auch der Einwand des „Anspruchsgruppendefizits“ für das Stadtmarketing zu diskutie-ren. Dabei wird kritisiert, dass die Kundenbedürfnisse und Wettbewerbsvorteile im Vordergrund stehen, während die gesellschaftlichen Anspruchsgruppen vernachläs-sigt werden (vgl. Meffert 2000, S. 18). Die Reichweite dieses Einwands in der Praxis hängt von der Konzeption des Stadtmarketingprozesses ab. Der Integrierte Stadtent-wicklungs- und Stadtmarketingprozess Münster (ISM) belegt beispielsweise, dass Stadtmarketing nicht zwingend ein Forum lokaler Eliten ist, sondern unter breiter Einbindung der Bürgerschaft und der gesellschaftlichen Gruppen erfolgen kann (vgl. Spinnen/Hauff 2006, S. 134).

Zur Bewältigung der Herausforderungen sind die Erfolgsfaktoren, wie sie Töpfer (1993a) formuliert, heranzuziehen. In diesem Kontext sind folgende Erfolgsfaktoren besonders bedeutsam:

Ganzheitliche Ausrichtung („Stadtmarketing ist mehr als Werbung“),

Frühzeitige und breite Einbeziehung der internen Zielgruppen (v.a. Bürger),

Verständnis von Stadtmarketing als organisatorischer Prozess der Stadtentwick-lung.

Die Reflektion der Stadtmarketingpraxis wird zeigen, wie die auf konzeptioneller Ebene konstatierten Probleme in der Praxis ihren Niederschlag gefunden haben.

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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2.3 Identitätsorientiertes Stadtmarketing als ganzheitliche Führungskonzeption

Einen Beitrag zur Lösung der besonderen Komplexitätsprobleme bietet das identitäts-orientierte Stadtmarketing als ganzheitliches Führungskonzept, das bei den führungsre-levanten Spezifika des Stadtmarketings auf der Markt- bzw. Wettbewerbsebene sowie auf der Anbieter- und Nachfrageseite und den Austauschprozessen ansetzt (vgl. Ebert 2004, 2005). Dabei liegen die Nutzenpotenziale der Stadtidentität in primär innenge-richteter Sichtweise in der Integration der heterogenen Interessenvertreter, der Stabili-sierung der Systemstrukturen (Stadtidentität als Orientierungsanker für das Handeln) und der Motivation der Akteure. In externer Perspektive übernimmt die Stadtidentität wichtige Aufgaben als zukunftsbezogenes Zielsurrogat, als Differenzierungsfunktion gegenüber Konkurrenzstandorten und als Risikoreduktionsfunktion für Nachfrager (Stadtidentität als „information chunk“).

Bei der identitätsorientierten Markenführung ist zwischen Selbst- und Fremdbild der Stadtidentität zu differenzieren (vgl. Meffert/Ebert 2002). Das Selbstbild umfasst die spezifischen Kompetenzen einer Stadt aus Sicht der internen Anspruchsgruppen, das Fremdbild lässt sich als Image einer Stadt aus Sicht externer Zielgruppen interpretie-ren. Ziel des identitätsorientierten Stadtmarketings ist ein „möglichst großer Fit zwi-schen Selbst- und Fremdbild“, da der „Grad der Übereinstimmung zwischen diesen beiden Perspektiven Stärke und Prägnanz der Stadtidentität determiniert“ (Mef-fert/Ebert 2002, S. 39). Die empirische Fundierung des identitätsorientierten Stadtmar-ketings erfolgte schwerpunktmäßig am Beispiel von Münster unter Einbezug von Bielefeld und Dortmund als weitere Fallbeispiele (vgl. Meffert/Ebert 2003; Ebert 2004, 2005; Hauff 2003). Dabei wurde deutlich, dass der Aufbau und die Etablierung einer Marke auch im Stadtmarketing einen wichtigen Beitrag zur Profilierung im Wettbe-werb leisten können.

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3 Städte im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel – Herausforderungen und Konsequenzen

3.1 Herausforderungen und Hauptprobleme der Stadtentwicklung

Bereits die Entwicklung erster Stadtmarketingvorhaben ab Mitte der 1980er Jahre hing eng mit veränderten Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung zusammen. Wirtschaftli-cher Strukturwandel, politische Veränderungen (z.B. Zusammenwachsen Europas), Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechniken und gesellschaftliche Herausforderungen (z.B. Wertewandel) führten zu einem steigenden Wettbewerbs-druck, der ein sprunghaftes Ansteigen der Stadtmarketingaktivitäten induzierte (vgl. Grabow/Hollbach-Grömig 1998).

Parallel dazu leiteten die öffentlichen Verwaltungen als Reaktion auf die Krise des bürokratischen Verwaltungsmodells mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodellseinen breiten Reformprozess ein. Als Teil der „New Public Managementbewegung“ konzentrierten sich die deutschen Reformen als „Neues Steuerungsmodell“ vorwie-gend auf das interne Verwaltungsmanagement (vgl. Banner 1991, 2003, 2005; Reichard 2006). Obwohl zwischen den Verwaltungsreformprozessen und den sich entwickeln-den Stadtmarketingaktivitäten durchaus Anknüpfungspunkte bestehen, ist Stadtmar-keting nur in wenigen Städten als zentraler Bestandteil der Verwaltungsreform ange-sehen worden (vgl. Birk 2002).

In den 1990er Jahren hat sich der Wettbewerbsdruck durch Veränderung globaler Rah-menbedingungen nochmals spürbar verschärft. Die Besonderheit der Herausforderun-gen besteht sowohl in deren Gleichzeitigkeit, deren wechselseitigen Verschränkungen und Verstärkungen als auch in der Unzugänglichkeit der Ursachen für die städtische Politik (vgl. Dettling 2004, S. 3; Mäding 2005, S. 25). Hinzu kommt eine generelle Be-schleunigung von Entwicklungsprozessen, was den Entscheidungsdruck für die Kommunen erhöht.

Im Überblick lassen sich folgende Herausforderungen („Megatrends“) benennen, deren kommunale Auswirkung jeweils durch die lokale und regionale Ausgangslage be-stimmt wird:

Globalisierung und Internationalisierung,

Wirtschaftlicher Wandel,

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Marktorientierte Führung für Kommunen

359

Technologischer Wandel,

Demographischer Wandel,

Sozialer und gesellschaftlicher Wandel.

Der wichtigste Megatrend ist die Globalisierung als wachsende internationale Verflech-tung der Wirtschaft, die zu einem globalen Standortwettbewerb und damit zu einem steigenden Wettbewerbdruck für die Kommunen führt. Wichtige Voraussetzung für die Globalisierung sind neue Informations- und Kommunikationstechnologien und politische Rahmensetzungen, wie z.B. die Regelungen für die Weltwirtschaft (GATT, WTO, EU) (vgl. Frey 2005).

Selbstverständlich findet der globale Standortwettbewerb vorrangig zwischen Metro-polen und größeren Regionen statt. Ohne Einbindung in einen regionalen Wirtschafts- und Lebenszusammenhang können sich einzelne Städte kaum international profilie-ren. Gleichwohl findet räumliche Konkurrenz auch auf nationaler und regionaler Ebene mit einem starken Wettbewerbsdruck statt (vgl. Töpfer/Mann 1996).

Verschränkt mit der Globalisierung ist der wirtschaftliche Strukturwandel von der In-dustriegesellschaft zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Diese Entwicklung hat gravierende Folgen für den Arbeitsmarkt mit entsprechender Arbeitslosigkeit, bewirkt eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft und zunehmende Knappheit an öffentlichen Haushaltsmitteln (vgl. Grabow et al. 2006, S. 21). Mäding (2005, S. 33) interpretiert die Situation als „Zangenbewegung“, indem durch die Globalisierung „einerseits gesellschaftliche Probleme (Arbeitslosigkeit, Armut und Polarisierung) erzeugt und andererseits die regulativen und finanziellen Mittel zu ihrer Bearbeitung beschnitten“ werden.

Der demographische Wandel lässt sich wesentlich durch die Prozesse des Schrumpfens, der Alterung und der Heterogenisierung beschreiben. Der demographische Wandel forciert den Wettbewerb um Einwohner und um gut ausgebildete Arbeitskräfte. Dar-über hinaus ist mit der zunehmenden Vielfalt in der Gesellschaft eine große Heraus-forderung in einem intelligenten Umgang mit Differenz (Management of Diversity) und adäquater Bildungs- und arbeitsmarktpolitischer Integrationspolitik zu sehen (vgl. Dettling 2004; Mäding 2005). „Zusammen mit dem Wertwandel – Stichworte: Individualisierung, Gleichberechtigung der Geschlechter, Hedonismus und neue Ver-antwortlichkeit – und den sozialen Folgen der beschriebenen Trends wie Segregation und Armut entsteht eine brisante Mischung als Problemlagen, aus der aber durchaus auch Chancen erwachsen“ (Grabow et al. 2006, S. 21).

Die Wahrnehmung und Bewertung dieser Megatrends auf kommunaler Ebene lässt sich in den jährlichen Umfragen des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) zu den Hauptproblemen der Stadtentwicklung und Kommunalpolitik gut nachvollziehen (vgl. Difu 2005). Übereinstimmend mit den Einschätzungen der vorangegangenen Jahre zeigt sich auch 2004, dass von den kommunalen Akteuren das überragende Problem wei-

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360

terhin im Bereich der „Kommunalfinanzen“ und in den eingeleiteten „Haushaltskon-solidierungsprozessen“ gesehen wird (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Hauptprobleme der Stadtentwicklung und Kommunalpolitik 2004 (Quelle: Verändert nach Deutsches Institut für Urbanistik – Difu 2005, S. 12ff.)

23 %

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Hauptprobleme der Stadtentwicklung und Kommunalpolitik 2004

0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 %

Kommunalfinanzen /Haushaltskonsolidierung

Arbeitsmarkt, Wirtschaftsförderung,Wirtschaftlicher Strukturwandel

aInnenstadtentwicklung

a

Bevölkerungsentwicklung, Suburbanisierung

24Stadterneuerung, Städtebau, Stadtbild,

Plattenbauten, Großsiedlungena

Einzelhandelsentwicklung

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Kommunalfinanzen /Haushaltskonsolidierung

Arbeitsmarkt, Wirtschaftsförderung,Wirtschaftlicher Strukturwandel

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Bevölkerungsentwicklung, Suburbanisierung

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Plattenbauten, Großsiedlungena

Einzelhandelsentwicklung

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Mit deutlichem Abstand folgen der „wirtschaftliche Strukturwandel“ und die Situati-on auf dem „Arbeitsmarkt“. Der „demographische Wandel“ als Herausforderung verbirgt sich zum einen hinter dem Problemtyp „Bevölkerungsentwicklung“, zum anderen sind auch die Nennungen bei der Kategorie „Stadterneue-rung/Großsiedlungen“ als Folgen des demographischen Wandels zu interpretieren. Zudem scheint dieses Megathema bei einigen zurzeit noch wachsenden Städten aktu-ell keine wichtige Rolle zu spielen oder entsprechende zielgruppenorientierte Maß-nahmenprogramme sind bereits erfolgreich eingeleitet worden (z.B. Wohnen im Alter, familiengerechte Stadtentwicklung, Pflegeplanung).

Im Einklang mit der weiten Verbreitung innenstadt- und einzelhandelsorientierter Stadtmarketingaktivitäten steht, dass diese beiden Bereiche ebenfalls unter den wich-tigsten sechs kommunalen Problemen rangieren. Auch hier ist zu vermuten, dass

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zwischen den beiden Problemgruppen „Innenstadtentwicklung“ und „Einzelhandels-entwicklung“ wechselseitige Abhängigkeiten bestehen.

Die Rolle der Kommunen lässt sich somit treffend als „Sandwich-Position“ charakteri-sieren, da der Druck sowohl aus Richtung der Wirtschaft als auch aus Richtung des Bundes und der Länder wie auch der Bürger und freien Träger vor Ort auf die Kom-munen einwirkt (vgl. Meffert 1989a, b; Tillmann 2006b).

3.2 Konsequenzen für die Führung von Kommunen und ein ganzheitliches Stadtmarketing

Die Kommunen haben bereits in den 1990er Jahren mit einer Vielzahl von Handlungs-ansätzen auf die komplexen Anforderungen veränderter Rahmenbedingungen rea-giert, denen jedoch häufig die Vernetzung und Koordination fehlte. Daher wurde in einem umfassenden Marketingdenken und -handeln ein geeigneter Ansatz gesehen, den Herausforderungen adäquat zu begegnen. Die Koordinationsfunktion des ganzheitli-chen Stadtmarketings erhielt damit hohe Bedeutung (vgl. Meffert 1989a, b, 2002).

Angesichts der Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist zunächst nach dem Handlungsraum und der Handlungskraft der Kommunen zu fragen. Hinsichtlich des Handlungsraums zeigt sich, dass dieser in den vergangenen Jahren geschrumpft ist (vgl. Mäding 2005, S. 30). Dieses geht trotz der Deregulierungsbestrebungen in Deutschland zum einen auf neue Regulierungen durch EU-Recht zurück, zum ande-ren bewirken auch die Binnenmarktstrategie und die Wettbewerbspolitik der EU (z.B. durch die Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes) Einschnitte bei den traditionel-len Strukturen der kommunalen Leistungserbringung.

Durch die Finanzkrise der Städte, die auf schwindende Einnahmen, steigende Ausga-ben vor allem im Sozialbereich und Aufgabenübertragungen von Bund und Ländern ohne angemessene Finanzausstattung zurückgeht, fehlt zudem die finanzielle Hand-lungskraft. Somit bleibt festzuhalten: „Den objektiv wachsenden Aufgaben und wach-senden subjektiven Erwartungen der Bürger stehen tendenziell ein schrumpfender Handlungsspielraum und eine sinkende finanzielle Handlungskraft gegenüber“ (Mä-ding 2005, S. 31).

Die Konsequenz hieraus ist, dass strategisches Management für Kommunen verstärkt an Bedeutung gewinnt. Sowohl für das „Sparen“ als auch für das „Gestalten“ werden strategische Ziele benötigt, die eine gewichtete Ableitung von Maßnahmen und ein koordiniertes Vorgehen ermöglichen (vgl. Tillmann 2006b, S. 19). Im Kontext des „Ge-staltens“ gewinnt darüber hinaus die Frage der Positionierung von Städten im Wett-bewerb verstärkt an Bedeutung. In einem veränderten Wettbewerbsumfeld hat eine

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entsprechende Positionierung der Städte zu erfolgen, um als Wirtschafts- und Lebens-raum attraktiv zu bleiben (vgl. Frey 2005). Sowohl für das „Sparen“ als auch für das „Gestalten“ sind somit strategische Managementkonzepte von hoher Relevanz.

Unabhängig von der kommunalen Ausgangssituation und politikfeldbezogenen Fra-gestellungen lassen sich für Kommunen zwei grundsätzliche Handlungsmöglichkeiten aufzeigen (vgl. Mäding 2005, S. 32ff.):

Binnenorientierte Verwaltungspolitik: Steigerung der Effizienz

Hier ist an den Verwaltungsreformprozess und das Neue Steuerungsmodell (NSM) bzw. das New Public Management anzuknüpfen (vgl. Banner 1991, 2003, 2005; Bogu-mil/Holtkamp 2006, S. 80 ff.; Reichard 2006). Ursprünglich hatte die Kommunale Ge-schäftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) Anfang der 1990er Jahre eine pri-mär nachfrage- und kundenorientierte Kommunalverwaltung („Von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen“) konzipiert. Die Aktivierung der neuen Organisations-strukturen hat durch Wettbewerb und Kundenorientierung zu erfolgen.

Obwohl das Neue Steuerungsmodell in vielen Kommunen erhebliche Reformanstren-gungen ausgelöst hat, kommt Banner (2003) zu dem Ergebnis, dass der Umsetzungser-folg hinter den programmatischen Zielen zurückgeblieben ist. Der Reformprozess ist im Grundsatz binnenorientiert geblieben und nur selten wurde ein leistungsfähiger zentraler Steuerungsbereich neuer Art als Gegenstück zur dezentralisierten Struktur entwickelt. Da die meisten Kommunen nur Teile aus dem Instrumentenkasten des NSM umgesetzt haben, ist der Steuerungsgewinn in dem angestrebten Umfang bisher nicht erreicht worden.

Außenorientierte Verwaltungspolitik: Kooperation

Unter dem Druck der wirtschaftlichen und politischen Veränderungsprozesse wird Kooperation zu einer zentralen Strategie kommunalen Handelns, um den eigenen Handlungsspielraum zu vergrößern, zusätzliche Handlungsressourcen zu erschließen und durch die Bündelung von Kräften wettbewerbsfähiger zu werden (vgl. Henckel 1997; Mäding 1999, 2005). Dabei lassen sich Kooperationen zwischen der öffentlichen Hand und weiteren öffentlichen Akteuren, bürgerschaftlichen Gruppen und der Wirt-schaft unterscheiden. Die Kooperationsformen zwischen Kommunen und der Wirt-schaft zeigen einen unterschiedlichen Verbindlichkeitsgrad, der von informellen Run-den bis zu institutionalisierten Public Private Partnerships als Teil des Stadtmarketings reicht.

Die Partnerschaften mit der Zivilgesellschaft und die Förderung bürgerschaftlichen Engagements lassen sich in den Kontext der kooperativen Demokratie einordnen, der auch Stadtmarketingprozesse umfasst (vgl. Bogumil et al. 2003; Holtkamp et al. 2006). Angesichts dieser Entwicklung rückt die kommunale Verwaltung stärker in die Rolle eines Moderators, der Netzwerke aufbaut und pflegt. Ebenso sind Public Private Part-nerships zu wesentlichen Elementen von Stadtmarketingaktivtiäten geworden.

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Bei einer Einschätzung dieser beiden grundsätzlichen binnen- und außenorientierten Handlungsmöglichkeiten für Kommunen ist die Analyse von Dettling (2004) weiter-führend, der Deutschland als Gesellschaft im Übergang beschreibt. Dabei wird die Binnenmodernisierung als notwendig, nicht aber als hinreichend für eine zukunftsfä-hige kommunale Politik gesehen. Entscheidend sind seiner Meinung nach neue institu-tionelle Antworten auf die veränderte Lage. Auch vor diesem Hintergrund ist zu fragen, welchen Beitrag eine marktorientierte Führung in Form eines ganzheitlichen Stadt-marketings leisten kann.

4 Ganzheitliches Stadtmarketing in der Praxis

Der Anspruch eines ganzheitlichen Stadtmarketings ist klar formuliert. Wie sieht je-doch die Praxis des Stadtmarketings aus? Diese Frage wird zum einen überblicksweise anhand von empirischen Untersuchungen beantwortet, um den Stellenwert der marktorientierten Führung in die bundesdeutsche „Stadtmarketing-Landschaft“ einzuord-nen (Abschnitt 4.1). Zum anderen wird der ganzheitliche Ansatz in Münster als Fallstu-die vorgestellt, um auch anhand der Münsteraner Erfahrungen die Perspektiven für die Realisierbarkeit eines ganzheitlichen Stadtmarketings reflektieren zu können (Ab-schnitt 4.2).

4.1 Entwicklung des ganzheitlichen Stadtmarketings in Deutschland

Die Entwicklung der Stadtmarketingansätze in Deutschland kann anhand verschiede-ner empirischer Untersuchungen gut nachvollzogen werden. Die frühe Umfrage von Töpfer (1993b) unter Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern zeigt, dass das Thema Stadtmarketing – gemessen am Bekanntheitsgrad des Begriffs und der Realisierung von Maßnahmen – bereits zu Beginn der 1990er Jahre einen hohen Stellenwert besaß. Unter Stadtmarketing werden in erster Linie klassische Werbeinstrumente verstanden, so dass dementsprechend auch Kommunikationsaktivitäten unter den durchgeführten Maßnahmen dominieren. Ansätze eines ganzheitlichen Marketings und eines systema-tischen Vorgehens treten demgegenüber in den Hintergrund.

Die Ergebnisse einer zeitgleichen Umfrage von Schückhaus et al. (1993) unter Kreisen und kreisfreien Städten zeigen, dass die Stadtmarketingpraxis zu diesem Zeitpunkt vornehmlich durch Einzelmaßnahmen geprägt ist. Zwar verstehen 79 Prozent der

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Befragten unter Stadtmarketing eine Philosophie im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts, jedoch haben lediglich 17 Prozent bisher eine entsprechende Konzeption erarbeitet. 52 Prozent planen allerdings noch die Erstellung einer umfassenden Kon-zeption.

Ob die Entwicklung hin zu ganzheitlichen Ansätzen eingetreten ist, lässt sich der ers-ten Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik zum Stadtmarketing im kommu-nalen Bereich entnehmen (vgl. Kaiser 1996; Grabow/Hollbach-Grömig 1998). Mitte der 1990er Jahre war das Thema „Stadtmarketing“ bei den Städten und Gemeinden Deutschlands demnach hoch aktuell. 43 Prozent der Städte gaben an, bereits Stadt-marketingaktivitäten realisiert zu haben, 36 Prozent hatten entsprechende Planungen für die nahe Zukunft. Die Befragung macht deutlich, dass sich der Stadtmarketingbe-griff und die praktischen Ansätze weiter differenziert haben. Dementsprechend wird das unterschiedliche Verständnis der Akteure von Stadtmarketing auch als das größte Problem bei der Durchführung von Stadtmarketingprojekten angesehen.

Die Typisierung der vielfältigen Stadtmarketingansätze macht deutlich, dass sich ein ganz-heitliches Marketing keineswegs in der ersten Hälfte der 1990er Jahre etabliert hat. Vielmehr dominieren „unvollständige“ und „eingeschränkte“ Stadtmarketingtypen (ohne besonderen inhaltlichen Schwerpunkt) sowie „eingeschränktes“ Stadtmarketing mit dem Schwerpunkt „Stadtwerbung“ (Grabow/Hollbach-Grömig 1998). „Umfassen-des Stadtmarketing“ wird nur von knapp 20 Prozent der Kommunen realisiert. Dieses Ergebnis wird darauf zurückgeführt, dass umfassende Stadtmarketingkonzepte – angeregt durch Pilotprojekte der 1980er Jahre und entsprechende Erfolgsliteratur – vor allem Anfang der 1990er Jahre konzipiert wurden. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre scheint somit die Skepsis der Kommunen gegenüber umfassenden Ansätzen gestiegen zu sein, es wurde daher eher nach „kurzfristig Erfolg versprechenden We-gen“ gesucht (Grabow/Hollbach-Grömig 1998).

Die Wiederholungsumfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik aus dem Jahr 2004erlaubt eine Einschätzung der Entwicklung seit Mitte der 1990er Jahre (vgl. Hollbach-Grömig et al. 2005; Birk et al. 2006 a, b; Grabow/Hollbach-Grömig 2006 a, b). Stadt-marketing hat sich demnach weiter etabliert. Bereits 69 Prozent der Kommunen haben Maßnahmen umgesetzt und weitere 10 Prozent planen Aktivitäten. Vor dem Hinter-grund des Deutungsansatzes von „Stadtmarketing als Prozess“ ist bemerkenswert, dass bereits 11 Prozent der befragten Kommunen angaben, ihre Stadtmarketingaktivi-täten abgeschlossen zu haben. Häufigstes Problem bei der Durchführung ist weiterhin das unterschiedliche Verständnis der Akteure von Stadtmarketing. Neben dem nach-lassenden Engagement der beteiligten Gruppen und fehlenden Finanzmitteln nach der Anlaufphase stellt allerdings auch die fehlende Zielorientierung ein wesentliches Problem dar.

Aus inhaltlicher Sicht wird deutlich, dass es zwar gegenüber 1995 keine grundlegen-den Verschiebungen hinsichtlich der Ziele, Akteure und Aufgabenfelder gegeben hat, allerdings haben sich die Formen des Stadtmarketings weiter ausdifferenziert. In die-

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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sem Kontext werden Tendenzen in Richtung verstärkter Umsetzungsorientierung deutlich (z.B. größere Einzelhandelsorientierung, Konzentration der Aktivitäten auf Innenstadt) (vgl. Hollbach-Grömig et al. 2005, S. 13). Dies würde durchaus mit den Hauptproblemen der Stadtentwicklung in Einklang stehen, da hier Einzelhandels- und Innenstadtentwicklung unter den wichtigsten sechs Problemen genannt wurden (vgl. Abschnitt 3.1). Auch der ökonomische Anspruch ist im Vergleich zu 1995 gewachsen, was sich in einer intensiveren Einbindung von Unternehmen in Stadtmarketing-Projekten, eine sehr ausgeprägte Sichtweise des „Bürgers als Kunden“ und einer ten-denziell noch geringeren Rolle der Bürgermitwirkung nachvollziehen lässt (vgl. Holl-bach-Grömig et al. 2005, S. 13).

Hinsichtlich der Entwicklung der Stadtmarketingtypen zeigt die Umfrage, dass der Anteil der „unvollständigen“ Typen – gemessen anhand von 12 Konzeptelementen mit Philo-sophie-, Prozess- und Instrumentencharakter – deutlich gewachsen ist (vgl. Gra-bow/Hollbach-Grömig 2006a, S. 72). „Partielles Stadtmarketing“ (stark eingeschränk-tes Stadtmarketing ohne eindeutigen Schwerpunkt) hat sich von 24 Prozent (1995) auf 53 Prozent (2006) mehr als verdoppelt. Das „umfassende“ Stadtmarketing wird wei-terhin von 20 Prozent der Kommunen verfolgt (vgl. Abb. 2). Bei den Städten dieses Typs sind die verschiedenen Stadtmarketing-Ziele relativ ausgeglichen vertreten, stärker als bei den anderen Stadtmarketingtypen stehen die Zieldimensionen „Strate-gie und Information“ sowie „Kundenorientierung und Leitbild“ im Vordergrund (vgl. Grabow/Hollbach-Grömig 2006a, S. 73).

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Thomas Hauff, Bernadette Spinnen und Berthold Tillmann

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Abbildung 2: Stadtmarketingtypen in der kommunalen Praxis 1995 und 2004 (verändert nach Grabow/Hollbach-Grömig 2006, S. 72)

Stadtmarketingtypen in der kommunalen Praxis 1995 und 2004

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 %

1 9 9 5 2 0 0 4

UmfassendesStadtmarketing

Stadtmarketing mitEinzelschwerpunkten

Partielles / rudimentäresStadtmarketing 53 %

30 %22 %

27 %5 %

24 %

19 %20 %

Stadtmarketing mitmehreren Schwerpunkten

Stadtmarketingtypen in der kommunalen Praxis 1995 und 2004

0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 %

1 9 9 5 2 0 0 4

UmfassendesStadtmarketing

Stadtmarketing mitEinzelschwerpunkten

Partielles / rudimentäresStadtmarketing 53 %

30 %22 %

27 %5 %

24 %

19 %20 %

Stadtmarketing mitmehreren Schwerpunkten

Der umfassende Ansatz überzeugt – nach der Selbsteinstufung der befragten Kommu-nen – in seiner Erfolgsbilanz. Vor allem die positiven Effekte bei den Erfolgsdimensio-nen „Nutzen durch Kooperation“ und „Verbesserung der strategischen Ausrichtung“ werden hervorgehoben. Allerdings weisen einige Kommunen darauf hin, dass „trotz aller Erfolge der zusätzliche Aufwand nach ihrer Einschätzung höher ist als der Er-trag“ (Grabow/Hollbach-Grömig 2006a, S. 77). Aufgrund der Erfolge wird der umfas-sende Ansatz trotz des Aufwands von den Experten des Deutschen Instituts für Urba-nistik, wie bereits 1995, auch 2004 zur Realisierung empfohlen.

4.2 Stadtmarketing in Münster— Ein ganzheitlicher Ansatz

Das Deutsche Institut für Urbanistik klassifiziert in seiner Studie Münster als umfassen-den Stadtmarketingansatz mit überzeugender Erfolgsbilanz und präsentiert den Ansatz als Best Practice (vgl. Grabow/Hollbach-Grömig 2006a; Spinnen/Hauff 2006). Als Reflekti-

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367

onshintergrund zu den Perspektiven eines ganzheitlichen Stadtmarketings werden daher im Folgenden der Prozess der Erstellung der Stadtmarketingkonzeption in Münster und ausgewählte Beiträge des Stadtmarketings im Hinblick auf die Heraus-forderungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels thematisiert.

Dass Münster als Fallbeispiel für einen umfassenden Stadtmarketingansatz stehen kann, hat Münster sehr wesentlich dem Jubilar zu verdanken. Professor Heribert Mef-fert hat Münster seit 1989 einen „ganzheitlichen“ Weg gewiesen und ist nicht müde geworden, Münster beim „Kurs halten“ in Richtung eines integrierten Stadtmarke-tings zu unterstützen (vgl. Meffert 1989a, b, 2001, 2005, 2006a, b; Meffert/Meissner 1998; Meffert/Ebert 2003).

4.2.1 Der Integrierte Stadtentwicklungs- und Stadtmarketing-Prozess Münster (ISM)

In Münster standen beim Stadtmarketing von Beginn an strategische Fragen der Zu-kunftsentwicklung im Vordergrund (vgl. Spinnen/Hauff 2006; Hauff/Spinnen 2007). Bereits die Gründung der „Ideenschmiede Münster“ im Jahr 1987 und die Durchführung des bundesweit beachteten Symposiums „Stadtvisionen“ (1989) sind als Reaktionen auf den sich verschärfenden Wettbewerbsdruck zu interpretieren. Mit Hilfe des Jubi-lars, der hier die „Pflichtaufgabe Städtemarketing“ begründete, wurden Stadtvisionen im Sinne langfristiger Zukunftskonzepte als bürgerschaftliche Initiative zur Profilie-rung im Wettbewerb formuliert. Obwohl Münster somit zu den Pionieren in Sachen Stadtmarketing gehört, dominierten in den folgenden Jahren vielfältige, aber eher partielle Ansätze (z.B. Ansätze zur Stadtwerbung, zum Standortmarketing und zum Citymarketing).

Mit Verschärfung des Wettbewerbsdrucks zu Beginn des neuen Jahrtausends erhielt die Frage „Quo vadis Münster?“ einen neuen Schub. Die Diskussionen um den „schlanken“ Staat und die Reform der Mittelinstanzen in Nordrhein-Westfalen mach-ten anhand von Arbeitsplatzverlusten im Verwaltungssektor deutlich, dass die traditi-onelle Funktion Münsters als „Schreibtisch Westfalens“ allein keine tragfähige Zu-kunftsperspektive mehr bieten kann. Die Zeit war reif für die systematische Erarbei-tung einer Stadtmarketingkonzeption, die wiederum durch den Jubilar und seine Mitarbeitenden unterstützt wurde. Damit konnten wesentliche Forderungen aus dem Symposium „Stadtvisionen“ eingelöst werden, wie die Erarbeitung einer Stadtvision und eines Stadtprofils in enger Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Interessen-gruppen und unter breiter Einbeziehung der Bürgerschaft.

Das Verfahren wurde durch eine Bürgerumfrage zu den grundsätzlichen Zielen der Stadtentwicklung sowie durch Imageumfragen zum Selbst- und Fremdbild unterstützt. Damit konnte nicht nur der Prozess auf eine breite Basis gestellt, sondern auch die

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empirischen Grundlagen für die Ableitung der „Marke Münster“ und den Aufbau einer Erfolgskontrolle geschaffen werden (vgl. Meffert/Ebert 2002, 2003; Hauff 2003).

Eine Besonderheit des Münsteraner Ansatzes besteht darin, dass ein Integrierter Stadt-entwicklungs- und Stadtmarketingprozess (ISM) mit Einbindung der Lokalen Agenda 21durchgeführt wurde (vgl. Stadt Münster 2004; Spinnen/Hauff 2006). Damit wurde die Erarbeitung der Stadtmarketingkonzeption zum einen in die materielle Seite der Stadt-entwicklung und die umfassende Zielkonzeption der Nachhaltigkeit eingebunden, zum anderen konnte die Stadtentwicklungsseite durch die Zielgruppenorientierung und den Ansatz der Profilierung im Wettbewerb in Richtung Wahrnehmung und Kommunikation erweitert werden.

Letztlich wurde durch dieses Verfahren eine innen- und außengerichtete, funktions-übergreifende Vernetzung im Sinne einer Integration des „market-based-view“ und des „resource-based view“ vorgenommen. Damit war die Grundlage für eine identi-tätsorientierte Markenführung gelegt, die in der Folgezeit als identitätsorientiertesStadtmarketing auch dem ISM-Prozess weitere Impulse gab (vgl. Meffert 2003; Mef-fert/Ebert 2002; Ebert 2004, 2005).

Das Ergebnis des bürgerschaftlichen Prozesses ist ein zukunftsorientiertes Profil für Münster und ein Konsens zwischen Rat, Bürgerschaft, Verwaltung und wesentlichen Interessengruppen über die langfristigen Entwicklungsziele der Stadt. Münsters Antwort auf den Strukturwandel ist ein klares Bekenntnis zur Wissenschaft. Der Kern des Münsterprofils besteht aus der besonderen Bildungs- und Wissenschaftslandschaft und der ausgezeichneten Lebensqualität als „Lebenswerteste Stadt der Welt“ im Jahre 2004, womit gleichzeitig gute Grundlagen für eine positive Wirtschaftsentwicklung gegeben sind.

Weitere Profilanker sind das unverwechselbare Stadtbild in Kombination mit den besonderen Qualitäten als Handelszentrum sowie das besondere kulturelle Klima, in dem auch internationale Spitzenleistungen (z.B. Skulpturen-Ausstellungen) gedeihen. Orientiert an dem Zukunftsprofil „Wissenschaft und Lebensart“ will Münster die Heraus-forderungen des Standortwettbewerbs meistern und in Zukunft als „Regionalhaupt-stadt“ europäische Wahrnehmung erreichen.

Mit der Entwicklung des Zukunftsprofils, von sieben Leitorientierungen und der Fest-schreibung der besonderen Qualitäten der Münsteraner Stadtentwicklung waren we-sentliche strategische Grundlagen für das operative Stadtmarketing und die Stadtentwick-lung gelegt (vgl. Spinnen 2004; Hauff 2005). Durch den integrativen Ansatz von Stadt-entwicklung und Stadtmarketing ist eine enge Verknüpfung von Leistungs- und Kommunikationspolitik sichergestellt.

Mit dem politischen Beschluss des Profils und der Leitorientierungen waren wichtige Grundlagen für den Aufbau der Markenführung gelegt (vgl. Meffert 2005; Ebert 2005). Den Ausgangspunkt hierfür bildet das Profil „Wissenschaft und Lebensart“. Im Sinne eines identitätsorientierten Stadtmarketings ist es das Ziel, einen möglichst großen Fit

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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zwischen Selbst- und Fremdbild zu erreichen und damit ein unverwechselbares und eigenständiges Profil der Marke Münster zu etablieren. Auch bei der Profilierung von Münster als Marke spielen das Leistungsprofil und die Stadtkultur im Sinne der Ein-stellungen und Verhaltensweisen der Bürgerschaft eine wichtige Rolle: „Ein authenti-sches und glaubwürdiges Markenprofil unserer Stadt wird eben nicht nur und in erster Linie durch aufmerksamkeitsstarke Werbung, sondern vor allem auch durch Leistungen und eine entsprechend gelebte Stadtkultur geprägt“ (Meffert 2006b, S. 12).

4.2.2 Ausgewählte Beiträge des Stadtmarketings in Münster im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

„Das Stadtmarketing verfolgt somit in enger Kooperation mit der Stadtentwicklung einen ganzheitlichen Ansatz, der klare strategische Ausrichtung mit hoher Umset-zungsorientierung verbindet“ (Hauff/Spinnen 2007, S. 122). Da auch für Stadtmarke-ting-Konzeptionen ein entscheidender Schritt in der Implementierung besteht, werden im Folgenden umsetzungsorientierte Aspekte an ausgewählten Beispielen verdeutlicht.

Konstitutiv für das Stadtmarketing in Münster sind der kooperative Ansatz und die Arbeit in Netzwerken. Das Stadtmarketing agiert dabei als Moderator, knüpft Allianzen, bündelt Kräfte und letztlich auch Geld. Alle Geschäftsfelder von Münster Marketing sind als Netzwerke organisiert. Das Citymanagement moderiert beispielsweise den „Runden Tisch der Innenstadtkaufleute“, das Wissenschaftsbüro ist „Knoten“ im Netzwerk „Stadt der Wissenschaft“ (vgl. Abb. 3).

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Abbildung 3: Netzwerke und Geschäftsfelder von Münster Marketing (Quelle: Spinnen/Hauff 2006, S. 125)

Münster Marketing30 Mitarbeiter/innen (Voll- und Teilzeit)3,5 Mio € Umsatz

WissenschaftModeration: MM/Wissenschaftsb. Partner: Wissenschaftsakteure, v. a. Universität, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, …

WirtschaftModeration: Wirtschaftsförderung Partner: WirtschaftsInformations-Dienst, WirtschaftsInitiative, IHK, HWK, Aktion Münsterland, …

VeranstaltungenModeration: Münster Marketing Partner: Festveranstalter/Organi-satoren, Ämter (z. B. Kultur, Sport, Jugend), Hochschulen,…

Touristik/KongresseModeration: Münster Marketing Partner: Halle Münsterland, Hotels, FMO, DeHoGa, IHK, Verbände und Organisationen

CityModeration: Münster M. Partner: Kaufleute Innenstadt, IHK, Einzel-handelsverband, ….

ISG BahnhofsviertelModeration: MM/Private Partner: Eigentümer + Gewerbetreibende, IHK, Ämter + Konzerntöchter

Münster Marketing30 Mitarbeiter/innen (Voll- und Teilzeit)3,5 Mio € Umsatz

WissenschaftModeration: MM/Wissenschaftsb. Partner: Wissenschaftsakteure, v. a. Universität, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, …

WirtschaftModeration: Wirtschaftsförderung Partner: WirtschaftsInformations-Dienst, WirtschaftsInitiative, IHK, HWK, Aktion Münsterland, …

VeranstaltungenModeration: Münster Marketing Partner: Festveranstalter/Organi-satoren, Ämter (z. B. Kultur, Sport, Jugend), Hochschulen,…

Touristik/KongresseModeration: Münster Marketing Partner: Halle Münsterland, Hotels, FMO, DeHoGa, IHK, Verbände und Organisationen

CityModeration: Münster M. Partner: Kaufleute Innenstadt, IHK, Einzel-handelsverband, ….

ISG BahnhofsviertelModeration: MM/Private Partner: Eigentümer + Gewerbetreibende, IHK, Ämter + Konzerntöchter

Münster Marketing30 Mitarbeiter/innen (Voll- und Teilzeit)3,5 Mio € Umsatz

WissenschaftModeration: MM/Wissenschaftsb. Partner: Wissenschaftsakteure, v. a. Universität, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, …

WirtschaftModeration: Wirtschaftsförderung Partner: WirtschaftsInformations-Dienst, WirtschaftsInitiative, IHK, HWK, Aktion Münsterland, …

VeranstaltungenModeration: Münster Marketing Partner: Festveranstalter/Organi-satoren, Ämter (z. B. Kultur, Sport, Jugend), Hochschulen,…

Touristik/KongresseModeration: Münster Marketing Partner: Halle Münsterland, Hotels, FMO, DeHoGa, IHK, Verbände und Organisationen

CityModeration: Münster M. Partner: Kaufleute Innenstadt, IHK, Einzel-handelsverband, ….

ISG BahnhofsviertelModeration: MM/Private Partner: Eigentümer + Gewerbetreibende, IHK, Ämter + Konzerntöchter

4.2.2.1 Stadtstrategische Ziele — Haushaltskonsolidierung mit System

Die Stadt Münster befindet sich – wie viele andere Kommunen – in einem intensiven Prozess der Haushaltskonsolidierung, der bereits mehrere Runden durchlaufen hat. Um einen Abbau des sich verschärfenden strukturellen Defizits systematisch angehen zu können, wurden 2006 unter Bezugnahme auf das Profil, die Leitorientierungen und die definierten Stadtqualitäten des Integrierten Stadtentwicklungs- und Stadtmarke-tingkonzeptes (ISM) neun stadtstrategische Ziele entwickelt und in drei Gruppen priori-siert. Um den inhaltlichen Strategieaspekt mit der finanziellen Seite zu verbinden, wurden die stadtstrategischen Ziele durch zusätzliche finanzstrategische Ziele er-gänzt.

Die stadtstrategischen Ziele finden im Konsolidierungsprozess sowohl bei der Aufga-benkritik als auch bei der Erarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen Berücksichti-gung. In einem strukturierten Verfahren wurde verwaltungsweit erhoben, welche strategische Relevanz die Produkte besitzen und wie hoch der Einfluss auf die Steuer-

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barkeit der Produkte ist. Nach Kenntnisstand des begleitenden Beratungsunterneh-mens ist ein derartiger produkt- und zielorientierter Konsolidierungsprozess in Deutsch-land noch nicht praktiziert worden (vgl. Stadt Münster 2006, Anlage 5).

4.2.2.2 Veränderung der Verwaltungsprozesse — Reform durch Kundenorientierung

Durch eine verstärkte Orientierung des städtischen Handelns an den jeweiligen An-spruchsgruppen ergeben sich nahezu „automatisch“ auch neue Organisationsstruktu-ren innerhalb der Stadtverwaltung. Kunden- und bürgerorientiertes Handeln gibt damit entscheidende Impulse zur Reform der Verwaltung. Der Umbau der Organisationerfolgt „von außen nach innen“, so wie es ursprünglich im Neuen Steuerungsmodell vorgesehen war (vgl. Abschnitt 3.2). Damit führt die Stadtmarketingpraxis faktisch zur Verwaltungsreform, allerdings ohne als solche bezeichnet zu werden.

Die Veränderungen entstehen hauptsächlich in zwei Bereichen:

Die konsequente Annahme der Kundensicht verlangt funktionierende Kooperatio-nen zwischen allen relevanten Bereichen und Institutionen innerhalb und außer-halb der Stadtverwaltung.

Entscheidungen der Verwaltung, die auf Ansprüche Dritter reagieren, sind im „Konzern Stadt“ auszuhandeln und in der Regel mit den Betroffenen zu kommu-nizieren.

Ressortübergreifende Arbeit wird immer dort verlangt, wo nicht nur wie früher ein-zelne Fachbelange im Vordergrund stehen, sondern die ganzheitliche Sicht der Bürger, Kunden oder weiterer Zielgruppen. Beispielhaft lässt sich diese Veränderung des Verwaltungshandelns an der „Antragskonferenz Öffentlicher Raum“ nachvollziehen.

In einer Stadt mit einem Stadtbild wie dem in Münster interessieren sich verschiedene Anspruchsgruppen für den öffentlichen Raum (z. B. Gastronomie, Handel, Kultur-schaffende, Touristen), ebenso gibt es entsprechende Gemeinwohlinteressen. Die un-terschiedlichen Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen treffen hinsichtlich der Nutzung des öffentlichen Raums am stärksten aufeinander. Es verwundert daher nicht, dass das fachspezifische Verhalten der zu beteiligenden Ämter der Stadtverwal-tung (von den Liegenschaften über Ordnungsamt und Bauordnung bis zu den Grün-flächen) zu Reibungsverlusten innerhalb der Behörde und zu Unverständnis bei den Bürgern führen kann.

Ein einfaches Instrument löst inzwischen einen großen Teil dieser Probleme: Alle be-teiligten Ämter der Verwaltung treffen sich gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung und Münster Marketing alle 14 Tage zur Erörterung aller Anträge auf Sondernutzungen im öffentlichen Raum. Im Gespräch werden alle Argumente ausgetauscht und abgewo-gen; der Antragsteller erhält auf der Basis vorher gemeinsam definierter Qualitätskri-

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terien innerhalb kurzer Zeit eine abgestimmte Entscheidung, die entsprechend erläu-tert wird. Auf diese Weise ist ein Leitbild für den öffentlichen Raum erarbeitet worden, das mit dem Markenprofil abgestimmt ist und so größtmögliche Transparenz der Entscheidungen sichert. Die Entscheidungen werden dem Verwaltungsvorstand zur Kenntnis gegeben und dieser schließt sich in der Regel dem Votum der Antragskonfe-renz an.

Das Verwaltungshandeln wird dadurch verändert, dass die Austauschbeziehungen der verschiedenen Anspruchsgruppen in einem kommunikativen Akt gemanagt wer-den. Dieses Vorgehen unterscheidet sich deutlich von Verfahren, die teilweise in ande-ren Städten Anwendung finden: Dort werden Anträge auf Sondernutzungen im öf-fentlichen Raum häufig den Marketing-GmbHs übertragen mit dem Effekt, dass der „ideologische Graben“ zwischen der Nutzerorientierung der Marketingeinrichtungen und der hoheitlich-ordnungsrechtlichen Verwaltung noch größer wird. Stadtmarke-ting führt damit – konsequent angewendet und an den praktischen Arbeitsabläufen orientiert – langfristig zu einer Veränderung des Verwaltungshandelns.

4.2.2.3 Citymanagement — „Arbeit am Gesicht der Stadt“ durch Relationship Management

Auch wenn die Stadt als Ganzes im Mittelpunkt des umfassenden Stadtmarketings in Münster steht, spielt dennoch das Citymanagement eine besondere Rolle. Der Integrier-te Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingprozess (ISM) hat die große Bedeutung der Alt- bzw. Innenstadt für die Unverwechselbarkeit, die Identität und das Image von Münster sowie ihre Funktion als Motor der Stadtentwicklung deutlich gemacht. Durch kontinuierliche Kommunikation und langfristig angelegte Partnerschaften soll eine Aufwer-tung der münsterschen Innenstadt und ihrer Leistungen für Bürgerinnen und Bürger, für Besucherinnen und Besucher und für die Akteure aus den unterschiedlichen Wirt-schaftsbranchen erfolgen (vgl. Spinnen/Hauff 2006).

Grundlage für die Zusammenarbeit ist die gemeinsame Verpflichtung aller beteiligten Partner, die Aktivitäten an dem Ziel einer lebendigen und multifunktionalen Innen-stadt mit Spitzenansprüchen an Handel, Stadtbild und Aufenthaltsqualität auszurich-ten. Das Citymanagement moderiert die Austauschbeziehungen zwischen den Innen-stadtkaufleuten, Gastronomen und Anliegern sowie den städtischen Ämtern, die die verschiedenen Fachbelange vertreten (z.B. Denkmalschutz, Stadtgestaltung, Stadt- und Verkehrsplanung, Kultur, Kinder und Jugendliche, Ordnung und öffentliche Sicher-heit).

Die Kaufleute – in Münster traditionell eine wichtige Zielgruppe und eingeführter Partner in der Innenstadtentwicklung – bringen mit der Hälfte des Marketingbudgets ihren finanziellen Beitrag zur Stärkung der Innenstadt ein. Ihre beratende ehrenamtli-che Arbeit und die Lobbyarbeit sind mindestens ebenso wichtig wie ihr finanzielles Engagement. Der „Runde Tisch der Innenstadtkaufleute“ ist Sprachrohr des Handels und

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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Partner von Münster Marketing. Er entscheidet gemeinsam mit der Verwaltung über die Verteilung des Marketingbudgets, aus dem Projekte des Handelsmarketings und Initiativen zur Verbesserung von Service- und Aufenthaltsqualität finanziert werden. Dazu zählen beispielsweise die Einrichtung einer professionellen Kinderkurzzeit-betreuung in der Innenstadt, gemeinsam mit dem Jugendamt, die Umsetzung eines gemeinsamen Lichtkonzeptes zur Verbesserung der Abendansicht der Stadt sowie Kampagnen zu verkaufsoffenen Sonntagen oder die Kommunikation der Kernöff-nungszeiten des Handels in der Innenstadt.

Die Ausrichtung des gemeinsamen Handelns der Stadt und ihrer Partner an den jewei-ligen Zielgruppen ist ein langer und sich kontinuierlich entwickelnder Prozess. Ange-sichts der neuen Herausforderungen ist es nur folgerichtig, dass nunmehr neben den Vertretern des Handels auch die Immobilieneigentümer weitere Partner im Prozess des Citymanagements werden. Sie haben ein erkenn- und definierbares Interesse an der Wertigkeit des Standortes und des Handelsplatzes, hängt doch die Werterhaltung oder gar Wertsteigerung der Immobilie maßgeblich von ihrem unmittelbaren Umfeld ab.

Noch haben nicht alle potenziellen Partner erkannt, dass es zukünftig nicht nur um die Ausrichtung der Stadt auf die diversen Bedürfnisse verschiedener Anspruchsgruppen gehen wird, sondern der Erfolg nur eintritt, wenn es sich um einen wechselseitigen Prozess handelt. Dies bedeutet konkret, dass es erforderlich ist, dass auch die An-spruchsgruppen die Veränderung ihrer Rolle und ihrer Verantwortung für eine koope-rative Aufwertung der Innenstadt erkennen. Wenn die Entwicklung der Innenstadt langfristig erfolgreich sein soll, ist der Aufbau von Partnerschaften zu den internen und externen Anspruchgruppen noch zu verstärken. Das Citymanagement ist hierzu be-reits wesentliche Schritte erfolgreich gegangen.

4.2.2.4 Wissenschaftsbüro — Netzwerkpflege, Kooperations- und Beziehungsmanagement

Eine Stadt wie Münster, die ihre weitere Entwicklung auf das Profil „Wissenschaft und Lebensart“ ausrichtet, darf ihre Beziehungen zu den Hochschulen selbstverständlich nicht dem Zufall überlassen. Daher wurde das Wissenschaftsbüro eingerichtet, das als „One stop agency“ für alle Partner aus den acht Hochschulen, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und sonstige, dem Thema verbundene Akteure fungiert (vgl. Spinnen/Hauff 2006).

Das Wissenschaftsbüro ist Knoten im „Netzwerk Stadt der Wissenschaft“ und hat folgen-de Aufgaben (vgl. Stadt Münster/Münster Marketing 2006):

Vernetzung der Akteure in der Wissenschaftsstadt Münster, wobei das Netzwerk auch die Bereiche Kultur, Wirtschaft und Bildung umfasst.

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Positionierung und Profilierung der Wissenschaftsstadt nach innen und außen durch die Herausstellung von Alleinstellungsmerkmalen und Spitzenforschungsberei-chen.

Positionierung von Münster als wichtiger Veranstaltungsort wissenschaftlicher Tagungen und Kongresse.

Verankerung des Themas „Wissenschaft“ in der Stadtgesellschaft (Wissenschafts-kommunikation).

Mit dieser Zielsetzung realisiert das Wissenschaftsbüro ausnahmslos in Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft, Stadtgesellschaft und Wirtschaft Projekte mit außerge-wöhnlicher Hebelwirkung: Mit einem nur geringen personellen und finanziellen Res-sourceneinsatz der Stadt lassen sich aufgrund des Engagements der Netzwerkpartner auch große Projekte umsetzen. Die Rolle der Stadt ist die des Moderators und des Koordinators. Hiermit wird eine Strategie umgesetzt, die als grundsätzliche Antwort auf den verschärften Wettbewerbsdruck beschrieben werden kann (vgl. Abschnitt 3.2). Durch die Moderationsfunktion werden alle Belange der Wissenschaftsstadt zusam-mengeführt und in gemeinsamen Projekten gebündelt. Demgegenüber können sich die einzelnen Partner auf ihre originären Belange konzentrieren, die dann zum Teil des Ganzen werden.

Die Einrichtung des Wissenschaftsbüros als Netzwerkknoten und die Intensivierung des Kooperationsmanagements entfalten durch ihre Kunden- und Zielgruppenorien-tierung eine große Wirkung:

Durch empirische Grundlagenarbeit wird gemeinsam mit den Hochschulen die öko-nomische und gesellschaftliche Bedeutung der wissenschaftlichen Einrichtungen öffentlichkeitswirksam dargestellt.

Das touristische Marketing schneidet seine Projekte passgenau auf die Kundengrup-pen aus dem Hochschulumfeld zu, gewinnt damit neue Kunden und intensiviert die Kundenbindung.

Die Orientierung auf die Profilierung als Wissenschaftsstadt führte zur Einrichtung eines Kongressbüros bei Münster Marketing, das sich konsequent um die Zielgrup-pe der Entscheidungsträger (v.a. an den Hochschulen) für wissenschaftliche Kon-gresse bemüht.

Wissenschaft, Wirtschaft und Stadt sind dabei, sich im Rahmen einer konzertierten Aktion zu einem festen Bündnis zusammenzuschließen, und definieren gemeinsam Kompetenzfelder für die künftige Entwicklung des Wirtschaftsstandorts und für ein abgestimmtes Stadt- und Standortmarketing.

Münster profiliert sich auch auf europäischer Ebene (z.B. mit Themen der Nano- und Biotechnologie) und sucht Netzwerkpartnerschaften mit ausgewiesenen Wissen-schaftsstädten (z.B. Grenoble).

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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Ganzheitliches Marketing umfasst selbstverständlich auch das Binnenmarketing. Die-sem kommt im Rahmen der Wissenschaftskommunikation und Grundlagenarbeit entscheidende Bedeutung zu. Eine Stadt kann sich nur mit ihren Stärken im Wettbe-werb positionieren, wenn diese von der eigenen Bevölkerung und den politischen Entscheidungsträgern auch als solche erkannt und unterstützt werden. Bislang haben die oft nur wenige Jahre in Münster lebenden Studierenden und ihre wissenschaftli-chen Lehrer eher weniger im Fokus des Interesses der Kommunalpolitik gestanden.

Die Prozesse des Binnenmarketings zielen vor diesem Hintergrund auf verschiedene Anspruchsgruppen:

Auf die Bürger und die politischen Entscheidungsträger, um die Anstrengungen und Investitionen der Stadt für die Zielgruppen der Wissenschaftsstadt zu unterstützen und dafür eine breite Akzeptanz zu erreichen.

Auf die Studierenden, die künftig gezielter und nachhaltiger an den Standort zu binden sind.

Auf die Verantwortlichen in Verwaltung und Konzerninstitutionen, die wichtige Infor-mationen für eine noch effektivere Kundenbindungsarbeit erhalten.

Auf die gesellschaftlichen Gruppen in Münster, um die Vernetzung zwischen Wissen-schaft und Stadtgesellschaft weiter voranzutreiben und damit Synergiepotenziale zu nutzen.

4.2.2.5 Stadtwerbung — Profilbildung durch Kommunikation

Die Stadtwerbung bzw. die Kommunikationspolitik des Stadtmarketings hat selbst im Dienst der Profilbildung zu stehen. Bezogen auf die Zielgruppe der Studierenden und ihrer Eltern ist das Projekt „ElternAlarm“ ein solcher innovativer Ansatz, der im Wett-bewerb „Deutschland – Land der Ideen“ prämiert wurde. Das Projekt wird getragen von den acht Münsteraner Hochschulen, einer Lokalzeitung und der Stadt, die ge-meinsam die Eltern der Studierenden nach Münster einladen, um Münster als Stadt zum Studieren und zum Leben zu präsentieren. Zielgruppengerecht wurde die Kom-munikationsstrategie von Studierenden der Fachhochschule Münster entwickelt. Als Projekt der Kundenbindung ist dieser bisher einzigartige Ansatz in Deutschland mitt-lerweile von weiteren Hochschulstädten übernommen worden.

Auch die Stadtwerbung verfolgt den profilbildenden Ansatz in Kooperationsprojekten mit weiteren Akteuren des Standortmarketings. Um Münsters Qualitäten entspre-chend dem Profil bei der Zielgruppe der Entscheider zu kommunizieren, wurde in einer umfassenden Kooperation von Stadt Münster, Halle Münsterland GmbH und Wirtschaftsförderung Münster GmbH der TV-Spot „Münster – zu gut, um es geheim zu halten“ entwickelt. Der Spot arbeitet die Qualitäten Münsters als dynamische Hoch-schullandschaft mit Spitzeneinrichtungen, als Wirtschaftsstandort mit Potenzial und

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als „Lebenswerteste Stadt der Welt“ heraus. Ein ergänzendes Internetangebot bindet den TV-Spot in das städtische Leistungsangebot ein. TV-Spot und Internetauftritt fol-gen den im ISM-Prozess vereinbarten Leitorientierungen und ermöglichen damit ab-gestimmte, zielgruppenorientierte Einsichten in die städtischen Potenziale.

5 Perspektiven eines ganzheitlichen Stadtmarketings

Marktorientierte Führung von Kommunen, verstanden als integrierte Führungsphilo-sophie anhand der Kategorien Bürger- und Kundenorientierung sowie eindeutiger Differenzierung gegenüber wesentlichen Wettbewerbern, wurde 1989 durch den Jubi-lar als ganzheitliches Stadtmarketing und kommunales „Pflichtprogramm“ begründet (vgl. Meffert 1989a, b). Münster gehört zu den Kommunen, die nach partiellen Ansätzen dann ein integriertes und strategisches Stadtmarketing erfolgreich implementiert ha-ben.

Demgegenüber hat sich in Deutschland der Anteil der Kommunen mit partiellen Ansät-zen im letzten Jahrzehnt deutlich ausgeweitet und stellt nunmehr die größte Gruppe unter den Stadtmarketingtypen (vgl. Grabow/Hollbach-Grömig 2006a). Diese Entwick-lung im Stadtmarketing zeigt Analogien zum praktischen Marketingmanagement. Auch hier haben das funktionale und aktionsbezogene Marketingverständnis in den letzten Jahren deutlich zugenommen, während in der Wissenschaft nach wie vor das Verständnis des Marketings als Führungsphilosophie dominiert (vgl. Meffert 2007).

Vor diesem Hintergrund ist nach dem Beitrag der marktorientierten Führung als ganzheitlichem Stadtmarketing zur Lösung der anstehenden Probleme des wirtschaft-lichen und gesellschaftlichen Wandels zu fragen. Zu berücksichtigen sind dabei die zwischenzeitlich entwickelten Ansätze der identitätsorientierten Markenführung, die zusätzlich zu einer absatzmarktbezogenen Ausrichtung die Ressourcen- und Kompe-tenzperspektive einbeziehen und durch die Betonung der Wechselseitigkeit von Iden-tität und Image die Ganzheitlichkeit der Markenführung stärken (vgl. Mef-fert/Burmann 2005). Bezogen auf das Stadtmarketing wird damit die Bedeutung der städtischen Qualitäten noch stärker betont, d. h. die Bedingungen in der Stadt haben zu stimmen (vgl. Meffert 1989a, 2006b).

Für eine weitere Verbreitung eines ganzheitlichen Stadtmarketings sprechen folgende Ansatzpunkte:

Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs erhöht sich der Druck auf Verwaltung und Politik, die Arbeit strategisch auszurichten und die Handlungsabläufe zu bündeln. Verstärkend in diese Richtung wirken die Dezentralisierungsprozesse im

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Marktorientierte Führung für Kommunen

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Zuge des Neuen Steuerungsmodells, die zu einer weiteren Fragmentierung der Verwaltung beigetragen haben. Integrierende Managementkonzepte sind daher zu-nehmend gefragt. Ganzheitliches Stadtmarketing bietet durch die Konzeption als Managementprozess und die Einbindung in strategische Managementzyklen mit Verknüpfung von Zielformulierung, strategischer und operativer Ebene sowie Er-folgskontrolle eine adäquate Antwort auf diese Aufgabenstellung. Dabei wird die Philosophie der Bürger- und Kundenorientierung und der Generierung von Wett-bewerbsvorteilen dem Zielbildungsprozess zugrundegelegt.

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen verstärken die Notwendigkeit, eine entsprechende Positionierung gegenüber den Wettbewerbern vor-zunehmen. Ganzheitliches Stadtmarketing bietet durch die Integration von mark-ed-based-view und resource-based-view die konzeptionelle Grundlage für eine identitätsorientierte Markenführung als Managementprozess.

Der Verwaltungsreformprozess war zunehmend binnenorientiert ausgerichtet und hat die Außendimension, d. h. die Schnittstellen zum zivilgesellschaftlichen Um-feld nur unzureichend einbezogen. Durch den expliziten Fokus des ganzheitlichen Stadtmarketings auf Bürger- und Kundenorientierung und die zunehmende Einbe-ziehung dieser Gruppen in den Prozess der Leistungserstellung sind grundsätzli-che positive Effekte in zweierlei Richtung zu erzielen: Erstens werden in koopera-tiven Stadtmarketingprozessen die Partner zu Mitwirkenden bei der Leistungser-stellung, so dass die Effizienz kommunalen Handelns steigt. Zweitens ist ein Legitimationsgewinn und damit bessere Akzeptanz politischen Handelns zu er-warten („kooperative Demokratie“).

Durch die Verwaltungsreformprozesse hat die Bürgernähe und Kundenorientie-rung der Verwaltungen bereits deutlich zugenommen. Allerdings bestehen in die-sem Bereich noch Potenziale. Stadtmarketing kann hier als „Antenne“ und „Kata-lysator“ wirken, um durch die Erfahrungen der praktischen Arbeit Anstöße zur Optimierung der Strukturen und Prozesse zu geben, und die Dienstleistungsorientie-rung der Verwaltung verbessern.

Auch beim Marketing ist die Strategieimplementierung ein entscheidender Erfolgs-faktor. Beim ganzheitlichen Stadtmarketing ist mit einem kooperativen Ansatz eine höhere Umsetzungsorientierung zu erwarten, da der Einbezug der Partner in den Prozess der Leistungserbringung die Handlungskraft und den Handlungsspiel-raum deutlich erhöht. Durch die strategische Einbindung der operativen Maß-nahmen ist zudem mit einer verbesserten Ziel- und Ergebnisorientierung zu rech-nen. Der Erfolg der Implementierung wird selbstverständlich wesentlich von ei-nem adäquaten Fit zwischen Konzept, Verwaltungskultur und institutionellem Arrangement abhängen.

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Trotz dieser positiven Ansatzpunkte für ein ganzheitliches Stadtmarketing finden sich durchaus gewichtige Gegenargumente, die eine weitere Verbreitung als integrierte, funk-tionsübergreifende Führungsphilosophie für Kommunen beinträchtigen können:

Zunächst ist zu beachten, dass die gesellschaftliche Kritik an der Marketingpraxis bis heute nicht verstummt. „Es scheint, als ob Marketing immer noch mit Werbung und einer ›Oberflächenkosmetik‹ gleichgesetzt wird“ (Hansen/Bode 1989, S. 76). Insbesondere die starke Konzentration zahlreicher Ansätze auf Werbung und Pub-lic Relations hat auch im Stadtmarketing dazu geführt, dass erhebliche Vorbehalte gegenüber der inhaltlichen Leistungsfähigkeit dieses Instruments entstanden sind. Diese Vorbehalte können nur durch inhaltlich umfassende Ansätze und deren Rea-lisierung ausgeräumt werden. Am Beispiel ganzheitlicher Ansätze, wie z.B. Müns-ter, kann aufgezeigt werden, dass Stadtmarketing in enger Kooperation mit der Stadtentwicklung weit mehr als Werbung ist (Meffert 2006b; Spinnen/Hauff 2006; Hauff/Spinnen 2007).

Weitergehende Vorbehalte ergeben sich aus der Übertragung des Begriffs „Marktori-entierte Führung“ auf Kommunen. Dieser Begriff führt zu erheblichen Akzeptanz-problemen bei verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die mit marktorientier-ter Führung habituell den „Ausverkauf der Städte“, deren „radikale Kommerziali-sierung“ und die „Auslieferung des Gemeinguts aller Bürger“ an ökonomische Interessen spezifischer Gruppen assoziieren. Da eine missbräuchliche Auslegung des Begriffs marktorientierte Führung bei spezifisch geprägter Wahrnehmung kaum zu vermeiden ist, erscheint es empfehlenswert, im praktischen kommunalen Kontext zurückhaltend mit diesem Terminus umzugehen, ohne allerdings die in-haltlichen Ansprüche zurückzunehmen.

Zudem kann und muss in der praktischen Arbeit gezeigt werden, dass ein leitbild-orientiertes Management von Austauschbeziehungen einer Stadt nicht zwangsläufig zu einer zu starken Kommerzialisierung führt. Am Beispiel des Citymanagements in Münster lässt sich aufzeigen, wie der Austauschprozess zwischen den verschiede-nen Anspruchsgruppen für den öffentlichen Raum so organisiert wird, dass die Individualität und die Besonderheit des Stadtbilds, die Spitzenqualität von Handel und hohe Aufenthaltsqualität trotz der kommerziellen Ansprüche oberste Priorität bleiben.

Vorbehalte gegenüber einer „marktorientierten Führung“ resultieren auch aus den Befürchtungen, dass sich die Kommune bei ihrer Reaktion auf den globalen Wett-bewerbsdruck nur auf image- und wettbewerbsorientierte Großprojekte konzent-riert und stadtteilorientierte Einrichtungen vernachlässigt werden. Hinsichtlich des Spannungsbogens zwischen größtmöglicher Bürgernähe im Stadtteil und überregiona-ler Wahrnehmung stehen die Kommunen in Zeiten knapper Kassen vor einem schwierigen Abwägungsprozess. Handlungsleitend für ein ganzheitliches Stadt-marketing ist jedoch, dass für ein erfolgreiches Stadtmarketing die Bedingungen in

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der Stadt zu stimmen haben und dass auch die Bürger vor Ort eine wichtige Ziel-gruppe sind (vgl. Meffert 1989a, b).

In engem Zusammenhang mit den Begrifflichkeiten und Verständnisproblemen sind auch die unterschiedlichen Ansprüche an das Stadtmarketing zu thematisieren. Diese können von einem ganzheitlichen Managementprozess bis zu eingeschränk-ten Ansätzen mit spezifischem Schwerpunkt (z.B. Citymarketing) oder „reiner“ Kommunikationspolitik reichen. Hier ist eine frühzeitige Verständigung über Beg-riff, Inhalte und dahinter stehende Philosophie notwendig. Die beiden Umfragen des Deutschen Instituts für Urbanistik zeigen, dass in diesem Punkt zwischen 1995 und 2004 keine Fortschritte erzielt werden konnten (vgl. Grabow/Hollbach-Grömig 1998; Hollbach-Grömig et al. 2005).

Die Implementierung der marktorientierten Führung in Kommunen verlangt Ver-änderungen der „Verwaltungskultur“ und der „Organisationsstruktur“.Dienstleistungs- und bürgerorientiertes Denken und Handeln benötigen entspre-chende Voraussetzungen. Ebenso verlangt die Übernahme neuer Rollen im Rah-men der Moderation und Kooperation ein verändertes Selbstverständnis und an-gepasste Arbeitsabläufe. Mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodells wur-den schon wesentliche Schritte in diese Richtung eingeleitet. Am Beispiel der „Antragskonferenz Öffentlicher Raum“ in Münster konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, die Geschäftsprozesse gleichermaßen kunden- und mitarbeiterorien-tiert zu modernisieren.

Marktorientierte Führung in Kommunen ist nur mit Unterstützung der Verwal-tungsspitze und der Politik, die trotz aller kooperativen Prozesse das Letztentschei-dungsrecht ausübt, adäquat zu realisieren. Hier bedarf es eines frühzeitigen Ab-stimmungsprozesses, um die „Reichweite“ und „Reisegeschwindigkeit“ koopera-tiver Willensbildungsprozesse mit den Entscheidungsstrukturen des politisch-administrativen Systems zu harmonisieren und die Frage der Umsetzungsmög-lichkeiten von kooperativ initiierten und getragenen Projekten möglichst positiv zu beantworten. Ansonsten würde nicht nur die Implementierung des ganzheitlichen Stadtmarketings zu scheitern drohen, vielmehr wäre auch die Mitwirkungsbereit-schaft der gesellschaftlichen Gruppen dauerhaft in Frage gestellt.

Die Herausforderungen durch den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel eröffnen somit durchaus neue Ansatzpunkte zur Implementierung einer marktorientier-ten Führung – im Sinne eines ganzheitlichen Stadtmarketings – für Kommunen. Gleichzeitig finden sich aus den kommunalen Strukturen heraus auch gewichtige Argumente, die einer weiteren Verbreitung dieses funktionsübergreifenden, integrier-ten Führungskonzepts entgegenstehen können. Wenn Stadtmarketing, wie in Münster,in enger Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklung einen ganzheitlichen und koope-rativen Ansatz verfolgt und die Unterstützung der Verwaltungsspitze und der Politik besitzt, sind wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung gegeben.

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6 Zusammenfassung

Bereits Ende der 1980er Jahre wurde die Philosophie einer marktorientierten Unter-nehmensführung vor dem Hintergrund des steigenden Wettbewerbsdrucks auf den kommunalen Bereich übertragen und der Ansatz eines ganzheitlichen Stadtmarke-tings entwickelt. Anhand empirischer Untersuchungen lässt sich zeigen, dass Stadt-marketing zwar in den Städten und Gemeinden weite Verbreitung gefunden hat, in der kommunalen Praxis ganzheitliche Stadtmarketingansätze aber bis heute die Min-derheit bilden. In Münster wurde mit dem Integrierten Stadtentwicklungs- und Stadt-marketingprozess (ISM) allerdings ein in dieser Konsequenz einmaliger ganzheitlicher Ansatz entwickelt und mit einer überzeugenden Erfolgsbilanz realisiert.

Angesichts der aktuellen Herausforderungen des wirtschaftlichen und gesellschaftli-chen Wandels bieten ganzheitliche Ansätze, die auf einem integrierten Marketingver-ständnis basieren, entsprechende Lösungsbeiträge für eine strategische Ausrichtung der Kommunen, für eine Stärkung der Bürgernähe und der Kundenzufriedenheit sowie für eine Erschließung zusätzlicher Handlungsressourcen. Letztlich bestehen damit Chancen sowohl für eine effizientere und bürgerorientierte Verwaltung als auch für eine bessere Positionierung und Profilierung im Wettbewerb. Diese Chancen wer-den sich aber nur nutzen lassen, wenn es gelingt, die inhaltliche Leistungsfähigkeit des Ansatzes und die Vorteile bei Bürgerschaft, Verwaltungsspitze und Politik anhand guter Projekte überzeugend darzustellen und entsprechende Veränderungen in der Verwaltungskultur herbeizuführen.

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Wolfgang Schuster

Die Stadt als Marke im internationalen Wettbewerb

1 Globalisierung und demographische Entwicklung als Megatrends .......................387

2 Als Stadt auf dem Globus sichtbar werden ................................................................389

3 Stuttgart, das führende Kompetenzzentrum für Mobilität weltweit.......................391

4 Stuttgart als kinderfreundlichste Großstadt in Deutschland....................................3924.1 Fünf Ziele auf dem Weg zur kinderfreundlichsten Großstadt........................3924.2 Das europäische Netzwerk „Cities for Children“.............................................395

5 Stuttgart als Mikrokosmos der Vereinten Nationen ..................................................3965.1 Zwölf Handlungsfelder einer erfolgreichen Integrationspolitik ....................3965.2 Europäisches Städtenetzwerk für Integration...................................................400

6 „Stuttgarter Partnerschaft Eine Welt“..........................................................................401

7 Die Marke – „Stuttgart als Motor Deutschlands“ ......................................................402

Dr. Wolfgang Schuster ist Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart.

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1 Globalisierung und demographische Entwicklung als Megatrends

Schon seit Babylon und Ur, seit den griechischen Poleis und den mittelalterlichen Reichsstädten, den Ballungszentren der industriellen Revolution bis hinein in unsere Zeit der Metropolen und Megalopolen mit ihren Slums und Speckgürteln – stets und immer schon waren die Städte die Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung.

Noch nie aber ging ein so starker Sog von den Metropolen aus, wie dies heute der Fall ist. Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in den Städten, wie dem UN-Habitat-Report „State of the World Cities 2006/07“ entnommen werden kann. 1950 lag dieser Anteil noch bei einem Drittel, im Jahr 2050 werden es zwei Drittel der Weltbevölkerung sein. In den nächsten 30 Jahren wird sich die Stadtbevölkerung in den Entwicklungsländern nach Berechnungen von UN-Habitat von zwei auf vier Milliarden Menschen erhöhen. Das heißt, in den nächsten 30 Jahren entsteht – rein rechnerisch – jede Woche auf die-sem Globus eine Millionenstadt, mit all ihren finanziellen und wirtschaftlichen, aber auch sozialen und kulturellen Bedürfnissen und Zwängen.

Migration in die Städte, die den Menschen so attraktiv und zukunftsstark erscheinen, wird dank der offeneren Grenzen durch die Globalisierung stärker werden. Damit erhöht sich einerseits der Druck auf die Städte, andererseits korrespondiert damit in Europa auf dramatische Weise ein demographischer Wandel, der gerade die umgekehrte Wirkung entfaltet: Die Bürger haben heute die Chance, viel älter zu werden als frühere Generationen und den „dritten Lebensabschnitt“ aktiv zu gestalten, denn noch nie war es so realistisch, sehr alt zu werden und dabei sehr lange gesund und mobil zu blei-ben. Nur: Es fehlen die Kinder, unseren Städten geht à la longue ihre Bevölkerung aus.

Beide Faktoren – Globalisierung und demographischer Wandel – führen zu dramati-schen Verschiebungen auf dem Globus. Es erhöht sich gleichsam der „osmotische Druck“ auf unsere Städte. Die Folge sind Stadtgesellschaften, die immer internationa-ler und vielfältiger werden.

Die Metropolregion Stuttgart gehört derzeit zu den Gewinnern der Globalisierung, weil sie die offenen Grenzen für Wirtschaft, Wissenschaft, für kulturelle Entwicklun-gen und viele Dienstleistungen offensiv nutzt. Offene Grenzen bedeuten aber auch die Chance, durch Zuwanderung der Überalterung der Stadtgesellschaft entgegenzusteu-ern und junge Begabte für Stuttgart als Hightech-Standort zu gewinnen.

Stuttgart ist längst eine Einwanderungsstadt geworden. In diesem Mikrokosmos der Vereinten Nationen in unserer Stadt leben über 170 Nationen. Die Menschen sprechen über 120 verschiedene Sprachen. Rund 40 Prozent aller Stuttgarter Einwohner haben einen Migrationshintergrund, über 45 Prozent unserer Kinder im Vorschulalter stam-men aus Einwandererfamilien. Bei fast jeder zweiten Heirat ist ein Partner Ausländer.

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Wolfgang Schuster

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Aus diesem Grund wird die Zukunft Stuttgarts ganz wesentlich bestimmt von den Menschen, die aus allen Kontinenten zu uns gekommen sind und zu uns kommen. Ohne diese Zuwanderung gäbe es nur noch in 10 Prozent aller Haushalte – anstelle von 18 Prozent – Kinder und Jugendliche. Deshalb ist das Miteinander der Nationen so zu gestalten, dass sich daraus neue Chancen für eine gute Zukunft unserer Stadt entwickeln.

Wie sonst könnten sich die Produktionsstandorte der Weltkonzerne und Zulieferfir-men in der Metropolregion Stuttgart halten? Wer würde täglich mit dafür arbeiten, dass hier ein breites Spektrum von Dienstleistungen, z.B. im Einzelhandel oder in der Gastronomie verfügbar ist? Wer würde die vielen niedrig bezahlten Arbeiten in den Krankenhäusern, der Müllentsorgung, auf den Friedhöfen und Baustellen erledigen? Dank vieler „Neu-Stuttgarter“ profitiert die Stadt seit Jahrzehnten auch von der Ein-wanderung als ein bedeutendes Zentrum der Kultur und des Sports.

Zu meistern sind somit zwei Hauptaufgaben: die Gestaltung des demographischen Wandels und die Internationalität und Integration der Bevölkerung.

Mit Migration hat die Metropolregion übrigens reiche Erfahrungen: Das Land Würt-temberg war über Jahrhunderte ein klassisches Auswanderungsland. Unsere Vorfah-ren haben darauf gehofft, in ihrer neuen Heimat faire Chancen zu bekommen. Vermut-lich haben wir deshalb auch ein besseres Verständnis für die Migranten, die heute zu uns kommen.

Die ersten waren die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Welt-krieg. Sie haben sich hier eine neue Heimat aufgebaut. Dann kamen die Menschen vor allem aus dem südlichen Europa, um am „Wirtschaftswunder“ mitzuarbeiten. Nach dem Fall der Mauer waren es dann nochmals viele Tausende, die den Weg nach Stutt-gart fanden. Dieser Mechanismus wird anhalten: Globalisierung, das heißt offene Grenzen für Menschen, Technik, Waren, Dienstleistungen, aber auch für die Medien und ihre Werbebotschaften, ihre Vermittlung eines „Traums vom Glück“. Das helle Licht der Metropolen lockt die Menschen aus der dritten und vierten Welt in die erste.

Der Druck auf die Metropolen in Europa wird anhalten, solange dieses helle Licht die Menschen anlockt, solange mit den Demokratien des Westens und ihren freizügigen Arbeitsmärkten Träume vom Glück mit (Mittel-)Europa einhergehen, die anderswo wie Schlaraffenland und Paradies zugleich wirken. Deshalb zerbrechen aber auch bei uns so manche Lebensträume: Hier leben Taxifahrer aus der Dritten Welt mit Universi-tätsabschlüssen. Pädagogen und Geisteswissenschaftler aus Afrika und Fernost kell-nern in den Kneipen. Und das nicht nur, um ihr Studium zu finanzieren, sondern schlicht um hier zu leben und eine kleine Existenz zu sichern.

Der Wanderungsdruck ist von Stadt zu Stadt, von Kommune zu Kommune verschie-den, je nach Arbeitsplatzangebot, Strahlkraft, Attraktivität und Lebensqualität. Kom-plette Siedlungen im deutschen Osten, zum Beispiel in Leipzig, Eisenhüttenstadt, Frankfurt an der Oder oder Cottbus werden abgerissen, weil niemand mehr dort leben

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möchte. Außenbezirke sind aufzugeben, um die Innenstädte wieder beleben zu kön-nen. Solche „perforierten Städte“ sind der Gegenentwurf zu dem, was für die Stadt Stuttgart wünschenswert ist.

Diese Metropolregion kann nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, Arbeitsplätze zu schaffen, Investitionen aus der Privatwirtschaft zu generieren, attraktive und er-schwingliche Wohnungen zu bauen. Hier sind wir in Stuttgart sehr erfolgreich, und das ist auch einer der Hauptgründe unserer Attraktivität.

Die so unterschiedlichen Perspektiven deutscher Großstädte machen eines deutlich: Der „globale Zug in die Städte“ ist kein Freibrief für die Zukunft. Es ist keine Erfolgs-garantie und kein Ruhekissen, auf das eine Verwaltung oder ein Gemeinderat setzen kann. Die Entwicklung wird von Stadt zu Stadt und von Kommune zu Kommune verschieden sein. Es wird Gewinner und Verlierer geben. Die gibt es schon heute. Wir wollen aber auch künftig bei den Gewinnern sein. Dazu ist es unabdingbar, eine Stadt im globalen Standortwettbewerb zu sehen.

2 Als Stadt auf dem Globus sichtbar werden

Vor dem Hintergrund der beiden großen Megatrends stehen die Metropolen weltweit in einem existentiellen Standortwettbewerb. Grundregel Nummer 1 in diesem Wett-bewerb: „big sells“ – eine kleine Kommune kann sich nicht positionieren, sie findet schlichtweg nicht statt.

Wir können nur dann auch künftig erfolgreich sein, wenn es uns gelingt, sichtbar zu werden. Sichtbar schon im Wortsinn: Eine Stadt wie Stuttgart mit ihren 600.000 Ein-wohnern ist auf keinem Globus abgebildet. Hier ist mindestens die Millionengrenze entscheidend. Sichtbar aber auch im übertragenen Sinn: Wir wollen künftig besser wahrnehmbar und positiv wahrgenommen werden, dies vor allem in Europa, aber auch möglichst weltweit.

Es ist deshalb zu den Stärken der Stadt Stuttgart ein nachhaltiges Kooperationsformat mit den großen und kleinen Kommunen unserer Metropolregion zu suchen. Ein Mus-terbeispiel für uns ist dabei „Silicon Valley“ in Kalifornien. Hierzulande kennt nie-mand die einzelnen Orte dort – als Region, als Ganzes ist Silicon Valley in der Tat weltweit in aller Munde. Jeder kann sich darunter etwas vorstellen, wenn er auch keine Vorstellung von der Realität dort hat.

Stuttgart hat im Vergleich zu anderen Städten den großen Vorteil, dass Produkte von hier in jeder Stadt weltweit zu finden sind; meist mobil auf den Straßen. Daran an-

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knüpfend haben wir noch besser dafür zu sorgen, dass der Standort Stuttgart durch diese Produkte sichtbar und profiliert wird. Um uns in diesem Wettbewerb zu positio-nieren, haben wir letztlich den Weg einzuschlagen, den Unternehmen ebenfalls gehen: die Stadt als „Markenbegriff“ etablieren.

Natürlich gibt es vielfältige Unterschiede zum ökonomischen Begriff der „Marke“ als Produkt eines Unternehmens, da eine Stadt schließlich nicht auf dem „Markt“ gehan-delt wird. Doch umgekehrt gibt es vergleichbare Marketingstrategien, um sich in ei-nem Wettbewerbsumfeld als deutsche Großstadt nachhaltig zu positionieren. Dabei genügt es nicht, mit einem „Event“ oder „Schlagwort“ ein kurzes Strohfeuer der me-dialen Aufmerksamkeit zu erreichen. Ziel ist es, Stuttgart mit dem zu positionieren, was tatsächlich seine Stärken ausmacht. Deshalb ist es wichtig, die „Marke“ mit kon-kreten Inhalten und Leistungen zu hinterlegen, um im Wettbewerb um Investoren, Zukunftschancen und mehr denn je um die besten Köpfe zu punkten.

Die Stärken der Stadt Stuttgart lassen sich mit drei Begriffen umschreiben: Qualität, Innovation und Internationalität. Wir wollen so der „Motor Deutschlands“ sein. Nicht nur mit technologischen Entwicklungen, sondern ebenso mit sozialen Innovationen, im Bildungs-, Kultur-, Umwelt- und Sportbereich.

Um diese Markenbildung voranzubringen, wurden vier Aufgabenfelder ausgewählt, auf denen wir uns strategisch mittels internationaler Netzwerke positionieren wollen:

1. Die Aufgabe der Stadt Stuttgart ist es, sich als das Kompetenzzentrum für Mobilitätweltweit zu positionieren.

2. Die Aufgabe der Stadt Stuttgart ist es, die kinderfreundlichste Großstadt in Deutsch-land zu werden.

3. Die Aufgabe der Stadt Stuttgart ist es, seine Chancen als eine internationale Stadtmit dem erfolgreichen Bündnis für Integration zu nutzen.

4. Die Aufgabe der Stadt Stuttgart ist es, mit der „Stuttgarter Partnerschaft Eine Welt“ seiner globalen Verantwortung gerecht zu werden.

Es gibt noch viele andere Handlungsfelder, auf denen Stuttgart der „Motor Deutsch-lands“ ist, sei es bei der Bildung, Kultur oder bei der Sicherheit und dem Sport.

Um den Motor Deutschlands besser erlebbar zu machen und zugleich in einem dialek-tischen Prozess in den oben genannten vier Aufgabenfeldern führend zu bleiben, sol-len die Netzwerke zugleich für eine nachhaltige Entwicklung Stuttgarts genutzt wer-den.

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3 Stuttgart, das führende Kompetenzzentrum für Mobilität weltweit

Mobilität, vor allem verbunden mit dem Automobil, ist das bedeutendste Cluster für Stuttgart, das bereits heute im globalen Maßstab Anerkennung und Durchsetzungs-kraft besitzt. Unsere „Markenstärke“ hat eine solide Basis. Nach der Gründung Stutt-garts als „Stutengarten“ vor über tausend Jahren und der Erfindung des Automobils vor 120 Jahren sind wir heute Sitz führender Unternehmen, vor allem DaimlerChrys-ler, Porsche und Bosch. Viele Zulieferer aus der Region sind zugleich Weltmarktführer. Diese Spitzenposition in der Wirtschaft verbindet sich mit einem Netzwerk von beruf-licher Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, das in seiner Dichte, Diffe-renziertheit und Qualität weltweit einmalig ist.

Damit diese führende Position als Kompetenzzentrum für Mobilität sichtbar und er-lebbar wird, wird ein besonderer Dreiklang entstehen: die neue Mercedes Benz-Welt, das neue Porsche-Museum (bis Sommer 2008 fertiggestellt) und das Mobilitäts-Erlebniszentrum, das Entwicklungen und die Zukunft der Mobilität „begreifbar“ im doppelten Sinne machen wird. Es wird bis Sommer 2010 fertiggestellt sein.

Ein „Marketing-Instrument“ besonderer Art sind globale Netzwerke. Für den Bereich der Mobilität wird auf ein neues, weltweites Netzwerk „Cities for Mobility“ gesetzt, das aus der Kooperation von rund 200 Städten in Europa und Lateinamerika im Rahmen eines EU-Projektes entstanden ist. Wir haben diese Vorarbeiten zur Grundlage ge-macht für ein Mobilitäts-Netzwerk, dem mittlerweile über 300 Städte und Metropolen aus über 40 Staaten angehören. Wir wollen dazu Partner aus Wissenschaft und Wirt-schaft mit unserer eigenen Kompetenz zusammenbringen, innovative Lösungen für urbane Mobilität diskutieren und so Stuttgart zu einem zentralen Ort des Know-how-Transfers ausbauen.

Aus denselben Gründen wurde beim Weltverband der Städte UCLG eine Kommission „Urbane Mobilität“ mit Sitz in Stuttgart initiiert. Auch hier wird ein intensiver und fruchtbare Austausch von Informationen erhofft, der allen Netzwerkern weiterhilft.

Eine weitere Initiative, unsere Kompetenz in Sachen Mobilität international zu präsen-tieren, ist das World Mobility Forum. Nach nunmehr vier Jahren der Entwicklung nimmt diese Veranstaltung allmählich Fahrt auf. Wir versprechen uns von einer Ver-netzung mit den „Cities for Mobility“ und dem Weltverband der Städte einen erhebli-chen Synergieeffekt und eine gute Chance, wichtige Mobilitätsfragen stärker mit Stuttgart zu verbinden.

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4 Stuttgart als kinderfreundlichste Großstadt in Deutschland

Es ist das Ziel, dass Stuttgart im Jahr 2010 die kinderfreundlichste Großstadt Deutsch-lands sein wird. Der Grund dafür ist einfach: Immer weniger junge Erwachsene ent-scheiden sich für Kinder. Heute leben nur noch in rund 18 Prozent der Stuttgarter Haushalte Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, d.h. in 82 Prozent aller Stuttgarter Haushalte gibt es keine Kinder und Jugendlichen mehr. Seit den 1960er Jahren liegt die Zahl der Geburten unter der Sterberate. Diese Tendenz ist im Übrigen nicht nur ty-pisch für Stuttgart; in anderen Großstädten ist die demographische Entwicklung noch schwieriger. Deshalb gilt es, auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene Rahmen-bedingungen zu schaffen, damit sich wieder mehr junge Menschen für Kinder ent-scheiden. Es wurde dazu vor 3 Jahren ein Arbeitsprogramm für ein kinderfreundliches Stuttgart entwickelt, das 2006 fortgeschrieben wurde.

Seit drei Jahren gibt es in Stuttgart eine Kinderbeauftragte, die sich mit hohem Enga-gement darum kümmert, die Kräfte einer großen und effektiven Stadtverwaltung auf das Ziel hin zu bündeln, Stuttgart zur kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen. Doch die Arbeit im Rathaus genügt nicht. Es bedarf vieler gemeinsamer An-strengungen der verschiedenen Akteure in unserer Stadtgesellschaft. Deshalb wurde ein Kuratorium gegründet mit Vertretern aus der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kirchen, der Sport-, Kultur- und sozialen Institutionen, um Kinderfreundlichkeit als bedeutende Zukunftsaufgabe zu verankern. Eine schweizerische Unternehmensbera-tung arbeitet auf unsere Bitte hin an einem Evaluations-Szenario, mit dessen Hilfe spätestens im Jahre 2010 die Kinderfreundlichkeit in den deutschen Städten und Met-ropolen gemessen, bewertet, analysiert und auf Entwicklungspotenziale hin abge-klopft werden kann. Wir versprechen uns von diesem analytischen Blick von außen insoweit nicht nur einen Marketingeffekt, sondern vor allem auch Anregungen und Hinweise zur Frage, wie unsere Städte noch kinderfreundlicher werden können.

Kinderfreundlichkeit bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, der wiederum dem An-spruch Stuttgarts auf Qualität, Innovation und Internationalität zu entsprechen hat. Dementsprechend wurden fünf Ziele definiert.

4.1 Fünf Ziele auf dem Weg zur kinderfreundlichsten Großstadt

1. In Stuttgart ist jedem Kind eine Förderung und Bildung zuteil werden, die ihm faire Zukunftschancen eröffnet.

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Dazu gehört der weitere Ausbau der Ganztagesbetreuungs- und Bildungsangebote und der Sprachförderung in den Kindertagesstätten. Beim Programm „Einstein in der Kita“, das im Übrigen von McKinsey als innovativstes Kindergartenprojekt ausge-zeichnet wurde, verbindet sich das Wecken der Neugierde, die Freude am Entdecken mit Sprachförderung. Letzteres ist besonders wichtig, da mehr als 45 Prozent der Stuttgarter Kinder einen Migrationshintergrund haben. Unser Ziel ist es, dass jedes Kind bis zum Schulbeginn ausreichende deutsche Sprachkenntnis erworben hat.

In der Grundschule wird bereits ab der 1. Klasse Englisch gelernt. In den weiterfüh-renden Schulen kommt mindestens eine weitere Sprache hinzu. Da wir auch mutter-sprachlichen Unterricht fördern, haben Migrantenkinder eine besondere Zusatzquali-fikation, nämlich ihre Muttersprache. Insgesamt werden in Stuttgart über 120 Spra-chen gesprochen – neben dem Schwäbischen. Ziel ist es, dass wir die Stadt mit der höchsten Sprachkompetenz in Deutschland werden, da dies einen klaren Wettbe-werbsvorteil für unseren exportorientierten Wirtschaftsstandort darstellt.

2. In Stuttgart hat es für unsere Kinder Platz zum Wohnen und Freiräume zum Spielen im Freien zu geben.

Familien brauchen Platz zum Wohnen. Deshalb wurde in den vergangenen 10 Jahren durch das Förderprogramm „Preiswertes Wohnen für junge Familien“ vielen tausend jungen Familien die Chance auf Wohneigentum eröffnet. Hinzukommen Spielplätze und Bolzplätze, z.B. durch das Öffnen von Schulhöfen am Nachmittag und in den Ferien, damit unsere Kinder wieder stärker zum unbeaufsichtigten Spielen im Freien kommen. Weg vom Computer, Fernseher und Gameboy ist angesichts der Haltungs-schäden, des Aggressionsverhaltens, der Koordinationsprobleme und Konzentrations-schwächen vieler Kinder dringend geboten. Dies ist allerdings nicht einfach in einer Stadt, in der es fast fünfmal so viele Autos wie Kinder gibt. Deshalb ist es auch not-wendig, im unmittelbaren Wohnumfeld mehr Spielmöglichkeiten zu schaffen, ent-sprechend dem Motto „Kinder erwünscht, Spielen erlaubt“. In diesem Sinne wurde mit den Wohnungsgesellschaften vereinbart, das wohnbegleitende Grün, wo immer möglich, durch Änderung der Hausordnungen zum Spielen für Kinder freizugeben.

3. In Stuttgart ist für die Gesundheit und die Sicherheit unserer Kinder bestens zu sorgen.

Zur Gesundheitsvorsorge gehört z.B. das Wissen um die richtige Ernährung unter Einbeziehung von Kindern und Eltern, das gesunde Frühstück im Kindergarten und in den Schulen. Ein finanzieller Kraftakt wird der Neubau unserer Kinderklinik „Olgä-le“, einer der ältesten und größten Kinderklinken der Maximalversorgung in Deutsch-land.

Sicherheit im Straßenverkehr bleibt in Stuttgart ein wichtiges Thema, auch wenn die Stadt im bundesweiten Vergleich bereits die wenigsten Verkehrsopfer bei Kindern im Straßenverkehr hat. Doch jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel. Deshalb beginnt die Verkehrserziehung in den Kindertageseinrichtungen und Grundschulen mit Schul-

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wegplanung, der Aktion sicherer Schulweg, beim Erlernen des Radfahrens in unseren städtischen Jugendverkehrsschulen und durch einen Ausbau des Radwegenetzes.

Um vor Kriminalität besser geschützt zu sein, haben wir die Aktion „Gute Fee“ ebenso wie das „Bündnis für Erziehung“ und das Projekt „STOP – Stuttgarter Ordnungspart-nerschaft gegen häusliche Gewalt“ ins Leben gerufen. Stuttgart hat auch für Kinder die sicherste Großstadt in Deutschland zu sein.

4. In Stuttgart ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Kindern und Karriere zu gewährleisten.

In Stuttgart wird die Kinderbetreuung so ausgebaut, dass sie verlässlich, nachfrageori-entiert, qualitätsvoll und flexibel ist. Dazu gehört, dass sich Öffnungszeiten der Kin-derbetreuung und Arbeitszeiten leicht aufeinander abstimmen lassen und dies auch in Ferienzeiten. Die Angebote wurden deshalb erheblich erweitert. Mit den „offenen Ganztagesschulen“ wird dafür gesorgt, dass Kinder bis zum Alter von mindestens 10 Jahren entsprechend ihren Begabungen am Nachmittag verlässliche und qualifizierte Angebote wahrnehmen können.

Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört aber auch das Engagement der Unternehmen. Diese sind letztlich im eigenen Interesse gefordert, für familien-freundliche Arbeitsbedingungen in ihren Betrieben zu sorgen. Um den Erfahrungsaus-tausch im Sinne von „best practice“ voranzubringen und eine Art Schneeballeffekt zu erzielen, haben wir in Stuttgart ein Netzwerk von inzwischen mehr als 50 Unterneh-men gebildet, die sich für familienfreundliche Arbeitsbedingungen engagieren. Im Kuratorium „Kinderfreundliches Stuttgart“ arbeiten Persönlichkeiten aus der Wirt-schaft an neuen Konzepten zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit dem Ziel, sie in den jeweiligen Unternehmen umzusetzen und erfolgreiche Lösungsansätze weiterzugeben. Natürlich ist auch die Stadt Stuttgart als familienfreundlicher Arbeit-geber gefordert, sei es durch flexible Teilzeitmodelle, Tele-Arbeitsplätze, Qualifizie-rungsseminare, Wiedereinsteigerprogramme für ehemalige Mitarbeiterinnen und nicht zuletzt durch eine Betriebskindertagesstätte mit „Notfallplätzen“.

5. In Stuttgart ist das Miteinander der Generationen durch einen neuen Generationenvertrag vor Ort zu verbessern.

In Stuttgart soll das soziale Miteinander der Generationen gestärkt werden, um der sozialen Isolierung vorzubeugen, Verständnis für die unterschiedlichen Lebenssituati-onen zu wecken und sich gegenseitig zu helfen. Dem dienen in besonderer Weise die Stuttgarter Generationenhäuser und Begegnungsstätten, die gezielt dieses Miteinander von Jung und Alt fördern. Dazu gehören auch neue Wohninitiativen mit generatio-nenübergreifenden Wohnprojekten und Patenschaftsprojekte, nicht zuletzt um die Erfahrungen und Kompetenzen unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger der jungen Generation zugänglich zu machen. Dies ist im Hinblick auf den hohen Anteil von Migrantenkindern von besonderer Bedeutung. Eine wachsende Aufgabe wird aber auch die Betreuung älterer Migrantinnen und Migranten sein.

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4.2 Das europäische Netzwerk „Cities for Children“

Eine kinder- und familienfreundliche Stadt hatte in Stuttgart seit Jahren stets hohe Priorität. Deshalb wurde in Stuttgart in den vergangenen 10 Jahren die Förderung von Kindern und Jugendlichen systematisch verbessert. Dies war der am schnellsten wach-sende Etatposten. Wir haben bereits ein verlässliches Netzwerk innerhalb des Kon-zerns Stadt Stuttgart aufgebaut, das alle Bereiche der kommunalen Dienstleistungen umfasst: die Betreuung, Erziehung und Bildung in Kindergarten und Schule, den Wohnungsbau, die Gesundheitsversorgung, die Verkehrssicherheit, die Stadtplanung, die Kultur und den Sport. Mit dieser Arbeit haben wir auch Veränderungsprozesse in Gang gesetzt, die wir nun über die eigene Stadt hinaus in ein europäisches Städte-netzwerk einfließen lassen wollen.

Deshalb haben wir uns mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung entschlossen, ein europäisches Städtenetzwerk „Cities for Children“ zu initiieren. Damit kann sich die Landeshauptstadt Stuttgart als Modellkommune für eine kinderfreundliche Stadtent-wicklung positionieren. Neben Städten aus verschiedenen europäischen Ländern sind als Partner auch Universitäten, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftverbände sowie der Europarat und die EU-Kommission eingeladen. Auf einer Internetplattform werden Konzepte, Initiativen und best practice-Beispiele von Städten und Organisati-onen vorgestellt. In Workshops werden einzelne Aufgabenbereiche auf der Grundlage praktischer Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse vertieft. Das jährliche Forum „Cities for Children“ will nicht nur Arbeitsergebnisse und Erfahrungen austau-schen, sondern auch Einfluss auf die nationalen familienpolitischen und bildungspoli-tischen Entscheidungen nehmen.

Denn die wichtigste Antwort auf die wachsende demographische Herausforderung ist eine kinderfreundlichere Gesellschaft. Wir wollen vielen jungen Paaren die Entschei-dung für Kinder erleichtern. Damit die Minderheit „Familien mit Kindern“ nicht ins Abseits gedrängt wird, brauchen wir ein vertieftes Miteinander der Generationen vor Ort. Deshalb wurde der so genannte Stuttgarter Generationenvertrag entwickelt – zugleich eine Absage an den häufig zitierten „Kampf der Generationen“. Ebenso wie wir ein Miteinander der Generationen in einem Generationenvertrag vor Ort brau-chen, brauchen wir als differenzierte Antwort auf die Theorie des „clash of civilizati-ons“ ein intensives Miteinander der Nationen. Dies wird im „Stuttgarter Bündnis für Integration“ gelebt.

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5 Stuttgart als Mikrokosmos der Vereinten Nationen

In Stuttgart leben über 170 Nationen, 40 Prozent der Stuttgarterinnen und Stuttgarter haben einen Migrationshintergrund. Diese Zuwanderung ist als große Chance, aber auch als große Herausforderung zu sehen. Vorrangiges Ziel einer Einwanderungsstadt hat es zu sein, die neuen Bürgerinnen und Bürger zu integrieren, damit sie Stuttgart als ihre Heimat annehmen, d.h. sich hier zu Hause fühlen, sich mit der Stadt identifi-zieren und sich für die Stadt engagieren. Die politische Ausgangsthese lautet einfach: In Stuttgart leben nur Stuttgarterinnen und Stuttgarter; der Passport hat keine Rele-vanz. Vielmehr geht es darum, die individuellen Lebenssituationen zu betrachten. Deshalb hat der Integrationsprozess viele Facetten und bedarf vieler Partner. Mit dem „Stuttgarter Bündnis für Integration“ haben wir als erste deutsche Stadt unsere kom-munale Integrationspolitik als eine Gesamtstrategie entworfen, die in allen Bereichen des öffentlichen Lebens in Stuttgart verankert, umgesetzt und weiterentwickelt wird. Teil der Strategie ist es, ein soziales Klima in der Stadt und ein Image für Stuttgart zu schaffen, das die Hochbegabten fördert und sie nach Stuttgart zieht. Denn die Gewin-nung der „besten Köpfe“ ist für die Zukunftsfähigkeit der High-Tech-Region Stuttgart von entscheidender Bedeutung.

5.1 Zwölf Handlungsfelder einer erfolgreichen Integrationspolitik

1. Sprachförderung für Neu- und Altzugewanderte

Gute Deutschkenntnisse sind die Voraussetzung für eine aktive Teilhabe in der Gesell-schaft und für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. Wir bieten in Stutt-gart dazu praxisnahe, schnell erreichbare, möglichst wohnortsnahe und differenzierte Deutschkurse für alle Migrantinnen und Migranten an. Sprachförderung hat die Le-benslagen und den Bildungsstand der Zugewanderten ernst zu nehmen. Das fängt bei der ganzheitlichen Sprachförderung in den Kindertageseinrichtungen an und führt bis hin zu Deutschkursen für Erwachsene. „Mama lernt Deutsch“ zum Beispiel ist ein schöner Erfolg.

Etwa die Hälfte der städtischen Deutschkurse wird übrigens mit Kinderbetreuung angeboten, um vor allem jungen Müttern den Besuch zu ermöglichen. Und wir setzen verstärkt Fachkräfte und Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund ein, um so „Brü-ckenbauer“ zwischen den Kulturen zu haben. Integrationsarbeit für Migranten mit Migranten: Die Integrationskompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Einrichtungen verbessert wesentlich den Integrationserfolg.

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2. Sprach- und Bildungsförderung in den Kindertagesstätten

Jedes Stuttgarter Kind hat – unabhängig von seiner sozialen oder ethnischen Herkunft – eine faire Bildungschance zu bekommen. Im Kindergarten sind alle Kinder beisam-men, sie lernen sich gegenseitig und ihre erweiterte Lebenswelt spielerisch kennen; auch das Lernen von Sprache und Wissen ist für sie „kinderleicht“. Die Förderung in der deutschen Sprache – je früher, desto einfacher – hat vor allem in diesen Lebensjah-ren individuell und intensiv zu erfolgen, damit auch die Kinder aus Einwandererfami-lien bei ihrem weiteren Lernprozess darauf aufbauen können. Hier wird der Grund-stein für die Integration von Migrantenkindern gelegt.

Wir bauen seit Jahren konsequent die ganzheitliche Sprach- und Bildungsförderung in Tageseinrichtungen für Kinder aus, um allen Kindern die gleichen Bildungschancen bei der Einschulung zu ermöglichen. Im Projekt „Einstein in der Kita“ werden der Forschergeist, der Spracherwerb und die Sozialkompetenz der Kinder auf vielfältige Weise gefördert. So machen wir aus „Betreuungs“-Einrichtungen kindgerechte „Bil-dungs“-Einrichtungen.

3. Chancengleichheit in Schule und Ausbildung

Jeder Stuttgarter Jugendliche hat – unabhängig von seiner sozialen oder ethnischen Herkunft – eine berufliche Perspektive zu bekommen. Als „Exporthauptstadt“ im globalen Wettbewerb der Städte und Regionen müssen wir allen Kindern und Jugend-lichen die notwendige Qualifizierung zukommen lassen, damit sie fit für Ausbildung und Beruf werden. Dies gilt insbesondere für unseren internationalen Nachwuchs.

Besorgt müssen wir feststellen, dass die Bildungserfolge von Kindern und Jugendli-chen nichtdeutscher Muttersprache in Stuttgart seit 20 Jahren nicht wesentlich gestie-gen sind. Wir arbeiten deshalb an einer Erweiterung der interkulturellen Kompetenz von Schulen bei ihrem Bildungsauftrag in der Einwanderungsgesellschaft und versu-chen gleichzeitig, die Migranteneltern in ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag zu unterstützen. Und das vor allem in den Hauptschulen in einer engen Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Erst vor kurzem haben wir – unterstützt durch die Mercator-Stiftung – das Programm „lern aktiv“ begonnen. Rund 100 Förderlehrerinnen und -lehrer erteilen 400 Schülerinnen und Schülern an Hauptschulen Förderunterricht in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch.

4. Berufliche Integration

Erwerbstätigkeit ist mehr als ökonomische Unabhängigkeit. Sie ermöglicht soziale Kontakte, stärkt das Selbstwertgefühl, erweitert den Horizont und vergrößert die Identifikation mit dem Gemeinwesen. Unbestritten ist auch, dass Deutschland weiter-hin ausländische Arbeitskräfte benötigt, allerdings die Zuwanderung arbeitsmarktori-entiert zu gestalten ist. Positive wirtschaftliche Impulse erfährt Stuttgart auch durch Zugewanderte, die eigene Unternehmen mit wichtigen Beschäftigungseffekten ge-gründet haben.

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Damit Jugendliche – häufig ohne die notwendige Unterstützung im Elternhaus – eine faire Chance bekommen, setzen sich Lehrer in speziellen Förderprogrammen ein, aber auch viele Ehrenamtliche. Dazu gehört das Projekt „STARTklar“, das im Frühjahr 2006 mit dem Sonderpreis der Bundeskanzlerin ausgezeichnet wurde. 60 Seniorpartner im Alter von 58 bis 65 Jahren trainieren 140 Hauptschüler für den Einstieg in den Beruf.

Speziell für junge Menschen haben wir zwei Angebote entwickelt: „JobConnection“ ist eine zentrale Anlaufstelle für junge Frauen und Männer am Übergang Schule-Beruf und vermittelt in ein niederschwelliges Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebot, genannt 400 plus Zukunft. Migranten sind hier überdurchschnittlich vertreten. Dies verdeutlicht auch die geringeren Bildungschancen junger Menschen mit Migrations-hintergrund und die Notwendigkeit, diese Menschen verstärkt zu fördern.

5. Integrationskompetenz durch interkulturelle Ausrichtung der Verwaltung

Vielfalt ist eine Stärke, die sich bei professionellem Handeln gezielt nutzen lässt. Durch Mitarbeiter aus anderen Kulturkreisen erweitern wir unseren Sichtwinkel und damit unsere Handlungskompetenz, was insbesondere für die Integrationsarbeit wich-tig ist. Erfolgreiche Integration hängt nicht nur von der Integrationsbereitschaft der Migranten ab, sondern auch von der Qualität der angebotenen Integrationsprogram-me. Durch einen kundenorientierten und effektiven Bürgerservice der Stadtverwal-tung auch für unsere Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund ist die Iden-tifikation dieser „Neubürger“ mit ihrer Stadt zu erhöhen und ihr eigenverantwortli-ches Engagement für das Zusammenleben in der Kommune zu verbessern. Dafür bilden wir unsere Mitarbeiter aus.

6. Integration und Partizipation in den Stadtteilen

Integration erfolgt in konkreten Lebensbezügen, also dort, wo Eingewanderte und Einheimische tagtäglich zusammenkommen – im Stadtteil. Deshalb ist das Miteinan-der vor Ort in den Sportvereinen, Begegnungsstätten, bei Runden Tischen, in Kinder-tagesstätten, Schulen, aber auch in politischen Gremien, wie z.B. den Bezirksbeiräten, so wichtig. Engagierte Schlüsselpersonen mit bikultureller Kompetenz sind wichtige Brückenbauer zwischen den Kulturen. Solche interkulturellen „key persons“ sind wertvolle, sachkundige Ansprechpartner. Natürlich ist das Zusammenleben nicht immer spannungsfrei. So nimmt sich z.B. das Projekt der „interkulturellen Meditati-on“ Konflikten zwischen Nachbarn oder Kollegen an, die in einem interkulturellen Kontext stehen. Obwohl die vermittelten Gespräche eigentlich „nur“ auf eine außerge-richtliche Lösung abzielen, schaffen sie oft eine Basis für weitergehende Kontakte, Verständnis und sogar Vertrauen.

7. Wohnen in der internationalen Stadt

Zum Miteinander-Leben gehört auch das Miteinander-Wohnen. Miteinander, nicht separat nebeneinander. Wir wollen deshalb keine Gettobildung, keine ethnisch ge-prägten Stadtquartiere, sondern kümmern uns um eine Durchmischung der Nationen.

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Die städtische Wohnungspolitik unterstützt gerade auch ausländische Familien bei der Suche nach einer Wohnung in den verschiedenen Stadtvierteln.

8. Interkulturelle und internationale Orientierung

Die globale Arbeitsteilung wird fortschreiten, auch deshalb wird die Zahl von auslän-dischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die einen Teil ihres Arbeitslebens in Stutt-gart verbringen, zunehmen – dazu gehören auch Musiker, Sänger, Designer und ande-re kreative Köpfe. Umgekehrt haben Stuttgarter Unternehmen über 1.500 Zweigbe-triebe und Repräsentanzen in 175 Ländern. Ein wichtiger Beitrag für die Internationalität unserer Stadt.

Wir bieten den zahlreichen ausländischen Gruppen in Stuttgart eine Plattform, sich zu organisieren, zu vernetzen und zu präsentieren. Dies leistet neben den internationalen Netzwerken unserer Kultureinrichtungen ein lebendiges interkulturelles Netzwerk, das „Forum der Kulturen“.

9. Sicherheit in der internationalen Stadt

Je besser jemand in unsere Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt integriert ist, desto geringer ist die Gefahr, dass er kriminell wird. Stuttgart ist eine der sichersten Groß-städte in Europa. Auch das „Sicherheitsgefühl“ in der Bevölkerung hat erfreulicher-weise in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Ein wesentlicher Aspekt für die erfolgreiche Sicherheitspartnerschaft zwischen Rathaus, Polizei und Bürgerschaft ist die gelingende Integration in unsere Stadtgesellschaft. Diese Sicherheitspartnerschaft, vor rund zehnJahren initiiert, ist erst kürzlich mit dem World-Leadership-Award 2006 in London ausgezeichnet worden.

10. Interreligiöser Dialog

Die Religionsgemeinschaften stehen in einer besonderen Verantwortung für das Zu-sammenleben aller. Der interreligiöse Dialog der Glaubensgemeinschaften leistet einen wichtigen Beitrag zum friedlichen Miteinander in unserer Stadt. In dem „Manifest für ein friedliches und aktives Miteinander der Religionen in Stuttgart“ setzen sie sich in einem Sieben-Punkte-Programm unter anderem dafür ein, dass Religion niemals zur Rechtfertigung von Gewalt dienen kann. Letztlich auch mit dieser Zielsetzung hat die Stadt Stuttgart die Dialogreihe der „Weltreligionen im Rathaus“ initiiert und die Bil-dung eines „Rundes Tisches der Religionen“ und den Gesprächskreis der Muslime mit dem Integrationsbeauftragten gefördert. Die Landeshauptstadt unterstützt so den interreligiösen Dialog und speziell den Austausch mit den Muslimen. Auch wird ein Islamischer Religionsunterricht seit dem Schuljahr 2006/2007 im Modellversuch an zwei Stuttgarter Grundschulen erprobt. Nicht zuletzt haben sich die Religionsgemein-schaften verpflichtet, Begegnungen und Dialoge zu organisieren und bei der Integrati-onsarbeit zum Beispiel in der Schule und am Arbeitsplatz mitzuhelfen.

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11. Politische Partizipation

Auch wenn unsere Einwanderer aus vielen ethnischen „communities“ stammen, sind sie die Bürger einer Kommune: sie sind Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Deshalb ist unser Ziel deren gleichberechtigte Teilhabe und Teilnahme am kommunalpolitischen Geschehen. Wir haben bereits vor Jahren unseren Ausländer-Ausschuss ersetzt durch einen Internationalen Ausschuss. In dieses Gremium wurden Experten für Integrati-onsfragen berufen, die aus allen Lebensbereichen ihre Erfahrungen einbringen kön-nen, sei es im Bereich des Sports, der Sicherheit, der Gesundheit, des Arbeitsmarkts oder des interreligiösen Dialogs. Auch in unseren Bezirksbeiräten sind Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund vertreten, um auf Probleme vor Ort aufmerk-sam zu machen, sich für soziale Belange einzusetzen und nicht zuletzt ihre interkultu-relle Kompetenz vor Ort einzubringen. Die wachsende Integration zeigt sich auch in der gestiegenen Zahl von Mitgliedern des Stuttgarter Gemeinderats mit Migrations-hintergrund.

12. Öffentlichkeitsarbeit

„Integration ist ein Fremdwort“ schrieb die Stuttgarter Zeitung im April 2006 in einem Leitartikel mit der Überschrift „Ein Land lernt“. In der Tat bleibt es unser Bemühen in der städtischen Öffentlichkeitsarbeit, Integration als Lernprozess für Neubürger wie Alteingesessene in der notwendigen Differenziertheit und Unaufgeregtheit darzustel-len, d.h. mit allen Schwierigkeiten, Herausforderungen und Chancen. Gerade weil es keine realistische und vernünftige Alternative gibt, gilt es, auch die Erfolge der Migra-tion, den „Mehrwert“, den wir durch Einwanderung erfahren, aufzuzeigen. Nicht zuletzt gilt es immer wieder öffentlich darzustellen, dass es keinen kausalen Zusam-menhang zwischen einer internationalen Bevölkerung und der Kriminalität gibt: 40 Prozent der Bewohner Stuttgarts haben einen Migrationshintergrund; zugleich sind wir eine der sichersten Großstädte in Europa.

5.2 Europäisches Städtenetzwerk für Integration

Unsere Integrationsarbeit hat inzwischen internationale Anerkennung erfahren. Der Europarat hat im Mai 2003 das Stuttgarter Bündnis für Integration in wesentlichen Teilen zu seiner offiziellen Politik gemacht. Es dient damit als Modell für die Entwick-lung von Integrationskonzepten anderer Kommunen. Die UNESCO hat unsere Arbeit mit dem „Cities for Peace“ Preis 2004 gewürdigt. Stuttgart ist damit die erste deutsche Stadt, die diesen UNESCO-Preis erhalten hat. 2005 konnten wir den vom Bundesin-nenministerium und der Bertelsmann Stiftung initiierten Wettbewerb über erfolgrei-che Integration gewinnen.

Den Integrationsprozess zu einer internationalen Stadtgesellschaft verstehen wir als „lernenden Prozess“. Deshalb ist es wichtig, von den Erfahrungen anderer Städte in

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Europa zu lernen. Auf unsere Initiative hin wurde ein Europäisches Städtenetzwerk „Cities for Local Integration Policy of Migrants“ von der Europäischen Kommission, der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, dem Europarat und dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) sowie 30 weiteren Städten in Europa gegründet. Wir wollen mit praktischen Erfahrungen, mit „best-practice“-Beispielen aus anderen Städten, aber auch durch die begleitende wis-senschaftliche Forschung durch Universitäten aus fünf Ländern die Integrationsarbeit weiterentwickeln und Vorschläge in die nationale und europäische Integrationspolitik einbringen.

6 „Stuttgarter Partnerschaft Eine Welt“

Der Globalisierungsprozess führt dazu, dass wir mehr denn je in einem „global villa-ge“ leben. Es liegt deshalb in unserem ureigenen Interesse zu helfen, die Lebensbedin-gungen in den Städten anderer Kontinente zu verbessern. Täglich versuchen Men-schen, aus ihrem Elend zu fliehen und eine neue Heimat in unseren Städten zu finden. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir die Millionen junger Menschen, die im südli-chen Mittelmeerraum leben, ob in Marokko, Algerien oder Ägypten, aufnehmen und erfolgreich integrieren können. Deshalb haben wir den Menschen vor Ort zu helfen, damit sie sich selbst eigene Zukunftsperspektiven in ihrer Heimat erarbeiten können. Dazu haben wir auch eine moralische Verpflichtung, denn wir sind die Gewinner der Globalisierung.

Wir haben uns deshalb entschlossen, das „Stuttgarter Bündnis für Integration“ um die „Stuttgarter Partnerschaft Eine Welt“ zu erweitern. Bislang 150 Organisationen, Verei-ne, Gruppen und Initiativen arbeiten daran mit, die in der „Charta der Vereinten Nati-onen“ festgelegten Grundsätze und Werte möglichst Wirklichkeit werden zu lassen. Dazu gehören vor allem die 8 Millennium-Entwicklungsziele, die von den Staats- und Regierungschefs der Vereinten Nationen im Jahr 2000 vereinbart wurden.

Die „Stuttgarter Partnerschaft Eine Welt“ will einerseits die vielen Initiativen der Ent-wicklungsarbeit innerhalb unserer Stadt besser vernetzen und ihnen dadurch ihre Arbeit erleichtern. Andererseits gilt es, diese Initiativen öffentlich herauszustellen und damit die Notwendigkeit der Hilfe für die Dritte und Vierte Welt bewusst zu machen. Wenn wir alle helfenden Aktivitäten in Afrika, Lateinamerika oder Asien, die von Städten in Europa ausgehen, auf einem großen Globus sichtbar machen würden, wä-ren dies Tausende von leuchtenden Zeichen internationaler Solidarität. Wenn wir die vielen existenziellen Nöte vor Ort bewusst und damit die Dimension der notwendigen Hilfe begreifbar machen, werden sich die Chancen für eine gerechtere Globalisierung und damit auch die Chancen der Menschen auf bessere Lebensbedingungen vor Ort

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nachhaltig erhöhen. Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) wollen wir zugleich ein Netzwerk der Solidarität mit den Städten aufbauen, in denen die GTZ aktive Hilfe vor Ort leistet. So können zum Bei-spiel diese Städte unentgeltlich Mitglieder im Netzwerk „Cities for Mobility“ werden.

7 Die Marke — „Stuttgart als Motor Deutschlands“

Das „Produkt Stadt“ hat notwendigerweise viele Aufgaben „von der Wiege bis zur Bahre“ zu erfüllen und daher viele Facetten. Deshalb lässt sich der kommunale Auf-trag für eine Stadt und in einer Stadt nur schwer in das Korsett einer Markenbildung hineinzwängen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass gerade die im Weltmaßstab mittelgroßen Großstädte (wie Stuttgart mit 600.000 Einwohnern) eine solche Marke-tingstrategie brauchen, um im globalen Wettbewerb künftig überhaupt wahrgenom-men zu werden. Der Bekanntheitsgrad, verbunden mit einem inhaltlichen Profil, wird im Wettbewerb um die besten Köpfe in Zukunft immer wichtiger werden.

Dabei lässt sich vor allem durch die Veranstaltung von internationalen Sportwettbe-werben mediale Aufmerksamkeit und Sympathie gewinnen. Deshalb war die Fußball-Weltmeisterschaft für Deutschland insgesamt, aber auch für die Stadt Stuttgart als Austragungsort ein großer Gewinn. 2007 werden wir als „Europäische Sporthaupt-stadt“ vier Weltmeisterschaften in Stuttgart erleben können. Zur nachhaltigen Positio-nierung bedarf es aber besonderer profilgebender Aktivitäten, die sich mit den wirt-schaftlichen, wissenschaftlichen und kommunalen Schwerpunkten verbinden lassen. Dies ist bei den beschriebenen vier Netzwerken der Fall. Sie eröffnen zugleich die Möglichkeit, uns im Rahmen von Benchmarks mit anderen Städten zu vergleichen und in nationalen und internationalen Wettbewerben unsere Arbeit zu präsentieren.

Stuttgart ist auf dem richtigen Weg. Durch beharrliche Kärrnerarbeit im Detail auf kommunaler Ebene und durch internationale Netzwerke soll Stuttgart zu einer starken Marke mit einem guten Ruf und Qualitätsprofil gemacht werden. Zu einer Marke, die ihre Stärken aus den soliden Leistungen, sozialen Innovationen und konzeptionellen Ideen vieler Beteiligter bezieht: der Bürger, der gemeinnützigen Organisationen, der Unternehmen, der Wissenschaftler ebenso wie der Politik und der Stadtverwaltung.

Dass Stuttgart an Lebensqualität gewonnen hat, zeigen Umfragen wie die „Perspektive Deutschland“ des ZDF und weiterer Medienpartner aus dem Jahr 2006: Menschen in Deutschland leben im Vergleich zu allen anderen deutschen Städten am liebsten in Stuttgart. Und dass Stuttgart auch für Unternehmen attraktiv ist, zeigt zum Beispiel eine Analyse von Ernst & Young. Danach sind die Unternehmen in Deutschland am

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Die Stadt als Marke im internationalen Wettbewerb

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zufriedensten am Standort Stuttgart. Stuttgart nimmt in wichtigen Feldern heute in Deutschland eine Spitzenposition ein. Diese Spitzenposition zu halten, bleibt eine dauernde und lohnende Herausforderung. Dazu gehört, das Produkt „Stadt Stuttgart“ stärker zu profilieren und als die „Qualitätsmarke“ zu positionieren. Auf diesem wei-teren Weg sind die von uns erreichten Erfolge eine hervorragende Motivation, damit auch künftig Stuttgart der „Motor Deutschlands“ bleibt.

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Politisches Marketing

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Christoph Kannengießer und Christian Schnee

Politisches Marketing — Die Kraft der Emotionen nutzen

1 Einleitung ........................................................................................................................407

2 Marketing in den Medien..............................................................................................408

3 Dramatischer Wandel im Klientelverhalten................................................................409

4 Marketing in Verbänden, Gewerkschaften und Bildungseinrichtungen ................410

5 Politisches Marketing.....................................................................................................411

6 Abschließende Thesen ...................................................................................................414

7 Literaturverzeichnis .......................................................................................................415

Christoph Kannengießer ist Stellvertretender Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin/Berlin.

Christian Schnee ist Leiter der Abteilung Politische Kommunikation der Konrad-Adenauer-Stiftung, Wesseling.

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Politisches Marketing

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1 Einleitung

Marketing ist als Thema in der Politik nach wie vor weniger verbreitet als in vielen Unternehmen. Die Arbeit von Marketing-Experten wird in diesem Umfeld nicht selten kritisch gesehen. Bo Krogvig, ein Wahlkampfberater des früheren schwedischen Mi-nisterpräsidenten Palme, formulierte es jüngst so: „Diese Leute, die sonst für Unter-nehmen Waschmittel verkaufen, haben in der Politik nichts zu suchen. Die verstehen nichts von den Menschen“ (Karp/Zolleis 2004). Von „Menschen“ redet er, nicht von „Konsumenten“. Und er hat Recht. Die Erwartungen an Politiker in Europa und vor allem in Deutschland sind besondere. Sie diskutieren und entscheiden über die Zu-kunft des Landes und über Menschen. Ein Partei- oder ein Wahlprogramm orientiert sich seit jeher an Überzeugungen und Werten. Das hat nicht zuletzt mit der Entste-hungsgeschichte der Demokratie in Deutschland zu tun. Noch ehe es Parlamente und Parteien gab, hatten sich Menschen mit oft leidenschaftlichen Überzeugungen zu-sammengetan – im Vormärz, den Jahren vor der Revolution von 1848, oft unter Gefahr für die Existenz, das eigene Leben.

Diese Bürger ergriffen Partei für Überzeugungen, schlossen sich zusammen und kämpften für verschiedene Varianten eines geeinten und demokratischen Deutsch-land. Diese Fokussierung auf Programme, wenn auch in stark relativierter Form, be-stimmt auch heute noch das Denken von Politikern, Journalisten und Historikern. Das unterscheidet unsere Kultur z.B. von jener in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort entsprechen Parteien mehr dem Bild des Wahlvereins, der sich alle zwei Jahre wieder mit dem Ziel zusammenfindet, einen Kandidaten auszuwählen und für ihn den Wahlkampf zu organisieren. Werblich guter Wahlkampf in Deutschland wirft daher immer wieder die Diskussion auf, ob man politische Ziele vermarkten darf wie ein Konsumprodukt. Die Diskussion ist alt und sicher keine spezifisch deutsche. Die Spitzenkandidatin der britischen Konservativen, Margaret Thatcher, entschied sich 1979, die Werbeagentur Saatchi & Saatchi mit ihrem Wahlkampf zu betrauen. Frau Thatchers Gegner war ein Sozialist, der sich im vollen Bewusstsein seines eigenen unvorteilhaften Äußeren und wenig marktgängigen Auftretens präsentierte und fest daran glaubte, die Wähler wollten die sozialistische Idee – keine schmucke Verpa-ckung. Als Labour merkte, wie unrecht er hatte, machte sich die Partei im Königreich auf einen langen Weg der Einsicht, der nach 18 Jahren zurück an die Regierung führte. In dieser Zeit lernte die Parteispitze, dass Marketing in der Politik nicht die Aufgabe hat, ein aus parteipolitischen Überzeugungen geborenes Programm der Öffentlichkeit zu verkaufen. Stattdessen ging es darum, im Dialog mit den Bürgern ein politisches Angebot zu entwickeln. Fokus-Gruppen etwa sind keine Erfindung der Parteien, aber seit Thatchers Zeiten ein weit verbreitetes Instrument, um gemeinsam mit den Bürgern Inhalte, Formen und Sprache so zu wählen, dass sich die Wähler darin wieder finden und verstehen, worum es geht.

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Christoph Kannengießer und Christian Schnee

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2 Marketing in den Medien

Gerade Journalisten seriöser Medien rümpfen nicht selten die Nase über die angeblich so grelle, oberflächliche Werbung der Parteien. Der Vorwurf lautet, Kandidaten und Parteien würden nicht mehr mit Inhalten und Überzeugungen antreten, sondern mit Sound-Bites und aussageloser, bunter, nicht selten schriller Werbung. Wer das sagt, hat möglicherweise nicht genau genug hingeschaut oder vermischt zwei völlig unter-schiedliche Aspekte. Dazu ein Vergleich: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) stellt sich in der Öffentlichkeit geschickt werblich da. Mit ihrer seit Jahren erfolgrei-chen Werbung kommuniziert sie ihren Wert als anspruchsvolle Tageszeitung. Ihr Slo-gan: „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf!“ Der kurze Satz ist eine wundervolle Zusammenfassung dessen, worum es der Zeitung mit Blick auf den Leser geht. Doch gibt der Slogan Inhalt wieder? Wie viele Seiten etwa der Nachrichtenanteil hat, wie viel Platz für Kommentar und Meinung zur Verfügung steht oder für Kultur? Diese Werbung verrät weder die Zahl der Auslandskorrespondenten noch die der prämier-ten Autoren. Auch die ordnungspolitische Philosophie des Blattes spielt keine Rolle. Dabei sind dies die Inhalte, derentwegen die FAZ eine der renommiertesten Zeitungen der Welt ist. Nichts davon aber findet sich in ihrer Werbung wieder. Sie appelliert an den Wunsch, als „kluger Kopf“ zu gelten.

Ähnlich das Bild beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), der zu recht Stolz ist und sich auf die Qualität seiner Formate, die Kompetenz seiner Redakteurinnen und Re-dakteure sowie den journalistischen Anspruch des Programms etwas einbilden darf. Aber sind es die qualitativen Inhalte, mit denen der Sender bei den Bürgern wirbt? Nein – der NDR wirbt für sich selbst ausschließlich mit dem Slogan „NDR – das Beste am Norden!“

Diese Beispiele ließen sich beliebig erweitern. Deutlich wird die legitime Trennung in Inhalte auf der einen Seite und die werblich geschickte Kommunikation von Werten und Inhalten auf der anderen Seite. Gute Kommunikation besteht nicht darin, 25 Grundsätze mit Spiegelstrichen zu versehen und die Bürger zu bitten, mit Geduld diese Thesen zu verinnerlichen. Es geht vielmehr um eine originelle Idee und die äu-ßerste Verdichtung einer Botschaft. Dies gilt – bei allen Unterschieden zwischen Kon-sum und Politik – für kommerzielle genauso wie für politische Werbung. Unbeschadet dessen dürfen wir von Parteien politische Inhalte erwarten und verlangen. Doch schließt das Bohren dicker Bretter die originelle und pointierte Kommunikation nicht aus.

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3 Dramatischer Wandel im Klientelverhalten

In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich die Anforderungen und Erwartungen an die Politik dramatisch gewandelt. Fragen des Marketings spielen eine wachsende Rolle angesichts zunehmend komplexer Probleme und eines immer schärferen Wett-bewerbs um die Aufmerksamkeit der Bürger. Regierungen, Parteien und Kandidaten verwenden immer mehr Zeit darauf, Erwartungen und Verhalten ihrer „Konsumen-ten“ zu verstehen. Ein Produkt, eine Idee oder Dienstleistung zu entwickeln, die den Konsumenten befriedigt, ist genauso zur zentralen Herausforderung modernen Par-teimanagements geworden wie die Aufgabe, das Verhalten der Organisation gegen-über der Öffentlichkeit intensiv und nachhaltig zu erklären.

Aber nicht nur die Politik hat mit diesen Veränderungen zu ringen. Organisationen, die früher jenseits jeder wettbewerblichen Ordnung standen, sehen sich einer an-spruchsvollen Klientel konfrontiert. Jennifer Lees-Marshment nennt dieses Phänomen in ihrem gleichnamigen Buch „The political marketing revolution“ (Lees-Marshment 2004). Darin beschreibt sie den unaufhaltsamen Aufstieg des „politischen Konsumen-ten“. Gemeint ist damit der Bürger, der sich über sein Wahlrecht nicht nur bei politi-schen Wahlen bewusst ist. Der kritische, politische und auswählende Bürger ist nicht mehr nur für den Hersteller von Konsumartikeln der Adressat geworden.

Lehrer, deren Leistung von Eltern kritisch hinterfragt werden, Ärzte, deren Patienten den Rat des Mediziners mit den Empfehlungen aus der Fachliteratur vergleichen, Kommunalverwaltungen, die bei der Planung ihrer Öffnungszeiten an die Wünsche berufstätiger Bürger denken müssen. Institutionen sind kritisierbar geworden. Rat von Autoritäten ist nicht mehr sakrosankt. Staatsmonopolisten können auf gefügige Kund-schaft nicht mehr vertrauen. Bürger erinnern sich, dass Gesundheitsdienste, Bildungs-einrichtungen, Parlamente und Stadtverwaltungen zu ihren Diensten da sein müssen. Das erhöht die Erwartungen und macht Organisationen anfälliger für Kritik. Das trifft alle, nicht nur politische Beamte und gewählte Mandatsträger. Selbst ohne Wahlen ist das so – die kritische öffentliche Meinung ist zum eigenständigen „Stakeholder“ ge-worden. Wer Marketing im umfassenden Sinne versteht, kann sich nicht erlauben, dies zu ignorieren.

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4 Marketing in Verbänden, Gewerkschaften und Bildungseinrichtungen

Auch die Verbände der Unternehmen und Gewerkschaften galten für Jahre als die natürlichen Sachwalter von übergreifenden Interessen. Das Marketing der eigenen Organisationen selbst war für die Tarifpartner, Verbände und Kammern kaum nötig. Sie ruhten sicher und fest in ihren scheinbar unverrückbar gesellschaftlichen und rechtlichen Verankerungen. Heute kann sich das kaum eine Gewerkschaft, kaum ein Arbeitgeber- oder Wirtschaftsverband mehr erlauben. Beide Seiten haben gesellschaft-liche Unterstützung dringend nötig. Nicht nur, um ihre tarifpolitischen, sozialpoliti-schen oder wirtschaftspolitischen Ziele zu erreichen. Heute geht es um mehr: Sie brau-chen Rückhalt in der Gesellschaft, um für ihre Existenz und Zukunft zu werben. Es gibt einen umfassenden Markt, auf dem sie bestehen müssen. Es ist der Meinungs-markt der Medien und Multiplikatoren, der ihre Arbeit beurteilt und richtet.

Als Antwort darauf vertrauen auch Verbände immer mehr auf geschickte Eigendar-stellung. Wer nicht mehr allein auf die Treue oder das gesellschaftliche oder wirt-schaftliche Gewicht seiner Mitglieder bauen kann, muss sich die Meinungshoheit mühevoll erarbeiten. Der Austausch auf dem Meinungsmarkt nimmt sich das klassi-sche Marketing zum Vorbild: Die Organisation leistet Arbeit, die für Mitglieder oder die Gesellschaft als Ganzes sinnvoll ist. Sodann erklärt sie umfassend und nachhaltig die Erfolge und bekommt im Austausch von den Meinungsmachern wohlwollende Unterstützung. Diese Einsicht entwickelt sich in vielen Organisationen erst langsam. Verbände hatten – anders als politische Parteien – kaum die Gelegenheit, aus Wahlnie-derlagen und Umfragetiefs zu lernen, dass sie der Öffentlichkeit Erklärungen schuldig sind.

Ein ähnliches Bild bietet sich beim Blick auf die Bildungseinrichtungen. Nicht erst seit der Pisa-Studie und der Einführung von Studiengebühren diskutieren Eltern und Schüler über Bildung und erwarten von Ausbildern und Bildungspolitikern einerseits Leistung und andererseits ein Gespür für die Anforderungen der Zukunft. Medien und die Informationsflut der modernen Gesellschaft haben aus Bürgern kritische poli-tische Konsumenten gemacht. Daher ist auch die Hochschule kein unangefochtener Anbieter von Bildungsleistungen mehr mit dem Privileg, Kritik kommentarlos an die politischen Entscheider nach oben weiterreichen zu können. Hochschulen sind Orga-nisationen, die sich Märkten stellen müssen – aber auch dürfen. Denn neben der kriti-schen Studentenschaft haben die höheren Bildungseinrichtungen längst Unternehmen als attraktive Partner erkannt, dessen ideelle und materielle Unterstützung für den Erfolg von anspruchsvoller Universitätsbildung immer wertvoller wird.

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Politisches Marketing

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Gerade am Beispiel der Hochschulen wird deutlich: Marktentscheidungen konzentrie-ren sich nicht mehr nur auf Produkte und Dienstleistungen öffentlicher Organisatio-nen und Institutionen. Rektorenverbände und Studentenvertretungen sind nicht mehr nur Interessen- und Standesvertretungen, die um gute Kontakte in die Kreise politi-scher Entscheider ringen. Die Auseinandersetzung zwischen diesen Verbänden um Meinungen und Einfluss findet längst in Fernsehstudios, auf den Bildungsseiten der Tagespresse und bei Demonstrationen an Marktplätzen statt. Kein Verband kann sich mit guten Kontakten zu Fach- und Regierungspolitikern zufrieden geben. Intuition für und Interesse an der öffentlichen Meinung, Sinn für Werbung und Mittel der Public Relations sind für einstmals unumstrittene Bildungsanstalten und Standesvertretun-gen zur Überlebensregel geworden.

Diese Beispiele machen sichtbar, wie Organisationen die Öffentlichkeit als kritischen Markt erkennen. Schrittweise wandeln sie sich zu politischen Organisationen und nutzen politisches Marketing, um auf die Erwartungen der Öffentlichkeit und des Meinungsmarktes zu reagieren. So haben auch die Verantwortlichen etwa in Schulen, Krankenhäusern, Praxen und Kommunen verstanden, dass sich nicht weitermachen lässt wie in der Vergangenheit. Sensibilität für die neuen Märkte muss in den Struktu-ren von Organisationen entwickelt werden. Das ist der Schlüssel zum Erfolg – ganz gleich, ob die Einrichtung mit der Absicht antritt, Gewinn zu erwirtschaften oder nicht.

5 Politisches Marketing

Ziel des politischen Marketings ist es, Vertrauen zu schaffen – ähnlich den klassischen Public Relations. In guten Zeiten zahlt die Organisation durch stetes Engagement für ihre Zielgruppen in eine Art Versicherung ein, die letztlich nichts anderes ist als Ver-trauen und Goodwill. Statt der klassischen Kaufleistung des Konsumenten wird im politischen Marketing dem Bürger ein Vertrauensvorschuss abverlangt. Dafür nutzen sensible und vorausschauende Entscheider das ganze Instrumentarium der PR, denn sie wissen: in Krisenzeiten ist Vertrauen ihr Kapital. In der öffentlichen Auseinander-setzung und im Ringen der Meinungen, hat derjenige die beste Chance, dessen Argu-mente auf das Vertrauen der Zuhörer stoßen.

Gerade den Entscheidern in der Wirtschaft fällt es nicht immer leicht zu erkennen, dass sie auch den Markt der öffentlichen Meinung nicht nur im Kampf um die Köpfe der Menschen erobern können. Es sind Gefühle und Empfindungen der Menschen, die oft im politischen Marketing von Verbänden und Unternehmen vernachlässigt wer-den. Zahlenreihen und Statistiken mögen die Wahrheit auf ihrer Seite haben.

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Überzeugen werden sie nur, wenn die dahinter stehende Organisation Vertrauen ge-nießt, wenn sie emotional positiv besetzt ist.

Gerade diejenigen, die an den rationalen Bürger glauben, sollten den Meinungskampf nicht im festen Glauben an die Überlegenheit von Fakten und Zahlen führen. Wer für Reformen im Gesundheitswesen oder einen veränderten Kündigungsschutz als Mittel zur Schaffung neuer Arbeitsplätze werben will, sollte bedenken, dass der rationale Bürger seine Freizeit nicht damit verbringt, Argumente und Gegenargumente zu den laufenden Reformdebatten zu sammeln und zu vergleichen. „Ich kenne mich mit dem Thema nicht aus, aber ich habe im Gefühl, die Gewerkschaft tut was für meine Interes-sen“, lautet nicht selten die Haltung von Arbeitnehmern, die sich eben nicht auf Ar-gumente, sondern ihre Intuition und ihr Gefühl verlassen. Angesichts der Komplexität vieler wirtschafts- und sozialpolitischer Fragen bleibt selbst dem gut ausgebildeten Teil der Bevölkerung, ja bisweilen sogar den Entscheidern selbst kaum etwas anderes übrig.

Die Menschen in diesem Land sind „Stakeholder“ der modernen Volkswirtschaft. Auf die eine oder andere Art kann sich kein Unternehmen dieser Einsicht entziehen. Und selbst wenn die Rolle der Öffentlichkeit nur eine indirekte wäre, etwa als Wahlvolk, dann schmälert das die Rolle der Bürgerinnen und Bürger nicht. Sensibilität für den Markt „Öffentlichkeit“ ist geraten, denn es ist diese Öffentlichkeit, die in Wahlent-scheidungen die politischen Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland beeinflusst.

Es lohnt sich daher, Marketingstrategie nicht nur auf potentielle Käufer auszurichten. Nötig ist eine Erweiterung auf das gesamte gesellschaftliche Umfeld. Es ist oft nicht einfach für die bürgerlichen Parteien, die Auseinandersetzung um gute unternehmeri-sche Rahmenbedingungen alleine gegen den politischen Gegner bestehen zu müssen. Unternehmen und ihre Verbände könnten in der öffentlichen Diskussion eine wichti-gere Rolle spielen als sie es tun, wenn sie intensiver und geschickter um das Vertrauen der Bürger auch in seiner Rolle als „homo politicus“ ringen würden.

Das geforderte „politische Marketing“ sollte die Gefühle der Bürgerinnen und Bürger ernster nehmen als bisher. Emotionen bewegen uns stärker, als wir das gelegentlich gerne zugeben. Auch der Bürger als politischer Konsument ist von Emotionen geleitet. Die künstliche Teilung in den rationalen Wähler und den emotionalen Wähler hilft nicht weiter. Die Differenzierung zwischen den Anhängern Pascals („Das Herz kennt Gründe, die der Verstand nicht versteht“) (Zitat von Pascal, abgedruckt in O´Shaugnessy 2002, S. 4) und Descartes, dessen Wahrheit sich einzig auf die Gesetze der Logik stützte, gibt es in der Wirklichkeit nicht. Emotionen sind noch stärker als die Zweifel, die unsere Treue zu einem Produkt oder einer Idee schwanken lassen müsste.

Weder Politiker noch Unternehmer zeigen immer ausreichendes Verständnis für die Emotionen der Bürger. „Mit der Union gibt es keinen flächendeckenden Mindestlohn. Da kann sich die Linke an uns die Zähne ausbeißen“, sagte vergangenen Sommer

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Politisches Marketing

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CDU-Generalsekretär Pofalla (Pofalla 2006). In der Sache richtig hat der Satz doch auf viele Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen äußerst unglückliche emotionale Wir-kung. Sie lässt vermuten, hier werde Partei ergriffen für die Interessen derjenigen Arbeitgeber, die Löhne unterhalb der ohnehin geltenden rechtlichen Bestimmungen zahlen. Die dringenden Anliegen des Berufstätigen finden sich hier scheinbar nicht wieder. Das löst Gefühle bei Menschen aus, die wir uns nicht wünschen dürfen. Des-halb ist es Aufgabe von Unternehmern und Politikern gleichermaßen – Menschen mit ihren Anliegen und Gefühlen in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu rücken. „Wir wollen für die vielen Menschen ohne Arbeit neue Jobs schaffen. Das gelingt uns eher ohne Mindestlohn“, wäre eine Formulierung gewesen, welche zeigt, dass die Sorgen der Menschen ernst genommen werden. Ehrlich, präzise und mit einem aus-geprägten Verständnis für die Marketing-Macht menschlicher Gefühle.

Der Appell an emotionales Marketing ist schon allein deshalb zwingend, weil Politik ein komplexes Geschäft ist und zwar nicht nur für die Akteure, sondern auch und vor allem für den Beobachter. Die meisten Menschen haben weder Zeit noch Bedürfnis, sich Tag für Tag intensiv in die Lektüre der Tageszeitung zu vertiefen. Nach einer Polis-Umfrage bezeichnen sich nur elf Prozent der Bundesbürger als politisch interes-siert und von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen (bis 30 Jahre) liest gerade einmal die Hälfte Tageszeitungen. Und leider ist zu vermuten, dass in Zukunft eher noch weniger Menschen in der Lage und bereit sind, die oft langwierigen und verwor-renen Wege politischer Meinungsbildung nachzuvollziehen und zu verstehen.

Eine Antwort der Politik auf diese Herausforderung ist die verstärkte Personalisie-rung. Wo die Partei und das Programm zu sperrig sind, müssen sich die Kandidaten alleine auf den Weg machen. Die Marke ist zunehmend nicht mehr die Partei, sondern der Politiker, dessen Auftreten für die Ziele und Werte der ganzen Partei zu stehen hat. Dieser Prozess und die zunehmende Personalisierung des Wahlrechts stellen die poli-tische Kommunikation durch die Parteien vor ganz neue Herausforderungen.

Erfolgreiches politisches Marketing darf sich darüber hinaus inhaltlich nicht darauf verlassen, dass eine erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik, sinkenden Arbeitslo-senzahlen, eine niedrige Inflationsrate und kräftiger Konsum in den privaten Haushal-ten eine Regierung vor schlechten Umfragewerten und Wahlniederlagen schützen könnten. Die britische Volkswirtschaft war nicht in der Krise, als 1997 John Major abgewählt wurde. Trotz guter Wirtschaftsdaten verlor Schwedens Ministerpräsident Persson im September 2006 nach einem Jahrzehnt seine Mehrheit im Reichstag. Das Wahlvolk entschied sich für ein neues Gesicht, den 41-jährigen Fredric Reinfeldt. Öko-nomische Modelle erklären diese Stimmungsäußerung des Wahlvolkes nicht. Der Soziologe George Simmel erinnert daran, dass Menschen in steter Spannung zu ihrem gesellschaftlichen Umfeld stehen. Einerseits brauchen sie die Einbettung in die Grup-pe, andererseits bemühen sie sich darum, nicht als Teil in der Gruppe aufzugehen und ihre Individualität zu verlieren. Mit ihrem Wahlverhalten entsprechen sie klassischen

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Christoph Kannengießer und Christian Schnee

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Konsumentscheidungen, mit denen sie ihre Individualität definieren und sich von der vorherrschenden Kultur abgrenzen.

Es deutet viel darauf hin, dass für viele Schweden das vorherrschende sozialdemokra-tische Milieu über die Jahre unattraktiv und langweilig geworden ist, nicht mehr stell-vertretend stand für die persönlichen und gesellschaftlichen Erwartungen vieler Men-schen. Davon wollten sich immer mehr Wähler abheben und mit ihrer Wahlentschei-dung demonstrieren, dass sie diesem alten und verstaubten Milieu nicht mehr angehören wollten. Reinfeldt bot zunehmend mehr als nur ein überzeugendes Wahl-programm. Er bot eine moderne, leistungsorientierte und attraktive Gesellschaftsvor-stellung an, der sich viele Schweden intuitiv zugehörig fühlten, oder – nicht minder wichtig – zugehörig fühlen wollten. Jukka Gronow beschreibt in seinem Buch „The Sociology of Taste“ (Gronow 1997), wie für Konsumenten in wohlhabenden Gesell-schaften die „economy of need“ abgelöst werde durch die „economy of desires and dreams“. Sollte tatsächlich die eigene wirtschaftliche Situation nicht das allein ent-scheidende Kriterium sein, wonach sich politische Loyalität und Sympathie orientie-ren, bieten sich für Politik, Unternehmen und Verbände neue Perspektiven. Dann sollten sie sich gemeinsam um die Definition eines attraktiven Gesellschaftsmodels bemühen, dessen Werte stilbildend sind für eine leistungsfähige, moderne und gerech-te Gesellschaft.

6 Abschließende Thesen

Die Ausführungen in diesem Beitrag sollen durch die folgenden Thesen zusammenge-fasst werden:

Fragen des Marketings spielen in der Politik angesichts zunehmend komplexer Probleme und eines immer schärferen Wettbewerbs um die Aufmerksamkeit der Bürger eine wachsende Rolle.

Die kritische öffentliche Meinung ist zum eigenständigen „Stakeholder“ geworden.

Ziel des politischen Marketings ist es, Vertrauen zu schaffen – ähnlich den klassi-schen Public Relations.

Das geforderte „politische Marketing“ sollte die Gefühle der Bürgerinnen und Bürger ernster nehmen als bisher. Denn die „economy of need“ wird für Konsu-menten in wohlhabenden Gesellschaften durch die „economy of desires and dreams“ abgelöst.

Die Marke ist zunehmend nicht mehr die Partei, sondern der Politiker, dessen Auftreten für die Ziele und Werte der ganzen Partei zu stehen hat.

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Politisches Marketing

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7 Literaturverzeichnis

GRONOW, J. (1997): The Sociology of Taste, London.

KARP, M./ZOLLEIS, U. (Hrsg.) (2004): Politisches Marketing – Eine Einführung in das Politische Marketing, Berlin.

LEES-MARSHMENT, J. (2004): The political marketing revolution: Transforming the gov-ernment of the UK, Manchester.

POFALLA, R. (2006): Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages am 7. September 2006. Einzelplan BM Arbeit und Soziale Sicherung, Berlin.

O`SHAUGNESSY, J./O`SHAUGNESSY, N.J. (2002): The Marketing Power of Emotion, Ox-ford.

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Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Kirchen

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Hans Raffée

Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Kirchen

1 Marketing als marktorientierte Führungskonzeption von Organisationen und zur Verbreitung von Ideen ...................................................................................................4191.1 Marketing als marktorientierte Führungskonzeption von Organisationen ..4191.2 Marketing zur Verbreitung von Ideen................................................................420

2 Die wissenschaftliche Akzeptanz einer marktorientierten Führung von Kirchen bzw. eines Kirchenmarketing........................................................................................4212.1 Grundbedingungen eines Kirchenmarketing....................................................4212.2 Die Marketingtechnologie als Gestaltungspotenzial........................................422

2.2.1 Das absatzpolitische Instrumentarium ..................................................4232.2.2 Weitere Module eines Kirchenmarketing..............................................424

2.3 Marketing als Denkhaltung im Rahmen eines Kirchenmarketings ...............4272.3.1 Kundenorientierung.................................................................................4272.3.2 Wettbewerbsorientierung ........................................................................4282.3.3 Gesellschaftsorientierung ........................................................................4292.3.4 Humanität und Begeisterung im Zentrum der Denkhaltung

bzw. als Leitidee eines Kirchenmarketings ...........................................4302.4 Die Vernetzung des Kirchenmarketings mit anderen

kirchlichen Bereichen............................................................................................431

3 Der Praxistransfer eines Kirchenmarketings als Defizit............................................4323.1 Die Schwächen des impliziten Kirchenmarketing als dessen Begrenzung ...4323.2 Akzeptanzbarrieren als Grenze eines Kirchenmarketings ..............................433

3.2.1 Das Risiko einer Ökonomisierung der Kirche ......................................4343.2.2 Die Barriere der Terminologie.................................................................4353.2.3 Lernwiderstände innerhalb der Kirche..................................................435

4 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen als Grenze eines Kirchenmarketings.......436

5 Ausblick...........................................................................................................................438

6 Zusammenfassende Thesen ..........................................................................................439

7 Literaturverzeichnis .......................................................................................................440

Prof. Dr. Hans Raffée war bis zur Emeritierung 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Be-triebswirtschaftslehre und Marketing II an der Universität Mannheim.

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Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Kirchen

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1 Marketing als marktorientierte Führungskonzeption von Organisationen und zur Verbreitung von Ideen

1.1 Marketing als marktorientierte Führungskonzeption von Organisationen

Zumindest innerhalb der Marketingdisziplin ist dies heute unbestritten: das zentrale, dominierende Merkmal des Marketings liegt darin, umfassende Führungskonzeption von Organisationen zu sein. Will sagen: Alle organisationalen Prozesse und Strukturen haben durch das Marketing und das heißt durch Märkte geprägt zu sein. Eine solche Perspektive schließt weitere Dimensionen des Marketings nicht aus, so etwa die Ein-ordnung des Marketings in die organisationalen Funktionsbereiche mit entsprechen-den Abteilungsbildungen (Produktion, F&E, Vertrieb, Werbung u. Ä.). Entscheidend ist jedoch, dass Marketing als Denkhaltung allen Abteilungen seinen Stempel auf-drückt und nicht nur auf die Marketingabteilung(en) beschränkt bleibt.

Es gehört zu den großen Verdiensten von Heribert Meffert, von Anfang an für ein Ver-ständnis des Marketings als einer umfassenden Führungskonzeption eingetreten zu sein (vgl. etwa bereits die frühen Auflagen seines Lehrbuchs Marketing). Erst jüngst hat Meffert diese Position noch einmal bestätigt: „Für uns bedeutete Marketing seit jeher die marktorientierte Führung des Unternehmens, ein funktionsübergreifendes Managementkonzept also, und nicht eine Einzeldisziplin“ (Meffert 2000, S. 31).

Eine solche umfassende Sicht des Marketings scheint nur dann suspekt – und dem Verdacht eines universalen Besitzanspruchs („Alles mein, alles mein“) ausgesetzt, wenn man ihre theoretisch-konzeptionelle Begründung außer Acht lässt: dass nämlich zumindest in Marktwirtschaften die Märkte in ihren verschiedensten Ausprägungen (Absatzmärkte, Beschaffungsmärkte, Personalmärkte etc.) die dominanten Engpässe unternehmerischen Handelns bilden. Insofern stellt Marketing eine situative spezifische Ausprägung des Engpasshandelns dar (vgl. bereits Gutenberg 1951), eines Handelns also, das in seiner Orientierung an Engpässen einen essentiellen Ausdruck rationalen wirt-schaftlichen Agierens bildet.

Es hatte seine innere Logik, dass sich Marketing im Zuge der „Broadeningkonzepte“mehr und mehr sowohl auf die verschiedensten Märkte (neben Absatzmärkten Be-schaffungs-, Personal-, Finanzmärkte etc.) als auch auf die verschiedenartigsten Orga-nisationen erstreckte. Neben das kommerzielle Marketing (Profit Marketing) ist inzwi-

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Hans Raffée

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schen der weite Bereich des nicht-kommerziellen bzw. Nonprofit-Marketing getreten. Mit gutem Grund findet er daher auch in dieser Festschrift breite Berücksichtigung.

1.2 Marketing zur Verbreitung von Ideen

Eine gewisse Sonderstellung im breiten Spektrum des Marketings nimmt das Marke-ting zur Verbreitung von Ideen ein, das sich vor allem als Konzept des Social Marketingentwickelt hat (vgl. Kotler/Zaltmann 1971). Hier geht es um die Verbreitung sozialer bzw. gesellschaftlicher Ideen mit Hilfe des Marketinginstrumentariums bzw. der Mar-ketingtechnologie. So kann man etwa für ein Marketing für soziales Verhalten schlechthin werben („Sozial – das kann nicht nur die Sache der anderen sein“) oder konkret für Hilfsaktionen in Krisengebieten, ein Marketing für Fitnessprogramme, Nichtraucherkampagnen, Kampagnen zum Anlegen von Sicherheitsgurten u. Ä. star-ten (vgl. die zahlreichen Fälle bei Bruhn 2005). Natürlich ist auch bei einem solchen Marketing eine irgendwie geartete organisationale Verankerung erforderlich. Sie ge-schieht jedoch vielfach nur in kleinerem Maßstab und oft nur mit zeitlicher Befristung. Insofern begegnet uns hier häufig ein Marketing geringerer Komplexität, das seinen Schwerpunkt im selektiven Einsatz des Marketinginstrumentariums hat, weniger hingegen in seinen organisationalen Implikationen.

Ein Aspekt, der im Profit Marketing kaum eine Rolle spielt, tritt hingegen beim Marke-ting für Ideen häufig in den Vordergrund: Es geht um das Ziel, tiefsitzende Gewohn-heiten und Bedürfnisse nicht adaptiv zu bedienen (adaptives Marketing), sondern sie zu verändern, also durchaus in Bedürfnisstrukturen einzugreifen (strukturveränderndes Marketing – vgl. Raffée 2001, S. 844f.). Während das Profit Marketing der einzelnen Unternehmung sich in hohem Maß vorgegebenen Bedürfnissen anpasst, also adaptiv ist, versucht zumindest das Marketing für Ideen relativ tiefsitzende Gewohnheiten und Bedürfnisse zu modifizieren. Es handelt sich hier um einen Bereich, der sowohl von der Bedürfnisforschung als auch vom Marketing bisher noch wenig erschlossen wurde, wiewohl er gerade auch für ein Social und Political Marketing wie für ein Kirchenmarketing von eminenter Bedeutung ist. Dass trotz aller Schwierigkeiten ein solches strukturveränderndes Marketings durchaus Realisierungschancen hat, zeigen nicht nur Aktionen wie die Autogurt- und die Fitness-Kampagne, sondern die Mani-pulationen, wie sie in totalitären Staaten und Religionssystemen erfolgreich praktiziert wurden und werden. Die wissenschaftliche und praktische Herausforderung in die-sem Bereich besteht darin, viel stärker die Spielräume zu erschließen, die sich auch in nicht-totalitären Systemen einem strukturverändernden Marketing bieten.

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Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Kirchen

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2 Die wissenschaftliche Akzeptanz einer marktorientierten Führung von Kirchen bzw. eines Kirchenmarketing

Vor dem Hintergrund des Gesagten ist es nicht überraschend, dass sich auch eine marktorientierte Führung von Kirchen bzw. ein Kirchenmarketing (beide Begriffe werden hier gleichgesetzt) grundsätzlich in das moderne Verständnis des Marketings einordnen lässt. Warum soll die wissenschaftliche Erschließung des Marketings für Nonprofit-Organisationen nicht auch Organisationen wie Kirchen umfassen? Natür-lich weisen gerade Kirchen gegenüber anderen Nonprofit-Organisationen – Museen, Theater, Hochschulen, Sportverbände etc. – Besonderheiten auf. Doch jedes erfolgrei-che Nonprofit Marketing ist auf die Spezifika der jeweiligen Organisation auszurich-ten und hat sich einer 1:1-Kopie des Profit Marketing zu verweigern.

2.1 Grundbedingungen eines Kirchenmarketing

Aus der Perspektive der Marketingwissenschaft steht einem Kirchenmarketing insbe-sondere dann nichts im Wege, wenn folgende Grundbedingungen erfüllt sind:

1. Der marktorientierten Führung von Kirchen ist ein erweiterter Marktbegriff zug-rundezulegen. Markt – so auch die heutige Marketingwissenschaft – ist der gedank-liche Ort monetärer und nicht monetärer Austauschprozesse, wie sie uns z.B. auch im Parteienmarketing und im Social Marketing begegnen (vgl. Raffée 2001, S. 844). Zwar können auch beim Kirchenmarketing monetäre Transaktionen eine Rolle spielen, etwa bei Pflegedienstleistungen der Diakonischen Werke oder der Caritas. Der Schwerpunkt eines Kirchenmarketing wird gemäß dem Verkündigungsauf-trag der Kirche indessen bei nicht-monetären Transaktionen liegen.

2. Die marktorientierte Führung von Kirchen ist an das so genannte Proprium ge-bunden, also bei den hier betrachteten christlichen Kirchen an die inhaltlichen Kernaussagen des Alten und des Neuen Testaments. So sehr sich eine Exegese, also die Auslegung und Interpretation alt- und neutestamentlicher Aussagen, – gerade im Zuge theologischer und historischer Forschung – gewandelt haben, wandeln wer-den und als Erkenntnisfortschritt auch wandeln sollen: Grundsätzlich stehen dasProprium der Bibel, also deren Kernaussagen, nicht zur Disposition. Damit erfährt der Gestaltungsraum des Kirchenmarketings eine erhebliche Beschränkung, die insbesondere die Angebotsgestaltung (die „Produktpolitik“) betrifft. Während das Profit Marketing weitestgehend von der Devise geprägt ist: „Gebt dem Kunden, was der Kunde will“, trifft dies für das Kirchenmarketing nur bedingt zu. Das „Skandalon des Kreuzes“, also das Ärgernis, dass Gott in Gestalt seines Sohnes Je-

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sus Christus ans Kreuz geschlagen worden und insofern in säkularer Sicht ge-scheitert ist, stellt für ein seriöses Kirchenmarketing ein Datum dar, an dem nicht zu rütteln ist, auch wenn es gerade in der heutigen Zeit für viele Menschen eine schwer verdauliche Kost bedeutet. Hier zeigt sich die Wichtigkeit des oben er-wähnten strukturverändernden Marketing: Es geht bei Glauben und Kirche nicht primär um Adaption an menschliche Vorstellungen, Wünsche und bestimmte Be-dürfnisse, sondern um deren Veränderung. Christlicher Glaube ist ein Konzept derVerwandlung, also der positiven menschlichen Weiterentwicklung.

Viele Einwände, die in der wissenschaftlichen Diskussion vor allem von theologischer Seite vorgebracht werden, sind gegenstandslos, sofern man diese beiden Bedingungen beachtet. So gesehen ist es unzutreffend, wenn seinerzeit Bischof Noack äußerte: „Denn wenn man christlichen Glauben vermarkten will, muss man die Botschaft vom Kreuz ins Kleingedruckte schreiben. Die ist nämlich nicht zu vermarkten“ (Noack 1997, S. 9). Vielmehr besteht die faszinierende Herausforderung für ein Kirchenmarke-ting gerade darin, einem für viele in mancher Hinsicht „sperrigen Gut“ Akzeptanz, vielleicht sogar Begeisterung zu verschaffen. Dazu ist Marketing als Führungskonzep-tion zunächst in Gestalt seines umfassenden technologischen Instrumentariums (Mar-ketingtechnologie) vorzüglich geeignet. Insofern ist es auch nicht erstaunlich, dass sich inzwischen eine breite wissenschaftliche Aufarbeitung und Diskussion einer marktori-entierten Führung von Kirchen bzw. eines Kirchenmarketing ergeben hat. Stellvertre-tend für viele seien hier die Beiträge genannt, die sich in dem von Bischof Abromeit herausgegebenen Werk „Spirituelles Gemeindemanagement“ (2001) und in dem Buch von Mödinger „Kirchenmarketing“ (2001) finden. Hierbei handelt es sich letztlich um Kirchenmarketing, auch wenn die Terminologie nur teilweise der des Marketings entstammt.

2.2 Die Marketingtechnologie als Gestaltungspotenzial

Die Marketingwissenschaft hat im Laufe ihrer Entwicklung ein umfassendes, ständig erweitertes und verfeinertes technologisches Instrumentarium des Marketings – die Marketingtechnologie – entwickelt. Es macht außerdem Sinn, neben einer Marketing-technologie auch von einer Denkhaltung des Marketings bzw. einer Marketingphilosophie zu sprechen. Sie ist vor allem durch dessen Wertebasis einschließlich der Leitideen der Kunden-, Wettbewerbs- und Gesellschaftsorientierung gekennzeichnet (vgl. Raffée 1998, S. 18). Die Marketingtechnologie zum einen, die Marketingdenkhaltung zum anderen können als die beiden Säulen gelten, auf denen das moderne Marketing als Führungskonzeption ruht. An dieser Entwicklung hat gerade Heribert Meffert mit sei-nem umfassenden Werk wesentlichen Anteil. Was die Marketingtechnologie angeht, so

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Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Kirchen

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ist deren Eignung für ein Kirchenmarketing offenkundig, was sich mehr oder weniger vollständig auch im einschlägigen Schrifttum niedergeschlagen hat.

2.2.1 Das absatzpolitische Instrumentarium

Gängig ist im absatzorientierten Kirchenmarketing der Rekurs auf die vier absatzpoli-tischen Aktionsinstrumente (vgl. Raffée 1998, S. 19):

Produkt- bzw. Angebotspolitik,

Entgeltpolitik (monetär und nicht-monetär),

Kommunikationspolitik,

Distributionspolitik.

Hinsichtlich der Produkt- bzw. Angebotspolitik hatte deren Gebundenheit an das Propri-um (vgl. Abschnitt 2.1) in der Diskussion teilweise dazu geführt, ihr jegliche Bedeu-tung für ein Kirchenmarketing abzusprechen. Dabei hat man weniger die Dienstleis-tungen der Diakonie und der Caritas als vielmehr die Verkündigungsangebote im Blick gehabt. Doch gerade bei ihnen ist eine marktgerechte, legitimen menschlichen Bedürfnissen entsprechende Produkt- bzw. Angebotspolitik unerlässlich, und bei näherem Hinsehen eröffnet sich ihr ein außerordentlich breiter Aktionsradius. Er um-fasst etwa die Fragen der Gottesdienstgestaltung, z.B. Zahl und Zeiten der Gottes-dienste, deren Bereicherung durch kirchenmusikalische Module, Einbringen innovati-ver Gottesdienstelemente, die gerade bei der jüngeren Generation eine größere Akzep-tanzchance haben (Themen- statt Bibeltextpredigten, Kirchenlieder der Gegenwart u. Ä.). Allein eine Vielzahl von Predigten könnte vom Marketingwissen profitieren, wenn man etwa einen Rekurs auf kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse der Info-mation-Overload-Forschung in Betracht zöge.

Die Produkt- bzw. Angebotspolitik gewinnt im Kirchenmarketing auch dadurch ein besonderes Gewicht, dass sie ja die gesamte relevante Angebotspalette der Kirchen umfasst, neben Gottesdiensten also Bibelarbeiten, Glaubenskurse, gesellige Veranstal-tungen, Freizeiten, Exerzitien bzw. Rüstzeiten etc. Dem Kreativbereich des Marketings und einer entsprechenden Innovationspolitik eröffnet sich hier also ein weites Feld.

Gerade bei der Produkt- bzw. Angebotspolitik besitzen theologische Positionen und Aussagen große Relevanz. Insofern ist die Kompetenz der Theologen unverzichtbar, um ein Angebot zu erstellen, das dem Geist und dem Wahrheitsgehalt der christlichen Botschaft gerecht wird – auch dies ein faszinierendes Feld für ein Kirchenmarketing, nicht zuletzt unter dem Aspekt einer Kooperation von Pfarrern und Marketing-kompetenten, kirchenverbundenen Laien. Die Wichtigkeit der Integration theologi-scher Kompetenz in ein Kirchenmarketing zeigt sich z.B. in der sehr konkreten Frage, inwieweit die Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier einen zentralen Gottesdienstbestand-

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teil bilden sollte. Während die katholische Position hier eindeutig ist, gibt es in der evangelischen Kirche in diesem Punkt durchaus kontroverse Auffassungen, die nach wie vor der Klärung bedürfen.

Dass die Kommunikationspolitik einen wichtigen Bereich des Kirchenmarketings bildet – und zwar in ihrer ganzen Vielfalt, die z.B. auch Public Relations und neue Medien erfasst –, ist heute unbestritten. Gleiches gilt für die Entgeltpolitik, vor allem dann, wenn man auch die nicht-monetären Entgelte bzw. Gratifikationen ins Auge fasst, wie sie für das Nonprofit Marketing üblich sind. So stellt z.B. die Teilnahme an einer kirch-lichen Veranstaltung das Entgelt bzw. die Gratifikation für das jeweilige Angebot dar, und auch die Kirchensteuer, evtl. ergänzt um ein Kirchgeld, haben einen gewissen Entgeltcharakter.

Die Distributionspolitik spielt im Kirchenmarketing vor allem in Gestalt des „Personal Selling“ und des Konzepts der flächendeckenden Ortsgemeinden (Parochialprinzip) eine Rolle. Dass bei der kirchlichen Verkündigung die persönliche Vermittlung ein beson-ders wichtiges, unersetzbares Instrument darstellt, steht – auch aufgrund empirischer Erkenntnisse – außer Frage. Der Erfolg kirchlicher Aktivitäten ist in hohem Maß durch die persönliche, überzeugende Vermittlung von Glaubensinhalten bestimmt. Die Qua-lifikation kirchlicher Mitarbeitenden und damit das Personalmarketing werden somit zu zentralen Erfolgsfaktoren eines Kirchenmarketing.

Insbesondere im europäischen Raum sind die beiden großen christlichen Kirchen jeweils „Kirchen vor Ort“: Kirche präsentiert sich in Gestalt einer Vielzahl einzelner Gemeinden mit in der Mehrzahl der Fälle immer noch mindestens einem Geistlichen und einem Stab haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeitenden. Diese Art der Distributi-onspolitik, die als Konzept der Ortsgemeinde (Parochialprinzip) von Generation zu Generation tradiert wurde, hat im heutigen Kirchenmarketing eine besondere Brisanz bekommen: Die Kirchen sind finanziell und personell immer weniger in der Lage, diese aufwändige Spielart der Distributionspolitik durchzuhalten. Gemeindezusam-menschlüsse (z.B. in Gestalt sogenannter Seelsorgeeinheiten), Ausdünnung der Ge-meindedichte (insbesondere Ostdeutschland) sind die Folge und zugleich die große Herausforderung für eine weiterhin wirksame Distributionspolitik.

2.2.2 Weitere Module eines Kirchenmarketing Im Zuge der sehr dynamischen Entwicklung des Marketings hat das klassische ab-satzpolitische Instrumentarium wichtige Ergänzungen und Erweiterungen erfahren. Hier sind insbesondere zu nennen:

Der Bereich der Marketinginformationen und des Marketingcontrollings,

Das strategische Marketing,

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Das Beschaffungsmarketing (einschl. Finanz- und Personalmarketing),

Das interne Marketing,

Marketingorganisation- und -führung.

Die Bedeutung auch dieser Bereiche für ein Kirchenmarketing liegen auf der Hand. Wie bereits im frühen Entwicklungsstadium des Marketing die Marktforschung der Fundierung der Marketingentscheidungen diente, so ist ihr heute hoch entwickeltes Instrumentarium auch für Kirchen von größter Bedeutung, sei es, dass es sich um organisationsexterne oder -interne Informationen handelt. So sind manche Kirchen überhaupt erst durch Marktprognosen veranlasst worden, jene Einsparpläne zu entwi-ckeln und durchzusetzen, die sie vor dem finanziellen Kollaps bewahrt und ein perso-nalpolitisches „soft landing“ ermöglicht haben. Auch das Marketingcontrolling im Sinne einer Kontrolle und Steuerung von Prozessen und Ergebnissen lässt sich dem Informa-tionsbereich zuordnen, für Kirchen ein teilweise neues, jedoch ein eminent wichtiges Feld, auch weil es die Formulierung messbarer Ziele und die Kontrolle der Zielerrei-chung umfasst.

Mehr und mehr beginnen auch die Kirchen zu entdecken, dass die Entwicklung vonStrategien und Strategieprofilen geradezu lebenswichtig ist (vgl. für öffentliche Betriebe: Raffée/Fritz/Wiedmann 1994, S. 132-175). Lassen sich z.B. in einer heute zumindest in Europa äußerst schwierigen Situation der Kirchen Wachstumsstrategien entwickeln? Oder: Wo bedarf es einer verstärkten Planung und Realisierung von Marktsegmentie-rungsstrategien, etwa um Menschen zu erreichen, die sich von der Institution Kirche, eventuell auch vom Glauben überhaupt abgewandt haben?

In ähnlicher Weise sind die Chancen von Kooperationsstrategien und strategischen Allian-zen zu überprüfen und neu zu entwickeln, um durch entsprechende Ressourcenver-stärkung und Synergien die kirchlichen Wirkungskräfte zu verstärken. Neben säkula-ren strategischen Partnerschaften kommt naheliegenderweise strategischen Koopera-tionen mit der jeweils anderen Konfession eine herausragende Bedeutung zu; ein Ansatz, der von der „Liebe zur Ökumene“ maßgeblich geprägt ist bzw. sein sollte.

Neben diesen exemplarisch erwähnten Strategien eignen sich für die Kirchen in be-sonderer Weise auch die strategischen Analyseinstrumente, etwa Stärken-/Schwächen-Analysen (vgl. Raffée/Fritz/Wiedmann 1994, S. 179-187). Aus ihnen lassen sich bereits mit geringem Aufwand wichtige Hinweise für strategische und operative Verbesse-rungen gewinnen.

Mit der Entwicklung des Beschaffungsmarketing (einschließlich des Finanz- und Personal-marketing) in den letzten Jahrzehnten wird auch dem Kirchenmarketing ein wichtiges Instrumentarium zur Erfüllung seiner Ziele an die Hand gegeben. Neben der Beschaf-fung finanzieller Mittel auch im Wege des Sponsoring und Fundraising hat hier die Personalbeschaffung bzw. das Personalmarketing besonderes Gewicht. Das gilt – vor allem angesichts des Priestermangels in der katholischen Kirche und der Nachwuchsprob-

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leme in klösterlichen Gemeinschaften – zum einen für die Gewinnung qualifizierter hauptberuflicher Mitarbeitender und Ordensleute. Zum anderen bietet ein Personal-marketing die Chance, in noch höherem Maß ehrenamtliche Mitarbeitende zu gewin-nen; ein Weg, der angesichts geringer werdender finanzieller und personeller Ressour-cen dringend zu beschreiten ist, will man das bisherige kirchliche Aktivitätsniveau auch nur in etwa aufrecht erhalten.

Die Fruchtbarkeit der Kundenperspektive hat im modernen Marketing dazu geführt, seinen Objektbereich auch auf den internen Kunden bzw. das interne Marketing auszu-dehnen. In einer solchen Sicht sind die Mitarbeitenden (interne) Kunden, deren legiti-me Interessen und Bedürfnisse es zu befriedigen gilt. Neben die Zufriedenheit der externen Kunden tritt demnach die Mitarbeiterzufriedenheit, die zugleich eine wichtige Determinante der (externen) Kundenzufriedenheit bildet. Externes und internes Mar-keting sind also zu vernetzen. Damit werden auch die Fragen der Mitarbeiterführung,Mitarbeiterqualifizierung und Mitarbeitermotivation zu Herausforderungen einer mark-orientierten Führung von Kirchen. Wer immer auch nur einen gewissen Einblick in die Realität von Kirchengemeinden hat, weiß, welche neuen Aufgaben sich hier den Ge-meindeleitungen und nicht zuletzt den Pfarrern stellen.

Last but not least bedarf ein Kirchenmarketing auch der organisatorischen Verankerung und einer marketinggeprägten Führung. Das gilt sowohl für die kirchliche Organisation als Ganze als auch für die einzelnen Gemeinden. So sehr das Marketing jedem einzel-nen Mitarbeitenden nahezubringen ist, bedarf es auch einer „Führung von oben“. Die Kirchenleitungen haben von der Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit eines Kirchenmar-ketings überzeugt zu sein, um entsprechende Impulse auch an die nachgelagerte Ebe-ne der Kirchendekane zu geben, die ihrerseits (Marketing-) Führungsaufgaben gegen-über den ihnen zugeordneten Pfarrern und weiteren Mitarbeitenden der unteren Ebe-ne wahrzunehmen haben. Zum einen gilt heute immer noch, was Barrenstein bereits 1998 konstatierte: „Es gibt zu viele Menschen in der Kirche, die unkontrolliert das machen, was sie wollen“ (Barrenstein 1998, S. 10 – In der evangelischen Kirche reicht das bis hin zur Devise: „Jeder Pfarrer sein eigener Papst“). Zum anderen gilt es, Ent-scheidungsspielräume zu gewähren, die Motivation freisetzen statt mindern – ein Problem z.B. gegenüber vielen Ehrenamtlichen.

Auch die Frage der Schaffung adäquater organisatorischer Strukturen spielt naheliegen-derweise für die Kirchen eine erhebliche Rolle, was hier nicht vertieft werden kann. Allein das verstärkte Arbeiten mit aufgabenspezifischen Projektgruppen und Arbeits-kreisen vermag gerade auch auf Gemeindeebene weiterzuführen, etwa in Gestalt von Innovations-Projektgruppen, Qualitätszirkeln u. Ä.

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2.3 Marketing als Denkhaltung im Rahmen eines Kirchenmarketings

Es leuchtet ein, dass die Marketingtechnologie sich in höchstem Maß auch für Kirchen eignet. Doch gilt das in gleicher Weise auch für das Marketing als Denkhaltung? Nicht nur die Technologie sondern gerade auch eine spezielle Denkhaltung haben ja das kommerzielle Marketing zu einem Erfolgskonzept werden lassen.

Die Marketingdenkhaltung, zugleich die Wertebasis des Marketings, umfasst die

Kundenorientierung,

Wettbewerbsorientierung,

Gesellschaftsorientierung.

Marketing als „Führung der Organisation von Märkten her auf Märkte hin“ hat diesen Leitideen zu folgen. Sie haben in einer handlungsleitenden Vision und in einem Leit-bild ihren Niederschlag zu finden.

Es ist das spezifische Kennzeichen eines Kirchenmarketings, dass dessen Denkhaltung bzw. dessen Wertebasis in besonderer Weise durch das Proprium, also die christliche Kernbotschaft geprägt ist. Aus ihr werden Visionen abgeleitet und durch sie erfahren die Leitideen ihre inhaltliche Prägung. Naheliegende kirchliche Visionen sind z.B. „Kirche der Freiheit“ (so der Titel des Impulspapiers der EKD von 2006) oder „Missio-narische Kirche“.

Die umfassende prinzipielle Eignung des Marketings als Führungskonzeption auch für Kirchen ergibt sich nun wesentlich dadurch, dass sich dafür nicht nur das Marke-tinginstrumentarium (die Marketingtechnologie, siehe Abschnitt 2.2), sondern eben auch die Leitideen bzw. die Denkhaltung des Marketings als außerordentlich fruchtbar erweisen. Allerdings bedarf es auch hier kirchlicher Adaptionen und der Berücksichti-gung gewisser Restriktionen.

2.3.1 Kundenorientierung

Die Kundenorientierung, die ja den Kundenbedürfnissen einen zentralen Stellenwert beimisst, ist im Kirchenmarketing – gemäß dem Proprium – durch das christliche Gottes- und Menschenbild geprägt. An die Stelle der Devise „Gebt dem Kunden, was der Kunde will“ tritt also ein Angebots- und Beeinflussungsprogramm, das die menschlichen Bedürfnisse auf den Willen Gottes hin ordnen und verändern will. Die Erkenntnisse des kommerziellen Marketing bzw. der „Marketingtheorie“ hinsichtlich menschlicher Bedürfnisse sind jedoch für ein Kirchenmarketing insofern von erhebli-cher Bedeutung, als auch christliche Bedürfnisformung nicht „an den menschlichen

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Bedürfnissen vorbei“ geschehen kann; ein Fallstrick, dem gerade die ältere Theologie vielfach nicht entgangen ist. Wenn es hingegen heute auch in der Theologie heißt, dass der Mensch mit seinen Bedürfnissen ernst zu nehmen ist, dass er – um eine gängige Formel aufzugreifen – „dort abgeholt werden muss, wo er sich befindet“, so erweist sich der Rückgriff eines Kirchenmarketings auf die verhaltenswissenschaftlich fun-dierte Bedürfnislehre als großes Chancenpotenzial. So gesehen findet die Kundenori-entierung der Marketingwissenschaft und der kommerziellen Marketingpraxis in der „Menschenorientierung“ bzw. spezifischen Bedürfnisausrichtung des Kirchenmarke-tings ihre große Entsprechung.

Kunden- oder Partnerorientierung?

Eine erfolgreiche Realisierung des Marketingbroadening hat sich auch an einer zweckmäßigen, sachgerechten Terminologie zu orientieren. Eine Terminologie, die ohne Not interdisziplinäres Arbeiten erschwert und den Zugang anderer Disziplinen – insbesondere der Theologie – zum Marketing behindert, ist kontraproduktiv. Eine stark ökonomisch geprägte Terminologie birgt zudem das Risiko inhaltlicher Verwer-fungen und Verkürzungen. „Gott als Manager der Kirche“ zu bezeichnen, ist bei-spielsweise eindeutig eine terminologische Missgeburt.

Aus diesem Grund empfiehlt es sich – wie gerade auch die Diskussion mit Theologen ergeben hat – den Begriff des Kunden als Kernbegriff eines Kirchenmarketings zu vermeiden, da mit ihm vielfach semantisch nicht sachgemäße Assoziationen und Kon-notationen verbunden werden („König Kunde“, Kunde als „Konsumäffchen“, Kunde als Begriff des clear payment o. Ä.). Statt im Kirchenmarketing vom Kunden zu reden, lässt sich ohne Not vom Partner und entsprechend von der Partnerorientierung spre-chen, ein Terminus, der ohnehin etwa vom Anlagenmarketing her geläufig ist. Im Partnerbegriff kommt zudem eine wichtige religiös-theologische Dimension zum Ausdruck: Der Mensch als das Gegenüber eines personalen Gottes, dem nicht zuletzt durch das Angebot der „cooperatio“, also der menschlichen Mitarbeit am Reich Gottes (1. Korinther, Kap. 3, Vers 9, in: Stuttgarter Erklärungsbibel 1992, S. 1464) eine unver-lierbare Würde geschenkt wurde.

2.3.2 Wettbewerbsorientierung

Es mag dem kirchenverbundenen Menschen zunächst „gegen den Strich gehen“, auch die Wettbewerbsorientierung als Leitidee eines Kirchenmarketings anzuerkennen. Ist nicht gerade die Wettbewerbsorientierung das Essential eines historisch geprägten Wirtschaftssystems („Kapitalismus“, „Marktwirtschaft“), mit dem sich zu liieren die Kirche in ein fragwürdiges Fahrwasser gerät? Dem ist entgegenzuhalten, dass Wett-bewerb viele Dimensionen hat, die über die Wirtschaftssystemgebundenheit hinaus-reichen. Wettbewerb ist vielfach ein zweckmäßiges Selektionsverfahren, das auch in der Kirche eine lange Tradition hat, z.B. in Form von Auswahlverfahren bei Stellenbeset-

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zungen, auch bei Geistlichen. Darüber hinaus hat Wettbewerb das Potenzial eines Lern-prozesses und eines „Entdeckungsverfahrens“ (von Hayek). Hinzukommt, dass – wie alle kirchlichen Aktivitäten – auch das Wettbewerbshandeln dem „christlich-ethischen Vor-behalt“ unterworfen ist, also in christlicher Verantwortung zu geschehen hat. Damit verbieten sich als Postulat alle Formen des unlauteren oder gar „Raubtierwettbe-werbs“ und die Wettbewerbshumanisierung wird zum begleitenden Leitmotiv.

Dass eine solche Wettbewerbsorientierung mit Risiken verbunden ist, steht außer Frage. Man denke etwa an unverantwortbare Formen des Wettbewerbs zwischen den Kirchen, wie sie z.B. in jüngerer Zeit in Russland aufgetreten sind. Dennoch eröffnet die Wettbewerbsorientierung den Kirchen große Innovations- und Lernchancen. So werden z.B. in manchen evangelischen Landeskirchen Innovationswettbewerbe veran-staltet, in denen neuartige Formen der Glaubensvermittlung auch finanziell belohnt werden. Die Devise „Vom Wettbewerber lernen“ hat überdies für Kirchen insofern großes Gewicht, als sie ja ebenfalls im Wettbewerb mit anderen „Sinnanbietern“ und Freizeitangeboten stehen. Sich von ihnen Passendes „abzugucken“, hat – als Teil der Marketingforschung – ebenso eine Rolle zu spielen wie die Bereitschaft zu schauen, wo und warum Angebote anderer Gemeinden, Kirchenbezirke etc. besser sind als die eigenen.

2.3.3 Gesellschaftsorientierung

Die Leitidee der Gesellschaftsorientierung ist besonders heute in hohem Maß ein Kennzei-chen kirchlicher strategischer und operativer Orientierung. Das „Liebe deinen Nächs-ten wie dich selbst“ ist zumindest als Programm in den Kirchen weit und breit „ange-kommen“. Tiefgreifend, wenn auch teilweise viel zu wenig bekannt, sind die sozialen Leistungen der Caritas und der Diakonischen Werke, wobei vor allem die der letzteren vielfach gar nicht mehr als Leistungen der evangelischen Kirche wahrgenommen wer-den. Dennoch behält die Leitidee der Gesellschaftsorientierung für die Kirchen ihre Brisanz und Aktualität. Ist z.B. in Konsum- und Wohlstandsgesellschaften eine „Kul-tur des Teilens“ nicht in viel höherem Maß förderungsbedürftig, als es gegenwärtig geschieht? Wo sind überzeugende kirchliche Beiträge zu Fragen der – auch sozialen – Gerechtigkeit in Sicht? An diesen wenigen Beispielen zeigt sich die nach wie vor gege-bene Wichtigkeit der Leitidee der Gesellschaftsorientierung auch für die Kirchen. Für deren wirksame Vermittlung könnte die Marketingtechnologie wichtige Beiträge leis-ten.

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2.3.4 Humanität und Begeisterung im Zentrum der Denkhaltung bzw. als Leitidee eines Kirchenmarketings

Die große Korrespondenz zwischen der Denkhaltung des kommerziellen Marketings einschließlich seiner Leitideen und dem spezifischen Feld des Kirchenmarketings ist offensichtlich. Ein seriöses Kirchenmarketing wird in seiner Denkhaltung bzw. im System seiner Leitideen indessen eine wichtige Besonderheit aufweisen: Für ein Kir-chenmarketing essentiell ist die Bindung an die Leitidee der christlichen Humanität. Das Christentum weiß sich insbesondere heute der Humanität verpflichtet, wie immer sie in einzelnen Problemlagen konkretisiert werden mag. Man denke z.B. an die Kontro-versen in Fragen der Sexualethik, des Schutzes des Lebens, der Biogenetik.

Die Sicherung von Humanität für die Gesellschaft wie für den Einzelnen lässt sich daher wohl mit Fug und Recht als Leitidee eines Kirchenmarketings bzw. als Zentrum seiner Denkhaltung festmachen oder zumindest postulieren. Sicherlich hat auch im Kontext der gesetzlichen Restriktionen in einem freiheitlich-demokratischen Rechts-staat jegliches Handeln von Organisationen einschließlich des Marketings von Profit-Unternehmungen humanen Rahmenbedingungen zu genügen. Doch es macht einen Unterschied, ob Organisationen – wie im Falle von Profit-Unternehmungen – primär den Formalzielen Umsatz, Gewinn und Marktanteil oder Sachzielen, wie humaner und humanitärer Hilfe im weitesten Sinne, folgen.

Nicht zuletzt angesichts der humanen Substanz der kirchlichen Botschaft und Pro-gramme liegt zumindest das Postulat einer weiteren Leitidee bzw. einer besonderen Dimension der Marketingdenkhaltung nahe: die Leitidee bzw. Dimension der Begeiste-rung. Begeisterung als motivationale Schubkraft ist durchaus auch in säkularen Orga-nisationen vorhanden, etwa als Folge eines auch gesellschaftlichen Belangens gerecht werdenden Produkts und als Ergebnis exzellenter Führung. Doch dem Proprium der Kirchen bzw. ihrer Botschaft ist in ihrem Beitrag zu einem sinnerfüllten, geglückten Leben des Einzelnen wie zur Humanisierung der Gesellschaft ein Begeisterungspoten-zial inhärent, mit dem säkulare Angebote nicht Schritt halten können. Freilich ist die-ses Begeisterungspotenzial häufig nur latent vorhanden. Dessen Einführung als Leit-idee bzw. Dimension der Marketingdenkhaltung vermag dazu zu dienen, die latenteBegeisterung in die Evidenz zu führen und damit dem Verkündigungsauftrag der Kirchen eine ungeahnte Stoßkraft zu verleihen.

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2.4 Die Vernetzung des Kirchenmarketings mit anderen kirchlichen Bereichen

Die Behandlung der Denkhaltung und der Leitideen eines Kirchenmarketings ließ implizit deutlich werden, was für dessen Gesamtheit gilt: So wie das moderne Marke-ting mit Nachbardisziplinen wie Verhaltenswissenschaften, Mathematik, Soziologie und Politologie etc. interdisziplinär vernetzt ist, so gilt dies in besonderer Weise auch für ein Kirchenmarketing. Hier ist es zunächst die Theologie, die zu dessen konzeptio-neller Fundierung sowie zur konkreten Umsetzung beitragen sollte. Sie hat z.B. für die mit der Konkretisierung von Humanität verbundenen Probleme (vgl. Abschnitt 2.3.4) Lösungen vorzuschlagen.

Marketing hat zwar für die Erreichung kirchlicher Ziele herausragende Bedeutung, es ist dennoch kein Allheilmittel, sondern bedarf des ständigen Dialogs mit der Theolo-gie. Nicht weniger wichtig – gerade auch zur Weckung von Begeisterung – ist die Fundierung des Kirchenmarketings in einem tiefen, lebendigen Glauben bzw. in ent-sprechender Spiritualität. Man kann regelrecht von einer Trias erfolgreicher kirchlicher Verkündigung und Erneuerung sprechen, die sich wie in Abbildung 1 darstellen lässt.

Abbildung 1: Die Trias kirchlicher Erneuerung

Die TRIAS kirchlicher Erneuerung

Marketingals Kernbereich unternehmensorientierter

Konzepte, Methoden und Aktionen

TheologieGlauben als Beziehung, Spiritualität, Heiligung

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Erst im Zusammenwirken dieser drei Bereiche lässt sich kirchliche Verkündigung ihrem Auftrag gemäß und mit adäquaten Erfolgen realisieren.

3 Der Praxistransfer eines Kirchenmarketings als Defizit

Die bisherige Darstellung von Ansatzpunkten einer marktorientierten Führung von Kirchen bzw. eines Kirchenmarketings hat die ganze Bandbreite der Möglichkeiten aufgezeigt, die zum Nutzen der Kirchen eingesetzt werden können. Ein Blick in die kirchliche Praxis zeigt indessen, dass das Chancenpotenzial eines Kirchenmarketings als Konzept kirchlicher Erneuerung bisher in sehr unterschiedlichem Ausmaß und oft nur zögernd und lediglich partiell aufgegriffen wird.

3.1 Die Schwächen des impliziten Kirchenmarketing als dessen Begrenzung

Es bedarf keiner Frage, dass eine beträchtliche Zahl von Instrumenten des Kirchen-marketings mehr oder weniger intensiv von Kirchen angewendet wird, oft unter ande-rem Namen in Gestalt eines gewissermaßen impliziten Marketings der Kirche. Im Rah-men der Angebotspolitik gab es z.B. von jeher Zielgruppenüberlegungen, etwa wenn wir an die Jugendarbeit, die Krankenseelsorge oder die Hinwendung zu alten Men-schen denken. Zudem hat sich die Palette der kirchlich eingesetzten Marketinginstru-mente ständig erweitert: neue Gottesdienstformen, Nutzung neuer Kommunikations-medien, Annäherungen an Methoden moderner Personalführung und der Marketing- bzw. Unternehmensplanung, um nur einige zu nennen. Im Rahmen der Marketingfor-schung gibt es inzwischen umfangreiche Studien zur Situation und zu Entwicklungs-tendenzen der Kirche (vgl. z.B. Engelhardt et al. 1997; Bruhn 1999; Nüchtern 2005). Inzwischen bemühen sich auch Kirchen durchaus erfolgreich um Fundraising und Sponsorengewinnung. Dies alles sind Hoffnungszeichen dafür, dass auch die Kirchen mehr und mehr Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit einer Anwendung des Marke-tings bzw. allgemein eines Lernens von der Wirtschaft erkennen.

Dennoch steckt die Ausschöpfung der Potenziale eines Kirchenmarketings aufs Ganze gesehen noch in den Anfängen. Es fehlt insbesondere an:

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einer Integration der partikularen Ansätze in ein Gesamtkonzept mit klarer Vision und strategischer Orientierung, verbunden mit entsprechenden eindeutigen, über-zeugenden Prioritätensetzungen,

einer Professionalisierung der Marketingaktivitäten,

einem Qualitätsmanagement, das sowohl auf eine stärkere Qualifizierung der Mitar-beitenden als auch auf eine Verbesserung der Arbeitsprozesse abstellt,

einer verstärkten Setzung messbarer Ziele und der Kontrolle der Zielerreichung.

Dass es aber nicht nur um den Bereich der Marketingtechnologien, sondern um sehr grundsätzliche, tiefgreifende Fragen der Denkhaltung geht, hat Bischof Kamphaus 2004 folgendermaßen zum Ausdruck gebracht: „Wir haben ein Problem in der Kirche in Deutschland. Es ist nicht so sehr das Geld, das uns fehlt, … das eigentliche Problem liegt tiefer: Uns fehlt die Überzeugung, dass wir hier und heute in unserem Land und in der Welt eine Mission haben, die Mission, das Evangelium unter die Leute zu brin-gen, Menschen für den Glauben an Jesus Christus zu begeistern. Das kirchliche Leben läuft weitgehend reibungslos, aber es zündet nicht, es hat keine Ausstrahlung … Wenn uns Christus das Licht der Welt wirklich einleuchtet, dann strahlen wir; Menschen mit Ausstrahlung!“ Hier zeigt sich zugleich, in welch entscheidendem Maß ein erfolgrei-ches Kirchenmarketing durch Spiritualität geprägt zu sein hat. Erst die Trias aus Spiri-tualität, Theologie und Marketing (vgl. 2.4) sichert Erfolge und bewahrt vor Fehlern und Fehlentwicklungen.

Dass eine Bestandssicherung der Kirche, eventuell sogar ein partielles Wachstum, neben zahlreichen Einzelmaßnahmen an der Grundhaltung der der Kirche verbunde-nen Menschen anzusetzen hat, kommt auch in dem erwähnten Impulspapier der EKD „Kirche der Freiheit“ von 2006 zum Ausdruck. Nachdrücklich werden auch hier eine Bewusstseinsänderung und ein Paradigmenwechsel gefordert, die die Basis für Ein-zelmaßnahmen zu bilden haben.

3.2 Akzeptanzbarrieren als Grenze eines Kirchenmarketings

So wenig die wissenschaftliche Akzeptanz einer marktorientierten Führung von Kirchen heute ein prinzipielles Problem darstellt, so sehr bestehen in der kirchlichen Praxis Vorbehalte und Widerstände gegen ein Kirchenmarketing, die vor allem in folgendem begründet sind:

in der Befürchtung einer Ökonomisierung der Kirche und einer damit verbundenen Verfälschung der christlichen Botschaft,

in terminologischen Differenzen,

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in Lernwiderständen.

3.2.1 Das Risiko einer Ökonomisierung der Kirche

Das Risiko einer unangemessenen Ökonomisierung der Kirche ist durchaus gegeben und steht mit der Ziel- und Erfolgsorientierung eines Kirchenmarketings bzw. generell eines Lernens von der Wirtschaft in engem Zusammenhang. Vielfach wird von Theo-logen der berühmte Satz von Martin Buber ins Feld geführt, wonach „der Erfolg nicht der Name Gottes“ sei. Vor allem führe auch der Versuch, Erfolge zu messen, in die Irre. Erfolge kirchlicher Arbeit ereigneten sich im Verborgenen und entzögen sich dadurch der Messbarkeit. Was könne beispielsweise die Zahl der Gottesdienstbesucher letztlich über deren Glauben aussagen, zumal der Erfolg der Verkündigung ohnehin nicht in Menschenhand stehe?

Hier wird deutlich, wie notwendig bei einer Einführung ökonomischer Kategorien Differenzierungen und eine entsprechende „didaktische Vermittlung“ sind. Zweifellos lässt sich das letztendliche Ziel kirchlicher Verkündigung, nämlich Glauben zu wecken und zu vertiefen, nicht messen. Zudem ist Glaube in erster Linie Gnade und Geschenk und durch Menschen nicht machbar. Machbar, geboten und durchaus messbar ist dagegen die Schaffung von Bedingungen, die Chancen eröffnen, dass Glaube entstehen und wachsen kann. Und eben das Herbeiführen solcher Bedingungen bildet die Do-mäne eines Kirchenmarketings. So ist etwa der Besuch kirchlicher Veranstaltungen (Gottesdienste, Glaubenskurse, Bibelarbeiten u. Ä.) eine wichtige Voraussetzung für den Glauben. Daher sind die Besucherzahlen bei solchen Veranstaltungen Erfolgsindikatorenmit in der Regel beträchtlicher Validität, zumal sie mit der Qualität solcher Veranstal-tungen meist positiv hoch korrelieren. Und auch Qualitätsdimensionen kirchlicher Angebote lassen sich – zum Beispiel mit dem Instrument der Befragung – zumindest in einer gewissen Bandbreite ermitteln.

Inakzeptabel würde eine insbesondere quantitativ ausgerichtete Erfolgsorientierung erst dann, wenn sie „um jeden Preis“ und unter Beschädigung des Propriums realisiert wird. Dies lässt sich z.B. bei bestimmten religiösen Mega-Events in den USA feststel-len, in denen im Interesse großer Teilnehmerzahlen „Christentum soft“ geboten wird, versetzt mit Lockangeboten, die denen des „Hard Selling“ im kommerziellen Marke-ting kaum nachstehen. Mit einem verantwortlichen Kirchenmarketing haben indessen solche Praktiken nichts zu tun.

Im Kontext eines Kirchenmarketings und einer verstärkten ökonomischen Ausrich-tung kirchlicher Aktivitäten ist noch ein weiterer Aspekt relevant: Eine solche Ausrich-tung hat nicht nur als ein optionales, sondern als ein obligatorisches Programm erkannt und anerkannt zu werden. Das gilt zum einen in der Weise, dass durch Kirchenmarke-ting der christliche Missionsauftrag wirksamer erfüllt werden kann; zum anderen sind alle, die mit der Kirche zu tun haben, gehalten, „mit den ihnen anvertrauten Pfunden

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zu wuchern“, d.h. aus den ihnen anvertrauten Ressourcen das Beste zu machen (vgl. das berühmte Gleichnis von den anvertrauten Pfunden bzw. Zentnern, Matthäus-Evangelium, Kap. 25, Verse 14-30, in: Stuttgarter Erklärungsbibel 1992, S. 1212 f.). Diese Aufforderung bedeutet Verpflichtung zu ökonomischem Handeln par excel-lence, zu effektiven und effizienten Leistungen. Der Leistungsaspekt hat nicht zuletzt auch das kirchliche Personalmarketing bzw. -management zu prägen.

3.2.2 Die Barriere der Terminologie

Im Kirchenmarketing treffen grundverschiedene Disziplinen aufeinander: Ökonomie und Theologie. Das hat gewisse terminologische Probleme zur Folge, zumal gerade die Marketingbegrifflichkeit stark amerikanisiert und semantisch durch eine bestimm-te Praxis des Konsumgütermarketing geprägt ist. Die Ursache für solche Verständi-gungsschwierigkeiten liegen auf beiden Seiten. Die „Marketingzunft“ hat sich im Milieu ihrer Terminologie komfortabel eingerichtet und teilweise den Blick dafür ver-loren, dass die Semantik der Nicht-Marketingwelt z. T. eine andere ist und manche neutral gemeinten Marketingbegriffe negativ besetzt sind. Zudem war die Marke-tingwissenschaft bis jetzt nur bedingt erfolgreich, das Verständnis für Marketing als Führungskonzeption in breiten Kreisen zu wecken.

Andererseits bestand und besteht auf Seiten der Theologie vielfach wenig Bereitschaft, sich mit dem modernen Marketingwissen und mit seiner Terminologie vertraut zu machen. Dadurch entstehen unnötige Akzeptanzbarrieren, verbunden mit der Gefahr ihrer Unterschätzung. So ist auch das erwähnte Impulspapier der EKD wohl zu sorg-los in der Verwendung ökonomischer Begriffe. Teilweise erhofft man sich davon eine Art produktiver Provokation. Doch stattdessen sind eher unnötige Verständigungs-probleme zu befürchten. Vor allem fehlt es auf Seiten der Beteiligten oft an Sensibilität dafür, dass sich in der Tat im Zuge der Verwendung bestimmter ökonomischer Begrif-fe inhaltliche Verbiegungen und Verkürzungen einstellen dürften. Wer den erwähnten terminus technicus des „Proprium“ durch den Begriff des „Kerngeschäfts“ ersetzen will, verabschiedet sich nicht nur von einer gewachsenen terminologischen Tradition, sondern redet in der Tat einer unguten ökonomischen Verkürzung religiöser Sachver-halte das Wort. Dass sich indessen die terminologischen Barrieren bei ausreichender Sensibilität und gutem Willen ausräumen lassen, steht außer Frage.

3.2.3 Lernwiderstände innerhalb der Kirche

Ein Kirchenmarketing, das dessen Potenziale möglichst weitgehend ausschöpft, kommt an umfassenden und intensiven wechselseitigen Lernprozessen nicht vorbei. Damit ein fruchtbarer Dialog zustande kommt, der zu guten Lösungen der anstehenden

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Probleme zu führen vermag, ist es erforderlich, dass sowohl die Marketingexperten als auch die Mitarbeitenden der Kirchen sich die jeweils andere Materie zu erschließen suchen. Marketingexperten haben wenigstens bis zu einem gewissen Grade „Auch-Theologen“ zu werden, kirchliche Mitarbeitende kommen nicht umhin, sich ein ge-wisses Verständnis für Sachverhalte der Ökonomie bzw. des Marketings anzueignen, gleichzeitig eine Lernchance, manche gerade im Protestantismus vorhandenen Fehlur-teile über Wirtschaft und Markt zu revidieren.

Glücklicherweise machen die notwendigen wechselseitigen Lernprozesse Fortschritte. So wird kirchlicherseits verstärkt die Notwendigkeit betont, von der Kirche und damit auch vom Marketing zu lernen, auch in dem Impulspapier „Kirche der Freiheit“. Zu-dem lassen sich mehr und mehr „Best-practice-Fälle“ vorweisen, die die Fruchtbarkeit eines Kirchenmarketings vor Augen führen und zur Nachahmung anregen. So sind inzwischen in vielen evangelischen Landeskirchen und katholischen Diözesen die Erarbeitung von Leitideen, Zielkonzepten und Strategieprofilen gang und gäbe. Fundraisingbeauftragte sorgen dafür, dass zusätzliche Mittel finanzielle Engpässe mildern, Personalmarketing führt zu einer qualifizierteren Mitarbeiterschaft, innovati-ve Gemeindekonzepte lassen Kirchengemeinden wachsen – um nur einige Beispiele zu nennen. Doch diesen positiven Fällen stehen jene gegenüber, die sowohl durch man-gelnde Lernbereitschaft als auch durch mangelnde Lernfähigkeit geprägt sind. Von der erstrebenswerten „Aufbruchstimmung“, einem Paradigmenwechsel und einer Bewusstseinsänderung, wie sie das Impulspapier der EKD fordert, ist man vielfach noch meilenweit entfernt. Hier Abhilfe zu schaffen, stellt eine der zentralen Heraus-forderungen für die Kirchen dar.

4 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen als Grenze eines Kirchenmarketings

Jede Ausprägung des Marketings ist in die jeweilige Umwelt eingebettet und wird von ihr mitbestimmt. Das gilt auch für das Kirchenmarketing, für das vor allem die rechtli-che, politische und gesellschaftliche Umwelt relevant ist. Es liegt auf der Hand, dass in einem Staat, in dem Kirchen sich nicht frei entfalten können, sondern Beengungen bis hin zu Verfolgungen ausgesetzt sind, ein Kirchenmarketing ein völlig anderes Gesicht hat als in freiheitlich-rechtstaatlichen Demokratien. Dass sogar in Diktaturen ein Kir-chenmarketing seine prinzipielle Bedeutung behält, haben jene Formen im Unter-grund und im Widerstand gezeigt, wie wir sie aus der nationalsozialistischen Diktatur und dem ehemaligen DDR-Regime kennen. Dieser Komplex kann hier nicht weiter vertieft werden.

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Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat bietet den Kirchen zum einen enorme Ent-faltungsmöglichkeiten; zum anderen stehen sie im starken Wettbewerb mit anderen „Sinnanbietern“ und säkularen Möglichkeiten der Lebens- bzw. Freizeitgestaltung. Von daher gewinnen – wohlüberlegte und verantwortbare – Wettbewerbsstrategien an Bedeutung (vgl. Abschnitt 2.3.2).

Das Milieu unserer heutigen Wohlstands- und Konsumgesellschaft wird seit langem begleitet von einem säkularen Trend, der in Verbindung mit der „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) das existenzielle Gewicht der Transzendenz vermindert hat, vor allem in ihren konkreten Ausprägungen, wie sie das Christentum anbietet. Das öffentliche Bewusstsein gibt sich in hohem Maß vordergründig aufgeklärt-rationalistisch und/oder zeigt sich an religiösen Fragen desinteressiert. Hinzu kommt, dass im Zuge der Aufklärung, einer liberalen Theologie und der Tendenz zum Individualismus insbesondere die protestantische Kirche aufs Ganze gesehen an Stoßkraft vor allem in Westeuropa eingebüßt hat, was nicht zuletzt auch gegenüber dem Islam zutage tritt. Vor diesem Hintergrund weht den christlichen Kirchen in der Moderne der Wind scharf ins Gesicht. Die Folgen sind verstärkte Grenzen ihrer Wirksamkeit, verbunden mit Schrumpfungsprozessen sowohl beim Kirchensteueraufkommen als auch bei den Mitgliederzahlen.

Es ist nicht zu verkennen, dass die Kirchen diese Situation als Herausforderung begrif-fen haben und Anstrengungen unternehmen, ihnen entgegenzutreten. So hat bereits im Jahr 1998 die Berlin-Brandenburgische Kirche ein Papier publiziert mit dem vielsa-genden Titel „Wachsen gegen den Trend“, in das – wenn auch meist in anderer Termi-nologie – substanziell viele Inhalte eines Kirchenmarketings eingeflossen sind (vgl. Arbeitsgruppe der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg 1998). Auch das er-wähnte Impulspapier der EKD „Kirche der Freiheit“ zeigt, dass man die Zeichen der Zeit begriffen hat und ein Konzept sowie einen Maßnahmenkatalog vorschlägt, mit deren Hilfe im Zeithorizont bis 2030 in der Kirche Wachstumsprozesse ausgelöst und stimuliert werden können.

In der Tat hat das Ziel einer wachsenden Kirche zwar viel von einer Vision, ist jedoch keinesfalls eine Illusion. In vielen evangelischen Landeskirchen bzw. katholischen Diözesen finden sich wachsende Gemeinden und Regionen, in denen Kircheneintritte die Kirchenaustritte inzwischen überwiegen. Dies ist wesentlich eine Folge von Maß-nahmen, die dem Kirchenmarketing zuzurechnen und nicht zuletzt auf eine Quali-tätsverbesserung der kirchlichen Angebote zurückzuführen sind.

Dieser Entwicklung kommt zumindest in bescheidenen Ansätzen ein Trend entgegen, der seit einiger Zeit unter dem Thema „Rückkehr der Religionen“ diskutiert wird (vgl. z.B. Rotary-Magazin 2006). Tatsächlich zeigt sich, dass angesichts der materiellen und immateriellen Sättigungserscheinungen einer egozentrischen Konsumgesellschaft die Sinnfrage vielerorts an Bedeutung gewonnen und damit auch eine Annährung an Religion bzw. an das Religiöse zur Folge hat. Dies ist allerdings noch nicht gleichbe-deutend mit einer Zuwendung zum christlichen Glauben oder gar zu einer der großen

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Kirchen. Doch in jedem Fall liegt in diesem Trend eine Chance für die evangelische und katholische Kirche, die gesellschaftsbedingten Grenzen ihrer Wirksamkeit hi-nauszuschieben bzw. zu durchbrechen. Der Kontext der Trias: Spiritualität, Theologie und Marketing bietet hierzu beste Voraussetzungen.

5 Ausblick

Ein Kirchenmarketing im Sinne einer marktorientierten Führung von Kirchen hat heute seinen festen Platz im wissenschaftlichen Kontext eines Nonprofit Marketings.Zu dieser wissenschaftlichen Akzeptanz steht die Anwendung des Kirchenmarketings in der Praxis in starkem Kontrast. Ohnehin ist die Bereitschaft der Kirchen zu einem „Lernen von der Wirtschaft“ bisher noch zu wenig ausgeprägt.

Die Defizite einer praktischen Anwendung des Kirchenmarketings lassen sich vor allem auf

das Dialog- und Lernproblem,

das Durchsetzungsproblem (Implementierungsproblem)

zurückführen. Dies sind zugleich die Herausforderungen für ein Kirchenmarketing der Zukunft.

Sofern der wechselseitige Dialog zwischen Marketingwissenschaft, Theologie und Kirchenpraxis verstärkt wird, dürften sich auch die Lernbarrieren vermindern. Dies gilt vor allem für die Widerstände im kirchlichen Bereich. Doch auch die Marketing-wissenschaft kann aus einem verstärkten Dialog mit Theologie und Kirche Nutzen ziehen. Das „Proprium“ eines Kirchenmarketings und der damit verbundene „christ-lich-ethische Vorbehalt“ vermögen vor allem das kommerzielle Marketing durch Ein-bringen ethischer Kategorien, durch die Akzentuierung einer Marketingethik und durch die Verstärkung einer Werteorientierung im eigentlichen Sinne außerordentlich zu befruchten.

Ein besonders schwerwiegendes Hindernis für ein erfolgreiches Kirchenmarketing bildet das Durchsetzungs- bzw. Implementierungsproblem. Es stellt sich in jeder Or-ganisation, jedoch innerhalb der Kirche infolge ihrer Traditionen und Strukturen in herausragender Weise. Die aus dem Bereich der Wirtschaft und speziell des Marke-tings von den Kirchenleitungen abgeleiteten Konzepte mögen noch so qualifiziert sein: Sie laufen Gefahr, in der Umsetzung zu versickern. Es ist in hohem Maß die untere Ebene, die bei Veränderungen nicht hinreichend „mitzieht“, wie Erfahrungen zeigen. Hier bedarf es dringend der Abhilfe durch organisationalen Wandel und motivierende Führung.

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Das Chancenpotenzial eines Kirchenmarketings für die Stärkung der Kirche bis hin zu einem mindestens partiellen Wachstum ist enorm. Die Tendenzen zu einer „Rückkehr der Religion“ können dabei hilfreich sein, obwohl auch sie – vor allem fundamentali-sche – Risiken in sich bergen. Die Nutzung des Chancenpotenzials eines Kirchenmar-ketings wird mit Sicherheit nicht nur der „Lebensqualität“ des Einzelnen dienen, son-dern auch der Humanisierung der Gesellschaft als Ganze.

6 Zusammenfassende Thesen

These 1: Im Zuge des Marketing-Broadenings hat die Marketingwissenschaft inzwi-schen auch eine marktorientierte Führungskonzeption für Kirchen (Kirchenmarketing) entwickelt. Ein solches Kirchenmarketing stellt eine spezielle Spielart des Nonprofit Marketings dar.

These 2: Das Marketinginstrumentarium wie auch die Wertebasis des Marketings (die „Marketingphilosophie“) sind in hohem Maß auch auf ein Kirchenmarketing anwend-bar, allerdings bedarf es hierzu gewisser Modifikationen.

These 3: Modifikationen und damit Besonderheiten des Kirchenmarketings resultieren aus dem „Proprium“, d.h. der Kernbotschaft der Kirchen. Damit bildet auch der „(christlich)-ethische Vorbehalt“, also die christliche Ethik, die Querschnittsvariable allen kirchlichen Marketinghandelns.

These 4: Kirchenmarketing wird erst dann seine volle Ergiebigkeit entfalten können, wenn es mit Theologie und Spiritualität vernetzt ist. Erst die Trias aus Marketing, Theo-logie und Spiritualität sichert die angestrebten Erfolge.

These 5: Die wissenschaftliche Etablierung des Kirchenmarketings als Spielart des Nonprofit Marketings steht im erheblichen Gegensatz zum Ausmaß des Erkenntnis- und Handlungstransfers in die kirchliche Praxis. Es sind vor allem Verständnisprob-leme und Lernwiderstände, die den Praxistransfer behindern. Kirchliche Traditionen und Strukturen setzen der Durchsetzung (Implementierung) eines Kirchenmarketings bis hinunter zur Gemeindeebene weitere Grenzen.

These 6: Als gesellschaftliche Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Kirchenmarke-ting zeigen sich positive und negative Tendenzen. Durchweg ergeben sich dadurch vielversprechende Herausforderungen und Chancen für ein Kirchenmarketing, das sogar Wachstumsziele der Kirche realisieren könnte.

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7 Literaturverzeichnis

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Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten Führung von Kirchen

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ROTARY MAGAZIN (2006): Die Wiederkehr des Glaubens, o. Jg., Dezember-Ausgabe, Hamburg.

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Laudatio von Richard Köhler

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Richard Köhler

Laudatio

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr verehrten Damen und Herren!

Heribert Meffert zu belobigen, fällt leicht. Denn er hat als Forscher, akademischer Lehrer, Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis sowie als hochschulpolitisch En-gagierter über Jahrzehnte hinweg Spitzenleistungen erbracht.

Die Satzung unseres Verbandes sieht vor: „Ehrenmitglied des Verbandes kann wer-den, wer sich um die betriebswirtschaftliche Forschung besonders verdient gemacht hat“.

Heribert Meffert kann für sich in Anspruch nehmen, seit 1968 ein Teilgebiet unserer Fachdisziplin entscheidend geprägt zu haben. Als Heinen-Schüler kam er ursprüng-lich vom Münchener Institut für Industrieforschung und betriebliches Rechnungswe-sen und arbeitete dort zunächst auch in seiner Dissertation über die Beziehungen zwischen Kostentheorie und Kostenrechnung bzw. in seiner Habilitationsschrift über die Flexibilität in betriebswirtschaftlichen Entscheidungen.

Kurz nach seinem Wechsel an die Universität Münster, der er trotz zahlreicher weite-rer Rufe stets treu geblieben ist, gründete er aber das erste Institut für Marketing in Deutschland. Er wandte sich, sicherlich schon in München angeregt durch die Arbei-ten unseres 1990 verstorbenen Ehrenmitglieds Robert Nieschlag, diesem damals ganz jungen Forschungsgebiet zu; wohl weil es besondere Möglichkeiten bot, verhaltens-wissenschaftliche und quantitativ-entscheidungstheoretische Perspektiven zu verbin-den. Heribert Meffert hat dabei nie den Bezug zu Kriterien der ökonomischen Effi-zienz verloren. Er war ja auch einer der Hauptinitiatoren für die Verbandstagung 1989 in Münster, die sich unter dem Stichwort „Integration“ gezielt mit solchen Fragen der inhaltlichen Klammer betriebswirtschaftlicher Teilaussagen befasste.

Es ist hier nicht der zeitliche Rahmen, um auf das quantitativ und qualitativ große Werk Mefferts im Detail einzugehen. Mehr als dreißig Bücher und rund 400 wissen-schaftliche Aufsätze liegen vor – mit Veröffentlichungen bis in die jüngste Zeit, zuletzt vorwiegend zum Thema Markenmanagement.

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Laudatio von Richard Köhler

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Nur die hauptsächlichen Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit seien genannt:

In den Siebzigerjahren befasst er sich vor allem mit quantitativen Prognose- und Entscheidungsmodellen für das Marketing, mit Überlegungen zu computerge-stützten Marketing-Informationssystemen, Konflikten zwischen Industrie und Handel (ein nach wie vor sehr aktuelles Thema!), Theorien des Käuferverhaltens, Produktinnovation und Marketing-Organisation.

In den Achtzigerjahren richtet sich sein Untersuchungsinteresse insbesondere auf neue Medien und Kommunikationstechniken, strategische Anforderungen an die Unternehmensführung angesichts stagnierender und schrumpfender Märkte, das Internationale Marketing und Wettbewerbsstrategien.

Seit 1990 treten bei ihm Themen des Umweltschutzes, der Kreislaufwirtschaft und des marktorientierten Umweltmanagements in den Mittelpunkt; ebenso Fragen des Dienstleistungsmarketing, der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung.

Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist es, wie schon gesagt, vor allem die Erfor-schung des Markenwesens, zu der er wesentliche Beiträge geleistet hat, besonders zum Konzept der identitätsorientierten Markenführung. Das von ihm mit heraus-gegebene Buch „Markenmanagement“, zu dem er selbst mehrere Aufsätze beige-steuert hat, ist dafür ein aktueller Beleg, erschienen in der 2. Auflage 2005.

Durch dieses bemerkenswert weit gefächerte Werk – der Autor wurde ja auch einmal als wissenschaftlicher Zehnkämpfer bezeichnet – ist wie ein roter Faden stets der Grundsatz erkennbar, alle behandelten Einzelaspekte im Rahmen einer marktorien-tierten Unternehmensführung zu behandeln und in ökonomischen Denkkategorien zu verankern.

In diesem Sinne hat Heribert Meffert die Entwicklung der Teildisziplin Marketing wesentlich beeinflusst. Besondere Anerkennung hat seine Forschungstätigkeit durch die Verleihung von drei Ehrendoktoraten gefunden.

Heribert Meffert hat aber auch große Leistungen für die akademische Lehre, den Wis-senstransfer in die Praxis und die Forschungsförderung von Seiten der Praxis erbracht.

Alle Studierenden des Fachgebietes Marketing kennen sein gleichnamiges Lehrbuch, das zuerst 1977 und in der jüngsten Auflage im Jahr 2000 erschienen ist.

1981 gründete er an der Universität Münster die Wissenschaftliche Gesellschaft für Marke-ting und Unternehmensführung, die er 25 Jahre lang (auch nach seiner Emeritierung) als ein Forum für Forscher und Spitzenführungskräfte der Wirtschaft geleitet hat.

Nach seiner Emeritierung 2002 übernahm er bis einschließlich 2005 den Vorstandsvor-sitz bei der Bertelsmann-Stiftung und damit eine verantwortungsvolle Aufgabe im Interesse der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

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Bei der Errichtung einer neuen Hochschule, nämlich der privaten Handelshochschule Leipzig, hat er sich in den Jahren 1995 bis 1998 als dortiger Rektor und wissenschaftli-cher Geschäftsführer besonders verdient gemacht. Er nahm dabei eine immense Dop-pelbelastung neben der in Münster weitergeführten Lehrstuhltätigkeit auf sich.

Der Aufbau der Handelshochschule Leipzig deckte sich zeitlich außerdem mit dem Vorsitz beim Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, den Meffert 1995 und 1996 innehatte.

Die Übernahme wichtiger Aufgaben im Rahmen unseres Verbandes darf in der Ge-samtwürdigung nicht unerwähnt bleiben, auch wenn die Ehrenmitgliedschaft, wie eingangs gesagt, die Forschungsleistungen auszeichnet. Vier Jahre gehörte Heribert Meffert dem Verbandsvorstand an, davon zwei Jahre als Vorsitzender. Zuvor schon hatte er von 1971 bis 1972 die gerade neu gegründete Wissenschaftliche Kommission Marketing geleitet.

Er gab dem Verband wichtige Impulse, ab 1995 auch als Mitglied der Strukturkom-mission, die Beiträge zur Hochschul- und Studienreform erarbeitet hat.

Nicht zuletzt sei erwähnt, dass die 1996 erfolgte Einrichtung der Arbeitsgruppe Nachwuchsförderung im Verband auf seine Initiative zurückgeht. Auch der heutige Vorstand hat sich diese Aufgabe der Unterstützung des wissenschaftlichen Nach-wuchses intensiv zu eigen gemacht, neuerdings durch die Schaffung eines eigenen Vorstandsressorts hierfür.

Als Fachmann für Markenführung kümmerte sich Meffert in seiner Vorstandszeit um die Entwicklung des Logos, das der Verband bis auf den heutigen Tag verwendet.

Erlauben Sie mir abschließend noch ein persönliches Wort zum Naturell des neuen Ehrenmitglieds. Nach allem, was ich sagte, wird man mit dem Geehrten nun zunächst die Vorstellung eines Arbeitswütigen – oder wohlklingender umschrieben: eines Workaholics – verbinden. Es stimmt schon, dass Arbeit immer ein starkes Stimulans für ihn gewesen ist, selbst unter Vernachlässigung der eigenen Gesundheit.

Ebenso charakteristisch ist aber seine Fähigkeit und Neigung, auf andere Menschen zuzugehen und mit ihnen sehr unmittelbar zu kommunizieren. Diese Offenheit und Zuwendung gegenüber anderen, gepaart mit sozialem Engagement (etwa in einer eigenen Stiftung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens) ist ein Merkmal, das eben-falls die Gesamtpersönlichkeit Meffert und ihre Identität kennzeichnet.

Der Verband hat vielfältigen Grund, Heribert Meffert in den Kreis seiner Ehrenmit-glieder aufzunehmen.

Herzlichen Glückwunsch!

Prof. em. Dr. Richard Köhler war bis zu seiner Emeritierung 2002 Direktor des Marketing-Seminars der Universität zu Köln.

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert Stand: Januar 2007

Überblick

I. Selbstständige Schriften....................................................................................................449

II. Beiträge zu Sammelwerken ............................................................................................451

III. Aufsätze in Zeitschriften................................................................................................471

IV. Buchbesprechungen .......................................................................................................485

V. Herausgeberschaften .......................................................................................................486

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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I. Selbstständige Schriften

Beziehungen zwischen der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie und der Kosten-rechnung, Diss., München 1964.

Betriebswirtschaftliche Kosteninformationen – ein Beitrag zur Theorie der Kosten-rechnung, Wiesbaden 1968.

Die Flexibilität in betriebswirtschaftlichen Entscheidungen, Habilitationsschrift, Mün-chen 1968.

Organisationstheorie und Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1970 (zusammen mit W. Kirsch).

Absatzpolitik, 2 Bände, Münster 1974 (als Manuskript gedruckt).

Informationssysteme – Grundbegriffe der EDV und Systemanalyse, Tübin-gen/Düsseldorf 1975.

Computergestützte Marketing-Informationssysteme – Konzeptionen, Modellanwen-dungen, Entwicklungsstrategien, Wiesbaden 1975.

Konflikte zwischen Industrie und Handel – eine empirische Untersuchung im Le-bensmittelsektor der BRD, Wiesbaden 1976 (zusammen mit H. Steffenhagen, unter Mitarbeit von H. Fuchslocher, A. Kümpers).

Marketingprognosemodelle, Quantitative Grundlagen des Marketing, Stuttgart 1977 (zusammen mit H. Steffenhagen).

Marketing im Wandel – Zukunftsperspektiven des Marketing in der Bundesrepublik Deutschland, Schriftenreihe der Norddeutschen Landesbank, Hannover 1978.

Der Markenartikel und seine Bedeutung für den Verbraucher – Ergebnisse einer empi-rischen Untersuchung, Hamburg 1979.

Fallstudien aus Marketing und Werbung, Band 1, Hamburg 1979.

Fallstudien aus Marketing und Werbung, Band 2, Hamburg 1981.

Bildschirmtext als Kommunikationsinstrument – Einsatzmöglichkeiten im Marketing, Stuttgart u.a. 1983.

Marktkommunikation – Das System des Kommunikations-Mix, Münster 1983 (als Manuskript gedruckt).

Die Handelsvertretung im Meinungsbild ihrer Marktpartner – Ansatzpunkte für das Handelsvertreter-Marketing, Stuttgart 1983 (zusammen mit G. Kimmeskamp, R. Becker).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Markenstrategien im Wettbewerb – Empirische Untersuchung zur Akzeptanz von Hersteller-, Handels- und Gattungsmarken (No Names), Wiesbaden 1984 (zusam-men mit M. Bruhn).

Marketing und neue Medien, Stuttgart 1985.

Strategische Unternehmensführung und Marketing – Beiträge zur marktorientierten Unternehmenspolitik, Wiesbaden 1988.

Messen und Ausstellungen als Marketinginstrument, Düsseldorf 1988 (aktualisierte Version: 1993).

Umweltschutz und Marketing-Möglichkeiten der Verbesserung der betriebswirtschaft-lichen Situationen von Unternehmen durch umweltorientierte Absatzmaßnahmen, Forschungsbericht des Umweltbundesamtes, Berichte 8/90, Berlin 1990 (zusammen mit H. Ostmeier).

Ökologieorientierte Marketing- und Werbestrategie der Marke Opel, Stern Bibliothek, Hamburg 1990.

Marketingforschung und Käuferverhalten, 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl., Wiesbaden 1992.

Die Entwicklungsdynamik des Fernsehmarktes in den 90er Jahren (Schriften der wis-senschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V.; Bd. 7), Wien 1993 (zusammen mit J. Hensmann).

Marketing Fallstudien: Fallbeispiele – Aufgaben – Lösungen, 2., vollst. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden 1993 (zusammen mit M. Bruhn).

Erfolgreiches Marketing in der Rezession: Strategien und Maßnahmen in engeren Märkten – Mit Erkenntnissen aus einer umfassenden Untersuchung, Wien 1994.

Marketing-Management: Analyse – Strategie – Implementierung, Wiesbaden 1994.

20 Jahre Golf – Marktkommunikation für ein Erfolgsprodukt, Hamburg 1994.

Ziele und Nutzen von Messebeteiligungen. Zusammenfassung einer empirisch ge-stützten Untersuchung auf der Grundlage einer Befragung deutscher Aussteller, Bergisch-Gladbach 1996 (zusammen mit R. Ueding).

Internationales Marketing-Management, 3., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart 1998 (zu-sammen mit J. Bolz) .

Marktorientiertes Umweltmanagement, 3., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart 1998 (zu-sammen mit M. Kirchgeorg).

Marketing-Arbeitsbuch. Aufgaben, Fallstudien, Lösungen, 7., aktualisierte u. erw. Aufl., Wiesbaden 1999 .

Dienstleistungsmarketing, 3. Aufl., Wiesbaden 2000 (zusammen mit M. Bruhn).

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Marketing, 9. Aufl., Wiesbaden 2000.

Marketing. Modul zur internetgestützten Aus- und Weiterbildung zur ökonomischen Bildung, Oldenburg 2002 (zusammen mit H. Schneider).

Das Selbst- und Fremdbild der Stadt Münster, Münster 2002 (zusammen mit Ch. Ebert).

Dienstleistungsmarketing, 4. Aufl., Wiesbaden 2003 (zusammen mit M. Bruhn).

Marke Westfalen. Grundlagen des identitätsorientierten Regionenmarketing und Er-gebnisse einer empirischen Untersuchung, Ibbenbüren 2003 (zusammen mit C. Ebert).

Marketing-Arbeitsbuch. Aufgaben, Fallstudien, Lösungen, 8. Aufl., Wiesbaden 2003.

Dienstleistungsmarketing, 5. Aufl., Wiesbaden 2006 (zusammen mit M. Bruhn).

II. Beiträge zu Sammelwerken

Das Konsumentenverhalten der 70er Jahre, in: A&O-Jahrbuch, Heidelberg 1970, S. 16-20.

Unternehmensziele, in: Jahrbuch des Marketing, Hrsg. K.M. Schöttle, Essen 1971, S. 22-34.

Marketing, in: Management-Enzyklopädie, Band IV, München 1971, S. 383-413.

Systemtheorie aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: Systemanalyse in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Hrsg. K.E. Schenk, Berlin 1971, S. 174-206.

Die Anwendung mathematischer Modelle im Marketing, in: Schriften zur Unterneh-mensführung, Bd. 14 und 15, S. 93 ff. und S. 23 ff. (zusammen mit H. Freter, J. Schmitt-Grohé, H. Steffenhagen).

Die Leistungsfähigkeit der entscheidungs- und systemorientierten Marketingtheorie, in: Wissenschaftsprogramm und Ausbildungsziele der Betriebswirtschaftslehre, Hrsg. G. v. Kortzfleisch, Berlin 1971, S. 167-187.

Gedanken zur Arbeitsgemeinschaft Marketing zwischen Studenten und Praktikern, in: Betriebswirtschaftliche Hochschuldidaktik, Hrsg. P. Mertens, Wiesbaden 1971, S. 84-86.

Marketing-Informationsmodelle als Entscheidungshilfe, in: Systemtheorie, Schriften-reihe der RIAS-Funkuniversität, Hrsg. R. Kurzrock, Berlin 1972, S. 178-186.

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Das Käuferverhalten im Lichte der Marketingtheorie, in: R. Schulz, Kaufentschei-dungsprozesse des Konsumenten, Wiesbaden 1972, S. 15-20.

Produktinnovation und Marketing, in: J. Schmitt-Grohe, Produktinnovation, Wiesba-den 1972, S. 19-24.

Marketing-Mix, Marketingmodelle und Kommunikationsstrategien, in: Kommunikati-on und Wissenschaft, eine Dokumentation, Hrsg. Bund Deutscher Werbeberater, Karlsruhe 1973, S. 55-74.

Mediaselektion als Problem der Marketingtheorie, in: Mediaselektion, Hrsg. H. Freter, Wiesbaden 1974, S. 15-19.

Interpretation und Aussagewert des Produktlebenszyklus-Konzeptes, in: Neuere An-sätze der Marketingtheorie, Festschrift zum 80. Geburtstag von Otto Schnutenhaus, Hrsg. P. Hammann, W. Kroeber-Riel, C.W. Meyer, Berlin 1974, S. 85-134.

Computergestützte Marketing-Informationssysteme und Marketingmodelle, in: Com-putergestützte Marketingplanung, Hrsg. H.R. Hansen, München 1974, S. 12-31.

Käuferverhalten, in: Marketing-Enzyklopädie, Bd. 2, München 1974, S. 545-561 (zu-sammen mit H. Freter).

Konsumerismus, in: Marketing-Enzyklopädie, Bd. 2, München 1974, S. 665-684.

Absatzorganisation, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Hrsg. E. Grochla, W. Wittmann, Stuttgart 1974, Sp. 51-63.

Instrumente, absatzpolitische, in: Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, Hrsg. B. Tietz, Stuttgart 1974, Sp. 887-896.

Absatztheorie, systemorientierte, in: Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, Hrsg. B. Tietz, Stuttgart 1974, Sp. 138-158.

Zum Problem des Marketingmix – Eine heuristische Vorauswahl absatzpolitischer Instrumente, in: Marketing heute und morgen – Entwicklungstendenzen in Theo-rie und Praxis, Hrsg. H. Meffert, Wiesbaden 1975, S. 257-275.

Konsumerismus – Merkmale, Forderungen, Auswirkungen, in: Marketing heute und morgen – Entwicklungstendenzen in Theorie und Praxis, Hrsg. H. Meffert, Wies-baden 1975, S. 459-483.

Produkt- und Sortimentsinnovation als Problem des vertikalen Marketing, in: Marke-ting heute und morgen – Entwicklungstendenzen in Theorie und Praxis, Hrsg. H. Meffert, Wiesbaden 1975, S. 331-347 (zusammen mit H. Steffenhagen).

Marketing und Konsumerismus, in: Unternehmen in ihrer gesellschaftlichen Umwelt, Hrsg. P. Mertens, Wiesbaden 1975, S. 161-196.

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Vertikales Marketing und Marketingtheorie, in: H. Steffenhagen, Konflikt und Koope-ration in Absatzkanälen, Wiesbaden 1975, S. 15-20.

Die Einkaufsstättenwahl als Problem der verhaltenswissenschaftlichen Marketingtheo-rie, in: M. Heinemann, Einkaufsstättenwahl und Firmentreue des Konsumenten, Wiesbaden 1976, S. 17-20.

Träger von Kaufentscheidungen in der Marketingtheorie, in: Kaufentscheidungen von Familien, Hrsg. R.E. Ruhfus, Wiesbaden 1976, S. 13-16.

Interpersonelle Kommunikation als Problem der Marketingtheorie, in: Interpersonelle Kommunikation im Konsumgütermarketing, Hrsg. U. Hummrich, Wiesbaden 1976, S. 13-19.

Mengenrabattpolitik – Ein Ansatz zur quantitativen Analyse rabattpolitischer Ver-handlungen, in: Entscheidungshilfen im Marketing, Hrsg. R. Köhler, H. Zimmer-mann, Stuttgart 1977, S. 272-318 (zusammen mit A. Breitung).

Umweltbedingte Anpassung als Problem des Marketing, in: Marketing in der Rezessi-on, Hrsg. P. Rohlmann, Wiesbaden 1977, S. 15-20.

Marketingtheorie – Quo Vadis?, in: Absatzwirtschaft – Marketing – Betriebswirtschaft-liche Probleme und gesellschaftlicher Bezug, Festschrift zum 60. Geburtstag von W. Marzen, Schriftenreihe des Journal für Betriebswirtschaft, Hrsg. R. Bratschitsch, E. Heinen, Wien 1978, S. 1-24 (zusammen mit M. Bruhn).

"Knirps" als kreatives Pioniermarketing, in: "Knirps", Geschichte eines Markenartikels, Festschrift zum 75. Geburtstag von F. Bremshey, Hrsg. H. Kühnen, Düsseldorf 1978, S. 7-17.

Kostenrechnung und Kostenrechnungssysteme, in: Handwörterbuch der Wirtschafts-wissenschaften 1978 (HdWW), Sp. 573-595.

Status und Zukunftsperspektiven des Produktmanagements, in: Unternehmung und Markt, Festschrift zum 10jährigen Bestehen des Forschungsinstituts für Absatz und Handel der Hochschule St. Gallen, Hrsg. H. Weinhold, München 1978, S. 203-237.

Produkt-Mix, in: Marketing-Handbuch, Hrsg. J. Koinecke, Gernsbach 1978, S. 517-529.

Marketing und soziale Verantwortung von Unternehmungen, in: M. Bruhn, Das sozia-le Bewußtsein von Konsumenten. Erklärungsansätze und Ergebnisse einer empiri-schen Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1978, S. 19-24.

Sozialbewußtsein und Sozialverhalten der Konsumenten – Ergebnisse einer empiri-schen Untersuchung, in: Werbung 80 – Perspektiven, Analysen, Schriftenreihe des BDW, Bonn 1978, S. 98-102.

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Kollektive Kaufentscheidungsprozesse von Konsumenten, in: Handelsforschung heu-te, Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Forschungsstelle für den Handel, Berlin 1979, S. 193-205 ff. (zusammen mit H.D. Dahlhoff).

Beurteilung und Nutzung von Informationsquellen beim Kauf von Konsumgütern, in: Konsumentenverhalten und Information, Hrsg. H. Meffert, H. Steffenhagen, H. Freter, Wiesbaden 1979, S. 39-65.

Die Einführung des Kundenmanagements als Problem des geplanten organisatori-schen Wandels, in: Humane Personal- und Organisationsentwicklung, Festschrift für Guido Fischer, Hrsg. R. Wunderer, Berlin 1979, S. 285-320.

Die Westfälische Wilhelms-Universität im Spiegel der öffentlichen Meinung – Eine Umfrage in der Bevölkerung der Stadt Münster, in: Die Universität Münster 1780-1980, Hrsg. H. Dollinger, Münster, 1980, S. 233-239.

Entscheidungen im privaten Haushalt, in: Grundbegriffe der Wirtschaftspsychologie, Hrsg. C. Hoyos, W. Kroeber-Riel, L. v. Rosenstiel, B. Strümpel, München 1980, S. 216-227 (zusammen mit H.D. Dahlhoff).

EDV-Anwendungen im Marketing, in: Wirtschaftsinformatik III, Hrsg. H.D. Plötzene-der, Stuttgart und New York 1980, S. 29-56.

Absatzplanungsrechnung, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, Hrsg. E. Kosi-ol, K. Chmielewicz, M. Schweitzer, 2. Aufl., Stuttgart 1981, Sp. 12-19.

Verhaltenswissenschaftliche Aspekte vertraglicher Vertriebsformen, in: Vertragliche Vertriebssysteme zwischen Industrie und Handel, Hrsg. D. Ahlert, Wiesbaden 1981, S. 99-123.

Zum Problem der Koordination kundendienstpolitischer Entscheidungen, in: Die Führung des Betriebes, Festschrift für C. Sandig, Hrsg. M. Geist, R. Köhler, Stutt-gart 1981, S. 341-368.

Der Kundendienst als Marketinginstrument – Einführung in die Problemkreise des Kundendienst-Managements, in: Kundendienst-Management, Hrsg. H. Meffert, Frankfurt/M. und Bern 1982, S. 1-30.

Interdependenzen und Koordination zwischen Marketing und Kundendienst, in: Kundendienst-Management, Hrsg. H. Meffert, Frankfurt/M. und Bern 1982, S. 171-204.

Neue Medien – Entwicklungsstand und Perspektiven für das Marketing, in: Jahrbuch des Marketing, Ausgabe 1982/83, Hrsg. K.M. Schöttle, Essen 1982, S. 125-147.

Die Beurteilung von Konsum- und Umweltproblemen durch Konsumenten, in: Verbraucherpolitik und Marketing, Hrsg. U. Hansen, B. Strauss, M. Riemer, Stutt-gart 1982, S. 196-213 (zusammen mit M. Bruhn).

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Betriebswirtschaftslehre und betriebliche Praxis, in: Management-Enzyklopädie, Band 2, München 1983, S. 92-102 (zusammen mit M. Bruhn).

Complaining Behavior and Satisfaction of Consumers – Results from an Empirical Study in West-Germany, in: International Fare in Consumer Satisfaction and Com-plaining Behavior, Papers from the Seventh Annual Conference on Consumer Sat-isfaction, Dissatisfaction and Complaining Behavior, The University of Tennessee, Knoxville, Tennessee, October 17-19, 1982, Hrsg. R.L. Day, H.K. Hunt, Blooming-ton, Indianapolis 1983, S. 35-48 (zusammen mit M. Bruhn).

Beurteilung und Nutzung von Informationsquellen beim Kauf von Konsumgütern als Problem der Konsumentenverhaltensforschung, in: R. Katz, Informationsquellen der Konsumenten, Wiesbaden 1983, S. 13-19.

Markenstrategien im Wettbewerb – Zur Akzeptanz von Markenartikeln, Handels- und Gattungsmarken aus Konsumenten- und Handelssicht, in: Marktorientierte Unter-nehmensführung, Hrsg. J. Mazanec, F. Schenk, Wien 1984, S. 399-438 (zusammen mit M. Bruhn).

Marketingstrategien in stagnierenden und schrumpfenden Märkten, in: Betriebswirt-schaftliche Entscheidungen bei Stagnation, in: zum 65. Geburtstag von Edmund Heinen, Hrsg. L. Pack, D. Börner, Wiesbaden 1984, S. 37-72.

Marketing, in: Management-Enzyklopädie, Band 6, München 1984, S. 486-508.

Der Einfluß der Telekommunikationsmedien, insbesondere Bildschirmtext auf die Non-Store-Marketinginstrumente von Hersteller-, Handels- und Dienstleistungs-unternehmungen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Teleselling – Marketing über Bildschirmtext, Hrsg. G. Theuer, W. Schiebel, München 1984, S. 233-258.

Anpassung des absatzpolitischen Instrumentariums in stagnierenden und schrump-fenden Märkten, in: Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Krise, Hrsg. W.H. Staehle, E. Stoll, Wiesbaden 1984, S. 141-160 (zusammen mit M. Walters).

Wertewandel und Konsumentenverhalten Jugendlicher, in: Die zwiespältige Generati-on – Jugend zwischen Anpassung und Protest, Hrsg. J.H. Knoll, J.H. Schoeps, Stuttgart und Bonn 1985, S. 239-259 (zusammen mit K.-G. Windhorst).

Erfolgsfaktoren im Einzelhandelsmarketing, in: Erfolgreicher verkaufen – mit System, Schriftenreihe der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e.V., Köln 1985, S. 20-29.

Wettbewerbsorientiertes Marketing im Zeichen schrumpfender und stagnierender Märkte, in: Strategisches Marketing, Hrsg. H. Raffée, K.-P. Wiedmann, Stuttgart 1985, S. 475-491.

Größere Flexibilität als Unternehmenskonzept, in: Jahrbuch für Betriebswirte 1986, Stuttgart 1986, S. 65-76.

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Auswirkungen neuer Kommunikationstechnologien auf das Marketing, in: Neue Kommunikationstechniken, Hrsg. A. Hermanns, München 1986, S. 123-131.

Marketing und strategische Unternehmensführung – Ein wettbewerbsorientierter Kontingenzansatz, in: Strategische Unternehmensplanung, Hrsg. D. Hahn, B. Tay-lor, Heidelberg und Wien 1986, S. 660-683.

Multinationales oder globales Marketing? Voraussetzungen und Implikationen globa-ler Internationalisierungsstrategien, in: Zukunftsaspekte der anwendungsorientier-ten Betriebswirtschaftslehre, Festschrift zum 65. Geburtstag von E. Grochla, Hrsg. E. Gaugler, H.G. Meissner, N. Thom, Stuttgart 1986, S. 191-209.

Planung und Durchsetzung ökologiegerechter Marketingkonzeptionen – ein entschei-dungsorientierter Ansatz, in: Realisierung des Marketing, Hrsg. C. Belz, Savosa und St. Gallen 1986, S. 39-60.

Erfolgsfaktoren im Einzelhandelsmarketing, in: Jahrbuch Marketing, Hrsg. K.M. Schöttle, 4. Ausgabe, Essen 1987, S. 40-61 (zusammen mit P.-J. Patt).

Produktmanagement und Führung, in: Handwörterbuch der Führung, Hrsg. A. Kie-ser, G. Reber, R. Wunderer, Stuttgart 1987, Sp. 1731-1738.

Strategische Erfolgsfaktoren im Einzelhandelsmarketing – eine empirische Analyse am Beispiel der Bekleidungsfachgeschäfte, in: Handelsforschung 1987, Hrsg. V. Trommsdorff, S. 181-198 (zusammen mit P.-J. Patt).

Marketing und Umweltschutz, in: Jahrbuch für Betriebswirte 1988, Stuttgart 1988, S. 217-222.

Ökologisches Marketing als Antwort der Unternehmen auf aktuelle Problemlagen der Umwelt, in: Ökologisches Marketing, Hrsg. A. Brandt, U. Hansen, I. Schoenheit, K. Werner, Frankfurt und New York 1988, S. 131-158.

Markenstrategien als Waffe im Wettbewerb, in: Handbuch Strategische Führung, Hrsg. H.A. Henzler, Wiesbaden 1988, S. 581-610.

Tue Gutes und rede darüber – die richtige Devise für die Öffentlichkeitsarbeit?, in: Imageprofile '88, Hrsg. Manager Magazin, Düsseldorf 1988, S. 31-39 (zusammen mit C. Gass).

Marktanalyse, in: Handwörterbuch der Planung, Hrsg. N. Szyperski mit Unterstüt-zung von U. Winand, Stuttgart 1989, Sp. 1020-1030.

Städtemarketing – Pflicht oder Kür?, in: Symposium Stadtvisionen, 2./3. März 1989 (Dokumentation), Hrsg. Arbeitsgemeinschaft Stadtvisionen, Münster 1989.

Werbe- und Medienplanung, in: Handwörterbuch der Planung, Hrsg. N. Szyperski mit Unterstützung von U. Winand, Stuttgart 1989, Sp. 2207-2213.

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Die Wertkette als Instrument einer integrierten Unternehmensplanung, in: Der Integ-rationsaspekt in der Betriebswirtschaftslehre, Festschrift zum 70. Geburtstag von H. Koch, Hrsg. W. Delfmann, Wiesbaden 1989, S. 256-277.

Marketing und allgemeine Betriebswirtschaftslehre – Eine Standortbestimmung im Lichte neuerer Herausforderungen der Unternehmensführung, in: Die Betriebs-wirtschaftslehre im Spannungsfeld zwischen Generalisierung und Spezialisierung, Festschrift zum 70. Geburtstag von E. Heinen, Hrsg. W. Kirsch, A. Picot, Wiesbaden 1989, S. 339-357.

Umweltschutz als Unternehmensziel, in: Marketing-Schnittstellen, Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Raffeé, Hrsg. G. Specht, G. Silberer, W.H. Engelhardt, Stutt-gart 1989, S. 179-199 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Globale Marketingstrategien, in: Handwörterbuch – Export und Internationale Unter-nehmung, Hrsg. K. Macharzina, M.K. Welge, Stuttgart 1989, Sp. 1411-1427.

Strategische Gruppen im Handel. Eine empirische Analyse am Beispiel des textilen Einzelhandels, in: Handelsforschung 1989, Grundsatzfragen, Jahrbuch der For-schungsstelle für den Handel Berlin (FjH) e.V., Hrsg. V. Trommsdorff, Wiesbaden 1989, S. 119-133.

Euro-Marketing im Spannungsfeld zwischen nationalen Bedürfnissen und globalem Wettbewerb, in: Europa 1992 – Chancen und Risiken für das Marketing, Hrsg. M. Bruhn, F. Wehrle, Münster-Hiltrup 1989, S. 13-18.

Europa 1992 und Unternehmensführung – Ergebnisse einer empirischen Untersu-chung, in: Europa 1992 – Chancen und Risiken für das Marketing, Hrsg. M. Bruhn, F. Wehrle, Münster-Hiltrup 1989, S. 33-53 (zusammen mit J. Bolz).

Marketingstrategien in unterschiedlichen Marktsituationen, in: Handbuch des Marke-ting, Hrsg. M. Bruhn, München 1989, Kapitel 10, S. 277-306.

Öko-Marketing – Werbestrategien, in: BJU-Umweltschutzberater, Handbuch für wirt-schaftliches Umweltmanagement, Hrsg. Bund Junger Unternehmer, Bonn 1989, Kapitel 7.1, S. 1-25.

Entwicklungslinien des Marketing – Akzente der marktorientierten Unternehmens-führung in den 90er Jahren, in: Jahrbuch des Marketing 1989, Hrsg. K. Schöttle, S. 12-21.

Klassische Funktionenlehre und marktorientierte Führung – Integrationsperspektiven aus der Sicht des Marketing, in: Integration und Flexibilität. Eine Herausforderung für die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 51. Wissenschaftlicher Jahrestag des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre e.V., Hrsg. D. Adam, K. Backhaus, H. Meffert, H. Wagner, Münster 1989, S. 373-408.

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Markets, in: Handbook of German Business Management, Hrsg. E. Grochla, E. Gaugler, H. Meffert u.a., Berlin und Heidelberg 1990, Sp. 1455-1460.

Marketing Theory, in: Handbook of German Business Management, Hrsg. E. Grochla, E. Gaugler, H. Meffert u.a., Berlin/Heidelberg 1990, Sp. 1427-1443.

Euromarketing im Spannungsfeld zwischen nationalen Bedürfnissen und globalem Wettbewerb, in: Handbuch Europa '92, Strategien für unternehmerische Erfolge im gemeinsamen Markt, Hrsg. Roland Berger, Düsseldorf u.a. 1990, S. 37-49.

Unternehmenskultur und Unternehmensführung – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: Herausforderung Unternehmenskultur, USW-Schriften für Füh-rungskräfte, Band 17, Hrsg. H. Simon, Stuttgart 1990, S. 47-63 (zusammen mit K. Hafner, M. Poggenpohl).

Implementierungsprobleme globaler Strategien, in: Globales Management, Hrsg. M.K. Welge, Stuttgart 1990, S. 93-115.

Strategisches Marketing und Umweltschutz – Bericht aus einem Forschungsprojekt, in: Unternehmen und ökologische Umwelt, Hrsg. G.R. Wagner, München 1990, S. 73-96.

Umweltbewußtes Unternehmensverhalten – Empirische Bestandsaufnahme, in: Öko-logie im vertikalen Marketing, Hrsg. Gottlieb Duttweiler Institut für wirtschaftliche und soziale Studien, Rüschlikon und Zürich 1990, S. 69-122 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Marktorientierte Unternehmensführung und Direct Marketing, in: Handbuch Direct Marketing, Hrsg. H. Dallmer, 6., völlig überarb. Aufl., Wiesbaden 1990, S. 31-49.

Bankmarketing, in: Bank- und Versicherungslexikon, Hrsg. H. Schierenbeck, München 1990, S. 90-95.

Marketingstrategien und Umweltschutz, in: Handbuch des Umweltschutzes, 52. Er-gänzungslieferung 2/91, Hrsg. J. Vogl, A. Heigl, K. Schäfer, Landsberg/Lech 1991, Kapitel III-6.1, S. 1-28.

Öko-Marketing, in: Umwelt-Management im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie, Hrsg. Organisationsforum Wirtschaftskongress e.V. DFW, Wiesbaden 1991, S. 299-312.

Marketing und Ökologie – Chancen und Risiken umweltorientierter Absatzstrategien der Unternehmungen, in: Umwelt und Ökonomie, Reader zur ökologieorientierten Betriebswirtschaftslehre, Hrsg. E. Seidel, H. Strebel, Wiesbaden 1991, S. 435-454 (zusammen mit M. Bruhn, F. Schubert, T. Walther) (wie auch DBW 2/86).

Umweltschutz und Unternehmensverhalten, in: Umwelt und Ökonomie, Reader zur ökologieorientierten Betriebswirtschaftslehre, Hrsg. E. Seidel, H. Strebel, Wiesba-

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den 1991, S. 246-253 (zusammen mit M. Benkenstein, F. Schubert) (wie auch Har-vard Manager 2/87).

Marketing-Strategien, in: Management heute – Ein Lesebuch, Wiesbaden 1991, S. 123-135.

Erfolgreiches Marketing in den neunziger Jahren, in: Marketing im Umbruch – Chan-cen und Gefahren für Unternehmer, Referate anläßlich der Dolder-Tagung vom 23. Mai 1991 im Grand Hotel Dolder Zürich, Zürich 1991, S. 7-43.

Marktorientierte Unternehmensführung im Übergang zur Marktwirtschaft – Heraus-forderungen des Marketing in der ehemaligen DDR, in: Deutsch-Deutsche Unter-nehmen, Ein unternehmenskulturelles Anpassungsproblem, Hrsg. G. Aßmann, K. Backhaus, J. Hilker, Stuttgart 1991, S. 133-165.

Strategisches ökologisches Management, in: Ökologie-Management als strategischer Wettbewerbsfaktor, Schriften für Führungskräfte, Hrsg. A.G. Coenenberg, G. Wie-se, H. Eckrich, Band 22, Stuttgart 1991, S. 7-32.

Organisation des Kundenmanagements, in: Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl., Hrsg. E. Frese, Stuttgart 1992, Sp. 1215-1228.

Unternehmung und Umwelt II: Betriebswirtschaftliche Umweltpolitik, in: Umwelt-Handwörterbuch für Ökonomie, Politik, Recht und Verwaltung, Hrsg. J. Drey-kamp, F.J. Peine, G.W. Wittkämper, Berlin u.a. 1992, S. 88-92 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Konsumgütermarketing, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 5. Aufl., Teilband II, Hrsg. W. Wittmann u.a., Stuttgart 1992, Sp. 2241-2255.

Euro-Marketing zwischen nationalen Bedürfnissen und globalem Wettbewerb, in: Euro-Guide, 8. Erg.-Lfg., Mai 1992.

Internationales Marketing, in: Gabler-Wirtschaftslexikon, 13. Aufl., Wiesbaden 1992, S. 1686-1694.

Städtemarketing – Pflicht oder Kür?, in: Medien und Politik, Hrsg. G.W. Wittkämper, Darmstadt 1992, S. 73-91.

Strategien zur Profilierung von Marken, in: Marke und Markenartikel als Instrumente des Wettbewerbs, Hrsg. E. Dichtl, W. Eggers, München 1992, S. 129-156.

Marketing (Grundlagen), in: Vahlens Großes Marketinglexikon, Hrsg. H. Diller, Mün-chen 1992, S. 648-653.

Marketing-Theorie, in: Vahlens Großes Marketinglexikon, Hrsg. H. Diller, München 1992, S. 698-702.

Marketing-Geschichte, in: Vahlens Großes Marketinglexikon, Hrsg. H. Diller, Mün-chen 1992, S. 662-665.

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Globalisierung des Marketing bei internationaler Unternehmenstätigkeit, in: Hand-wörterbuch Internationale Unternehmung, Hrsg. N. Kumar, H. Hausmann, Mün-chen 1992, S. 657-683 (zusammen mit J. Bolz).

Marktorientiertes Umweltmanagement, in: Umweltpolitik vor neuen Herausforderun-gen, Hrsg. Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., Bonn 1992, S. 133-156.

Fundraising für die Wissenschaft – eine Herausforderung an das Marketing von Uni-versitäten, in: Festschrift zum Gedenken an Lothar Zelz, Schriften der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster, Heft 74, Müns-ter 1993, S.39-60.

Preispolitik, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, 3., völlig neu gestaltete und erg. Aufl., Hrsg. K. Chmielewicz, M. Schweitzer, Stuttgart 1993, Sp. 1583-1591 (zu-sammen mit M. Benkenstein).

Messen und Ausstellungen als Marketinginstrument, in: Politmarketing auf Messen, Hrsg. K. E. Goehrmann, Düsseldorf 1993, S. 74-96.

Environmental Protection and Corporate Strategy of German Companies, in: Enhanc-ing Knowledge Development in Marketing, 1993 AMA Educator's Proceedings, Hrsg. D. W. Cravens, P. R. Dickson, Chicago III. 1993, S. 143-152 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Standardization of Marketing in Europe, in: European Marketing, Readings and Cases, Hrsg. C. Halliburton u. R. Hünerberg, Wokingham (UK) 1993, S. 45-62 (zusammen mit J. Bolz).

Grundlagen des Umweltschutzes aus wettbewerbsstrategischer Perspektive, in: Marktorientiertes Umweltmanagement, Schriften zur Unternehmensführung, Hrsg. K.-W. Hansmann, Wiesbaden 1994, S. 21-57 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Kundennutzen – erkennen, gestalten, kommunizieren, in: Marketing als Führungsauf-gabe in Mittelbetrieben, Hrsg. Bundesverbank Druck e.V., Wiesbaden 1994, S. 21-33.

Entscheidungsorientierter Ansatz der Markenpolitik, in: Handbuch Markenartikel, Hrsg. M. Bruhn, Stuttgart 1994, Bd. 1, S. 173-199.

Erfolgsfaktoren der Markenkommunikation im Produktlebenszyklus, in: Handbuch Markenartikel, Hrsg. M. Bruhn, Stuttgart 1994, Bd. 3, S. 985-1008 (zusammen mit U. Schürmann).

Marktorientierte Unternehmensführung im Umbruch – Entwicklungsperspektiven des Marketing in Wissenschaft und Praxis, in: Marktorientierte Unternehmensführung im Umbruch, Hrsg. H. Meffert, M. Bruhn, F. Wehrle, Stuttgart 1994, S. 3-39.

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Beziehungsmarketing – neue Wege zur Kundenbindung, in: Geschäftsbericht 1994, Hrsg. Unternehmensleitung der Unternehmensgruppe Melitta, Minden 1994, S. 6-10.

Marketingausbildung im Umbruch? – Bestandsaufnahme und Perspektiven aus Sicht der Hochschullehrer, in: Marktorientierte Unternehmensführung im Umbruch, Hrsg. H. Meffert, M. Bruhn, F. Wehrle, Stuttgart 1994, S. 565-586 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Finanzmarketing, in: Handwörterbuch des Finanz- und Bankwesens, 2. Aufl., Stuttgart 1994, Sp. 735-747.

Der Einsatz von Marktreaktionsmodellen zur Bestimmung der optimalen Personal- und Flächenallokation im Einzelhandel, in: Handelsforschung 1994/95, Kooperati-on im Handel und mit dem Handel, Jahrbuch der Forschungsstelle für den Handel (FfH) e. V., Hrsg. V. Trommsdorff, Wiesbaden 1994, S. 185-201 (zusammen mit Chr. Burmann).

Green Marketing, in: Companion Encyclopedia of Marketing, Hrsg. M.J. Baker, Lon-don 1995, S. 979-1002 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Qualitätsmanagement in Dienstleistungszentren – Konzeptionelle Grundlagen und typenspezifische Ausgestaltung in: Dienstleistungsqualität, Hrsg. M. Bruhn, B. Stauss , 2. Aufl., Wiesbaden 1995, S. 207-237 (zusammen mit R. Birkelbach).

Qualität als Wettbewerbsfaktor, in: Total Quality Management, Schriften zur Unter-nehmensführung, Bd 54, Hrsg. D.B. Preßmar, Wiesbaden 1995, S. 19-35.

Environmental Marketing, in: International Lecture Series to accompany Kinnear, Bernhardt, Krentler, Principles of Marketing, 4. ed., New York 1995, S. 1-20 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

The Green Consumer in Europe, in: International Lecture Series to accompany Kin-near, Bernhardt, Krentler, Principles of Marketing, 4. ed., New York 1995, S. 35-46 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Dienstleistungsmarketing, in: Handwörterbuch des Marketing (HBM), Hrsg. R. Köh-ler, B. Tietz, J. Zentes, 2. Aufl., Stuttgart 1995, Sp. 454-470.

Marketing, in: Handwörterbuch des Marketing (HBM), Hrsg. R. Köhler, B. Tietz, J. Zentes, 2. Aufl., Stuttgart 1995, Sp. 1472-1490.

Marktorientiertes Innovationsmanagement – Erfolgsvoraussetzungen von Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, in: Innovationen und wirtschaftlicher Fort-schritt: betriebs- und volkswirtschaftliche Perspektiven, Hrsg. K. H. Oppenländer, W. Popp, Bern 1995, S. 27-51.

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Einsatz der ökologischen Zertifizierung im Marketing, in: Das EG-Umweltaudit – Der Weg zum ökologischen Zertifikat, Hrsg. P. Klemmer; T. Meuser, Wiesbaden 1995, S. 95 -122 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Marktorientiertes Umweltmanagement – eine wettbewerbsstrategische Perspektive, in: Ökonomie contra Ökologie – Wirtschaftsethische Beiträge zur Umweltfrage, Hrsg. S. M. Daecke, Stuttgart 1995, Sp. 131-166 (zusammen mit M. Kichgeorg).

Marktorientiertes Umweltmanagement, in: Handbuch zur Umweltökonomie, Hrsg. M. Junkernheinrich, P. Klemmer, G. R. Wagner, Berlin 1995, S. 116-123 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Neue Anforderungen an Marketingspezialisten und das Umweltmanagement, in: Mensch, Technik, Umwelt 1994 – Internationale Sommeruniversität Müns-ter/Osnabrück, Hrsg. Präsident der Universität Osnabrück, Rektor der Westfäli-schen Wilhelms-Universität Münster, Osnabrück 1995, S. 160-187 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Ökologieorientierte Produktgestaltung, in: Handwörterbuch der Produktionswirt-schaft, Hrsg. W. Kern u.a., 2. Aufl., Stuttgart 1996, Sp. 1325-1338 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Markterschließungsstrategien in Osteuropa. Stand und Perspektiven, in: Osteuropa im Umbruch. Perspektiven für die Neuen Bundesländer, Hrsg. M. Benkenstein, H.-J. Richter, J. Rüland, J. Schröder, Wiesbaden 1996, S. 48-84 (zusammen mit C. Pues).

Entwicklung des Marketing, Marktorientierte Führung im Umbruch, in: Jahrbuch Marketing Kommunikation 1996, Hrsg. R. Köhler, St. Gallen 1996.

Profilierung und Erfolgswirkungen von Betriebstypen im Automobilhandel, in: Han-delsforschung 1996/1997, Hrsg. V. Trommsdorff, Wiesbaden 1996, S. 187-207 (zu-sammen mit C. Burmann, St. Wöllenstein).

Das Marketing in der Betriebswirtschaftlehre, in: Lexikon der aktuellen Marketingbeg-riffe, Hrsg. H. Meffert, Frankfurt 1997, S. 13-61 (zusammen mit C. Burmann).

Stellenwert und Funktion des Marketing in der Betriebswirtschaftslehre, in: Fischer Taschenbuch der aktuellen Marketingbegriffe, Stuttgart 1997, S. 1-37 (zusammen mit C. Burmann).

Der Integrationsgedanke in der Betriebswirtschaftslehre – Leitbild für die Handels-hochschule Leipzig (HHL), in: Managementperspektiven und Managementausbil-dung, Hrsg. H. Meffert, O. Gisholt, Leipzig 1997, S. 4-21.

Timingstrategien des internationalen Markteintritts, in: Handbuch Internationales Management, Hrsg. K. Macharzina, M.-J. Oesterle, Wiesbaden 1997, S. 253-266 (zu-sammen C. Pues).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

463

Marktorientierte Unternehmensführung und Direct Marketing, in: Handbuch Direkt-marketing, Hrsg. H. Dallmer, 7. Aufl., Wiesbaden 1997, S. 33-52.

Anspruchsspektrum, Aussagewert und Implementierung des Lean Marketing, in: Marketingtransfer, Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. H. Weinhold-Stünzi, St. Gallen 1997, S. 12-27.

Die virtuelle Unternehmung: Perspektiven aus der Sicht des Marketing, in: Wettbe-werb – Strategische und operative Perspektiven der marktorientierten Leistungs-gestaltung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. W. H. Engelhardt, Hrsg. K. Backhaus, W. Plinke, H. Raffée, Wiesbaden 1997, S. 115-141.

Stand und Perspektiven des Umweltmanagement in der betriebswirtschaftlichen For-schung und Lehre, in: Umweltmanagement – Aspekte einer umweltbezogenen Un-ternehmensführung, Hrsg. J. Weber, Stuttgart 1997, S. 3-28.

Identitätsorientierte Markenführung – Konsequenzen für die Handelsmarken, in: Handelsmarken im Wettbewerb, Hrsg. M. Bruhn, 2. Aufl., Stuttgart 1997, S. 49-69.

Handwerk – ein Thema für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung?, in: Hand-werk & Wissenschaft, Hrsg. Handwerkskammer Münster, Westf. Wilhelms-Universität Münster, Münster 1997, S. 17-35.

Ökologieorientiertes Konsumentenverhalten als markt- und wettbewerbsstrategische Herausforderung für das Umweltmanagement, in: Handbuch zum integrierten Umweltmanagement, Hrsg. U. Steger, München 1997, S. 217-239 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Neuere Entwicklungen in Kommunikation und Vertrieb, in: Märkte im Dialog, Hrsg. H. Meffert, T. Necker, H. Sihler, Leipzig 1997, S. 32-55.

Entwicklungsperspektiven des internationalen Marketing, in: Der österreichische Außenhandel 1997, Hrsg. Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Wien 1997, S. 293-300.

Dienstleistungsphilosophie und -kultur, in: Handbuch Dienstleistungsmarketing, Hrsg. A. Meyer, Stuttgart 1998, S. 121-138.

Regionenmarketing Münsterland – Fallbeispiel zur Segmentierung und Positionie-rung, Hrsg. G. Haedrich, C. Kaspar, K. Klemm, E. Kreilkamp, 3. Aufl., Berlin 1998, 778-799.

Abnutzbarkeit und Nutzungsdauer von Marken – Ein Beitrag zur steuerlichen Ab-nutzbarkeit Behandlung von Warenzeichen, in: Unternehmensrechnung und –besteuerung, Festschrift für Prof. Dr. D. Börner zum 65. Geburtstag , Hrsg. M. Mef-fert, N. Krawitz, , Wiesbaden 1998, S. 75-126 (zusammen mit C. Burmann).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

464

Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit im Investitionsgütermarketing – Zwei Seiten einer Medaille?, in: J. Büschken, M. Meyer, R. Weiber (Hrsg.), Entwicklun-gen des Investitionsgütermarketing, Wiesbaden 1998, S. 69-115.

Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Handbuch Kun-denbindungsmanagement, Hrsg. M. Bruhn, C. Homburg, Wiesbaden 1998, S. 115-133, Neuauflage 2003.

Value-Added-Services im Privatkundengeschäft der Banken, in: Handbuch Privatkun-dengeschäft, Hrsg. O. Betsch, E. van Hooven, G. Krupp, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1998, S. 387-396 (zusammen mit Ch. Burmann).

Meßprobleme der Kundenzufriedenheit – Erfahrungen aus einem Forschungsprojekt, in: Probleme und Trends in der Marketingforschung, Konsumgüter – Investitions-güter – Handel, Festschrift für Prof. Dr. P. Hamman zum 60. Geburtstag, Stuttgart 1998 (zusammen mit T. Schwetje).

Öko-Marketing – Erfolgsvoraussetzungen und Entwicklungsperspektiven, in: Das umweltbewußte Unternehmen – Die Zukunft beginnt heute, Hrsg. G. Winter, 6. Aufl., München 1998, S. 785-804.

Ziele und Strategien des betrieblichen Umweltmanagements im Wandel, in: Unter-nehmensführung, Ethik und Umwelt, Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Kreikebaum, Hrsg. G.R. Wagner, Wiesbaden 1999, S. 491-508.

Auswirkungen der Multimedia-Kommunikation auf das Marketing, in: Universität und Praxis, Hrsg. S. Spoun, E. Müller-Möhl, R. Jann, Zürich 1998, S. 469-495.

Zwischen Kooperation und Konfrontation: Strategien und Verhaltensweisen im Ab-satzkanal, in: Distribution im Aufbruch, Hrsg. O. Beisheim, München 1999, S. 407-424.

Betriebswirtschaftliche Hochschulausbildung an Universitäten und Business Schools – Koexistenz oder Wettbewerb, in: Dienstleistungsorientierung in der universitären Ausbildung, Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Dr. U. Hansen, Hrsg. B. Stauss, I. Balderjahn, F. Wimmer, Stuttgart 1999, S.81-99 (zusammen M. Kirchge-org).

Marktorientierte Unternehmensführung im Spannungsfeld zwischen lokalen Bedürf-nissen und globaler Effizienz, in: Entwicklungsperspektiven einer integrierten Ma-nagementlehre: Forschungsgespräche aus Anlass der 100-Jahr-Feier der Universität St. Gallen, Hrsg. P. Gomez, G. Müller-Stewens, J. Rüegg-Stürm, Stuttgart 1999, S. 149-165.

Marketingwissenschaft im Wandel – Anmerkungen zur Paradigmendiskussion, in: Handelshochschule Leipzig-Arbeitspapier Nr. 30, Hrsg. anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Handelshochschule Leipzig (HHL) an Prof. Dr. Dr. h.c. H. Meffert, S. 1-42.

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

465

Strategische Allianzen im internationalen Luftverkehr, in: Fallstudien zum Internatio-nalen Management, Hrsg. J. Zentes, B. Swoboda, Wiesbaden 2000, S. 245-260 (zu-sammen F. Netzer).

Ethische Aspekte des Umweltmanagements, in: Unternehmung, Gesellschaft und Ethik, Hrsg. H. Hungenberg, B. Schwetzler, Wiesbaden 2000, S. 37-59.

Entwicklungslinien im Bankmarketing, Schwerpunktbeitrag, in: Gablers Banklexikon, Hrsg. J. Krumnow, L. Gramlich, 12. Aufl., Wiesbaden 2000, S. 987-990 (zusammen mit Ch. Burmann).

Consumers tomorrow, in: ECR in the third Milennium: Academic Perspectives on the future of the consumer goods industry, Hrsg. D. Corsten, D. Jones, Brüssel 2000, S. 68-71.

Einfluß der Mitarbeiterzufriedenheit auf die Kundenzufriedenheit im Handel – Eine theoretische und empirische Analyse am Bsp. des Warenhauses, in: Handelsfor-schung 1999/2000, Hrsg. V. Trommsdorff, Wiesbaden 2000, S. 109-140 (zusammen mit T. Schwetje).

Marketing im Turn-around-Management, in: Verkehrsdienstleistungsmarketing, Hrsg. H. Meffert, Wiesbaden 2000, S. 229-252 (zusammen mit M. Schleusener, H. Schnei-der).

Strategische Flexibilität und Strategiewechsel in turbulenten Märkten, in: Aktuelle Tendenzen im Innovationsmanagement, Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. W. Popp , Hrsg. G. Häflinger, J. Meier , Bern 2000, S. 173-216 (zusammen mit C. Burmann).

Internationalisierungskonzepte im Dienstleistungsbereich – Bestandsaufnahme und Perspektiven, in: Dienstleistungskompetenz und innovative Geschäftsmodelle, Hrsg. C. Belz, T. Bieger, St. Gallen 2000, S. 504-519.

Neue Herausforderungen für das Marketing durch interaktive elektronische Medien – auf dem Weg zur Internet-Ökonomie, in: Internet & Co. im Handel, Hrsg. D. Ah-lert, J. Becker, P. Kenning, R. Schütte, Berlin 2000, S. 125-142.

Markenbildung und Markenstrategien, in: Handbuch Produktmanagement, Hrsg. S. Albers, A. Herrmann, Wiesbaden 2000, S. 168-187 (zusammen mit Chr. Burmann).

Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Handbuch Kun-denbindungsmanagement, Hrsg. M. Bruhn, C. Homburg, 3. Aufl., Wiesbaden 2000.

Aktuelle Trends im Verbraucherverhalten – Chancen und Risiken für den Markenarti-kel, in: Erfolgsfaktor Marke – Neue Strategien des Markenmanagements, 2001 (zu-sammen mit W. Twardawa, R. Wildner).

Zukünftige Forschungsfelder im Dienstleistungsmarketing, in: M. Bruhn, H. Meffert (Hrsg.), Handbuch Dienstleistungsmanagement, 2. Aufl., Wiesbaden 2001.

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

466

Integratives Markencontrolling auf Basis des Balanced Scorecard-Ansatzes, in: Hand-buch Marketingcontrolling – Marketing als Motor von Wachstum und Erfolg, Hrsg. S. Reinecke, T. Tomczak, G. Geis, Thexis 2001 (zusammen mit M. Koers).

Direct Marketing und marktorientierte Unternehmensführung, in: Handbuch Direct Marketing, Hrsg. H. Dallmer, 8. Auflage, Wiesbaden 2002.

Stellenwert und Gegenstand des Markenmanagements, in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung – Mit Best Practice Fallstu-dien, Wiesbaden 2002, S. 3-15 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Wandel in der Markenführung – vom instrumentellen zum identitätsorientierten Mar-kenverständnis, in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S.17-33 (zusam-men mit C. Burmann, M. Koers).

Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten Markenführung, in: Marken-management – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 35-72 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Managementkonzept der identitätsorientierten Markenführung, in: Markenmanage-ment – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 73-97 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Aktuelle markt- und unternehmensbezogene Herausforderungen an die Markenfüh-rung (zusammen mit M. Giloth), in: Markenmanagement – Grundfragen der iden-titätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S.99-132 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Strategische Optionen der Markenführung, in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesba-den 2002, S. 135-165 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Gestaltung der Markenarchitektur als markenstrategische Basisentscheidung (zusam-men mit A. Bierwirth, C. Burmann), in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 167-179 (zusammen mit C. Burmann und M. Koers).

Corporate Branding – Führung der Unternehmensmarke im Spannungsfeld unter-schiedlicher Zielgruppen (zusammen mit A. Bierwirth), in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstu-dien, Wiesbaden 2002, S. 181-200 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Mehrmarkenstrategien – Identitätsorientierte Führung von Markenportfolios (zusam-men mit J. Perrey), in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientier-ten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 201-232 (zu-sammen mit C. Burmann, M. Koers).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Identitätsorientierte Markenführung – Konsequenzen für die Handelsmarke (zusam-men mit C. Burmann), in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorien-tierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 291-300 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Identitätsorientiertes Markencontrolling – Grundlagen und konzeptionelle Ausgestal-tung (zusammen mit M. Koers), in: Markenmanagement – Grundfragen der identi-tätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 403-428 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Controlling von Markeninvestitionen – Abnutzbarkeit und Nutzungsdauer von Mar-ken (zusammen mit Ch. Burmann), in: Markenmanagement – Grundfragen der i-dentitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 459-474 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Erfolgreiche Markenführung bei homogenen Verbrauchsgütern – Das Beispiel JET (zusammen mit I. Lasslop), in: Markenmanagement – Grundfragen der identitäts-orientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 589-609 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Markenführung im Rahmen des Going International – Das Beispiel Deutsche Post EURO EXPRESS (zusammen mit H. Schneider, C. Ebert), in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstu-dien, Wiesbaden 2002, S. 611-641 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Herausforderungen an die Markenführung bei produktpolitischen Kooperationsstra-tegien, in: Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Marken-führung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002 (zusammen mit C. Bur-mann, M. Koers).

Der Fall Ford Galaxy I (zusammen mit R. Landwehr, M. Koers), in: Markenmanage-ment – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002, S. 643-668 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Markenführung als Schlüsselthema der marktorientierten Unternehmensführung im 21. Jahrhundert – zusammenfassende Thesen, in: Markenmanagement – Grundfra-gen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wies-baden 2002, S. 669-671 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Controlling von Markenportfolios, in: Markendialog, Hrsg. G.E.M. Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V., 2002, S. 113-122..

Die Handelsvertretung im Relationship-Marketing, in: Jubiläumsausgabe des HV-Journals anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der CDH, 15.03.2002

Stadtmarketing – Mehr als Werbung?, in: Landesbüro Stadtperspektiven NRW (Hrsg.), Stadtmarketing und Stadtplanung, Gegensatz oder Symbiose, o. O., 2002, S. 35-41.

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Betriebswirtschaftslehre in den siebziger und achtziger Jahren, in: E. Gögler, R. Köhler (Hrsg.): Entwicklungslinien der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 136-164.

Strategische Flexibilität und Strategieveränderungen als Determinanten des Unter-nehmenswertes (zusammen mit C. Burmann), in: M. Ringlstetter, H. Henzler, M. Mirow (Hrsg.), Perspektiven der Strategischen Unternehmensführung. Theorien, Konzepte, Anwendungen, , Wiesbaden 2002, S. 131-167.

Entwicklungslinien im Bankmarketing, Schwerpunktbeitrag, in: Gablers Banklexikon, 13. Auflage, Wiesbaden 2002 (zusammen mit C. Burmann).

Ein Traditionsunternehmen vor neuen Herausforderungen ? Die Internationalisierung des Paket- und Distributionsbereichs der Deutschen Post und der Aufbau von Euro Express, in: H. Meffert, M. Bruhn (Hrsg.), Exzellenz im Dienstleistungsmarketing. Fallstudien zur Kundenorientierung, Wiesbaden 2002, S. 279-322 (zusammen mit H. Schneider, C. Ebert).

Stadt als Marke? – Herausforderungen des identitätsorientierten Stadtmarketing, in: Stadtidentitäten in NRW – Dokumentation 2002 "Ab in die Mitte! City-Offensive NRW", Münster 2002, S. 35-41 (zusammen mit C. Ebert).

Markenführung im Wandel – Starke Marken im Dialog, in: DIMA Jahrbuch Dialog-marketing 2003, Wiesbaden 2003, S. 129-131.

Markenstrategie und Markenmanagement, in: Handbuch Strategisches Management, Hrsg. H. Hungenberg, Wiesbaden 2003, S. 763-782.

Corporate Social Responsibility – Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen für bessere Bildungschancen, in: Bildung – mehr Chancen durch Bürgerengage-ment, Hrsg. von Initiative „für mich, für uns, für alle“, Oktober 2003, S. 16-17.

Wirtschaftsprüfer im Spannungsfeld von Selbstanspruch und Öffentlichkeitswahr-nehmung, in: Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer vor neuen Herausforderun-gen, Hrsg. J. Baetge, Düsseldorf 2003, S. 21-34 (zusammen mit K. Backhaus, M. Bongartz, M. Eschweiler).

Brand-Identity-Strategien (Gespräch mit F. Pälike), in: Werkbuch M wie Marke, Hrsg. B.M. Michael, 1. Aufl., Stuttgart 2003.

Ziele und Nutzen der Messebeteiligungen von ausstellenden Unternehmen und Besu-chern, in: Handbuch Messemanagement, Hrsg. M. Kirchgeorg, Wiesbaden 2004, S. 1147-1160

Identitätsorientierte Markenführung – konzeptionelle Grundlagen und praktische Umsetzung, in: Marktorientierte Unternehmensführung. Grundkonzepte, Anwen-dungen und Lehre, Festschrift für H. Freter zum 60. Geburtstag, Hrsg. C. Baum-garth, Wiesbaden 2004.

Page 494: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

469

Entwicklung einer Markenarchitektur für die Bertelsmann Stiftung, in: Mega-Macht Marke Erfolg messen, machen und managen, Hrsg. H. Riesenbeck, J. Perrey, Frank-furt/Wien 2004, S. 174-179

Internationales Marketing, in: Gabler-Wirtschaftslexikon, 16. Aufl., Wiesbaden 2004.

Markenführung versus Controlling? – Ansatzpunkte zur Verbindung „weicher“ und „harter“ Erfolgsfaktoren mithilfe der Balance Scorecard, in: Trendberichte zum Controlling, Hrsg. F. Bensberg, J. v. Brocke, M. Schultz, Wiesbaden 2004, S. 53-79 (zusammen mit M. Koers).

Identitätsorientierter Ansatz der Markenführung – eine entscheidungsorientierte Per-spektive, in: Handbuch Markenartikel, Hrsg. M. Bruhn, 2. Aufl., Wiesbaden 2004.

Markenkannibalisierung – Erfassung und Analyse von Wanderungsbilanzen, in: Handbuch Markenartikel, Hrsg. M. Bruhn, 2. Aufl., Wiesbaden 2004 (zusammen mit M. Koers).

Luxusmarkenstrategie, in: Handbuch Markenartikel, Hrsg. M. Bruhn, 2. Aufl., Wies-baden 2004 (zusammen mit I. Lasslop).

Innovation in Non-Profit-Organisations. The Example of an Operating Foundation, in: Innovation Management, Festschrift zum 65. Geburtstag von Klaus Brockhoff, Hrsg. S. Albers, Wiesbaden 2004, S. 423-438.

Eigenverantwortung in der sozialen Marktwirtschaft, in: Management mit Vision und Verantwortung – eine Herausforderung an Wissenschaft und Praxis, Festschrift für Hans Raffée, Hrsg. K. Wiedmann, Wiesbaden 2004, S. 109-119.

Markenstrategie und Markenmanagement, in: Handbuch Strategisches Management, Hrsg. H. Hungenberg, J. Meffert, Wiesbaden 2004.

Kundenbindung als Element moderner Wettbewerbsstrategien, in: Handbuch Kun-denbindungsmanagement, Hrsg. M. Bruhn, C. Homburg, 5. Aufl., Wiesbaden 2004.

Direktmarketing im Industriegüterbereich – Ausgestaltungsformen und empirische Befunde, in: Handbuch Industriegütermarketing – Strategien, Instrumente, An-wendungen, Hrsg. K. Backhaus, M. Voeth, Wiesbaden 2004, S. 723-748 (zusammen mit H. Schneider, M. Krummenerl).

Stellenwert und Gegenstand des Markenmanagements, in: Markenmanagement. Iden-titätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fall-studien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 3-18 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Wandel in der Markenführung – vom instrumentellen zum identitätsorientierten Ver-ständnis, in: Markenmanagement. Identitätsorientierte Markenführung und prak-tische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 19-36 (zusammen mit C. Burmann).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten Markenführung, in: Marken-management. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wies-baden 2005, S. 37-72 (zusammen mit C. Burmann).

Managementkonzept der identitätsorientierten Markenführung, in: Markenmanage-ment. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 73-114 (zusammen mit C. Burmann).

Corporate Branding – Führung der Unternehmensmarke im Spannungsfeld unter-schiedlicher Zielgruppen, in: Markenmanagement. Identitätsorientierte Marken-führung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Mef-fert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 143-162 (zusammen mit A. Bierwirth).

Gestaltung von Markenarchitekturen, in: Markenmanagement. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 163-182 (zusammen mit C. Burmann).

Markenevolutionsstrategien, in: Markenmanagement. Identitätsorientierte Marken-führung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Mef-fert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 183-212 (zusammen mit C. Burmann, L. Blinda).

Mehrmarkenstrategien, in: Markenmanagement. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Bur-mann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 213-244 (zusammen mit J. Perrey).

Identitätsorientiertes Markencontrolling – Grundlagen und konzeptionelle Ausgestal-tung, in: Markenmanagement. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 273-296 (zusammen mit M. Koers).

Markenkannibalisierung und Markenportfolios, in: Markenmanagement. Identitäts-orientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstu-dien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 297-318 (zusammen mit M. Koers).

Abnutzbarkeit und Nutzungsdauer von Marken, in: Markenmanagement. Identitäts-orientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstu-dien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 347-364 (zusammen mit C. Burmann).

Erfolgreiche Markenführung bei homogenen Verbrauchsgütern – Das Beispiel JET, in: Markenmanagement. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umset-

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zung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 715-734 (zusammen mit I. Lasslop).

Markenführung in Stiftungen – Beispiel Bertelsmann Stiftung, in: Markenmanage-ment. Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung. Mit Best Practice Fallstudien, Hrsg. H. Meffert, C. Burmann, M. Koers, 2. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 837-854.

The Objectives and Benefits of Trade Fair Participation for Exhibiting Enterprises and Visitors, in: Trade Show Management, Hrsg. M. Kirchgeorg, W.M. Dornscheidt, W. Giese Wiesbaden 2005, S. 993-1008.

Stiftungen als Promotoren des Wandels – Legitimation und Erfolgsvoraussetzungen innovativer Stiftungsarbeit, in: Innovatives Marketing Entscheidungsfelder – Ma-nagement – Instrumente, Hrsg. A. Haas, B.S. Ivens, Wiesbaden 2005, S.523-543 (zu-sammen mit N. Fritsch).

Marketing für innovative Dienstleistungen, in: Service Engineering Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen, Hrsg. H.-J. Bullinger, A.-W. Scheer, 2. Aufl., Berlin u.a. 2006, S. 249-270.

Was macht eine starke Marke aus? – Identitätsorientierte Markenführung als Funda-ment, in: Erfolgsfaktor Tradition – Potenziale der Markenhistorie, Wiesbaden 2005, im Druck.

Was macht eine starke Marke aus? – Identitätsorientierte Markenführung als Funda-ment, in: Die Bedeutung der Tradition für die Markenkommunikation. Konzepte und Instrumente zur ganzheitlichen Ausschöpfung des Erfolgspotenzials Marken-historie, Hrsg. N.O. Herbrand, S. Röhrig, Stuttgart 2006, S. 127-149.

Controlling eines identitätsbasierten Markenmanagements, in: Handbuch Marketing-Controlling, 2. Aufl., Hrsg. S. Reinecke, T. Tomczak, Wiesbaden 2006, S. 459-482 (zusammen mit C. Burmann, M. Jost-Benz).

III. Aufsätze in Zeitschriften

Ist die vertikale Preisbindung ein gutes Marketinginstrument?, in: Absatzwirtschaft 1969, S. 64-70.

Zum Problem der betriebswirtschaftlichen Flexibilität, in: Zeitschrift für Betriebswirt-schaft 1969, S. 779-800.

Perspektiven des Konsumgüter-Marketing in den 70er Jahren, in: Zeitschrift für be-triebswirtschaftliche Forschung und Praxis 1970, S. 683-692.

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Modelle des Käuferverhaltens und ihr Aussagewert für das Marketing, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1971, S. 326-353.

Marketing als Führungsaufgabe – Aspekte des Investitionsgütermarketing, in: Datas-cope 1972, Fachzeitschrift für Informationsverarbeitung, S. 3-13.

Funktionen der Werbung im industriellen Marketing, in: Technische Mitteilungen 1972, S. 155-159.

Handelsmarketing und Handelsfunktionen, in: Würfel und Ecken 1972, S. 4-6.

Der Prozeß der Neuproduktplanung, in: Das Wirtschaftsstudium 1973, S. 51-55 und S. 101-105.

Marketing als synthetische Disziplin – dargestellt am Beispiel der Produktinnovation, in: Die Unternehmung 1973, S. 115-130.

Gute Zukunftschancen (Prof. Heribert Meffert über mathematische Marketingmodel-le), in: Wirtschaftswoche 1973, S. 75-82.

Konsumerismus – neue Dimension des Marketing?, in: Der Markenartikel 1973, S. 320-331.

Zur Vorauswahl eines Marketing-Mix, in: Marketing-Journal 1973, S. 202.

Produktivgüter-Marketingforschung im System des Marketing, in: Der Markt 1974, S. 6-17.

Computergestützte Marketing-Informationssysteme und Marketing-Modelle, in: IBM-Nachrichten 1974, S. 95-99 und S. 175-199.

Entscheidungsmodelle der Werbebudgetierung, in: Das Wirtschaftsstudium 1974, S. 216-222 und S. 264-268 (zusammen mit H. Freter).

Konsumerismus und Marketing, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1975, S. 69-90.

Vertikales Marketing: Konflikte in Absatzkanälen, in: Absatzwirtschaft 1975, S. 36-43.

Die Durchsetzung von Innovationen in der Unternehmung und im Markt, in: Zeit-schrift für Betriebswirtschaft 46. Jg., 1976, Nr. 2, S. 77-100.

Die Handelsvertretung im Spannungsfeld des Marketing-Systems, in: Der Handelsver-treter und Handelsmakler 1976, S. 83-85 und S. 135-139.

Die Rolle des Marketing in Entwicklungsländern, in: Verkauf und Marketing, Heft 4, 1976, S. 3-4.

Die Statistiken fehlen (Heribert Meffert über Marketing in Entwicklungsländern), in: Wirtschaftswoche, Heft 8, 1976, S. 52-54.

Developing Countries: Role of Marketing, in: Marketing and Management Digest, Vol. VII, No. 10, New Delhi 1976, S. 42-62.

Page 498: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

473

Hersteller und Handel – Brauchen beide noch den Markenartikel?, in: Verkauf und Marketing 1976, S. 11.

Entwicklungstendenzen des Marketing an amerikanischen Hochschulen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1976, S. 834-841.

US-Marketing zeigt neue Entwicklungen, in: Marketing-Journal 1976, S. 563-564.

Marktauswahl und Marktsegmentierung im internationalen Marketing, in: Die Be-triebswirtschaft 1977, S. 433-446.

Konflikte im Absatzkanal, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 1977, S. 164-196 (zusammen mit H. Steffenhagen).

Das PM-Konzept verlangt nach Anpassung, in: Marketing-Journal 1978, S. 424-431.

Die Beurteilung von Konsum- und Umweltproblemen durch Konsumenten – Ergeb-nisse einer empirischen Untersuchung über das soziale Bewußtsein in der Bundes-republik Deutschland, in: Die Betriebswirtschaft 1978, S. 371-382 (zusammen mit M. Bruhn).

Überleben auf gesättigten Märkten durch kreatives Marketing, in: Werbung Publicite 1979, Schweizerische Zeitschrift für Marketing und Kommunikation, S. 9-15.

Produktmanagement: Funktionen und organisatorische Eingliederung, in: Das Wirt-schaftsstudium 1979, S. 68-72 und S. 120-125.

Produktmanagement: Situative Einflüsse und organisatorische Anpassungsmöglich-keiten, in: Das Wirtschaftsstudium 1979, S. 280-284 und S. 329-333.

Griesgram im Griff (Beschwerdeverhalten von Konsumenten), in: Absatzwirtschaft, 22. Jg., Heft 3, 1979, S. 106-108 (zusammen mit M. Bruhn).

Perspektiven des Marketing in den 80er Jahren, in: Die Betriebswirtschaft 1980, S. 59-80.

Die Akzeptanz von Produktinnovationen im Handel – Ergebnisse einer empirischen Studie, in: Marketing Zeitschrift für Forschung und Praxis 1980, S. 229-238 (zu-sammen mit S. Pfeiffer).

Strategische Planung in gesättigten, rezessiven Märkten, in: Absatzwirtschaft, 23. Jg., Heft 6, 1980, S. 89-97.

Beschwerdeverhalten und Zufriedenheit von Konsumenten, in: Die Betriebswirtschaft, 41. Jg., Heft 4, 1981, S. 597-613 (zusammen mit M. Bruhn).

16 Meffert-Thesen zu Marketing und Controlling, in: Die Absatzwirtschaft, 25. Jg., Heft 9, 1982, S. 100-107.

Was Sie beim Marktein- und -austritt beachten müssen, in: Absatzwirtschaft, 25. Jg., Heft 10, 1982, (Sonderausgabe),S. 178-190 (zusammen mit G.T. Ohlsen).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

474

Konsumentenverhalten: Forschungsergebnisse für Ihren Verbraucher-Meckerkasten, in: Absatzwirtschaft, 25. Jg., Heft 2, 1982, S. 86-90 (zusammen mit M. Bruhn).

Strategische Planungskonzepte in stagnierenden und gesättigten Märkten, in: Die Betriebswirtschaft, 43. Jg., Heft 2, 1983, S. 193-209.

Bildschirmtext, in: Die Betriebswirtschaft, 43. Jg., Heft 1, 1983, S. 315-316.

Markenpolitik im Wettbewerb, in: Das Wirtschaftsstudium (WISU), 12. Jg., Nr. 9, 1983, S. 407-410, Nr. 10, 1983, S. 448-452 (zusammen mit M. Bruhn).

Industrielle Vertriebssysteme im Zeichen der Handelkonzentration, in: Die Absatz-wirtschaft, 25. Jg., Heft 3, 1983, S. 214-232.

Markenstrategien im Wettbewerb – eine empirische Analyse der Akzeptanz von No Names aus der Konsumentensicht, in: Markenartikel, 45. Jg., Heft 6, 1983, S. 278-294 (zusammen mit M. Bruhn).

Markenstrategien im Wettbewerb – eine empirische Analyse der Akzeptanz von No Names aus der Handelssicht, in Markenartikel, 45. Jg., Heft 7, 1983, S. 341-346, (zu-sammen mit M. Bruhn).

Dynamik im Markenwettbewerb – Markenartikel, Handelsmarken und Gattungsmar-ken (No Names) im Kampf um Marktanteile, in: Harvard Manager Magazin, Heft 2, 1984, S. 66-75 (zusammen mit M. Bruhn).

Logistik über Ländergrenzen – Marketing-Logistik im Außenhandel, in: Zeitschrift für Logistik, Heft 1, 1984, S. 25-27 und S. 53-55.

Sieben "Werttypen" auf der Spur, in: Absatzwirtschaft, Heft 9, 1984, S. 116-124 (zu-sammen mit K.-G. Windhorst).

Thesen zur marktorientierten Führung in stagnierenden und gesättigten Märkten, in: Marketing, Zeitschrift für Forschung und Praxis, Heft 3, 1984, S. 215-220.

Unternehmensführung und neue Informationstechnologien, in: Die Betriebswirtschaft, 44 Jg., Heft 3, 1984, S. 461-465.

Auswirkungen neuer Kommunikationstechnologien auf das Marketing, in: Markenar-tikel, Heft 1, 1985, S. 10-16.

Flexibilität als Unternehmenskonzept, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirt-schaftliche Forschung, Heft 2, 1985, S. 121-137.

Marketingstrategien von Warenhäusern – Lösungswege aus der Krise ?, in: Harvard Manager, Heft 2, 1985, S. 20-28.

Die Bedeutung von Konkurrenzstrategien im Marketing, in: Marketing – Zeitschrift für Forschung und Praxis, Heft 1, 1985, S. 13-19.

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

475

Zur Typologie internationaler Marketingstrategien – ein situativer Ansatz, in: Thexis, Heft 2, 1985, S. 3-7.

Marketingflexibilität als Erfolgsfaktor der Unternehmung, in: Thexis, Heft 4, 1985, S. 8-15.

Welche Strategie in stagnierender Branche?, in: Absatzwirtschaft, 28.Jg., Heft 10, 1985 (Sonderausgabe), S. 104-115 (zusammen mit G. T. Ohlsen).

Global advertising: multinational vs. international, in: International Advertiser, 1986, S. 34-37 (zusammen mit J. Althans).

Global Marketing, in: Die Betriebswirtschaft, 46. Jg., Heft 1, 1986, S.89-90.

Marketing und Ökologie – Chancen und Risiken umweltorientierter Absatzstrategien der Unternehmungen, in: Die Betriebswirtschaft, Heft 2, 1986, S. 140-159.

Schwarzweißmalerei, in: Absatzwirtschaft, 29. Jg., Heft 2, 1986, S. 20.

Der neue Konsument: Chance für das Marketing, in: IHA, Nr. 2, 1986, S. 12-17.

Internationale Marktkommunikation im Spannungsfeld zwischen globalem Wettbe-werbsdruck und nationalen Bedürfnissen, Teil I: Voraussetzungen und Erfolgsbe-dingungen internationaler Kommunikationsstrategien, in: Werbeforschung & Pra-xis, Heft 6, 1986, S. 106-110; Teil II: Möglichkeiten der Standardisierung der interna-tionalen Marktkommunikation, in: Werbeforschung & Praxis, Heft 4, 1986, S. 127-135.

Kampf der Mittelmäßigkeit, in: Absatzwirtschaft, 29. Jg., Heft 5, 1986, S. 32-33.

Perspektiven des Marketing im Spannungsfeld zwischen Standardisierung und Diffe-renzierung, in: Der Markenartikel, Heft 10, 1986, S. 442-450.

Markterfolge durch Emotionen?, in: Absatzwirtschaft, 29 Jg., Heft 10 (Sonderausgabe), 1986, S. 210-216 (zusammen mit B. Faehsler).

Marketing im Spannungsfeld von weltweitem Wettbewerb und nationalen Bedürfnis-sen,in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Heft 8, 1986, S. 689-712.

Politik der kleinen Schritte, in: Dialog Wissenschaft, Nr. 1, 1987, S. 23.

Fassadenputz oder Fortschritt ?, in: Absatzwirtschaft, 30. Jg., Heft 3, 1987, S. 16

Umweltschutz und Unternehmensverhalten, in: Harvard Manager, Heft 2, 1987, S. 32-39 (zusammen mit M. Benkenstein und F. Schubert).

Kundendienstpolitik – Eine Bestandsaufnahme zu einem komplexen Marketingin-strument, in: Marketing ZFP, Heft 2, 1987, S. 93-102.

Unternehmensverhalten und Umweltschutz, in: Marktforschungsreport, 10. Jg., Nr. 4, 1987, S. 3-11.

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476

Wider die Inzucht, in: Manager Magazin, Heft 9, 1987, S. 284-289.

Marktein- und -austrittsbarrieren, in: DBW 1987, S. 629-630.

Strategisches Management und Corporate Future, in: Marketing ZfP, 10. Jg., Heft 2, 1988, S. 77-79.

Analysekonzepte und strategische Optionen des ökologieorientierten Marketing, in: Thexis, 5. Jg., Nr. 3, 1988 S. 22-27 (zusammen mit M. Kirchgeorg, H. Ostmeier).

Kreative Marketing-Leute müssen unkonventionelle Wege gehen, in: Werben & Ver-kaufen, Nr. 14, 1988, S. 326-333.

Dienstleistungsmarketing, in: FAZ (Beilage) vom 6. Mai 1988.

Quantensprünge durch Öko-Marketing, in: Innovatio, 4. Jg., Heft 5/6, 1988, S. 32-34.

Perspektiven des Marketing in den 90er Jahren, in: Forum, Juli 1988.

Ökomarketing mit Zukunft, in: Entsorgungspraxis, Heft 7, 1988, S. 318-321.

Unternehmenskultur in der Bundesrepublik Deutschland – erste empirische Ergebnis-se, in: Absatzwirtschaft, Sonderheft Heft 10, 1988, S. 22-35.

Betriebswirtschaftliche Aspekte des Umweltschutzes, in: BFuP, Heft1, 1989, S. 82ff.

Ökologieorientiertes Marketing, in: Entsorga Magazin, 8. Jg., Heft 4, 1989, S. 3.

Globalisierungsstrategien und ihre Umsetzung im internationalen Wettbewerb, in: DBW, Heft 4, 1989, S. 445-463.

Die Bedeutung der Marke für das Image und das Erscheinungsbild von Dienstleis-tungsunternehmen, in: Leitwerk, Juli 1989.

Wertkette (DBW-Stichwort) in: Die Betriebswirtschaft, 49. Jg., Heft 6, 1989, S. 785-787.

Marketing und Ökologie: Aus Gegensätzen Gemeinsamkeiten machen, in: Umwelt-schutz im Unternehmen (Loseblatt-Sammlung), Hrsg. BJU/Deutscher Wirtschafts-dienst, 1989, Kapitel 7.1, S. 1-25 (zusammen mit M. Kirchgeorg, H. Ostmeier).

Städtemarketing – Pflicht oder Kür, in: Planung und Analyse, Jg. 16, 1989, S. 273-280.

Produktalterung als Absatzstrategie?, in: Züricher Zeitung, 28.02.1990, Nr. 49, S. 65.

Marketing und Ökologie: Aus Gegensätzen Gemeinsamkeiten machen, in: Umwelt-schutz im Unternehmen, Hrsg. Bundesverband Junger Unternehmer der ASU e.V. (BJU), 1989 (zusammen mit M. Kirchgeorg, H. Ostmeier).

Operationalisierung des Imagetransfers – Begrenzung des Transferrisikos durch Ähn-lichkeitsmessungen, in: Marketing ZFP, Heft 1, 1990, S. 5-10 (zusammen mit G. Heinemann).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Unternehmensberatung und Unternehmensführung – eine empirische Bestandsauf-nahme, in: Die Betriebswirtschaft, 50. Jg., Heft 2, 1990, S. 181-197.

Interview zum Thema "Markenpolitik für Gerolsteiner Trendletter": Öko-Marketing – Schlagwort oder Konzept?, Forum Juli, 1990 (Gerolsteiner Brun-nen/Hausmitteilungen).

Programmierte Flops im Technologiemarketing, in: High Tech, Heft 9, 1990, S. 56.

Unternehmensberater – Jede vierte Beratung ist ein Flop, in: Impulse, Heft 6, 1990, S. 82-83.

Der Einfluß von Ökologie und Marketing auf die Strategie, in: Absatzwirtschaft, 33. Jg. (1990), Sonderband, S. 42-56 (zusammen mit M. Kirchgeorg, H. Ostmeier) auch er-schienen in: Betriebliche Umweltökonomie, Reader zur ökologieorientierten Be-triebswirtschaftslehre (1988-1991), Hrsg. E. Seidel, H. Strebel, Wiesbaden 1991, S. 411-418.

Der weite Weg zum Öko-Profil – Lösungsansätze für ein gesamtheitliches Öko-Marketing, in: Lebensmittelzeitung, 25. Jan. 1991, Nr. 4, S. 58-60.

Ökologieorientiertes Marketing: Ein Gespräch mit Prof. Dr. H. Meffert, in: Prisma, Nr. 201, Jan. 1991, 32. Jg., S. 5-13.

Wettbewerbsstrategien auf globalen Märkten, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 43. Jg., Heft 5, 1991, S. 399-415.

Globalization strategies: their implementation, in: Industrial Management & Data Systems, No. 5, 1991, S. 3-9 (zusammen mit B. Bloch).

Herausforderungen an die Markenführung in den 90er Jahren, in: Markenartikel, 53. Jg., Heft 6, 1991, S. 264-265.

Thesen zum Marketing im Europäischen Binnenmarkt – ein Ausblick, in: Markenarti-kel, Heft 10, 1991, S. 447-449 (zusammen mit K. Backhaus, J. Hensmann).

Freizeitgesellschaft und marktorientierte Unternehmensführung, in: Marketing ZFP, Heft 3, 1991, S. 265-269.

Wettbewerbsstrategien auf globalen Märkten, in: Betriebswirtschaftliche Forschung & Praxis, Heft 5, 1991, S. 399-415.

Umwelt als Markt: Thesen zu den Herausforderungen und Perspektiven des ökologie-orientierten Konsumgütermarketings, in: Absatzwirtschaft, Heft 7, 1991, S. 93-96.

Corporate Identity (DBW-Stichwort), in: Die Betriebswirtschaft, Heft 6, 1991, S. 817-819.

Umweltschutz in der Rezession – eine Bewährungsprobe! in: Politische Ökologie 2/1992 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Sustainable Development als Leitbild der Unternehmensführung, in: Econova – die studentische Umweltzeitschrift, Heft 2, 1992, S. 10-14.

Qualifikation und Ausbildung von Führungskräften – empirische Befunde und Impli-kationen, in: Zeitschrift für Personalforschung, 6. Jg., Heft 3, 1992, S. 353-365 (zu-sammen mit H. Wagner).

Anreize des Marktes richtig nutzen – Spannungsfeld: Marktorientiertes Umweltmana-gement, in: Lebensmittelzeitung, 15. Mai 1992, S. 89-90.

Erfolgsfaktoren der integrierten Marktkommunikation – neuere Erkenntnisse der Werbewirkungsforschung, in: Thexis, Heft 6, 1992, S. 2-8 (zusammen mit U. Schür-mann).

Marketing muß zurück zur Kundennähe, in: Werben & Verkaufen, Nr. 6/7, Februar 1992, S. 1.

Das neue Leitbild Sustainable Development – der Weg ist das Ziel, Sustainable Deve-lopment als Leitbild der Unternehmensführung – Ansätze zum Management von Wertschöpfungskreisläufen, in: Harvard Business Manager, 15. Jg., Heft 2, 1993, S. 34-45 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Umweltbewußtes Konsumentenverhalten, in: Marketing ZFP, 15. Jg., Heft 1, 1993, S. 51-54.

Münster vermarkten – Wirtschaftsförderung, in: Westfälische Nachrichten, Jubiläums-beilage "1200 Jahre Münster", 1993.

Aufschwung aus engeren Märkten?, in: Absatzwirtschaft, Sonderausgabe, 10/1993, S. 8-17.

Internationales Marketing im neuen Europa, in: Der Markt, Heft 4, 1993, Schwer-punktheft "Paneuropäisches Marketing", S. 220-230.

Die Markenkontinuität hat ihren Stellenwert, in: Werben & Verkaufen, Heft 39, 10/1993, S. 70.

Hat sich das Umweltmanagement nur als „Schönwetterschiff“ bewährt?, in: Markenar-tikel, Heft 9, 1993, S. 460.

Die Münsteraner mögen ihre Universität, in: Forschungsjournal (FJ) WWU Münster, Heft 2, 1993, S. 22-25.

Umweltschutz auf dem Prüfstand, in: Blick durch Wirtschaft und Umwelt, Heft 10, 1993, S. 12-13.

Ökologische Herausforderung in der Hersteller-Handels-Beziehung, in: Marktfor-schung & Management, Heft 4, 1993, S. 153-158.

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Marktorientierte Führung von Dienstleistungsunternehmen – neuere Entwicklungen in Theorie und Praxis, in: DBW, Heft 4, 1994, S. 519-541.

Markenführung in der Bewährungsprobe, in: Markenartikel, Heft 10, 1994, S. 478-481.

Was kann der Motor Marketing leisten? in: Absatzwirtschaft, Sondernummer 10/1994, S. 16-30.

Umweltschutz an der Wasserscheide, in: Politische Ökologie, 12. Jg., Nr. 36, 1994, Son-derteil, S. 8-11 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

10 Fragen zum Marketing, in: Handelsblatt "Junge Karriere", 1. Ausgabe 1995.

Das Dach braucht starke Pfeiler, in: Lebensmittel-Zeitung, Nr. 12, 1995, S. 40-45.

Raus aus der Abteilungsdenke, in: Markt und Mittelstand, Nr. 4, 1995, S. 17.

Markt und Umwelt – Bedingungen eines ökologieorientierten Marketing. Einführung, in: Umweltwirtschaftsforum, 3. Jg., Heft 1, 1995, S. 16-17.

Ökologisches Marketing, Erfolgsvoraussetzungen und Gestaltungsoptionen, in: Um-weltwirtschaftsforum, 3. Jg., Heft 1, 1995, S. 18-27 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Erfolgswirkungen der internationalen Marketing-Standardisierung, in: Marketing ZFP, 17. Jg., Heft 2, 1995, S. 99-109 (zusammen mit J. Bolz).

Marketing-Konzepte für die Expo 2000, in: Absatzwirtschaft, Heft 8, 1995, S. 33.

Shell – Irrtum eines Weltkonzerns, in: Berliner Morgenpost vom 15. Juli 1995, S. 3 (zu-sammen mit M. Kirchgeorg).

Ein Unternehmen, das aufs Meer hinauszog, um sein Vertrauen zu verlieren, in: Ab-satzwirtschaft, Sondernummer 10/1995, S. 154-156 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Soziale Kompetenz und Fachwissen, in: InWest, Magazin der Gesellschaft für Wirt-schaftsförderung Nordrhein-Westfalen mbH, 3. Jg., Heft 5, 1995, S. 11

Entgegnung zum Beitrag von W. H. Engelhardt / M. Kleinaltenkamp und M. Recken-felderbäumer: „Leistungstypologien als Basis des Marketing – ein erneutes Plä-doyer für die Aufhebung der Dichotomie von Sachleistung und Dienstleistungen“, in: Die Betriebswirtschaft, 55. Jg., Heft 5, 1995, S. 678-682.

Consumer-Marketing: Defizit bei Banken, in: Monitor Unisys Magazin, Heft 3, 1995, S. 13-19.

Wir haben noch zahlreiche Defizite, in: Horizont 49/95 vom 8. Dezember 1995, S. 54.

Profilierung auch durch Eigenmarken, in: Der Handel, Heft 12, 1995, S. 18.

Stellungnahme zum Beitrag von W. Fritz: “Umweltschutz und Unternehmenserfolg“, in: Die Betriebswirtschaft , 55. Jg., Heft 6, 1995, S. 817-820 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

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480

Marktorientiertes Umweltmanagement, in: Jahrbuch für Umwelttechnik und ökologi-sche Modernisierung 1995/96, Gütersloh 1995 , S. 4-6 (zusammen mit M. Kirchge-org).

Messen als Marketinginstrument, in: Bayerisch-Schwäbische Wirtschaft, 50. Jg., Heft 11, 1995, S. 25-28.

Typologie der Führungsstile – Faktor Mensch als Erfolgsgarant, in: Frankfurter Allge-meine Zeitung vom 20. Mai 1996, Verlagsbeilage "Franchising" (zusammen mit J. Meurer).

Zur Lage der betriebswirtschaftlichen Ausbildung an deutschen Universitäten, in: ZfB-Ergänzungsheft, 66. Jg., Heft 1, 1996, S. 21-27.

Value-Added-Services im Bankbereich, in: Bank und Markt, 25. Jg., Heft 4, 1996, S. 26-29 (zusammen mit C. Burmann).

Kreislaufwirtschaft – die meisten mittelständischen Betriebe haben sich noch nicht auf die Veränderungen vorbereitet, in: Blick durch die Wirtschaft vom 17. Juli 1996, S. 11 (zusammen mit M. Kirchgeorg, I. Giesen-Netzer).

Bei Rücknahme- u. Recyclingsystemen steht die Kostenwirtschaftlichkeit an erster Stelle, in: Blick durch die Wirtschaft vom 31. Juli 1996, S. 10 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Identitätsorientierte Markenführung, in: Markenartikel, 58. Jg., Heft 8, 1996, S. 373-380.

Quo vadis Umweltmanagement?, in: Die Betriebswirtschaft, 56. Jg., Heft 4, 1996, S. 453-455.

Die erweiterte Produktverantwortung zwingt die Hersteller, sich zukünftig mit Recyc-lingsystemen auseinanderzusetzen, in: Blick durch die Wirtschaft vom 14. August 1996 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Selbermachen, Kaufen und Netzwerk aufbauen – Wer übernimmt welche Funktionen in der Kreislaufwirtschaft, in: Blick durch die Wirtschaft vom 11. September 1996 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Die Herausforderungen an das Marketing werden vielfach unterschätzt, in: Blick durch die Wirtschaft vom 18. September 1996, S. 10 (zusammen mit M. Kirchge-org).

Erfolgswirkungen des Konflikt- und Kooperationsverhaltens in vertraglichen Ver-triebssystemen des Automobilhandels, in: Marketing ZFP, 18. Jg., Heft 4, 1996, S. 279-290 (zusammen mit C. Burmann, S. Wöllenstein).

Kreislaufspezifische Zielsysteme von Herstellern langlebiger Gebrauchsgüter – Ergeb-nisse einer empirischen Untersuchung von produktbezogenen Rücknahme- und

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Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

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Recyclingsystemen, in: Umweltwirtschaftsforum, 4. Jg., Heft 4, 1996, S. 6-12 (zu-sammen mit M. Kirchgeorg) .

Umweltbewußtsein von Konsumenten, in: Die Betriebswirtschaft, 56. Jg., Heft 5, 1996, S. 631-648 (zusammen mit M. Bruhn)

Towards an identity-orientated Approach of Branding, Working Paper No. 18, Judge Institute of Management Studies, University of Cambridge, 1996 (zusammen mit C. Burmann).

Handel 2010: Polarisierung des Käuferverhaltens, in: BAG Handelsmagazin, Heft 12, 1996, S. 44-48 (zusammen mit Ch. Burmann).

Nutzensegmentierung im Verkehsdienstleistungsbereich – theoretische Grundlagen und empirische Erkenntnisse am Beispiel des Schienenpersonenverkehrs, in: Tou-rismus Journal, 1. Jg., Heft 1, 1997, S. 13-40 (zusammen mit J. Perrey).

Marketing-Professor H. Meffert zur Fusion von VDMA und ZVEI: “Viele Verbände tappen im Dunkeln“, in: Diese Woche, Nr. 5, 31. Januar 1997, S. 6.

Nachwuchs braucht soziale Kompetenz, in: Horizont, Nr. 19, 8. Mai 1997.

Stellenwert und Funktionen des Marketing in der Betriebswirtschaftslehre, in: Ta-schenbuch der aktuellen Marketingbegriffe, Stuttgart 1997, S. 1-37 (zusammen mit Ch. Burmann).

Hauptstädte werden als Messorte interessant, in: Ost-West-Contact, 44. Jg., Heft 2, 1998, S. 22-26 (zusammen mit G. Robertz).

Stufenleiter der Irrationalität, in: Werben & Verkaufen, Nr. 44, 1998, S. 190–191 (Inter-view).

Germany’s Pope of Marketing, Professor Meffert Visits Singapore (Interview), in: GC News, Nr. 2, 1998, S. 10-12.

Herausforderungen an die Betriebswirtschaftslehre – Die Perspektive der Wissen-schaft, in: Die Betriebswirtschaft, 58 Jg., Heft 6, 1998, S. 709-730.

Die Banken auf dem Weg in den Cyberspace – Implikationen für die Kundenkommu-nikation, in: Lebendiges Rheinland-Pfalz, Heft 3 u. 4, 1998, 35 Jg., S. 66-77.

Dogmen in der Werbung, in: Horizontmagazin, Heft 1, 1999, S. 106-107.

Angewandte oder reine Wissenschaft? – Die Betriebswirtschaftslehre im Portrait, in: Forschung & Lehre, Heft 5, 1999, S. 251-254.

Bedeutung von Mitarbeiterinteraktion und Mitarbeiterzufriedenheit für die Kunden-zufriedenheit im Handel, in: Planung & Analyse, 26. Jg., Heft 5, 1999, S. 44-49 (zu-sammen mit T. Schwetje).

Page 507: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

482

Abnutzbarkeit und Nutzungsdauer von Marken, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 45. Jg., Heft 3, 1999, S. 244-263 (zusammen mit C. Burmann).

E-Commerce – Potentiale ohne Grenzen?, in: Die Betriebswirtschaft, 59 Jg., Heft 5, 1999, S. 577-579.

Mehrmarkenstrategien – immer die beste Option?, in: Absatzwirtschaft, Sondernum-mer 10/1999, S. 82-87.

Marketing – Entwicklungstendenzen und Zukunftsperspektiven, in: Die Unterneh-mung, 53 Jg., Heft 6, 1999, S. 409-432.

Entwicklungstendenzen im Bankmarketing (Interview), in: Campus – das Studenten-magazin der WestLS, Heft 1, 2000, S. 4-5.

Auf der Suche nach dem „Stein der Weisen“ – Erfolgsfaktoren der marktorientierten Unternehmensführung heute und morgen. Erfolgsfaktorenforschung im Marke-ting, in: Markenartikel. Heft 1, 2000, S. 24-36.

Product Life Cycle Management – Grundmodell und neuere Entwicklungen, in: The-xis, 17. Jg., Heft 2, 2000, S. 6-10 (zusammen mit C. Burmann).

„Zehn Prozent überleben“, in: Netinvestor, Heft 6, 2000, S. 88-89.

Durch Kundenbegeisterung zur Kundenbindung, in: Interseroh Geschäftsbericht 2000, S. 7-13.

Kommunikation sozialer Ziele reicht nicht (Interview), in: Horizont, Nr. 31, v. 3.8.2000, S. 17.

Sehr stümperhaft, in: Wirtschaftswoche, Nr. 34, v. 17.08.2000, S. 128.

Strategien für erfolgreiches Internet-Marketing, in: ASU BJU News, Heft 10, 2000, S. 10-11.

Coca-Cola gegen Yahoo, in: Werben & Verkaufen, Nr. 48/2000, S. 84-86.

Marke vor Medium, in: Markenartikel 5/2001, S. 8-13.

Stellenwert und Funktionen der Unternehmensmarke – Erklärungsansätze und Impli-kationen für das Corporate Branding, in: Thexis, Heft 4, 2001, S. 5-11 (zusammen mit A. Bierwirth).

Marke vor Medium – auch im Internet, in: Marketing und Kommunikation 9/2001, S. 12-14.

Moderne Wissenselite, in: Werben & Verkaufen, Nr. 48/2001, S. 83.

Ein Kanal ist nicht genug, in EMarket, Oktober 2001.

Herausforderungen der New Economy an das Pharma-Marketing, in: Pharmind, Nr. 9/2001, S. 909-913 (zusammen mit M. Schleusener).

Page 508: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

483

Geführt im Netz: Herausforderungen an integrierte Markenstrategien im Internet, in: Die Welt, Sonderbeilage "Die Marke", v. 23.11.2001.

Marketing quo vadis?, in: W&V Future, 01/2002.

Konsumgütermarketing: Vom Massen- zum Individualmarketing, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 87, v. 15.04.2002, S. 25.

o.V.: H. Meffert über CRM in Deutschland, in: Absatzwirtschaft online, 2002.

Die Handelsvertretung im Relationship-Marketing, in: H&V-Journal, Nr. 8, v. 20.04.2002, S. 26-29.

Markendialog 2002: Wertorientierte Markenführung vs. Shareholder Value, 2002 (im Druck).

H. Meffert, Marken sind auch Zukunftsinvestitionen. Der Erfolg der Marke in Wirt-schaft und Gesellschaft, in: Markenartikel 3/2002, S. 74/75.

Markenwerte stärken den Dialog, in: Horizont Dialog, Nr. 35/02, v. 29.08.2002, S. VI.

Wider der Überspezialisierung im Marketing – Spezialisten vs. Zehnkämpfer, in: sawi Gazette, Nr. 02/2002, sawi Schweizerisches Ausbildungszentrum für Marketing, Werbung und Kommunikation, Biel / Schweiz.

B2C-Märkte. Lohnen sich Ihre Investitionen in die Marke?, in: Absatzwirtschaft, Nr. 10/2002, S. 28-35 (zusammen mit J. Schröder, J. Perrey).

Macht der Marke (Interview), in: Impulse, Nr. 10/2002, S. 71-73.

Die Macht der Marke (Interview), in: Profile, Nr. 3/2002, S. 8-9.

MarkenPolitik? Zur Bedeutung von Politikmarken für das Wählerverhalten, in: forum medienethik, Nr. 1/2003, S. 51-58. (zusammen mit H. Schneider).

Hier lässt sich’s gut leben (Interview), in: Westfalen-Spiegel, Nr. 1/2003, S. 6-7 (zusam-men mit C. Ebert).

Markenführung mit Direktmarketing – So machen es die Profis, in: DIREKT MEHR, Nr. 3/2003, S. 5.

Stiftungen als Reformmotor, in: Forum. Das Magazin der Bertelsmann Stiftung, Nr. 3/2003, S. 7.

Die Entwicklung eines Leitbildes für eine Stiftung, in: Stiftung & Sponsoring, Nr. 3/2003, S. 6-9.

Marken brauchen Pflege und Führung – So machen es die Profis, in: DIREKT MEHR, Nr. 5/2003, S. 6.

Reform des Gemeinnützigkeitsrechts dringend überfällig, in: Vermögen & Steuern, Nr. 6/2003, S. 38.

Page 509: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

484

Von der Absatzlehre zur Marketingwissenschaft, in: Markenartikel, Nr. 6/2003, S. 40-49.

Direktmarketing in der wissenschaftlichen Diskussion in Deutschland und den USA, in: dm-compact, Nr. 9/2003 (zusammen mit K. Backhaus, S. Klein, M. Krafft).

Individualisierung und Interaktivität als Erfolgsfaktoren im Marketing, in: Absatz-wirtschaft online, v. 15.10.2003.

Die Bedeutung der Marke für Finanzdienstleister, in: Immobilien und Finanzierung, Nr. 22, 2003, S. 786-788.

Die Marke bei Finanzdienstleistern: Allfinanz lebt von der Dachmarke, in: Bank und Markt, Nr. 12, 2003, S. 17-20.

Selbst- und Fremdbild der Wirtschaftsprüfer – Empirische Befunde zur Positionierung des Wirtschaftsprüfers in der Öffentlichkeit, in: Die Wirtschaftsprüfung, Nr. 12/2003, S. 625-637 (zusammen mit K. Backhaus, M. Bongartz, M. Eschweiler).

Kompetenz einer Stiftung – Aufbau und Erweiterung (Teil 3: Beratung, Dienstleis-tung), in: Stiftung und Sponsoring, Heft 3, 2003, S. 9.

Marketing ist eine Investition, Gespräch mit K. E. Goehrmann, in: Absatzwirtschaft, Nr. 1/2004, S. 53-55.

Europa braucht ein eigenes Stiftungswesen, in: Financial Times Deutschland Extra „Geld geben für die Ewigkeit“, v. 26.04.2004, S. 2.

Markenpolitik: Ist sie für jedes Unternehmen gleichermaßen relevant?, in: DBW, 64. Jg., Nr. 3/2004, S. 333-356, (zusammen mit M. Fischer, J. Perrey).

Markenführung in Stiftungen – Beispiel Bertelsmann Stiftung, in: Stiftung und Spon-soring, Nr. 9/2004.

Offenheit und Mitwirkung stärken die Demokratie, in: Welt am Sonntag, Sonderteil NRW, v. 26.09.2004.

Mehr Marketing wagen, in: Financial Times Deutschland, v. 29.09.2004, S. 30.

Mit den richtigen Stellhebeln zu effizienterem Dialogmarketing, in: Absatzwirtschaft, Nr. 11/2004, S. 52-57 (zusammen mit H. Schneider, M. Krummenerl).

Was nichts kostet, ist nichts wert, in: Neue Ruhr Zeitung, v. 05.02.2005.

Der Markteintritt der Low-Cost-Airlines in Deutschland – Bedrohungspotenziale und Handlungsempfehlungen für die Deutsche Bahn AG, in: ZEVrail, 129. Jg., Heft 3, 3/2005, S. 68-74 (zusammen mit B. Ballensiefen, J. Nießing).

Den Kunden auf die richtige Schiene setzen, in: Absatzwirtschaft, Nr. 4/2005, S. 52-55 (zusammen mit B. Ballensiefen, J. Nießing).

Page 510: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

485

Enable: Dabei sein ist nicht alles, in: Financial Times Deutschland, v. 11.05.2005.

Enable: Bloß keine Hektik, in: Financial Times Deutschland, v. 10.08.2005.

Enable: Weil Non-Profit profitabel ist, in: Financial Times Deutschland, v. 08.02.2006.

Umweltbewusstsein der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland – empiri-sche Ergebnisse einer Langzeitstudie, in: Die Unternehmung, 60. Jg., Nr. 1/2006, S. 7-26 (zusammen mit M. Bruhn).

Das Marketing darf sich nicht verzetteln, in: absatzwirtschaft, Sonderausgabe zum Deutschen Marketing-Tag 2006, 2006, S. 30-34.

The relative strength of affective commitment in securing loyalty in service relation-ships, in: Journal of Business Research, Vol. 59, 2006, S. 1207-1213 (zusammen mit H. Evanschitzky, G. R. Iyer, H. Plassmann, J. Niessing).

IV. Buchbesprechungen

Neuzeitliche Kalkulationsverfahren – Besprechung des gleichnamigen Werkes von K. Mellerowicz, in: Deutsches Steuerrecht 1968, S. 508.

Grundzüge einer monopolistischen Absatztheorie – Bemerkungen zu dem gleichna-migen Buch von H.H. Weber, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 1972, S. 143-146.

Unternehmensforschung im Handel – Zugleich Besprechung von R. Gümbel, K.M. Brauer, H.P. Liebmann, L. Müller-Hagedorn, Unternehmensforschung im Handel, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 1973, S. 336-340.

Partielle Marketing-Informationssysteme – Besprechung des gleichnamigen Buches von K. Heinzelbecker, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1978, S. 928-929.

Informationsverhalten von Konsumenten – Besprechnung des gleichnamigen Buches, Hrsg. H. Raffée und G. Silberer, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 52. Jg., Heft 7, 1982, S. 705-708.

Strategisches Marketing: Grundlage, Techniken, Modelle, Hrsg. H. Raffée und K.-P. Wiedmann, in: Marketing ZFP, 8. Jg., Heft 2, 1986, S. 131-132.

Preisbildung und Preiswettbewerb in der Industriewirtschaft – Besprechung des gleichnamigen Buches von H. Jacob, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 57. Jg., 1987, S. 436-438.

Wettbewerbsvorteile und Wettbewerbsfähigkeit – Besprechung des Readers, Hrsg. H. Simon, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 59. Jg., 1989, S. 790-791.

Page 511: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

486

Beiträge zum Marketing-Management – Besprechung des Readers von R. Köhler, in: Thexis, 7. Jg., 1990, S. 58-59.

Umweltgerechte Produktion – Besprechung des gleichnamigen Buches von H. Kreike-baum, in: Marketing, 16. Jg., 1994, S. 275.

Distribution im Aufbruch – Besprechung des gleichnamigen Buches von O. Beisheim (Hrsg.), in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, Heft 4, 1999, S. 452-456 (zusammen mit M. Giloth).

V. Herausgeberschaften

Marketing heute und morgen – Entwicklungstendenzen in Theorie und Praxis, Wies-baden 1975.

Die Betriebswirtschaft (begründet von H. Nicklisch), Neue Folge 1977 (zusammen mit Chmielewicz, Coenenberg, Kieser, Köhler, Reber, Syperski).

Konsumentenverhalten und Information, Wiesbaden 1979 (zusammen mit Steffenha-gen und Freter).

Marketing im Wandel, Wiesbaden 1980.

Kundendienst-Management – Entwicklungsstand und Entscheidungsprobleme der Kundendienstpolitik, Frankfurt/M. und Bern 1982.

Marktorientierte Unternehmensführung und Innovation, Münster 1985.

Schriftenreihe "Unternehmensführung und Marketing", Gabler Verlag, Wiesbaden (37 Bände bisher erschienen).

Schriftenreihe "Die Betriebswirtschaft in Forschung und Praxis", Gabler Verlag, Wies-baden (zusammen mit Heinen, Kirsch, Börner und Kappler) (19 Bände bisher er-schienen).

Schriftenreihe "Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse", Verlag Duncker und Humblodt, Berlin (zusammen mit Baetge, Schenk, Schiemenz) (18 Bände bisher er-schienen).

Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensfüh-rung e.V., Verlag Regensberg, Münster (zusammen mit H. Wagner) (9 Bände bisher erschienen).

Schriften zum Marketing, Lang Verlag, Frankfurt/M. (9 Bände erschienen).

Page 512: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

487

Schriften zu Marketing + Management, Lang Verlag, Frankfurt/M. (35 Bände bisher erschienen).

Arbeitspapiere des Instituts für Marketing der Universität Münster (42 Papiere bisher erschienen).

Arbeitspapiere der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmens-führung e. V. (zusammen mit K. Backhaus, J. Becker) (192 Papiere bisher erschie-nen).

Arbeitspapiere der Forschungsgruppe Umweltökonomie und Umweltmanagement an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (zusammen mit D. Adam, H. Bo-nus, H.-J. Ewers, R. Thoss) (4 Papiere bisher erschienen).

Kohlhammer-Edition Marketing, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart (zusammen mit R. Köhler) (24 Bände bisher erschienen).

Integration und Flexibilität. Eine Herausforderung für die allgemeine Betriebswirt-schaftslehre, 51. Wissenschaftliche Jahrestagung des Verbandes der Hochschulleh-rer für Betriebswirtschaftslehre e.V., Münster 1989 (zusammen mit D. Adam, K. Backhaus, H. Wagner).

Handbook of German Business Management, Stuttgart 1990 (zusammen mit E. Groch-la, E. Gaugler, H.E. Büschgen, K. Chmielewicz, A.G. Coenenberg, W. Kern, R. Köh-ler, M. Schweitzer, N. Szyperski, W. Wittmann, K. v. Wysocki).

Marktorientierte Unternehmensführung im Europäischen Binnenmarkt, Stuttgart 1990 (zusammen mit M. Kirchgeorg).

Marktorientierte Unternehmensführung im Umbruch, Stuttgart 1994 (zusammen mit M. Bruhn, F. Wehrle).

Lexikon der aktuellen Marketing-Begriffe, Wien 1994.

Marketingperspektiven und Managementausbildung, Festschrift anläßlich des Aus-scheidens von Herrn Dr. Dr. h.c. L. Trippen aus der Geschäftsführung der Han-delshochschule Leipzig (HHL), Leipzig 1997 (zusammen mit O. Gisholt).

Lexikon der aktuellen Marketing-Begriffe, 2. Aufl., Frankfurt 1997.

Märkte im Dialog: Die Messen der dritten Generation, Leipzig 1997 (zusammen T. Necker, H. Sihler).

Unternehmensrechnung und -besteuerung, Festschrift für Prof. D. Börner zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 1998 (zusammen N. Krawitz).

Marktorientierte Unternehmensführung im Wandel, Wiesbaden 1999.

Verkehrsdienstleistungsmarketing, Wiesbaden 2000.

Page 513: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Schriftenverzeichnis von Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult Heribert Meffert

488

Handbuch Dienstleistungsmanagement, 2., überarb. u. erw. Auflage, Wiesbaden 2001 (zusammen mit M. Bruhn).

Markenmanagement – Grundfragen der identitätsorientierten Markenführung. Mit Best Practice Fallstudien, Wiesbaden 2002 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Exzellenz im Dienstleistungsmarketing. Fallstudien zur Kundenorientierung, Wiesba-den 2002 (zusammen mit M. Bruhn).

Markenmanagement, Identitätsorientierte Markenführung und praktische Umsetzung, 2. Aufl., Wiesbaden 2005 (zusammen mit C. Burmann, M. Koers).

Trendbuch NRW. Perspektiven einer Metropolregion (zusammen mit P. Steinbrück), Gütersloh 2005.

Arbeitspapiere des Marketing Centrums Münster in Kooperation mit McKinsey & Company (zusammen mit K. Backhaus, J. Meffert, J. Perrey, J. Schröder) (3 Papiere bisher erschienen).

Arbeitspapiere des Centrum für interaktives Marketing und Medienmanagement (9 Papiere bisher erschienen).

Page 514: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Stichwortverzeichnis

489

Stichwortverzeichnis

A

Abell-Schema 22

Absatzmarkt 33

Aldisierung 163

Alumniarbeit 267

Anbietervorteil 20

Angebotskomplexität 212

Angebotsvielfalt 137

Arbeitslosigkeit 119

Asset-Klassen 248

Attributionstheorie 145

B

Backbone 216

Backoffice 216

Bahnreform 198

Bedürfnisse 215f.

Beschwerdemanagement 222

Bildungsgüter 285

Bildungs-

- Investitionen 285

- Marketing 294

- Verfassung 294ff.

- Wettbewerb 292f.

Brand Trust 139

Brand Value 170

Bürgergesellschaft 243

Bürgerorientierung 377

C

Chancengleichheit 285

Citymanagement 372

Complaint Ownership 222

Consumer Confusion 140

Consumer Knowledge 39

Corporate Social Responsibility 43, 171, 338

Corporate University 55

Cost Cutting 21

Cultural Diversity 60

Cultural Theory 104

D

Demographischer Wandel 359f., 387

Deregulierung 197

Deutsche Bahn 197ff.

Dienstleistungsqualität 338

Page 515: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Stichwortverzeichnis

490

Discounter 118

Dritter Sektor 217, 232

E

Einkommensentwicklung 117f.

Einstellungsinkonsistenz 142

Ersparnis 119

Evaluation 252f.

F

Fast Moving Consumer Goods 120

Fernsehspot 146

Früher Folger 132

Führungsinstrumente 52f.

Führungssystem 49, 54

Führungsverständnis 56

Fundraising 267

G

Gemeinwesen 344

Generationenvertrag 394

Gini-Koeffizienten 179

Globalisierung 287, 359, 387

Good Governance 233

HHandelsmarken 147

Haushaltskonsolidierung 370

Hochschullehrer 301ff.

Hochschulmarketing 263ff.

Hochschulwettbewerb 292f.

Humanität 430

I

Idee 39

Imageprofil 149

Innovation 39, 215

Inside-Out-Perspektive 106f.

J

Just-in-Time-Markenführung 167

K

Kapitalerhaltungsrechnung 248

Kapitalmarkt 33

Kauferfahrung 153

Käuferpenetration 130

Kinderfreundlichkeit 391ff.

Kirchenmarketing 421

- Beschaffung 425

- Controlling 425

- Gesellschaftsorientierung 429

- Humanität 430

- Kundenorientierung 427

- Marketing-Mix 423

- Rahmenbedingungen 436f.

Page 516: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Stichwortverzeichnis

491

- Risiken 434

- Schwächen 432f.

- Strategie 425

- Vernetzung 431

- Wettbewerbsorientierung 428

- Widerstände 433ff.

Klimawandel 103f.

Kommunikationskanäle 221

Komparativer Konkurrenzvorteil 19

Kompetenzzentrum 391

Komplexitätsreduktion 137

Konsolidierung 370

Konsumentenverwirrtheit 140

Konsumentwicklung 118

Konsumklima 120

Kostensenkung 21

Kundenanforderungen 68ff.

Kundenbedürfnisse 215f.

Kundenorientierung 17, 36, 371

Kundenvorteil 20

L

Launchdruck 125f.

Leadership 309

Lean Consumption 137

Leitbild 251

Lernende Institution 256

Liberalisierung 197

Low-Cost-Hypothese 89

Luxusmarke 177

M

Make-and-Sell-Ansatz 34

Managementfehler 77

Managementprozess 354

Managementsystem 49, 54

Marke(n-)

- Ähnlichkeit 144

- Bekanntheit 138

- Cockpit 221

- Erlebnis 181, 217

- Führung 167

- Führung, internationale 37

- Funktionen 138, 171

- Glaubwürdigkeit 147f.

- Imagekonfusion 137ff.

- Imageprofil 149

- Informationsfunktion 138

- Kommunikation 168

- Leitbild 22

- Produkte 137

- Sortimentsmarke 180

- Stadtmarke 390

- Versprechen 143

- Vertrauen 138, 234

Marketing antiyzklisches 188

Marketing

- Definition 15

Page 517: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Stichwortverzeichnis

492

- emotionales 413

- im Nonprofit-Bereich 410

- integriertes 265

- internes 277

- Investitionen 219

- Münsteraner Ansatz 24

- Personalisierung 413

- politisches 409, 411

- proaktives 189ff.

- Return on Investment 219

- von Hochschulen 263ff.

- von Kirchen 421

- von öffentliche Verwaltungen 332ff.

- von Stiftungen 232

- Marketing-Mix 423

MARKOR-Index 16

Markt(-)

- Bearbeitung 68ff., 73

- Begriff, erweiterter 421

- Einführung 40, 129ff.

- Entwicklung 120ff.

- Fragmentierung 211

- gesättigter 212

- Intransparenz 141

- Orientierung 16

- Struktur 211

- Verbundenheit 71

Mee-Too-Produkte 148

Megatrends 358, 387

Mehrmarkenstrategie 22

Mental Convenience 137

Meritorisierung 286

Metropolregion 388f.

Mobilfunk 211ff.

Münsteraner Marketing-Ansatz 24

N

Nachfrageausfall 185

Nachfrage-Elastizität 187

Naturschutz 86

Neuprodukte 129ff.

New Public Management 288ff.

Niedriglohn-Länder 66

Nonprofit-Marketing 410

Nonprofit-Sektor 217, 232

O

Öffentliche Leistungen 332f.

Öffentliche Verwaltung 327f.

- Marketing 332ff.

- Qualitätsmerkmale 339

- Wirtschaftlichkeit 338ff.

Öffentlichkeitsarbeit 254

Organisationspendel 75

Organisationsstruktur 252

Outside-In-Perspektive 107

Page 518: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Stichwortverzeichnis

493

P

Personalmanagement 77f.

Personalmarkt 33

Pionier 132

PISA 290

Polarisierung 67

Politisches Marketing 411

Preis-

- Differenzierung 72

- Entwicklung 128

- Politik 218

- Sensitivität 218

Preis-Leistungs-Gefüge 68

Preis-Leistungs-Verhältnis 131

Premiumpreis 130

Privatisierung 197, 328

Produktdifferenzierung 72

Produkt-Launch 215

Public Governance 289

Q

Qualität 338

R

Rational-Choice-Theorie 89

Re-Importe 69, 71

Reputation 255

Ressourcen Überschüssige 192

Rezession 185

S

Sanduhr-Theorie 144f.

Schienenverkehrsleistung 199

Schulprogramme 267

Selbstkonzept 145

Sense-and-Response-Ansatz 35, 43

Share-of-Voice 188

Smart Shopping 164

Sortimentsmarke 180

Sozialkapital 234, 244

Staatsleistungen 332f.

Staatsunternehmen 197

Städtenetzwerk 400

Stadtentwicklung 358

Stadtmarketing 351ff., 376ff.

- Entwicklung 363f., 376f.

- ganzheitliches 361, 376

- identitätsorientiertes 357

- Komplexität 355

- Kundenorientierung 371

- Merkmale 354

- Münster 367ff.

- Probleme 356

Stadtwerbung 375

Stakeholder 268f., 272

Standardisierungsdruck 68

Standortattraktivität 340

Page 519: Marktorientierte Fuhrung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel

Stichwortverzeichnis

494

Standortmarketing 340ff.

Standortwettbewerb 341

Stiftung(s-) 229, 231

- Evaluation 252f.

- Formen 245

- Management 249f.

- Marke 232ff.

- Marketing 233

- Vermögen 231, 246

- Zweck 247

Strafgericht 334

Strukturwandel 359

Studiengebühren 265, 267, 286

Studienwerbung 267

T

Tourismuskonzept 342

U

UMTS 212

Umweltbewegung 86

Umweltbewusstsein 91ff.

Umweltschutz 87

Umweltverhalten 97, 101

Unternehmensakademie 55

Unternehmenserfolg 16f.

Unternehmensführung, marktorien-tierte 16

Unternehmenskultur 21ff., 207

V

Verantwortung 100, 243, 308ff.,

Vermarktungswert 173

Verwaltungskultur 296, 379

Verwaltungspolitik 362

W

Werbewirkung 146

Werte 43, 302

Wertebeeinflussung 315ff.

Wertewandel 161

Wettbewerb

- Polarisierung 67

- von Standorten 341

Wettbewerbsaggressivität 66

Wettbewerbsfähigkeit 67

Wettbewerbsorientierung 17

Wettbewerbsvorteil 19

Wissenschaftsbüro 373

ZZeitgeist 162

Zivilgesellschaft 243