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Massimo Gramellini Die letzte Zeile des Märchens

Massimo Gramellini Die letzte Zeile des Märchens - amrita.de fileMassimo Gramellini Die letzte Zeile des Märchens Roman Aus dem Italienischen von Elisabeth Liebl Mit Illustrationen

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Massimo Gramellini

Die letzte Zeile des Märchens

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Massimo Gramellini

Die letzte Zeile des Märchens

Roman

Aus dem Italienischen von

Elisabeth Liebl

Mit Illustrationen von

Paolo d’Altan

KAILASH

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Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100

Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifizierte Papier

EOS liefert Salzer Papier, St. Pölten, Austria.

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe

© 2011 der deutschsprachigen Ausgabe

Kailash Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

© 2010 Longanesi & Co,

Gruppo Editoriale Mauri Spagnol – Milano

Lektorat: Claudia Franz

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

Druck und Bindung: Pustet, Regensburg

Printed in Germany

ISBN 978-3-424-63040-4

www.kailash-verlag.de

Die italienische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel

»L’ultima riga delle favole« bei Longanesi & Co, Gruppo Editoriale

Mauri Spagnol, Mailand.

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Für Mario Spagnol (1930–1999),der es immer schon wusste

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Inhalt

Prolog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Der Empfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Der Arztbesuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Der Fitnessraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Das türkische Bad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Der Tee des Willens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Das Becken des Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Das Becken des Wir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Der Tee des Abstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Das Mondbecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

Das Sonnenbecken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Der Tee des Mutes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Das Drachenbecken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

Das Becken der Agape. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

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Die Thermen der Seele

Das Drachenbecken

Der Empfang

Das Becken

der Agape

Der Teesalon

Das Sonnenbecken

Der Felsen der Dankbarkeit

Das türkische Bad

Die Umkleidekabine

Das Mondbecken

Das Sprechzimmer

Das Becken des Ich

Das Becken des Wir

Der Fitnessraum

Der

Kreuz-

gang

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Denn wo der Anfang ist, wird auch das Ende sein.Thomas-Evangelium, 18

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Es war einmal – und ist noch immer – eine neugierige Seele, die durch den grenzenlosen Raum schweifte, ohne eine Liebe zu finden, in der sie aufgehen könnte. Sie trieb auf einem abgrundtiefen Meer der Langeweile, als sie plötzlich etwas pulsieren spürte. Ein Licht aus Klang, dessen Schönheit sie betäubte. Und sie sprach nur ein Wort und ging in dich ein.

An diesem Punkt habt ihr alles vergessen und angefan-gen zu leben. Du und deine Seele.

Glücklich und zufrieden bis ans Ende eurer Tage, so verspricht es die letzte Zeile des Märchens. Stattdessen habt ihr euch in einem Käfig wiedergefunden, dessen Git-terstäbe aus Schmerz bestehen. Ihr könnt nicht miteinan-der noch ohneeinander sein. Und so wandert ihr ziellos dahin, beladen mit der Bürde eures Unglücks. Die Zu-kunft ist euch nichts als ein wüstes Land, wo das Heimweh die Träume erstickt, das Bedauern die Hoffnung.

Liebe Leserin, lieber Leser, lass den Mut nicht sinken. Früher oder später – eher früher als später – wird auch in deinen Träumen der Klang der Flöte ertönen.

»Sie ist deine Seele! Das ist kein Zufall. Wenn du dich nicht in sie verliebst, wirst du nie etwas lieben.«

»Mich in meine Seele verlieben! Wie soll das denn gehen?«»Ich gebe dir einen Hinweis. Fang noch einmal von vorne

an …« Michael

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Der Held unserer Geschichte warf die Zeitschrift auf den

Tisch. »Was für eine abgeschmackte Gefühlsduselei«,

sagte er.

Und schnitt das Ganze aus.

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Prolog

In dem der Held einen Anruf erhält, den er eigentlich selbst hatte tätigen wollen, und darüber so erschüttert

ist, dass er sich ins Blaue verliert.

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I

Arianna war genau die Art von Mädchen, in die er sich

hätte verlieben können. Zeit zu verschwinden also, bevor

es zu spät war.

Es war nur noch weniger als eine Stunde bis zu ihrer

Verabredung. Allein schon bei dem Gedanken fing er an

zu niesen. Nun gut, er würde sie eben anrufen und ihr

sagen, dass er sich eine ansteckende Erkältung zugezo-

gen habe und nicht mit ihr zu Abend essen könne.

Er kramte nach dem Geldschein, der in seiner Hosen-

tasche einsam dahinsiechte. Auf den Rand hatte er in sei-

ner merkwürdigen Hühnerklaue eine Nummer gekrit-

zelt, die er jetzt in sein Telefon tippte. Ein kurzes, fatales

Zögern, und es schrillte zwischen seinen Fingern.

»Ich kann heute Abend nicht mit dir ausgehen …«,

sagte das Mädchen am anderen Ende der Leitung, das

Mädchen, in das er sich hätte verlieben können.

Sofort verliebte er sich.

»Hast du etwa Erkundigungen über mich eingezo-

gen?«

»Nein, ich habe nur schon etwas vor … ich hatte es

vergessen.«

»Verstehe.«

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»Das kannst du nicht verstehen. Und ich kann es nicht

erklären … es hat mit jemand anderem zu tun …«

Hier legte Arianna eine Pause ein, die länger war als

die anderen. Er vergaß zu atmen. »Vielleicht … irgend-

wann in den nächsten Tagen …«

»Natürlich, irgendwann in den nächsten Tagen.«

»Gute Nacht, Tomàs … Träum was Schönes …« Da-

mit legte sie auf.

Tomàs stand da und presste das Telefon ans Ohr, eine

ungeladene Waffe. Er steckte den Geldschein in die Ta-

sche zurück und fing wieder an zu niesen.

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II

Man war ihm zuvorgekommen. Ausgerechnet ihm, dem

Deserteur der Liebe, der die Frauen mit Aufmerksam-

keiten überschüttete, im entscheidenden Moment aber

panisch floh und eine Spur von Lügen hinter sich herzog.

Anders als die üblichen Flüchtlinge setzte er sich aller-

dings nicht ab, weil er die eigene Frau nicht betrügen

oder eine Erinnerung nicht trüben wollte. Wie jeder ech-

te Serienmörder bewohnte Tomàs sein Herz allein.

Er zerstäubte ein weiteres Niesen in den ohnehin

schon feuchten Raum. Auf Höhe seines Magens schien

eine Betonkugel zu tanzen, und Nase, Augen und Hände

hatten zu tropfen begonnen, als hätte jemand vergessen,

den Wasserhahn zuzudrehen. Seine Allergie ließ ihn nie

im Stich, wenn er eine Ausrede brauchte.

Er würde einfach für ein paar Stunden ans Meer fah-

ren. Nur die salzhaltige Luft konnte die Launen seines

Immunsystems wieder beruhigen. Am Wasser entlangzu-

tänzeln und den Wogen auszuweichen war zudem eine

der kindlichen Vergnügungen, die ihm noch das Gefühl

gaben, lebendig zu sein.

Seine üble Laune nahm er ins Auto mit, wo er das Ra-

dio einschaltete, um nicht nachdenken zu müssen. Die

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Abendnachrichten. Auch an diesem Tag hatte die

schlechteste aller möglichen Welten ihr Bestes getan, um

das Leid zu vermehren: Ein Surfer war von den Wellen

verschlungen worden, und eine Fernsehschauspielerin

war bei einer Kreuzfahrt mit ihren Fans auf mysteriöse

Weise über Bord gegangen.

Er hielt an einem Stehcafé und merkte plötzlich, dass

er sein Portemonnaie zu Hause vergessen hatte. Als er

das ungenießbare Brötchen mit dem Geldschein zahlte,

auf den er Ariannas Nummer gekritzelt hatte, sagte er

sich, dass er das nur tat, weil er großen Hunger und kein

anderes Geld hatte. Im Grunde aber wusste er, dass er

aus einem dieser selbstzerstörerischen Impulse heraus

handelte, von denen er sich gelegentlich leiten ließ.

Er lenkte den Wagen auf die Uferstraße und schimpf-

te auf die Autos, die nicht beiseite fuhren, denn offenbar

wollten sie ihn alle ärgern. Im Scheinwerferlicht tauchte

ein Mann auf, der wild mit den Armen fuchtelte. Ein

Betrunkener, ein Zigeuner, ein Dieb, auf jeden Fall ein

Mensch: eine unangenehme Spezies. Tomàs ignorierte

ihn.

Er hielt am Strand und eilte barfuß dem tosenden

Meer entgegen. Am Saum der Wellen begann er seinen

eigenwilligen Tanz. Der ersten Welle konnte er noch aus-

weichen, die zweite durchnässte ihn bis an die Knie. Ir-

gendwie hatte er gar keine Lust zu spielen. Er beschloss,

zur Mole zu gehen, wo er als kleiner Junge oft auf den

Sonnenaufgang gewartet hatte. Es war sein Traumbüro

gewesen, in das er niemanden eingelassen hatte. Jetzt

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aber kam es ihm leer vor, und die Morgendämmerung

war noch fern.

Hinter ihm erhoben sich plötzlich wirre Stimmen. Er

drehte sich um. Schatten liefen auf ihn zu. Sicher irgend-

welche Tunichtgute. Ihr Anführer blieb einen Schritt vor

Tomàs stehen und stieß unverständliche Laute hervor.

Die Augen traten ihm aus den Höhlen, der Blick war ver-

zerrt und irr.

Tomàs sah keinen anderen Ausweg: vor ihm die Augen

dieses Wahnsinnigen, hinter ihm das Meer.

»Ich habe nur ein wenig Kleingeld«, rief er und zog

das Futter der Hosentaschen heraus.

Offensichtlich brachte die Höhe des Angebots den

Durchgeknallten noch mehr in Rage. Er trat auf ihn zu

und legte die Hände auf seine Schultern. Tomàs versuch-

te auszuweichen, doch er rutschte aus und fiel ins salzige

Wasser, das so kalt war, wie man es außerhalb der Bade-

saison erwarten konnte.

Er versuchte zu schwimmen, doch die Zeit schien sich

mit jedem seiner Züge auszudehnen. Als er es schaffte,

den Kopf zu heben, krampfte sich sein Magen zusam-

men. Zwischen den Wellenkämmen japste er nach Luft

und schrie den Sternen seinen pathetischen Hilferuf ent-

gegen. Dann verließen ihn die Kräfte. Eine Mattigkeit

überkam ihn, die er nur zu gut kannte, und er sank lang-

sam und widerstandslos auf den Grund.

Noch nie hatte er sich gewünscht, tot zu sein, dazu hat-

te ihn dieser Gedanke viel zu sehr geängstigt. In diesem

Moment jedoch schien ihm der Tod ein Komplize zu

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sein, der voller Erbarmen die Wunden verband, die er

nicht zu heilen vermochte. Familie, Universitätsab-

schluss und Beruf konnte er getrost vergessen. Nur weni-

ge Ideale, Freunde und Liebschaften galt es zu bewei-

nen. Ein Leben ohne Sinn und ohne Herz.

Sein letzter Wunsch blitzte auf, als seine Zeit abgelau-

fen war. Gerne würde er sich von Ariannas Stimme in den

Schlaf wiegen lassen, wenn er nur den Geldschein mit

ihrer Telefonnummer wiederfinden könnte.

Er trieb auf einem abgrundtiefen Meer der Langewei-

le, als er plötzlich etwas pulsieren spürte. Ein Licht aus

Klang, dessen Schönheit ihn betäubte.

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Der Empfang

Wo Tomàs der Schönheit begegnet, mit einem wasserspeienden Drachen kämpft

und so tut, als würde er schlafen.

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III

Er lag im Bademantel auf einem Weidenrohrbett, das

mitten in einem dunklen Zimmer stand. So dunkel war

es, dass es durchaus eine Leichenhalle sein könnte, aber

dafür war es wiederum zu warm im Raum.

»Ich bin also tot«, dachte er. Und nieste.

Tote niesen nicht, zumindest ist dies die gängige Mei-

nung. Er kramte in seinem löchrigen Gedächtnis, das

ihm Bilder von einer lebensbedrohlichen Situation des

Ertrinkens lieferte. Vielleicht hatte er ja geträumt. Viel-

leicht träumte er ja immer noch. Irgendwo weit hinten

hörte er den Klang einer Flöte, während im Halbdunkel

plötzlich ein Wasserbecken sichtbar wurde, auf dem Ro-

senblätter schwammen. An der Wand hing ein Schild. Im

Schein der Kerze las er die Aufschrift

… komm heraus aus deinem Kopf …

Tomàs hasste Rätsel mindestens ebenso wie Gefühlsdu-

seleien, daher fragte er sich erst gar nicht, was diese Wor-

te bedeuten sollten. Und da er schon seit einer Weile

nicht mehr an Magie glaubte, kam er auch nicht auf die

Idee, den Satz laut auszusprechen, um seine Tauglich-

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Massimo Gramellini

Die letzte Zeile des MärchensRoman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 320 Seiten, 12,5 x 20,0 cm7 s/w AbbildungenISBN: 978-3-424-63040-4

Kailash

Erscheinungstermin: April 2011

Tomàs ist ein Mensch wie die meisten anderen auch. Er glaubt nur wenig an sich selbst undhat sich eingerichtet in einem Leben ohne Sinn und Herz. Zynisch geworden, flieht er vor allem,was dieses schale Gleichgewicht stören könnte: vor dem Schmerz, vor der Verantwortung,vor den Frauen, vor der Liebe. Auch vor Arianna, die daran glaubt, dass jeder Mensch eineZwillingsseele hat, und die sein Herz vom ersten Moment an seltsam berührt. Eines Abendsfindet er sich durch eine Verkettung von Umständen an einem rätselhaften Ort wieder, andem sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt wird: In den »Seelen-Thermen« begegneter einer Reihe von geheimnisvollen Meistern, Frauen wie Männern, die ihn auf geistigeEntdeckungsreise schicken. Ziel ist, sich selbst lieben zu lernen, denn nur wer sich selbst liebt,wird auch andere lieben können. Tomàs besteht alle Prüfungen, doch die schwierigste steht ihmnoch bevor: Er muss seine Zwillingsseele Arianna wiedertreffen … Massimo Gramellini macht indiesem modernen Märchen Hoffnung, dass wir inmitten unserer durchrationalisierten Welt derSeele wiederbegegnen können – unserer eigenen wie jener, die uns von Beginn an zu liebenbestimmt ist.