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Massives Fistelsymptom ohne Fistel bei Mittelohreiterungen +. (Pseudofistelsymptom ,,mit Verz~gerung" naeh starker Kompression.) Von Prof. Dr. Hermann Frenzel, GSttingenl (Eingegangen am 30. Oktober 1942.) Wenn man yon Fistelsymptom ohne Fistel spricht, so denkt man in erster Linie an das von Hennebert zuerst beobachtete und nach ibm benannte Symptom bei kongenitaler Lues, das trotz seiner SeItenheit allgemein bekannt geworden ist. Bekannt ist auch das Vorkommen yon Augenzuckungen durch l~ber- oder Unterdruek der Geh6rgangsluft~ als Frfihsymptom der Labyrinthitis, das Giittich 1 ktirzlich erwahnt. Wenig Beachtung hat dagegen bisher das Vorkommen eines massive~ Fistelsymptomes ohne Fistel bei Nichtluikern mit Mittelohreiterung und seine Abgrenzung gegenfiber dem echten Fistelsymptom gefunden, ob- wohl einzelne einschlagige Beobachtungen schon seit langem verSffent= licht sind (Goecker, Leidler, U/]enorde u.a.) und Nylen und Katie~ors 2 sich bereits 1921 in der Baranyschen Klinik eingehend mit diesem Pseudofistelsymptom befat~t haben. Im folgenden sei daher fiber 4 Falle eines massiven Fistelsymptoms ohne Fistel bei Niehtluikern mit chroniseher Mittelohreiterung berichtet, die ieh im Laufe yon 6 Monaten in der Dortmunder Klinik beobachten konnte. In 3 Fallen handelte es sich um chronische Mittelohrknoehen- eiterungen, die in 2 Fallen (Pat. Ju. und Seha.) zu einem perisinuSsen bzw. extraduralen AbsceI3 der hinteren Sehadelgrube geffihrt hatten; im 3. Falle (Pat.Bu.) war eine endokranielle Komplikation bei der Operation nicht auffindbar, jedoch bog der Liquorbefund Abweichungen yon der Norm (ErhShung des GesamteiweiBes und des Eiweil~quotienten). Der 4. Fall (Pat. Pa.) zeigte verschiedene Besonderheiten bei der Priifung des Fistel- symptomes, so dab ich ihn zunachst aul~er Betracht lasse. In den 3 zuerst genannten Fallen war ein massives Fistelsymptom bei Kompression vorhanden, und zwar schlug der Kompressionsnystagmus wie beim typischen echten t~istelsymptom zur gepriiften Seite. Einen Aspirationsnystagmus konnte ich dagegen bei der fiblichen Priifung mit dem Politzer-Ballon nicht nachweisen. Bei allen 3 Kranken wurde bei der Radikaloperation des Mittelohres der sichtbare Teil des Labyrin- thes, insbesondere der horizontale Bogengang mittels Lupenbrille ge- nauestens abgesucht, jedoch eine Fistel nicht gefunden. Auch spateres * Herrn Prof. Gi~ttich zmn 60. Geburtstag.

Massives Fistelsymptom ohne Fistel bei Mittelohreiterungen

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Page 1: Massives Fistelsymptom ohne Fistel bei Mittelohreiterungen

Massives Fistelsymptom ohne Fistel bei Mittelohreiterungen +.

(Pseudofistelsymptom ,,mit Verz~gerung" naeh starker Kompression.) Von

Prof. Dr. Hermann Frenzel, GSttingenl

(Eingegangen am 30. Oktober 1942.)

Wenn man yon Fistelsymptom ohne Fistel spricht, so denkt man in erster Linie an das von Hennebert zuerst beobachtete und nach ibm benannte Symptom bei kongenitaler Lues, das trotz seiner SeItenheit allgemein bekannt geworden ist. Bekannt ist auch das Vorkommen yon Augenzuckungen durch l~ber- oder Unterdruek der Geh6rgangsluft~ als Frfihsymptom der Labyrinthitis, das Giittich 1 ktirzlich erwahnt. Wenig Beachtung hat dagegen bisher das Vorkommen eines massive~ Fistelsymptomes ohne Fistel bei Nichtluikern mit Mittelohreiterung und seine Abgrenzung gegenfiber dem echten Fistelsymptom gefunden, ob- wohl einzelne einschlagige Beobachtungen schon seit langem verSffent= licht sind (Goecker, Leidler, U/]enorde u.a . ) und Nylen und Katie~ors 2 sich bereits 1921 in der Baranyschen Klinik eingehend mit diesem Pseudofistelsymptom befat~t haben.

Im folgenden sei daher fiber 4 Falle eines massiven Fistelsymptoms ohne Fistel bei Niehtluikern mit chroniseher Mittelohreiterung berichtet, die ieh im Laufe yon 6 Monaten in der Dortmunder Klinik beobachten konnte. In 3 Fallen handelte es sich um chronische Mittelohrknoehen- eiterungen, die in 2 Fallen (Pat. Ju. und Seha.) zu einem perisinuSsen bzw. extraduralen AbsceI3 der hinteren Sehadelgrube geffihrt hatten; im 3. Falle (Pat.Bu.) war eine endokranielle Komplikation bei der Operation nicht auffindbar, jedoch bog der Liquorbefund Abweichungen yon der Norm (ErhShung des GesamteiweiBes und des Eiweil~quotienten). Der 4. Fall (Pat. Pa.) zeigte verschiedene Besonderheiten bei der Priifung des Fistel- symptomes, so dab ich ihn zunachst aul~er Betracht lasse.

In den 3 zuerst genannten Fallen war ein massives Fistelsymptom bei Kompression vorhanden, und zwar schlug der Kompressionsnystagmus wie beim typischen echten t~istelsymptom zur gepriiften Seite. Einen Aspirationsnystagmus konnte ich dagegen bei der fiblichen Priifung mit dem Politzer-Ballon nicht nachweisen. Bei allen 3 Kranken wurde bei der Radikaloperation des Mittelohres der sichtbare Teil des Labyrin- thes, insbesondere der horizontale Bogengang mittels Lupenbrille ge- nauestens abgesucht, jedoch eine Fistel nicht gefunden. Auch spateres

* H e r r n Prof . Gi~ttich zmn 60. Gebur ts tag .

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mehrfaches Abtasten der OperationshShle mittels feiner, watteum- wickelter Sonde, was bei vorhandener Fistel den Defekt ja leieht auffindbar zu machen pflegt, lieB keine Labyrinthfistel erkennen. Bei 2 Kranken (Seha. u n d Bu.) bestand eine ehronisehe Otitis media aueh des anderen Ohres. Im Falle Bu. t ra t ein gleiehartiges Fistelsymptom ohne Fistel auch a u f dem anderen Ohre auf, besonders als der Kranke naeh einer frischen Erkaltung eine starkere frische Absonderung dieses anfanglieh fast trockenen Ohres bekam.

In den genannten 3 Fallen lieBen sich nun Unter anderem 2 Charakte- ristika beobachten, durch die das Fistelsymptom ohne Fistel sieh auffallig yon den tibliehen Erscheinungen des echten Fistelsymptomes unter- schied:

1. Der Kompressionsnystagmus trat nicht so~oft nach Einsetzen der Kompression, sondern erst ,,mit Verz6gerung" 3--7 Sek. sp~er au t.

2. Zur Ausl6sung des Kompressionsnystaffmus muflte ein ungew6hnlich starker DrucIr autgewendet werden.

Beziiglich des Ausbleibens eines Aspirktionsnystagmus als weiterem Charakteristikum muB man berficksichtigen, da~ die bei der fibliehen Priifung mittels Politzer.Ballon erzielbare Saugwirkung gegenfiber der Druckwirkung nur gering ist, so dab vielleicht bei kraftigerer Saugwirkung aueh ein Aspirationsnystagmus zustande gekommen ware. Nylen und Katie]ors haben bei Aspiration einen zur Gegenseite schlagenden Nystag- mus in ihren Fallen beobaehtet, aUerdings betonen sie, dab dann, wenn die Probe mit Aspiration beginnt, kein Nystagmus entsteht, sondern dal~ stets eine Kompression voraufgegangen sein miisse. Ich habe in meinen Fallen nur einen scheinbaren Aspirationsnystagmus naeh vorauf- gegangener Kompression gesehen. In Wirklichkeit war dieser scheinbare :hspirationsnystagmus ein auch ohne Aspiration, lediglieh als Folge der Unterbrechung der Kompression auftretender Nystagmus zur Gegen- sere. Im iibrigen gehSren aber die genannten Falle zweifellos in die yon Nylen und Karlelors erstmalig genauer eharakterisierte Gruppe yon Pseudofistelsymptom hinein, das in der Klinik eine starkere Beachtung verdient als es bisher gefunden hat, und dessen Besonderheiten die Autoren in folgenden 7 Punkten zusammengefaBt haben:

,,1. Bei Kompression tr i t t immer ein horizontal-rotatoriseher Nystag- m u s zur gepriiften Seite (gelegentlich nur eine langsame Phase zur Gegen- seite) auf. Dieser Nystagmus tr i t t erst naeh einer Zeit yon 2 bis mehreren Sekunden Latenz auf; bei Aspiration schlagt der Nystagmus zur Gegen- seite. Dabei ist deutlieher Sehwindel vorhanden.

2. Wenn die Probe unmittelbar darauf wiederholt wird, fallt sie weniger stark positiv aus oder sie bleibt negativ.

3. Naeh einem Intervall yon 1 bis mehreren Minuten ist die Probe wieder positiv.

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4. Wenn die Probe mit der Aspiration beginnt', entsteht kein Nys tag- mus. Es mu• eine Kompression voraufgegangen sein.

5. Mit Ausheilung de r Trommelfellperforatio n verschwindet das Symptom.

6. Um ferner Nystagmus in diesen ~F~llen hervorzurufen, ist ein Druck yon mindestens 50--60 mm Hg, h~tufiger yon 100--120 mm Hg und mehr notwendig.

7. Bei Ausiibung eines konstanten, durch Manometer kontrollierten Druekes tritt der Nystagmus anschwellend auf, dann sehwillt er wieder ab und hSrt nach 10--20 Sek. Gesamtdauer auf, um dann zur Gegenseite umzuschlagen oder ganz zu verschwinden. Der Nystagmus zur Gegenseite dauert meist nur kurze Zeit, kann aber bis zu 45 Sek. dauern. Wird der konstante Druck unterbroehen, sobald der Nystagmus zur kom- primierten Seite aufgehSrt hat, kann ebenfalls ein zur Gegenseite ge- richteter Nystagmus auftreten. Eine unmittelbar anschliel~ende Wieder- hohlng der Kompression ergibt negativen Ausfall."

Der 4. Fall meiner Beobachtungen (Pat. Pa.) betrifft nun einen Kranken, bei dem es sich um eine akut exacerbierte Mittelohreiterung mit groBer zentraler Perforation handelte, die unter konservativer Behandlung schnell bis zur vollst~ndigen Absonderungsfreiheit und Reiz- losigkeit abklang. Bei ihm zeigten sich eine Reihe von Besonderheiten, so dad er sich in die von Nylen und Karle/ors abgegrenzte Gruppe nicht ohne weiteres einreihen l~[~t. Es bestand zwar ebenfalls eine Art Fistel- symptom bei ihm, das aber in der oben geschilderten und yon Nylen und Katie/ors als gesetzm~i~ig gekennzeiehneten Schlagrichtung zur gepriiften Seite nur einmal, und zwar nur unter besonderen Be- dingungen auftrat, die offenbar mit dem Kompressionsvorgang selbst nicht zusammenhingen. Es trat ni~mlich nur bei einer bestimmten, naeh unten gerichteten Stellung der in den GehSrgang eingefiihrten Olive des Politzer-Ballons auf. Ein gleiehartiger Nystagmus trat aber auch bei Einffihrung der Politzer-Olive ohne Kompression auf. Es liel] sich auBer- dem bei dem Kranken w~hrend einer Reihe yon Tagen bis zum AufhSren der Absonderung ein deutlicher, zur gleichen Seite geriehteter, aus 3 bis 4 Schli~gen bestehender, anfi~nglich grober, im Laufe der Zeit sti~ndig etwas sehw~cher werdender einwandfreier Rucknystagmus durch Finger- druck oberhalb des Tragus auslSsen, obwohl eine Kompression der GehSr- gangsluft dabei sorgfi~ltig vermieden und durch Einlegen eines Ohrtrichters ausgeschaltet wurde !

Die Herkunft dieses Nystagmus ist unklar. Der ganzen Art des Auftretens naeh mSchte man ~m ersten an eincn yore sensiblen tIaut- bzw. Unterhautgebiet her erzeugten reflektorisehen Nystagmus denken. ~hnliche Fi~lle sind ja vereinzelt besehrieben worden, so z.B. der Fall yon Singer 3, bei dem es sich um einen 62j~hrigen Mann mit Meni~re-Anfallen handelte, und bei dem Fingerdruck an der Vorderen Wand des ~ulteren GehSrganges der dutch eine begleitende HSrstSrung als krank gekennzeiehneten Seite ebenfalls ohne Kon~pression der GehSrgangsluft

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zu einigen groben, hol~ontal-rotatorischen Sch!~gen, allerdings zur gesunden Seite fiihrte. Dutch Luftkompression war der Nystsgmus dagegen nicht auszul6sen ! Abet bei tier Deutung eines groben, susgepragten Rucknystsgmus mit deutlichem Wechsel zwischen la~agsamen und schnellen Phasen sis reflektorischen Vorgsng yon sensiblen Gebioten der Haut oder des Subkutsngewebes oder such des Periosts her ist Zuriickhaltung geboten. ,

Weiterhin fand sich als Besonderheit im Falle Pa. anfangs ein puls- synehroner undulierender Nystagmus, wie wir das beim eehten Fistel- symptom kennen und auf rhythmische Druckschwankungen durch Granu- lationsgewebe in der Fistel zuriickzufiihren pflegen.

Sodann liel] sich bei Pa. das eine Mal, als durch Kompression ein grober Nystagmus zur geprfiften Seite wie beim typischen Fistelsymptom auszulSsen war, such entgegengesetzt schlagender Aspirationsnystagmus erzeugen. Ich habe mir leider nicht notiert, ob dieser Kompressions- und Aspirationsnystagmus momentan, wie beim echten Fistelsymptom oder auch mit VerzSgerung auftrat, glaube reich abet zu entsinnen, dab ersteres der Fall war. Ich entsinne reich jedenfalls, da$ ich nach Beobachtung des unduiierenden Spontannystagmus und des soeben beschriebenen Kompressions- und Aspirationsnystagmus zun/~chst lest davon iiberzeugt war, daB bier wirklich eine Labyrinthfistel vorlag, und dab ich mich trotz der sicher zentral gelegenen Perforation bereits zum Eingriff ent- sehlossen hatte, d e r n u r aus /~uBeren Griinden zun/~chst zuriickgestellC werden mul3te und dann auf Grund des weiteren giinstigen Verlaufs unterblieb. Ohne Verzfgerung t ra t auf jeden Fall der wiederholt hervor- zurufende Nystagmus auf Fingerdruck oberhalb des Tragus auf ! Beziiglich des Aspirationsnystagmus im Falle Pa. muB aullerdem bemerkt werden, da6 es sich nur um einen einmalig erzielbaren Vorgang gehandelt ha t und dal3 demnach nicht nachgepriift werden konnte, ob nicht die Aspira- tion zeitlich mit einem such sonst nach Aufh5ren der Kompression auf- tretenden Nystagmus zur Gegenseite zusammenfiel, Es kann sich also auch hier um einen nur scheinbaren Aspirationsnystagmus gehandelt haben.

Schliel31ich kam bei Pat. Pa. auf Kompression der GehSrgangslufC mehffach e in schwacher, abet deutlicher Nystagmus zur Gegenseite zustande, der zweifellos als Kompressionsfolge angesehen werden mug und der nicht etwa als Verdeutlichung eines sonst nicht sichtbaren Spon- tannystagmus gedeutet werden kann. Dens spontan war ein schwacher, stets zur kranken Seite schlagender Nystagmus vorhanden.

Somit f~llt der Fall Pa. ganz aus dem Rahmen der iibrigen 3 F/file und der yon Nylen und Karlelors charakterisierten Gruppe heraus. Da er abet auch eine Art Fistelsymptom ohne Fistel bei Mittelohreiterung eines Nichtluikers darstellt, sei er bier mit aufgefiihrt.

Was nun die H/~ufigkeit des Vorkommens eines Pseudofistelsymptoms bei Mittelohreiterungen betrifft, so fanden Nylen und Karle/ors bei ,,mehr als 100" untersuchten F/~llen mit akuter oder chronischer Otitis media

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oder mit Residuen in 54 F~llen ein positi~;es Symptom, und zwar 40mal bei chronischer, 7mal bei akuter Otitis media und 7mal bei Residuen! Anamnestiseh zeigte sich bei diesen Kranken kein Hinweis auf eine Laby- rinthfistel, und die gewShnlichen Labyrinthpriifungen ergaben nichts Bemerkenswertes. Wenn auch die Zahl der untersuchten F~Ile mit , ,mehr als 100" etwas ungenau angegeben ist, so mum man dennoeh einen be- merkenswert hohen th'ozentsatz yon positivem Pseudofistelsymptom annehmen. Ich muB gestehen, dal~ mir die hier mitgeteilten eigenen Beobachtungen in ihrer Art etwas Neues waren, obwohl ich bei jeder chronischen Mittelohreiterung - - sofern es sich nieht nur um eine simple Schleimhauteiterung handelt - - die Fistelprobe auszuffihren pflege, und ich war fiberrascht, bei Durchsicht der Literatur in der Arbeit yon Nylen und Katie/ors die Angabe eines soleh hi~ufigen Vorkommens zu finden. Ich habe seitdem in den letzten Monaten regelm~Big bei Otitiden der verschiedensten Art auf das Symptom geaehtet und auch im Gegen- satz zu frfiher mit st~rkerem und l~ngerdauerndem Druek geprfift, aber bisher nur zuweilen eine oder einige unsichere Zuckungen gesehen, die ich nicht als positiven Ausfall werten kann und die in gar keinem Verh~tltnis zu dem, wie ich nochmals betonen m6chte, massiven Symptom bei den hier beschriebenen Fi~llen standen. Ieh entsinne mich wohl einer Reihe von chronischen Mittelohreiterungen bzw. Cholesteatomen, die ein positives Fistelsymptom zeigten, bei denen abe r die Operation eine Fistel nieht aufdeckte. Wir haben in diesen F~llen angenommen, dab die Fistel an einer ohne weiteres nicht sichtbaren Stelle des Laby- rinthes liegen miisse und haben uns natfirlich gehfitet, besonders danaeh zu suchen. Rfickblickend betrachtet mSgen unter diesen F~llen wohl solche mit einem Fistelsymptom ohne Fistel gewesen sein. Aber ihro Zahl entspricht ganz sicher bei weitem nicht der yon Nylen und Katie[ors gefundenen Hs l~berraschend ist bei dem Krankengut der genannten Autoren aueh die Angabe, dal~ anamnestiseh kein Hinweis auf eine Labyrinthfistel, also keine Schwindelerscheinungen vorhanden waren. Zweifellos mfissen eine l~eihe der yon Nylen und Karlefors beobachteten Fi~lle ebenfalls ein massives Fistelsymptom gehabt haben, und es muB doeh wohl als sieher angenommen werden, dab ein Labyrinth, das ohne Fistel auf einen Kompressionsreiz mit massivem Nystagmus reagiert bzw. daB der dazugeh6rige Vestibulariskomplex sich in irgond- einem krankhaften Zustande befindet, so dab das vollst~ndige Fehlen von spontanem Sehwindel in allen l~l len recht auffallend ist. In meinen eigenen F~llen haben jedenfalls 2 Kranke fiber ausgesproehene spontane Schwindelzusts geklagt .

Das Zustandekommen des Fistelsymptoms ohne Fistel li~Bt sich bisher mit befriedigender Wahrscheinlichkeit nicht erklitren. DaB eine Druckerh6hung im Labyrinth der auslSsende Faktor ist, ist wahr- seheinlich.

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Charouselc erw~hnt allerdings" in einer Arbei~ fiber das Drucksymptom des normalen Ohres, dab ,,bei einzelnen Versuchspersonen, aueh bei solchen, die kein Drueksymptom zeigten, beim blol]en Einfiihren der Olive ein sehr feiner und fliichtiger ~ystagmus yon 2--5 Zuckungen" auftrat. Diese und die obenerw~hnten Beoba.chtungen eines dureh Fingerdruek vor dem Tragus oder auf die Vorderwand des Geh6rganges an dessen Knorpel-Knochengrenze erzeugten deutlichen Nystagmus muB man wohl auf eine weitere, vorli~ufig noch ganz ratselhafte AuslSsungsmSglich- keit von Nystagmus unabh~ngig yon der Kompression beziehen, die bei der Aus- wertung entspreehender Kasuistik Beriicksichtigung verdient.

Der Umstand aber, daB in den F~llen yon Nylen und Katie~ors sowie in meinen 3 F~llen der Kompressionsnystagmus au//~illig verz6gert eintrat und bei Dauerkomp~ession ebenso wie bei Dekompression in einen an- und abschwellenden Nystagmusanfall zur anderen Seite umschlagen kann, zwingt uns, eine Reihe verschiedener MSglichkeiten der Druck- auswirlcung (z. B. Kompression von Labyrinthgef~Ben, Entladung zentraler Vorgiinge wie bei der StoBerregung der Drehprtifung u. a. m.) in Betracht zu ziehen, ohne dab wir bereits ausreichende Grundlagen zur Entscheidung in der einen oder der anderen Richtung bes~Ben.

In diesem Zusammenhang sei auf die Untersuchungen von Zytowitsch 5 aus dem Jahre 1913 hingewiesen, der als ,,komplettes Fistelsymptom" folgenden Vorgang beschrieb: Bei Dauerkompression unter manometrisch kontrolliertem gleichbleibendem Druck entsteht zun~chst ein an- und abschwellende~ Nystagmus zur gepriiften Seite und nach einer kleinen Ruhepause ein gleichartiger Nystagmus zur Gegenseite. Zytowitsch glaubte, dab dieser Vorgang das eigentliche Fistelsymptom bei Laby- rinthfisteln darstelle und dal3 mah fiir gewShnlich nur ein ,,partielles" F is te l symptom beobachtet und beschrieben habe, weil man sich mi t der Kompression bis zum Auftreten von Nystagmus begniigt, aber nicht die yon ihm benutzte Dauerkompression ausgefiihrt habe. Wenn man jedoch in seiner Arbeit liest, daB er 1908 die eine Beobachtung von , ,komplettem Fistelsymptom" machen und dann erst wieder 1913 einen gleichartigen Befund erheben konnte, w~hrend in der Zwischenzeit bei seinen ebenfalls mit Dauerkompression gepriiften Patienten das Fistelsymptom nicht in dieser , ,kompletten" Form auftrat , wenn man weiter liest, dab der an- gewandte Druck so stark war, ,,dab es gef~hrlich schien, ihn zu ver- grSl~ern", und wenn man schlieBlich die Schilderung des 5~ystagmus- ablaufes beim ,,kompletten Fis telsymptom" liest, so mSchte man an- nehmen, dab es sich beim ,,kompletten Fis telsymptom" um einen durchaus gleichartigen Vorgang wie beim Fistelsymptom ohne Fistel gehandelt hat. Da von einer Besti~tigung der Labyrinthfistel durch den Operations- befund in seiner Arbeit nichts erw~hnt ist, mag es sich iiberhaupt nur um ein Fistelsymptom ohne Fistel gehandelt haben , dessen Vorkommen bei Mittelohreiterungen ja damals noch kaum bekannt war. Aber auch im Falle einer vorhandenen Fistel ist es durchaus mSglich, da{~ neben dem klassischen, mit grSBter Wahrscheinlichkeit auf einer Lymphokinese

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beruhenden Fistelsymptom eine Drucksteigerung im Labyrinth noch zus~tz- lich zu einem, dem Kompressionsnystagmus bei der Pseudofistel entspre- chenden Nystagmusvorgang gefiihrt hat. Dieser Gesichtspunkt seheint mir grundsi~tzlich wichtig ffir die Beurteilung der Erscheinungen beim Fistelsymptom zu sein. DaB beim eehten Fistelsymptom eine Lympho- kinese entsprechend dem Ewaldschen Versuch mit dem pneumatischen Hammer die Ursache des iiblichen, in der Regel schon auf geringste Drucke, und zwar momentan zustande kommenden Kompressions- und Aspirations- nystagmus ist, ist weitgehend gesiehert, insbesondere durch die Ergebnisse der direkten Beriihrung freiliegender Labyrinthfisteln. Andererseits beobachtet man auch bei sicher vorhandener Fistel Erscheinungen, die sich nicht ohne weiteres als Folge einer Lymphokinese erkl~ren lassen und die deshalb schon oft zu recht unbefriedigenden anderen Hypothesen bzw. Zusatzhypothesen zur Lymphokinesetheorie geffihrt haben. Zytowitsch z.B. versucht seine Beobachtungen unter Zugrundelegung der Lympho- kinesetheorie so zu erkli~ren, dal~ er den anfi~nglichen Kompressions- nystagmus auf die Cupulaverbiegung durch Lymphokinese und den Umsehlag der Nystagmusrichtung bei fortgesetzter Kompression auf die Riickkehr der elastischen Cupula in ihre Ruhestellung zurfiekfiihrt. Damit setzt er aber voraus, da~ der Deformierungsvorgang und nieht der Deformationszustand der Cupula das Entscheidende ftir den Erregungs- vorgang im Bogengang ist. Eine solche Voraussetzung ist aber nicht begrfindet.

Ieh babe z.B. zeigen kSnner~, dad bei Dauerspiilungen des GehSr- ganges von 20 Min. Dauer der kalorische Nystagmus naeh anf~nglich anschwellendem Einsetzen ws der ganzen Spiilzeit in konstanter St~rke erhalten bleibt und naeh Beendigung der Spfilung langsam ab- schwellend bis zum Aufh5ren in gleicher Richtung weiterschldgt, l~ber entsprechende Versuehe mit 25 Min. lang dauernden Spiilungen hat Zalcrezewslcy ~ in seiner Dissertation beriehtet. Das Ergebnis dieser Ver- suche spricht daffir, d~l~ der Deformationszustand das Entseheidende fiir die Erregung ist und es spricht dagegen, dal~ eine Rfickbewegung der Cupula in ihre Ruhestellung einen dem anf~nglichen Nystagmus entgegen- gesetzten Nystagmus hervorrufen kann.

Wenn wir auch vorli~ufig noch auf eine ausreiehend wahrscheinliche Erkli~rung der Vorg~nge beim Pseudofistelsymptom verziehten miissen, so l~Bt sich doch wenigstens aus den vorliegenden Beobachtungen ein wiehtiger Gesichtspunkt fiir die Bewertung der Vorgs beim eehten Fistelsymptom gewinnen:

Man muff bei etwaigen, der Lymphokinesetheorie widersprechenden Erscheinungen des echten Fistelsymptomes beriicIcsichtigen, daft im FaUe einer Labyrinth]istel Nystagmus sowohl dutch eine Lympholcinese als auch dutch eine Druclcsteigerung im Labyrinth entstehen und daft ~e nach den anatomischen Gegebenheiten und der Stiirke und Dauer des einwirlcenden

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Druckes der eine oder der andere im Vordergrund der Erscheinungen stehen kann ; je nach dem Zustand des Labyrinthes und ~vohl auch der Zentren wird die Drucksteigerung im Labyrinth zu mehr oder weniger massiven Nystagmuserscheinungen ]i~hren.

Ffir different iMdiagnost ische Zwecke erscheint in erster Linie der verzSgerte E i n t r i t t des N y s t a g m u s be im Pseudof i s te l symptom sowie die Notwendigkei t , einen ungewShnlich s ta rken Druck anzuwenden yon Bedeutung. Wei te re Charak te r i s t ika ergeben sich bei der Anwendung der Dauerkompress ion und bei sofort iger Wiederholung des Kompressions- versuches, jedoch wird m a n in der Kl in ik diese P r i i f a r t aus Vorsichts- grfinden g e m vermeiden, so dab die Charakter i s ie rung des F i s t e l symptoms ohne F is te l bei Mi t te lohre i te rungen als Pseudo/istelsymptom ,,mit Ver- z6gerung" nach starker Kompression fiir klinische Zwecke angebrach t erscheint.

Anschliel~end seien nun unsere Untersuchungspro tokol le mi tge te i l t :

Fall 1. Pat. Ju., 53j~hrige Frau. 20. 2. 42. Seit Jahren mit Unterbrechung Ohrenlaufen links und region~rer Kopfsehmerz. Friiher einmal ganz kurz dauernde Schwindelanfalle gehabt.

Be/und. Ohren: rechts: o. B., links: grol]e randst~ndige Perforation hinten oben, etwas fStide Absonderung. Warzenfortsatz nicht empfindlich. Fliistersprache ver- sch~rft am Ohr (Rfitteln rechts).

Spontannystagmus. In den 5 Hauptbliakrichtungen bei Beobachtung ohne Brille kein Nystagmus. Bei Blick geradeaus unter Leuchtbrille Ziehen der Bulbi nach links und unsicherer, nur angedeuteter horizont~ler Nystagmus nach rechts.

Nach Kopfschtitteln, tiefem Bficken und schnellem Aufrichten aus Riickenlage unsicherer, nur angedeuteter horizonta~er Nyst~gmus nach rechts, das gleiche in Rechts-, Links-, Rticken- und Kopfhi~ngelage. (Leuchtbrille.)

Bei starker Lu/tkompression im linken Geh6rgang tritt nach etwa 3 Sek. lang- dauernder Kompression grober, horizontaler Rucknysta4]mus nach links mit geringer rotatorischer Komponente au/. Beim Au/h6ren der Kompression so'/ort Eintritt von mittetschldgigem, mittel]requentem, horizontalem Rucknsytagmus nach rezhts. (Leucht- brille.) Aspiration ohne Ergebnis. Luesreaktion im Blut negativ. Riva-Rocci: 186/100 mm Hg.

22. 2. 42. Radikaloperation des linken Mittelohres. PerisinuSser AbsceB. Sinus- wand zwischen unterem Knie und Bulbus granulierend, angrenzende Dura der hin- teren Schadelgrube belegt. Ein Labyrinthwanddefekt auch mit Lupenbrille nicht sichtbar.

1.3. 42. Beim Verbandwechsel durch Betupfen der Bogengangswand und der tibrigen Labyrinthwande kein Fistelsymptom ausl0sbar. Nach dem ttintiber- steigen yon der Gondel auf den Verbandstisch wird durch Einnahme der Riickenlage ein fast grobschlitgiger, mittelfrequenter Vertikalnystagmus nach oben ausgelSst (Beobachtung ohne Brille), der nach 5 Min. zu einem mittelschl~gigen, mittel- frequenten Horizontalnystagmus nach rechts geworden ist.

13.3.42. Bei Einnahme flacher Rtickenlage zum Verbandwechsel regelm~Big Vertikalnystagmus und Schwindel. Genauere Nystagmusprfifung wegen Zeit- mangels erst heute durchffihrbar. Heute spontan: Lagenystagmus und Lage- schwindel! Be i Beobachtung in den 5 Hauptblickrichtungen ohne Brille und bei Blick geradeaus unter~Leuchtbrille kein Nystagmus.

In t~ckenlage horizontales Rucken nach rechts, mittelfrequent, mittelschlagig. /

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In Rechtslage vertikales Abrueken, mittelseh!~gig, mittelfrequent. In Linkslage diagonales Rucken nach links unten, mittelsehl~gig, wenig frequent. Iri Kop/hdingelage vertikales Aufrucken, mittelschl/igig, mittelfrequent. 1.4. 42. Spontan: Lagenystagmus und Lageschwindel, aber nur in Rtickenlage

rotatorisches Rechtsrucken, mittelschlagig, mittelfrequent, und in Linkslage rotatorisches Linksrucken feinschl~gig, mittelfrequent, im iibrigen kein Nystagmus.

30, 5. 42, RadikalhOhle absonderungsfrei geheilt. Spontan: In Rechtslage etwa l0 Sek. lang knapp mittelsehli~giges, knapp mittelfrequentes, rotatorisches Links- rucken. In Rfickenlage etwa l0 Sek. lang mittelschl~giges, mittelfrequentes, rota- torisches Rechtsrucken. In Linkslage unsieheres, rotatorisches Linksrucken.

Fliistersprache rechts 2--3 m, Zischlaute schlechter als dumpfe Laute verstanden. Flfistersprache limks: ~, Umgangssprache links: erhoben am Ohr (L/~rm rechts). Weberscher Versuch unsieher. Kalorisehe E~Tegbarkeit links (Lufteinblasung) der freien Zughngigkeit des

Bogenganges in der RadikalhOhle entspreehend lebhaft vorhanden. Auch heute, etwa 3 Sek. nach Beginn krii/tiger Kompression links ein wdihrend

des Druckes anhaltender horizontaler N ystagmus nach links mit spurweisem rotatorischem Einschlag. Beim Au/h6ren des Druckes horizontaler Nystagmus nach rechts. Sorg- f/~ltiges Abtasten der RadikaloperationshOhle mit Wattedriller, ergibt kein Fistel- symptom! Berfihren des in anatomischer Klarheit freiliegenden StapeskOpfchens erzeugt keinen Nystagmus. Ebenso 1/~gt sich dureh Druck auf die Gegend der frei- gelegten hinteren Sehiidelgrube mittels Kleinfingerkuppe durch den sehr weiten GehOrgang hindurch kein Nystagmus hervorrufen. Desgleichen 1/~13t sich dureh Kompression und Dekompression der Jugulares und der Carotideu ebensowenig wie durch Bauchpresse ein Nystagmus erzeugen. Fistelsymptom reehts: negativ.

13.6.42. RadikaloperationshOhle links nlit grol~er, ftir Zeigefingerkuppe durch- g/~ngiger GehOrgangsOffnung in reizlosem, absonderungsfreiem Zustande. Epidermi- siert ist nur der ~u[~ere Teil. Pauke mit Kuppelraum und Antrum sowie Bogengangs- Fenstergegend yon blasser, feuchtgl/~nzender, diinner, reizloser Schleimhaut iiber- zogen. Steigbiigel mit SteigbiigelkOpfchen gut erkennbar. Ebenso Nisehe zum runden Fenster gut einzublicken. Abtasten der HOhlenwand einschlieSlich Bewegen des Steigbiigels 10st nirgends Schwindel oder Nystagmus aus. Pat. hat bis zur letzten Uutersuchung (30. 5.) seit der Operation regehn/~gig Schwindel bei Ver- ~nderung der Kopfstellung gehabt. Konnte im Bert nicbt flach liegen und wurde besonders schwindelig beim Btieken sowie bei Kopfbeugung riickw/~rts. R iva-Rocci 140/75 mm Hg.

15. 6.42. Spontan: Lagenystagmus wiederum schw/~eher als bei der Unter- suehung am 30. 5. In Rechtslage angedeutetes, unsichercs, rotatorisehes Links- rucken. In Riickenlage feinschl/~giges, mittelfrequentes, rotatorisches Rechtsrueken. In Linkslage feinsehl/~giges (voriibergehend mittelschl/~giges), mittelfrequentes, rotatorisehes Linksrueken.

Kompressionsversuch links heute im Liegen. Zun~chst nichts Sieheres auger dem Spontannystagmus nach rechts. Nach einiger Zeit grobes Rechtsrucken, an eine lebhafte kalorische Reaktion erinnernd, deren Entstehung mOglich w/~re, da etwas Luftdurchtritt durch Tube erfolgt. Aufsetzen naeh Unterbrechung der Kompression und Kopfneigung vorw/~rts in Pessimumstellung des horizontalen Bogenganges schw/~cht den Nystagmus, der dann aber erst sehr allm/ihlictl verschwindet. Bei Riicklagerung in Riickenlage heftiger, etwa l0 Sek. dauernder Nystagmusanfall, grobschlagig, sehr frequent, rotatoriseh nach links. Anschliel~end Prii]ung des Fistelsymptoms im Sitzen und in Pessimumstellung des horizontalen Bogenganges: Bei Kompression links nach etwa 5 Sek. Nystagmus nach links, aber schw/~cher als frfiher. Nystagmus hOrt bei fo,~dauerndem Druek nach etwa 15 Sek. auf und schl/~gt

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in etwas horiZontalem Nystagmus nach rechts um. Bei Dekompression bleibt der sonst vorhanden gewesene starke Reehtsnystagmus aus. Bei ansehliel3ender Riick- lagerung in flaehe Riickenlage erneut Nystagmusanfall grobschl~gig, sehr frequent rotatorisch nach links. Umgangsspraehe links am Ohr (L/~rm reehts).

Anmerkung zu Fall 1. Pat, Ju. Der naeh der Operation in Erscheinung ge- tretene Lagenystagmus mul3 als ein von dem MittelohrprozeB unabh/~ngiger zentraler Vorgang betrachtet werden, wie er vorzugsweise bei/ilteren Menschen des 5fteren ohne jede Ohrerkrankung vorkommt. Er beruht wahrscheinlich auf Durchblutungs- stSrungen und gehSrt kliniseh in das Gebiet des zentral bedingten Meni~resehen Syndromes hinein. Mit dem gleichzeitig bestehenden Fistelsymptom ohne Fistel, das ja bereits vor dem Auftreten des Lagenystagmus vorhanden war, dtirfte er nur insofern etwas zu tun haben, als er Ausdruck einer empfindlichen Reaktionslage des zentralen Vestibulariskomplexes ist, was ffir die Entstehung des massiven Fistel- symptomes ohne Fistel yon Bedeutung sein kanm

Fall 2. Pat. Scha., 40jahriger Mann. 25.2: 42. Seit Kindbeit Ohrenlaufen mit Unterbreehung beiderseits. Vor 8 Tagen angeblich 3mal Schtittetfrost. Kam deshalb wegen Verdachts auf Lungenentziindung ins Krankenhaus.

Be]und. Ohren: In beiden GehSrg/~ngeu fStide Absonderung. Beiderseits fast Totaldefekt, hinten oben randst/~ndig. Flfistersprache reehts wie links 0,1 m.

Schwerkranker Allgemeinzustand. Gestern abend und heute naeht Fieber zwisehen 39,7 und 40,1, heute friih 36,1 ~ Herz, Lunge o.B. Reflexe intakt. Kein Spontannystagmus, auch nieht unter Leuehtbrille und naeh Lageweehsel (Rechts-, Links- und Riickenlage).

Fistelsymptom rechts negativ; links bei starker Kompression nach einigen Sekunde~ deutlicher Kompressionsnystagmus nach links und Schwindel/ AspS"ation ohne Ergebnis.

Sofortige Operation: Radikaloperation des linken Ohres. Im Warzenfortsatz stinkender, unter Druck stehender Eiter. Verjauchtes Cholesteatom. Perisinu6ser Abseel3 mit Spontanruptur des Sinus w~hrend der AbsceBentleerung, ehe noeh der Sinus freigelegt war. Nach Durchfiihrung der Radikaloperation Freilegung des Sinus, der zwischen unterem Knie und Bulbusgegend frei in einem Abscel~ liegt. Hier ist die Sinuswand perforiert und durch ein frisches rote s Coagulum verschlossen; die Blutung steht. Freilegung des Sinus bis ins Gesunde. Am Labyrinth, auch beim Absuehen mittels Lupenbrille keine Fistel feststellbar. ~Horizontaler Bogengang v611ig o.B.

9. 3. 42. Fistelsymptom beim sorgf~ltigen Absuchen der PaukenhShle und des Bogenganges mit Wattedriller nicht auslSsbar. Glatter Heilverlauf mit Entfieberung am 2. Tag nach der Operation. Von da an nut noch subfebrile Temperatur (mit einer einmaligen Steigerung auf 38,80 am 3. 3. 42), die allm~hlich ganz normal wurde.

30. 5. 42. Geheilte Radikaloperationsh6hle links. Umgangssprache links am Ohr (L~rm rechts). Naeh kenservativer Behandlung mit Kuppelraumspiilungen absonderungsfrei gewordene Kuppelraumeiterung rechts. Flfistersprache rechts 0,2---0,5 m. Kalorische Erregbarkeit durch Einblasen stubenwarmer Luft beiderseits gut Vorhanden, links dem zug~ngigen Bogengang in der RadikalhSble entspreehend lebhaft. Kein Kompressionsnystagmus mehr nachweisbar. Ebenso dutch Gef~i3- kompression und Dekompression der Jugulares und Carotiden sowie nach Bauchpresse kein Nystagmus. Kein Spontannystagmus, auch nicht unter Leuchtbrille nnd bei LockerungsmaBnahmen und Lageweehsel. Luesreaktionen im Blur negativ.

Fall 3. Pat. Bu., 36j~hriger Mann. 26. 6.42. Seit 1930 Ohrenlaufen beiderseits, das im Anschlufl an Mandelabscefl bis 1937 aufgehSrt hat und dann auf beiden Ohren wiederkam. Pat. bringt das Wiederauftreten des Ohrenlaufens mit der Wieder- aufnahme bergm~nnischerT~tigkeit inZusammenhang. SeitWeihnachtenSchwindel-

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Massives Fistelsymptom ohne Fistel bei Mittelohreiterungen. 217

zust~nde. Seit Januar in ohren•rztlicher Behandlung. Mitte ]gai mit Schwindel nnter Tage zusammengebrochen. Erbrechen gehabt. Seit gestern abend hohes Fieber.

Be]und. Ohren: Rechts groBe herzfSrmige Perforation, fast trocken. (Hinten oben randst~ndig? Dem Aussehen nach Schleimhauteiterung.) Warzenfortsatz frei, Fliistern 0,4 m.

Links hinten oben randst~ndige Perforation mit Epidermismassen. KAeine Shrapnelfistel. Flfistern 0,1 m. Spur Absonderung, geruchfrei. Warzenfortsatz frei. Ohne Brille kein Nystagmus. Fistelsymptom beiderseits negativ. Augenhinter- grund o.B.

28.6. 42. Hat heute Nach.t Schwindelanfall gehabt. Erbrechen, Fieber. Trom- melfellbefund links unver~ndert. Rechts heute etwas Absonderung. Unter Leucht- brflle in Rtickenlage vereinzelte nur soeben erkennbare, aber eindeutige horizontalc Rucke nach rechts. Bei Tragusdruck kein Nystagmus, aber Kompression der GehSr- gangslu/t links durch k,l~t']tigen Fingerdruck in den linken Geh6rgang ergibt deutliches .Fistelsymptom mit Schwindel und mit groben, ~'otatorisch-horizontalen Rucken nach links, nach etwa 5--6 Rucken erschSp/t. Trotz /ortbestehender Kompression kein gegen- sinn~er N ystagmus anschlieflend. Bei gleichartiger anschlieflender Kompression rechts einige schwache Horizontaldrucke nach rechts, dann Ruhe. Anschliefiende Wieder- holung links und rechts mit Politzer-Ballon: kein Ergebnis, nur wie an/angs bin und wieder kleiner Ruck nach rechts. Der KompreSsionsnystagmus trat etwa 4 - - 5 Sek. nach Beginn der Kompression au/.

29.6. 42. Hcute ist in Ri~ckenlage unter Leuchtbrille nur ein angedeuteter Spontannystagmus nach rechts zu sehen, von dem bei gelegentlichen Rucken immer nur die schnellen Phasen erkennbar sind. Bei Linkslage das gleiche, w~hrend bei Rechtslage der Vorg~ng dcutlich als Spontannystagmus crkcnnbar und unterbrochen wird yon l~ngsamem Ziehen der Bulbi nach links. Kompressions- n ystagmus mit Politzer.Ballon mit grundsiitzlich gleichem Ergebnis auslSsbar wie gestern dutch Fingerkompression der GehSrgangslu]t; 7 Sek. nach Beginn krii/tiger Kom- pression der Geh6rgangslu/t links treten 8 grobe bis mittelschliigige, vorwiegend rotatorische Rucke nach links au/, deren Beginn gekennzeichnet wird von einem ]i~r gleichzeitigen SchwindelcharakteristischenGesichtsausdruck. Bei fortbestehendcr Kompression bleibt der Nystagmus verschwunden, ohne da] sich ein entgegengesetzter Nystagmus einstellt, der auch nach AufhSren der Kompression nicht vorhanden ist. Das spontane Rechtsrucken ist anschlieBend vielleicht eine Spur deutlicher.

Aspiration links hat keinen Er]olg. Kompression rechts verdeutlicht ein wenig das spontane Rucken nach rechts.

Bei kalorischer Priifung mit Lufteinblasung links wird das spontane Rucken nach rechts zu einem deutlichen Nystagmus. Bei Lufteinblasung rechts tritt ein feinschl~giger, vertikaler Nystagmus nach oben auf. Hcfl3ffillung des linken Ohres 15 Sek. 470 erzeugt einen typischen, zur gepriiften Seite schlagenden Horizontal- nystagmus, feinschl~gig, mittelfrequent. Der erste Beginn dieses ~Nystagmus war jedoch ein Bulbusziehen nach oben rechts mit starker Betonung der Aufw~rts- komponente. Die ersten Zuckungen verliefen diagonal nach unten links mit immer st~rkerem Horizontalwerden. Dcr Vestibularisbefund ergibt vorhandene Erregbar- keit des linken Ohres. Die Richtungen des kalorischen Nystagmus lassen jedoch daran denken, dab zentra~e StSrungen in1 Spiele sind und da] der periphere Kom- pressionsreiz vielleicht nnr auslSsend auf zentral bedingte Nystagmusvorg~nge wirkt. Fltistersprache links einwandfrei 0,1 m.

Allgemeinzustand m~l~ig. Pat. macht einen mtirrischen, unzug~nglichen Eindruck.

Radikaloperation des linken Mittelohres. Stark gehemmte Pneumatisation, nut vereinzelte mit triiber Fliissigkeit und verdickter Schleimhaut ausgefiillte Zellen

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im Bereieh des zu den Schwellenzellen ziehend~ ~ellstranges. Antrum und Kuppel- raum yon ziemlieh derben Granulationen ausgefliUt, ohne dab jedoch die Knochen- wandung einen ostitiseh-cariSsen Eindruck macht. Naeh Niederlegung der Brtieke und Abflachung des Spornes liegt das derbe Gr~nulationspolster gut fibersichtlieh frei, das den ganzen horizontalen Bogengang bedeekt. Es wird unter weiterer Arbeit mit der Lupenbritle dureh vorsichtiges Absehieben des Polsters mittels eines, Raspatoriums der knScherne horizontale Bogengang einsehliefllich der Am- pullargegend freigelegt. Die Knoehenwand erweist sieh als intakt. Das im Spiegel- befund als solches einwandfrei feststellbare Cholesteatom hat nur geringen Umfang und ist in Hammerkopfh5he durch eine kuppelartige Abgrenzung gegentiber dem dariiberliegenden derben Granulationsgewebe abgesehlossen. Zweifellos ware das Cholesteatom in diesem Falle durch einige Kuppelraumspiilungen zu beseitigen gewesen. Der lange Ambol3sehenkel fehlt. Der AmboBrest wird entfernt. Ebenso wird der Hammer mit Rticksicht auf die vorhandene Shrapnelfistel entfernt. Der Hammerkopf ist in Granulationen eingebettet, jedoch aueh hier kein Cbolesteatom, so daI3 Trommelfellrest und Pauke in Ruhe gelassen werden. Im Interesse einer guten Ausheilung wird davon abgesehen, das Promontorium zu entblSBen, um etwa bier noch nach einer Fiste! zu fahnden. Sinus und hintere Sch~delgrube nicht frei- gelegt, da naeh dem ganzen Aussehen des Befundes mit einer Erkrankung an dieser Stelle nicht zu reehnen ist. Sicherheitshalber wird der Knochen bis zum Sinus- massiv verdiinnt. AnschlieBend Lumbalpunktion: Pandy negativ, 4/3 Zellen. Zucker 58 mg-%, NaC1 719,70 mg-%, GesamteiweiI3 1,6, II Zahl 1,6, Globulin 0,4, Albumin 1,2, EiweiBquotient 0,33, gegeniiber 1,0--1,0--0,2--0,8--0,25 Normalwerten.

Normomastixreaktion ann~hernd normal. Luesreaktionen. Original-Wa.R. wegen Mangels an Versuehstieren nicht

mSglich; Meinecke-Kl~rung und Meinecke-Triibungsreaktionen im BlUr und Liquor negativ.

22.7.42. RadikalhShle epithelisiert gut. Reehtes Mittelohr troeken. Fltister- spraehe rechts 0,4, links versch~rft am Ohr. Der Allgemeinzustand hat sich bald nach der Operation gebessert. Pat. ftihlt sich woht; kein Spontanschwindel mehr. Kein Spontannystagmus mehr nachweisbar. Bei Kompression mit Politzer-BaUon ~'echts: einige Nystagmusrucke nach rechts oben. Links tritt bei Kompression ein mittel- schl~igiger, mittel/requenter, rotatorischer ~Vystagmus nach links au]. Bei Aspiration kein Nystagmus. Der Kompressionsnystagmus l~i[3t sich bei wiederholter Pri~/ung nachweisen, und zwar tritt er ]edesmal erst einige Sekunden nach Beginn ]orS,/tiger Kompression au].

27.7.42. Subjektiv beschwerdefrei. Seit heute Ohrenlaufen rechts, nach iriscber Erk~ltung. Spontannystagmus weder nach Loekerung noeh naeh Lage- wechsel vorhanden. Flfistersprache reehts 2 m, links versch~rft am Ohre.

Kompressionsversuch links mit Dauerkompression ohne Lu/tab/lufl dutch die Tube: nach 5--6 Sek. setzt ein rotatorischer Nystaffmus nach links ein, der sich bis ~ur mittelschldgigen Grobheit steigert und dann in rein horizontaler Schlagrichtung nach links ausklingt. SchneUes Verebbeu nach etwa 75 Zuckungen (gezdhlt) in etwa 1/~ Min. (geschdtzt), sodann bei /ortbestehender Dauerkompression entgegengesetzt gerichteter IVystagmus sonst gleicher Bescha//enheit mit 126 Zuckungen (geziihlt) in etwa 1 Min. (geschdtzt). Gleichzeitig sichtlicher Schwindel und ~belkeit. Der ganze Vorgang verebbt sehr langsam bei /ortbestehender Kompression. Bei Dekompressiou nichts Besonderes. Anschlieflend Kompressionsversuch rechts. Hierbei ein identischer Vqrgang mit zundchst Recht~aystagmus yon 21 Zuckungen in 30 Sek. und Links- nystagmus yon 32 Zuckungen in 60 Sek. (gemessen und gez~ihlt). Die darauf folgende Wiederholung des Kompressionsversuches links ergibt den gleiehen Ausfall wie beim ersten Male, jedoch im ganzen sehwacher. In der naeh links sehlagenden Periode ~reten 31 Zuekungen in 37 Sek. auf, in der naeh rechts schlagenden 67 Zuckungen

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Massives Fistelsymptom ohne Fistel bei Mittelohreiterungen. 219

in 74 Sek. auf (gemessen und gez~hlt). Noehm~lige Wiederholung des Versuehes links nach etwa 2 und naeh 4 Min. ergibt keinen Nystagmus mehr. Aspiration beider- seits ohne Ergebnis.

Anschliel3end Drehpriifung: 10Umdrehungen in 20Sek. auf Giittich.Stuhl {Augenbeobachtung ohne Brille, Seitenblick in der Richtung der schnellen Phase). 29 Sek. Naehnystagmus mittel bis lebhaft naeh links und 27 Sek. Nachnystagmus mittel bis lebhsft nach rechts. Begleitendes Vorbeizeigen beiderseits mit beiden Armen vorhanden. Bei Drehschwachreiz (mehrfaehe Drehungen yon 900 in je 2 bis 3 Sek., Leuchtbrillenbeobachtung, Bliek geradeaus im Dunkelzimmer): beider- seits gleichm~Big erregbar. Anf~nglich starke Neigung zu einmaliger, ausgiebiger Deviationsbewegung mit anschlieBendem Zuriickgleiten der Bulbi. Nsch mehr- maliger Wiederholung seitengleich 3--4 typische Rueke und ebenfalls seitengleich l - -2 Naehrueke in entgegengesetzter Richtung. Naeh Abschlul~ der Drehpriifung nochmals Kompressionsversueh links: jetzt tritt der Nystagmus und Sehwindel naeh 5--6 Sek. wieder in alter Heftigkeit auf. Es wird die Kompression nach l0 Sek. unterbrochen; sofort ebbt der Nyst~gmus ab und schl~gt nach etwa 2--3 Sek. l~bergangszeit in einen entgegengesetzten Nystagmus urn, der aber deutlich kiirzer und schwiieher als derjenige bei fortgesetzter Kompression ist. Eine Wiederholung des reehtsseitigen Kompressionsversuches wurde nich~ mehr vorgenommen, weft dabei Luft durch die Tube entwicb, so dall mit dem Auftreten eines stSrenden kalori- schen Nystagmus gerechnet werden mullte.

Nach Abschlul3 der mehrfachen Kompressionsversuche ist ein einige Zeit anhaltender, feinschl~giger, sehr wenig frequenter, horizontaler Nystagmus nach rechts sichtbar. (Alle Beobachtungen bei Bliek geradeaus unter Leuehtbrille im Dunkelzimmer.)

Fall 4. Pat. ida., 38j~ihriger Mann. 20. 6. 42. 1928 Ohrenlaufen links, Beginn mit Schmerzen. Ohren~irztlich behandelt. Ohrenflull etwa 3~4 Monate, ohne krank zu feiern. Damals kein Schwindel. Seit dieser Erkrankung keinerlei Ohr- beschwerden mehr bis vor 8 Woehen. Seither Ohrenlaufen links, anfangs schmerz- frei, erst 5- 6 Tage sparer Scbmerzen links, anscheinend Ohrfurunkel. Gleicb- zeitig Angina. Deswegen 3 Wochen Bettruhe und haus~trztliche Behandlung. Naeh dieser Zeit wieder Sprechstundenbehandlung bei Ohrenarzt. Am 15.6.42 erstmalig Schwindelgeftihl als Gefiibl des Betrunkenseins geschildert. Ab 16.6. 42 dauernd Schwindelanfiille mit l~belkeit. Kein Erbrechen. Nach Ohrbehandlung immer st~irker Schwindel.

Be[und. Ohren: rechts reizlose Residuen. Fliistersprache fiber 3 m. - - Links: nierenfSrmige zentrale Perforation. Trommelfellrest rot, plumpe Konturen. M~illig viel sehleimig-eitrige Absonclerung.

Spontan in Riickenlage unter Leuehtbrille undulierender, pulssyuchroner Nystag- mus feinsten Grades, abet eindeutig. Ab und zu eine Zuekung nach links. Bei Kompression links mit Politzer-Ballon zuniichst nach ziemlich starkem Druck geringer Horizontalnystagmus nach rechts. Bei Wiederholung /iillt au], daft beim Einsctzen der Ohrolive, noch ehe eine Kompression erzeugt wird, ein ganz grebes Linksrueken er[olgt, das bei Wiederholung dieses Versuches immer wieder au[tritt. Beim Abtasten der GehOrgangsumgebung zeigt sich, dab dieses grebe Linksrucken, das immer aus 3 ~ 4 groben, langsamen und schnellen Phasen besteht, such dutch Fingerdruck vet dem Ansatz der Ohrmuschel dicht oberhalb des Tragus erzeugt werden kann, wenn dabei der GebSrgang nicht versehlossen ist, und ein Ohrtriehter zur Sicherung des offenen GehSrganges eingelegt ist ! Die betreffende Stelle, vonder sus der so wirk- same Druek dureh mgBiges Andrticken der Fingerkuppe erzeugt werden kann, liegt dieht oberhalb des Jochbeines, da, we die Arteria temporalis superfic, tastbar wird: Das Abdrficken des Gef~illes ist jedoch nicht der auslSsende Faktor. Bei Wiederholung des iiblichen Komprimierens de1; GehSrgangshfft mit dem Politzer-

Archly f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfhei]kunde. Bd. 152. 15

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Ballon ergibt sich jetzt plStzlioh ein grobes, typisches Fistelsymptom mit Kompressions- nystagmus zur gepri~/ten und Aspiratio~snystagmus zur entgegengesetzten Seite/ Auffallend ist dabei, dab dieses Fistelsymptom erst auftrat, als die Olive des Politzer nicht, wie iiblich, etwa parallel der GehSrgangsaChse, sondern in einer st~rkeren Rich- tung nach unten eingesetzt wurde.

21.6. Heute l~flt sich bei im iibrigen unver~ndertem Befund das Fistelsymptom weder auf Kompression noch auf Aspiration auslSsen. Das Tragusdrucksymptom ist dagegen wiederum sehr deutlich, wenn auch nicht ganz so stark wie gestern vorhanden.

25. 6. Absonderung in den letzten Tagen abnehmend. Eistelsymptom: Bei Kompression links einige schwache Schl~ige nach rechts; bei Druck vor und oberhalb des Tragus einige grobe Schldge nach links. Man kann dur'ch Fingerdruck geradezu die Bulbi in die langsame Phase nach rechts driicken, was auch ohne Leuchtbrille deutlich erkennbar ist. Spontanschwindel bei Kopfweadungen im Bert.

28. 6. Linkes Ohr heute trocken. Von Anfang an vollst~ndig fieberfreier Verlauf bei gutem Allgemeinzustand. Der anf~nglich bei Bettruhe vorhandene Schwindel bei Kopfbewegungen hat aufgehSrt. Bis gestern war in t~glich geringerem Marie das Tragusdrucksymptom regelmi~13ig vorhanden, heute ist es ebenso wie der Kom- pressionsnystagmus nicht mehr nachweisbar.

3. 7. Hat vom 20.--26. 6. 3mal ti~glich 2 Tabletten Eubasin bekommen. Linkes Ohr vollkommen trocken. Befund der Augenklinik: Ausw~rtsschielen rechts (an- geboren) and geringe Schwachsichtigkeit. Sonst normaler Befund.

4, 7. Spontannystagmus ohne Brille in den 5 Hauptblickrichtungen nicht vor- handen. Bei Blick geradeaus unter Leuchtbrille im Dunkelzimmer zeitweise wenig Irequentes, feinschl~giges Linksrucken, horizontal Das gleiche in Rfickenlage und nach Kopfschiittein. In Rechts- und Linkslage st~ndig vorllandenes Links- rucken gleicher Qualit~t und Intensit~t. In Kopfhi~ngelage zeitweise feinschl~giges, wenig frequentes rotatorisches Rucken nach links.

Kalorisch mit Lufteinblasung links erregbar. Drehen, 10real in 20 Sek. (Augenbeobachtung ohne Brille, Seitenblick in Rich-

tung der schnellen Phase): 17 Sek. Naehnystagmus nach rechts und 22 Sek. Nach- nystagmus nach links yon etwa seitengleicher St~rke. Fistelsymptom und Tragus- drucksymptom beiderseits negativ.

30. 7.42. VSllig beschwerdefrei. Zentrale Perforation links mit b]asser Pauke, vSllig absonderungsfrei.

Fistelsymptom und Tragusdmcksymptom beiderseits negativ. Spontan noch angedeuteter, unsicherer, horizontaler Linksnystagmus bei Blick geradeaus unter Leuchtbrflle im Sitzen, in Riicken-, Kopfh~nge-Rechts- und -Linkslage, nach Kopf- schiitteln und tiefem Biicken.

Zusammenfassung. 1. Es werden 4 F~lle von massivem Fis tdsymptom ohne Fistel bei

chronischer Mittelohreiterung beschrieben, yon denen 3 F~ile in die yon Nylen und Karle/ors ers tmal ig genauer charak te r i s ie r te Gruppe der Pseudof is te ln gehSren, w~hrend der 4. Fa l l Besonderhe i ten bot , un t e r anderem einen bei GehSrgangsberf ihrung und bei D r u c k vor dem Tragus auch ohne Kompress ion der GehSrgangsluf t auf t re tenden (reflek- tor i schen ?) R u c k n y s t a g m u s zur gepr i i f ten Seite.

2. Klinisch-di/]erentialdiagnostisch i s t fiir das F i s t e l s y m p t o m ohne F is te l bei Mi t te lohre i te rungen in ers ter Linie der verzSgerte E i n t r i t t des

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Massives ]?istelsymptom ohne Fistcl bei Mittelohrciterungen. 221

K o m p r e s s i o n s n y s t a g m u s u n d der zur Aus lSsung n o t w e n d i g e st/~rkere D r u c k b e m e r k e n s w e r t , so daI~ ffir die P r~x i s eine C h a r a k t e r i s i e r u n g Ms Pseudo/istelsymptom mit Verzggerung bei starker Kompression an- g e b r a c h t ist .

3. Bei etwaigen, der Lymphokinesetheorie widersprechenden Erschei- nungen des echten Fistelsymptomes muff man beri~cksichtigen, daft im Falle einer Labyrinth[istel ein massiver Nystagmus sowohl dutch Lympholcinese ale auch dutch Drucksteigerung im Labyrinth entstehen und daft ]e nach den anatomischen Gegebenheiten sowie der Stdrke und Daner des Druc]ces der eine oder der andere im Vordergrund 8tehen lcann ; ]e nach dent, Ztt- stand des Labyrinthes und auch der Zentren wird die Druclcsteigerung im Labyrinth zu mehr oder weniger massiven Nystagmuserscheinungen /i~hren.

Sehrifttum. 1 Gi~ttich: Med. Klin. 1942 I, 842. - - 2 Nyle~ and Karle]ors: Acta oto-laryng.

(Stockh.) 3, 156 (1921).--3Singer: Mschr. Ohrenheilk. 69, 881 (1935).--~ Charouseb: Z. H~ls- usw. Iteilk. 20, 321 (1928). - - 5 Zytowitsch: Mschr. Ohrenheilk. 47, 837 (1913). - - 6 Zakrez~wsky: Diss. Greifswald 1925.

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