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Die Lehrausbildung junger Asylwerber/-innen in Wien
Möglichkeiten und Herausforderungen
Master Thesis
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Science
Universitätslehrgang Migration Studies
eingereicht am
Department für Migration und Globalisierung
Donau-Universität Krems
von
Mag. Birgit Karger
Mat. Nr. 8603544
Krems, Jänner 2015
Betreuerin: MMag. Isabella Skrivanek
Eidesstattliche Erklärung
Ich, Mag. Birgit Karger, geboren am 15.4.1968 in Wien,
erkläre,
1. dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die angegebenen
Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen
bedient habe,
2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form
als Prüfungsarbeit vorgelegt habe,
3. dass ich, falls die Thesis meine arbeitgebende Institution betrifft, meinen Arbeitgeber
über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und sein Einverständnis
eingeholt habe.
Wien, 31.Jänner 2015 ……………………………………………………………………..
Danksagung
Ich bedanke mich bei meinen Interviewpartnern, bei MMag. Isabella Skrivanek für die
kompetente und engagierte Betreuung und die zahlreichen nützlichen Hinweise, bei Mag.
Dr. Rita-Maria Kirschbaum und Margaret Zaidan für das Korrekturlesen sowie bei DI
Herbert Karger für die Unterstützung bei der Formatierung.
Diese Arbeit ist Bernhard Grösel gewidmet.
Anmerkung zu gendergerechter Formulierung:
Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, betrifft die gewählte
Formulierung beide Geschlechter, auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit die
männliche Form gewählt wurde.
Abstract
Jedes Jahr kommen zahlreiche junge Menschen auf der Suche nach Schutz und
besseren Lebensbedingungen nach Österreich, wo sie oft lange auf eine Entscheidung in
ihren Asylverfahren warten. Asylwerber haben in Österreich nur sehr beschränkt Zugang
zum Arbeitsmarkt. Um ihrem besonderen Bedürfnis nach Ausbildung Rechnung zu
tragen, wurde im Jahr 2012 für junge Asylwerber die Möglichkeit geschaffen, in Österreich
eine Lehrausbildung zu absolvieren. In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen,
inwieweit junge Asylwerber in Wien diese Möglichkeit nützen können und welche
Herausforderungen bzw. Chancen bestehen. Dafür werden zunächst die asylrechtlichen
Zusammenhänge kurz erklärt und die rechtlichen Gegebenheiten hinsichtlich des
Arbeitsmarktzuganges von (jungen) Asylwerbern analysiert. Welche strukturellen und
individuellen Faktoren bestimmend dafür sind, ob junge Asylwerber in Wien tatsächlich
eine Lehre beginnen können, wird anhand der Ergebnisse von Experteninterviews
herausgearbeitet.
Every year a large number of young people come to Austria in search of international
protection or a better livelihood. Often it takes a long time for the authorities to process
their asylum claims. In Austria, asylum seekers have a very restricted access to the labour
market. In 2012, the Austrian government decided to offer young asylum seekers access
to apprenticeship training, to help meet their need for training and education. This paper
examines to what extent young asylum seekers in Vienna can take advantage of this
provision and what obstacles and opportunities they may encounter. The legal framework
of international protection and employment of foreign nationals in Austria is analyzed and
explained. Based on expert interviews the structural and individual factors that determine
whether young asylum seekers can start an apprenticeship in Vienna, are identified.
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AK Arbeiterkammer AMS Arbeitsmarktservice Anm. Anmerkung Art. Artikel ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz AsylG Asylgesetz BAG Berufsausbildungsgesetz Bd. Band BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl BGBl. Bundesgesetzblatt BIS Betreuungsinformationssystem BMASK Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz BMI Bundesministerium für Inneres BMWA Bundesministerium für Wirtschaftliche Angelegenheiten B-VG Bundesverfassungsgesetz BVwG Bundesverwaltungsgericht ErläutRV Erläuterungen zur Regierungsvorlage et al. und andere EU Europäische Union EUR Euro EWR Europäische Wirtschaftsraum FPG Fremdenpolizeigesetz G Gesetz GFK Genfer Flüchtlingskonvention GP Gesetzgebungsperiode GPA-djp Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier GVS Grundversorgungssystem HSV Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger I Interview idF in der Fassung lit. Buchstabe MA Magistratsabteilung mVa mit Verweis auf NGO Nichtregierungsorganisation ÖGB Österreichischer Gewerkschaftsbund RL Richtlinie RZ Randzahl Teilbd. Teilband UMF unbegleitete minderjährige Flüchtlinge UNHCR Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Verfassungssammlung VG Verfahrensgesetz VwGH Verwaltungsgerichtshof WKO Wirtschaftskammer Österreich ZMR Zentrales Melderegister
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ….………………………………………………………………………………….1
1.1 Problemstellung ....................................................................................................... 1
1.2 Aufbau ..................................................................................................................... 4
2. Methodik ...................................................................................................................... 5
3. Herausforderungen für junge Asylwerber am Lehrstellenmarkt ............................. 9
3.1 Benachteiligung von jungen Migranten in der Lehrausbildung ................................. 9
3.2 Ethnische Segmentierung des Arbeitsmarktes .......................................................10
3.2.1 Das neoklassische (orthodoxe) Modell .............................................................12
3.2.2 Die Humankapitaltheorie ..................................................................................12
3.2.3 Die Segmentationstheorie ................................................................................13
3.2.4 Das Insider – Outsider-Modell ..........................................................................14
3.2.5 Benachteiligung von Migranten am Arbeitsmarkt in Österreich ........................16
3.3 Die Lehrlingsauswahl in den Betrieben ...................................................................18
4. Asylrechtlicher Rahmen ............................................................................................23
4.1 Einleitung des Verfahrens ......................................................................................24
4.3 Zulassungsverfahren ..............................................................................................26
4.4 Weiteres Verfahren und Entscheidung ...................................................................28
4.4 Ende der Asylwerbereigenschaft ............................................................................29
4.4.1 Rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens .......................................................29
4.4.2 Einstellung und Gegenstandslosigkeit des Verfahrens .....................................30
4.5 Bedeutung von Ausbildung und Erwerbstätigkeit ....................................................32
4.6 Grundversorgung ...................................................................................................32
5. Lehrausbildung allgemein .........................................................................................34
6. Arbeitsmarktzugang für Asylwerber .........................................................................34
6.1 Internationale Grundlagen ......................................................................................35
6.2 EU-Recht ................................................................................................................36
6.3 Österreich ...............................................................................................................38
6.3.1 Überblick Ausländerbeschäftigung ...................................................................38
6.3.2 Beschäftigungsbewilligung ...............................................................................39
6.3.3 Arbeitsmarktprüfung (Ersatzkraftverfahren) ......................................................40
6.4 Beschäftigung von Asylwerbern in Österreich ........................................................41
7. Junge Asylwerber in Wien und Lehre ......................................................................43
7.1 Rechtlicher Rahmen ...............................................................................................43
7.2 Formale Voraussetzungen für den Beginn einer Lehre ...........................................44
7.3 Herausforderungen und Chancen...........................................................................45
7.3.1 Stellenwert von Ausbildung und Beschäftigung ................................................46
7.3.2 Information der Asylwerber ..............................................................................48
7.3.3 Information der Betriebe ...................................................................................50
7.3.4 Schulbildung ....................................................................................................50
7.3.5 Deutschkenntnisse ...........................................................................................52
7.3.6 Diskriminierung am Arbeitsmarkt .....................................................................53
7.3.7 Wirtschaftliche Aspekte ....................................................................................54
7.3.8 Rechtliche Regelungen ....................................................................................55
8. Schlussfolgerungen ..................................................................................................56
9. Tabellenverzeichnis ...................................................................................................61
10. Literaturverzeichnis .................................................................................................62
11. Verzeichnis der Rechtsquellen ...............................................................................68
Anhang ...........................................................................................................................71
1
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Frage des freien Zugangs zum Arbeitsmarkt für Asylwerber ist immer wieder Thema
in den Medien und in der politischen wie juristischen Diskussion. Spätestens seit der
„Besetzung“ der Wiener Votivkirche um den Jahreswechsel 2012/13 ist die Frage der
rechtlichen Möglichkeiten für Asylwerber, während des laufenden Asylverfahrens einer
legalen Beschäftigung nachzugehen, auch in den Medien präsent. Öffentlichkeitswirksam
forderten damals Asylwerber wie Flüchtlingsorganisationen unter anderem auch einen
freien Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber. So findet sich auf der Homepage der
Initiative Refugee Protest Camp Vienna folgende „dringende Forderung" vom 24.
November 2012: „Wir brauchen eine Arbeitserlaubnis. Wir wollen für uns selbst sorgen.
Wir wollen nicht vom Staat abhängig sein. Wir verlangen, dass man uns unsere Würde als
Menschen zurückgibt.“ (Refugeecampvienna 2012)
Schon zuvor hatten sich verschiedenste Organisationen mit dem Thema beschäftigt und
nicht nur die tatsächlichen sondern insbesondere auch die rechtlichen Schwierigkeiten,
denen Asylwerber in Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit unterliegen, thematisiert. So
bildete die soziale Integration von Asylwerbern in dem im Jahr 2000 von der
Europäischen Kommission zur Verringerung von Diskriminierung am Arbeitsmarkt
initiierten Programms EQUAL einen thematischen Schwerpunkt (vgl. Europäische
Kommission 2005: 4, 60f.). In Österreich versuchten die EQUAL-Projekte EPIMA und
EPIMA 2 (vgl. Integrationshaus o.J.) von 2002 – 2007 nicht nur durch
Qualifizierungsmaßnahmen sondern auch durch Öffentlichkeitsarbeit eine Verbesserung
der Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit speziell für junge Asylwerber herbeizuführen.
Immer wieder treten auch Gewerkschafter und Politiker für eine Erleichterung des
Zugangs zum Arbeitsmarkt für Asylwerber ein. So herrschte bei der Arbeitstagung von
EPIMA 2 im Dezember 2006 über Parteigrenzen hinweg die Meinung, dass eine Öffnung
des Arbeitsmarktes nicht nur wünschenswert sondern sogar insgesamt für den
Arbeitsmarkt förderlich sei. Elisabeth Mitter vom Österreichischen Gewerkschaftsbund
(ÖGB), Referat für Bildung, verwies damals auf die am 15. Bundeskongress des ÖGB im
Oktober 2003 einstimmig angenommene Position, wonach der ÖGB für eine totale
Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber eintrete. Dieser Position schloss sich Margit
Kreuzhuber von der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer
Österreich (WKO) an. Hermann Deutsch (damals Bundesministerium für Wirtschaftliche
Angelegenheiten [BMWA], Abteilung Ausländerbeschäftigung), Friedrich Kinzlbauer
(damaliger Leiter der Abteilung III/5 des Bundesministeriums für Inneres [BMI]) und
2
Joseph Wallner (damaliger Leiter der Abteilung für Soziales der Wiener Arbeiterkammer
[AK Wien]), sprachen sich ebenfalls für eine Erweiterung der
Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylwerber aus (vgl. EPIMA 2006). Insbesondere
Gewerkschaften, aber auch Parteien und Hilfsorganisationen treten nach wie vor für eine
Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber ein. Im Zuge der Proteste rund um die
Votivkirche gab es beispielsweise eine entsprechende Initiative der Sozialistischen
Jugend und der Volkshilfe. Ende 2012 bekräftigte die Bundesgeschäftsführerin der
Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), dass
Asylbewerber ein Recht auf Beschäftigung hätten und dass dieses im Interesse aller sei,
da undokumentierte Arbeit zum Unterlaufen kollektivvertraglicher Standards führe (vgl.
ÖGB 2012). Auch die Volksanwaltschaft setzte sich jüngst für einen erleichterten
Arbeitsmarktzugang für Asylwerber ein und leitete diesbezüglich im Jahr 2013 ein
Prüfverfahren ein, wobei insbesondere auf die unzureichende Datenlage betreffend die
Qualifikationen von Asylwerbern hingewiesen und die Ausweitung von gemeinnützigen
Beschäftigungsprojekten angeregt wurde (vgl. Volksanwaltschaft 2014: 143).
In der Diskussion werden nicht nur ökonomische oder soziale Argumente ins Treffen
geführt. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit kann auch Auswirkungen auf den Ausgang
eines Asylverfahrens haben, da ihr im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehr
in den Herkunftsstaat bzw. der Erteilung eines Aufenthaltstitels durchaus Bedeutung
zukommen kann. Dies gilt insbesondere, wenn sich ein Asylwerber schon lange in
Österreich aufhält. Eine Rückkehr ist nämlich nur zulässig, wenn dabei das Recht des
Einzelnen auf sein Familien- und Privatleben (Art. 8 EMRK) gewahrt wird. Die
entscheidende Behörde muss daher eine Abwägung zwischen den Interessen des
Asylwerbers an seinem Verbleib in Österreich und dem öffentlichen Interesse an seiner
Ausreise vornehmen. Als Maßstab einer solchen Interessenabwägung wird auch der Grad
der Integration herangezogen. Dabei ist eine etwaige Erwerbstätigkeit oder die
Absolvierung einer Ausbildung in Österreich zu Gunsten des Asylwerbers zu
berücksichtigen (siehe dazu unten 4.5). Zwar haben Asylwerber in Österreich
grundsätzlich unter bestimmten Bedingungen Zugang zum Arbeitsmarkt, de facto ist die
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für sie jedoch nur sehr eingeschränkt gegeben. Die
Möglichkeiten, durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit eine erfolgreiche Integration
darzulegen, sind somit stark limitiert.
Für junge Asylwerber im Ausbildungsalter hat sich die Situation seit dem Jahr 2012 in
einem Bereich verbessert: Bis 2012 hatten sie kaum Zugang zu dem in Österreich
traditionellen Ausbildungsweg für eine Facharbeiterausbildung – die Lehre. Da nämlich
3
mit der Aufnahme einer Lehre ein Arbeitsverhältnis begründet wird, benötigen diese
Jugendlichen einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Seit 2012 ist es jugendlichen Asylwerbern
unter bestimmten Bedingungen gestattet, ein Lehrverhältnis einzugehen. Dies stellt für sie
eine weitere Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit (in Kombination mit einer
Ausbildung) dar.
Da für junge Asylwerber die Möglichkeit, eine Lehre zu absolvieren, erst seit dem Jahr
2012 besteht, gibt es zu diesem Thema noch keine Erhebungen. In der Schriftenreihe des
Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte wird lediglich auf die rechtliche
Möglichkeit eines Lehrverhältnisses für junge Asylwerber hingewiesen (vgl. Mayrhofer
2013). Die Literatur betreffend (junge) Asylwerber beschränkt sich im Übrigen oft auf die
rechtlichen Aspekte insbesondere des Asylverfahrens oder behandelt lediglich
Teilbereiche (vgl. Böckmann 2011, Fronek 2010, Fronek/Messinger 2002, Lukits 2012,
Mayrhofer 2013, Pirker 2010, Suhsmann 2012). Was die Frage des Zugangs zum
Arbeitsmarkt für Asylwerber betrifft, rückte diese in den letzten Jahren nicht zuletzt auch
durch die medial sehr präsenten Proteste auch in der akademischen Diskussion vermehrt
in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dieses Thema wird in akademischen Arbeiten
(teilweise am Rande) und auch in der Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für
Menschenrechte behandelt (vgl. Ammer 2011, Ammer o.J., Filzmoser 2012, Mayrhofer
o.J., Pirker 2010, Wehinger 2012). Eine diesbezügliche europaweite Erhebung enthält
keine Informationen über die Situation in Österreich (vgl. EMN 2013). Auf das Thema
Integration von Asylwerbern wird großteils als Teilaspekt von Migration eingegangen,
wobei dieser Bereich auch unter dem Gesichtspunkt der Integration am Arbeitsmarkt und
der Bedeutung von Erwerbstätigkeit für die Integration beleuchtet wird (vgl. Huber 2010,
Kapeller/Sprung 2002, Kaufmann 2009, Kreuzer 2012, Kucera 2011, Stolzlechner 2007,
Volf 2001, Wolf-Maier 2009, Riesenfelder 2011).
Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, inwiefern es jungen Asylwerbern mit den seit
2012 bestehenden Rahmenbedingungen tatsächlich möglich ist, eine Lehre zu
absolvieren. Die forschungsleitenden Fragestellungen sind dabei:
Welche tatsächlichen Möglichkeiten haben junge Asylwerber in Wien, eine Lehre zu
absolvieren?
Wie groß ist der in Frage kommende Personenkreis? Wie viele absolvieren bereits
eine Lehre?
Welche Faktoren, Rahmenbedingungen und/oder Akteure waren ausschlaggebend,
dass sie eine Lehrstelle gefunden haben?
4
Welche strukturellen und/ oder individuellen Schwierigkeiten bestehen?
Die Ergebnisse können einerseits Hinweise darauf geben, wie die Chancen von jungen
Asylwerbern auf eine Lehrstelle erhöht werden können bzw. welche Maßnahmen in
diesem Bereich seitens der Flüchtlingsbetreuer aber auch seitens anderer involvierter
Stellen sinnvollerweise gesetzt werden könnten. Nicht zuletzt kann die Beurteilung der
tatsächlichen Möglichkeiten von jungen Asylwerbern im Bereich Bildung bzw.
Erwerbstätigkeit den Entscheidungsträgern im Asylverfahren eine Orientierungshilfe sein.
1.2 Aufbau
Nach einer kurzen Darstellung der angewandten Methodik (Kapitel 2.) wird zunächst in
Kapitel 3. auf die Herausforderungen eingegangen, denen junge Asylwerber (wie alle
jungen Migranten) am Lehrstellenmarkt gegenüberstehen, wobei die diesbezüglichen
theoretischen Ansätze erläutert werden. Dabei wird insbesondere auf die ethnische
Segmentierung des Arbeitsmarktes und die bei der Lehrlingsauswahl durch die Betriebe
wirksamen Mechanismen eingegangen.
Da sich die vorliegende Arbeit ausschließlich auf Asylwerber, d.h. auf Personen bezieht,
die sich im Asylverfahren befinden und die in Österreich noch nicht Asyl oder subsidiären
Schutz erhalten haben, ist es nötig, die Gruppe der betroffenen Personen zu definieren. In
Kapitel 4. wird daher ein Überblick über das Asylverfahren gegeben. Es wird anhand der
gesetzlichen Bestimmungen dargelegt, ab welchem Zeitpunkt eine Person als Asylwerber
anzusehen ist und wann diese Eigenschaft endet. Ebenso wird auf die daran
anknüpfenden Rechtsfolgen insbesondere hinsichtlich des Aufenthaltsstatus und der
staatlichen Versorgung eingegangen. Ergänzend wird kurz auf die Bedeutung der
Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Rahmen des Asylverfahrens hingewiesen.
In Kapitel 5. folgt ein kurzer Abriss über die Lehrausbildung in Österreich.
Daran anknüpfend beschäftigt sich Kapitel 6. mit der Frage des Arbeitsmarktzuganges,
dem angesichts des dualen Charakters der Lehrausbildung für die Aufnahme eines
Ausländers als Lehrling entscheidende Bedeutung zukommt. Zur Beurteilung der Lage
von Asylwerbern, ist es zunächst notwendig, einen Überblick über die Bestimmungen zu
geben, die regeln, unter welchen Voraussetzungen Ausländern allgemein die Aufnahme
einer legalen, unselbständigen Beschäftigung in Österreich gestattet ist. Dafür werden
zunächst die menschenrechtlichen Grundlagen des Rechts auf Arbeit und die
diesbezüglichen europarechtlichen Bestimmungen betreffend Asylwerber berücksichtigt
5
sowie im Weiteren die für die Ausländerbeschäftigung in Österreich relevanten
Regelungen dargestellt. Dabei wird erläutert, inwieweit junge Asylwerber in Österreich
Zugang zum Arbeitsmarkt haben und welche Auswirkungen sich daran anknüpfen.
Ausgehend von den in den Kapiteln 3. – 6. skizzierten Rahmenbedingungen und
theoretischen Überlegungen beleuchtet Kapitel 7. schließlich die spezifische Situation von
jungen Asylwerbern in Wien. Nach der Darstellung des für den Beginn einer
Lehrausbildung für Asylwerber relevanten rechtlichen Rahmens wird anhand der aus den
Experteninterviews gewonnenen Erkenntnisse im Sinne der oben angeführten
Forschungsfragen die tatsächliche Situation junger Asylwerber in Bezug auf die
Möglichkeit, in Wien eine Lehre zu absolvieren, beurteilt. Es werden die
Forschungsergebnisse dargestellt und analysiert und in Kapitel 8. die entsprechenden
Schlussfolgerungen getätigt.
2. Methodik
Bei den Forschungen wurde qualitativen Methoden der Vorzug gegeben, da es wichtiger
war, Details zu erfahren als Messwerte zu ermitteln (vgl. Bortz/Döring 2006: 297).
Da die Lehrausbildung junger Asylwerber in einem engen Zusammenhang mit asyl-,
beschäftigungs- und ausbildungsrechtlichen Regelungen steht, wurden zunächst die in
Frage kommenden rechtlichen (internationalen, europäischen und nationalen)
Bestimmungen im Sinne einer zusammenfassenden Inhaltsanalyse auf die für den
gegenständlichen Themenkreis relevanten Inhalte reduziert. Darüber hinaus war es
notwendig, über die reinen Rechtstexte hinaus entsprechende Literatur heranzuziehen,
um unklare Begriffe bzw. Zusammenhänge zu klären. Erhebungen in den Datenbanken
des Arbeitsmarktservice (AMS), der Asylstatistik des Bundesministeriums für Inneres
(BMI), der Statistik Austria und des Hauptverbandes der österreichischen
Sozialversicherungsträger (HSV) ergänzten das Bild. Da hinsichtlich der spezifischen
Situation von jungen Asylwerbern am Lehrstellenmarkt in Wien keine Untersuchungen
vorliegen, wurden teilstandardisierte Interviews mit in diesem Bereich tätigen Experten
geführt.
Zu diesem Zweck wurde ein Interviewleitfaden mit offen formulierten Fragen erstellt,
welcher in zwei Varianten auf die Befragung von Experten in öffentlichen Stellen
(Behörden, Interessensvertretung) bzw. von Betreuern der Jugendlichen
(Flüchtlingsberater, Betreuer von jungen Asylwerbern) angepasst wurde. Die Fragen
umfassten die Themen Betreuungssituation, Information (der Asylwerber und der
6
Betriebe), Bildung, Deutschkenntnisse, Motivation der Asylwerber, Haltung der
Unternehmer und Beschäftigungsbewilligung. Ziel der Interviews war die Gewinnung von
Informationen und die Erhebung der Einschätzungen der Experten. Durch die
Experteninterviews konnte ein Maximum an Informationsgewinnung bei gleichzeitiger
Sicherstellung der Strukturierung und Vergleichbarkeit der Daten erreicht werden (vgl.
Mayer 2008: 37). Die Interviews wurden persönlich an den Arbeitsstätten der Befragten
durchgeführt. Die Form des Einzelinterviews, bei dem jeweils nur eine einzige Person
befragt wurde, sollte die Möglichkeit geben, auf den Befragten einzugehen und so
möglichst viel an spezifischen Informationen und Einschätzungen zu gewinnen. Aufgrund
guter Vertrautheit mit der Materie (juristische Ausbildung, berufliche Tätigkeit im
Asylbereich) konnten die Experteninterviews als Einzelinterviews ohne Hinzuziehung
weiterer, unterstützender Personen durchgeführt werden. Einem Interviewpartner wurde
der Leitfaden elektronisch übermittelt und er beantwortete die Fragen schriftlich.
Kriterien für die Auswahl der Experten waren die Vertrautheit mit den Themen
Ausländerbeschäftigung, Lehre, Asylrecht, die Tätigkeit in der Betreuung von jungen
Asylwerbern und der persönliche Kontakt zu diesen. Diese Kriterien wurden vorab (vgl.
Mayer 2008: 39) festgelegt und ergaben sich aus Internetrecherchen sowie aus bereits
vorhandenem Wissen über die Betreuungssituation junger Asylwerber und über die
Behördenzuständigkeit im Bereich Ausländerbeschäftigung. Auch erwiesen sich
bestehende persönliche Kontakte zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bzw. dem
Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) als nützlich. Teilweise
wurden Experten auch von einzelnen Interviewpartnern genannt.
Mit folgenden Experten wurden Interviews durchgeführt (in alphabetischer Reihenfolge):
Arbeitsmarktservice Wien
Sabine Sebastianelli
Abteilungsleiterin, Service Ausländerbeschäftigung Wien
Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK)
Dr. Hermann Deutsch
Leiter der Gruppe B der Sektion VI (Ausländerbeschäftigung)
Caritas, Wohngemeinschaften für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge (UMF)
7
Mirela Meric
Leiterin der UMF-Betreuungsstelle
An Thu-Tran
Betreuerin in der UMF-Wohngemeinschaft
Mariam Hakimzadeh
Betreuerin in der UMF-Wohngemeinschaft
Don Bosco Flüchtlingswerk, Wohngemeinschaften für minderjährige, unbegleitete
Flüchtlinge
Silvia Zotz
Betreuerin, Beraterin für Asylwerber
Magistrat der Stadt Wien
Norbert Ceipek
Pädagogischer Leiter
Fachbereich Drehscheibe – Sozialpädagogische Einrichtung der MA 11
Wirtschaftskammer Wien
Mag. Erich Huber
Leiter der Lehrlingsstelle
Abteilungsleiter Bildungspolitik und Berufsausbildung
Die Interviews wurden mittels eines digitalen Aufnahmegeräts aufgenommen und
angesichts der Informationsdichte danach vollständig transkribiert. Bei der Transkription
wurde auf die Darstellung nichtsprachlicher Elemente verzichtet und ausschließlich der
Gesprächsinhalt wiedergegeben. Die Aussagen wurden anonymisiert.
Die Auswertung der Interviews erfolgte aufgrund der transkribierten Aufnahmen. Da, wie
oben erwähnt, der Fokus auf der Gewinnung von konkreten Informationen bzw.
Einschätzungen lag, wurde das von Mayer (vgl. Mayer 2008: 48) für Experteninterviews
empfohlene und von Mühlfeld, Windolf, Lampert und Krüger (vgl. Mühlfeld et al. 1981)
entwickelte Auswertungsverfahren herangezogen, dessen „Schwergewicht der
Interpretation […] auf offenkundigen, unverdeckten Kommunikationsinhalten“ (Mayer
2008: 48) liegt. Dieses Verfahren bietet einerseits einen pragmatischen Zugang (vgl.
Mayer 2008: 48) und hat andererseits den Vorteil, dass die Aussagen der Interviewpartner
8
in der ursprünglichen Form erhalten bleiben. Die Auswertung erfolgte in sechs
Einzelschritten (vgl. Mühlfeld 1981: 336 – 338; Mayer 2008: 49, 50):
1. Es wurden spontan ersichtliche Antworten markiert.
2. Die markierten Antworten wurden in ein Kategorienschema eingeordnet. Dieses
wurde zuvor aufgrund der herangezogenen Theorien, der Auseinandersetzung mit
den relevanten Rechtsfragen und nach Informationsgesprächen mit Experten
entwickelt und umfasste folgende Kategorien:
Kategorie 1: erforderliche Bildung
Unterkategorien: Schulabschluss
Deutschkenntnisse
Möglichkeiten zum Erwerb eines Schulabschlusses
Möglichkeiten zum Erwerb von Deutschkenntnissen
Kursangebot
Kategorie 2: Information
Unterkategorien: Information der Asylwerber
Informationsangebot Asylwerber
Information der Unternehmen
Informationsangebot Unternehmen
Kategorie 3: Vorstellungen der Asylwerber über Lehre
Unterkategorien: Berufswünsche
Erwartungen
Was ist Lehre?
Asylverfahren
Interesse an Lehre
Kategorie 4: Sicht der Unternehmen
Unterkategorien: Bereitschaft, Asylwerber als Lehrlinge einzustellen
Bedenken betreffend Einstellung von Asylwerbern
Kategorie 5: Zugang zu Lehrstelle
Unterkategorien: Mangellehrberufe
Bewerbung
Auswahlverfahren in den Unternehmen
9
Kategorie 6: rechtliche Voraussetzungen/ Bürokratie/ Auswirkungen
Unterkategorien: Beschäftigungsbewilligung
Regionalbeirat/ Arbeitsmarktprüfung
Hauptschulabschluss
wirtschaftliche Aspekte
Kategorie 7: Gruppe der Asylwerber
Unterkategorien: Alter
Geschlecht
Unterbringung
Betreuung
Aufnahme in Betreuung
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
3. Die innere Logik der Informationen innerhalb der einzelnen Interviews wurde unter
besonderer Berücksichtigung von Übereinstimmungen in der Bedeutung und
Widersprüchen hergestellt. Besonders aussagekräftige Passagen wurden
identifiziert.
4. Dies wurde unter weitergehender Detaillierung, Differenzierung und Präzisierung
schriftlich niedergelegt.
5. Ein Text mit Interviewausschnitten wurde erstellt und mit dem transkribierten Text
verglichen.
6. Mit Hilfe der theoretischen Erklärungsansätze und der aus anderen Quellen
abgeleiteten Erkenntnisse (Rechtsnormen, Literatur, Daten) wurden die
gewonnenen Inhalte interpretiert und die Auswertung dargestellt.
3. Herausforderungen für junge Asylwerber am Lehrstellenmarkt
3.1 Benachteiligung von jungen Migranten in der Lehrausbildung
In Österreich sinkt der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (nicht-
österreichische Staatsbürgerschaft bzw. nicht-deutsche Umgangssprache) ab der 9.
Schulstufe merkbar und reduziert sich in der 12. Schulstufe auf rund die Hälfte. Es fällt
auf, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund in diesem Bildungszweig stark
unterrepräsentiert sind (vgl. Dornmayer/Nowak 2013: 38). Da es sich bei den
Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufgrund von Herkunftsländern, Migrationsgrund,
Aufenthaltsstatus etc. um eine sehr heterogene Gruppe handelt, gilt dies für den
10
Gesamtdurchschnitt, individuelle Subgruppen können sich in der Bildungslaufbahn stark
unterscheiden. Wie Studien zeigen, verlassen Jugendliche mit Migrationshintergrund
generell früher das weiterführende Bildungssystem und verfügen häufiger lediglich über
einen Pflichtschulabschluss als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (vgl.
Dornmayer/Nowak 2006: 4). Wenn man den Bereich der Lehrlingsausbildung getrennt
betrachtet, fällt der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund noch deutlich
geringer aus. So lag im Schuljahr 2011/12 der Anteil von Kindern mit nicht-deutscher
Umgangssprache in Volksschulen und Polytechnischen Schulen bei rund 25 % und in den
AHS auch noch bei 14,2 %, während er in den Berufsschulen lediglich bei 10,6 % lag (vgl.
Dornmayer/Nowak 2013: 42). Hinsichtlich des Anteils von Jugendlichen mit nicht-
deutscher Umgangssprache, die eine Berufsschule besuchen, zeigen sich jedoch (bedingt
durch die unterschiedlichen Anteile von Migranten an der Bevölkerung) große
Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern (Wien: 34,9 %, Niederösterreich:
4,2% Schüler mit nicht-deutscher Umgangssprache [vgl. Dornmayer/Nowak 2013: 44];
anders nach der Arbeitsmarktstatistik: Wien: 35,5%, Niederösterreich: 10,8% [vgl.
Biffl/Skrivanek 2014: 21, Abb. 4]). Zu beachten ist, dass die Umgangssprache lediglich
ein näherungsweiser Indikator für einen Migrationshintergrund sein kann, da es Hinweise
gibt, dass die diesbezüglichen Angaben oft ungenau sind. Dies liegt einerseits in
vereinfachenden Erhebungsvorgängen an den Schulen, andererseits kommt es vor, dass
die Umgangssprache aus Angst vor Nachteilen (insbesondere im Falle von
Minderheitensprachen) oder auf eigenen Wunsch der Schüler mit Deutsch angegeben
wird (vgl. Biffl/Skrivanek 2014: 13). Auch die Daten der Wirtschaftskammer, bei denen
ausschließlich auf die Staatsbürgerschaft abgestellt und die Umgangssprache nicht
berücksichtigt wird, kommen zu ähnlichen Ergebnissen (Wien: 16,2 %, Bgld. 4,6 %
Lehrlinge mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft [vgl. Dornmayr/Nowak 2013: 45]).
Es wird davon ausgegangen, dass die ethnische Segmentierung des Wiener
Arbeitsmarktes (vgl. Fassmann 1997; Biffl 2000; BMASK 2010) in Verbindung mit
diskriminierenden Praktiken bei der Lehrlingsauswahl (vgl. Imdorf 2010) wesentliche
Faktoren für die Benachteiligung junger Asylwerber am Lehrstellenmarkt darstellen.
3.2 Ethnische Segmentierung des Arbeitsmarktes
Empirisch zeigt sich (vgl. Sengenberger 1978: 19), dass bestimmte Gruppen von
Arbeitnehmern dauerhaft von Teilen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen sind. Diese
Gruppen, zu denen auch Jugendliche und Migranten zählen können, haben schlechtere
Beschäftigungschancen, sie sind oft auf schlecht bezahlte oder prekäre Arbeitsplätze
11
beschränkt und häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen (vgl. Sengenberger 1978: 19). Man
kann von einer Arbeitsmarktsegmentation oder Arbeitsmarktspaltung (vgl. Sengenberger
1978) sprechen.
Für den Wiener Arbeitsmarkt wurde bereits Ende der 1990er-Jahre eine starke ethnische
Strukturierung festgestellt (vgl. Biffl 2000). Wie schon 1988 waren auch 1993
ausländische Arbeitskräfte vorwiegend in den Bereichen Bauwesen, Tourismus und
Reinigung beschäftigt (vgl. Fassmann 1997: 26). Auch im Jahr 2014 waren Ausländer zu
einem großen Teil in den Bereichen Baugewerbe, Handel, Gastgewerbe und
Dienstleistungen beschäftigt:
Tabelle 1: Beschäftigte Ausländer in Wien nach Branchen (Jahresdurchschnitt 2014)
Quelle: HSV, 27.01.2015, eigene Bearbeitung
Aktuell stellt auch das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
(vgl. BMASK 2010) strukturelle Probleme insbesondere durch eine immer stärkere
Segmentierung des österreichischen Arbeitsmarktes fest und richtet seine aktuellen, für
mehrere Jahre gültigen arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben danach aus: Unter die
besonders von Arbeitslosigkeit betroffenen Personengruppen fallen demnach
insbesondere auch solche, bei denen individuelle Problemsituationen vorliegen.
M + F Männer Frauen
insgesamt 188 560 101 677 86 883
Land- und Forstw irtschaft, Fischerei 536 307 229
Bergbau und Gew innung von Steinen und Erden 56 42 14
Verarbeitendes Gew erbe / Herstellung von Waren 10 806 7 371 3 435
Energieversorgung 305 197 108
Wasserversorgung; Abw asser- und Abfallentsorgung
und Beseitigung von Umw eltverschmutzungen
325 285 40
Baugew erbe / Bau 20 491 19 386 1 105
Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 29 312 13 713 15 599
Verkehr und Lagerei 8 726 7 530 1 196
Gastgew erbe / Beherbergung und Gastronomie 22 674 12 132 10 542
Information und Kommunikation 6 116 3 965 2 151
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 5 102 2 583 2 519
Grundstücks- und Wohnungsw esen 5 103 2 099 3 004
Erbringung von freiberuflichen, w issenschaftlichen
und technischen Dienstleistungen
11 868 5 858 6 010
Erbringung von sonstigen w irtschaftlichen Dienstleistungen 23 915 11 801 12 114
Öffentliche Verw altung, Verteidigung; Sozialversicherung 9 318 2 621 6 697
Erziehung und Unterricht 10 337 4 464 5 873
Gesundheits- und Sozialw esen 13 754 3 182 10 572
Kunst, Unterhaltung und Erholung 3 428 1 874 1 554
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 5 341 1 968 3 373
Private Haushalte mit Hauspersonal; Herstellung von Waren
und Erbringung von Dienstleistungen durch private Haushalte
493 67 426
Exterritoriale Organisationen und Körperschaften 305 124 181
Wirtschaftsklasse unbekannt 249 108 141
BranchenBeschäftigte Ausländer
12
Migranten, die ohnehin oft in besonders von Arbeitslosigkeit betroffenen Branchen
arbeiten, seien besonders betroffen, da bei ihnen häufig komplexe
Problemkonstellationen wie beispielsweise schlechte Ausbildung oder mangelnde
Deutschkenntnisse vorliegen würden. In diesem Sinne sehen die Zielvorgaben des
BMASK daher auch speziell für jugendliche Migranten eine intensive Betreuung und die
Förderung der Eingliederung in den Arbeitsmarkt vor (vgl. BMASK 2010).
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die theoretischen Ansätze gegeben, die für
die Untersuchung der Zugangsmöglichkeiten und -hürden von jungen Asylwerbern auf
dem Lehrstellenmarkt berücksichtigt wurden. Die herangezogenen Erklärungsansätze
entstanden im Wesentlichen aus der Weiterentwicklung bzw. aus der Kritik des
orthodoxen neoklassischen Modells, das ebensowenig wie die Humankapitaltheorie
dauerhafte Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt erklären konnte. Angesichts der
Segmentierung des Wiener Arbeitsmarktes lässt sich insbesondere das Insider-Outsider-
Modell auf die Situation in Wien anwenden.
3.2.1 Das neoklassische (orthodoxe) Modell
In der neoklassischen Theorie wird der Arbeitsmarkt neben dem Kapitalmarkt und dem
Gütermarkt als ein Teil der Wirtschaft gesehen. Diese Märkte stehen zueinander in
Wechselbeziehung und befinden sich (in sich und auch miteinander) in einem
Gleichgewicht, das durch Lohn, Preis und Zins bestimmt ist (vgl. Pfriem 1978: 49). Da
angenommen wird, dass alle Arbeitskräfte in gleicher Weise produktiv und somit ersetzbar
sind („Homogenitätsbedingung“ [Pfriem 1978: 50]), ist der Arbeitsmarkt einheitlich und das
Bestehen von Teilarbeitsmärkten ist ausgeschlossen. Es herrschen Transparenz und
Mobilität, die Löhne unterliegen keinen sozialen Einflüssen. Jeder Einzelne strebt nach
größtmöglichem persönlichem Nutzen und hat dabei die gleichen Interessen wie alle
anderen Beteiligten. Der Arbeitsmarkt ist somit durchlässig und ein Arbeitsplatzwechsel
ohne Probleme und Kosten möglich (vgl. Pfriem 1978: 49). Ungleichverteilungen werden
lediglich als Abweichungen von der Norm gesehen, die auf „Friktionen“ und
„Unvollkommenheiten“ (Kreckel 1983: 146) auf dem Arbeitsmarkt beruhen. Dieses Modell
bietet somit keinen Raum für die Erklärung struktureller und dauerhafter
Chancenungleichheit.
3.2.2 Die Humankapitaltheorie
In den 1960er-Jahren erfuhr das neoklassische Modell verschiedenste Änderungen bzw.
Erweiterungen, um es den realen Gegebenheiten anzunähern. Mit der
13
Humankapitaltheorie ging man von der Homogenitätsbedingung ab und nahm Arbeitskraft
nunmehr als „quasi-fixen“ (Pfriem 1978: 50) Faktor an, der dem Sachkapital
gegenübersteht und dessen Produktivität von den getätigten finanziellen Aufwendungen
für die Erlangung von Qualifikationen („Humankapitalinvestitionen“ [Kreckel 1983: 146])
abhängt. Indem der Mensch als „homo oeconomicus“ (Pfriem 1978: 50) nach
größtmöglichem Einkommen trachtet, investiert er in Ausbildung und verbessert so seine
Position am Arbeitsmarkt. Einkommensunterschiede und die ungleiche Verteilung von
Einkommen werden als Folge ungenügender Investitionen in den Erwerb von beruflichen
Qualifikationen gesehen. Dieses Modell übersieht jedoch, dass Investitionen in berufliche
Qualifikationen in der Realität nicht notwendiger Weise auch zu einem höheren
Einkommen führen. Außerdem kann damit nicht erklärt werden, weshalb Personen mit
gleicher Ausbildung, aber beispielsweise unterschiedlicher Nationalität oder Geschlechts,
nicht den gleichen Status und das gleiche Einkommen aufweisen können (vgl. Kreckel
1983: 146).
3.2.3 Die Segmentationstheorie
Ende der 1960er Jahre wurde klar, dass die Bemühungen der USA, durch die im
Wesentlichen auf neoklassischen Ansätzen beruhenden arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen die Situation benachteiligter Gruppen zu verbessern, nicht den gewünschten
Erfolg gebracht hatten. Daneben kam es auch zu keiner nennenswerten
Weiterentwicklung der neoklassischen Theorien. Diese Umstände begünstigten das
Entstehen neuer Denkansätze, sodass Ende der 1960er Jahre erstmals der Begriff
Arbeitsmarktsegmentation auftauchte (vgl. Sengenberger 1978: 17).
Um die Benachteiligungen insbesondere der afro-amerikanischen Bevölkerung in den
großen amerikanischen Städten verstehen zu können, wurde zunächst die Hypothese des
dualen Arbeitsmarktes (vgl. Piore 1978: 68) entwickelt, wonach der Arbeitsmarkt aus zwei
Sektoren besteht, die grundsätzlich verschieden sind und zwischen denen ein Wechsel
von Arbeitskräften kaum möglich ist: Die Arbeitsplätze im primären Sektor sind gut
bezahlt, es herrschen gute Arbeitsbedingungen, die Rechte der Arbeitnehmer werden
respektiert und sie haben Aufstiegschancen. Dieser Sektor ist gekennzeichnet von
stabilen Beschäftigungsverhältnissen. Der sekundäre Sektor dagegen umfasst schlecht
bezahlte, wenig stabile, von ungünstigen Arbeitsbedingungen und (aufgrund des stark
personalisierten Verhältnisses zum Arbeitgeber) potentiell unfairen Verhältnissen
gekennzeichnete Arbeitsplätze, die kaum Aufstiegschancen bieten. Die
Arbeitnehmerfluktuation in diesem Sektor ist hoch. Piore (1978: 69) kritisiert, dass diese
duale Betrachtungsweise zu sehr auf die Probleme benachteiligter Gruppen fokussiert ist,
14
und weist darauf hin, dass die dem Primärsektor zugewiesenen Eigenschaften in der
Realität lediglich auf den unteren Teilbereich dieses Sektors zutreffen. Es gibt vielmehr
auch innerhalb des primären Sektors ein Segment, das hinsichtlich Fluktuation und
Mobilität eher dem sekundären Sektor entspricht. In diesem oberen Teilsektor bringen
diese beiden Aspekte – im Gegensatz zum sekundären Sektor – jedoch großteils einen
beruflichen Aufstieg mit sich.
Bezüglich der Entstehung dieser strengen Trennung des Arbeitsmarktes in zwei Sektoren
gibt es verschiedene Theorien. Die sogenannten „Radical Economists“ gehen davon aus,
dass die Unternehmen gezielt auf eine Trennung des Arbeitsmarktes hinwirken, um die
Arbeitnehmer besser beherrschen zu können („divide et impera“ [Kreckel 1983: 148]).
Dabei bleibt jedoch der Einfluss die Arbeitnehmerseite unberücksichtigt. Piore dagegen
führt die Trennung im Wesentlichen auf die unterschiedliche Stabilität von Arbeitsplätzen
und Arbeitskräften zurück (vgl. Piore 1978: 69). Demnach binden die Unternehmer, um
Transaktionskosten zu sparen, eine Kernbelegschaft durch verschiedene betriebliche
Maßnahmen (Bildung, Boni, Betriebspensionen etc.) an sich, sodass interne
Arbeitsmärkte entstehen. Um konjunkturelle Schwankungen ausgleichen zu können,
wird ein sogenannter externer Arbeitsmarkt aufrechterhalten, in dem eher gering
qualifizierte, kurzfristig verfügbare Arbeitskräfte bei Bedarf akquiriert werden können (vgl.
Kreckel 1983: 148).
Auch wenn es schwierig ist, die komplexen Zusammenhänge und strukturellen
Bedingungen zu analysieren, die zu einer Ungleichbehandlung am Arbeitsmarkt führen,
kann die Segmentationstheorie doch zumindest einen ersten Ansatz bieten.
3.2.4 Das Insider – Outsider-Modell
Mitte der 1980er Jahre entwickelten Lindberg und Snower die Insider-Outsider-Theorie
zur Erklärung nachhaltiger Arbeitslosigkeit und von Problemen der
Einkommensverteilung. Dieses Modell wurde in der Folge von Organisationen wie der
OECD und dem IWF angewendet (vgl. Lindbeck/Snower 2002: 1). Diese Theorie
beschäftigt sich mit der Frage, weshalb – entgegen der Annahme der neoklassischen
Theorie, wonach durch eine Senkung der Reallöhne Vollbeschäftigung erreicht werden
kann – Löhne trotz hoher Arbeitslosigkeit nicht sinken (vgl. Lindbeck/Snower 2001: 166)
und kann auch zur Erklärung der sozialen Exklusion bestimmter Personengruppen sowie
des Phänomens der Segmentierung des Arbeitsmarktes herangezogen werden.
15
Die Insider-Outsider-Theorie geht von dem Umstand aus, dass mit Personalfluktuation
regelmäßig „Arbeitsumwälzungskosten“ (Snower 1993: 461) (Fluktuationskosten), d.h.
beispielsweise Kosten der Anstellung und Entlassung von Personal sowie
Schulungskosten für neu eingetretene Mitarbeiter, verbunden sind und diese vorwiegend
die Arbeitgeber treffen (vgl. Snower 1993: 461 f.).
Es werden drei Gruppen von Arbeitnehmern identifiziert: Die Insider sind schon lange im
Betrieb beschäftigt und ihre Position wird durch die Fluktuationskosten geschützt, die die
Arbeitgeber von Kündigungen abhalten. Die Outsider hingegen genießen diesen Schutz
nicht. Sie sind arbeitslos oder im informellen Sektor beschäftigt. Die Neueingetretenen
schließlich belegen Arbeitsplätze, die ihnen potentiell Insider-Status bringen können.
Ursprünglich Outsider, können sie nach einer „Einweihperiode“ (Snower 1993: 464) durch
die Erlangung von Rechten sowie durch den Erwerb von Kenntnissen betreffend die
Manipulation von Fluktuationskosten die Position von Insidern erlangen. Je länger ein
Arbeitnehmer in einer Firma beschäftigt ist, desto stärker wird seine Insider-Position.
Dasselbe gilt umgekehrt für die Outsider, für die der (Wieder)Eintritt ins Arbeitsleben auch
durch den Verlust von betrieblichen Kontakten umso schwieriger wird, je länger die
Arbeitslosigkeit andauert (vgl. Lindbeck/Snower 2002: 2)
Die Insider nützen ihre Macht zu ihrem eigenen Vorteil. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit
resultiert somit aus einem Interessenkonflikt zwischen Insidern und Outsidern:
„The crucial assumption [of insider-outsider] is that it is costly to exchange a
firm’s current, full-fledged employees (the insiders) for unemployed workers
(the outsiders), and that the rent associated with this turnover cost can be
tapped by the insiders in the process of wage negotiation … Accordingly,
involuntary unemployment arises out of a conflict of interest between the
insiders and the outsiders“ (Lindbeck und Snower 1988 in: De Vroey 2004:
206)
Es lassen sich zwei Arten von Fluktuationskosten unterscheiden: Die
produktionsbezogenen Kosten fallen an, um Outsider für den Betrieb produktiv zu
machen. Darunter fallen Ausgaben für die Suche, Anwerbung und Ausbildung von
Arbeitnehmern. Die renten- (verhandlungs-) bezogenen Kosten stehen nicht im
Zusammenhang mit der Produktion sondern umfassen Kosten, die aus gesetzlichen
Bestimmungen zur Arbeitsplatzsicherung oder aus den Verhandlungsstrategien der
Insider entspringen. Es handelt sich dabei typischerweise um Abfertigungszahlungen,
automatische Gehaltsvorrückungen, Kündigungsschutz, Streikkosten etc. Schließlich
16
können Kosten auch dadurch entstehen, dass Insider sich untereinander unterstützen und
zusammenarbeiten, während sie sich gegenüber neu eingetretenen Mitarbeitern
unkooperativ zeigen oder diese schikanieren, sodass deren Produktivität sinkt. Dies
betrifft besonders die Arbeit in Teams (vgl. Snower 1993: 465; Lindbeck/Snower 2002: 3).
Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung von
allgemeinem und betriebsspezifischem Wissen: Während allgemeines Wissen auf dem
Arbeitsmarkt einen Marktwert hat, verhilft betriebsspezifisches Wissen, das
typischerweise mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses steigt, zu Insider-Macht, da es
höhere Fluktuationskosten verursacht (vgl. Biffl 1999: 21, 31).
Insider haben direkten Einfluss auf die Fluktuationskosten, da sie einerseits an den
Lohnverhandlungen beteiligt sind und andererseits das Arbeitsklima bzw. die Produktivität
im Betrieb maßgeblich beeinflussen können. Outsider haben diese Möglichkeiten
dagegen nicht. Sie sind von Lohnverhandlungen ausgeschlossen und können lediglich
indirekt Einfluss nehmen: Solange die Forderungen der Insider in einem Rahmen bleiben,
der sie als für das Unternehmen rentabler als die Outsider erscheinen lässt, haben
Outsider wenig Chancen auf Beschäftigung und gleiche Bezahlung. Sie geraten in die
Langzeitarbeitslosigkeit oder arbeiten in Positionen, in denen sie trotz Bereitschaft zu
Lohnabstrichen keine Chance auf die Erreichung von Insider-Status haben (vgl. Snower,
1993: 462; Lindbeck/Snower, 2001: 167f.).
Das Insider-Outsider-Modell kann nicht nur Einkommensunterschiede sondern auch
soziale Ungleichheiten erklären: Die Position von Outsidern auf dem Arbeitsmarkt trägt
wesentlich zur sozialen Exklusion einzelner Bevölkerungsgruppen bei (vgl.
Lindbeck/Snower, 2001: 170). Die Insider-Outsider-Theorie kann auch zur Erklärung von
Arbeitsmarktsegmentierung angewendet werden: Da im primären Sektor die
Fluktuationskosten im Gegensatz zum sekundären Sektor erheblich sind, haben Insider
im primären Sektor größeren Einfluss, wogegen im sekundären Sektor mehr Konkurrenz
und damit größere Beschäftigungschancen bestehen (vgl. Lindbeck/Snower, 2001: 176).
3.2.5 Benachteiligung von Migranten am Arbeitsmarkt in Österreich
Ausgehend von segmentationstheoretischen Ansätzen und den Überlegungen
Sengenbergers (vgl. Sengenberger 1987), der die Bedeutung institutionalisierter Regeln
für die Stabilität und Dauerhaftigkeit der Undurchlässigkeit des Arbeitsmarktes betonte,
wies Fassmann (vgl. Fassmann 1997) Ende der 1990er Jahre darauf hin, dass die
ethnische Strukturierung des Arbeitsmarktes in Österreich wesentlich auf die – auf
politische Entscheidungen der Interessenvertreter und Parteien zurückgehenden –
17
gesetzlichen Regelungen der Arbeitsmigration zurückzuführen seien. Dies unterscheide
den österreichischen Arbeitsmarkt beispielweise von jenem der USA, wo entsprechende
Regelungen weitgehend fehlen. Anfang der 1960er Jahre, als in Österreich weitgehend
Vollbeschäftigung herrschte, kam es durch den wirtschaftlichen Aufschwung zu einem
Mangel an Arbeitskräften. Inländische Arbeitnehmer waren nicht mehr bereit, in weniger
gut bezahlten und durch schlechte Arbeitsbedingungen gekennzeichneten Branchen zu
arbeiten. So entschied man sich dem Beispiel Deutschlands folgend für die Einführung
des sogenannten „Gastarbeitermodells“ und schloss Anwerbeabkommen mit Spanien, der
Türkei und dem damaligen Jugoslawien (vgl. Fassmann 1997: 158).
Die Anwerbung und Unterbringung von Arbeitskräften auf dem österreichischen
Arbeitsmarkt erfolgte nach strengen Regeln. Zwar wurden Faktoren von Angebot und
Nachfrage berücksichtigt, die jährlichen Kontingentvereinbarungen waren jedoch auch
wesentlich von politischen Absichten (Gewerkschaften, Arbeitnehmer- und
Arbeitgebervertretungen) getragen (vgl. Fassmann 1997: 159). Ausländische Arbeitskräfte
konnten ihren Arbeitsbereich nicht frei wählen, ihnen wurden Arbeitsplätze zugewiesen.
Sie übernahmen in der Folge jene Stellen in Gewerbe und Industrie, für die sich keine
inländischen Arbeitnehmer finden ließen, sowie im Dienstleistungsbereich solche, die sich
durch schlechte Entlohnung, geringe Qualifikation und soziale Nichtanerkennung
auszeichneten (vgl. Fassmann 1997: 158, 161).
Das österreichische System der Ausländerbeschäftigung war bis zur Einführung eines an
der Erfüllung bestimmter Kriterien anknüpfenden und eine auf Dauer ausgerichtete
Zuwanderung ermöglichenden Systems („Rot-Weiß-Rot-Karte“, § 3 AuslBG, §§ 41ff.
NAG) im Juli 2011 gekennzeichnet von Normen, die einerseits die Beschäftigung von
Ausländern genehmigungspflichtig machten und deren Aufteilung auf Branchen und
Bundesländer regelten, und andererseits Höchstzahlen für ausländische Beschäftigte
sowie generell für Zuwanderer festlegten (vgl. Fassmann 1997: 159, 160). Die
Positionierung ausländischer Arbeitskräfte erfolgte vorwiegend in unattraktiven Bereichen
ohne die Möglichkeit, dieses Arbeitsmarktsegment zu verlassen (vgl. Fassmann 1997:
164, 165, 167). Hinzu kam, dass diese Positionen von hoher Fluktuation gekennzeichnet
waren. Der Hintergrund dieser Regelungen kann nach Fassmann (vgl. Fassmann 1997:
164, 165, 167) in humankapitaltheoretischen Überlegungen gesehen werden: Demnach
macht es in einem nicht auf dauerhafte Zuwanderung ausgelegten System wenig Sinn,
Bildungsinvestitionen für Personen zu tätigen, indem man sie auf Arbeitsplätzen einsetzt,
die die Aneignung berufs- und betriebsspezifischen Wissens erlauben, wo doch ihr
18
Verbleib in Österreich nicht auf Dauer angelegt war, da sie lediglich als „Lückenfüller“ in
Zeiten erhöhter Nachfrage erwünscht waren.
Biffl (1999) setzte sich im Lichte einer in den 1980er und 1990er-Jahren in Österreich
stark steigenden Jobfluktuation auch mit der Position ausländischer Arbeitskräfte in
Österreich auseinander. Ausgehend vom Insider-Outsider-Modell zählen demnach
Ausländer eher zu den Outsidern als zu den Insidern (vgl. Biffl 1999: 20). Ihre
Beschäftigungsverhältnisse dauern weniger lang, sie haben eine geringere Jobsicherheit
und sie sind in geringem Ausmaß als Inländer in Kernbelegschaften zu finden (vgl. Biffl
1999: 21, 31). Als Gründe für diese Positionierung als Outsider kommen auch rechtliche
Aspekte in Betracht: So wird eine Beschäftigungsbewilligung nur für ein Jahr erteilt, was
naturgemäß einer langfristigen Eingliederung hinderlich sein kann. Des Weiteren werden
Inländer nach den gesetzlichen Bestimmungen (jedenfalls im Bereich der Regelungen
betreffend die temporäre Zuwanderung; siehe dazu unten 6.3.3) auf dem Arbeitsmarkt
bevorzugt (Inländerschutzgedanke) (vgl. Biffl 1999: 5, 6).
Gerade Asylwerber, die einerseits einen unsicheren rechtlichen Status haben und deren
Zugang zum Arbeitsmarkt – wie noch ausgeführt werden wird – extrem eingeschränkt ist,
kann sich die ethnische Segmentierung des österreichischen und im konkreten Fall des
Wiener Arbeitsmarktes sehr stark auf ihre Möglichkeit, eine Arbeits- bzw. Lehrstelle zu
finden, auswirken.
3.3 Die Lehrlingsauswahl in den Betrieben
Dass die Benachteiligung oder ethnische Diskriminierung im Sinne einer
Bewerberauswahl nach an Ethnizität statt an Leistung orientierten Gesichtspunkten eine
Rolle beim Zugang zu Erwerbstätigkeit spielt, wurde durch zahlreiche Forschungen belegt
und theoretisch zu erklären versucht (vgl. zusammenfassend Devah/Shepherd 2008).
Imdorf (2010) weist darauf hin, dass nicht alle diese Theorien auch die Motivation der
Arbeitgeber erklären können, diskriminierende Kriterien bei der Auswahl von Lehrlingen
anzuwenden (vgl. Imdorf 2010: 198f.). Zwar zieht das Insider-Outsider-Modell auch
betriebsinterne Vorgänge wie mangelnde Kooperation, schlechte Teamarbeit, mangelnde
Unterstützung der Insider gegenüber den Outsidern als Faktoren für die Steigerung der
Fluktuationskosten heran (vgl. Lindbeck/Snower 2001: 167). Jene Ansätze, denen der
Gedanke der Produktivität zugrunde liegt, würden jedoch Diskriminierung oft auf die
Bewertung der individuellen Produktivität des Bewerbers durch den Arbeitgeber
reduzieren, die diese entweder auf empirische Belege (statistische Diskriminierung) oder
auf ihr Gefühl (implizites Vorurteilsmodell) stützen (vgl. Imdorf 2010: 200). Dabei würden
19
die komplexen, ebenso für den wirtschaftlichen Erfolg maßgebenden Strukturen innerhalb
der Betriebe außer Acht gelassen. Dazu gehören die sozialen Beziehungen innerhalb der
Belegschaft, die dazu führen können, dass im Sinne der Vermeidung von Spannungen
lediglich solche Personen aufgenommen werden, die „sozial möglichst gut in eine
‚bestehende‘ inländische Belegschaft ‚passen‘ “ (Imdorf 2010: 200), ebenso wie der
Wunsch der Arbeitgeber nach fügsamen Mitarbeitern. Wird der Unterordnungswille von
Ausländern thematisiert, kann dies zu einer Diskriminierung führen. Des Weiteren dürfen
auch die Markt- und Kundenbeziehungen der Betriebe nicht unbeachtet bleiben, da es
denkbar ist, dass Kunden ihre Entscheidung für ein Produkt (auch) von diskriminierenden
Kriterien abhängig machen. Ein soziologischer Ansatz berücksichtigt daher insbesondere
die Sozialbeziehungen der Betriebe (innerhalb sowie auch zur Kundschaft), die sich
wesentlich auf die Produktivität auswirken. Während es sich beim Insider-Outsider-Modell
um eine ökonomische Theorie (vgl. Lindbeck/Snower 2001: 166) handelt, kommt bei
Imdorf (2010: 202) einem organisationssoziologischen Zugang große Bedeutung zu.
Imdorf (2010) befasste sich mit der Gruppe ausländischer Jugendlicher, die auf dem von
Klein- und Mittelbetrieben dominierten Schweizer Lehrstellenmarkt eine Lehrstelle
suchen. Auch in Wien überwiegen kleine und mittlere Unternehmen gerade in den für
Migranten bedeutsamen Branchen, weshalb die Ansätze Imdorfs (2010) auch auf den
Wiener Kontext übertragbar sind.
Tabelle 2: Betriebsgrößen in Wien (2012, ausgewählte Branchen)
20
Quelle: Statistik Austria, 30.01.2015, eigene Bearbeitung
Imdorf (2010) ging davon aus, dass es dabei im Regelfall zu Diskriminierung kommt und
führte dies im Wesentlichen auf das Fehlen gesetzlicher Regelungen bei der
Stellenvergabe, der üblicherweise großen Anzahl der Bewerbungen und der dadurch
großen Wahlfreiheit bei der Kandidatenauswahl sowie mangelnde Fachkompetenzen und
Zeitdruck auf Seiten der Personalverantwortlichen zurück (vgl. Imdorf 2010: 198, 199).
Er geht davon aus, dass Ausbildungsbetriebe hinsichtlich ihres Bestehens am Markt unter
einem gewissen Erfolgsdruck stehen, weshalb die Ausbildung eines Lehrlings sich aus
Sicht des Betriebes früher oder später rechnen solle. Hinzu kommt, dass der Lehrling
auch in der Belegschaft und bei Kunden bzw. Geschäftspartnern auf Akzeptanz stoßen
muss. Schließlich muss die Auswahl der Lehrlinge oft unter Zeitdruck geschehen und es
kann aufgrund der Anforderungsprofile nahezu unmöglich sein, einen Lehrling zu finden,
der alle geforderten Kriterien erfüllt. Zur Legitimierung von Personalentscheidungen sind
B eschäft igten- A nzahl der
grö ß enklasse Unternehmen
INSGESAMT insgesamt 74.188
INSGESAMT 0-9 65.588
INSGESAMT 10-19 4.597
INSGESAMT 20-49 2.417
INSGESAMT 50-249 1.277
INSGESAMT 250 und mehr 309
Bau insgesamt 5.490
Bau 0-9 4.411
Bau 10-19 625
Bau 20-49 320
Bau 50-249 114
Bau 250 und mehr 20
Handel insgesamt 15.507
Handel 0-9 13.463
Handel 10-19 1.117
Handel 20-49 575
Handel 50-249 286
Handel 250 und mehr 66
Beherbergung und Gastronomie insgesamt 6.161
Beherbergung und Gastronomie 0-9 4.911
Beherbergung und Gastronomie 10-19 741
Beherbergung und Gastronomie 20-49 359
Beherbergung und Gastronomie 50-249 132
Dienstleistungen insgesamt 25.630
Dienstleistungen 0-9 23.540
Dienstleistungen 10-19 1.100
Dienstleistungen 20-49 563
Dienstleistungen 50-249 364
Dienstleistungen 250 und mehr 63
B ranchen
21
die Verantwortlichen daher auf Rechtfertigungsmechanismen angewiesen (vgl. Imdorf
2010: 203).
Die Rechtfertigungstheorie von Boltanski und Thévenot (siehe dazu ausführlich
Boltanski/Thévenot 2007) nimmt die Existenz verschiedener „Welten“ an, denen jeweils
ein eigenes, auf den sozialen Zusammenhalt gerichtetes Ordnungsprinzip innewohnt. Die
Qualität („Größe“) einer Person wird daran gemessen, inwieweit sie Eigenschaften
aufweist, die zur Aufrechterhaltung des sozialen Zusammenhalts und somit zum Wohle
der Gemeinschaft beitragen kann. Personalentscheidungen erscheinen demnach dann
als gerechtfertigt, wenn die Auswahlkriterien in Hinblick auf das (betriebliche) Gemeinwohl
als förderlich erachtet und unter diesem Blickwinkel als fair angesehen werden (vgl.
Imdorf 2010: 203).
In Anlehnung an das Konzept der Rechtfertigungsordnung erörtert Imdorf (2010: 204f.)
die verschiedenen betrieblichen Welten und die diesbezüglichen Hindernisse, die sich
ausländischen Arbeitssuchenden entgegenstellen. In der „industriellen Welt“ eines
Betriebes, d.h. im Rahmen der technischen Produktionsprozesse, ist es zur
Aufrechterhaltung höchstmöglicher Effizienz wichtig, dass diese Produktionsprozesse
möglichst wenig gestört werden. Die Größe eines Bewerbers wird folglich an seiner
Effizienz, Produktivität und Funktionsfähigkeit gemessen (vgl. Boltanski/Thévenot 2007:
267f.). In der „häuslichen Welt“, worunter man die soziale Gruppe im Sinne der
Belegschaft verstehen kann und die von persönlichen Abhängigkeiten bestimmt ist (vgl.
Boltanski/Thévenot 2007: 228f.), liegt der Schwerpunkt auf den sozialen Beziehungen
unter den Mitarbeitern. Diese sind insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben im Sinne
des Vorliegens von sozialer Kontrolle, Anerkennung von Autorität etc. (vgl.
Boltanski/Thévenot 2007: 237f) familienähnlich ausgebildet, sodass ausländische
Arbeitnehmer oftmals als Störfaktoren, die den Fortbestand des Betriebes gefährden
könnten, gesehen werden. Was die Kundenbeziehungen anbelangt, fallen diese in
mehrere „Welten“. In der „projektbasierten Polis“ (Boltanski/Chiapello 2003 in Imdorf
2010: 208) zählen kommunikative Kompetenzen (vgl. Boltanski o.J.), in der häuslichen
Welt kommt harmonischen persönlichen Beziehungen große Bedeutung zu, während
schließlich der Lehrling aus Sicht des Arbeitgebers auch in der „Welt des Marktes“ (Imdorf
2010: 208) verortet ist, da er möglicherweise Kundenbindungen gefährden könnte.
Um die Größe eines Bewerbers in den für den Betrieb relevanten Welten erheben zu
können, bedienen sich Personalentscheider verschiedener sogenannter
„Bewährungsproben“ (Imdorf, 2010: 209f. mVa Boltanski/Chiapello, 2003). Je nach Art der
betrieblichen Welt kommen dabei typischerweise spezifische Prüfmethoden zur
22
Anwendung. So kommt in der „industriellen Welt“ der Leistungsmessung besondere
Bedeutung zu, während sich in der „häuslichen Welt“ Personalverantwortliche bei der in
diesem Bereich zentralen Beurteilung der sozialen Passung des Bewerbers eher auf ihr
Gefühl verlassen.
Folgende Bewährungsproben können unterschieden werden (vgl. Imdorf 2010: 211):
Beim betrieblich individualisierten Praxistest wird die Größe des Bewerbers durch
Tests, die im Betrieb selbst in Anwesenheit (auch mehrerer) Mitarbeiter als Prüfer
stattfinden, ermittelt. In Frage kommen hier Betriebspraktika, „Schnupperlehre“,
Vorstellungsgespräche, im Betrieb durchgeführte Tests. Wenn sich ein Betrieb einer
anderen Institution als Prüfer bedient, spricht man vom delegierten individualisierten
Praxistest. Darunter fallen etwa die Heranziehung von Schulzeugnissen,
Praktikumszeugnisse anderer Betriebe und Referenzschreiben. Bei der auf betrieblicher
Erfahrung basierten kollektivistischen Bewährungsprobe wird die Beurteilung des
Bewerbers auf Erfahrungen im Betrieb mit Personen, die ähnliche Merkmale wie der
Bewerber aufweisen, gestützt. Damit vergleichbar ist die delegierte erfahrungsbasierte
kollektivistische Bewährungsprobe, bei der die (schlechten) Erfahrungen Dritter als
Kriterium herangezogen werden. Bei der imaginären kollektivistischen
Bewährungsprobe schließlich ist eine Überprüfung durch Erfahrungswissen überhaupt
nicht möglich, da sich diese ausschließlich auf Vorurteile und Stereotypen gründet.
Nach Imdorf (2010) liegt eine diskriminierende Bewährungsprobe vor, „wenn die
individuelle Größe eines Bewerbers im Selektionsprozess nicht angemessen beurteilt wird
und die Verzerrung der Beurteilung mit einem sozialen Gruppenmerkmal variiert“ (Imdorf
2010: 213). Ohne dass dies mittels Erfahrungswissen oder Praxistests verifiziert wurde,
wird ein soziales Merkmal als für den Betrieb problematisch eingestuft. Weniger als bei
den Praxistests ist dies insbesondere bei den Bewährungsproben 3, 4 und 5 der Fall. Bei
diesen stützt sich der Betrieb bei der Beurteilung der Größe eines Bewerbers nämlich
nicht auf sein Erfahrungswissen sondern auf die Annahme eines beim Bewerber
vorliegenden sozialen Merkmals, das dieser aufweist und das ihn als einer aus Sicht des
Betriebes problematischen Gruppe zugehörig erscheinen lässt. Darüber hinaus können
die Bewährungsproben 2 bis 5, welche wesentlich ressourcen- und zeitsparender sind, zu
einer diskriminierenden Vorselektion führen und sogar die (kostenintensiveren)
Praxistests überflüssig machen.
23
Tabelle 3: Bewährungsproben
Quelle: Imdorf, 2010: 211, eigene Bearbeitung
Das Zusammentreffen zweier wesentlicher Kriterien der Personalauswahl – Minimierung
des künftigen Störungsrisikos sowie der Kosten des Personalauswahlverfahrens – führt
somit insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben, die meist nicht so stark unter der
Beobachtung der Öffentlichkeit stehen und daher weniger um ihr Ansehen fürchten
müssen, oft zu organisationaler Diskriminierung (vgl. Imdorf 2010: 214).
In der Praxis zeigt sich, dass es mitunter bereits durch die in den
Lehrstellenausschreibungen enthaltenen Anforderungen an das Deutschniveau oder die
Staatsbürgerschaft zu einer Vorselektion und somit zu einem Ausschluss ganzer
Bevölkerungsgruppen kommen kann (vgl. Klaus/Halbwirth 2004). Im Auswahlverfahren
legen Unternehmen großen Wert auf das Auftreten und Verhalten der Jugendlichen im
Bewerbungsgespräch. Gutes Benehmen und der persönliche Eindruck werden dabei
durch die schulischen Leistungen ergänzt (vgl. Zeitler 2004). Allerdings kommt in
Österreich der Initiativbewerbung und der „Schnupperlehre“ große Bedeutung zu (vgl.
Zeitler 2004), was den Jugendlichen die Möglichkeit bieten kann, diskriminierende
Abschnitte des Auswahlverfahrens zu vermeiden und sich in einem objektiveren Prozess
bewähren zu können. Es ist denkbar, dass ein Betriebspraktikum oder eine
„Schnupperlehre“ auch die Chancen von Asylwerbern auf eine Lehrstelle erhöhen kann.
4. Asylrechtlicher Rahmen
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit der Situation von Asylwerbern.
Um darzustellen, welcher Personenkreis unter diesen Begriff fällt und wann diese
Eigenschaft beginnt bzw. endet, wird im Folgenden ein kurzer Abriss des Asylverfahrens
gegeben. Dies soll auch helfen, häufig anzutreffende Missverständnisse aufzuklären, die
nicht zuletzt durch die oft in den Medien verwendeten, unterschiedlichen Begriffe
entstehen. Auf eine umfassende Beschreibung des im Asylgesetz 2005 (AsylG 2005)
geregelten österreichischen Asylrechts und auf die Darstellung der besonderen Lage im
Falle von Folgeanträgen (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) oder Sonderverfahren wie etwa
betriebsintern betriebsextern imaginiert
kollektivistische Probe
(wenig zuverlässig)
auf betrieblicher
Erfahrung basierte
Bewährungsprobe (3)
delegierte,
erfahrungsbasierte
Bewährungsprobe (4)
imaginäre
Bewährungsprobe (5)
IndividualisierungsgradOrt der Bewährungsprobe
betrieblicher Praxistest
(1)
delegierter Praxistest
(2)--
individualistische Probe
(eher zuverlässig)
24
Familienverfahren (§§ 34 f. AsylG 2005) oder Flughafenverfahren (§§ 31 f. AsylG 2005)
muss verzichtet werden, da dies den Rahmen der Arbeit bei weitem sprengen würde und
im gegebenen Zusammenhang auch nicht relevant ist. Ebensowenig kann auf die
verschiedenen Rechtslagen bzw. Übergangsbestimmungen eingegangen werden. Es
werden vielmehr die wichtigsten, für die Asylwerbereigenschaft bzw. das damit
verbundene Aufenthaltsrecht relevanten Bestimmungen überblicksmäßig dargestellt,
soweit sie für das Verständnis der Zusammenhänge in Hinblick auf den
Forschungsgegenstand relevant sind.
4.1 Einleitung des Verfahrens
Für die Einleitung eines Asylverfahrens in Österreich bedarf es grundsätzlich eines
Antrags auf internationalen Schutz in Österreich, wobei das AsylG 2005 zwischen der
Stellung (§ 17 Abs. 1 AsylG 2005) und der Einbringung (§ 17 Abs. 2 AsylG 2005) des
Antrags unterscheidet (vgl. Schrefler-König, 2014: § 17 Anm. 1). Dies wird vom
Gesetzgeber als notwendig erachtet, da ein Antragsteller vor aufenthaltsbeendenen
Maßnahmen (§ 2 Abs. 1 Z. 27 AsylG 2005; Rückkehrentscheidung: § 52
Fremdenpolizeigesetz (FPG), Anordnung zur Außerlandesbringung: § 61 FPG,
Ausweisung: § 66 FPG, Aufenthaltsverbot: § 67 FPG) geschützt werden muss, sobald er
in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, auch wenn das
Asylverfahren erst begonnen werden kann, wenn der Fremde persönlich erscheint und
seinen Antrag bei der zuständigen Behörde eingebracht hat (vgl. ErläutRV 952). Die
Unterscheidung ist insbesondere deshalb relevant, da der Fremde erst ab der
Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz als Asylwerber behandelt wird (siehe
unten 4.2).
Ein Antrag auf internationalen Schutz kann gemäß § 17 Abs. 1 AsylG 2005 bei jedem
Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, bei einer Sicherheitsbehörde oder bei einer
Erstaufnahmestelle gestellt werden. Andere Behörden sind verpflichtet, diese Stellen zu
verständigen, wenn ein Fremder (fälschlicherweise) bei ihnen um Schutz ersucht hat (§
17 Abs. 5 AsylG 2005). Je nach Lage des Falles wird die Stellung eines Antrags auf
internationalen Schutz dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) von der
Erstaufnahmestelle gemeldet und der Fremde kann gegebenenfalls gemäß § 42 Abs. 2
BFA-VG dem Bundesamt vorgeführt werden. Ab der Stellung des Antrags auf
internationalen Schutz genießt der Fremde gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 faktischen
Abschiebeschutz, was bedeutet, dass sein Aufenthalt in Österreich zulässig ist und er
25
(außer bei Folgeanträgen; siehe § 12a AsylG 2005) vor Ende seines Asylverfahrens
weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf.
4.2 Beginn der Asylwerbereigenschaft
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 ist ein Asylwerber:
„ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz […]“.
Der Antrag auf internationalen Schutz gilt gemäß § 17 Abs. 2 AsylG 2005 erst als
eingebracht, wenn er persönlich bei einer Erstaufnahmestelle gestellt wird (vgl. Schrefler-
König, 2014: § 17 Anm. 3). Dies kann auch im Zuge einer Vorführung (siehe oben)
geschehen. Durch die BFA-G-Durchführungsverordnung wurden insgesamt drei derartige
Stellen eingerichtet: Die Erstaufnahmestelle „Ost“ befindet sich in der Betreuungsstelle
des Bundes in Traiskirchen (Niederösterreich), die Erstaufnahmestelle „West“ in der
Betreuungsstelle des Bundes in St. Georgen im Attergau (Oberösterreich). Weiters
besteht die Erstaufnahmestelle „Flughafen“ am Flughafen Wien, Schwechat. In Österreich
geborene Kinder von Asylwerbern, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten
können einen Antrag auf internationalen Schutz auch bei einer Regionaldirektion des
Bundesamts oder einer Außenstelle der Regionaldirektion einbringen (§ 17 Abs. 3 AsylG
2005). Familienangehörigen von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, die
sich im Ausland befinden und die einen Antrag auf internationalen Schutz stellen
möchten, kann unter gewissen Umständen von den österreichischen
Vertretungsbehörden im Ausland auf Antrag ein Einreisevisum erteilt werden (§ 35 AsylG
2005). Dies betrifft im Wesentlichen minderjährige Kinder, Eltern minderjähriger Kinder,
Ehegatten und eingetragene Partner (zum genauen Umfang des Personenkreises siehe §
35 Abs. 5 AsylG 2005). Auch diese werden somit erst nach ihrer Einreise und der
Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz im Bundesgebiet zu Asylwerbern
(vgl. ErläutRV 330; Schrefler-König, 2014: § 35 Anm. 1, 2).
In § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wird definiert, was unter einem Antrag auf internationalen
Schutz zu verstehen ist. Die Formulierung „Antrag auf internationalen Schutz“ geht dabei
auf Art. 2 lit g der Status- oder Anerkennungsrichtlinie (nunmehr Art. 2 lit. h StatusRL
2011) zurück und soll entsprechende Einheitlichkeit gewährleisten (vgl. ErläutRV 952).
Das AsylG 2005 versteht unter einem Antrag auf internationalen Schutz
„das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in
Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt
26
als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei
Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf
Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten“ (§ 2 Abs. 1 Z 13
AsylG 2005).
Nach den Bestimmungen des AsylG 2005 sind – anders als in der StatusRL, die auf die
Drittstaatsangehörigkeit abstellt – Angehörige der Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen
(vgl. Frank/Anerinhof et al., 2012: 45; Schrefler-König, 2014: §§ 3 Anm. 1 und § 4a Anm.
1). Gemäß § 2 Abs. 1 Z 20a AsylG 2005, ist nämlich ein Fremder jede Person, die keine
österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Es können daher grundsätzlich auch
Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der europäischen Union Asylanträge in Österreich
stellen.
Für den Antrag ist keine bestimmte Form vorgesehen. Es muss lediglich erkennbar sein,
dass der Antragsteller in Österreich um Schutz vor Verfolgung im Sinne der Genfer
Flüchtlingskonvention (GFK) ersucht (vgl. Frank/Anerinhof, 2012: 45; Schrefler-König,
2014: § 2 Anm. 6). Er kann dies „auf welche Art auch immer“ (ErläutRV 952) tun und
muss sich auch nicht der deutschen Sprache bedienen oder den Antrag schriftlich
formulieren (vgl. Putzer, 2011: RZ 27). Bei der Beurteilung, ob ein Asylantrag vorliegt, ist
„ein großzügiger Maßstab anzulegen“ (VwGH 08.09.1999, 99/01/0248).
Der Antrag gilt sowohl als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als
auch des subsidiär Schutzberechtigten. Er muss – wie oben ausgeführt – in Österreich
persönlich bei der zuständigen Behörde gestellt bzw. eingebracht werden. Eine
Antragstellung im Ausland ist nicht möglich (vgl. Putzer, 2011: RZ 28).
Mit der Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz wird der Fremde zum
Asylwerber (vgl. Schrefler-König, 2014: § 17 Anm. 4).
4.3 Zulassungsverfahren
Mit der Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bei der Erstaufnahmestelle
beginnt das Asylverfahren, das grundsätzlich in dieser geführt wird. Sofern noch keine
Befragung erfolgt ist, wird eine solche binnen 48 (längstens 72) Stunden durch Organe
des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführt. Der Asylwerber erhält eine sogenannte
Verfahrenskarte (§ 50 Abs. 1 AsylG 2005), die ihn zum Aufenthalt in der
Erstaufnahmestelle berechtigt. Diese Karte gewährt ihm auch Zugang zu den Leistungen
der Grundversorgung (siehe unten Pkt. 4.6) und dient darüber hinaus der Dokumentation
27
der Verfahrensschritte bis zum Abschluss des Zulassungsverfahrens. Es werden zu
Beginn des Zulassungsverfahrens verschiedene Verfahrens- und Ermittlungsschritte
gesetzt (§ 29 Abs. 6 AsylG 2005), wie beispielsweise eine erkennungsdienstliche
Behandlung, eine Durchsuchung und gesundheitliche Untersuchungen. Der Asylwerber
wird über den Ablauf des Asylverfahrens in einer ihm verständlichen Sprache, die nicht
seine Muttersprache sein muss (ErläutRV 952), informiert und er wird von einem Organ
des Bundesamtes zu seinem Antrag einvernommen. Er darf (mit einigen Ausnahmen: §
15 Abs. 3b AsylG 2005) bis zum Abschluss dieser Schritte die Erstaufnahmestelle für die
Dauer von 120 Stunden nicht verlassen, wobei diese Frist gegebenenfalls um höchstens
48 Stunden verlängert werden kann (§ 15 Abs. 3a AsylG 2005). Wenn das Bundesamt
nicht beabsichtigt, das Verfahren zuzulassen oder dem Asylwerber den Status des
Asylberechtigten zuzuerkennen, ist ihm dies mitzuteilen. Er wird an einen Rechtsberater
verwiesen und gleichzeitig (vgl. ErläutRV 952) zu einer Einvernahme geladen. Er erhält
eine Aktenabschrift und es erfolgt die Rechtsberatung. Bei der darauf folgenden
Einvernahme, bei der dem Asylwerber das Ergebnis der Beweisaufnahme vorgehalten
wird und in der er selbst seine Fluchtgründe näher schildern und Beweismittel vorlegen
kann, ist der Rechtsberater anwesend. Gemäß § 19 Abs. 5 AsylG 2005 muss bei der
Einvernahme Minderjähriger der gesetzliche Vertreter anwesend sein.
Das Bundesamt kann bereits in der Erstaufnahmestelle inhaltlich über den Antrag auf
internationalen Schutz entscheiden (vgl. Frank/Anerinhof, 2012: S. 710; Schrefler-König,
2014: §§ 28 – 30 Anm. 3; siehe aber § 30 AsylG 2005). Wird eine solche Entscheidung
nicht bereits vor der Zulassung des Verfahrens gefällt, hat das Bundesamt eine
Prognoseentscheidung zu treffen: Es hat nach seinem Wissensstand zu beurteilen, ob der
Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich (wegen Drittstaatssicherheit; Schutz im
EWR-Staat oder in der Schweiz; Zuständigkeit eines anderen Staates aufgrund
vertraglicher Verpflichtung oder der sog. Dublin-Verordnung; res iudicata) zurückzuweisen
sein wird (vgl. ErläutRV 952; Frank/Anerinhof, 2012: S. 710). Ist dies nicht der Fall, wird
das Verfahren zugelassen, indem dem Asylweber eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§
51 AsylG 2005) ausgefolgt wird, wobei dies durch die Stattgebung oder Abweisung des
Antrags im Zulassungsverfahren ersetzt werden kann. Die Karte dient zum Nachweis der
Identität des Asylwerbers im Verfahren und der Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts in
Österreich und gilt für die Dauer des Verfahrens. Wird gegen einen im
Zulassungsverfahren abgewiesenen Antrag rechtzeitig Beschwerde erhoben und kommt
dieser aufschiebende Wirkung zu, gilt der Antrag ebenfalls als zugelassen (vgl. Schrefler-
König, 2014: §§ 28 – 30 Anm. 5). Da manche Zurückweisungstatbestände erst später
28
hervorkommen können (vgl. ErläutRV 952), kann auch nach erfolgter Zulassung noch
eine zurückweisende Entscheidung ergehen.
Asylwerber sind gemäß § 13 Abs. 1 AsylG 2005 bis zur Erlassung einer durchsetzbaren
Entscheidung, Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens (siehe unten 4.4) in
Österreich aufenthaltsberechtigt, wobei sie dieses Recht jedoch auch (beispielsweise bei
Straffälligkeit) wieder verlieren können (§ 13 Abs. 2 AsylG 2005).
4.4 Weiteres Verfahren und Entscheidung
Die Prüfung des Antrags erfolgt in zwei Stufen (vgl. Schrefler-König, 2014: § 2 Anm. 5).
Wird der Antrag auf internationalen Schutz nicht zurückgewiesen, prüft das Bundesamt
zunächst, ob dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist (dazu
ausführlich Schrefler-König, 2014: § 3). Dies ist gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 dann der
Fall, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1
Abschnitt A Z 2 GFK – d.h. wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu
einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung – droht
und ihm im Herkunftsland keine innerstaatliche Fluchtalternative (§§ 3 Abs. 3 Z 1, 11
AsylG 2005) möglich ist, d.h. er dort nicht zumutbarer Weise in einem anderen Landesteil
Schutz vor Verfolgung finden kann. Der Asylwerber darf auch keinen
Asylausschlussgrund (§§ 3 Abs. 3 Z 2, 6 AsylG 2005; siehe dazu Schrefler-König, 2014: §
6) gesetzt haben. Auch eine amtswegige Zuerkennung des Status des Asylberechtigten
aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen ist möglich (§ 3 Abs. 4 AsylG 2005). Im Falle
einer positiven Entscheidung wird festgestellt, dass dem Fremden die
Flüchtlingseigenschaft zukommt und er kann in Österreich bleiben.
Im Falle, dass nicht festgestellt werden kann, dass dem Fremden im Herkunftsland eine
Verfolgung im Sinne der GFK droht, wird der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des
Status des Asylberechtigten abgewiesen und das Bundesamt prüft, ob dem Asylwerber
gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten
zuzuerkennen ist. Dabei wird geprüft, ob dem Fremden im Falle seiner Rückkehr in den
Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK
(Recht auf Leben, Verbot der Folter und unmenschlicher Behandlung, Abschaffung der
Todesstrafe) drohen würde oder er „als Zivilperson einer ernsthafte Bedrohung des
Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines
internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes“ (§ 8 AsylG 2005) ausgesetzt wäre (dazu
ausführlich Schrefler-König, 2014: § 8). Die Gefahr muss sich wiederum auf das gesamte
29
Staatsgebiet beziehen (innerstaatliche Fluchtalternative, § 11 AsylG 2005), der
Herkunftsstaat muss feststehen (§ 8 Abs. 6 AsylG 2005) und es darf kein
Aberkennungsgrund (§§ 8 Abs. 3a, 9 Abs. 2 AsylG 2005) vorliegen. Wird dem Fremden
der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, erhält er gemäß § 52 Abs. 1
AsylG 2005 eine entsprechende Karte, die seine Identität und Aufenthaltsberechtigung
dokumentiert. Die Aufenthaltsberechtigung gilt zunächst für ein Jahr. Auf Antrag prüft das
Bundesamt, ob die Voraussetzungen danach weiter vorliegen und verlängert die
Aufenthaltsberechtigung diesfalls für jeweils zwei weitere Jahre (§ 8 Abs. 4 AsylG 2005).
Wird weder der Status des Asylberechtigten noch des subsidiär Schutzberechtigten
zuerkannt – wird somit eine negative Entscheidung über den Antrag auf internationalen
Schutz getroffen – und wird auch kein Aufenthaltstitel erteilt, ist die (negative)
Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung oder einer
Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG (siehe dazu
Schrefler-König, 2014: § 10) zu verbinden und der Fremde muss das Bundesgebiet
verlassen.
Gegen eine (negative) Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl kann
der Asylwerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben (Art. 130 B-VG).
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts können mit Beschwerde beim
Verfassungsgerichtshof (VfGH) (Art. 144 B-VG) oder (außer)ordentliche Revision beim
Verwaltungsgerichtshof (VwGH) (Art. 133 B-VG)bekämpft werden.
4.4 Ende der Asylwerbereigenschaft
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 besteht die Asylwerbereigenschaft
„[…] bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder
Gegenstandslosigkeit des Verfahrens“.
4.4.1 Rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens
Das Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen, wenn der Bescheid nicht mehr mit
ordentlichen Rechtsmitteln bekämpft werden kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, 2009: RZ
6). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um einen letztinstanzlichen
Bescheid handelt, wenn die Rechtsmittelfrist ungenützt verstrichen ist oder die
Beschwerde zurückgezogen wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, 2009: RZ 10). Die
Rechtskraft tritt ein mit der Erlassung (rechtswirksame [vgl. Hengstschläger/Leeb, 2009:
30
RZ 10] Zustellung, mündliche Verkündung) des Bescheids und nicht erst mit der
Zurückweisung einer unzulässigen (weil verspäteten) Beschwerde (vgl. Walter et al.,
2011: RZ 455).
Die Einbringung eines außerordentlichen Rechtsmittels ändert nichts am Eintritt der
Rechtskraft, auch wenn diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl.
Hengstschläger/Leeb, 2009: RZ 9). Wird der Bescheid später durch eine
(höchstgerichtliche) Entscheidung oder aufgrund eines Antrags auf Wiederaufnahme des
Verfahrens (§ 32 VwGVG) oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§34 VwGVG)
behoben, lebt die Asylwerbereigenschaft wieder auf (vgl. ErläutRV 952).
4.4.2 Einstellung und Gegenstandslosigkeit des Verfahrens
In bestimmten Fällen kann es zur Einstellung des Asylverfahrens kommen. Dies ist
gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 der Fall, wenn sich ein Asylwerber
„dem Verfahren entzogen hat und eine Entscheidung ohne eine allenfalls
weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann“.
Wann sich ein Asylwerber dem Verfahren entzieht, ist in § 24 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG
2005 geregelt. Dazu ist anzumerken, dass einen Asylwerber gemäß § 15 Abs. 1 AsylG
2005 eine Mitwirkungspflicht im Verfahren trifft. So muss er beispielsweise seinen Antrag
begründen, zu Verfahrenshandlungen und Untersuchungen erscheinen, relevante
Dokumente zur Verfügung stellen und insbesondere seinen Aufenthaltsort mitteilen bzw.
über eine aufrechte Meldung verfügen (vgl. Schrefler-König, 2014: zu § 15 Anm. 2, 4).
Wenn nun der Asylwerber seiner meldegesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt oder
es unterlässt, der entscheidenden Behörde seinen Aufenthaltsort oder eine Änderung
desselben kundzutun, entzieht er sich dem Verfahren, wenn sein Aufenthaltsort von der
Behörde nicht leicht festgestellt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
über Abfragen des Zentralen Melderegisters (ZMR) oder des
Betreuungsinformationssystems/Grundversorgungssystems (BIS/GVS) hinausgehende,
aufwendige Ermittlungen gesetzt werden müssen (vgl. ErläutRV 952). Einfache
Recherchen wie beispielsweise eine Nachschau in der Notschlafstelle, wenn der
Asylwerber nie über eine Meldeadresse verfügt hat, können der Behörde zugemutet
werden (vgl. Frank/Anerinhof et al., 2012: S. 689). Weiters entzieht sich ein Asylwerber
dem Verfahren, wenn er das Bundesgebiet freiwillig (also nicht aufgrund einer
gesetzlichen Pflicht [vgl. ErläutRV 952]) verlässt und in ein anderes als sein Herkunftsland
reist.
31
Der maßgebliche Sachverhalt – auch wenn etwa bereits eine Befragung oder
Einvernahme stattgefunden haben sollte – darf noch nicht soweit geklärt sein, dass
alleine auf dieser Grundlage und ohne eine weitere Befragung des Asylwerbers eine
Entscheidung getroffen werden kann (vgl. ErläutRV 952; Frank/Anerinhof et al., 2012: S.
680).
Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, wird das Verfahren von der Behörde
eingestellt. Damit verliert der Asylwerber die Asylwerbereigenschaft (vgl. Frank/Anerinhof,
2012: S. 679; Schrefler-König, 2014, zu § 24 Anm. 1). Sobald es (wieder) möglich wird,
den maßgeblichen Sachverhaltes festzustellen, hat die Behörde das Verfahren von Amts
wegen fortzusetzen, wobei eine Fortsetzung allerdings nach Ablauf von zwei Jahren ab
Einstellung nicht mehr zulässig ist, sodass ein neuerlicher Antrag auf internationalen
Schutz gestellt werden muss (vgl. ErläutRV 952). Zur Fortsetzung des Verfahrens kommt
es regelmäßig, wenn der Antragsteller der Behörde eine aktuelle Meldeadresse mitteilt
oder nach seinem Aufgriff durch Sicherheitsbeamte.
Die Einstellung bewirkt unter anderem, dass der Asylwerber sein Aufenthaltsrecht verliert
(§ 13 Abs. 1 AsylG 2005). Der faktische Abschiebeschutz bleibt jedoch gemäß § 12 Abs.
1 AsylG 2005 bis zum Ablauf der zweijährigen Frist aufrecht. Im Falle der Einstellung
durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kann dieses gemäß § 34 Abs. 4 BFA-
VG die Festnahme des Asylwerbers anordnen. Gegebenenfalls wird ein Verfahren zur
Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet (§ 27 Abs. 1 Z 2 AsylG
2005). Es ist davon auszugehen, dass im Falle einer späteren Fortsetzung das Verfahren
wieder zugelassen ist, der Antragsteller wieder als Asylwerber anzusehen ist und die
Aufenthaltsberechtigung wieder auflebt (vgl. Frank/Anerinhof, 2012: S. 680).
Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz unter
anderem als gegenstandslos abzulegen, „wenn der Fremde freiwillig in den
Herkunftsstaat abreist“ und zwar mit dem Zeitpunkt seiner Ausreise. Auch hier muss die
Ausreise ohne behördlichen oder gesetzlichen Druck stattfinden (vgl. Frank/Anerinhof,
2012: S. 680). Die übrigen in § 25 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Fälle der
Gegenstandslosigkeit (keine persönliche Einbringung bei der Erstaufnahmestelle binnen
14 Tagen, ausschließlich schriftlicher Antrag, Abschiebung bei Folgeantrag) sind für
Asylwerber nicht relevant, weil sie sich im Wesentlichen auf die Situation vor Einbringung
eines Antrags auf internationalen Schutz beziehen. Eine Fortsetzung des Verfahrens ist
im Falle der Gegenstandslosigkeit nicht möglich.
32
4.5 Bedeutung von Ausbildung und Erwerbstätigkeit
Bei der Entscheidung der Behörden über die Zulässigkeit der Rückkehr eines
Asylwerbers, dessen Antrag sowohl hinsichtlich der Gewährung von Asyl als auch von
subsidiärem Schutz zuerkannt wurde, in sein Heimat- oder Herkunftsland ist gemäß § 9
Abs. 1 BFA-VG auf dessen durch Art. 8 Abs. 2 EMRK geschütztes Privat- und
Familienleben Rücksicht zu nehmen. Der EGMR versteht unter Privatleben alle
„persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines
jeden Menschen konstitutiv sind“ (Chvosta, 2007: 853). Die Behörde hat neben den
anderen, in § 9 Abs. 2 BFA-VG demonstrativ aufgelisteten Faktoren auch den Grad der
Integration (§ 9 Abs. 2 Z. 4 BFA-VG) der betreffenden Person in Österreich zu
berücksichtigen. Diesbezüglich betonen VwGH und VfGH unter anderem auch den
Aspekt der Selbsterhaltungsfähigkeit (vgl. Chvosta, 2007: 858) und die damit in
Zusammenhang stehende Bedeutung einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit (z.B. VwGH
20. 4. 2006, 2005/18/0560; zur beruflichen Integration jüngst etwa VfGH 06.06.2014, U
1313/2013 und VfGH 19.09.2014, U 2377/2012-14). Bei Minderjährigen fällt eine Schul-
oder Berufsausbildung positiv ins Gewicht (vgl. VfSlg 16.657/2002; VwGH 19. 10. 1999,
99/18/0342 u.a; jüngst auch BVwG 29.09.2014, W161 1430391-1/5E).
4.6 Grundversorgung
Die Unterbringung und Versorgung von Asylwerbern erfolgt in Österreich im Rahmen der
Grundversorgung. Diese ist in der aufgrund Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den
Ländern abgeschlossenen Grundversorgungsvereinbarung vorgesehen. Für die
Betreuung im Bereich des Bundes (Bundesbetreuung) und der Länder bestehen darüber
hinaus eigene bundes- und landesgesetzliche Regelungen (Grundversorgungsgesetz-
Bund; z.B. Wiener Grundversorgungsgesetz). Grundsätzlich lässt sich sagen, dass
Asylwerber bis zur Zulassung ihres Verfahrens in Österreich in Bundesbetreuung stehen
(Erstaufnahme, Art. 3 Abs. 1 Grundversorgungsvereinbarung), während danach die
Zuständigkeit auf das jeweilige Bundesland übergeht, dem der Asylwerber zugewiesen
wurde. Bund und Länder teilen sich die Kosten der Grundversorgung (Art. 11
Grundversorgungsvereinbarung). Sie können sich zur Erfüllung dieser Aufgaben
humanitärer, kirchlicher oder privater Einrichtungen oder Institutionen der freien
Wohlfahrtspflege bedienen (Art. 3 Abs. 5 und 4 Abs. 3 Grundversorgungsvereinbarung).
Gemäß Art. 9 Grundversorgungsvereinbarung und § 1 Abs. 4 und 5
Grundversorgungsgesetz-Bund sind drei Arten von Betreuungseinrichtungen vorgesehen:
kollektive Erstaufnahmestellen/Durchgangszentren, organisierte Unterkünfte (inklusive
33
besondere Betreuungseinrichtungen für unbegleitete Minderjährige) und individuelle
Unterbringungen in Privatquartieren, wobei diese Möglichkeit jedoch nur in den
Bundesländern gegeben ist (vgl. Koppenberg, 2014: 36). Während in den Bundesländern
Asylwerber großteils in Privatunterkünften untergebracht sind, übernehmen in Wien diese
Aufgaben ausschließlich NGOs und kirchliche Einrichtungen. Hier wird auch die
Grundversorgung für individuell untergebrachte Asylwerber von der Caritas Wien
abgewickelt (vgl. Koppenberg, 2014: 21). Die Asylwerber werden gemäß Art. 3 Abs. 2 Z. 1
Grundversorgungsvereinbarung von der Koordinationsstelle im Bundesministerium für
Inneres in Übereinstimmung mit der im jeweiligen Bundesland zuständigen Behörde (in
Wien: "Grundversorgung Wien Landesleitstelle" des Fonds Soziales Wien) einer
Betreuungseinrichtung zugewiesen, wobei dieser Einrichtung jedoch kein Mitspracherecht
zukommt (vgl. Koppenberg, 2014: 37).
Die Leistungen, die im Rahmen der Grundversorgung bezogen werden können, umfassen
im Wesentlichen Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung (maximal 150,- EUR pro Jahr),
Taschengeld (40,- EUR pro Monat), medizinische Versorgung, Beratung, Kosten in
Verbindung mit einem Schulbesuch und Unterstützung bei freiwilliger Rückkehr (Art. 6
Grundversorgungsvereinbarung). Ein nicht in einer organisierten Unterkunft
untergebrachter Asylwerber erhält somit rund 330,- EUR pro Monat für Miete, Heizung,
Strom, Essen etc. (Art. 6 Grundversorgungsvereinbarung; eigene Berechnung).
Für unbegleitete minderjährige Asylwerber bestehen gesonderte Regelungen: In Art. 7
Grundversorgungsvereinbarung ist vorgesehen, dass für sie weitergehende Leistungen
gewährt werden. Dadurch soll eine psychische Festigung erreicht und eine
Vertrauensbasis geschaffen werden. Sie erhalten Unterstützung bei der
Tagesstrukturierung, der Identitäts- und Altersfeststellung, der Suche nach
Familienangehörigen, der Integration in Österreich und bei der Schul- und Ausbildung.
Wenn nötig, erhalten sie sozialpädagogische und psychologische Unterstützung. Ihre
Unterbringung erfolgt je nach Betreuungsbedarf in Wohngruppen (bei besonders hohem
Betreuungsbedarf), Wohnheimen (für nicht selbstversorgungsfähige) und im Rahmen des
Betreuten Wohnens für diejenigen, die sich unter Anleitung selbst versorgen können. Die
Kostensätze für unbegleitete Minderjährige in organisierten Unterkünften sind je nach Art
der Unterkunft höher (Art. 9 Z. 7 Grundversorgungsvereinbarung). Darüber hinaus stehen
ihnen gemäß Art. 9 Z. 13 Grundversorgungsvereinbarung 200 Unterrichtseinheiten für
einen Deutschkurs zu.
Wenn der Asylwerber (beispielsweise durch ein eigenes Einkommen) über finanzielle
Mittel verfügt, wird dies auf den Grundversorgungsbetrag angerechnet oder die
34
Grundversorgungsleistungen werden als Teilleistungen erbracht (6 Abs. 2
Grundversorgungsvereinbarung, § 3 Abs. 2 Grundversorgungsgesetz-Bund). Übersteigt
das Einkommen den Grundversorgungsbetrag, endet die Grundversorgung. Ein
Einkommen von circa 100,- EUR im Monat wird in der Praxis toleriert (vgl. Koppenberg,
2014: S. 30).
5. Lehrausbildung allgemein
Nach Erfüllung der neunjährigen Schulpflicht (§ 2 Abs.1 Kinder- und Jugendlichen-
Beschäftigungsgesetz) kann in Österreich die berufliche Ausbildung Jugendlicher im
Rahmen einer Lehre erfolgen. Bei der Lehre handelt es sich um eine duale Ausbildung,
bei der die Jugendlichen einerseits in einem Betrieb praktische Kompetenzen,
andererseits durch den Besuch einer Berufsschule fachtheoretisches Wissen vermittelt
bekommen. Die Lehrausbildung ist im Berufsausbildungsgesetz (BAG) geregelt: Gemäß §
1 BAG werden Lehrlinge auf Grund eines Lehrvertrages in bestimmten Berufen (§§ 5, 7
Abs. 1 BAG) fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung verwendet, wobei die
Ausbildungsdauer in der Regel drei Jahre beträgt (§ 6 BAG). Der Besuch der
Berufsschule ist gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 Schulpflichtgesetz 1985 für jede Person mit
einem gültigen Lehrvertrag verpflichtend und daher unabhängig von Deutschkenntnissen
oder schulischer Vorbildung. Diese Zeit gilt als Arbeitszeit und die Lehrlingsentschädigung
wird auch für diese Zeiten ausbezahlt (§§ 9 Abs. 5, 17 Abs. 2 BAG).
Durch den Abschluss des Lehrvertrages wird ein Arbeitsverhältnis begründet und die
Lehrlinge sind damit nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) kranken-,
unfall-, pensions- und unter bestimmten Bedingungen auch arbeitslosenversichert. Es
handelt sich daher um die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die auch eine sog.
Lehrlingsentschädigung gebührt, deren Höhe meist kollektivvertraglich geregelt ist (§ 17
Abs. 1 BAG). Sie beträgt beispielsweise für kaufmännische Lehrlinge im Hotel- und
Gastgewerbe in Wien ab 01.09.2014 604,- EUR im 1. Lehrjahr (vgl. ÖGB 2014).
6. Arbeitsmarktzugang für Asylwerber
Da es für die Aufnahme einer Lehrausbildung somit notwendig ist, in Österreich legal
einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, wird im Folgenden der bestehende
rechtliche Rahmen in Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber erläutert.
Es werden zunächst die Grundlagen dargestellt, auf denen das Recht von Asylwerbern
basiert, einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Um die Voraussetzungen
darzustellen, die Asylwerber (wie andere Ausländer auch) hinsichtlich der Ausübung einer
35
Erwerbstätigkeit erfüllen müssen, und die damit verbundenen Hürden anschaulich zu
machen, wird ein Überblick über die in Österreich gültigen Bestimmungen hinsichtlich der
Ausländerbeschäftigung gegeben.
Sodann wird auf die spezifischen rechtlichen Möglichkeiten eingegangen, im Rahmen
derer junge Asylwerber in Österreich bzw. in Wien eine Lehrausbildung absolvieren
können.
6.1 Internationale Grundlagen
Das Recht auf Arbeit ist ein grundsätzliches Menschenrecht und als solches auch in Art.
23 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthalten:
„Everyone has the right to work, to free choice of employment, to just and
favourable conditions of work and to protection against unemployment.”
(Universal Declaration of Human Rights 1948).
Wenn auch heute teilweise die Ansicht vertreten wird, dass der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte Rechtsverbindlichkeit zukomme, ist diese als eine Resolution der
Generalversammlung der Vereinten Nationen für die Staatengemeinschaft nach
herrschender Meinung rechtlich nicht bindend (vgl. Nettesheim 2009: 191f.). Das
Grundrecht auf Arbeit hat jedoch in der Folge insbesondere aufgrund zweier
internationaler Verträge Eingang in die österreichische Rechtsordnung gefunden:
In Teil III, Art. 6 Abs. 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte anerkennen die Vertragsstaaten
„das Recht auf Arbeit, welches das Recht jedes Einzelnen auf die
Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte oder angenommene
Arbeit zu verdienen, umfasst“ (Internationaler Pakt über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte 1978).
Teil II, Art. 1 der Europäischen Sozialcharta normiert das Recht auf Arbeit, wobei Teil I,
Art. 1 die Vertragspartner verpflichtet, die entsprechenden Voraussetzungen zur
Gewährleistung der tatsächlichen Ausübung dieses Rechts zu schaffen:
„Jedermann soll die Möglichkeit haben, seinen Lebensunterhalt durch eine frei
übernommene Tätigkeit zu verdienen.“ (Europäische Sozialcharta 1970)
36
Dieses Recht gilt gemäß § 1 des Anhangs zur europäischen Sozialcharta 1970 für alle
legal in einem anderen Vertragsstaat der Europäischen Sozialcharta aufhältigen
Staatsangehörigen.
6.2 EU-Recht
Die Richtlinie (RL) 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni
2013 legt Mindestnormen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz
beantragen, in den Mitgliedstaaten der EU fest (Aufnahmerichtlinie, Neufassung).
Die Aufnahmerichtlinie stellt in Art. 2 lit. a auf das Vorliegen eines Antrags auf
internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU
(Anerkennungsrichtlinie) ab, über den noch nicht endgültig entschieden wurde (Art. 2 lit. b
RL 2013/33/EU). Ein solcher Antrag liegt demnach vor, wenn ein Antrag eines
Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus gerichtet ist und nicht ausdrücklich um
eine andere Form des Schutzes ersucht wird (Art. 2 lit. h RL 2011/95/EU).
Diese Aufnahmerrichtlinie enthält keine Legaldefinition des Begriffs
„Drittstaatsangehöriger“. Sie verweist jedoch auf die Richtlinie 2008/115/EG des
europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame
Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger
Drittstaatsangehöriger, welche in Art. 3 auf das Nichtvorliegen der Unionsbürgerschaft
und des Gemeinschaftsrechts auf freien Personenverkehr gemäß Art. 2 Absatz 5 des
Schengener Grenzkodex abstellt.
Unionsbürger wiederum sind gemäß Art. 20 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) alle jene Personen, die die Staatsangehörigkeit eines
Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen.
Staatenlose sind Personen ohne Staatsangehörigkeit. Nach Kap. I Art. 1 Abs. 1 des
Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954
gelten als staatenlos jene Personen, die von keinem Staat aufgrund nationalen Rechts als
seine Staatsangehörigen angesehen werden.
Die Aufnahmerichtlinie überlässt es weitgehend den Mitgliedstaaten, den Zugang von
Asylwerbern zu Beschäftigung und Bildung zu regeln. Nach Art. 15 Abs. 1 RL 2013/33/EU
müssen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Asylwerber spätestens nach neun
37
Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten, wenn noch keine erstinstanzliche
Entscheidung erlassen wurde und dem Antragsteller die Verzögerung nicht angelastet
werden kann. Dieser Zeitraum beginnt mit der Stellung des Antrags auf internationalen
Schutz. Die Mitgliedstaaten können die diesbezüglichen Bedingungen selbst festlegen
(Abs. 2 1. Satz RL 2013/33/EU), müssen jedoch einen effektiven Arbeitsmarktzugang
sicherstellen. Die Mitgliedstaaten können gemäß Abs. 2 2. Satz RL 2013/33/EU
„aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik […] Bürgern der Union, Angehörigen der
Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen“ (RL
2013/33/EU).
Gemäß Abs. 3 RL 2013/33/EU besteht das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt auch
während eines Rechtsmittelverfahrens, wenn dem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung
zukommt.
Hinsichtlich des Zugangs zu beruflicher Bildung ermöglicht es die Aufnahmerichtlinie in
Art. 16 den Mitgliedstaaten, Asylwerbern Zugang zu derselben unabhängig von der
Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Was die in Österreich übliche
Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre betrifft, ist Art. 12, 2. Satz RL 2013/33/EU
bedeutsam, in dem der Zugang zu beruflicher Bildung im Falle, dass selbiger mit dem
Abschluss eines Arbeitsvertrages verbunden ist, von dem gemäß Art. 15 RL 2013/33/EU
gewährten Zugang zum Arbeitsmarkt abhängig gemacht wird. Eine Lehre kann daher nur
im Rahmen der den Zugang zum Arbeitsmarkt regelnden nationalen Bestimmungen
eingegangen werden.
Da die Richtlinie lediglich Mindestnormen festlegt, steht es den Mitgliedsstaaten frei,
jeweils auch für Asylwerber günstigere Regelungen zu erlassen (Art. 4 RL 2013/33/EU).
Im Rahmen der Harmonisierungsbestrebungen der Europäischen Union sieht die
Richtlinie 2011/98/EU für Drittstaatsangehörige, das sind gemäß Art. 2 lit. a der Richtlinie
alle Personen, die nicht Unionsbürger sind, ein einheitliches Antragsverfahren für
Aufenthaltsberechtigungen und Beschäftigungsbewilligungen vor, indem ihnen aufgrund
eines „einheitlichen Antragsverfahrens“ (Art. 4) eine „kombinierte Erlaubnis“ (Art. 6) erteilt
wird, die sowohl die Berechtigung zum Aufenthalt als auch die Arbeitsberechtigung
enthält. Die Regelungen gelten jedoch nicht für Asylwerber, da diese gemäß Art. 3 Abs. 2
lit. g ausgenommen sind.
38
6.3 Österreich
6.3.1 Überblick Ausländerbeschäftigung
In Österreich wird der Zugang zum Arbeitsmarkt für Ausländer im
Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) geregelt.
Gemäß § 2 Abs. 1 AuslBG sind Ausländer alle Personen, die nicht die österreichische
Staatsbürgerschaft besitzen.
Der Geltungsbereich des AuslBG umfasst grundsätzlich alle Ausländer, wobei es jedoch
nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Novellierungen viele Ausnahmen gibt (§ 2 Abs. 2
AuslBG). Nicht anzuwenden ist das AuslBG unter anderem auf Asylberechtigte und
subsidiär Schutzberechtigte, die somit ab Zuerkennung des Status einen freien Zugang
zum Arbeitsmarkt haben (§ 1 Abs. 2 lit. a AuslBG).
Das AuslBG regelt, unter welchen Bedingungen Ausländer in Österreich eine
Beschäftigung (§ 2 Abs. 2 AuslBG) aufnehmen können. Darunter versteht man nicht nur
Arbeits- oder arbeitnehmerähnliche Verhältnisse sondern unter anderem auch
Ausbildungsverhältnisse (Praktikum, Volontariat) und Arbeitskräfteüberlassungen (§ 2
Abs. 2 AuslBG). Eine Beschäftigung im Rahmen einer Lehrausbildung fällt demnach
ebenfalls unter das AuslBG.
Das AuslBG sieht ein System von Berechtigungen vor, mit denen die von seinem
Geltungsbereich umfassten Personen, die über ein Aufenthaltsrecht verfügen, eine
unselbständige Arbeit ausüben können.
In Umsetzung der bereits erwähnten Richtlinie 2011/98/EU, die für Drittstaatsangehörige
ein einheitliches Antragsverfahren für Aufenthaltsberechtigungen und
Beschäftigungsbewilligungen vorsieht, kam es in Österreich zu einer (wenn auch nicht
vollständigen) Harmonisierung von Aufenthalts- und Ausländerbeschäftigungsrecht.
Gemäß dieser Richtlinie soll mit einem einzigen Antrag die Erteilung der Erlaubnis, sich
im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten und dort arbeiten zu dürfen, möglich
sein. Es soll somit lediglich ein einziges Dokument, das beide Bereiche umfasst,
ausgestellt werden. In Österreich wurden daraufhin mit der Änderung des AuslBG
zahlreiche Aufenthaltstitel mit einer Beschäftigungsbewilligung gekoppelt. Diese erlauben
es daher dem Aufenthaltsberechtigten, in den oben angeführten Fällen ohne weitere
Genehmigungen einer unselbständigen Arbeit nachzugehen. Jedoch bestehen weiterhin
39
Doppelgleisigkeiten (vgl. Schumacher et al. 2012: 298f.), da in anderen Fällen aus dem
Aufenthaltstitel per se keine Arbeitserlaubnis abgeleitet werden kann. Diese Personen
benötigen zusätzlich zum Aufenthaltstitel auch noch eine Beschäftigungsbewilligung.
Folgende Aufenthaltstitel berechtigen einen Ausländer zur Aufnahme der vom jeweiligen
Titel umfassten unselbständigen Beschäftigung ohne die Notwendigkeit weiterer
Bewilligungen (§ 3 Abs. 1 und 2 AuslBG): „Rot-Weiß-Rot – Karte“, „Blaue Karte EU“,
„Aufenthaltsbewilligung – Künstler“, „Rot-Weiß-Rot – Karte plus”,
„Aufenthaltsberechtigung plus“, Befreiungsschein, Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“
oder „Daueraufenthalt – EU“. Liegt ein solcher Aufenthaltstitel nicht vor, ist die Erteilung
einer Beschäftigungsbewilligung, einer Entsendebewilligung oder einer
Anzeigebestätigung nötig, wobei Ausnahmen beispielsweise für kurzfristig beschäftigte
Künstler und Volontäre (Ferialpraktikanten) bestehen (§3 Abs. 4 und 5 AuslBG).
6.3.2 Beschäftigungsbewilligung
Die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist vom Arbeitgeber gemäß § 19 Abs. 1
AuslBG bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu beantragen, in
deren Sprengel der beabsichtigte Beschäftigungsort liegt und wird jeweils nur für den in
diesem Antrag angegebenen Ausländer und für den jeweiligen bestimmten Arbeitsplatz
(§§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 AuslBG) gewährt. Die regionale Geschäftsstelle entscheidet
über den Antrag in Form eines Bescheides (§ 20 Abs. 1 AuslBG). Gemäß § 20a und b
AuslBG muss die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer
Beschäftigungsbewilligung binnen sechs Wochen ergehen. Andernfalls darf der
Arbeitgeber den jeweiligen Ausländer im Rahmen einer vorläufigen Berechtigung
beschäftigen, worüber von der zuständige regionale Geschäftsstelle des
Arbeitsmarktservice dem Arbeitgeber eine Bescheinigung auszustellen ist.
Der Ausländer, für den eine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden soll, muss über ein
in § 4 Abs. 1 Z. 1 AuslBG angeführtes Aufenthaltsrecht verfügen und es müssen die in § 4
Abs. 1 Z. 2 bis 9 AuslBG normierten Bedingungen erfüllt sein. Dies betrifft beispielsweise
die Einhaltung der Vorschriften hinsichtlich der Lohn- und Arbeitsbedingungen und der
Sozialversicherung; frühere Verstöße gegen das AuslBG; Schwarzarbeit; unerlaubte
Arbeitsvermittlung; Verständigung des Betriebsrates; Schutz älterer Arbeitnehmer etc. In §
4 Abs. 3 sind zusätzliche Bedingungen für die Erteilung eine Beschäftigungsbewilligung
aufgelistet, wie ua. die einhellige Befürwortung des Regionalbeirates (Z.1).
40
Gemäß § 4 Abs. 2 AuslBG gelten die Bestimmungen für die Erteilung einer
Beschäftigungsbewilligung im Wesentlichen auch für die Aufnahme eines Lehrlings. Auch
hier müssen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 1 bis 9 AuslBG erfüllt sein und es ist
die Lage und Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes zu beachten.
6.3.3 Arbeitsmarktprüfung (Ersatzkraftverfahren)
Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AuslBG darf eine Beschäftigungsbewilligung nur dann erteilt
werden, wenn es die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bzw. im Falle eines
Lehrverhältnisses die Lage auf dem Lehrstellenmarkt zulässt und keine wichtigen
öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen dagegenstehen. Dabei wird geprüft (§
4b AuslBG; „Ersatzkraftverfahren“), ob für die zu besetzende offene Stelle Inländer oder
bereits am Arbeitsmarkt verfügbare ausländische Staatsbürger in Frage kommen. Von
diesen eventuell verfügbaren Ausländern werden solche bevorzugt, die Arbeitslosengeld
beziehen, die EWR-Bürger oder Schweizer Staatsangehörige sind, die einen
unbeschränkten Arbeitsmarktzugang haben oder auf die als türkische Arbeitnehmer der
Beschluss des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der
Assoziation anzuwenden ist (Assoziationsarbeitnehmer). Die Beschäftigungsbewilligung
wird dann nur erteilt, wenn keine solchen Ersatzkräfte vorhanden sind. Die Prüfung erfolgt
anhand der Anforderungen, die im Antrag des zukünftigen Arbeitgebers ausgewiesen
sind, wobei diese auch mit dem Bedarf des jeweiligen Betriebs in Einklang stehen
müssen.
Gemäß § 13 Abs. 1 AuslBG können die zuständigen Bundesminister eine Liste von
sogenannten Mangelberufen durch Verordnung (Fachkräfteverordnung) erlassen. In
dieser Liste werden jene Berufe aufgeführt, für die längerfristig ein Bedarf an
Arbeitskräften besteht, der durch inländische oder sonst im Inland verfügbare
Arbeitnehmer nicht gedeckt werden kann. Als Kriterium wird die sogenannte
Stellenandrangsziffer herangezogen, wobei dieser die Zahl der pro gemeldeter offener
Stelle vorgemerkten Arbeitssuchenden zugrunde liegt. Sie darf grundsätzlich 1,5 (bzw. in
bestimmten Fällen 1,8) nicht überschreiten. Die Mangelberufsliste wird jeweils für das
folgende Kalenderjahr erstellt und dient der Sicherung des Wirtschafts- und
Beschäftigungsstandortes. Der Zugang zu diesen Mangelberufen ist gemäß § 12a
AuslBG insoweit erleichtert, als Ausländer in diesem Bereich unter bestimmten
Umständen als Fachkräfte zugelassen werden können, ohne dass einer
Arbeitsmarktprüfung durchgeführt werden muss (§ 4 Abs. 7 AuslBG).
41
Schließlich musste bis 31.12.2013 auch die sogenannte Bundeshöchstzahl berücksichtigt
werden. Mit der Novelle des AuslBG (BGBl. I Nr. 72/2013) wurde die Bundeshöchstzahl
per 1.1.2014 abgeschafft. Diese betrug ab 2011 jeweils 7 % (§ 14 Abs. 1 AuslBG idF
BGBl. I Nr. 25/2011) des gesamten österreichischen Arbeitskräftepotentials des jeweiligen
Jahres (2013: 260.579, Kundmachung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und
Konsumentenschutz über die Bundeshöchstzahl 2013: BGBl. II 502/2012).
Beschäftigungsbewilligungen durften nur erteilt werden, solange diese Zahl nicht
überschritten wurde. Für den Fall, dass es doch einmal zu einer Überschreitung der
Bundeshöchstzahl kommen sollte, war das Procedere zur Erlangung einer
Beschäftigungsbewilligung erschwert und es gab nur für bestimmte Personengruppen die
Möglichkeit, eine solche zu erhalten. Diese Personengruppen waren in der
Bundeshöchstzahlen-Überziehungsverordnung aufgezählt.
6.4 Beschäftigung von Asylwerbern in Österreich
Wie oben (Pkt. 4.2 und 4.4.) ausgeführt, versteht man unter einem Asylwerber einen
ausländischen Staatsangehörigen, der einen Antrag auf internationalen Schutz
eingebracht hat, und dessen Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, eingestellt
oder für gegenstandslos erklärt wurde.
Auch auf Asylwerber ist das AuslBG anzuwenden (siehe oben Pkt. 6.3). Asylwerber sind
in der Möglichkeit, einer unselbständigen Beschäftigung nachzugehen, insofern
eingeschränkt, als für sie gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 AuslBG in den ersten drei Monaten nach
Zulassung des Verfahrens keine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt werden darf.
Danach kann grundsätzlich für den Asylwerber wie für jeden anderen Ausländer auch
eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG erteilt werden, wenn der Asylwerber
über faktischen Abschiebeschutz verfügt oder ihm ein anderes, taxativ aufgezähltes
Aufenthaltsrecht zukommt. Es handelt sich dabei um ein Aufenthaltsrecht gemäß §§ 12
oder 13 AsylG 2005, § 54 Abs. 1 Z 2 oder 3 AsylG 2005 oder um eine Duldung gemäß
§ 46a Fremdenpolizeigesetz (FPG), wenn er davor Asyl- oder subsidiär
Schutzberechtigter war und daher das AuslBG für ihn nicht zur Anwendung gekommen
war.
Durch einen Erlass des Sozialministeriums aus dem Jahr 2004 (sog. Bartenstein-Erlass)
ist jedoch die Möglichkeit für Asylwerber, nach Ablauf der dreimonatigen Frist einer
unselbständigen Beschäftigung nachzugehen, auf Saisonarbeit beschränkt:
42
„Für § 19-Asylwerber sind im Hinblick auf die derzeitige Arbeitsmarktsituation
und deren nur vorläufiges Aufenthaltsrecht, das auf Grund der künftig
wesentlich rascher abgeschlossenen Asylverfahren in der Regel nur von
kurzer Dauer sein wird, Beschäftigungsbewilligungen auch nach der
dreimonatigen Wartefrist nur im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 zu
erteilen.“ (BMWA-435.006/6-II/7/04)
Hinsichtlich dieses Erlasses bestehen menschenrechtliche Bedenken (vgl. Ammer 2013).
Seitens der Grünen wurde im März 2014 ein parlamentarischer Entschließungsantrag
(326/A[E] XXV. GP) betreffend dessen Abänderung im Sinne eines Wegfalls der
Beschränkung auf saisonale Kontingente eingebracht. Auf Ebene der politischen
Entscheidungsträger hat sich Sozialminister Hundstorfer jüngst gegen eine Abschaffung
des Erlasses ausgesprochen (vgl. Sterk 2014).
Außerhalb des Geltungsbereiches des AuslBG (und somit ohne die Voraussetzung einer
Beschäftigungsbewilligung) haben Asylwerber gemäß § 7 Abs. 1
Grundversorgungsgesetz (GVG) die Möglichkeit, Hilfstätigkeiten für Bund, Länder oder
Gemeinden durchzuführen, wobei sie hier kein Entgelt sondern lediglich einen geringen
Anerkennungsbeitrag erhalten. Gemäß Abs. 3 GVG können Asylwerber, die in einer
Betreuungseinrichtung von Bund oder Ländern untergebracht sind bzw. nach Zulassung
ihres Verfahrens auch, wenn sie bei Dritten untergebracht sind, mit ihrem Einverständnis
für Hilfstätigkeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Unterbringung stehen
(zB Reinigung, Küchenbetrieb, Transporte, Instandhaltung) und für gemeinnützige
Hilfstätigkeiten für Bund, Länder und Gemeinden (zB Landschaftspflege und Gestaltung,
Betreuung von Park- und Sportanlagen, Unterstützung in der Administration)
herangezogen werden. Gemäß § 7 Abs. 5 GVG gilt der Anerkennungsbeitrag nicht als
Entgelt und unterliegt nicht der Einkommensteuerpflicht. Er orientiert sich nicht an den
allgemeinen Lohn- und Gehaltsschemata sondern liegt weit darunter (vgl. MA 24 2012:
107).
Weiters besteht für Asylwerber die Möglichkeit, als sogenannte „Neue Selbständige“
einen Beruf auszuüben. Auch in diesem Bereich kommt das AuslBG nicht zur
Anwendung. Dieses Instrument ist für Werkunternehmer gedacht, die weder ein Gewerbe
noch einen freien Beruf (wie zum Beispiel Architekt oder Anwalt) ausüben (vgl. Peyrl et al.
2012: 322). Oft wird sich diese Möglichkeit insbesondere für weibliche Asylwerberinnen
auf die Ausübung der Prostitution beschränken.
43
7. Junge Asylwerber in Wien und Lehre
Aufbauend auf den vorangehenden Ausführungen wird in diesem Kapitel die Situation
junger Asylwerber in Wien im Hinblick auf ihre Möglichkeit, eine Lehre zu beginnen,
analysiert. Zunächst wird auf die rechtlichen und formalen Voraussetzungen
eingegangen. In der Folge werden die Ergebnisse der Experteninterviews analysiert und
interpretiert. Unter Berücksichtigung verschiedener individueller und struktureller Faktoren
wie beispielsweise Bildung, Informationsangebot, (Berufs)vorstellungen, Diskriminierung
am Arbeitsmarkt etc. wird dargelegt, wie sich die Situation der jungen Asylwerber am
Wiener Lehrstellenmarkt darstellt, welche Herausforderungen und welche Chancen
bestehen und wie sich dies auf ihre Möglichkeit, eine Lehre zu absolvieren, auswirkt. Auf
den Einfluss der bestehenden gesetzlichen Regelungen wird ebenfalls Bezug genommen.
7.1 Rechtlicher Rahmen
Für junge Asylwerber gelten hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt die oben
angeführten allgemeinen, für alle Asylwerber gültigen Bestimmungen (siehe Pkt. 6.4).
Dies bedeutet, dass sie in den ersten drei Monaten nach Zulassung ihres Verfahrens
keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Danach sind sie im Wesentlichen auf
Saisonberufe und gemeinnützige Tätigkeiten beschränkt. Seit Juni 2012 haben sie jedoch
darüber hinaus die Möglichkeit, eine Lehre zu absolvieren. Diese wurde durch einen
Erlass des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in
Abänderung des „Bartenstein-Erlasses“ geschaffen (sog. Hundstorfer-Erlass):
„Bei Vorliegen aller allgemeinen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG
können daher für jugendliche Asylwerber/innen bis zur Vollendung des
18. Lebensjahres [Hervorhebungen im Original] Beschäftigungsbewilligungen
gemäß § 4 Abs. 2 und 3 Z 1 AuslBG außerhalb der Saisonkontingente und -
ungeachtet des vorläufigen Aufenthaltsstatus - für die gesamte Dauer der
Lehrzeit (§ 7 Abs. 4 AuslBG) für alle Lehrberufe erteilt werden, in denen ein
nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht.“ (BMASK-435.006/0005-
VI/AMR/7/2012)
Im Jahr 2013 wurde diese Möglichkeit durch einen weiteren Erlass (BMASK-
435.006/0005-VI/B/7/2013) des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und
Konsumentenschutz auf Personen ausgedehnt, die zum Zeitpunkt der Antragstellung das
25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
44
Um eine Lehre antreten zu können, müssen demgemäß die allgemeinen
Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (siehe oben 6.3.2) –
somit eine positive Arbeitsmarktprüfung und die einhellige Befürwortung des
Regionalbeirats – vorliegen. Der Erlass enthält den Hinweis, dass die Geschäftsstellen
des AMS auf die Erteilung der Befürwortung hinwirken sollen. Obwohl Asylwerber nur
über einen auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkten, vorläufigen Aufenthaltsstatus
verfügen, werden die Bewilligungen in Übereinstimmung mit § 7 Abs. 4 AuslBG für die
gesamte Dauer der Lehrzeit erteilt (vgl. BMASK-435.006/0005-VI/B/7/2013).
7.2 Formale Voraussetzungen für den Beginn einer Lehre
Damit ein Asylwerber in Wien eine Lehrstelle antreten kann, muss er laut dem
Arbeitsmarktservice Wien, Jugendliche, folgende Kriterien erfüllen (vgl. AMS 2013):
Alter unter 25 Jahren
Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 Asylgesetz
Meldeadresse in Wien
Lehrstelle bei einem Betrieb/Filiale in Wien
Mangellehrberuf
Eine Liste der Mangellehrberufe wird nach Auskunft des BMASK vom 18.09.2014 für
jedes Kalenderjahr und für jedes Bundesland vom AMS erstellt. Umfasst waren im Jahr
2013 in Wien 28 Lehrberufe wie u.a. Bäcker, Binnenschiffer, Dreher, Fleischverkäufer,
Glaser, Friseur, Maler, Gleisbautechniker, Schalungsbauer, Mechatroniker etc. (vgl. AMS
2013). Laut E-Mail-Auskunft des AMS Wien, Service Ausländerbeschäftigung, vom
23.01.2015 enthielt die Liste auch im Jahr 2014 28 Lehrberufe. Die Liste für 2015 liege
noch nicht vor, die Zahl der Mangellehrberufe werde jedoch reduziert werden.
Da gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985 für alle in Österreich dauernd aufhältigen
Minderjährigen eine neunjährige allgemeine Schulpflicht besteht, muss diese
grundsätzlich auch von minderjährigen Asylwerbern durch den Besuch einer öffentlichen
oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule erfüllt werden (Abschnitt B.
Schulpflichtgesetz 1985), damit sie eine Lehre beginnen können. Die 9. Schulstufe muss
abgeschlossen sein, andernfalls gemäß § 20 Abs. 3 lit. c BAG die Eintragung des
Lehrvertrages von der zuständigen Lehrlingsstelle mit Bescheid verweigert wird. In
Ausnahmefällen ist ein Nachholen des Hauptschulabschlusses parallel zur
Lehrausbildung möglich (vgl. § 20 Abs. 1 Z. 1 Schulpflichtgesetz 1985; integrative
Lehrausbildung). Da in Österreich gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 Schulpflichtgesetz 1985
45
Berufsschulpflicht herrscht, ist der Besuch der Berufsschule nicht von etwaigen
Vorkenntnissen abhängig. Es ist somit nicht erforderlich, dass die Pflichtschule positiv
abgeschlossen wurde.
Wenn der Jugendliche, der diese Voraussetzungen erfüllt, eine entsprechende Lehrstelle
gefunden hat, kann der zukünftige Dienstgeber eine Beschäftigungsbewilligung beim AMS
beantragen.
7.3 Herausforderungen und Chancen
Nach Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz,
Abt. VI/A/6 Arbeitsmarktanalyse und –prognose, vom 17.11.2014 ergibt sich aus der
Datenbank des AMS, dass in den Jahren 2012 bis Ende Oktober 2014 insgesamt 35
Asylwerber in Wien eine Beschäftigungsbewilligung für eine Lehrstelle erhalten haben
(2012: 1; 2013: 20; 2014: 14), wobei der überwiegende Teil (26) im Bereich Beherbergung
und Gastronomie beschäftigt ist. Die Mehrzahl der jungen Asylwerber stammt aus
Bangladesch (15) und Afghanistan (10). Je einer stammt aus Sri Lanka, Ägypten,
Kasachstan, Syrien, der VR China und Nigeria; je zwei aus der DR Kongo und der Türkei
(siehe Anhang 1). 14 der jungen Asylwerber sind unter 19 Jahre alt. Der Großteil (30) ist
männlich.
Tabelle 4: Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber in Wien in Lehrberufen nach Branchen (2012, 2013, 2014)
Quelle: AMS Datawarehouse amb_abv_07-lfd, 17.11.2014, eigene Bearbeitung
Frauen Männer insg. Frauen Männer insg. Frauen Männer insg. Frauen Männer insg.
H -Verkehr und Lagerei 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
I -Beherbergung und Gastronomie 0 1 1 0 5 5 1 3 4 1 9 10
S -sonstige Dienstleistungen 0 0 0 3 0 3 0 0 0 3 0 3
Summe 0 1 1 3 5 8 1 4 5 4 10 14
C -Herstellung von Waren 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1
G -Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1
I -Beherbergung und Gastronomie 0 0 0 0 9 9 0 6 6 0 15 15
M -freiberufliche, w issenschaftliche, technische
Dienstleistungen
0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
R -Kunst, Unterhaltung, Erholung 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
S -sonstige Dienstleistungen 0 0 0 1 0 1 0 0 0 1 0 1
Summe 0 0 0 1 11 12 0 8 8 1 19 20
I -Beherbergung und Gastronomie 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
Summe 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
C -Herstellung von Waren 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1
G -Handel, Instandhaltung, Reparatur von Kfz 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1
H -Verkehr und Lagerei 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
I -Beherbergung und Gastronomie 0 1 1 0 14 14 1 10 11 1 25 26
M -freiberufliche, w issenschaftliche, technische
Dienstleistungen
0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
R -Kunst, Unterhaltung, Erholung 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 1
S -sonstige Dienstleistungen 0 0 0 4 0 4 0 0 0 4 0 4
Summe 0 1 1 4 16 20 1 13 14 5 30 35
bis 19 Jahre
20 bis 24 Jahre
25 bis 29 Jahre
Summe
Bewilligungen Erteilung
2012 2013 2014 bis Ende Okt. Summe
46
Die Zahl der in Wien lebenden Asylwerber unter 18 bzw. 25 Jahren konnte nicht erhoben
werden, da es nach telefonischer Auskunft der für Angelegenheiten der Grundversorgung
zuständigen Landesleitstelle Wien des Fonds Soziales Wien vom 16.01.2015 im
Informationsverbund lediglich eingeschränkte Abfragemöglichkeiten gibt. Die Daten des
Innenministeriums wiederum geben lediglich über die österreichweite Situation Auskunft:
Demnach haben im Jahr 2013 in ganz Österreich 1.120 unbegleitete minderjährige
Personen über 14 Jahren einen Asylantrag gestellt, wobei bei 188 die Volljährigkeit von
der Behörde festgestellt wurde. Etwas höher waren die Zahlen mit 1.697 (davon 207, bei
denen die Volljährigkeit festgestellt wurde) im Jahr 2012. Im Jahr 2014 hatten 2.131
Personen zwischen 14 und 18 Jahren in Österreich einen Asylantrag gestellt. Bis
einschließlich November wurde bei 178 die Volljährigkeit festgestellt (vgl. BMI Asylstatistik
2012, 2013, 2014; eigene Berechnung). Die Zahl der im Familienverband eingereisten
minderjährigen Asylwerber konnte ebenso wenig erhoben werden wie die Zahl der
Asylwerber zwischen 18 und 25 Jahren. Diese Daten weist die Asylstatistik des BMI nicht
aus.
Dass der Anteil der jungen Asylwerber, die in Wien eine Lehre absolvieren, nicht höher
ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einerseits sind ihre Chancen am Arbeitsmarkt
(auch aufgrund rechtlicher Regelungen) durch die ethnische Segmentierung des
Arbeitsmarktes und aufgrund der Auswahlprozesse in den Betrieben generell schlechter
als die inländischer Jugendlicher. Andererseits kommen bei ihnen aufgrund ihrer
speziellen Situation (Flucht, Alter, Trennung von der Familie, Lebenssituation in
Österreich etc.) auch verschiedene individuelle Faktoren zum Tragen. Im Folgenden wird
auf diese strukturellen und individuellen Faktoren eingegangen.
In Klammer sind die jeweilige Nummer des Interviews und die Zeilenangaben angeführt.
7.3.1 Stellenwert von Ausbildung und Beschäftigung
Was sich in den vielfältigen Bemühungen und Initiativen für eine Öffnung des
Arbeitsmarktes für Asylwerber zeigt, spiegelt sich in den Ergebnissen der
Experteninterviews deutlich wieder: Alle Interviewpartner – Betreuer ebenso wie Vertreter
offizieller Stellen – betonen gleichermaßen die Wichtigkeit einer Lehrausbildung für das
berufliche Fortkommen und die Persönlichkeitsbildung der Jugendlichen.
Dabei spielen nicht nur die Perspektiven der Jugendlichen in Österreich eine Rolle
sondern auch der Nutzen im Falle, dass ein Verbleib im Lande aufgrund einer negativen
Behördenentscheidung nicht möglich ist. Ein Betreuer berichtet, dass sie die Jugendlichen
47
darin bestärkt, die Zeit in Österreich zu nützen und ihnen gegenüber regelmäßig betont:
„Es schadet nicht. Auch wenn ihr wieder [Anm.: in das Herkunftsland] zurückkommt, dann
habt ihr auf jeden Fall mehr Erfahrungen machen können und euch mehr Wissen
aneignen können“ (I2: 174 – 176). Auch von offizieller Stelle ist man sich der Problematik
bewusst: „In solchen Fällen macht es dann trotzdem Sinn, weil der Jugendliche zumindest
etwas gelernt hat, das er vielleicht auch anderswo nutzbringend einsetzen kann“ (I5: 62 –
69).
Nach den übereinstimmenden Aussagen aller Interviewpartner ist das Interesse an einer
Lehrausbildung auf Seiten der Jugendlichen sehr groß, wobei es allerdings auch auf die
individuelle Situation ankommt. Die Fluchtgeschichte, das Schicksal der
zurückgebliebenen Familien aber auch die individuellen Begabungen spielen eine Rolle,
ob sich ein junger Asylweber für eine Lehr- oder Schulausbildung entscheidet: „Es ist im
Prinzip natürlich abhängig von der individuellen Lage oder Geschichte oder was sie sonst
noch beschäftigt. Ob die Familie weit weg ist. Manche sind sehr schulfit und gehen weiter
den Schulweg und ein Teil möchte arbeiten. Und sie wissen, dass eine Lehre auch eine
gute Möglichkeit ist, einen Job zu erlernen. Also das wollen sehr, sehr, sehr viele. Die
meisten wahrscheinlich. UMF auf jeden Fall“ (I1: 319 – 324). Einerseits wollen die jungen
Asylwerber nicht untätig auf die Entscheidung in ihrem Asylverfahren warten. Sie möchten
eine Ausbildung machen und in das Erwerbsleben eintreten. Dabei spielen einerseits das
Streben nach Selbständigkeit, nach eigenem Einkommen und einer beruflichen Karriere
(„Ausbildung, und dass sie dann in dem Bereich auch später arbeiten werden. Eine
Jobsicherheit“ [I2: 167 – 168]) aber auch der Wunsch nach Unterstützung der im
Herkunftsland verbliebenen Familie eine Rolle: „Geld zu verdienen, selbständiger zu
werden, Familie helfen zu können“ (I1: 330). Asylwerber mit psychischen Problemen sind
weniger motiviert, eine Lehre zu beginnen (vgl. I3: 203 – 205; I8: 242 – 244).
Zuletzt darf auch der Aspekt des Einflusses auf den Ausgang des Asylverfahrens nicht
vernachlässigt werden. Die Betreuer der jungen Asylwerber sind sich durchaus bewusst,
dass ein aufrechtes Lehrverhältnis jedenfalls nicht negativ bei der Bewertung der
Integration in Österreich berücksichtigt wird (siehe dazu oben 4.5). Sie betonen die
Wichtigkeit, sich am Leben in Österreich zu beteiligen und durch entsprechendes
Engagement den Willen zur Integration zum Ausdruck zu bringen (vgl. I2: 172, 173). Dass
die Integration am Arbeitsmarkt und das Absolvieren einer Ausbildung hier eine
wesentliche Bedeutung hat, wird den jungen Asylwerbern von einigen Betreuern durchaus
vermittelt: „Das sagen wir auch, […]: je mehr sie sich hier integrieren, je mehr sie hier
gemacht haben, desto schwieriger wird es auch für die Behörden sein, zu argumentieren,
48
dass sie jetzt abgeschoben werden oder zurückgeschickt werden“ (I2: 172 – 174; vgl. I3:
250 – 253). Ein Betreuer sieht dagegen bei den jungen Asylwerbern kaum ein
Bewusstsein für die Bedeutung, die eine Lehre im Asylverfahren haben kann und verweist
vielmehr auf die Wichtigkeit von Deutschkenntnissen: „Mittels Deutschkurs versuche ich
sie dann auch zu ködern. Dass ich sag‘, sie brauchen unbedingt einen Deutschkurs. Nicht
nur wegen der Karriere, nicht nur wegen der Lehre sondern auch fürs Asylverfahren“ (I4:
199 –201).
7.3.2 Information der Asylwerber
Voraussetzung für die Beschäftigung mit dem Thema Lehre ist zunächst einmal die
Information über diese Möglichkeit. Unbegleitete, minderjährige Asylwerber, die einer
Betreuungsstelle in Wien im Rahmen der Bestimmungen der Grundversorgung
zugewiesen werden (Art. 3 Abs. 2 Z. 1 Grundversorgungsvereinbarung; siehe dazu oben
Pkt. 4.6), erhalten dort nach übereinstimmender Aussage aller Befragten alle
Informationen, die für sie in Bezug auf ihre Ausbildung relevant sind. Die Betreuer gehen
dabei besonders in den Wohngemeinschaften sehr auf die Bedürfnisse und Begabungen
der Jugendlichen ein und sind bemüht, den jeweils passenden Ausbildungsweg zu finden
und sie an die entsprechenden Stellen weiter zu verweisen (vgl. I2: 145; I6: 211). Die
Jugendlichen erhalten dort auch Unterstützung im Bewerbungsprozess (vgl. I1: 388 –
391).
Für junge Asylwerber, die im Familienverband nach Österreich kommen oder die als
Volljährige privat untergebracht sind, ist eine derart intensive Betreuung nicht unbedingt
gegeben. Sie erhalten die entsprechenden Informationen jedoch entweder in den
Betreuungsquartieren oder im Falle privater Unterbringung im Asylzentrum der Caritas,
über das sie auch die Grundversorgungsleistungen beziehen (vgl. I1: 307; vgl.
Koppenberg 2014: 21). Da in Wien die Unterbringung durchweg von großen
Organisationen übernommen wird (siehe dazu oben Pkt. 4.6), kann nach Ansicht eines
Betreuers auch für erwachsene Asylwerber eine professionelle Beratung erwartet werden
(vgl. I1: 303 – 206). Für diese Personengruppe ist jedoch ein größeres Maß an
Eigeninitiative gefordert, da die Beratung eher eine allgemein rechtliche ist und der Fokus
nicht auf der (Lehr)ausbildung liegt: „Es wird vielleicht einige geben, die das
möglicherweise nicht wissen, weil sie auch nicht danach fragen“ (I1: 306).
Auch Mundpropaganda spielt nach Aussage einer Interviewpartnerin eine Rolle (vgl. I2:
157).
49
Nach den oben angeführten Aussagen der Experten sehen diese das
Informationsbedürfnis der jungen Asylwerber gut abgedeckt. Da die Grundversorgung
nach den oben angeführten Aussagen in Wien einen hohen Organisationsgrad aufweist
und die Asylwerber auch gut untereinander vernetzt sind, können nach Ansicht aller
Experten nur sehr wenige nicht erreicht werden. Sobald die Asylwerber auf die
Möglichkeit, eine Lehre zu beginnen, aufmerksam geworden sind, können sie auch beim
Arbeitsmarktservice detaillierte Auskunft erhalten – eine Möglichkeit, die offenbar auch
genutzt wird: „Viele kommen selbst und informieren sich hier [Anm.: beim AMS] vor Ort
bzw. in den regionalen Geschäftsstellen. Online ist die Möglichkeit, also wenn man einen
Internetzugang hat. Auch hier gibt’s breites Informationsmaterial darüber“ (I4: 66 – 69).
Die Asylwerber wenden sich dabei zunächst oft an die regionalen Geschäftsstellen des
AMS, die sie dann jedoch meist an das Service für Ausländerbeschäftigung des AMS
weiterverweisen, wo eine Beratung aufgrund des spezifischen Fachwissens und der
besseren Möglichkeiten nicht-deutschsprachiger Beratung einfacher zu bewerkstelligen ist
(I6: 213 – 215).
Einige Interviewpartner weisen allerdings auf Schwierigkeiten im Verständnis der jungen
Asylwerber betreffend das Wesen einer Lehrausbildung hin: „Einmal zu verstehen, was ist
ein Lehrberuf, was ist ein normaler Beruf. Wo wir immer wieder an Grenzen stoßen im
Verständnis“ (I6: 69 – 71), „Sehr oft sind es Begrifflichkeiten: Normale Stelle zu finden und
eine Lehrstelle zu finden. Warum haben wir Lehrberufe und wie lang dauert das?“ (I2: 87,
88). Dabei spielt nach Ansicht eines Betreuers der Bildungsgrad der Jugendlichen eine
wesentliche Rolle. Asylwerbern, die im Herkunftsland keine Schulbildung absolviert
haben, fällt es demnach oft schwerer zu verstehen, dass es sich bei der Lehre um eine
Berufsausbildung handelt und dass die Lehrausbildung als Grundlage für einen späteren
Beruf konzipiert ist: „Diejenigen, die vorher schon eine Schulbildung genossen haben im
Herkunftsland, die können sich das besser vorstellen, dass eine Lehre notwendig ist.
Alleine, um Facharbeiter zu werden“ (I4: 169 – 172). Derselbe Betreuer schildert, wie er
durch kreative Ideen den jungen Menschen das Wesen des mit ihnen in der Beratung
vereinbarten Ausbildungswegs zu erklären versucht: „Es ist nur, dass man auch
versuchen muss, das zu erklären. Wenn sie zum Beispiel schon vorher keine
Schulbildung haben, da können sie sich dann schwerer vorstellen, welcher Weg ist dann
ausgemacht. Ich versuch‘ ihnen diesen Bildungsweg, diesen Karriereweg zu zeigen.
Mittels eines Bildes von Stufen.“ (I4: 166 – 169). Ein Betreuer weist auf kulturelle
Unterschiede und den Umstand hin, dass viele der jungen Asylwerber im Heimatland
bereits als Kinder Schwerarbeit verrichten mussten (I8: 240 – 251).
50
7.3.3 Information der Betriebe
Was die Information auf Seiten der Unternehmen bzw. potentiellen Arbeitgeber betrifft,
konstatiert die Mehrheit der Interviewpartner große Defizite. Es herrscht demnach kaum
ein Bewusstsein, dass junge Asylwerber als Lehrlinge aufgenommen werden können.
Zwar bietet das Arbeitsmarktservice im Rahmen seines „Service für Unternehmen“
Informationsmaterial und branchenspezifische Informationsveranstaltungen an und das
Thema wird auch im Magazin für Unternehmer immer wieder angesprochen. Bei Bedarf
werden Beratungsgespräche und Kundenmeetings organisiert. Oft werden die
Unternehmen jedoch erst durch die Bewerber selbst auf die Möglichkeit, einen Asylwerber
als Lehrling aufzunehmen, aufmerksam gemacht: „Sehr viel Information kommt von den
Personen, die sich bewerben selbst. Dass die wirklich schon mit Informationsmaterial
ausgestattet werden und zur Firma gehen“ (I6: 104, 105). Es hängt sehr von der
Eigeninitiative und vom Engagement des Unternehmens ab, sich die notwendigen
Informationen zu verschaffen: „Es gibt sehr viele Firmen, die engagieren sich. Die sagen
wirklich: Wir möchten da helfen, wir möchten die unterstützen. Die kommen auch zu
einem Gespräch [Anm.: beim AMS] und lassen sich informieren. Und holen sich alles,
was sie brauchen. Funktioniert auch sehr gut. Wird wenig genützt. Also nicht in dem
Rahmen, wie‘s eigentlich möglich wäre“ (I4: 93 – 96).
Es herrscht jedoch großteils Unklarheit hinsichtlich der Begrifflichkeiten. So berichten zwei
Berater, dass meist kein Unterschied zwischen Asylwerbern, Asylberechtigten und
subsidiär Schutzberechtigten gemacht wird und all diese generell als „Asylanten“
bezeichnet werden (vgl. I6: 120, 121; I3: 336, 341).
Von Seiten des AMS wird darauf hingewiesen, dass im April 2014 eine Umstrukturierung
im AMS im Sinne einer Zentralisierung stattgefunden hat. Dies funktioniere sehr gut und
es seien für die Zukunft verschiedene Maßnahmen und Informationsveranstaltungen in
Zusammenarbeit mit den diversen Zielgruppen geplant: „Inwieweit wir das
veranstaltungsmäßig organisieren können - wir haben alles am Plan […] und sind da grad
in der Aufbauarbeit begriffen. […] Dass man im Vorfeld gut informiert“ (I4: 214 – 220).
7.3.4 Schulbildung
Wie oben (Pkt. 7.2) ausgeführt, muss für den Beginn einer Lehre die Erfüllung der
allgemeinen Schulpflicht, somit der Abschlusses der 9. Schulstufe nachgewiesen werden.
Alle Befragten weisen darauf hin, dass die jungen Asylwerber oft nicht einmal über
grundlegende Schulbildung verfügen bzw. dass sie keine Zeugnisse oder anderen
51
Bestätigungen für etwaige Schulabschlüsse vorweisen können. Oft haben sie bereits im
Kindesalter gearbeitet. Der Vermittlung von Bildung wird von allen Betreuern große
Bedeutung beigemessen: „Oberstes Ziel ist eigentlich, dass jeder Jugendliche in einer
Kurs- oder Bildungsmaßnahme ist. Und da versuchen wir einfach alles auszuschöpfen.
Alles, was geht, das ist ganz wichtig“ (I1: 105 – 107; vgl. I8: ).
Das Angebot an Kursen deckt in Wien nach übereinstimmender Ansicht aller Befragten
den Bedarf und die Betreuungseinrichtungen können zahlreiche Kooperationen mit
Vereinen, Bildungseinrichtungen und Schulen nutzen. Alle Befragten betonen jedoch die
eingeschränkten finanziellen Mittel, die den Betreuungseinrichtungen zur Verfügung
stehen. Insbesondere die Volkshochschulen gewähren nach übereinstimmender Aussage
der Befragten Preisnachlässe bzw. Sonderkonditionen und es gibt auch kostenlose Kurse
bei verschiedenen Anbietern.
Je nach individuellem Bedarf des Jugendlichen kommen unterschiedliche Kurse in
Betracht: Basisbildungskurse werden kostenlos von mehreren Organisationen angeboten
und richten sich an jene, die zunächst grundlegende Kenntnisse erwerben müssen, bevor
sie als nächsten Schritt einen Kurs zum Erwerb des Hauptschulabschlusses absolvieren
können. Mit Abschluss desselben sind die Voraussetzungen für den Beginn einer Lehre
erfüllt. Ein Betreuer berichtet, dass man sich bemüht, Defizite beispielsweise in
Mathematik durch außerschulische Förderung auszugleichen. So gibt es ein Lernbuddy-
Programm, bei dem ehrenamtliche Mitarbeiter am Nachmittag mit den Schülern lernen:
„Die meisten haben Schwierigkeiten in den Grundrechnungsarten. Das versuchen wir zu
kompensieren, indem wir Lernnachhilfe zur Verfügung stellen oder Lernbuddies, die
gezielt eins zu eins Betreuung machen und mit den Jugendlichen den Stoff, den sie in der
Schule lernen, dann gemeinsam zu bewältigen“ (I2: 55 – 59).
An Kursen oder Bildungsmaßnahmen, die vom AMS angeboten werden, können
lehrstellensuchende Asylwerber nicht teilnehmen, da sie mangels Arbeitsmarktzugangs
keinen Arbeitslosenanspruch haben und daher nicht beim AMS registriert werden können
(vgl. I6: 225 – 233; I5: 135 – 138).
Alle Befragten schätzen die Chancen für junge Asylwerber, einen Schulabschluss in
Österreich erhalten zu können, hoch ein. Sie verweisen jedoch auch auf individuelle
Probleme, die sich aus dem persönlichen Hintergrund des jeweiligen Jugendlichen
ergeben können. So hat die Vorbildung einen wesentlichen Einfluss auf den schulischen
Erfolg in Österreich: „Die Chancen sind normalerweise recht gut. Es kommt drauf an, ob
er im Herkunftsland schon in die Schule gegangen ist oder nicht. Wenn er dort schon
52
alphabetisiert war auch in seiner Sprache schon schreiben und lesen konnte, dann tut er
sich da relativ leicht. […] Es gibt aber andere, die im Herkunftsland nicht in die Schule
gegangen sind, die dort arbeiten gewesen sind, die dort Hirten oder Wasserträger waren
– dann funktioniert‘s relativ schwer“ (I4: 64 – 71). Eine Interviewpartnerin weist auf den
Zeitfaktor hin und betont, dass die Chancen besser stehen, wenn die Jugendlichen eine
ausreichend lange Aufenthaltszeit in der Betreuungseinrichtung haben und dort
Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit gefördert werden: „Ein guter Teil schafft es
irgendwie. Vorausgesetzt, sie haben zwei Jahre Verbleibzeit in der WG. Dann geht sich‘s
bei recht vielen aus“ (I1: 137 – 139).
Nach Aussage eines Befragten kann das Fehlen des Pflichtschulabschlusses zum
Scheitern der Bemühungen um eine Lehrstelle führen: „Das ist auch immer wieder
Thema: Wo das klappen würde mit dem Mangelberuf und dann hat der die Pflichtschule
nicht abgeschlossen“ (I6: 125 – 127). Es wird jedoch auch betont, dass man sich in
solchen Fällen von Seiten des AMS sehr bemühe, eine Lösung zu finden – etwa durch
das Nachholen des Hauptschulabschlusse parallel zur Lehrausbildung (vgl. I6: 141 –
144).
7.3.5 Deutschkenntnisse
Ausreichende Deutschkenntnisse werden ebenfalls von allen Befragten als ein
wesentlicher Aspekt für den Erfolg bei der Lehrstellensuche angesehen. Einige betonen,
dass es dabei weniger um die Kommunikationsfähigkeit im Betrieb geht sondern vielmehr
darum, dass die Lehrlinge in der Berufsschule dem Unterricht folgen können: „Eine Lehre
ist ja nicht nur Ausbildung im Betrieb, wo das wahrscheinlich irgendwie geht, sondern man
muss auch in die Berufsschule gehen“ (I5: 224 – 226).
Alle Befragten schätzen die Chancen, dass die jungen Asylwerber ausreichende
Deutschkenntnisse in Österreich erwerben, positiv ein. Zwar steht für minderjährige
Asylwerber im Rahmen der Grundversorgung ein gewisses Budget für Deutschkurse zur
Verfügung, es hängt nach Ansicht der Betreuer jedoch sehr vom einzelnen Jugendlichen
ab, ob dieses ausreicht: „In der Regel ist es so, dass sich nicht wirklich sagen lässt, ob
sich mit dieser Summe Deutsch erlernen lässt“ (vgl. I1: 171 – 173); „Es gibt Jugendliche,
die sind dann ein Jahr da und haben vielleicht 800 Euro verbraucht von ihrem Kursbudget
und sprechen mittlerweile sehr gut. […] Und dann gibt’s andere, da geht schon einmal
nahezu das ganze Budget für Alphabetisierung weg“ (I1: 179 – 183). Von Seiten einer
Betreuungseinrichtung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Kurse auch nach
Erschöpfung des Budgets vom Träger der Einrichtung weiterfinanziert werden, solange
53
die Jugendlichen in den Wohngemeinschaften betreut werden (vgl. I1: 177, 178). Ein
Betreuer erzählt, dass die Jugendlichen in den Wohngemeinschaften einen großen
Einsatz zeigen: „Unsere Jugendlichen sind auch sehr motiviert, dass sie trotz
Hauptschulabschlusskurs und trotz Lehrstelle dann auch noch Deutschkurse zusätzlich
machen und ihr Deutsch vertiefen“ (I2: 78, 79). Derselbe Betreuer weist jedoch auch
darauf hin, dass für junge Asylwerber über 18 Jahre, die nicht mehr in den
Betreuungseinrichtungen wohnen, die Chancen schlechter sind. Sie müssen sich in
Eigeninitiative Kurse organisieren: „Wenn sie organisiert untergebracht sind, ist es immer
leichter, eine Finanzierung zu finden, als auf eigene Faust“ (I2: 90, 91).
Weiters ist der Preis für die Kurse nach Auskunft der Betreuer je nach Anbieter
unterschiedlich. Alle Betreuer weisen darauf hin, dass sie versuchen, Reduktionen zu
erwirken und beispielsweise an den Volkshochschulen oft der Sozialtarif gewährt wird.
Schließlich sind nach Auskunft mehrerer Interviewpartner nicht nur Deutschkurse für den
Erwerb von Sprachkenntnissen wichtig. Die Jugendlichen, die einen
Hauptschulabschlusskurs besuchen, verbessern dadurch auch ihre Deutschkenntnisse:
„Ein Jugendlicher, der nach einem Hauptschulabschluss eine Lehre antritt, der braucht
keine Kurszeugnisse für Deutsch, weil der ist ja benotet, der spricht dann auch Deutsch“
(I1: 154 – 157).
7.3.6 Diskriminierung am Arbeitsmarkt
Was eine etwaige Benachteiligung von Asylwerbern im Auswahlverfahren wegen ihrer
Herkunft betrifft, sehen die Befragten keine großen Probleme. Ein Betreuer weist darauf
hin, dass sie generell im Bereich der Lehrlingsausbildung Erfahrungen mit Vorurteilen
gegen Personen aus bestimmten Herkunftsländern gemacht hat (vgl. I4: 244, 245).
Andererseits spielt aber gerade, was Jugendliche betrifft, auch der Hilfsgedanke bei
einigen Firmen eine Rolle: „Das Interesse der Unternehmen ist grundsätzlich da. Das sind
dann meistens sehr engagierte Firmen, die in dem Bereich versuchen, auch was zu
bewirken. Gerade bei den Jugendlichen ist es sehr oft dieser Hilfsgedanke“ (I6: 100 –
102).
Ein Interviewpartner erzählt, dass die Arbeitgeber teilweise aus dem Engagement der
Jugendlichen im Bewerbungsprozess eine größere Zuverlässigkeit und Ernsthaftigkeit
ableiten und dies ein Pluspunkt bei der Bewerbung sein kann: „Da ist auch die
Arbeitsmoral anders, wenn ich weiß, ich hab‘ mir da jetzt einiges angetan, dass ich
54
überhaupt in den Arbeitsmarkt komme. […] Das höre ich immer wieder von den
Betrieben“ (I6: 104 – 112).
Im Bewerbungsprozess wirkt sich nach Aussage eines Interviewpartners die mangelnde
Information der Unternehmen negativ auf die Chancen der jungen Asylwerber aus. Den
Asylwerbern fällt es aufgrund der Komplexität der Materie und auch aufgrund von
Sprachbarrieren nicht leicht, die rechtliche Situation zu erklären und die
Personalverantwortlichen nehmen sich auch nicht immer die erforderliche Zeit (I2: 105 –
108).
Positiv beeinflusst werden die Chancen junger Asylwerber im Auswahlverfahren nach
Einschätzung eines Befragten durch die durchaus verbreitete Praxis der Betriebe,
Kandidaten im Rahmen eines Praktikums oder einer Schnupperlehre kennenzulernen
(vgl. I2: 72, 73, 200 – 206). Ein Betreuer hofft, über die Bildung eines entsprechenden
Netzwerkes vermehrt solche Einstiegsmöglichkeiten schaffen zu können (vgl. I4: 220 –
235).
7.3.7 Wirtschaftliche Aspekte
Da die Lehrlingsentschädigung regelmäßig über dem Grundversorgungsbetrag liegt
(siehe oben Kapitel 5.), laufen junge Asylwerber Gefahr, mit Beginn einer Lehre von der
Grundversorgung ausgeschlossen zu werden (siehe oben Pkt. 4.6). Minderjährige
Asylwerber sind diesbezüglich besser gestellt als erwachsene. Da bei ihnen die
Lehrlingsentschädigung bis zur Volljährigkeit von der obsorgeberechtigten Stelle
einbehalten wird, können sie weiter in den Grundversorgungseinrichtungen verbleiben:
„Bei den UMF gibt es glücklicherweise die Sondersituation, dass, nachdem sie ja
minderjährig sind und die MA 11 die Obsorge hat, die Lehrlingsentschädigung einfach auf
einem Ansparkonto von der MA 11 verwaltet und erst bei Volljährigkeit zur Auszahlung
gebracht wird“ (I1: 252 – 255). Dies wird von zwei anderen Interviewpartnern bestätigt
(vgl. I1: 253 – 263; I8: 152 – 158). Volljährige geraten durch die Anrechnung der
Lehrlingsentschädigung auf den Grundversorgungsbetrag (insbesondere in Anbetracht
der hohen Wohnkosten in Wien) in eine finanziell sehr schlechte Position, was sich
negativ auf ihr Interesse an einer Lehrlingsausbildung auswirken kann (vgl. I2: 135 – 130).
Für den überwiegenden Teil der Befragten war eine eventuelle finanzielle Belastung durch
Kosten für die Fahrt in den Betrieb kein Thema. Nach E-Mail-Auskunft des BMI, Abteilung
III/9 (Grundversorgung und Bundesbetreuung) umfasst gemäß Art. 6 Abs. 1 Z 10
Grundversorgungsvereinbarung die Grundversorgung nur die für den Schulbesuch
55
erforderlichen Fahrtkosten. Die Fahrtkosten zu einer Lehrstelle oder das Lehrlingsticket
der Wiener Linien werden nicht getragen. Nach Aussage eines Befragten haben
Asylwerber auch deshalb keinen Anspruch auf die Lehrlingsfreifahrt, da diese an den
Bezug der Familienbeihilfe gekoppelt ist, die Asylwerbern nicht zusteht (vgl. I8: 185). Ein
Teil der Befragten bejahte, dass auch junge Asylwerber in den Genuss derselben
kommen würden, während andere dazu keine Auskunft geben konnten. Manche
Betreuungseinrichtungen übernehmen die Kosten der notwendigen Fahrten der Lehrlinge
(vgl. I1: 275 – 277; I8: 186 – 188). Ein Befragter wies darauf hin, dass es angesichts der
beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Jugendlichen oft kaum möglich ist, die für die
Ausübung des Lehrberufs nötigen Materialien zu erwerben. Unterstützungsmaßnahmen
gebe es im Wesentlichen nur für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte („Asylwerber sind
wirklich schlecht gestellt. Wirklich schlecht. Nicht nur, dass sie schlechter gestellt sind als
alle anderen, sondern wirklich schlecht gestellt“ [I4: 140 – 142]). Patenschaften können
hier Hilfe bieten.
7.3.8 Rechtliche Regelungen
Ein wesentliches Hindernis für den Beginn einer Lehre stellen nach Aussage aller
Interviewpartner die restriktiven rechtlichen Bestimmungen dar. Zwar hatte man seitens
der Politik den im Vergleich zu erwachsenen Asylwerbern besonderen Bedürfnisse und
der speziellen Situation, in der sich junge Asylwerber befinden, Rechnung getragen und
im Bereich der Lehrausbildung einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt geschaffen:
„Allerdings haben wir schon auch erkannt, dass wir innerhalb der Gruppe der Asylwerber
doch eine noch zusätzlich sensible Gruppe haben, nämlich die jugendlichen Asylwerber,
die vor allem deswegen in einer sehr schwierigen Situation sind, als sie eben gerade in
der Zeit sind, wo andere eine Ausbildung machen und […] wo diese Zeit des Untätigseins,
des untätig Wartens, noch einmal schwerer wiegt“ (I5: 50 – 55; vgl. I6: 14 – 17).
Die Einschränkung auf Mangellehrberufe bringt es jedoch mit sich, dass das
Lehrstellenangebot beschränkt ist und nicht immer den Vorstellungen der Jugendlichen
entspricht. Von Seiten einiger Betreuer wird darauf hingewiesen, dass von den
Jugendlichen nicht immer erwartet werden kann, dass sie ihre Berufsvorstellungen zu
Gunsten einer Lehrausbildung aufgeben: „Nur weil sie Asylwerber sind, muss man auch
nicht den Standpunkt vertreten, der muss jetzt seine Ziele, Träume oder wie auch immer
verändern. Nur auf das zuschneiden“ (I1: 346 – 347).
Indem die Mangellehrberufsliste nicht (wie die allgemeine Mangelberufsliste) in Form
einer bundesweit gültigen Verordnung sondern eigenständig vom jeweiligen
56
Arbeitsmarktservice erstellt wird, will man zu mehr Flexibilität beitragen. So soll dem
Umstand Rechnung getragen werden, dass es im Falle junger Asylwerber nicht
vordringlich um die Regelung von dauerhafter Zuwanderung sondern um eine Ausbildung
geht (vgl. I5: 195 – 168).
Eine Ausweitung auf alle Lehrberufe wird zwar immer wieder diskutiert, erscheint jedoch
angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage und der bestehenden gesetzlichen
Regelungen, die von offizieller Seite als jedenfalls gemeinschaftsrechtskonform
angesehen werden, nicht wahrscheinlich (vgl. I5: 201).
Was die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung betrifft, sahen die meisten
Interviewpartner eher keine wesentlichen Probleme (vgl. I1: 208; I4: 100, 101; I7: 82, 86;
I6: 47, 48; I5: 169, 170). Liegen die Voraussetzungen vor, ist man von offizieller Stelle
daran interessiert, möglichst eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen (vgl. I6: 49, 50).
Hier bietet der Regionalbeirat eine Möglichkeit zur Diskussion im Einzelfall (vgl. I6: 31 –
33). Das Problem liegt eher darin, dass oft die Voraussetzungen nicht erfüllt werden oder
beispielsweise Anträge für reguläre Berufe und nicht für Lehrberufe gestellt werden: „Wir
haben sehr oft Bewerbungen für ganz normale Stellen, weil nicht ganz klar war, dass hier
eine Lehrstelle beantragt werden muss“ (I6: 74 – 76). Beim Arbeitsmarktservice bemüht
man sich, im Einzelfall Lösungen zu finden (vgl. I6: 30 – 39).
8. Schlussfolgerungen
Ein Teil der jungen Menschen, die auf der Suche nach Schutz und besseren
Lebensbedingungen nach Österreich kommen, wird im Rahmen der Grundversorgung in
Wien untergebracht (siehe oben Pkt. 4.6). Ihre Fluchtgeschichte ist nicht selten von
traumatischen Erlebnissen gekennzeichnet und oft mussten sie ihre Familien verlassen
und sich alleine nach Europa durchschlagen. Sie haben meist nicht einmal eine
grundlegende Ausbildung und haben in der Heimat bereits im Kindesalter gearbeitet und
zum Lebensunterhalt der Familie beitragen müssen. In Österreich möchten sie ein neues
Leben beginnen, eine Ausbildung absolvieren und selbständig werden. Die Absolvierung
einer Lehre ist jedoch für junge Asylwerber mit vielfältigen Hindernissen verbunden.
Nicht nur, dass sie aufgrund ihrer Herkunft und ihres unsicheren Aufenthaltsstatus zu den
„Outsidern“ am Arbeits- bzw. Lehrstellenmarkt zählen, tragen auch die restriktiven
rechtlichen Regelungen in Österreich zu dieser Positionierung bei. Da bei einer Lehre
Ausbildung und Arbeitsverhältnis kombiniert sind, ist ein Arbeitsmarktzugang nötig. Zwar
kommt Asylwerbern nach den Regeln der EU grundsätzlich ein Recht auf Bildung und
57
Beschäftigung zu (vgl. RL 2013/33/EU). Obwohl Österreich hinsichtlich des Zeitpunkts, ab
dem für Asylwerber ein Arbeitsmarktzugang besteht, sogar günstigere Bestimmungen als
die auf EU-Ebene vorgeschriebenen vorsieht, sind deren Möglichkeiten in Österreich de
facto auf Saisonarbeit reduziert. Ihr Arbeitsmarktzugang wird durch nationale Regelungen
wie das AuslBG, das für Asylwerber die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung
vorsieht und den sog. „Bartensteinerlass“ (BMWA-435.006/6-II/7/04) eingeschränkt.
Für junge Asylwerber stellt sich die Situation in Österreich etwas günstiger dar: Um ihren
besonderen Bedürfnissen nach Bildung Rechnung zu tragen und ihnen – auch im Hinblick
auf die Verbesserung ihre Situation im Falle einer Rückkehr in das Heimatland – eine
Ausbildung zu ermöglichen, wurde durch zwei Erlässe des Sozialministeriums (BMASK-
435.006/0005-VI/AMR/7/2012, BMASK-435.006/0005-VI/B/7/2013) die Möglichkeit
geschaffen, dass Asylwerber unter 25 Jahren eine Lehrausbildung in Österreich
außerhalb der Saisonkontingente absolvieren können. Aus den Experteninterviews ergibt
sich, dass das Interesse an einer Lehrausbildung besonders bei minderjährigen
unbegleiteten Flüchtlingen sehr groß ist. Es ist jedoch für sie nicht leicht, eine Lehrstelle
zu bekommen. Dies deckt sich mit den Daten des AMS, wonach in den drei Jahren seit
dem Bestehen dieser Regelung in Wien lediglich für 35 Asylwerber eine
Beschäftigungsbewilligung für eine Lehre erteilt wurde, während laut der Asylstatistik des
BMI in den Jahren 2012 bis 2014 in ganz Österreich 4.658 unbegleitete Minderjährige um
Asyl angesucht haben.
Hinsichtlich der rechtlichen Beschränkungen spielt weniger das Erfordernis einer
Beschäftigungsbewilligung als die Beschränkung auf Mangellehrberufe eine Rolle. Wenn
die Voraussetzungen vorliegen, wird eine Beschäftigungsbewilligung problemlos erteilt.
Die in die Liste der Mangellehrberufe aufgenommenen Berufe entsprechen jedoch oft
nicht den Vorstellungen oder Kenntnissen der Jugendlichen. Darüber hinaus lässt sich
aus den Daten des AMS erkennen, dass der Großteil der jungen Asylwerber in Wien (26
von insgesamt 35) eine Lehre im Tourismusbereich (Beherbergung und Gastronomie)
absolviert. Die Beschränkung auf bestimmte Berufe kann somit die ethnische
Segmentierung des Arbeitsmarktes (vgl. Biffl 2000; BMASK 2010) fördern.
Die Interviewergebnisse zeigen, dass es ganz wesentlich von der individuellen Situation
der Jugendlichen abhängt, ob ein junger Asylwerber tatsächlich eine Lehrstelle erhält:
Je besser und professioneller sie betreut werden und je stabiler ihre persönliche Situation
ist, desto größer sind ihre Chancen auf eine Lehrstelle. Vor allem Minderjährige, die in
betreuten Wohngemeinschaften untergebracht sind, haben Zugang zu Information und
58
Bildung. Sie werden bei der Kurs- und Lehrstellensuche, bei Behördenwegen und
hinsichtlich der Bewerbung unterstützt. Jugendliche mit Traumatisierungen oder anderen
psychischen Problemen können dagegen oft nicht in solchen offenen, auf Selbständigkeit
ausgerichteten Betreuungseinrichtungen untergebracht werden. Bei ihnen liegt der Fokus
der Betreuung in anderen Bereichen als der Ausbildung und sie können die Möglichkeit
einer Lehrausbildung kaum nutzen.
Die Jugendlichen erhalten, was ihre Ausbildung betrifft, in den Betreuungseinrichtungen
ein hohes Maß an Unterstützung. So ist es einem Großteil von ihnen möglich, die
notwendigen Deutschkenntnisse und den Hauptschulabschluss zu erlangen, sodass sie in
weniger individualistischen betrieblichen Auswahlmethoden (vgl. Imdorf 2010: 2011)
bestehen können. Allerdings sind Jugendliche, die im Herkunftsland keinerlei Bildung
genossen und keine Schule besucht haben, in einer schlechteren Position, da es bei
ihnen länger dauern kann, bis sie das notwendige Niveau erreicht haben. Dies kann dazu
führen, dass sie bereits vorher die Altersgrenze für eine Lehrausbildung überschreiten
oder wegen Erreichens der Volljährigkeit aus der intensiven Betreuung herausfallen.
Das Wissen um die Möglichkeit einer Lehrausbildung für junge Asylwerber ist nach den
Interviewergebnissen in den Betreuungsstellen und beim Arbeitsmarktservice groß,
obwohl teilweise auch Unklarheiten insbesondere hinsichtlich der rechtlichen
Voraussetzungen herrschen. Im Großen und Ganzen erhalten alle Jugendlichen die
notwendigen Informationen entweder durch ihre Betreuer, durch Berater oder durch
Mundpropaganda. Oft bedarf es jedoch einiger Kreativität, um den Jugendlichen das
Wesen der Lehrausbildung verständlich zu machen. Anders stellt sich die Situation in den
Betrieben dar: Hier herrschen oft Unwissen und Unkenntnis der Rechtslage. Zwar gibt es
auch für Firmen Informationsmöglichkeiten, diese werden jedoch selten und meist nur von
engagierten Firmen genützt. Es liegt daher im Wesentlichen an der Eigeninitiative der
Jugendlichen, einen potentiellen Arbeitgeber von der Möglichkeit zu überzeugen, dass
auch Asylwerber als Lehrlinge angestellt werden können. Wie Imdorf (2010: 211)
ausführt, können unfundierte Annahmen der Personalverantwortlichen angesichts des
Zeitdrucks in den betrieblichen Bewerbungsverfahren und der Konkurrenz am
Lehrstellenmarkt zu einer benachteiligenden Vorselektion führen. Junge Asylwerber
bekommen so oft schon von Vornherein gar nicht die Möglichkeit, ihre besondere
Situation darzulegen.
Obwohl generell Personen mit Migrationshintergrund im Bewerbungsverfahren
benachteiligt sind (vgl. Hofer et al. [2013]: 2), spielen Vorurteile seitens der Unternehmen
aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit der jungen Asylwerber im Bewerbungsverfahren
59
keine auffällige Rolle. Es gibt im Gegenteil auch engagierte Betriebe, die die Jugendlichen
aktiv unterstützen möchten. Es ist eher die Angst vor dem bürokratischen Aufwand, die
Unternehmen davon abhält, jungen Asylwerbern eine Chance zu geben. Entsprechend
den Annahmen Imdorfs (2010) kommt es darüber hinaus im Bewerbungsprozess zu
Benachteiligungen, da die Personalverantwortlichen oft keine Bereitschaft zeigen, sich mit
der spezifischen Situation junger Asylwerber auseinanderzusetzen. Die
Interviewergebnisse brachten die Erkenntnis, dass junge Asylwerber ihre Chancen
verbessern können, wenn sie die Möglichkeit zu einem Betriebspraktikum oder einer
Schnupperlehre bekommen. Dies steht im Einklang mit den Aussagen Imdorfs (2010:
211), wonach betrieblich individualisierte Praxistests einer diskriminierenden Vorselektion
vorbeugen können.
Was die wirtschaftlichen Aspekte betrifft, ist das Verhältnis zur Grundversorgung für
erwachsene Asylwerber ein wesentlicher Punkt. Minderjährige sind schon nach den
Regelungen der Grundversorgungsvereinbarung (Art. 7) hinsichtlich ihrer Unterbringung
und Ausbildung besser gestellt als Erwachsene. Bei erwachsenen Asylwerbern führt
darüber hinaus die Anrechnung der Lehrlingsentschädigung zum Ausschluss von der
Grundversorgung. Hinsichtlich unbegleiteter Minderjähriger wird dieser negative Effekt
durch die Verwaltung von deren Einkommen durch die obsorgeberechtigte Stelle (MA 11)
zumindest bis zum Erreichen der Volljährigkeit abgefedert.
Zusammenfassend ergibt sich, dass einer der Hauptfaktoren, weshalb lediglich wenige
junge Asylwerber in Wien eine Lehre absolvieren, die Beschränkung auf
Mangellehrberufe und das damit eingeschränkte Angebot an Lehrstellen ist. Junge
Asylwerber können dadurch nicht das gesamte Angebot an offenen Lehrstellen in Wien
nützen und ihren Interessen und Begabungen kann oft nicht Rechnung getragen werden.
Hinzu kommt, dass in den Betrieben weitgehend Unklarheit über die Möglichkeit besteht,
junge Asylwerber als Lehrlinge anzustellen. Das Erfordernis einer
Beschäftigungsbewilligung und der damit verbundene organisatorische (Mehr)Aufwand
mindern ebenfalls die Chancen der jungen Asylwerber auf dem Lehrstellenmarkt.
Daneben spielen das Alter, die persönliche Situation und insbesondere die Schulbildung
im Herkunftsland eine wesentliche Rolle. Unbegleitete Minderjährige in stabiler
psychischer Verfassung haben aufgrund der intensiveren Betreuung in Fragen der
Ausbildung generell eine bessere Ausgangsposition bei der Lehrstellensuche und können
selbst viel dazu beitragen, dass diese erfolgreich ist.
Eine Möglichkeit, die Situation lehrstellensuchender Asylwerber in Wien im Rahmen der
bestehenden rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten zu verbessern, liegt somit
60
insbesondere in der Aufklärungsarbeit und der Information der Betriebe, der Vernetzung
der beteiligten Stellen und dem Ausbau des Kontakts von Betreuungsstellen und
Unternehmen. Pläne zum Aufbau eines entsprechenden Netzwerks bestehen. Ein
besonders engagiertes Projekt, das auf die Förderung der Lehrausbildung für junge
Asylwerber in Wien gerichtet ist, soll besonders hervorgehoben werden: Im Februar 2015
wird im 2. Wiener Gemeindebezirk nahe dem Prater von der Caritas ein Hotel
(www.magdas-hotel.at) eröffnet, dem eine Wohngemeinschaft für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge angeschlossen ist und wo diese eine Lehre absolvieren können.
Schließlich wäre es für weitergehende Studien hilfreich, eine bessere Datenbasis zu
schaffen, um detailliertere Informationen über die Gruppe der jungen Asylwerber
einschließlich jener, die im Familienverband nach Österreich gekommen sind, zu erhalten.
Im Hinblick auf weiterführende Forschungen wäre die Möglichkeit einer Aufgliederung
nach Bundesländern sowie nach Charakteristika wie die Art der Unterbringung oder die
Dauer des Asylverfahrens sinnvoll.
61
9. Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beschäftigte Ausländer in Wien nach Branchen (Jahresdurchschnitt 2014) ....11
Tabelle 2: Betriebsgrößen in Wien (2012, ausgewählte Branchen) ..................................19
Tabelle 3: Bewährungsproben .........................................................................................23
Tabelle 4: Beschäftigungsbewilligungen für Asylwerber in Wien in Lehrberufen nach
Branchen (2012, 2013, 2014) ..........................................................................................45
62
10. Literaturverzeichnis
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Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958.
Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe: BGBl. III Nr. 22/2005.
Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe: BGBl. Nr. 138/1985.
Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger.
Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Anerkennungsrichtlinie, Neufassung).
Richtlinie 2011/98/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten und zu arbeiten, sowie über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsarbeitnehmer, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten (Single-Permit-Richtlinie).
70
Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie, Neufassung).
RV 330 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage – Materialien, [online] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_00330/fname_167909.pdf [16.01.2015].
RV 952 der Beilagen XXII. GP - Regierungsvorlage – Materialien, [online] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/I/I_00952/fname_040777.pdf [16.01.2015].
Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen: BGBl. III Nr. 81/2008 zuletzt geändert BGBl. III Nr. 126/2014.
United Nations General Assembly Resolution 217 A (III): Universal Declaration of Human Rights: A/RES/217 vom 10.12.1948.
Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung - Art. 15a B-VG): BGBl. I Nr. 80/2004.
Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 265/2010 (Schengener Grenzkodex).
Verordnung (EU) 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-VO, Neufassung).
Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des BFA- Einrichtungsgesetzes (BFA-G -Durchführungsverordnung – BFA-G-DV): BGBl. II Nr. 453/2013.
Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, mit der die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer überzogen wird (Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV): BGBl. Nr. 278/1995 zuletzt geändert BGBl. II Nr. 206/2011.
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV): OJ C 326, 26/10/2012.
71
Anhang 1: Asylwerber in Wien mit Beschäftigungsbewilligungen für Lehrausbildungen
nach Herkunftsländern (2012, 2013, 2014)
Quelle: AMS Datawarehouse amb_abv_07-lfd vom 17.11.2014
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Anhang 2: Leitfaden für Flüchtlingsberater
Interviewleitfaden 1
Datum:
Uhrzeit:
Ort:
Anwesende:
Befragende:
Befragter:
Funktion:
Arbeitsstelle:
Adresse:
E-Mail:
Telefon:
Sonstige
/Anmerkungen:
□ Der/die Befragte erteilt seine/ihre Zustimmung zur Aufnahme der Befragung auf ein digitales Gerät.
□ Der Text wird anonymisiert.
□ Der Text wird aufbewahrt.
Besondere Vorkommnisse:
Einleitung:
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir ein Gespräch zu führen. Ich studiere
an der Donauuniversität in Krems Migrationsmanagement. Das Thema meiner
73
Masterarbeit sind „Junge AsylwerberInnen in Wien und Lehre“. In meiner Arbeit geht es
darum, inwiefern junge Asylwerber die Möglichkeit nützen, eine Lehre zu beginnen.
Zur Durchführung des Interviews möchte ich noch kurz einige Erklärungen machen:
Ich werde das Aufnahmegerät während des Gesprächs mitlaufen lassen. Dies dient
einerseits der Gedankenstütze und andererseits zum Beleg für meine
Forschungsergebnisse. Der transkribierte Text wird nicht veröffentlicht und er wird von mir
aufbewahrt. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.
Möchten Sie, dass Ihre Aussagen anonymisiert werden oder kann ich Sie in meiner Arbeit
namentlich erwähnen?
Alle meine Gesprächspartner bekommen im Wesentlichen die gleichen Fragen gestellt.
Es kann daher sein, dass Ihnen manche Fragen für Ihre Situation nicht passend
erscheinen. Bitte das zu entschuldigen. Manchmal kann es auch vorkommen, dass ich bei
einzelnen Fragen genauer nachfrage.
Haben Sie noch Fragen, bevor es losgeht?
BEGINN:
Fragen:
1. Zunächst möchte ich gerne etwas über Ihren Arbeitsbereich wissen:
1.1. Sie betreuen junge Asylwerber.
1.2. Was ist dabei genau Ihre Tätigkeit und wer ist Ihre Zielgruppe?
1.3. Welche Angebote bietet Ihre Einrichtung?
1.4. Gibt es Kooperationen mit anderen Einrichtungen? Mit welchen Partnern arbeiten
Sie zusammen?
1.5. Könnten Sie bitte kurz erklären, wie die Jugendlichen zu Ihnen kommen.
2. Ich möchte nun kurz auf die allgemeinen Voraussetzungen und die
Auswirkungen, die mit dem Beginn einer Lehre zusammenhängen, eingehen:
2.1. Inwieweit ist für junge Asylwerber ein Schulabschluss nötig, damit sie eine Lehre
beginnen können?
Wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein, dass ein junger Asylwerber einen
Schulabschluss erhält?
Ist Ihres Wissens der Schulabschluss eine rechtliche Voraussetzung oder nur
ein praktisches Erfordernis?
2.2. Welche Deutschkenntnisse oder Deutschzertifikate sind für den Besuch der
Berufsschule vorgeschrieben?
Wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein, dass ein junger Asylwerber diese
Deutschkenntnisse erhält?
Gibt es da Kurse?
2.3. Bezüglich der Beschäftigungsbewilligung:
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Wenn die Grundvoraussetzungen (also Alter unter 25 Jahren,
Aufenthaltsberechtigungskarte, Meldung und Betrieb in Wien,
Mangellehrberuf) vorliegen – Welche Schwierigkeiten gibt es Ihrer Ansicht
nach bei der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung?
Welche Hürden stellen die Arbeitsmarktprüfung und die Befürwortung des
Regionalbeirats dar?
2.4. Wie verhält es sich mit der Grundversorgung? Welche Auswirkungen hat der
Lehrantritt darauf?
2.5. Für österreichische Lehrlinge gibt es Unterstützungen wie beispielsweise das
Lehrlingsticket für öffentliche Verkehrsmittel. Welche Unterstützungen oder
Vergünstigungen bekommen junge Asylwerber?
3. Jetzt möchte ich gerne von Ihnen etwas über die Situation der Jugendlichen
erfahren:
3.1. Wie erfahren junge Asylwerber von der Möglichkeit einer Lehrausbildung?
3.2. Welche Jugendlichen erhalten diese Informationen bzw. welche Gruppen können
nicht erreicht werden?
3.3. Aus Ihrer Beratungstätigkeit heraus: Wie groß ist das Interesse der Asylwerber an
einer Lehrstelle?
3.4. Was erwarten sich Ihrer Ansicht nach die Jugendlichen von einer Lehrstelle,
welche Ziele haben sie?
3.5. Ich habe den Daten des AMS entnommen, dass in Wien nur sehr wenige
Asylwerber eine Lehre absolvieren.
Was hält Ihrer Meinung nach die Jugendlichen davon ab, eine Lehrausbildung
zu beginnen?
Spielen mangelnde Information, Deutschkenntnisse, das Lehrstellenangebot,
finanzielle Aspekte oder eventuell die Bürokratie eine Rolle? Was kommt
sonst noch in Frage?
4. Zuletzt möchte ich noch kurz auf die Unternehmerseite eingehen:
4.1. Inwieweit sind Ihrer Ansicht nach die Wiener Unternehmer darüber informiert,
dass junge Asylwerber als Lehrlinge eingestellt werden können?
4.2. Woher erhalten die Unternehmen diese Informationen?
4.3. Wie ist Ihrer Ansicht nach die Einstellung der Unternehmer zur Möglichkeit, junge
Asylwerber als Lehrlinge anzustellen?
Welche Bedenken seitens der Unternehmer gibt es aus Ihrer Erfahrung?
Inwieweit ist es für die Unternehmer relevant, dass die Jugendlichen keinen
dauerhaften Aufenthalt haben?
Inwieweit spielen Deutschkenntnisse oder die nötige
Beschäftigungsbewilligung bzw. die Bürokratie eine Rolle?
Anhang 3: Leitfaden für Behördenvertreter
Interviewleitfaden 2
Datum:
Uhrzeit:
75
Ort:
Anwesende:
Befragende:
Befragter:
Funktion:
Arbeitsstelle:
Adresse:
E-Mail:
Telefon:
Sonstige
/Anmerkungen:
□ Der/die Befragte erteilt seine/ihre Zustimmung zur Aufnahme der Befragung auf
ein digitales Gerät.
□ Der Text wird anonymisiert.
□ Der Text wird aufbewahrt.
Besondere Vorkommnisse:
Einleitung:
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir ein Gespräch zu führen. Ich studiere
an der Donauuniversität in Krems Migrationsmanagement. Das Thema meiner
Masterarbeit sind „Junge AsylwerberInnen in Wien und Lehre“. In meiner Arbeit geht es
darum, inwiefern junge Asylwerber die Möglichkeit nützen, eine Lehre zu beginnen.
Zur Durchführung des Interviews möchte ich noch kurz einige Erklärungen machen:
76
Ich werde das Aufnahmegerät während des Gesprächs mitlaufen lassen. Dies dient
einerseits der Gedankenstütze und andererseits zum Beleg für meine
Forschungsergebnisse. Der transkribierte Text wird nicht veröffentlicht und er wird von mir
aufbewahrt. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.
Möchten Sie, dass Ihre Aussagen anonymisiert werden oder kann ich Sie in meiner Arbeit
namentlich erwähnen?
Alle meine Gesprächspartner bekommen im Wesentlichen die gleichen Fragen gestellt.
Es kann daher sein, dass Ihnen manche Fragen für Ihre Situation nicht passend
erscheinen. Bitte das zu entschuldigen. Manchmal kann es auch vorkommen, dass ich bei
einzelnen Fragen genauer nachfrage.
Haben Sie noch Fragen, bevor es losgeht?
BEGINN:
1. Zunächst möchte ich gerne etwas über Ihren Arbeitsbereich wissen:
1.1. Sie sind [……]. Könnten Sie mir bitte sagen, inwiefern das Thema Asylwerber und
Lehre in Ihrer Arbeit eine Rolle spielt.
2. Im Jahr 2012 wurde durch einen Erlass des Bundesministers die Möglichkeit
geschaffen, dass junge Asylwerber eine Lehre beginnen können.
2.1. Was waren Ihres Wissens die Hintergründe für diese Regelung?
2.2. Angesichts der Arbeitsmarktprüfung, durch die sichergestellt sein sollte, dass
inländische oder bevorzugte Arbeitnehmer vorrangig behandelt werden –
Welchen Hintergrund hat die Beschränkung auf Mangellehrberufe?
2.3. Welche Überlegungen gibt es in Richtung einer Ausdehnung auf alle Lehrberufe?
3. Ich möchte nun kurz auf die allgemeinen Voraussetzungen und die
Auswirkungen, die mit dem Beginn einer Lehre zusammenhängen, eingehen:
3.1. Inwieweit ist für junge Asylwerber ein Schulabschluss nötig, damit sie eine Lehre
beginnen können?
Wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein, dass ein junger Asylwerber einen
Schulabschluss erhält?
Ist Ihres Wissens der Schulabschluss eine rechtliche Voraussetzung oder nur
ein praktisches Erfordernis?
3.2. Welche Deutschkenntnisse oder Deutschzertifikate sind für den Besuch der
Berufsschule vorgeschrieben?
Wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein, dass ein junger Asylwerber diese
Deutschkenntnisse erhält?
Gibt es da Kurse?
3.3. Bezüglich der Beschäftigungsbewilligung:
Wenn die Grundvoraussetzungen (also Alter unter 25 Jahren,
Aufenthaltsberechtigungskarte, Meldung und Betrieb in Wien, Mangellehrberuf)
vorliegen –
Welche Schwierigkeiten gibt es Ihrer Ansicht nach bei der Erteilung einer
Beschäftigungsbewilligung?
Welche Hürden stellen die Arbeitsmarktprüfung und die Befürwortung des
Regionalbeirats dar?
77
3.4. Wie verhält es sich mit der Grundversorgung? Welche Auswirkungen hat der
Lehrantritt darauf?
3.5. Für österreichische Lehrlinge gibt es Unterstützungen wie beispielsweise das
Lehrlingsticket für öffentliche Verkehrsmittel. Welche Unterstützungen oder
Vergünstigungen bekommen junge Asylwerber?
4. Jetzt möchte ich gerne von Ihnen etwas über die Situation der Jugendlichen
erfahren:
4.1. Wie erfahren junge Asylwerber von der Möglichkeit einer Lehrausbildung?
4.2. Welche Jugendlichen erhalten diese Informationen bzw. welche Gruppen können
nicht erreicht werden?
4.3. Aus Ihrer Tätigkeit heraus: Wie groß ist das Interesse der Asylwerber an einer
Lehrstelle?
4.4. Was erwarten sich Ihrer Ansicht nach die Jugendlichen von einer Lehrstelle,
welche Ziele haben sie?
4.5. Ich habe den Daten des AMS entnommen, dass in Wien nur sehr wenige
Asylwerber eine Lehre absolvieren.
Was hält Ihrer Meinung nach die jungen Asylwerber davon ab, eine
Lehrausbildung zu beginnen?
Spielen mangelnde Information, Deutschkenntnisse, das Lehrstellenangebot,
finanzielle Aspekte oder eventuell die Bürokratie eine Rolle? Was kommt
sonst noch in Frage?
Inwiefern sind Ihrer Ansicht nach die involvierten Personen (also Asylwerber,
Betreuer, AMS-Berater, Unternehmen etc.) über das Thema Asylwerber und
Lehre informiert? Welche Maßnahmen gibt es diesbezüglich von Seiten Ihrer
Institution? (Ich denke da an Informationsmaterial, Schulungen für Betreuer)
4.6. Werden junge Asylwerber beim Arbeitsmarktservice registriert bzw. vom AMS
vermittelt?
4.7. Inwieweit ist für junge Asylwerber ein Schulabschluss nötig, damit sie eine Lehre
beginnen können?
4.8. Ist der Schulabschluss eine rechtliche Voraussetzung oder nur ein praktisches
Erfordernis?
4.9. Welche Deutschkenntnisse oder Deutschzertifikate sind für den Besuch der
Berufsschule vorgeschrieben?
4.10. Für österreichische Lehrlinge gibt es Unterstützungen wie beispielsweise
das Lehrlingsticket für öffentliche Verkehrsmittel. Welche Unterstützungen oder
Vergünstigungen bekommen junge Asylwerber?
5. Zuletzt möchte ich noch kurz auf die Unternehmerseite eingehen:
5.1. Inwieweit sind Ihrer Ansicht nach die Wiener Unternehmer darüber informiert,
dass junge Asylwerber als Lehrlinge eingestellt werden können?
5.2. Woher erhalten die Unternehmen diese Informationen?
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5.3. Wie ist Ihrer Ansicht nach die Einstellung der Unternehmer zur Möglichkeit, junge
Asylwerber als Lehrlinge anzustellen?
Welche Bedenken seitens der Unternehmer gibt es aus Ihrer Erfahrung?
Inwieweit ist es für die Unternehmer relevant, dass die Jugendlichen keinen
dauerhaften Aufenthalt haben?
Inwieweit spielen Deutschkenntnisse oder die nötige Beschäftigungs-
bewilligung bzw. die Bürokratie eine Rolle?