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Materialmappe - nextliberty.com€¦ · Oktober 2016 im Next Liberty seine ... er soll als roter Faden durch das Stü ck führen und wird dabei von den Jugendlichen ... Die wahre

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VORWORT ............................................................................................................................................... 3

KONZEPT & HERANGEHENSWEISE .......................................................................................................... 4

INHALT ..................................................................................................................................................... 5

BESETZUNG .............................................................................................................................................. 6

ZUR INSZENIERUNG

Das Leadingteam ............................................................................................................................. 7

„Es ist in gewisser Weise ein Theaterstück über uns geworden ...“ – Im Gespräch mit Georg Schütky (Regie), Benjamin Rufin (Training) und Dagmar Stehring (Dramaturgie), dem Projektteam hinter „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ .............................. 10

„… am Anfang denkt man, man weiß eh alles über dieses Thema …“ – Im Gespräch mit beteiligten Jugendlichen ................................................................................. 16

HINTERGRÜNDE ZUR TEXTVORLAGE

Biografie von Janne Teller .............................................................................................................. 18

Janne Teller über „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ .................................................................... 18

Ein Interview mit Janne Teller ......................................................................................................... 20

FRAGESTELLUNGEN ZUM THEMA ......................................................................................................... 21

ÜBUNGEN BZW. BEOBACHTUNGSAUFGABEN ZU DEN THEMEN IM STÜCK ....................................... 23

AUSGEWÄHLTE LITERATUR- UND MEDIENHINWEISE ........................................................................... 26

IN EIGENER SACHE ............................................................................................................................... 29

IMPRESSUM ........................................................................................................................................... 30

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VORWORT

Liebe Pädagoginnen, liebe Pädagogen, liebe Theaterfans, wir freuen uns, dass Sie sich für die Begleitmaterialien zu dem Theaterprojekt „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ frei nach dem Essay von Janne Teller interessieren, das am 16. Oktober 2016 im Next Liberty seine Premiere feiert. Ausgehend von Janne Tellers Text haben sich das Next Liberty und das TaO! – Theater am Ortweinplatz gemeinsam mit einer Gruppe junger DarstellerInnen auf dieses spannende Gedankenexperiment eingelassen und über mehrere Monate hinweg gearbeitet, nachgefragt, Vorstellungen und Nachforschungen angestellt und daraus ein performatives Stück entwickelt, das die ZuschauerInnen dazu einlädt, sicheres Terrain zu verlassen, neue Perspektiven einzunehmen und zu versuchen, sich mit dem, was Theater kann und darf, mit dem Unvorstellbaren auseinanderzusetzen. Der Regisseur Georg Schütky über die gemeinsame Arbeit:

„Es war sehr bereichernd, im Prinzip schon mit der potenziellen Zielgruppe zu arbeiten, wir haben sie dabei ja immer offen in den Arbeitsprozess einbezogen, nachgefragt, was sie interessiert bzw. was sie zu diesem Thema gern auf einer Bühne sehen würden – es war in den Proben immer recht schnell spürbar, wenn etwas nicht aus ihnen kam, ihnen nicht entsprochen hat. Und wir haben gemerkt, wie groß ihre Sehnsucht danach ist, sich intensiver (als das z. B. im Schulalltag möglich ist) mit den Dingen zu beschäftigen, die Möglichkeit zu bekommen, sich und seine Meinung wirklich einzubringen, ohne dafür bewertet oder gar benotet zu werden – und wie viel Zeit, Offenheit, Ernsthaftigkeit und Energie sie dann bereit sind, dafür zu investieren.“

Um unsere Erkenntnisse und Erfahrungen mit Ihnen zu teilen bzw. Ihnen und Ihren SchülerInnen die Möglichkeit zu geben, sich auch über den Theaterbesuch hinaus mit den Hintergründen bzw. Motiven des Stücks zu beschäftigen, haben wir für den ersten, theoretischen Teil dieser theaterpädagogischen Unterlagen bei dem Regisseur Georg Schütky und einigen beteiligten Jugendlichen nachgefragt, was ihn bzw. sie daran interessiert hat, bei diesem außergewöhnlichen und herausfordernden Projekt dabei zu sein. Darüber hinaus haben wir Ihnen einige Informationen zur Textvorlage von Janne Teller sowie eine ausführliche, kommentierte Liste an Litertatur- und Medienhinweisen zusammengestellt, die uns zum Teil bei unseren eigenen Recherchen sehr bereichert bzw. weitergeholfen haben und sich daher eventuell für eine intensivere Auseinandersetzung mit den einzelnen Themen bzw. Abschnitten des Textes im Unterricht eignen. Im zweiten, praktischen Teil finden Sie dann Anregungen und Tipps für die (praktische) Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs sowie einen Überblick über unser theaterpädagogisches Angebot. Wir freuen uns über Rückmeldungen zu Ihrem Theaterbesuch und Ihrer Arbeit mit diesen Materialien, stehen Ihnen natürlich jederzeit auch gerne darüber hinaus mit Rat und Tat zur Seite und wünschen Ihnen und Ihren SchülerInnen eine anregende Zeit mit und rund um „Krieg“. Herzlichst, Dagmar Stehring (Dramaturgie Next Liberty), Pia Weisi, Katharina Jetschgo (Theaterpädagogik Next Liberty) und Michaela Czernovsky (Theaterpädagogik TaO! – Theater am Ortweinplatz)

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KONZEPT & HERANGEHENSWEISE

Die Grundidee: Sowohl das TaO! – Theater am Ortweinplatz, als auch das Next Liberty Jugendtheater richten sich mit ihrer Arbeit und ihren Projekten primär an ein jugendliches Publikum und sind dabei nicht nur daran interessiert, Theater für Jugendliche, sondern auch Theater mit Jugendlichen zu machen, ihnen also die Gelegenheit zu geben, sich nicht nur mit ausgewählten Themen und Fragestellungen zu beschäftigen, die von (erwachsenen) DarstellerInnen erarbeitet wurden/werden, sondern sich selbst auf der Bühne auszuprobieren und mit ihrer eigenen Meinung, ihren Ansichten, ihrer Persönlichkeit, ihren Erfahrungen und ihrem Engagement, kurz: mit dem, was sie beschäftigt und begeistert, die Projekte mitzugestalten. Die politischen Ereignisse und heftigen Diskussionen im Zusammenhang mit der österreichischen Flüchtlingspolitik, die v. a. im vergangenen Jahr auch bzw. gerade bei den Jugendlichen äußerst präsent war (durch die Medien, durch die Thematisierung im Unterricht, betroffene MitschülerInnen, ...) und viele verschiedene Meinungen, Argumente und Fragestellungen aufgeworfen hat, erschien uns Janne Tellers starker Text prädestiniert dafür, ihn sich mit Jugendlichen genauer anzusehen und ihn als Grundlage dafür zu nehmen, sich mit diesem Thema sehr intensiv auseinanderzusetzen, deren Perspektive (das heißt: wirklich ihre eigene Perspektive) zu wechseln, sich hier, in ihrem Lebensraum, in ihrem konkreten Umfeld und mit dem, was sie ausmacht und sind, sehr detailliert das vorzustellen, was man eigentlich nur aus Zeitungen, aus dem Fernsehen, aus den Nachrichten kennt – und zwar mit den Mitteln und Möglichkeiten, die das Sprech-, Bewegungs- und Musiktheater bieten kann. Für dieses Projekt haben wir in den vergangenen Monaten in mehreren Casting-Runden eine Gruppe von 17 Jugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren aus der gesamten Steiermark zusammengestellt – sie alle bringen ganz unterschiedliche Hintergründe und Fähigkeiten, Meinungen und Eigenschaften mit. Das Konzept: Die Grundlage für die Inszenierung bildet der Text von Janne Teller, er soll als roter Faden durch das Stück führen und wird dabei von den Jugendlichen (u. a. im Chor) gesprochen, eingespielt oder projiziert und so auch noch einmal als eigenständiges, richtungsweisendes und grundlegendes Element hervorgehoben. Damit werden immer wieder neue Stationen/Situationen eingeleitet, neue Fragen aufgeworfen bzw. der Anstoß für neue Überlegungen gegeben, die die DarstellerInnen dann aufgreifen, diskutieren, hinterfragen, spielerisch, musikalisch oder in Bewegung umsetzen. Diese Herangehensweise bzw. Beschäftigung mit der Vorlage erscheint uns gerade im Hinblick darauf, dass die Autorin den Text ja auch auf das jeweilige Land, in dem er erschienen ist, inhaltlich angepasst hat, u. a. um eine bessere Identifikation zu gewährleisten, folgerichtig. Dies ermöglicht es unseren DarstellerInnen nicht nur die Perspektive, Erlebnisse und Gedanken des jungen Protagonisten von „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ nachzuempfinden, sondern auch, in einem weiteren Schritt, der Aufforderung des Textes noch konsequenter zu folgen, sich also diese Situation – den Krieg hier in Europa, ihrer Heimat – wirklich vorzustellen, auf ihre eigene Situation und Lebenswirklichkeit umzulegen.

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INHALT Für Jugendliche und Erwachsene ab 13 Jahren „Ich hoffe, dass dieser Text unpolitisch gelesen wird, als eine Einladung an das Vorstellungsvermögen. Eine Einladung, das Leben der anderen nachzuvollziehen, ein Schicksal, das hoffentlich nie unser eigenes sein wird. Dafür sind wir alle verantwortlich.“ (Janne Teller) In ihrem Essay „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ hat die vielfach ausgezeichnete, viel diskutierte dänische Autorin Janne Teller einen ebenso einfachen wie ungewöhnlichen Perspektivenwechsel vollzogen, der bis heute nichts an Aktualität verloren hat, lädt er doch dazu ein, die Fronten zu wechseln und sich das vorzustellen, was für viele Menschen alltäglich, für uns eine schreckliche Dystopie ist: KRIEG. Hier. Bei uns. Mit allem, was dazugehört: Angst, Hunger, Kälte, Zerstörung, der Flucht in ein fremdes Land, dem Verlust jeglicher Sicherheit, der Heimat, dem, was man für seine Zukunft geplant oder erhofft hat. Aber – kann man sich so etwas überhaupt vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat? Ausgehend von Janne Tellers Text haben sich das Next Liberty und das TaO! – Theater am Ortweinplatz gemeinsam mit einer Gruppe junger DarstellerInnen auf dieses spannende Gedankenexperiment eingelassen und über mehrere Monate hinweg gearbeitet, nachgefragt, Vorstellungen und Nachforschungen angestellt und daraus ein performatives Stück entwickelt, das die ZuschauerInnen dazu einlädt, sicheres Terrain zu verlassen, neue Perspektiven einzunehmen und zu versuchen, sich mit dem, was Theater kann und darf, mit dem Unvorstellbaren auseinanderzusetzen.

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BESETZUNG KRIEG. STELL DIR VOR, ER WÄRE HIER Ein Theaterprojekt frei nach dem Jugendbuch von Janne Teller / aus dem Dänischen von Sigrid C. Engeler PREMIERE am 16. Oktober 2016, 18 Uhr, Next Liberty Weitere Spieltermine: Oktober: 21 (10:30+17:00) // November: 9 (17:00), 10 (10:30), 25 (10:30+17:00), 26 (17:00) // Februar: 8 (17:00), 9 (10:30) MIT: Jonathan Felber, Friederike Filler, Zoe Flor, Matthias Fuchs, Tim Habe, Colin Hadler, Iris Kapeller, Katrin Leiner, Sebastian Makovec, Lukas Michelitsch, Vera Posch, Elisabeth Reichenbrugger, Felix Schalk, Maya Simon, Chiara Stoisser, Paul Walch, Tanya Weghofer Idee / Konzept: Benjamin Rufin, Georg Schütky, Dagmar Stehring, Manfred Weissensteiner Inszenierung: Georg Schütky Training: Benjamin Rufin Musik / Sounds: Robert Lepenik Bühne: Georg Moosbrugger Kostüme: Fabian Krainer, Beatris Lipovat, Lena Muri, Viktoria Reder (SchülerInnen der Modeschule Graz) Support: Denise Heschl Videos: Roland Renner Lichtgestaltung: Michael Rainer Dramaturgie: Dagmar Stehring Organisation / Regieassistenz: Julia Zach BESONDERER DANK AN Andreas Heller, Günther Jontes, Max Löwenthal-Maroicic, Gregor Mayer VORSTELLUNGSDAUER Ca. 70 Minuten, ohne Pause AUFFÜHRUNGSRECHTE Carl Hanser Verlag GmbH, München Das Buch von Janne Teller ist im Hanser-Verlag erhältlich: Krieg. Stell dir vor, er wäre hier. Aus dem Dänischen von Sigrid C. Engeler. Mit Illustrationen von Helle Vibeke Jensen. 6. Auflage. München: dtv 2015.

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ZUR INSZENIERUNG

Das Leadingteam Georg Schütky (Regie) Der gebürtige Steirer war Mitglied der Wiener Sängerknaben und studierte Regie an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Er assistierte bei Regisseuren wie Peter Konwitschny, Vera Nemirova, Tilman Knabe und Tatjana Gürbaca und vertiefte seine Erfahrungen bei Hans Neuenfels, Andreas Homoki, Katharina Wagner und Jossi Wieler. Am Staatstheater Mainz war Georg Schütky als Regieassistent und Spielleiter unter Intendant Matthias Fontheim tätig. Am Opernhaus Leipzig inszenierte er die Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ von Johann Sebastian Bach. Für das Staatstheater Mainz konzipierte und inszenierte er die vielbeachteten Musiktheaterabende „Maria Hilf“ und „Ein Herzschlag ist keine Massenbewegung. In Österreich waren seine Arbeiten am Landestheater Salzburg (Georg Friedrich Händels „Ariodante“ am Landestheater Salzburg in Co-Regie mit Johannes Schütz) sowie bei den Festspielen Oper Burg Gars („Der Freischütz“) zu sehen. In Berlin und Basel zeigte er mit „geld:komplex“ seine erste eigene Schauspiel-Stückentwicklung. Im Juni 2015 legte er als Regisseur von Karlheinz Stockhausens „Originale“ seine erste Arbeit an der Staatsoper Berlin im Schillertheater vor. Neben seinen Opern- und Schauspielinszenierungen arbeitet er auch in unterschiedlichen soziokulturellen Projekten. In Serbien legte er mit einem Workshop über Händels Rinaldo einen der Grundsteine für das Projekt „Catching Fire – Haendel on the Roads“, ein Opernprojekt mit Jugendlichen aus Serbien, Kroatien und Bosnien. Im September verwirklichte er sein erstes Musikvideo und inszenierte dafür den größten jemals gedrehten Lipdub mit 6000 Menschen aus der Region Kapfenberg. In der Spielzeit 2015/16 inszenierte er „Das Kind der Seehundfrau“ von Sophie Kassies am Next Liberty für ein junges Publikum ab 9 Jahren. Benjamin Rufin (Choreografie) Benjamin Rufin studierte nach dem Abitur an den Arts Educational Schools London, der Stella Academy in Hamburg sowie der Ecole V. Cuno in Paris. Seit 2000 wirkte er u.a. in der „Rocky Horror Show“ (Frank 'n Furter), in „Cinderella“ am Hexagon Theatre Reading, der „West Side Story“ (Action), in „42nd Street“ im Stuttgarter Apollo-Theater (Ensemble, Billy Lawlor, Andy Lee) und der Schweizer Erstaufführung am Stadttheater Bern von „Singin’ in the Rain“ (Cosmo Brown) mit. In Österreich war Benjamin beim Musicalfestival Bruck/Leitha in "Jesus Christ Superstar", in „Vom dicken Schwein, das dünn werden wollte“, in „Anything Goes“ an der Oper Graz, am Stadttheater Klagenfurt in „The Wild Party“ sowie bei den Sommerfestspielen Amstetten in „Jesus Christ Superstar“ zu sehen. Nach der Produktion von „Showboat“ am Stadttheater Bern stand er auf der Bühne des Stadttheater Walfischgasse Wien in Charles Lewinskys „Heimat, sweet Heimat“. Nach dem Aufenthalt in der Schweiz mit „We Will Rock You“ am Theater 11 in Zürich ging er mit dieser Produktion an das Raimundtheater in Wien wo er in den Rollen des Dieter, Kashoggi sowie Bap zu sehen war. Wieder an der Oper Graz spielte er Prinz Hamlet in „Cinderella passt was nicht“, Passepartout in „In 80 Tagen um die Welt“ und in „Singin’ in the rain“ die Rolle des Cosmo Brown. „Das geheime Tagebuch des Adrian Mole“ führte ihn an das Next Liberty, wo er u. a. in den vergangenen Saisonen bei den Familienmusicals „Jim Knopf und die Wilde 13“ und „GRIMM – Die wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf“ für die Choreografien verantwortlich war. Zudem ist Benjamin als Stepptanzlehrer sowie als Choreograph und Kommunikationstrainer tätig. Eine Zusatzausbildung in Body Mind Centering sowie zum „movement teacher“ unterstützen seine Arbeit im künstlerischen sowie pädagogischen Bereich. Weitere Informationen finden Sie unter www.benjaminrufin.de.

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Robert Lepenik (Musik/Sounds) Studium der klassischen Gitarre bei Prof. Heinz Irmler. Frühe Rock- und Experimentalprojekte: Blue Monkey`s Food, Music for the People at the Red Lake. Intensive Beschäftigung mit Improvisation und elektronischer Musik (Picknick mit Weismann, Kein). Veröffentlichungen, Konzerte und Tourneen mit den Bands "THE STRIGGLES", "THE GITARREN DER LIEBE", "FETISH 69", "MELVILLE", "LALELOO", "DAS FOTOGENE GEDÄCHTNIS", "FRAN SANCISCO", "KAP/LEP", "VIENNA LOOP ORCHESTRA", "PICKNICK MIT WEISMANN" uva. Mitglied der künstlerkollektive "TONTO" und "crew8020_music". Mitbetreiber des Rockarchiv Steiermark. Weiters Zusammenarbeiten mit verschiedenen Künstlerinnen, Institutionen, u. a.: Armin Pokorn, Bernd Heinrauch, Bernhard Lang, Bulbul, Catta, Christoph Ogiermann, Damo Suzuki, Dorit Chrysler, Dschungel Wien, Edda Strobl, Ensemble Intercontemporain, Follow the Rabbit, Heifetz, Helmut Kaplan, Irina Karamarkovic, Jamika Ajalon, Jürgen Hofbauer, Kallabris, Klangforum Wien, Kreisky, Lothar Lässer, Maja Osojnik, Marufura Fufunjiru, Michael Jordan, Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune, Rainer Binder-Krieglstein, Reflector, Simon Windisch, Slobodan Kajkut, TaO!, Theater mundwerk, Urna Chahar-tugchi, Vorarlberger Landestheater, Next Liberty, Winfried Ritsch, zweite liga für kunst und kultur uva. Außerdem: Veröffentlichungen unter eigenem Namen, Interpret neuer Musik-Kompositionen, Kurator diverser Filmreihen. Musik für Theater und Film. Gewinner mehrerer Theaterpreise wie z. B. den Stella13 für die Musik zu "Der Fuchs der den Verstand verlor" und dem Stella15 für die Musik zu "Die besseren Wälder". Mitherausgeber der Publikation "Rockmusik in der Steiermark 1959 bis 1975". 2013 Uraufführung "Ex Machina Dei" (mit Winfried Ritsch) beim musikprotokoll in Graz. Georg Moosbrugger (Bühne) Studium der Architektur, seit 1992 eigenes Architekturbüro in Graz. Seit der Gründung des TaO! häufige Zusammenarbeit mit Manfred Weissensteiner. Bühnenbilder u. a. für „Die Einsamkeit des Gorillas“, „Leonce und Lena“, „Der tollste Tag“, „Kick and Rush“, „ Die Schaukel“. Gestaltung des Theatercamps „elmas“ und „Schauspiel Graz“ im Augarten. Manfred Weissensteiner (Idee, Konzept) Germanistikstudium in Graz, Lehrgang für Kulturmanagement in Salzburg. 1992 gründete er das TaO! – Theater am Ortweinplatz in Graz und leitet es seitdem als Theater für junges Publikum und Theaterpädagogisches Zentrum. Er arbeitet als Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge. Seit 2006 ist er auch künstlerischer Leiter des Jugendprogramms des internationalen Theaterfestivals spleen*graz, das alle zwei Jahre stattfindet. Seit 2015 Professor an der Pädagogischen Hochschule Steiermark. Roland Renner (Videos) Am 1. Mai 1978 geboren, arbeitet Roland Renner, der Kulturanthropologie studierte, autodidaktisch mit dem Medium Film. Während seiner Studienzeit begann er zu fotografieren und bekam ein Stipendium an der Akademie für Photographie Graz. Er arbeitet als freischaffender Photograph und Videokünstler in Graz. Einige Kurzdokumentationen, Industriefilme, Experimental- und Musikvideos gaben den Stil für seine erste Langfilmdokumentation „Kick off – hell bent for 90 minutes“ vor. Zusammen mit Andreas Grininger und Martin Obmann gründete er ELEVEN, eine unabhängige Plattform für Künstler verschiedenster Genres. Ihr erstes gemeinsames Ziel war "11attitudes", ein Multimediaprojekt, welches speziell für den Film „KICK OFF“ hergestellt wurde. Mittlerweile wurde daraus das Netzwerk 11vibes.com und Roland Renner gründete eine eigene Filmproduktionseinheit: reziprok.

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Ausgewählte Arbeiten Film und Video: "Shalom Amsterdam" (1999), "Zeit.punkt" (2000), "Rausländer" (2001), "What´s your name" (2001), "Work In Progress" (2003), "Almost Inside" (2003), "Surface Tension" (2004), "Kick off - hell bent for 90 minutes" (2004), "In der Au" (2005), „The End of History itself“ (Musikvideo 2007), „Trainleaders live at Orpheum“ (2009), „Atmen Helge“ (Musikvideo 2009), „Orfeo ed Euridice“ (2010), „Spring Awakening“ (2011), „Styriarte Soaps“ (2012-2015), Love God Chaos (diverse Musikvideos 2013-2016), Ikmus99: 'Deine Stimme' (2014), Märchenbahn Graz (Videos 2014), Ikmus99: 'DEA' (2015), Styriarte: Gli Scherzi (2015) Reefer Madness (2015), liKA: My All (2015); Styriarte: ‘Große Töchter’ (2016), „Mirror Universe“ (2016) Videoarbeiten für Theaterstücke: Ritchy3 (2007), Das Austauschkind (2008), Spieltrieb (2009), In 80 Tagen um die Welt (2009), Paradise Now (2010), Enron (2011), Schilf (2012), Aladdin (2013), Klaus im Schrank (2014), Supergute Tage (2014), Edgar (2015), Peter Pan (2016), Krieg. Stell dir vor, er wäre hier (2016), Der Zauberlehrling (2016) Weitere Informationen finden Sie unter www.rolandrenner.com bzw. unter www.reziprok.at.

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„Es ist in gewisser Weise ein Theaterstück über uns geworden ...“ – Im Gespräch mit Georg Schütky (Regie), Benjamin Rufin (Training) und Dagmar Stehring (Dramaturgie), dem Projektteam hinter „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ Ein großes Projekt: Ein solches Thema, einen Bestseller, der bisher nur als Monolog bzw. Ein-Personen-Stück auf der Bühne umgesetzt wurde, als performatives Projekt mit Jugendlichen neu zu denken. Wie kam es dazu?

Dagmar: Wir waren mit Manfred Weissensteiner vom TaO! schon länger im Gespräch bezüglich einer gemeinsamen Arbeit, einem Projekt, dass die Interessen, die Ressourcen und Arbeitsweisen der beiden Theater zusammenführen und die Erfahrungen und Stärken des anderen nutzen kann. Da sowohl das TaO! als auch das Next Liberty sich primär an ein jugendliches Publikum richten und nicht nur daran interessiert sind, Theater für Jugendliche, sondern auch Theater mit Jugendlichen zu machen, war es nur naheliegend, dabei ein partizipatives Projekt mit steirischen Jugendlichen anzudenken, die durch Bühnenprofis aus verschiedenen Bereichen (Musik, Video, Choreografie, …) begleitet und unterstützt werden. Dann haben wir eine Weile nach einem passenden Thema gesucht, es sollte sehr aktuell sein, etwas mit der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen zu tun haben, genug Frei-, Spiel- und Bewegungsraum für Inszenierung, Choreografie und eigene Interpretation bieten – und so sind wir darauf gekommen, Jannes Tellers sehr bekanntes Gedankenexperiment als Basis für all das zu nehmen. Das große Interesse an unseren Castings hat dann bestätigt: Ja, das ist wohl ein Thema, mit dem sich auch viele junge Menschen wirklich auseinandersetzen wollen.

Lieber Benjamin, lieber Georg, was hat euch daran gereizt, bei diesem Unterfangen dabei zu sein? Was hat euch daran konkret am Text/an der Projektidee interessiert?

Georg: An dem Thema kommt niemand vorbei. Wenn man nur ansatzweise die häufig vorhandenen – zum Teil ja auch verständlichen – Scheuklappen des Normalo-Westeuropäers ablegt, hat man spätestens im Sommer 2015 erfahren, dass uns auch der Krieg in weit von Europa entfernten Gebieten so einiges angeht. Wir können einfach nicht mehr wegschauen. Und das ist gut so.

Benjamin: Als ich das erste Mal diesen Text in der Hand hatte, hat es nicht lange gedauert, bis dazu Bilder in meinem Kopf entstanden sind. Und es hat mich gereizt, dieses Projekt nicht mit SchauspielerInnen, also mit Bühnenprofis zu gestalten, sondern wirklich gemeinsam mit den Jugendlichen.

„An dem Thema kommt niemand vorbei. Wenn man nur ansatzweise

die häufig vorhandenen – zum Teil ja auch verständlichen –

Scheuklappen des Normalo-Westeuropäers ablegt, hat man

spätestens im Sommer 2015 erfahren, dass uns auch der Krieg in weit von Europa entfernten Gebieten

so einiges angeht. Wir können einfach nicht mehr wegschauen.

Und das ist gut so.“ (Georg Schütky)

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Georg: Ja, ich habe die Herangehensweise, die dieses Projekt gewählt hat, auch von Anfang an als eine zutiefst ehrliche empfunden. Den übergroßen Themenblöcken Krieg, Vertreibung, Flucht und Asyl stehen die ganz persönlichen Geschichten und Perspektiven unserer 17 jungen DarstellerInnen gegenüber. Es ging nicht darum, ein Theater über Krieg, sondern ein Theater über uns und den Krieg zu machen, darüber, was das reden und denken darüber mit uns macht, wie man diesem Thema begegnet. Es ging darum, individuelle Prozesse einzufangen, die durch die Konfrontation mit diesen großen Themen und Realitäten durchlaufen werden. Und so ist es in gewisser Weise ein Theaterstück über uns geworden, über unser aller Schwierigkeit, richtig mit den Dingen umzugehen, die wir nur denken können und andere tagtäglich erleben müssen.

„Krieg“ kennen viele Mitteleuropäer – auch die beteiligten Jugendlichen – nur aus den Medien, aus Filmen und Büchern. Janne Teller war es mit ihrem Text ein Anliegen, genau diese Perspektive zu erweitern. Die all dem zugrundeliegende Frage: Ist Krieg vorstellbar?

Benjamin: Ich finde es sehr schön, dass diese Frage schon zu Beginn des Stückes gestellt wird, denn sie ist sehr wichtig, um gleich klarzustellen, dass wir versuchen, sehr differenziert damit umzugehen. In meinen Augen kann man sich das nicht vorstellen. Der Mensch als Tier ist meines Erachtens auf Effizienz getrimmt, solche extremen Gefühle und den Entscheidungszwang, der sämtliche Lebensbereiche auf einmal trifft, würde man nur in der jeweiligen Situation entwickeln. Ich denke, dass man einzelne Bilder und Gefühle sehr wohl nachvollziehen kann, aber das große Ganze halte ich nicht für möglich. Georg: Für mich war immer klar: Ja! Man muss aber differenzieren: Im Titel des Stücks ist es ja keine Frage, sondern ein Imperativ, eine Aufforderung und das ist entscheidend. Ich meine, Janne Teller ging

es darum, aufzuwecken, aufzurütteln und zu sagen: „He, schaut doch mal, unser Gehirn kann das doch, sich das vorzustellen, macht‘s doch mal!“ Schnell kommt man in der Beschäftigung mit dem Text bzw. dem Thema aber an einen Punkt, an dem man es moralisch beinahe unverantwortlich findet, diese Vorstellbarkeit zu bejahen – zum Beispiel, wenn es darum geht, dass deine kleine Schwester Granatsplitter im Kopf hat und der Bruder für eine Miliz kämpft etc. Trotzdem denke ich: Ja, ich kann mir das vorstellen und diese moralische Attitüde, dieses „Oh Gott, mir geht’s doch so gut, ich kann mir das doch nicht vorstellen so wie jemand, der's erlebt hat!“ hilft niemandem, das halte ich für reine Vermeidungstaktik. Dagmar: Ich würde das eigentlich nochmal anders formulieren: Nein, ich weiß nicht, wie das wirklich ist, wie sich diese Art und Ausmaße von Hunger, Angst, Kälte, Panik, Druck anfühlen, woher auch, ich habe es ja eben nicht erlebt, aber vorstellen kann ich mir alles in einem gewissen Maße. Und darum ging es bei uns ja auch: Nicht um die theatrale Erzeugung von Betroffenheit und Empathie, sondern um eine differenzierte Auseinandersetzung darüber hinaus, um die offene, ehrliche Überlegung bzw. Anregung: Was hat das mit mir, mit meinen Erfahrungen, meinem Leben, meinem Empfinden zu tun? Wie nahe komme ich da ran? Inwiefern ist Mit-Leid da möglich? Georg: Auf einer anderen Ebene ist die Vorstellbarkeit von Krieg ohnehin Realität: Sie ist ja auch in unseren Alltag integriert, wir akzeptieren Überwachung und Einschränkungen unserer Privatsphäre, gerade WEIL wir uns den Krieg vorstellen sollen bzw. können. Sowohl der Terrorismus als auch der Staat nutzen diese Vorstellbarkeit von Krieg in all seiner Diffusität auch immer wieder, um sich und ihre Interessen durchzusetzen. So gesehen glaube ich, wir sollten sogar eher an einer Unvorstellbarkeit arbeiten als an einer Vorstellbarkeit …

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Wie kann man sich also diesem Thema annähern, was war da eure Herangehensweise?

Dagmar: Zunächst einmal haben wir viel Materialrecherche zu den Themen Kriegsberichterstattung, Kriegsdarstellungen, Flucht, Asylrecht, Zivilschutz u. Ä. gemacht. Außerdem haben wir einige Experten (einen Kriegs-Reporter, einen Historiker, einen Generalsanwärter und einen Survival-Interessierten) befragt, in Workshops mit einigen Schulklassen über den Text von Janne Teller gesprochen, immer wieder viel im Team diskutiert, abgewogen – und natürlich über all das mit den beteiligten Jugendlichen gesprochen, nach ihren Interessen gefragt, mit ihnen überlegt, was sie zu diesen Themen auf einer Bühne sehen wollen würden. Und dann nach und nach begonnen, all das in Bilder, in eine Struktur, in einen Zusammenhang zu bringen bzw. entlang der Textvorlage zu justieren. Georg: Ich würde sagen, es waren genau zwei Extreme, die sich gegenüberstanden. Einerseits ist da unser ganz persönlicher Blick, unsere Lebenswelt, die Lebenswelt der 17 jungen DarstellerInnen und deren Überforderung, deren Emotionalität und deren Vermögen wie Unvermögen diesen großen Themen gerecht zu werden. Andererseits gibt es die kühle Realität, dass all diese Dinge, über die wir hier sprechen, die wir uns erspielen, jeden Tag von Menschen erlebt werden. Es ging nicht darum, eine goldene Mitte zu finden, sondern diesen Prozess, der dazwischen passiert, im Denken, Artikulieren und Handeln in all seiner Brüchigkeit ernst zu nehmen. Und das ist es auch, hoffe ich, was einen im Stück ergreift und mittnimmt: dieses Bewusstsein einer unüberwindbaren Lücke zwischen ganz Persönlichem und Globalem. Benjamin: Das Spannende dabei war für mich ja auch, wie es möglich ist, die Textvorlage in eine physische Form zu übertragen, sich Gedanken über einzelne Stationen und Gefühle zu machen und dann Wege zu finden, sie durch unsere Körper zu übertragen. Viel Sport wurde

gemacht, viel Schweiß ist geflossen. An unsere Grenzen sind wir vielleicht nicht wirklich gestoßen, aber wir haben zumindest einen kleinen Eindruck davon, wie es ist, wenn man mal nicht mehr kann, einem das Herz bis zum Hals schlägt. Wie war es, mit einer solch großen, heterogenen Gruppe zu arbeiten? Wie kann man sich da die Proben vorstellen?

Benjamin: Zwischendurch habe ich mir doch die Frage gestellt, warum wir uns dafür entschieden haben, mit 17 Jugendlichen zu arbeiten und nicht z. B. mit sechs ... Aber wenn man vor diesen Individuen steht, die eine größtmögliche Identifikationsfläche bieten und sie dann als Gruppe in einer Reihe stehen sieht, weiß man: Diese Arbeit lohnt sich! Ihre Kraft und Energie ist gewaltig! Bei jeder Probe haben sich diese 17 jungen Menschen tiefer in mein Herz gebohrt. Die gesamte Arbeit beruht für mich auf ihrem Einfluss – im Endeffekt ist der Abend, den der Zuschauer sehen wird, nur ein Fragment von all den Dingen, die wir gemeinsam erarbeitet haben. Georg: Es ist ja kein Problem im Theater mit vielen Leuten zu arbeiten, in der Oper hat man es oft mit Ensembles von bis zu 50 Leuten zu tun, Orchester und Technik noch gar nicht mitgezählt. Aber im Unterschied zu einem Chor haben wir ja versucht, auch wirklich mit allen zusammen dieses Stück zu entwickeln, jede/n gleichwertig ernst zu nehmen und jeder und jedem Raum zu geben. Wenn man eine Frage gestellt und 17 Antworten bekommen hat, die alle schlau und gut waren, dann war die wirkliche Herausforderung, aus all diesen großartigen Ideen und Gedanken zu

„An unsere Grenzen sind wir vielleicht nicht wirklich gestoßen, aber wir haben zumindest einen kleinen

Eindruck davon, wie es ist, wenn man mal nicht mehr kann, einem das Herz

bis zum Hals schlägt.“ (Benjamin Rufin)

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wählen. Das Stück könnte auch 17 Stunden dauern, keine Frage.

Die Zuschauer erwarten ungewohnte Verhältnisse im Next Liberty, die Grenze zwischen Zuschauer- und Bühnenraum wird aufgelöst, es werden alle (medialen) Kanäle geöffnet, die DarstellerInnen übernehmen verschiedene Parts ... Welche Entwicklung bzw. welche Phasen werden da konkret durchlaufen?

Georg: Es geht recht kuschelig los. Friedlich und beruhigt und plötzlich bricht ein Damm. Dann läuft die Sache sprichwörtlich aus dem Ruder, man kann sich nur mit Gewalt retten, um schließlich in einer von Gewalt geprägten, aber gleichsam zerstörten Umwelt zu landen, die fragwürdig werden lässt, inwiefern man in so einer Welt als Mensch noch existieren kann oder will.

Dagmar: Im Prinzip folgen wir genau der Struktur, die auch Janne Tellers Text vorgibt: Krieg – Flucht – Lager – (neue) Heimat? Diesen Etappen folgen die Stationen im Stück: Es beginnt an einem friedlichen Ort, in den eine Ahnung von Auseinandersetzung und Krieg einbricht, wie ein schlechter Traum, von dem auch nach dem Aufwachen noch das flaue Gefühl übrig ist, das aber bei uns nicht einfach verfliegt, sondern stärker wird, sich in Szenen, Bildern und Fragestellungen umsetzt und schließlich so weit führt, dass die Gruppe diesen Ort verlassen muss, um an einen besseren Ort zu kommen. Nach und nach verlassen sie die Gruppe, machen sich einzeln in eine unbekannte Welt auf, suchen nach einem Platz, an dem sie jetzt bleiben können. Doch an diesem neuen, fremden Ort wird man nicht herzlich willkommen geheißen, man wird geprüft und gemessen, nach Kriterien bewertet und eingeteilt, die man nicht versteht, von Instanzen, die bedrohlich und überlegen wirken. Und das über einen schier endlosen Zeitraum. Und auch danach, wenn man die Erlaubnis dafür bekommen hat, an diesem neuen Ort bleiben zu dürfen, ist nicht alles einfach „gut“ – man muss einen Platz für sich finden, neu definieren, wer man hier ist

bzw. sein kann, sich vielleicht von dem verabschieden, was „Heimat“ und „Zuhause“ einmal für einen bedeutet hat. Da ist plötzlich das, was einmal normal und alltäglich, warm und behütet war, der Traum, der das flaue Gefühl erzeugt ...

Was denkt ihr – was nehmen die ZuschauerInnen aus dem Vorstellungsbesuch mit?

Georg: Ich denke, man nimmt eine Entwicklung mit. Ein Konzentrat von vielen Wochen Beschäftigung mit Themen, die zu groß sind, um in einen Theaterabend zu passen. Eine Überforderung, die einen aber nicht ohnmächtig zurücklässt, sondern zeigt, dass es sich lohnt, sich diesen Themen zu stellen und dass letztlich der kleinste und persönlichste Gedanke eine Menge ausrichten kann.

Benjamin: Zuerst stellt man sich wohl mal die Frage: Ist Krieg vorstellbar? Das finde ich sehr wichtig. Schließlich gibt es für Krieg keinen „Masterplan“ – keiner weiß, wie es wäre, wie es aussieht oder was passieren würde. So kann man beginnen, sich mit kleinen Dingen auseinanderzusetzen, sich z. B. zu fragen, welchen Gegenstand man mitnehmen würde, wenn man fliehen

„Im Prinzip folgen wir genau der Struktur, die auch Janne Tellers Text

vorgibt: Krieg – Flucht – Lager – (neue) Heimat? Diesen Etappen folgen die Stationen im Stück: Es

beginnt an einem friedlichen Ort, in den eine Ahnung von

Auseinandersetzung und Krieg einbricht, wie ein schlechter Traum,

von dem auch nach dem Aufwachen noch das flaue Gefühl

übrig ist, das aber bei uns nicht einfach verfliegt, sondern stärker

wird“ (Dagmar Stehring)

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müsste. Aus all diesen Teilen könnte man dann das große Bild zusammensetzen und sich einer Vorstellung annähern. Ein großes Puzzle aus tausenden von Teilen ...

Dagmar: Viele Fragen, das Bewusstsein, dass niemand DIE Antworten oder Lösungen hat, aber viele Anregungen und Möglichkeiten, eigene Antworten zu finden.

Und, zum Abschluss: Im Foyer müssen die ZuschauerInnen, um Einlass zu bekommen, einen Fragebogen ausfüllen – dabei handelt es sich um einige der Fragen, die euch und die Jugendlichen die gesamte Probenzeit über beschäftigt haben und die auch an den verschiedensten Stellen im Stück thematisiert werden. Eure Antworten darauf ...?

Deine Blutgruppe?

Georg: Ganz ehrlich ... Keine Ahnung! Ich gehe sogar manchmal Blutspenden, aber ich weiß es trotzdem nicht.

Benjamin: A Positiv. Ich habe mal einen Blutgruppenzugehörigkeitspass von einem Labor bekommen. Dagmar: 0 Positiv. Ich hab mir das als Kind einmal gemerkt, aber keine Ahnung, warum eigentlich ...

Eine besondere Fähigkeit, die im Kriegsfall nützlich wäre?

Benjamin: Holz fällen, Feuer machen, Ausdauer. Dagmar: Ich glaub, ich kann handlungsorientiert Denken und bin konsequent in Dingen, die ich mir vornehme bzw. für notwendig erachte. Georg: Also ich bin militärisch völlig unnütz, weil ich eine wirklich starke physisch spürbare Abwehrreaktion gegen Autoritäten habe. Daher bleibt mir im Kriegsfall wahrscheinlich nicht viel übrig, entweder ich werde General, was unwahrscheinlich ist, oder ich lande in einem Lager und werde dort so eine Art Gruppenpapa. Ja, ich glaub, so Dinge

ausverhandeln mit der Lagerleitung, Abende organisieren, eine Mischung aus Papa und Pausenclown, das wäre wahrscheinlich eine Option. Ich würde immer überall gut darin sein, Strukturen zum Wohl einer Gemeinschaft zu nutzen.

Was müsste wohl passieren, damit du aus deinem Land fliehst?

Georg: Bin ich schon. Fürs Studium. Ich komme auch heute nur noch ab und zu zurück. Ernsthaft: Ich würde relativ lange versuchen, politische Umwälzungen, die ich für untragbar halte, kritisch zu hinterfragen und auch aktionistisch zu unterwandern. Aber wenn mein Leben erstmal in Gefahr wäre oder mir – wie heute in der Türkei – als Journalist für einen Text lange Gefängnisstrafen bevorstünden, würde ich gehen.

Benjamin: Ich und meine Familie müssen Lebensgefahr ausgesetzt sein. Dagmar: Wenn es zu eng wird, man sein Leben aus Angst, Unterdrückung, Einschränkung, Anpassungszwang, ... einfach nicht mehr führen kann, es keine Hoffnung aus Besserung gibt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, allein zu gehen, also auch: Wenn die Menschen, die mir nahe stehen, auch bereit sind, zu gehen.

Wohin würdest du gehen?

Georg: Ich würde als erstes wohl aus Berlin ins Mürztal ins Haus meiner Eltern flüchten; wenn es auch dort zu gefährlich wäre, hätte ich keine Ahnung, wohin. Nach Kuba vielleicht.

Benjamin: Vielleicht nach Island? Manchen ist es dort zu kalt ... Dagmar: Wohin es geht.

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Wenn aus deiner Familie/deinem engsten Kreis nur einer/ein paar fliehen könnte/n – wer wäre das und warum?

Georg: Mein Bruder und seine Freundin erwarten gerade eine Tochter, die müssten zuerst weg. Auf jeden Fall.

Benjamin: Das wären wohl die Kinder ... Die haben noch viel Zeit vor sich, sind noch flexibel und kraftvoll, um sich neuen Lebensbedingungen auszusetzen. Dagmar: Darauf kann ich auch nach all den Monaten keine Antwort formulieren.

Was würdest du mitnehmen?

Georg: Mein Handy, mein Kochmesser und ein paar Briefe. Ansonsten würde ich alle Fotos und Emails und Texte, die mir etwas wert sind, in eine Cloud hochladen und hoffen, dass die irgendwann noch zugänglich ist.

Dagmar: Mein Handy, ein Ladekabel, Geld, ein paar Erinnerungen, Ausrüstung (Wasser, Messer, Taschenlampe, Streichhölzer, praktische Kleidung, eine Decke, ...), Papier und Stifte.

Benjamin: Das ist unfair! Unsere Jugendlichen mussten sich auch für eine Sache entscheiden! Ich würde meine Stepptanz-Schuhe einpacken. Und sonst natürlich mein Handy, mein Adressbuch, ein Messer, ein Feuerzeug ...

Wenn du dir frei aussuchen könntest, als wer oder was du in einen Krieg ziehen könntest – was/wer wäre das? Welche Fähigkeiten hättest du?

Georg: Ein Vogel, ein ganz kleiner, wie ein Kolibri, der aber wie ein Drache Feuer speien kann wenn’s nötig ist.

Benjamin: Ich habe so viele schöne Sachen gehört, dass ich meine eigene Meinung angepasst habe ... Jetzt will ich es nicht mehr verraten!

Dagmar: Ich würde wahnsinnig schnell laufen können wollen, um rasch wohin bzw. weg zu kommen. Und ich wäre dabei gern stark genug, um mehrere Menschen mittragen zu können.

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„… am Anfang denkt man, man weiß eh alles über dieses Thema …“ – Im Gespräch mit beteiligten Jugendlichen Maja (15), Zoe (15), Paul (15), Jonathan (16) und Lukas (19) haben sich seit April 2016 mit dem Text von Janne Teller und den darin aufgeworfenen Fragen und Themen beschäftigt. Wir haben nachgefragt, wie sie dieses Projekt erlebt haben: Der Probenprozess in 3 Worten: Maja: mühsam, vielseitig, spannend Zoe: mehrschichtig, langwierig, lustig Paul: zach, interessant, Spaß Jonathan: zeitaufwändig, lustig, lehrreich Lukas: intensiv, lustig, aufschlussreich Hat sich deine Perspektive auf das Thema verändert? Maja: Meine Perspektive darauf hat sich dahingehend verändert, dass ich 17 verschiedene Perspektiven auf das Thema Krieg gehört habe und deshalb so viele Ansichten bekommen habe – das finde ich richtig cool. Zoe: Ja, das hat sie. Wir haben so lange und so oft über die Thematik gesprochen und wir hatten auch einen Zeitzeugen da, das hat ein anderes Licht darauf geworfen. Ich weiß zwar noch immer nicht ganz, wie ich darüber denke, aber ich weiß auf jeden Fall, dass sich meine Perspektive verändert hat! Paul: Ja, man denkt über Krieg nach, es verändert sich einfach alles. Man bekommt eine andere Sicht, man diskutiert darüber, man redet darüber. Man denkt immer, dass Leute zu uns flüchten und dass der Eingewöhnungsprozess schwer ist, doch es hört nie auf, das ganze Leben ist versaut. Jonathan: Es hat sich meine Einstellung zur Flüchtlingspolitik nicht grundlegend geändert, aber man befasst sich so intensiv

mit dem Thema, dadurch bekommt man neue Denkanstöße, durch die man selbst auf neue Dinge kommt. Ich bin darauf gekommen, wie schwer und mühsam der ganze Prozess sein kann und was für Dinge tagtäglich passieren, die uns gar nicht bewusst sind. Lukas: Am Anfang denkt man, man weiß eh alles über dieses Thema, man hört Dinge in den Nachrichten, aber es war immer so weit weg. Jetzt ist es so nah an uns herangerückt. Welche Bilder im Stück sind für dich am stärksten? Was bewegt/berührt dich daran? Maja: Die Szene mit den Taschenlampen, in der wir zu Wärtern werden. Die berührt mich total. Zoe: Jedes Mal, wenn die Friederike von den Burschen nach hinten gezogen wird, und auch das Ende, weil es so hoffnungslos ist. Paul: Die Szene mit Friederike geht so unter die Haut und die Szene mit den Gitarren. Man stellt sich den Zaun vor, an dem die Leute einfach abprallen, nicht durchkommen, einfach draußen sterben, richtig Hunger haben, Durst haben, sie können nicht rein, sie sind so knapp am Ziel, aber dürfen nicht rein. Jonathan: Es ist die erste Szene – das ist eine der wichtigsten Szenen – die im Kontrast zum 4. Akt steht. Wir sind noch die gleichen Leute, aber unsere Haltung hat sich verändert. Lukas: Ganz am Anfang, wenn Friederike so herumschreit, das ist voll schrecklich, wenn wir daliegen und nichts tun können. Du weißt, es ist nicht echt, es ist trotzdem

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schlimm und am Schluss dieses Warten. Man stellt sich vor, zwei Jahre zu sitzen und zu warten und nichts tun zu können. Herausforderungen im Spiel – in den Proben? Alle: Boot Camp, das Singen, das Tanzen, die Choreographie, das Lied. Wir haben das Stück ja entwickelt, es gab keinen fertigen Text, deshalb haben wir ganz viel ausprobiert, das war nicht immer leicht, weil man nicht immer weiß, worauf es hinausläuft, erst am Schluss. Was denkt ihr – was nehmen die ZuschauerInnen aus dem Vorstellungsbesuch mit? Maja: Ich hoffe, ein bisschen mehr Verständnis zu zeigen für Menschen, die nicht so integriert sind. Zoe: Ich glaube, dass sie mitnehmen, was aus einem Menschen werden könnte bei einer Flucht, also was das alles bedeuten könnte. Ich wünsche mir, dass die Menschen mehr darüber nachdenken, was die Menschen durchlebt haben. Paul: Krieg hört nicht auf, nur wenn du vom Krieg weg bist. Es geht einfach immer weiter. Beim Stück haben wir eine Art offenes Ende. Das Stück geht auch weiter. Krieg geht auch weiter, obwohl er nicht mehr da ist. Vielleicht das darüber Nachdenken, dass Flüchtlinge eine richtig zache Geschichte hinter sich haben. Jonathan: Das ist eine schwierige Frage. Ich würde mir wünschen, dass es einfach ein Denkanstoß ist. Wenn das passiert, dann ist das schon das Meiste, was man erreichen kann: das die Leute selber darüber nachdenken. Es ist leicht Parolen gegen Flüchtlinge zu sprechen. Ich würde mir wünschen, dass sich Menschen wirklich damit befassen, wie es Menschen geht, die flüchten, dann ist ein riesengroßer Schritt getan. Das würde ich mir wünschen.

Lukas: Ich wünsche mir, dass Menschen darüber nachdenken, und ich glaube, dass sie zuerst überfordert sind. Aber das ist gut, weil sie deshalb nachdenken. Was nimmst du mit? Maja: Dass ich meine Leidenschaft für Theater wieder entdeckt habe und dass mir auffällt, dass man mit Theater Dinge verändern kann. Theater ist eine tolle Kunst! Zoe: Dass man gemeinsam das Ganze viel besser schafft! Wir haben im Probenprozess keine Streitereien gehabt, alles war im Gleichgewicht. Dass man versuchen sollte, das Ganze im Gleichgewicht zu halten. Viele Spatzen und blaue Flecken! Paul: Jeder kann etwas verändern. Wenn man freundlich ist, Menschen unter die Arme greift, etwas macht, etwas tun kann. Jonathan: Viele neue Perspektiven und neue Freunde! Lukas: Einen Haufen nette Leute, die man kennengelernt hat, die cool sind und mit denen man viel Zeit verbracht hat!

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HINTERGRÜNDE ZUR TEXTVORLAGE

Biografie von Janne Teller Janne Teller, 1964 in Kopenhagen geboren, arbeitete als Konfliktberaterin der EU und UNO in aller Welt, besonders in Afrika. Seit 1995 widmet sie sich ganz dem Schreiben und lebt heute in New York und Berlin. Für ihr literarisches Schaffen wurde Janne Teller vielfach ausgezeichnet. In ihrem Werk, das neben Romanen für Erwachsene auch Essays, Kurzgeschichten und Jugendbücher umfasst, kreist sie stets um die großen Fragen im Leben und löst mit gesellschaftskritischen Themen nicht selten stürmische Debatten aus. Für Erwachsene hat Janne Teller die zeitgenössische nordische Saga „Odins Insel“ geschrieben sowie die Liebesgeschichte „Europa. Alles, was dir fehlt“ und zuletzt „Komm“ über Ethik in der Kunst und in unserer modernen Gesellschaft (Hanser, 2012). Für Jugendliche erschien der viel diskutierte, preisgekrönte internationale Bestseller „Nichts – was im Leben wichtig ist“ (Hanser, 2010), die Erzählung „Krieg, stell dir vor, er wäre hier“ (Hanser, 2011) und „Alles – worum es geht“ (Hanser, 2013). Janne Tellers Literatur ist in 25 Sprachen übersetzt.

Janne Teller über „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ Die dänische Originalfassung dieses Buches schrieb ich bereits 2001, als die Flüchtlingsdebatte in Dänemark zwei unserer in Europa höchstgepriesenen Grundsätze der philosophischen und sogar christlichen Ethik zunächst zu vergessen schien: Alle Menschen wurden gleich geschaffen und Behandle die Menschen so, wie du selbst von ihnen behandelt werden willst. „Wenn Skandinavien im Krieg läge“ wurde damals als ein fiktiver Essay in einer Lehrerzeitschrift veröffentlicht. 2004 beschloss ein dänischer Verlag, den Text als Buch herauszubringen – gestaltet wie ein Pass und wunderbar illustriert von Helle Vibeke Jensen. Wenn man, wie ich, aus einer österreichisch-deutschen Einwanderer- und Flüchtlingsfamilie in Dänemark stammt, ist der Gedanke, dass äußere Umstände das Leben in kürzester Zeit auf den Kopf stellen können, real und zum Greifen nah. Für die meisten dänischen Dänen ist das aber nicht der Fall. Die Vorstellung, das eigene Leben könnte sich in ein Flüchtlingsdasein verwandeln, kommt der von einem Leben auf dem Mars gleich. Deshalb schrieb ich diesen Essay, als eine Einladung, sich in das Leben als Flüchtling hineinzudenken. Nicht aus dem Blickwinkel der Flüchtlinge, die von weit her nach Dänemark kommen, sondern mit dem Blick der Dänen, deren eigenes, sicheres Leben durch einen hoffentlich undenkbaren Krieg zwischen den skandinavischen Ländern völlig zerstört wird. Eben weil dieser Essay als eine Einladung an die Vorstellungskraft entstanden ist, war mir immer klar, dass er in einer Übersetzung an die besondere geopolitische Situation des jeweiligen Landes angepasst werden muss. Für Deutschland habe ich einen wirtschaftlich-sozialen, nationalistischen Zusammenbruch der Europäischen Union gewählt; zum einen, weil das heutzutage leider die vorherrschende Bedrohung für die Sicherheit der europäischen Völker zu sein scheint, zum

„Ich hoffe, dass dieser Text unpolitisch gelesen wird, als eine

Einladung an das Vorstellungsvermögen. Eine

Einladung, das Leben der anderen nachzuvollziehen, ein Schicksal, das

hoffentlich nie unser eigenes sein wird. Dafür sind wir alle

verantwortlich.“

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anderen, weil dieser Essay in keiner Weise eine Nachstellung früherer Kriege sein soll. Darüber sind wir zum Glück weit hinaus. Das heutige Thema ist Migration, die durch menschliche oder Naturkatastrophen in aller Welt ausgelöst wird, die Bedrohung der körperlichen und seelischen Unversehrtheit von Familien und Einzelpersonen aus vielen verschiedenen Gründen, sowie soziale Ungleichheiten und mangelnde wirtschaftliche Chancen. Es geht um eine Begegnung der Kulturen, um das Vermögen und mehr noch die Bereitschaft von Einzelnen, Gruppen und ganzen Völkern, aufeinander zuzugehen. Es geht um unser Selbstverständnis, die Frage, wie jeder sich selbst und andere sieht, die fremden Ankömmlinge zum einen, die Gastgeber der Ankömmlinge zum anderen. In vielerlei Hinsicht hatte ich gehofft, dieser Essay wäre heute längst überholt. Wie die Dinge liegen, ist er es nicht. Ganz im Gegenteil. Wenn ich in Dänemark und andernorts aufgefordert werde, über diesen Text zu sprechen, wird mir immer öfter vorgehalten, er sei „politisch“. Zwar habe ich noch nie verstanden, warum es falsch sein sollte, in einer politischen Welt politisch zu sein. Aber was viel wichtiger ist: Wenn allein der Versuch, sich etwas vorzustellen, etwas zu verstehen und sich in die Situation des anderen einzufühlen, politisiert wird, ist dann nicht etwas verkehrt, etwas ungeheuer und verhängnisvoll verkehrt? Sind wir dann nicht schon jenseits von Gut und Böse? Ich hoffe, dass dies nicht der Fall ist. Ich hoffe, Verständnis ist das, wonach wir alle, oder wenigstens die meisten von uns in Europa, streben. Ich hoffe, dass dieser Text unpolitisch gelesen wird, als eine Einladung an das Vorstellungsvermögen. Eine Einladung, das Leben der anderen nachzuvollziehen, ein Schicksal, das hoffentlich nie unser eigenes sein wird. Dafür sind wir alle verantwortlich. Denn wenn es eines Tages doch so käme, wäre es dann nicht sehr tröstlich, die gefahrvolle Suche nach Zuflucht und einem besseren Leben in vollem Vertrauen auf die Erkenntnis anzutreten, dass damals, als wir selbst in Sicherheit waren, jeder Einzelne dazu beitrug, die ethischen Grundsätze menschlicher Zivilisation zu sichern und zu verbreiten, dass alle Menschen gleich geschaffen wurden und jeder die Menschen so behandeln soll, wie er selbst von ihnen behandelt werden will? Janne Teller, New York, 18.10.2010. Aus dem Englischen von Kai Bargmann. Quelle: Janne Teller, Krieg. Stell dir vor, er wäre hier. Aus dem Dänischen von Sigrid C. Engeler Mit Illustrationen von Helle Vibeke Jensen.

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EIN INTERVIEW MIT JANNE TELLER „Verständnis ist für mich der Weg zu mehr Mitmenschlichkeit.“ Janne Teller über Sinnsuchen und den Erfolg ihrer Jugendbücher. lesepunkte: Obwohl Sie deutsch-österreichische Wurzeln haben, kommen ihre guten Deutschkenntnisse aber nicht daher, dass Sie zuhause Deutsch gesprochen haben, oder? Janne Teller: Nein, wir haben zu Hause nur Dänisch gesprochen, weil meine Eltern das so wollten. Man dachte damals, dass Kinder nur eine Sprache richtig lernen können. Meine Mutter ist Österreicherin und kommt aus Kärnten, in der Nähe der slowenischen Grenze. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vom Roten Kreuz nach Dänemark gebracht. Dort lebte sie drei Monate bei einer Familie, bekam dort Essen und Ruhe. Als sie wieder nach Österreich zurückkehrte, blieb der Kontakt zu dieser Familie bestehen. Später ging sie dann wieder nach Dänemark zurück. Mein Großvater väterlicherseits war Deutscher. Nach dem Weltkrieg ging er zu Fuß von Norddeutschland nach Dänemark. Er hatte Zwanzig Mark dabei und baute sich ein neues Leben auf. Ich war also ein Immigrantenkind in Dänemark. Auch wenn die Entfernung zu Österreich und Deutschland nicht allzu weit scheint, war ich immer ein Fremdling. Das hat mich sehr beeinflusst und stellt auch den Hintergrund meines Schreibens von „Krieg“ dar. lesepunkte: Ihr erster Roman „Odins Insel“ war eine Mischung aus historischem Roman und mythologischer Saga für Erwachsene. Wie kam es dazu, dass Sie zur Kinder- und Jugendliteratur gestoßen sind? Sehen Sie sich selbst überhaupt als Jugendbuchautorin? Janne Teller: Ich sehe mich selbst eigentlich als Autorin für Erwachsene. Es war eher Zufall, dass ich einige Bücher für Jugendliche geschrieben habe, da mich ein Verlag gefragt hat, ob ich Lust dazu hätte. Zuerst dachte ich „nein, will ich nicht“, denn normalerweise schreibe ich, um selbst etwas zu lernen. Ich dachte, ich könne nichts lernen, wenn ich für Leute

schreibe, die jünger sind als ich. Aber dann habe ich die ersten vier Sätze von „Nichts“ in meinem Kopf gehört: „Nichts bedeutet irgendetwas. Das weiß ich seit langem. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden.“ Ich konnte mir die Figur Pierre Anton direkt vorstellen, ich hörte seine Stimme. Es kam dann sehr schnell dazu, dass ich „Nichts“ schrieb. Normalerweise bin ich sehr langsam, wenn ich Romane schreibe. Es war aber etwas ganz Besonderes diese Geschichte zu schreiben - die große Frage des Lebens hat mich immer schon beschäftigt und in nur vierzehn Tagen hatte ich „Nichts“ geschrieben. Ich glaube, mein ganzes Leben hat mich genau darauf vorbereitet. Danach habe ich herausgefunden, dass sich einige Themen sehr für Jugendbücher eignen. Jugendliche sind ganz offen in ihren Gedanken. Dass „Nichts“ auch so interessant für Erwachsene geworden ist, liegt vielleicht daran, dass es eigentlich für Jugendliche geschrieben wurde. […] lesepunkte: Sie haben Staatswissenschaften studiert und waren für politische Institutionen wie die Vereinten Nationen (UN) und die EU tätig. Sie haben selbst die Auswirkungen von Krieg hautnah miterlebt. Wie haben Sie gelebt, bevor sie sich entschlossen, Schriftstellerin zu werden? Janne Teller: Ich habe für die UN in Afrika gearbeitet. In Tansania war ich wirtschaftliche Beraterin der Regierung. In Mosambik war ich 1993/94 die rechte Hand der Leitung der Friedensprozesse und habe politische Strategien für den Frieden ausgearbeitet, zum Beispiel, wie man die Gesellschaft auf erste Wahlen vorbereitet, wie man tausende Soldaten demobilisiert oder wie man Kindersoldaten wieder zu Menschen macht. Ich habe auch viel mit Flüchtlingen gesprochen. Hier hat mich beeindruckt, dass sie überraschenderweise

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oft wieder zurückwollten. Aber die Möglichkeiten dazu fehlten meistens. lesepunkte: Diese Erfahrungen sind in Ihr Buch „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ sicherlich eingeflossen. Es handelt sich dabei auch wieder um ein Gedankenexperiment. Sie spielen damit, dass die Europäische Union zusammenbricht und zwischen Deutschland und Frankreich Krieg herrscht. Eine deutsche Familie flieht ins nächstliegende Land, in dem Frieden herrscht – nach Ägypten, in eine ganz andere Kultur … Janne Teller: Als ich im Jahr 2004 „Krieg“ schrieb, hätte ich mir nie vorstellen können, dass in Ägypten einmal eine demokratische Revolution stattfindet. Und das dann auch zufällig gerade dann, wenn das Buch in Deutschland erscheint. Ich hoffe natürlich, dass der andere Teil der Fiktion nie wahr werden wird. Mit diesem Text wollte ich keine Angst vor einem Krieg in Europa auslösen, ich wollte vielmehr die Situation der Flüchtlinge ansprechen. In Dänemark sprechen viele gebildete und sonst tolerante Leute von Flüchtlingen, als wären sie keine Menschen. Als seien sie nicht aus Not zu uns gekommen, sondern, um von unserem sozialen System zu profitieren. Möglicherweise trifft das auf manche Immigranten zu, aber nicht auf Flüchtlinge. Deshalb habe ich diese Geschichte erzählt, um zeigen, was wäre, wenn wir selbst diese Flüchtlinge wären. Man kann das besser verstehen, wenn man es selbst erlebt, und das wird durch Literatur möglich. Allerdings ist es schwer, sich vorzustellen, wie ein Iraker sich in Europa fühlt. Leichter ist es, sich vorzustellen, wie man sich selbst in einer anderen Kultur zurechtfinden würde. lesepunkte: Sie haben die deutsche Fassung selbst geschrieben, wann war das? Janne Teller: Das war im Herbst des vergangenen Jahres. Da gab es in Nahost auch schon eine ökonomische Krise, aber inzwischen ist es viel schlimmer geworden.

Ich hatte Ägypten gewählt, weil es in Dänemark immer eine große Diskussion um Muslime gab. Ägypten kenne ich von früheren Reisen sehr gut. Letztlich ist es aber immer nur das Land, was sich ändert, die Flüchtlingssituation bleibt dieselbe. lesepunkte: Sie haben für „Nichts“ eine Ich-Erzählerin gewählt, die sich rückblickend erinnert. In „Krieg“ spricht der Erzähler den Leser sehr direkt an. Treffen Sie eine lange durchdachte, bewusste Entscheidung, wie sie ein Thema auf eine bestimmte Art erzählen wollen? Janne Teller: Ich entscheide es nicht bewusst. Es fängt mit einer Stimme an – und wäre ich der 14-jährige Junge aus „Krieg“, dann würde ich genauso erzählen, in dieser „Du-Form“. So erzählen wir wichtige Dinge ja auch unseren Freunden. […] lesepunkte: „Nichts“ ist kein nihilistisches Buch, die Schlusspointe zeigt, dass das Spiel mit der Bedeutung eine gefährliche Sache sein kann. „Krieg“ zeigt meiner Meinung nach auch, dass Sie eine Idealistin sind. Könnte das sein? Janne Teller: Ja, ich glaube ich bin eine Idealistin. Ich glaube wirklich, man kann die Welt verändern und verbessern. Aber Literatur sollte dieses Ziel nicht allzu direkt vermitteln. Man kann mit Literatur nur versuchen, etwas Wahrhaftiges zu erzielen. Ich glaube, dass uns Menschen universelle Werte verbinden. Mit Geschichten kann man ein magisches Spiel betreiben, das unsere tieferen Seiten wahrnimmt. Ich hoffe, wenn man zu etwas Wahrem kommt, versteht man einander besser, denn Verständnis ist für mich immer der Weg zu mehr Mitmenschlichkeit. Quelle: Interview mit Janne Teller (Jochen Pahl). lesepunkte 6 (2011), Nr. 2, in: lesepunkte, URL: http://www.lesepunkte.de/no_cache/persistent/artikel/8945/ [Stand 01.10.2016]

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FRAGESTELLUNGEN ZUM THEMA

Ist „Krieg“ überhaupt vorstellbar? Welche Bilder/Farben/Szenen/Assoziationen hast du dazu? Was denkst du, wovon

sind diese geprägt? Was würdest du zu diesem Thema gerne auf einer Bühne sehen? Welche drei Dinge

auf keinen Fall? Was müsste passieren, damit in Österreich Krieg ausbricht? Was wäre da ein

mögliches Szenario? Wer würde gegen wen Krieg führen und warum? Wie lange würde das wohl dauern?

Wie würden dann wohl deine Tage aussehen? Was wäre wichtig? Was müsste man wissen bzw. können? Welche besondere Fähigkeit, die du hast, wäre dann wohl von Bedeutung?

Wie würdest du dich verhalten? Dich verstecken, wenn ja, wo? Dein Land verteidigen, in den Widerstand gehen, abwarten, flüchten?

Was müsste passieren, damit du aus deinem Land fliehst? Wohin würdest du gehen? Wer aus deiner Familie würde fliehen und warum? / Wenn du noch eine Person

mitnehmen könntest – wer wäre das und warum? Was würdest du mitnehmen? / Was wäre deine „eine Lieblingssache“? Was macht „Heimat“ für dich aus? Gibt es einen speziellen Menschen, Ort,

Gegenstand, eine Tätigkeit, ein Gefühl … die/das/den du damit in Verbindung bringen würdest bzw. die du in dem Zusammenhang sehr vermissen würdest?

Wenn du dir frei aussuchen könntest, als wer oder was du in einen Krieg ziehen könntest – was/wer wäre das und warum? Welche Fähigkeiten hättest du?

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ÜBUNGEN BZW. BEOBACHTUNGSAUFGABEN ZU DEN THEMEN IM STÜCK

KRIEG

Krieg und Kunst: Kleingruppen: Kennt ihr Bücher oder Filme über Krieg, oder Werke aus der bildenden Kunst?

Sammelt, was euch einfällt. Wählt pro Gruppe ein Werk, einen Titel aus und erzählt den anderen Gruppen darüber. Wie wird Krieg in den einzelnen Beispielen dargestellt: Kann man immer alles sehen oder wird etwas ausgelassen? Wenn ja, habt ihr eine Idee, warum? Was meint ihr: Kann man mit Kunst (Text, Bild, Film...) Krieg vorstellbar machen? Zum Abschluss baut jede Gruppe aus verschiedenen Materialien, die in der Klasse vorhanden sind (z. B. Hefte, Bücher, Papier, Stifte, Patschen ...) ein Bild zum Thema: „Wie drückt sich Krieg aus?“ Führt eure KollegInnen durch die „Ausstellung“ und lasst sie eure Kunstwerke interpretieren.

Stell dir vor, es ist Krieg: Es werden Kleingruppen gebildet: Welche deiner Fähigkeit/en würde/n dir im Kriegsfall besonders nützen, was kannst du im Ernstfall gut einsetzen? Jede/r überlegt für sich, dann stellt ihr mit allen GruppenteilnehmerInnen eine „Einsatztruppe“ zusammen. Beschreibt ein Kriegsszenario, in dem die Fähigkeiten jedes Einzelnen von euch in idealer Weise eingesetzt werden. Baut euch zu einem Standbild zusammen, in dem ihr körperlich zeigt, was eure besondere Fähigkeit ist. Jeder erklärt dann, was seine Funktion in der Gruppe ist. Vergleicht mit den anderen Gruppen. FLUCHT

Ich packe meinen Koffer: Ganze Klasse: Was nehme ich mit, wenn ich mein Land für unbestimmte Zeit, vielleicht für immer, verlassen muss? Jeder sagt reihum: „Ich packe meinen Koffer und nehme … mit“. Gleichzeitig wird der Gegenstand pantomimisch dargestellt. Der/die Nächste setzt fort und hängt seinen Begriff hinten dran, es entsteht eine lange Wortschlange mit Dingen, die euch wichtig sind. Besprecht am Ende, warum ihr gerade diesen Gegenstand mitnehmt.

Wohin könntest du fliehen? Einzelarbeit: Falls du fliehen musst, wohin würdest du gehen? Wo kennst du jemanden? Wie kommst du dort hin? Wie würde dein Leben dort aussehen? Schreibe einen kurzen Text: Einen Brief an einen Freund/eine Freundin in deiner alten Heimat, in welchem du von deiner Flucht erzählst und davon berichtest, wie dein Leben jetzt aussieht. (NEUE) HEIMAT

Die zwei Parteien Gruppe 1 ist die Partei „A“, die der Meinung ist, eine Gesellschaft sollte nicht multikulturell sein. Alle BürgerInnen dieser Gesellschaft sollen nur aus einer Kultur kommen, mit einer einheitlichen Religion, Abstammung und Kultur. So ließe es sich friedlich und in Eintracht leben. Sammelt alle Nachteile einer kulturell vielfältigen Gesellschaft und bereitet eine Rede vor.

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Gruppe 2 ist die Partei „B“, die meint, man könne alle unterschiedlichen Kulturen in einer Gesellschaft vereinen, müsse einander verstehen und tolerieren und könne so am meisten vom Anderen lernen und profitieren. Sammelt alle Vorteile einer kulturell vielfältigen Gesellschaft und bereitet eine Rede vor. Jede Gruppe wählt einen Wortführer/eine Wortführerin aus, der/die mit den politischen Gegenspielern diskutiert.

Schreibwerkstatt Was macht „Heimat“ bzw. „Zuhause“ für dich aus? Gibt es einen speziellen Menschen, Ort, Gegenstand, eine Tätigkeit, ein Gefühl, das du damit in Verbindung bringst? „Letztes Wort – erstes Wort“: Jeder/e schreibt einen Text zum Thema „Heimat“. Jeder Satz beginnt mit dem letzten Wort des vorherigen Satzes. Verweis: Vgl. Wolf, Cornelia: Unterlagen Biografisches Theater. Theaterwerkstatt Heidelberg 2012, S. 9.

Impulsfragen für die Diskussion: Was bedeutet „Heimat“ bzw. „Zuhause“ für dich? Aus welchen Gründen verlassen Menschen ihre Heimat? Welche Gründe wären für dich ausschlaggebend, dein Heimatland zu verlassen? Welche sozialen, kulturellen und finanziellen Veränderungen sind/wären damit

verbunden? Welche kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede müssen eventuell in einem

neuen Land überwunden werden? Welche Vorteile oder welche Nachteile hat eine kulturell vielfältige Gesellschaft?

Textgestaltungsaufgabe Material: Textvorlage, eventuell Computer/Smartphone und Lautsprecher (zur Musikrecherche), eventuell ein Mikrophon Die TeilnehmerInnen lesen zusammen den Anfangstext des Buches. Dabei wird keine Reihenfolge vereinbart. Eine Person beginnt und liest so lange, wie sie möchte. Eine andere Person schließt an usw., bis der ganze Text von der Gruppe gemeinsam gelesen wurde. Im Anschluss daran wird die Gruppe in Kleingruppen von ca. 5 Personen aufgeteilt. Die TeilnehmerInnen sollen den Text bzw. einzelne Sätze daraus mithilfe von Gestaltungsmitteln des Theaters bearbeiten. Es geht bei der Aufgabe darum, mit dem Text spielerisch umzugehen und nicht darum, den Text als eine Figur oder in einer Rolle „zu spielen“. Die TeilnehmerInnen bekommen dafür 5-10 Minuten Zeit. Für die Textgestaltung können folgende Gestaltungsmittel angewendet/gewählt werden: Sprechweise: die Gruppe experimentiert mit folgenden Parametern: Lautstärke (flüstern bis schreien), Tempo, Pausen, Chorisches Sprechen: gemeinsames Sprechen und Solo-Parts, versetztes Sprechen, Echo; verschiedene Emotionen bzw. Sprechhaltungen, abgehackt, gesungen, rhythmisch, gerappt, gemäß einem Textgenre (z. B.: Nachrichten, Tagebucheintrag) etc. Einsatz von Musik: Falls eine Möglichkeit zum Abspielen von Musik im Klassenraum besteht (Computer oder Smartphone und Lautsprechern), überlegt die Gruppe gemeinsam, welche Musik zu dieser Szene passen könnte und an welcher Stelle ihrer Präsentation sie diese benötigen. Einsatz eines Mikrofons: Falls vorhanden, kann auch ein Mikrofon eingesetzt und mit dessen Wirkung experimentiert werden.

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Anschließend präsentieren die unterschiedlichen Gruppen ihre Bearbeitungen. Jeweils im Anschluss an die Präsentationen können folgende Fragen zur Reflexion beantwortet werden: - Was hast du gesehen/gehört? - Welche Wirkung hatte dies auf dich? - Was hat dich berührt? Warum? Falls noch Zeit vorhanden ist, können die ZuseherInnen oder die Spielleitung den jeweiligen Gruppen noch Tipps zur Weiterarbeit bzw. für eine Wiederholung der Präsentation geben.

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AUSGEWÄHLTE LITERATUR- UND MEDIENHINWEISE Im Zuge der Vorbereitungs- und Probenzeit hat das Team zu den unterschiedlichsten Themenbereichen recherchiert, verschiedenste Informationen gesammelt und Interessantes ausgetauscht, das zum Teil auch im Stück vorkommt – im Folgenden finden Sie eine kleine Auswahl dieser Rechercheergebnisse (sortiert nach den inhaltlichen Abschnitten, denen auch das Stück folgt), die einen Einblick in unsere Arbeit geben bzw. auch zeigen soll, wie unterschiedlich man sich diesen Themen nähern kann und sich eventuell für die eine oder andere Auseinandersetzung, Diskussion oder nähere Beschäftigung im Unterricht anbietet: „KRIEG“ ● „Der Soundtrack zum Krieg“. Ein Interview mit der Ethnologin Cornelia Nuxoll. Frankfurter Rundschau: 16. Jänner 2016. Online unter: http://www.fr-online.de/musik/krieg-und-musik-der-soundtrack-zum-krieg,1473348,33531100.html [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Musik und Krieg. Welche Lieder über Krieg und Frieden kennt man? Welche Art von Musik steht damit in Verbindung?) ● Formen des Krieges. Von der Antike bis zur Gegenwart. Hrsg. von Dietrich Beyrau, Michael Hochgeschwender und Dieter Langewiesche. Paderborn [u. a.]: Ferdinand Schöningh 2007. (= Krieg in der Geschichte. Band 37.) ( zum Thema: Was ist Krieg? Welche Kriege gab es, wie entstehen sie u. a.; sehr umfassende Sammlung) ● Gast, Thomas: Survival Total. Urban Survival. Terror und Krisen vor deiner Tür. Kehl. A. Rh.: Epee Edition 2015. ( zum Thema: Wie kann man sich auf eine Krise/einen Ausnahmezustand vorbereiten? Der Autor, der selbst fast 18 Jahre bei der Fremdenlegion war gibt einen „umfassenden Leitfaden fürs Überleben“ – sehr anschaulich, auf jeden Fall eine Diskussionsgrundlage) ● Jontes, Günther; Schilhan, Günter: Vom Anschluss bis zum Staatsvertrag. Die Steiermark 1938-1955. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 2007. (= ZEIT. GESCHICHTEN Steiermark.) ( zum Thema: Wie kann man sich Graz im Krieg vorstellen? Eine umfassende, gut lesbare Sammlung von historischen Fakten und rd. 40 Zeitzeugenberichten) ● Österreichischer Zivilschutzverband: Ratgeber und Broschüren. Online unter: http://www.zivilschutzverband.at/broschueren [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Wie kann man sich auf eine Krise/einen Ausnahmezustand vorbereiten? Der Österreichische Zivilschutzverband informiert u. a. über Bevorratung, Selbstschutz, Blackouts etc.) ● Zivilschutz: „Selbstschutz ist der beste Schutz“. Kleine Zeitung/Außenpolitik: 23.08.2016. Online unter: http://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5073451/Appell-an-Eigenverantwortung_Zivilschutz_Selbstschutz-ist-der [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Wie kann man sich auf eine Krise/einen Ausnahmezustand vorbereiten? Im Sommer 2016 hat Deutschland das neue „Konzept für Zivile Verteidigung“ veröffentlicht, daraufhin wurde auch in Österreich viel darüber diskutiert, ob/wie man sich vorbereiten/schützen kann)

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„FLUCHT“ ● Aufbrechen-Ankommen-Bleiben: Bildungsmaterial zu Flucht und Asyl. 3. Aktualisierte Auflage 2015. Online unter: http://www.unhcr.at/service/bildungsmaterialien/aufbrechen-ankommen-bleiben.html [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Wie ist es, ein Flüchtling zu sein? Sehr umfangreiche, gut strukturierte Sammlung, die aufbauend auf den Geschichten von sieben realen minderjährigen Flüchtlingen Infos zum Thema bietet, viele interaktive Anregungen und Kopiervorlagen) ● „Empathie blendet uns“. Ein Interview mit dem Psychologen Paul Bloom. Die Zeit: Nr. 49/2015. Online unter: http://www.zeit.de/2015/49/psychologie-empathie-terror-mitgefuehl-interview [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Wie geht man mit Berichten über Krieg, Terror, Flucht um? Was ist der Unterschied zwischen Empathie und Mitgefühl bzw. wie beeinflusst es mein Verhalten? Ein spannender Ansatz, u. a. in Bezug auf die Frage: Was bringt es, sich einen solchen Perspektivenwechsel vorzustellen?) ● Flucht und Asyl. Informations- und Unterrichtsmaterialien für Schule, Studium und Fortbildung. Online unter: http://www.unhcr.de/service/lehrmaterial-flucht-und-asyl.html [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: aktuelle Flüchtlingsdebatte; ausführliche Hintergrundinformationen und Kontextberichte, aktuelle Zahlen und Statistiken) ● Flüchtlinge. Essays, Diskurse, Reportagen. Hrsg. von Gerfried Sperl. Wien: Czernin Verlag 2016. (= Phoenix. Band 2.) ( zum Thema: aktuelle Flüchtlingsdebatte; verschiedenstes Aspekte zum Thema, u. a. mit Beiträgen von Ilija Trojanow, Josef Haslinger, Julya Rabinowich) ● LastExitFlucht-Das Onlinespiel. Ein interaktives Spiel des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR). Online unter: http://www.unhcr.de/service/unhcr-entdecken/lastexitflucht-onlinespiel.html [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Wie ist es, ein Flüchtling zu sein? Ein Onlinespiel, bei dem man verschiedene Etappen (Krieg, Flucht, neue Heimat) durchläuft und das u. a. 2006 mit dem Österr. Staatspreis Multimedia ausgezeichnet wurde; angeboten werden auch Hintergrundinformationen zum Thema Flüchtlinge und Menschenrechte sowie einen Lehrerleitfaden mit zahlreichen Vorschlägen für den Einsatz im Unterricht; der spielerische Zugang in Kombination mit Fakten ist gewöhnungsbedürftig, auf jeden Fall eine interessante Diskussionsgrundlage, u. a., weil die Stationen im Spiel denen im Stück ähneln) ● LOST: The Story of Refugees. 2015. ( zum Thema: aktuelle Flüchtlingsdebatte; Lost ist ein Kollektiv aus Reportern, Fotografen und Grafikern, die Geschichten und Schicksale von Flüchtenden in Form eines Buchs mit vielen Fotos und z. T. sehr persönlichen Texten dokumentiert haben; sachlich und erschütternd; der Bucherlös geht an Caritas und Unterrichtsprojekte) ● Rabinowich, Julya: Dazwischen: Ich. München: Carl Hanser Verlag 2016. ( zum Thema: Wie ist es, ein Flüchtling zu sein? Ein Jugendbuch, dass sich auch mit dem Themen Flucht, Aufbrechen, Ankommen beschäftigt) ● „Was machen diese Bilder mit uns?“ Ein Gespräch mit dem Psychoanalytiker Matthias Wellershoff. Die Zeit: Nr. 13/2016. Online unter: http://www.zeit.de/2016/13/fluechtlingskrise-verunsicherungen-psychologie-auswirkungen [Stand 18.10.2016]

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( zum Thema: aktuelle Flüchtlingsdebatte; eine interessante Perspektive in Bezug darauf, warum die Flüchtlingskrise Angst macht bzw. welche Auswirkungen die massive mediale Berichterstattung darauf hat) „ASYL“ ● Aktuelle Statistik: Asylwesen Österreich. Online unter: http://www.bmi.gv.at/cms/bmi_asylwesen/statistik/start.aspx [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Asyl in Österreich; das Bundesministerium für Inneres veröffentlich hier jeden Monat aktuelle Statistiken zum österreichischen Asylwesen; detaillierte Übersicht über aktuelle Zahlen, Entwicklungen und Aktionen) ● Dein Asylverfahren in Österreich. Online unter: http://deinasylverfahren.at/ [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Asyl in Österreich; auf dieser Website wird v. a. minderjährigen Flüchtlingen Schritt für Schritt erklärt, wie ihr Asylverfahren in Österreich abläuft, welche Stationen man dabei durchläuft usw.; informativ und interessant in Bezug auf die Frage: Womit wird jemand (in dem Fall: jemand, der noch nicht volljährig ist) konfrontiert, wenn er/sie nach Österreich kommt?) ● Flüchtlingsinitiativen Steiermark. Online unter: http://www.asyl-stmk.at/ [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Asyl in Österreich; die Website gibt Auskunft über Institutionen, die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Österreich unterstützen) ● „Integration im Wasserglas. Welche Werte bringt die Republik Österreich Flüchtlingen bei, und wie?“ Falter 11/16. Online unter: https://www.falter.at/archiv/FALTER_2016031693630EB77A/integration-im-wasserglas [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Asyl in Österreich; seit März 2016 bieten der Integrationsfonds und das AMS sogenannte „Wertekurse“ für anerkannte Flüchtlinge an; interessant in Bezug auf die Frage: Womit wird jemand konfrontiert, wenn er/sie nach Österreich kommt? Wie präsentiert sich Österreich da?) ● Österreich. Informationen / Rechte / Pflichten / Werte. Online unter: http://www.refugee-guide.at/start.html [Stand 18.10.2016] ( zum Thema: Asyl in Österreich; Informationen für Flüchtlinge, die in Österreich um Asyl ansuchen möchten; informativ und interessant in Bezug auf die Frage: Womit wird jemand konfrontiert, wenn er/sie nach Österreich kommt? Wie präsentiert sich Österreich da?) Theaterpädagogische Fachliteratur zum Thema Plath, Maike: Biografisches Theater in der Schule. Mit Jugendlichen inszenieren: Darstellendes Spiel in der Sekundarstufe. Weinheim und Basel: Beltz Verlag 2009.

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IN EIGENER SACHE Falls Sie sich über diese Begleitmaterialien hinaus mit „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ beschäftigen möchten, bieten wir Ihnen und Ihren SchülerInnen verschiedene theaterpädagogische Formate an, mithilfe derer eine intensive Vor- und Nachbereitung des Vorstellungsbesuchs ermöglicht werden kann: • WORKSHOPS AN SCHULEN Vor- und nachbereitende Workshops in Schulen in- und außerhalb von Graz. Dauer: 2 Schulstunden; Termine nach Vereinbarung. • NACHBESPRECHUNGEN & PUBLIKUMSGESPRÄCHE mit Informationen zu Inhalt, Hintergründen, Inszenierung und unseren SchauspielerInnen bzw. dem Team können direkt nach der Vorstellung im Next Liberty gebucht werden. Dauer: ½ h, Termine nach Vereinbarung Für Rückfragen, Workshopanfragen und weitere Informationen zum Stück „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ und zu unseren theaterpädagogischen Angeboten stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung: Pia Weisi, Bakk. phil. und Mag.a Katharina Jetschgo Theaterpädagoginnen BuT® Next Liberty Jugendtheater GmbH Kaiser-Josef-Platz 10, A - 8010 Graz Tel: +43 316 8008 1129 Mail: [email protected] / [email protected] www.nextliberty.com Mag.a Michaela Czernovsky Leitung Schulprojekte und -kontakte Theater am Ortweinplatz Ortweinplatz 1 | A - 8010 Graz Tel: +43(0)316 | 846094-21 Fax: +43(0)316 | 846094-15 Mail: [email protected] www.tao-graz.at

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IMPRESSUM Medieninhaber & Herausgeber: Next Liberty Jugendtheater GmbH Kaiser-Josef-Platz 10 8010 Graz Geschäftsführender Intendant: Michael Schilhan TaO! – Theater am Ortweinplatz Ortweinplatz 1 8010 Graz Künstlerische Leitung: Manfred Weissensteiner Geschäftsführung: Anna-Katerina Frizberg Redaktion: Mag. Katharina Jetschgo, Theaterpädagogin BuT® Mag. Michaela Czernovsky Mag. Dagmar Stehring Pia Weisi, Bakk. phil., Theaterpädagogin BuT® Titelfoto: Clemens Nestroy Fotos: Lupi Spuma Satz- und Druckfehler vorbehalten! Stand: Oktober 2016 Die Vervielfältigung, Bearbeitung und Verbreitung der vorliegenden Materialien außerhalb des Unterrichts oder des privaten Gebrauchs bedarf der schriftlichen Einwilligung der Erstellerinnen.