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STANDORT HÖXTER FACHGEBIET ABFALLWIRTSCHAFT UND DEPONIETECHNIK Materialspezifische Anforderungen an die Abfallanalytik gemäß Abfallablagerungs- und Deponieverordnung Hans-Günter Ramke, Höxter Beitrag zur Fachtagung Fachgespräch Feststoffuntersuchung 2004 Neue Entwicklungen in der Abfall- und Altlastenuntersuchung Fachtagung in der Bildungsstätte Essen des BEW Bildungszentrum für Entsorgungs- und Wasserwirtschaft GmbH Essen, 29./30. März 2004 Konzeption und Tagungsleitung Dr. A. Barrenstein, Landesumweltamt NRW Anschrift des Verfassers Professor Dr.-Ing. Hans-Günter Ramke Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Standort Höxter An der Wilhelmshöhe 44, 37671 Höxter Tel. 05271/687-130, E-Mail [email protected]

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STANDORT HÖXTER FACHGEBIET ABFALLWIRTSCHAFT UND DEPONIETECHNIK

Materialspezifische Anforderungen an die Abfallanalytik gemäß Abfallablagerungs- und Deponieverordnung

Hans-Günter Ramke, Höxter

Beitrag zur Fachtagung

Fachgespräch Feststoffuntersuchung 2004

Neue Entwicklungen in der Abfall- und Altlastenuntersuchung

Fachtagung in der Bildungsstätte Essen des BEW Bildungszentrum für Entsorgungs- und Wasserwirtschaft GmbH

Essen, 29./30. März 2004

Konzeption und Tagungsleitung Dr. A. Barrenstein, Landesumweltamt NRW

Anschrift des Verfassers

Professor Dr.-Ing. Hans-Günter Ramke Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Standort Höxter

An der Wilhelmshöhe 44, 37671 Höxter Tel. 05271/687-130, E-Mail [email protected]

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Diese Veröffentlichung kann wie folgt zitiert werden: RAMKE, H.-G., 2004: Materialspezifische Anforderungen an die Abfallanalytik gemäß Abfallablagerungs- und Deponieverordnung in: Fachgespräch Feststoffuntersuchung 2004 – Neue Entwicklungen in der Abfall- und Altlastenuntersuchung BEW-MUNLV-Seminar, BEW Bildungsstätte Essen, Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW

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Materialspezifische Abfallanalytik 1

Materialspezifische Anforderungen an die Abfallanalytik gemäß Abfallablagerungs- und Deponieverordnung

Hans-Günter Ramke

1 Einführung Mit dem Inkrafttreten der „Verordnung über Deponien und Langzeitlager“ (DEPONIEVERORDNUNG, DepV) am 01. August 2002 liegt gemeinsam mit der am 01.03.2001 wirksam gewordenen „Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen“ (ABFALLABLAGERUNGSVERORDNUNG, AbfAblV) ein alle Deponieklassen umfassendes Instrumentarium zur Regelung der Anforderungen an die Deponien und an die abzulagernden Abfälle vor. Die Verordnungen definieren die spezifischen Zuordnungskriterien für oberirdische Deponien der Deponieklassen 0, I, II und III und Untertagedeponien der Klasse IV. Außerdem werden die Anforderungen an mechanisch-biologisch vorbehandelte Abfälle festgelegt. In Sonderfällen läßt die DEPONIEVERORDNUNG eine Überschreitung einzelner Zuordnungswerte zu, wenn nachgewiesen wird, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht gefährdet wird. Insbesondere wird bei einem Überschreiten der Zuordnungs-werte für den organischen Anteil des Trockenrückstandes (Glühverlust bzw. organischer Kohlenstoffgehalt) gefordert, daß nachgewiesen wird, daß diese Überschreitung der Zuordnungswerte nicht auf biologisch abbaubares Material zurückzuführen ist. Für diesen Nachweis wird explizit und implizit auf die Methoden zur Untersuchung der biologischen Stabilität mechanisch-biologisch vorbehandelter Abfälle verwiesen. Erfahrungen mit der richtlinienkonformen Probennahme, Probenaufbereitung und Analytik mechanisch-biologisch vorbehandelter Abfälle und bei der Bewertung der Analysenergebnisse wurden von RAMKE, 2002 detailliert dargestellt. Das Ziel dieses Beitrages besteht darin, orientierend aufzuzeigen, wie die Methoden zum Nachweis der biologischen Stabilität bei anderen Abfallproben angewendet werden können. Die Untersuchungen wurden an Abfällen durchgeführt, die vom Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt wurden. Neben Sanden, Schlacken und Baustoffen wurde Kunststoffgranulat und Material einer Shredderleichtfraktion analysiert. Der Beitrag beginnt mit einer Zusammenstellung der relevanten rechtlichen Vorgaben und erläutert nach einer kurzen Beschreibung der untersuchten Materialien und der Probenaufbereitung die Analyse der Feststoffgehalte, bevor für ausgewählte Materialien die Erfahrungen beim Nachweis der biologischen Stabilität beschrieben werden.

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2 Vorgaben der Abfallablagerungs- und Deponieverordnung 2.1 Anforderungen an die Ablagerung von Abfällen

Mit dem Inkrafttreten von Abfallablagerungs- und der DEPONIEVERORDNUNG gelten die folgenden generellen Anforderungen an die Ablagerung von Abfällen, wenn die vorgesehenen Deponien oder Deponieabschnitte die jeweiligen Anforderungen an Standorteignung, Barrieren, technische Ausstattung und Betrieb erfüllen:

- Abfälle dürfen nur auf Deponien oder Deponieabschnitten abgelagert werden, wenn sie die jeweiligen Zuordnungskriterien einhalten

- eine Vermischung der Abfälle zur Erreichung der Zuordnungskriterien ist

nicht zulässig Die Zuordnungskriterien sind an folgenden Stellen definiert:

- für Siedlungsabfälle: AbfAblV - Anhang 1 für die Deponieklassen I, II - für mechanisch-biologisch vorbehandelte Abfälle: AbfAblV - Anhang 2 - für Inert- + Massenabfälle: DepV - Anhang 3 für die Deponieklassen 0 - III - für besonders überwachungsbedürftige Abfälle: DepV - Anhang 3 für DK III

Auf Siedlungsabfalldeponien können ferner folgende Abfälle abgelagert werden:

AbfAblV § 2: Begriffsbestimmungen ... 2. Abfälle, die wie Siedlungsabfälle entsorgt werden können: Abfälle, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung gemeinsam mit Siedlungsabfällen oder wie diese entsorgt werden können, insbesondere Klärschlämme aus Abwasserbehandlungsanlagen, zur Behandlung von kommunalem Abwasser oder Abwässern mit ähnlich geringer Schadstoffbelastung, Fäkalien, Fäkalschlamm, Rückstände aus Abwasseranlagen, Wasserreinigungsschlämme, Bauabfälle und produktionsspezifische Abfälle. ...

Die in den Verordnungen spezifizierten Untersuchungsmethoden für die Zuordnungskriterien der hier im Folgenden untersuchten Parameter sind in der Tabelle 1 zusammengestellt, die jeweiligen Zuordnungswerte in der Tabelle 2. Mit den „MBA-spezifischen“ Zuordnungskriterien des Anhangs 2 der AbfAblV soll der Nachweis der biologischen Stabilität der mechanisch-biologisch vorbehandelten Abfälle erbracht werden. Ferner wurden für MBV-Abfälle Zuordnungskriterien für den oberen Heizwert und den TOC definiert, um die Abtrennung heizwertreicher Abfall-bestandteile zur „Erreichung günstiger Ablagerungseigenschaften (Verdichtung, Setzung, Wasserundurchlässigkeit)“ sicherzustellen.

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Materialspezifische Abfallanalytik 3

Tabelle 1: Untersuchungsmethoden für Zuordnungsparameter für Deponien

Nr. Parameter Methode

2 Organischer Anteil des Trockenrückstandes (oTS)

2.01 bestimmt als Glühverlust (GV) DIN 38414 – S3

2.02 bestimmt als TOC DIN EN 13137

5 Biologische Abbaubarkeit des TR der OS

bestimmt als Atmungsaktivität (AT4) AbfAblV Anhang 4, Nr. 2.5

oder bestimmt als Gasbildungsrate im Gärtest (GB21) AbfAblV Anhang 4, Nr. 2.6

6 Oberer Heizwert (Ho) DIN 51900

Tabelle 2: Zuordnungswerte für Deponien

Nr. 1) Parameter Dimension DK 0 DK I DK II DK II2) DK III

MBV

2 org. Anteil

2.01 GV % TS ≤ 3 ≤ 3 ≤ 5 ≤ 10

2.02 TOC % TS ≤ 1 ≤ 1 ≤ 3 ≤ 18 ≤ 5

5 Abbaubarkeit

AT4 mg O2/g TS ≤ 5

GB21 NL/kg TS ≤ 20

6 Ho kJ/kg ≤ 6.000 1) nach Anhang 1 der AbfAblV 2) Regelungen für mechanisch-biologisch vorbehandelte Abfälle

Eine Überschreitung der Zuordnungskriterien ist allerdings für bestimmte Abfälle unter definierten Umständen möglich. Im Anhang 3 der DEPONIEVERORDNUNG heißt es z.B. mit bezug auf die DK III:

DepV Anhang 3: Fußnote Nr. 5 (bezogen auf GV und TOC für DK III) Überschreitungen des Glühverlustes und des Feststoff-TOC sind unter der Voraussetzung zulässig, dass die Überschreitung nicht auf Abfallbestandteile zurückzuführen ist, die zu erheblicher Deponiegasbildung, Abbauvorgängen und damit verbundenen Setzungen führen.

Nähere Ausführungen werden im § 6 der DEPONIEVERORDNUNG gemacht:

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4 H.-G. Ramke

DepV § 6: Voraussetzungen für die Ablagerung (2) Besonders überwachungsbedürftige Abfälle dürfen nur abgelagert werden, wenn

- die Deponie oder der Deponieabschnitt alle Anforderungen für die Deponieklasse III erfüllt und die Zuordnungskriterien des Anhanges 3 für die Deponieklasse III eingehalten werden oder ...

(3) Abweichend von Absatz 2 können stabile, nicht reaktive besonders überwachungs-bedürftige Abfälle, deren Auslaugverhalten dem von Abfällen entspricht, die die jeweiligen Zuordnungskriterien nach Anhang 1 der Abfallablagerungsverordnung einhalten, auf einer Deponie oder einem Deponieabschnitt der Klasse I oder II abgelagert werden, ... Diese Abfälle dürfen nicht gemeinsam mit biologisch abbaubaren Abfällen abgelagert werden. ... Die Sätze 1 und 3 gelten nicht für verfestigte Abfälle ... (4) Spezifische Massenabfälle dürfen auf Monodeponien nur abgelagert werden, wenn

1. die Anforderungen nach § 3 Abs. 4 erfüllt und 2. die entsprechenden Zuordnungskriterien des Anhanges 3 für die Deponieklasse 0

oder III oder die entsprechenden Zuordnungskriterien des Anhanges 1 der Abfallablagerungsverordnung für die Deponieklasse I oder II eingehalten werden.

Abweichend von Absatz 2 und Satz 1 Nr. 2 dürfen spezifische Massenabfälle auch bei Überschreitung einzelner Zuordnungskriterien abgelagert werden, wenn der Deponiebetreiber gegenüber der zuständigen Behörde nachweist, dass das Wohl der Allgemeinheit - gemessen an den Anforderungen dieser Verordnung und denen der Abfallablagerungsverordnung - nicht beeinträchtigt wird. Wird im Fall von Satz 2 der organische Anteil des Trockenrückstandes der Originalsubstanz (Parameter Nr. 2 nach Anhang 3 oder Parameter Nr. 2 nach Anhang 1 der Abfallablagerungsverordnung) überschritten, ist eine Ablagerung des Abfalls nur dann zulässig, wenn die biologische Abbaubarkeit des Trockenrückstandes der Originalsubstanz (Parameter Nr. 5 nach Anhang 2 der Abfallablagerungsverordnung) unterschritten oder der gemessene organische Anteil des Trockenrückstandes der Originalsubstanz bestimmt als TOC durch elementaren Kohlenstoff verursacht wird.

Mit diesen Vorgaben der ABFALLABLAGERUNGSVERORDNUNG und der DEPONIE-VERORDNUNG stellt sich in Hinblick auf die Abfallanalytik insbesondere die Frage, wie die erforderlichen Untersuchungen bei einem Überschreiten der Zuordnungskriterien durchgeführt werden sollen.

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2.2 Konsequenzen für die Untersuchung von Abfällen

Eine Auswertung der obigen Festlegungen der ABFALLABLAGERUNGS- und der DEPONIEVERORDNUNG ergibt folgendes Bild hinsichtlich der in Sonderfällen notwendigen Untersuchungen:

- besonders überwachungsbedüftige Abfälle, nicht reaktiv, Ablagerung auf DK I oder II: Auslaugverhalten - besonders überwachungsbedüftige Abfälle, Überschreitung GV oder TOC, Ablagerung auf DK III: Untersuchung der biologischen Abbaubarkeit - spezifische Massenabfälle, Überschreitung einzelner Zuordnungskriterien, Ablagerung auf DK 0 – III: Untersuchung nach Anhang 1 oder 2 AbfAblV - spezifische Massenabfälle, Überschreitung GV oder TOC, Ablagerung auf DK 0 – III: Untersuchung der biologischen Abbaubarkeit

Der generelle Nachweis, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 6 Abs. 4 Satz 2 DepV), soll hier – ebenso wie die Untersuchung des Auslaug-verhaltens - nicht weiter verfolgt werden. Im Folgenden werden für ausgewählte Abfälle die folgenden Untersuchungen in Hinblick auf deren Deponierfähigkeit erläutert:

- Untersuchung der Feststoffgehalte (GV, TOC) - Untersuchung des oberen Heizwertes (Ho) - Untersuchung der biologischen Abbaubarkeit (AT4, GB21)

Im Vordergrund der Betrachtungen steht die Untersuchung der biologischen Abbaubarkeit von Abfällen, die die Zuordnungswerte für den GV und den TOC überschreiten. Die Untersuchung des oberen Heizwertes wird in Hinblick auf die Vorgaben zur Beurteilung der Ablagerungsfähigkeit mechanisch-biologisch vorbehandelter Abfälle einbezogen.

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3 Untersuchte Materialien Die hier vorgestellten Untersuchungen wurden an Abfallproben durchgeführt, die freundlicherweise vom Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt wurden. In Ergänzung hierzu wurden - in Hinblick auf die biologischen Testverfahren - Proben von Bioabfallkompost unterschiedlicher Reifegrade aus einem Kompostwerk in Ostwestfalen untersucht. Die Tabelle 3 gibt eine Übersicht.

Tabelle 3: Übersicht über die untersuchten Abfall- und Kompostproben

Kurzbezeichnung Beschreibung B 1 Filtersand B 2 Gießereialtsand, tongebunden B 3 Recyclingbaustoff B 4 Hausmüllverbrennungsasche B 5 Gießereialtsand, harzgebunden B 6 Recyclingmaterial, 0 – 10 mm B 7 Recyclingmaterial, Boden

B 10 Kunststoffgranulatgemisch B 12 Shredderleichtfraktion

K 1 Frischkompost K 2 Reifekompost (Werksbezeichnung) K 3 Fertigkompost

Die untersuchten Proben können damit näherungsweise in drei Gruppen eingeteilt werden, da die Ablagerungs- und Behandlungseigenschaften vermutlich ähnlich sein werden:

- Gruppe 1: Sande, Schlacken, Baustoffe - Gruppe 2: Kunststoffe und Shredderleichtfraktion - Gruppe 3: Bioabfallkompost

Die Probenmaterialien B 1 bis B 12 wurden dem Labor des Fachgebietes Abfall-wirtschaft und Deponietechnik partiell aufbereitet angeliefert. Die Abfälle waren vor-getrocknet und überwiegend bis auf eine Korngröße < 1 - 5 mm gemahlen worden. Die Proben aus der Kompostierungsanlage wurden durch einen Mitarbeiter des Fachgebietes entnommen und aufbereitet. Bei der Probe K 2 handelt es sich um Kompost von einer offenen Miete zur Nachrotte, der im Kompostwerk als „Reife-kompost“ bezeichnet wird. Diese Werksbezeichnung wird im Folgenden beibehalten, es handelt es sich dabei aber nicht um einen völlig stabilisierten Kompost. Der Rottegrad des Fertigkompostes ist höher.

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4 Probenaufbereitung Die Probenaufbereitung richtet sich nach den Anforderungen der nachfolgenden Analytik und erfolgt durch Probenteilung (bis zu einer Korngröße von 10 mm durch Kegeln und Vierteln) und Zerkleinerung bis auf die für die jeweilige Analyse erforderliche Korngröße. In der Tabelle 4 wird ein Überblick über die parameterspezifische Probenauf-bereitung im Labor für Abfallwirtschaft der Fachhochschulabteilung Höxter gegeben, die den Forderungen der jeweiligen zugrunde gelegten Untersuchungsrichtlinien entspricht. Die einzelnen Aufbereitungsschritte und die jeweils verwendeten Geräte sind in Tabelle 5 zusammengestellt. Tabelle 4: Parameterspezifische Probenaufbereitung im Labor für Abfallwirtschaft, Fachhochschulabteilung Höxter, FH Lippe und Höxter

Analysekontext Parameter/Methode Original-probe

Trock-nung

Korn-größe

Abfallzusammensetzung Siebanalyse x Original

Sortieranalyse x Original

Standarduntersuchungen Wassergehalt x Original

Glühverlust/Glührückstand x < 0,2

Feststoffanalysen organischer Kohlenstoff x < 0,1

Elementaranalyse (CHN) x < 0,1

Schwermetalle x < 0,1

organische Schadstoffe material- und methodenabhängig

Eluatanalysen Standardelution x < 40

Trogversuch x < 40

Elution bei pH-stat x < 40

Perkolation x < 40

Kompostierbarkeit Selbsterhitzung x < 10

C/N-Verhältnis x < 0,1

Nährstoffgehalte x < 0,1

Biologische Stabilität modifizierter Glühverlust x < 40

Atmungsaktivität x < 10

Gasbildung/Gärtest x < 10

Thermische Abfallbehandl. oberer Heizwert x < 0,1

Flüchtige Bestandteile material- und methodenabhängig Die Abbildung 1 gibt den Standardablauf der Probenaufbereitung wieder, bei jedem Teilschritt werden Rückstellproben entnommen.

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Tabelle 5: Aufbereitungsschritte für Laborproben von Abfällen im Labor für Abfallwirtschaft, Fachhochschulabteilung Höxter, FH Lippe und Höxter

Zerkleinerungsstufe grob mittel fein Partikelgröße (Endgröße) < 10 mm < 1 mm < 0,1 mm

Zerkleinerungsgerät FRITSCH Labor-Granulator RETSCH SM 2000 FRITSCH

Rotor-SchnellmühleMühlenart (Firmenspezifikation) Reiß- u. Brechmühle Schneidmühle Rotor-Schnellmühle

Arbeitsprinzip Hammermühle Schneidmühle -

Zerkleinerungsschritte1) 20 / 10 / 5 mm 2,0 / 1,0 / 0,25 mm 0,2 / 0,12 / 0,08 mm

Probenteilung Riffelteiler Drehprobenteiler Drehprobenteiler

Mindestmenge2) 5 kg 500 g 50 g 1) Arbeitsbereiche, abhängig von der Probenzusammensetzung 2) Eingangsmenge, abhängig von den geplanten Analysen

Abbildung 1: Ablaufschema der Probenaufbereitung für die Abfalluntersuchung Die Proben B 1 – B 12 (vorgemahlen < 1 – 5 mm) wurden getrocknet und dann (für die Bestimmung Feststoffgehalte) mit der Schneidmühle bzw. einer Kugelmühle (Probe B 3) vorzerkleinert und mit der Schnellmühle auf eine Korngröße < 0,1 mm eingestellt. Die Bioabfallkompostproben (< 10 mm) wurden feucht und trocken aufbereitet.

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5 Untersuchung der Feststoffgehalte und der oberen Heizwerte 5.1 Glühverlust und organischer Kohlenstoff

Der Glühverlust wird durch Glühen bis zur Gewichtskonstanz bei 550°C ermittelt. Der Gesamtkohlenstoffgehalt (TC) wird im Labor für Abfallwirtschaft mit einem Gerät von STRÖHLEIN durch Verbrennung der Probe im Sauerstoffstrom bei 1200 °C und anschießende volumetrische Bestimmung des freigesetzten CO2 (Absorption in Lauge) analysiert. Der anorganische Kohlenstoffgehalt (TIC) wird durch volume-trische CO2-Bestimmung nach Austreiben der Carbonate mit Säure bestimmt. Der organische Kohlenstoffgehalt (TOC) ergibt sich durch Differenzbildung von Gesamtkohlenstoffgehalt und anorganischem Kohlenstoff. Die Methode von STRÖHLEIN erlaubt den Einsatz von relativ großen Probemengen. Bei einem Kohlenstoffgehalt von 20 % können ca. 0,2 g Probe eingewogen werden. Dies stellt im Vergleich zu einer Elementaranalyse mit einem üblichen Gerät einen etwa 20-fach höheren Wert dar, wodurch die Repräsentativität einer Analyse wesentlich ansteigt. Die eingehenden Auswertungen von zahlreichen wiederholten Mehrfach-bestimmungen des Glühverlustes und des Kohlenstoffgehaltes mechanisch-biologisch vorbehandelter Abfälle (RAMKE, 2002) ergab das folgende Procedere für die Anzahl der Mehrfachbestimmungen und zum Umgang mit Differenzen zwischen den Mehrfachbestimmungen einer Probe:

- Bestimmung des Glühverlustes:

- Doppelbestimmung, Einwaage ca. 5 g - Variationskoeffizient ≤ 10 %, ansonsten Wiederholung einer Messung - Elimination des Meßwertes mit der größten Abweichung vom gemeinsamen Mittelwert aller drei Meßwerte - Berechnung des neuen Wertes aus den zwei verbleibenden Werten

- Bestimmung des TOC:

- Dreifachbestimmung (TC und TIC), Einwaage ca. 0,2 g (bei TC = 20 %) - bei Abweichung eines einzelnen Wertes der Dreifachbestimmung um mehr als 10 % vom Mittelwert Wiederholung einer Messung - bei einem Variationskoeffizienten von über 10 % ebenfalls Wiederholung einer Messung - Elimination des Meßwertes mit der größten Abweichung vom gemeinsamen Mittelwert aller Meßwerte - Berechnung des neuen Wertes aus den drei verbleibenden Werten

In Tabelle 6 sind die Ergebnisse der Glühverlustbestimmungen zusammengestellt, in Tabelle 7 die Ergebnisse der Kohlenstoffbestimmungen.

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10 H.-G. Ramke

Tabelle 6: Glühverluste der Materialien B 1 – B 12 und K 1 – K 3

Kurz-bezeichnung Beschreibung Mittelwert Variations-

koeffizient % TS % xquer

B 1 Filtersand 0,39 2,4

B 2 Gießereialtsand, tongebunden 1,25 3,3

B 3 Recyclingbaustoff 0,23 2,3

B 4 Hausmüllverbrennungsasche 2,86 7,3

B 5 Gießereialtsand, harzgebunden 1,30 1,0

B 6 Recyclingmaterial, 0 – 10 mm 2,65 0,9

B 7 Recyclingmaterial, Boden 1,13 3,1

B 10 Kunststoffgranulatgemisch 60,9 2,7

B 12 Shredderleichtfraktion 15,4 1,1

K 1 Frischkompost 49,3 0,4

K 2 Reifekompost 28,4 0,8

K 3 Fertigkompost 27,4 0,6 Tabelle 7: Organische Kohlenstoffgehalte der Proben B1 – B12 und K1 – K3

Kurz-bezeichnung Beschreibung Mittelwert Variations-

koeffizient g/kg TS % xquer

B 1 Filtersand 2,32 5,5

B 2 Gießereialtsand, tongebunden 8,46 1,4

B 3 Recyclingbaustoff 1,52 1,0

B 4 Hausmüllverbrennungsasche 21,4 0,9

B 5 Gießereialtsand, harzgebunden 11,3 0,1

B 6 Recyclingmaterial, 0 – 10 mm 23,7 1,0

B 7 Recyclingmaterial, Boden 7,28 1,0

B 10 Kunststoffgranulatgemisch 223 1,0/2,6

B 12 Shredderleichtfraktion 66,0 0,8/2,2

K 1 Frischkompost 200 1,0/1,1

K 2 Reifekompost 124 0,6/1,4

K 3 Fertigkompost 102 0,7/0,7

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Die Glühverlustbestimmungen weisen nur relativ geringe Variationskoeffizienten auf. In der Regel liegen diese deutlich unter 5 %, meist um 1 – 2 % des Mittelwertes. Die absolute Höhe der Glühverluste korrespondiert klar mit der Einteilung der Proben in drei Probengruppen, die den vermuteten Gehalt an organischer Substanz in den Proben reflektiert:

- Gruppe 1: Sande, Schlacken, Baustoffe GV = 0, 2 – 3,0 % - Gruppe 2: Kunststoffe und Shredderleichtfraktion GV = 15 bzw. 60 % - Gruppe 3: Bioabfallkompost GV = 27 – 50 %

Der Spanne der Glühverluste in den Probengruppen entsprechen die Gehalte an organischem Kohlenstoff (Tabelle 7). Die in der Tabelle 7 aufgeführten Variations-koeffizienten für den Gesamtkohlenstoff (eine Angabe) bzw. Gesamtkohlenstoff und anorganischen Kohlenstoff (zwei Angaben) sind sehr gering und liegen meistens nicht höher als 1 % (TC) bzw. 2 % (TIC). Dies bestätigt die gute Eignung der STRÖHLEIN-Apparatur mit ihrer vergleichsweise hohen Probeneinwaage für die Zwecke der TC-Abfallanalytik. Eine Bestimmung des anorganischen Kohlenstoffgehaltes war nur für die Proben B 10, B 12 und K 1 – K 3 möglich. Die Proben B 1 – B 7 zeigten keinerlei Reaktion auf die Zugabe von Salzsäure. Die organischen Kohlenstoffgehalte korrespondieren gut mit den Glühverlusten der untersuchten Proben. Von EHRIG, 1998 stammt die in Gleichung (1) formulierte Beziehung zwischen Glühverlust und dem TOC von Abfallproben, die gleichzeitig eine Kontrolle der Meßergebnisse im Rahmen der Qualitätssicherung erlaubt: GV7,4TOC ⋅= (1)

mit

TOC = organischer Kohlenstoffgehalt [g/kg TS]

GV = Glühverlust [ % TS]

In der Abbildung 2 sind die TOC-Gehalte der untersuchten Proben in Abhängigkeit vom Glühverlust aufgetragen. Außerdem enthält die Abbildung die Gerade, die aus der Beziehung nach Gleichung (1) resultiert. Man erkennt, daß die meisten Proben in der TOC/GV-Relation um die Gerade streuen. Lediglich die Probe B 10 (Kunststoffgranulat) weicht deutlich hiervon ab. Die Ursache ist mit Sicherheit in der spezifischen Zusammensetzung der Probe B 10 im Unterschied zu anderen Abfallproben, die häufig aus heterogenen Stoffgemischen bestehen, zu suchen.

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Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Glühverlust und organischem Kohlenstoffgehalt Zur Beurteilung der Ablagerungsfähigkeit der untersuchten Proben kann die Tabelle 2 herangezogen werden, in der die Zuordnungswerte der hier betrachteten Parame-ter aufgeführt sind. In der Probengruppe 1 überschreitet keine Probe einen Glühver-lust von 3 %, und auch die Gehalte des TOC liegen bei den meisten Proben unter-halb von 10 g/kg TS. Damit könnten diese Materialien – sofern nur diese Parameter ausschlaggebend wären – auf Deponien der Klasse 0 bzw. I abgelagert werden. Die Proben B 4 und B 6 wären unter Berücksichtigung des GV ablagerungsfähig auf Deponien der DK 0 bzw. DK 1, bei Anwendung des TOC auf Deponien der DK II. Anders stellt sich die Situation für die Proben der Gruppe 2 dar. Glühverluste von 15 bzw. 60 % und Kohlenstoffgehalte von 6,6 bzw. 22 % lassen weder eine Ablagerung auf Deponien der Klasse II noch der Klasse III zu. Zur Beurteilung der Deponierfähigkeit dieser Materialien soll deshalb entsprechend den Vorgaben der ABFALLABLAGERUNGS- und der DEPONIEVERORDNUNG im Folgenden deren biologische Abbaubarkeit untersucht werden. Die Kompostmaterialien K 2 bis K 3 wären – unter der Prämisse, daß die Kompostierung als mechanisch-biologische Vorbehandlung von Restabfällen durchgeführt worden wäre – als MBV-Abfälle auf einer Deponie der Klasse II ablagerungsfähig. Der entscheidende Parameter TOC liegt bei beiden Proben mit 100 bzw. 120 g/kg TS unterhalb des Zuordnungswertes von 18 % TS oder 180 g TOC/kg TS. Der Abbau organischen Materials infolge der Kompostierung ist im Vergleich mit der Probe K 1 (Frischkompost) sowohl anhand des Parameters GV als auch des TOC deutlich erkennbar.

0

50

100

150

200

250

300

350

0 10 20 30 40 50 60 70

Glühverlust [% TS]

Org

anis

cher

Koh

lens

toff

[g/k

g TS

]

Probengruppe 1Probengruppe 2Probengruppe 3Theoretische Beziehung

TOC = 4,7 * GV

Meßwerte

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Materialspezifische Abfallanalytik 13

5.2 Oberer Heizwert

Die Bestimmung des oberen Heizwertes (Brennwert) der getrockneten Proben erfolgt im Labor für Abfallwirtschaft mit einem Kalorimeter mit adiabatischem Mantel (nach DIN 51900). Die Ergebnisse der Bestimmungen der oberen Heizwerte sind in Tabelle 8 zusammengestellt.

Tabelle 8: Oberer Heizwert der Proben B1 – B12 und K1 – K3

Kurz-bezeichnung Beschreibung Mittelwert

KJ/kg TS

B 1 Filtersand n.n.

B 2 Gießereialtsand, tongebunden n.n.

B 3 Recyclingbaustoff n.n.

B 4 Hausmüllverbrennungsasche n.n.

B 5 Gießereialtsand, harzgebunden n.n.

B 6 Recyclingmaterial, 0 – 10 mm n.n.

B 7 Recyclingmaterial, Boden n.n.

B 10 Kunststoffgranulatgemisch 16.880

B 12 Shredderleichtfraktion 4.830

K 1 Frischkompost 10.060

K 2 Reifekompost 6.460

K 3 Fertigkompost 5.425 Eine Bestimmung des oberen Heizwertes der Proben B 1 bis B 7 war mit dem verwendeten Kalorimeter nicht möglich. Alle Proben verbrannten zwar vollständig, es kam jedoch zu keiner nennenswerten bzw. meßbaren Wärmeabgabe. Die oberen Heizwerte sind deshalb – analog den geringen Glühverlusten – als sehr gering einzuschätzen. Anders sieht es dagegen mit den Proben B 10 und B 12 sowie den Bioabfallkompostmaterialien aus. Der obere Heizwert des Kunststoff-granulatgemisches liegt bei knapp 17.000 kJ/kg, der der Shredderleichtfraktion bei knapp 5.000 kJ/kg. Eine genauere Einordnung dieser Größen würde eine bessere Kenntnis der stofflichen Zusammensetzung beider Abfallproben erfordern, die relativ geringen oberen Heizwerte erscheinen aber unter Berücksichtigung der Glühverluste und Kohlenstoffgehalte plausibel. Die oberen Heizwerte der Kompostproben liegen zwischen 6.000 kJ/kg (Fertig- bzw. Reifekompost) und 10.000 kJ/kg und damit in üblichen Größenordnungen für Abfallproben, die organisches Material enthalten.

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Auch für die oberen Heizwerte gilt, daß diese gut mit den Glühverlusten der unter-suchten Proben korrespondieren. Mit der Gleichung von SHIN ist eine überschlägige Berechnung der Höhe des oberen Heizwertes aus dem Glühverlust möglich: 77,0

o GV523H ⋅= (2)

mit

Ho = oberer Heizwert [kJ/kg TS]

GV = Glühverlust [ % TS]

Die oberen Heizwerte sind in Abhängigkeit vom Glühverlust in der Abbildung 3 auf-getragen, zusätzlich ist der Funktionsverlauf nach Gleichung (2) eingezeichnet. Auch hier weicht wiederum nur die Probe B 10 signifikant von der Näherungsfunktion ab.

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Glühverlust und oberem Heizwert Unter der Prämisse, daß zur Beurteilung der Ablagerungsfähigkeit der Probengruppen 2 und 3 die Vorgaben der ABFALLABLAGERUNGSVERORDNUNG für MBV-Abfälle herangezogen werden könnten, wären in Hinblick auf den oberen Heizwert die Shredderleichtfraktion und der Fertigkompost (und begrenzt der Reifekompost) auf Deponien der Klasse II ablagerungsfähig. Nicht ablagerungsfähig wären – bei Anlegung dieses Maßstabs – das Kunststoffgra-nulatgemisch und der unbehandelte Frischkompost.

0

2000

4000

6000

8000

10000

12000

14000

16000

18000

0 10 20 30 40 50 60 70

Glühverlust [% TS]

Obe

rer H

eizw

ert [

kJ/k

g TS

]

Probengruppe 2Probengruppe 3Theoretische Beziehung

Ho = 523 * GV0,77

Meßwerte

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Materialspezifische Abfallanalytik 15

6 Untersuchung der biologischen Stabilität 6.1 Selbsterhitzungsversuch

Der Selbsterhitzungsversuch basiert auf der durch die Tätigkeit von Mikroorganismen beim biologischen Abbau organischen Materials verursachten Freisetzung von Wärme. Die Temperaturerhöhung unter standardisierten Bedingungen (im DEWAR-Gefäß) dient als Maß für die Kompostierbarkeit bzw. die biologische Abbaubarkeit. Der Selbsterhitzungstest ist als orientierender Test im Labor anzusehen. Bei der Untersuchung von Komposten liefert die Selbsterhitzungsfähigkeit eine Aussage über den Rottegrad (siehe Tabelle 9), bei der Beurteilung der biologischen Stabilität von Restabfällen liefert der Versuch ohne großen apparativen Aufwand einen ersten Anhaltspunkt für die Einstufung des Materials. Die Bioabfallkompostproben wurden hier bezüglich ihres Selbsterhitzungsverhaltens untersucht, um ihre Eignung für den Einsatz bei der Untersuchung des Abbauverhaltens der Proben B 10 und B 12 besser einzuschätzen. Tabelle 9: Einteilung der Rottegrade entsprechend den Maximaltemperaturen im Selbsterhitzungsversuch (n. BUNDESGÜTEGEMEINSCHAFT KOMPOST, 1998)

Rottegrad Tmax [°C] Produktbezeichnung

I > 60 Kompostrohstoff

II 50, 1 – 60,0 Frischkompost

III 40,1 – 50,0 Frischkompost

IV 30,1 – 40,0 Fertigkompost

V ≤ 30 Fertigkompost

Der Selbsterhitzungsversuch muß bei einem optimalen (und standardisierten) Was-sergehalt der Proben durchgeführt werden. Zu trockenes oder zu feuchtes Proben-material führt zu einer Unterschätzung der Selbsterhitzungsfähigkeit. Mittels der sogenannten Faustprobe kann ein an die Wasserkapazität der jeweiligen Probe angepaßter, optimaler Wassergehalt eingestellt werden. Der Selbsterhitzungsversuch läßt zwar keine absolute Aussage über den Grad der Stabilisierung zu, ist aber zuverlässig, einfach zu handhaben und kostengünstig und könnte deshalb für Entwicklungsländer eine interessante Methode sein. Die Abbildung 4 zeigt die Temperaturverläufe im Selbsterhitzungsversuch von den drei für die Untersuchung der biologischen Stabilität zu Vergleichszwecken herangezogenen Proben von Bioabfallkompost.

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16 H.-G. Ramke

Abbildung 4: Temperaturverläufe im Selbsterhitzungsversuch von Bioabfallkompost Der Temperaturverlauf des Frischkompostes ist typisch für unstabilisierte Abfälle mit einem hohen Gehalt an organischem Material. Die Temperatur steigt innerhalb von zwei Tagen auf das Maximum, das hier bei ca. 65 °C liegt. Das Material kann – entsprechend der Klassifizierung bei der Probenahme – als Kompostrohstoff angesprochen werden und ist dem Rottegrad I zuzuordnen. Die Temperaturverläufe des Reifekompostes und des Fertigkompostes sind relativ ähnlich. Sie liegen beide etwa bei 20 °C und weisen keine signifikanten Verläufe auf. Allerdings liegt die Temperaturkurve des Reifekompostes anfänglich etwa 7 °C oberhalb der Kurve des Fertigkompostes und nähert sich dann auf bis zu 4 °C an. Dies läßt sich – da die Temperaturfühler vorab kalibriert wurden – so deuten, daß im DEWAR-Gefäß mit dem Reifekompost noch geringfügige Umsetzungsprozesse stattgefunden haben, während der Fertigkompost praktisch keine biologische Aktivität mehr zeigte. Unabhängig von diesen Überlegungen sind beide Materialien dem Rottegrad V zuzuordnen (Fertigkompost). Der Selbsterhitzungsversuch zeigte, daß sich für Untersuchungen des Abbau-verhaltens der Abfallproben mit hohen Glühverlusten und Kohlenstoffgehalten (B 10 und B 12) – vorbehaltlich der Messung der Atmungsaktivitäten – der Reifekompost anbietet, da der Frischkompost biologisch zu aktiv ist und eventuelle geringe Umsetzungsprozesse „überlagern“ würde, während der vollständig stabilisierte Fertigkompost möglicherweise eine zu geringe biologische Aktivität besitzt, um weitergehende Umsetzungsprozesse eventuell schwer abbaubarer Materialien initiieren zu können.

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

70,0

0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0

Zeit [d]

Tem

pera

tur [

°C]

Frischkompost

Reifekompost

Fertigkompost

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Materialspezifische Abfallanalytik 17

6.2 Atmungsaktivität

Die Atmungsaktivität ist ein Maß für die biologische Abbaubarkeit oder biologische Stabilität einer Abfallprobe. Die Größe AT4 bezeichnet den spezifischen Sauerstoff-verbrauch einer Probe nach 4 Tagen. Die Bestimmung des AT4 wird – basierend auf den Ergebnissen des BMBF-Verbundvorhabens „Mechanisch-biologische Restabfall-behandlung“ (siehe UMWELTBUNDESAMT, 1999) detailliert im Anhang 4 der ABFALL-ABLAGERUNGSVERORDNUNG geregelt. Die Atmungsaktivität wird im Sapromaten, Respiromaten oder einem gleichwertigen Gerät bei einer Temperatur von 20°C an der feuchten Originalprobe, die auf < 10 mm zerkleinert wurde, gemessen. Vor der Messung ist nach der ABFALLABLAGERUNGS-VERORDNUNG der für die Untersuchung maßgebliche Wassergehalt mittels Filternutsche, Saugflasche und Vakuumpumpe zu bestimmen, wobei im Grundsatz der Wassergehalt bei einem Unterdruck von 100.000 Pa (= 1.000 hPa, pF = 3,0) gemessen wird. Die Proben werden in drei Parallelansätzen untersucht. Im Labor für Abfallwirtschaft der Fachhochschulabteilung Höxter wird das SENSOMAT-SYSTEM der Firma AQUALYTIC verwendet. Das Meßsystem basiert auf der Messung des Unterdrucks, der entsteht, wenn das bei aeroben Umsetzungsprozessen produzierte CO2 in einem geschlossenen Meßgefäß absorbiert wird (z.B. in KOH). Das einfach zu bedienende und relativ kostengünstige Meßsystem besteht aus der Probenflasche (für die Untersuchung von Abfallproben in der Regel mit einem Volumen von 2 L), einem Adapter zur Aufnahme des CO2-Absorbers und dem Meßkopf. Der Meßkopf enthält ein Digitalmanometer sowie einen Meßwert-Speicher und ist über eine Infrarot-Schnittstelle mit einem tragbaren Steuergerät verbunden. Mit dem tragbaren Steuergerät werden die Meßköpfe programmiert und die Daten der Meßstellen abgefragt. Die Ergebnisse einschließlich der Verlaufskurven können auf dem Steuergerät angezeigt, aber auch auf einen PC übertragen werden. Bedingt durch das beschränkte Luftvolumen in der Probenflasche sowie die limitierte Absorptionskapazität ist der Meßbereich bei einer Probenmasse von 40 g auf AT4-Werte von 0 - 30 mg O2/g TS beschränkt. Durch Wiederbelüftung und Austausch des Absorptionsmittels kann der Meßbereich entsprechend erweitert werden. Die Anwendbarkeit des Systems zur Bestimmung der Atmungsaktivität mechanisch-biologisch vorbehandelter Restabfälle wurde in Untersuchungen des ISAH (Universi-tät Hannover) bestätigt (siehe ROBERTZ/VON FELDE, 1999). Einzelheiten der Anwen-dung und insbesondere der Auswertung der Messung werden bei RAMKE, 2002 erläutert. Nachfolgend soll geprüft werden, ob die Bestimmung der Atmungsaktivität auch geeignet ist, die Abbaubarkeit bzw. biologische Stabilität von Abfallproben mit hohen Kohlenstoffgehalten zu untersuchen, wenn diese vermutlich wenig biologisch abbaubares Material enthalten.

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18 H.-G. Ramke

Eine konventionelle Untersuchung der Atmungsaktivität von Kunststoffproben und Proben der Shredderleichtfraktion ist wenig aussagefähig, da sich in diesen Materialien innerhalb der Versuchsdauer von 4 Tagen vermutlich keine Biozönose einstellen wird, die in der Läge wäre, die abbaubaren Bestandteile quantitativ umzusetzen. Es soll deshalb ein anderer Weg beschritten werden. Die zu untersuchenden Proben werden einer Bioabfallkompostmatrix zugesetzt und anschließend wird die „gemeinsame“ Atmungsaktivität des Kompostes und der Proben bestimmt. Der für die Untersuchungen eingesetzte Kompost muß hinreichend biologisch aktiv sein, darf die Abbauprozesse des Probenmaterials aber nicht so stark überlagern, daß die Atmungsaktivität der Proben im „Rauschen“ der Atmungsaktivität des Kompostes verschwindet. Voruntersuchungen ergaben die folgenden Atmungsaktivitäten der untersuchten Kompostproben:

- Frischkompost: 17,6 mg O2/g TS - Reifekompost: 1,8 mg O2/g TS - Fertigkompost: annähernd Null

Für die Untersuchungen wurde deshalb als Bioabfallkompostmatrix – analog den Ergebnissen der Voruntersuchungen mit den Selbsterhitzungsversuchen – der Reifekompost ausgewählt. Die zu untersuchenden Materialien B 10 (Kunststoffgranulat) und B 12 (Shredderleichtfraktion) wurden dem Kompost, dessen Wassergehalt für die Bestimmung der Atmungsaktivität vorher konventionell eingestellt wurde, in Probenmassen von 5, 10 und 20 g zugesetzt. Als Kompostmatrix wurden etwa 40 g Reifekompost mit einem Wassergehalt von ca. 41 % verwendet. Durch die „Aufstockung“ der Matrix kann der Einfluß der Proben rechnerisch eindeutiger erfaßt werden als bei einer bloßen Zudotierung mit der immer gleichen Masse. Neben den beiden Proben B 10 und B 12 wurde die Atmungsaktivität des verwendeten Reifekompostes als „Nullprobe“ bestimmt. Ferner wurde zum Vergleich der Ergebnisse noch eine Probe mit geringen organischen Anteilen (Probe B 3, Recyclingbaustoff) analysiert. Die Versuchsdaten und Ergebnisse der Atmungsaktivitätsmessungen sind in der Tabelle 10 aufgeführt. Die Angaben der Atmungsaktivität AT4-gesamt sind auf die Komposteinwaage bezogen, um den Einfluß der Aufstockungen entsprechend den üblichen Verfahren der Standardaddition auswerten zu können.

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Materialspezifische Abfallanalytik 19

Tabelle 10: Übersicht über die Messung der Atmungsaktivitäten

Kurz-bezeichnung Beschreibung

Feuchtmasse(Kompost/

Probe)

AT4 gesamt (Bezug

Kompost) AT4 Probe

g mg O2/g TS mg O2/g TS

K 2 Reifekompost 40,3 3,1

40,6 2,9

40,2 3,5

3,2

B 3 Recyclingbaustoff 40,3/5,4 3,0 n.n. 41,0/9,8 3,1 n.n. 40,4/20,2 2,9 n.n.

B 10 Kunststoffgranulatgemisch 41,4/5,1 3,5 n.n.

40,8/10,2 3,3 n.n. 40,4/20,4 3,7 n.n.

B 12 Shredderleichtfraktion 41,7/5,1 4,7

41,2/10,3 5,4

41,8/20,2 7,6

5,0

Die Abbildungen 5 und 6 zeigt die Verläufe der Druckdifferenzen in den Proben der Materialien B 3 und B 12 über der Zeitachse, die in Tage eingeteilt wurde (1440 min/d). Die Druckmessungen wurden alle 20 Minuten vorgenommen, die Messungen insgesamt bis zu 6 Tagen durchgeführt. Die Kurvenverläufe der Entwicklung der Unterdrücke im System sind regulär und können gut ausgewertet werden. Die Abbildung 5 ist typisch für die Messung der Atmungsaktivitäten der Serien K 2, B 3 und B 10. Alle Verbrauchskurven verlaufen parallel und liegen eng beieinander. Ein Einfluß der zugesetzten Proben B 3 und B 10 auf die Verläufe des Sauerstoffverbrauchs und auf die absolute Höhe der Atmungsaktivitäten ist nicht feststellbar. Die Unterschiede in den absoluten Höhen innerhalb einer Serie sind zufällige Schwankungen und korrelieren nicht mit der Masse der zugesetzten Proben. Der Unterschied von etwa 0,5 mg O2 /kg TS zwischen der Probe B 10 und den Serien K 2 und B 3 ist vermutlich auf Schwankungen des Kompostwasser-gehaltes zurückzuführen. Die Materialien der Proben B 3 und B 10 können damit als nicht (bzw. unter diesen Bedingungen nicht) abbaubar betrachtet werden.

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20 H.-G. Ramke

Abbildung 5: Verläufe der Druckdifferenzen bei der Bestimmung der Atmungsaktivität des Reifekompostes und der Probe B 3

Abbildung 6: Verläufe der Druckdifferenzen bei der Bestimmung der Atmungsaktivität des Reifekompostes und der Probe B 12

-40,0

-20,0

0,0

20,0

0 1440 2880 4320 5760 7200 8640 Zeit [min]

Dru

ckdi

ffere

nz [h

Pa]

Probe B 3 (5 g)

Probe B 3 (10 g)

Probe B 3 (20 g)

-80,0

-60,0

-40,0

-20,0

0,0

20,0

0 1440 2880 4320 5760 7200 8640 Zeit [min]

Dru

ckdi

ffere

nz [h

Pa]

Probe B 12 (5 g)

Probe B 12 (10 g)

Probe B 12 (20 g)

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Materialspezifische Abfallanalytik 21

Anders verhält es sich dagegen mit der Probe B 12. Die Abbildung 6 verdeutlicht, daß die Entwicklung der Unterdrücke bei allen drei untersuchten Teilproben zwar homogen und ähnlich verläuft, jedoch ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Höhe der Unterdrücke (des Sauerstoffverbrauchs) und der zugesetzten Probenmasse besteht (siehe auch Tabelle 10). Mit zunehmender Probenmasse steigt die Höhe der auf den Kompost bezogenen Atmungsaktivität an. Zur Ermittlung der Atmungsaktivität, die auf den Abbau des Materials der Probe B 12 zurückzuführen ist, wird eine lineare Regressionsrechnung durchgeführt, die in Abbildung 7 dargestellt ist. Die gemessene Atmungsaktivität ist in dieser Abbildung in Abhängigkeit von der zugesetzten Probenmasse aufgetragen. Der Zusammenhang zwischen den Meßwerten ist relativ straff, wie in dem Bestimmtheitsmaß von 0,99 zum Ausdruck kommt. Die Atmungsaktivität für x = 0 (keine zugesetzte Probe) entspricht mit ca. 3,6 mg O2/g TS etwa den bei der Probe B 10 gemessenen Werten und liegt vermutlich wegen schwankender Wassergehalte etwas oberhalb des „Nullwertes“ für den Reifekompost. Die Atmungsaktivität des Probematerials B 12 ergibt sich aus dem Geradenanstieg zu 0,2 mg O2/g TS Kompost/g Probe. Bei einer mittleren Kompostmasse von 41,6 g und einem Wassergehalt von 41,4 % des Kompostes resultiert hieraus eine Atmungsaktivität des Probenmaterials von 4,9 mg O2/g Probe. Unter Berücksichti-gung des Wassergehaltes der Probe B 12 von 1,9 % ergibt sich eine Atmungs-aktivität von AT4 (B 12) = 5,0 mg O2/g TS. Das Material ist somit eindeutig abbaubar und hat eine Atmungsaktivität in Höhe des Zuordnungswertes, der durch die AbfAblV für MBV-Abfälle mit AT4 ≤ 5 mg /g TS definiert wurde.

Abbildung 7: Bestimmung der Atmungsaktivität der Probe B 12 (lineare Regression)

y = 0,199x + 3,5594R2 = 0,9904

0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

7,00

8,00

9,00

10,00

0,00 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 Zugesetzte Probenmasse [g]

Atm

ungs

aktiv

ität [

mg

O 2

/g T

S K

ompo

st]

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22 H.-G. Ramke

6.3 Gärtest

Ebenso wie die Bestimmung der Atmungsaktivität dient die Messung der Gasbil-dungsrate innerhalb von 21 Tagen (GB21) der Bewertung der biologischen Stabilität mechanisch-biologisch vorbehandelter Abfälle. Der sogenannte Gärtest wurde auf der Grundlage des DIN Verfahrens DIN 38414 – Teil 8 (DEV S8) zur Untersuchung von Schlämmen im Rahmen des Verbund-vorhabens zur mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung (UMWELTBUNDESAMT, 1999) weiterentwickelt. Die Bestimmung der Faulgasproduktion eines Schlammes im Labormaßstab gibt Aufschluß über die anaerobe Abbaubarkeit des Schlammes und damit über das Faulverhalten. Bei der Untersuchung von mechanisch-biologisch vorbehandelten Abfällen soll das Gasbildungspotential gemessen werden, um den Erfolg der Vorbehandlungsmaßnahmen anhand des verbliebenen restlichen Gasbildungs-potentials zu beurteilen. Die Versuche werden bei einer Temperatur von 35°C (und Dunkelheit) in einer Standflasche (Volumen 500 - 2000 mL) mit aufgesetztem Eudiometerrohr durch-geführt. Ein Eudiometerrohr ist ein graduierter Zylinder, gefüllt mit Sperrflüssigkeit, die durch das entstehende Gas verdrängt wird. Das Gas wird aus der Standflasche durch ein in der Mitte des Zylinders laufendes Verbindungsrohr eingeleitet. Zum Animpfen wird Faulschlamm einer kommunalen Kläranlage verwendet. Einzelheiten der Versuche werden in der ABFALLABLAGERUNGSVERORDNUNG beschrie-ben. Die folgenden Modifikationen der Versuchsdurchführung des Gärtestes haben sich im Labor für Abfallwirtschaft als sinnvoll herausgestellt (siehe RAMKE, 2002):

- Verwendung größerer Gefäße, um größere Impfschlamm- und Probenmen-gen verwenden zu können (höhere Genauigkeit bei geringer Gasproduktion, bis zu 250 g Feuchtsubstanz (im Regelfall 80 g) bei bis zu 500 mL Impfschlamm, Auffüllung auf 1000 mL mit destilliertem Wasser)

- Verwendung größerer Impfschlammanteile bei der Untersuchung „frischer“

Abfälle mit höherem Gasbildungspotential, um durch die verbesserte Pufferkapazität eine Versäuerung zu vermeiden

- Verwendung von Rührpaddeln anstelle von Magnetrührern, wenn Proben zur

Ausbildung einer „Schwimmschlammschicht“ neigen (Anmerkung: neuer-dings Einsatz starker Magnetrührer, da Eudiometer besser handhabbar)

- da einige Abfallproben ausgedehnte lag-Phasen zeigen, wird – um ein

vorzeitiges Abbrechen der Versuche zu vermeiden – die Versuchsdauer auf 28 d ausgedehnt (dann in der Regel keine parallele Auswertung erforderlich)

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Materialspezifische Abfallanalytik 23

Bei der Auswertung des Gärtestes haben sich die folgenden Vorgehensweisen als sinnvoll erwiesen:

- Berücksichtigung des Totvolumens bei der Korrektur von Luftdruck und Temperatur, da sonst bei geringen Gasbildungsraten die Gasentwicklungs-kurven zu stark beeinflußt werden und hierdurch eine sachgerechte Auswertung erschwert wird

- Auswertung der Versuche nach Vorbereitung in einem Tabellenkalkulations-

programm (Normvolumen, Impfschlammkorrektur, Summenkurve der spezifischen Gasproduktion) manuell, unter Verwendung der Summenkurven der Gasproduktion (Bestimmung der lag-Phase, Gesamtgasbildungsrate)

Insbesondere die „manuelle“ Auswertung der Summenkurven ist wichtig, da zahlreiche Störeinflüsse der Gasbildung kaum programmtechnisch zu berück-sichtigen sind. Hierdurch erfolgt außerdem eine kritische Bewertung der Versuchsergebnisse, so daß der Versuchsablauf angemessen gewürdigt wird. Ergänzend zum Test der biologischen Abbaubarkeit durch die Bestimmung der Atmungsaktivität sollte mit dem Gärtest die Abbaubarkeit der Proben B 3, B 10 und B 12 geprüft werden. In der Abbildung 8 wird die Entwicklung der Gasbildung für den Referenzansatz (mikrokristalline Cellulose) sowie für je drei Ansätze der „Nullprobe“ mit dem Reife-kompost wiedergegeben. Sowohl bei den Referenzansätzen als auch bei den drei Parallelproben des Bioabfallkompostes ist die anfängliche lag-Phase gut erkennbar. Die „negative“ Entwicklung der Gasproduktion zu Beginn ist auf eine unzureichende Temperaturkompensation beim Ansetzen der Proben zurückzuführen. Die Gasbildung der Referenzproben ist nach etwa 15 Tagen weitgehend abgeschlossen, während die Gasbildung der drei Kompostproben zum Zeitpunkt des Untersuchungsendes noch weitgehend linear verlief. Als maßgeblicher Auswertungszeitraum wurde in beiden Fällen die Periode vom 2. Tag bis zum 23. Tag gewählt, da die „Standardauswertungsprozedur“ der ABFALLABLAGERUNGS-VERORDNUNG zumindest für die Auswertung der Gasbildungsummenkurven der Kompostproben hier nicht anwendbar ist. Die Gasbildung der Referenzprobe betrug mehr als 450 mL/g TS, der Gärtest darf damit ausgewertet werden (das erforderliche Mindestvolumen beträgt 400 mL/g TS). Die Gasbildungsrate der drei untersuchten Kompostproben betrug im Mittel 12,5 NL/kg TS. Dieser Wert korreliert gut mit der gemessenen Atmungsaktivität des Kompostes von durchschnittlich 3,2 mg O2/g TS. Die Relation AT4 : GB21 von 1 : 4 entspricht der Relation der Zuordnungswerte von AT4 = 5 mg O2/g TS : GB21 = 20 NL/kg TS.

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24 H.-G. Ramke

Abbildung 8: Summenkurven der Gasbildung für die Referenzprobe und den Reifekompost

Abbildung 9: Summenkurven der Gasbildung für die untersuchten Mischungen von Reifekompost und Probenmaterial

-100,0

0,0

100,0

200,0

300,0

400,0

500,0

600,0

0,00 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 Zeit [d]

Spe

z. G

asbi

ldun

g R

efer

enzp

robe

[mL/

g TS

]

-5,0

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

Sep

z. G

asbi

ldun

g K

ompo

st [m

L/kg

TS

]

Referenzprobe

Reifekompost

-5,0

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

0,00 5,00 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00

Zeit [d]

Spe

z. G

asbi

ldun

g K

ompo

st [m

L/g

TS]

Kompost + Probe B 10

Kompost + Probe B 3

Kompost + Probe B 12

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Materialspezifische Abfallanalytik 25

Die Verläufe der Gasbildungen bei den untersuchten Mischungen von Kompost und Probenmaterial sind in der Abbildung 9 zusammengestellt. Es wurden jeweils etwa 100 g Kompost und 25 g Probematerial in 500 mL Impfschlamm und 400 mL destil-liertem Wasser angesetzt. Auch in diesem Fall wurde wiederum eine Mischung aus Kompost- und Probenmaterial gewählt. Wegen der Animpfung mit Impfschlamm ist die Zugabe von Kompost zwar nicht in Hinblick auf die Entwicklung einer Biozönose erforderlich, hierdurch wird aber ausreichend abbaubares organisches Material für die anaeroben Umsetzungsprozesse zur Verfügung gestellt, so daß geprüft werden kann, ob Abbauprozesse in nennenswertem Maß stattgefunden haben. Die angegebenen Gasbildungsraten beziehen sich auf die Komposteinwaage und sind noch nicht mit der Probenmasse der Proben B 3, B 10 oder B 12 korreliert. Durch den Bezug auf die Komposttrockenmasse ist ein unmittelbarer Vergleich der Gasentwicklung mit den in Abbildung 8 dargestellten Gassummenkurven der reinen Kompostproben möglich. Die höchsten Gasentwicklungen – bei regulären Kurvenverläufen der Gasbildung – zeigen die Ansätze mit der Probe B 10. Die mittlere spezifische Gasproduktion betrug GB21 = 17,6 NL/kg TS Kompost und liegt damit um ca. 5 NL/kg TS oberhalb der Gasbildung der „reinen Kompostproben“. Dies ist überraschend, da das Material der Probe B 10 (Kunststoffgranulatgemisch) bei der Messung der Atmungsaktivität keine nennenswerte Erhöhung gegenüber dem Kompost auswies. Es kann lediglich die Spekulation angestellt werden, die in Anbetracht des insgesamt guten Versuchsablaufes aber als legitim erachtet wird (siehe Abbildung 8), ob das Material anaerob abbaubar sein könnte, obwohl sich keine aeroben Umsetzungen zeigten. Die Ansätze mit den Proben B 3 und B 12 erbrachten im Vergleich hierzu eine deut-lich geringere Gasentwicklung, die signifikant niedriger als die spezifische Gaspro-duktion des Kompostmaterials war. Die Gasbildung lag bei den Proben B 3 zwischen 2,0 und 8,5 NL/kg TS Kompost und bei der Probe B 12 bei 5,0 NL/kg TS Kompost. Gerade bei der Probe B 12, von der leider nicht mehr Material zur Verfügung stand, wäre wegen des eindeutigen Nachweises der Abbaubarkeit unter aeroben Bedingungen eine höhere Gasproduktion erwartet worden. Es stellt sich für die Proben B 3 und B 12 im Umkehrschluß zu der Situation bei der Probe B 10 die Frage, ob die untersuchten Materialien im anaeroben Milieu nicht abbauhemmend sein könnten, obwohl sich diese Effekte bei der aeroben Messung der Atmungsaktivitäten nicht zeigten. Abschließend bleibt festzustellen, daß der Nachweis der biologischen Stabilität mit der Messung der Atmungsaktivität nach der „Standardadditionsmethode“ ein recht zuverlässiger Weg zu werden verspricht, der zu einem Standardverfahren ausgebaut werden könnte. Die aufwendigeren Untersuchungen nach dem GB21-Verfahren können jedoch gleichfalls interessante Hinweise liefern und sollten in die weiteren Betrachtungen einbezogen werden.

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26 H.-G. Ramke

7 Schlußfolgerungen Mit dem Inkrafttreten der ABFALLABLAGERUNGSVERORDNUNG und der DEPONIE-VERORDNUNG werden die Zuordnungskriterien für die vier oberirdischen Deponie-klassen und die Untertagedeponie umfassend festgelegt. In Sonderfällen sind Überschreitungen der Zuordnungswerte zulässig, wenn der Nachweis erbracht wird, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht gefährdet wird. Insbesondere wird bei einem Überschreiten der Zuordnungswerte für den organischen Anteil des Trockenrückstandes (Glühverlust bzw. organischer Kohlenstoffgehalt) gefordert, daß nachgewiesen wird, daß diese Überschreitung der Zuordnungswerte nicht auf biologisch abbaubares Material zurückzuführen ist. Anhand von Material aus drei Gruppen von Proben

- Gruppe 1: Sande, Schlacken, Baustoffe - Gruppe 2: Kunststoffe und Shredderleichtfraktion - Gruppe 3: Bioabfallkompost

wurde orientierend untersucht, ob dieser Nachweis grundsätzlich mit den in der ABFALLABLAGERUNGSVERORDNUNG genannten Methoden – der Bestimmung der Atmungsaktivität und dem Gärtest – geführt werden kann. Hierbei zeigte sich, daß die Bestimmung der Atmungsaktivität einen interessanten Ansatz für diesen Nachweis darstellt, wenn gemäß der sogenannten Standardadditionsmethode das Probenmaterial einer Kompostmatrix zugesetzt wird. Dieses Verfahren verspricht, mit verhältnismäßig wenig Aufwand zu einem Standardverfahren für den Nachweis der Abbaubarkeit bzw. biologischen Stabilität weiterentwickelt werden zu können. Die Untersuchungen mit dem Gärtest ergaben ein komplexeres Bild. Die Befunde stimmten nicht mit den als zuverlässig einzustufenden Ergebnissen der Messung der Atmungsaktivität überein. Es ist – wegen des als gut zu bewertenden Versuchsablaufes – deshalb nicht völlig auszuschließen, daß die Gründe hierfür auch in Unterschieden im Abbauverhalten (und in Abbauhemmungen) in einem aeroben oder anaeroben Milieu zu suchen sind. Neben der konsequenten Weiterentwicklung der Bestimmung der Atmungsaktivität sollte deshalb für die oben genannten Zwecke auch die Untersuchung mit dem Gärtest begleitend berücksichtigt werden und zumindest im Rahmen von Grund-lagenuntersuchungen systematisch verfolgt werden.

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Materialspezifische Abfallanalytik 27

Richtlinien ABFALLABLAGERUNGSVERORDNUNG (AbfAblV), 2001: Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen Artikel 1 der „Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen und über biologische Abfallbehandlungsanlagen“ vom 20. Februar 2001, BGBl I 2001, 305 BUNDESGÜTEGEMEINSCHAFT KOMPOST, 1998: Methodenbuch zur Analyse von Kompost DEPONIEVERORDNUNG (DepV), 2002: Verordnung über Deponien und Langzeitlager Artikel 1 der „Verordnung über Deponien und Langzeitlager und zur Änderung der Abfallablagerungsverordnung“ vom 24. Juli 2002, BGBl I 2002, 2807 DIN EN 13137, 1998: Bestimmung des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC) im Abfall DIN 38414, Teil 3, 1985: Schlamm und Sedimente (Gruppe S) Bestimmung des Glührückstandes und des Glühverlustes der Trockenmasse eines Schlammes (DEV S3) DIN 38414, Teil 8, 1985: Schlamm und Sedimente (Gruppe S) Bestimmung des Faulverhaltens (DEV S8) DIN 51900, Teil 1, 1989: Prüfung fester und flüssiger Brennstoffe Bestimmung des Brennwertes mit dem Bomben-Kalorimeter und Berechnung des Heizwertes Allgemeine Angaben, Grundgeräte, Grundverfahren

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Literatur EHRIG, H.-J., 1998: Verbundvorhaben „Mechanisch-Biologische Behandlung von zu deponierenden Abfällen“ Teilvorhaben 3/4 „Anforderungen an und Bewertung von biologischen Vorbehandlungen für die Abfallwirtschaft, Abschlußbericht, FKZ 1480964 Bergische Universität-Gesamthochschule Wuppertal RAMKE, H.-G., 2002: Probenahme, Probenaufbereitung und Untersuchung mechanisch-biologisch vorbehandelter Abfälle in: Fachgespräch Feststoffuntersuchung 2002 – Neue Entwicklungen in der Abfall- und Altlastenuntersuchung Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen ROBERTZ, M.; VON FELDE, D., 1999: Kosteneffiziente Methode zur Bestimmung der biochemischen Atmungsaktivität AT4 von Rottegut aus mechanisch- biologischen Vorbehandlungsanlagen (MBA) Applikationsbericht, AQUALYTIC GmbH, Langen UMWELTBUNDESAMT, 1999: Verbundvorhaben Mechanisch-biologische Behandlung von zu deponierenden Abfällen Beiträge zur Ergebnispräsentation, 7.-8. September 1999, Potsdam Projektträger Umweltbundesamt, Berlin