113

Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Skript zur Vorlesung

Mathematik f�ur Physikerinnen undPhysiker III

WS 2008/09

Mike Scherfner und Matthias PlaueInstitut f�ur Mathematik

Technische Universit�at Berlin

Stand: 2. Dezember 2010

Page 2: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Inhaltsverzeichnis

56 Koordinatentransformation von Integralen in R2 5

57 Fl�achen in R3, Ober �achen- und Flussintegral 7

57.1 Parametrisierung von Fl�achen in R3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757.2 Ober �achenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957.3 Flussintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

58 Der Satz von Gau� 12

59 Der Satz von Stokes 14

60 Di�erenzialgleichungen 20

60.1 Beispiele gew�ohnlicher Di�erenzialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 2160.1.1 Das 2. Newton'sche Gesetz der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . 2160.1.2 Die Lorenz-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

60.2 Beispiele partieller Di�erenzialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2260.2.1 Die Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2260.2.2 Die Navier-Stokes-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

60.3 Gew�ohnliche lineare Di�erenzialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 25

61 L�osungsansatz f�ur homogene lineare Di�erenzialgleichungen mit konstanten

Koe�zienten 27

62 Anfangswertprobleme I 32

62.1 Anfangswertprobleme homogener linearer Di�erenzialgleichungen mitkonstanten Koe�zienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

62.2 Anfangswertprobleme homogener linearer Di�erenzialgleichungssystememit konstanten Koe�zienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

63 Anfangswertprobleme II, inhomogene lineare Di�erenzialgleichungssysteme

und Variation der Konstanten 36

63.1 Anfangswertprobleme linearer Di�erenzialgleichungssysteme . . . . . . . 3763.2 Variation der Konstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

64 Inhomogene lineare Di�erenzialgleichungssysteme und Ansatz vom Typ der

rechten Seite, Wronski-Test 40

64.1 Ansatz vom Typ der rechten Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4064.2 Der Wronski-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

65 L�osungsans�atze f�ur nicht lineare Di�erenzialgleichungen 44

65.1 Richtungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4465.2 Separable Di�erenzialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4665.3 Der Potenzreihenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

2

Page 3: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

66 Nicht lineare Di�erenzialgleichungssysteme und Stabilit�at 50

66.1 Anfangswertprobleme (nicht linearer) Di�erenzialgleichungssysteme . . . 5066.2 Das R�auber-Beute-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5166.3 Stabilit�at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

67 Stabilit�at, partielle Di�erenzialgleichungen: Separationsansatz 54

67.1 Stabilit�at: Rechenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5467.2 Produktansatz nach Bernoulli (Separationsansatz) . . . . . . . . . . . . . 55

68 Wellengleichung, holomorphe und harmonische Funktionen 56

68.1 Die Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5668.2 Die Laplace-Gleichung: Holomorphe und harmonische Funktionen . . . . 59

69 Weiteres zur Wellengleichung, �Uberblick 63

69.1 Verallgemeinerte Wellengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6369.2 Cauchy-Problem der eindimensionalen Wellengleichung . . . . . . . . . . 6469.3 �Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

70 Grundlegendes zu Fourier-Reihen 66

71 Komplexe Fourier-Reihen, Grundlegendes zur Variationsrechnung 67

71.1 Komplexe Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6771.2 Eine Anwendung der Fourier-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6971.3 Grundlegendes zur Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

72 Grundlegendes zur Variationsrechnung II 71

73 Funktionale und deren Ableitung 73

74 Die Euler-Lagrange-Gleichungen 76

75 Grundlagen der Funktionentheorie 80

75.1 Komplexe Di�erenzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8075.2 Die Cauchy-Riemann'schen Di�erenzialgleichungen . . . . . . . . . . . . 80

76 Wichtige Eigenschaften holomorpher Funktionen 83

77 Potenzreihen �uber C 85

77.1 Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8577.2 Konvergenzradius, Ableitung von Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . 86

78 Integration komplexwertiger Funktionen 94

78.1 Kurvenintegrale in der komplexen Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

79 Der Integralsatz von Cauchy I 98

3

Page 4: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

80 Der Integralsatz von Cauchy II 100

81 Cauchy'sche Integralformel 103

82 Analytische Funktionen 105

83 Der Potenzreihenentwicklungssatz 107

83.1 Punktweise und gleichm�a�ige Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10783.2 Der Potenzreihenentwicklungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Literatur 110

Index 111

4

Page 5: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

U

B = (B�)

(U)

�1

f

f �

R

B� = �1(B)

Abbildung 1: Transformation von Integrationsbereichen

56 Koordinatentransformation von Integralen in R2

Wir erinnern daran, dass ein Integrationsbereich B � R2 per De�nition eine kompak-

te Menge ist, deren Rand durch eine endliche Anzahl stetig di�erenzierbarer Kurvengegeben ist.

Satz 56.1. Seien B;B� � R2 Integrationsbereiche, und sei f : B ! R stetig. Sei

dar�uber hinaus : R2 � U ! R2 eine stetig partiell di�erenzierbare Abbildung mit

B� � U und B � (U), welche B� bijektiv auf B abbildet. Dann giltZZB

f(x; y) dxdy =

ZZB�(f � )(u; v) jdet( 0(u; v))j dudv: (56.1)

Bemerkung 56.1. Es gen�ugt, wenn die Bereiche B� und B bis auf endlich vielePunkte oder mit Ausnahme von Randpunkten bijektiv �uberf�uhrt. Man nennt in diesemZusammenhang auch Koordinatentransformation, siehe Abbildung 1.

Beispiel 56.1:

Sei BR = fz 2 R2jkzk � Rg die Kreisscheibe in der Ebene um den Ursprung mit

Radius R > 0. Wir m�ochten das Integral der Funktion f(x; y) = e�x2�y2 �uber BR

berechnen. Hierzu bemerken wir, dass die so genannte Polarkoordinatenabbildung : (r; �) 7! (r cos�; r sin�) das Rechteck B�

R = [0; R]�[0; 2�] mit Ausnahme der Punkte

5

Page 6: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

mit r = 0 bijektiv auf BR abbildet. �Uber Rechtecke k�onnen wir jedoch mit dem Satzvon Fubini leicht integrieren. Hierzu ben�otigen wir noch die Funktionaldeterminanteder Transformation :

det 0(r; �) = det

�cos� �r sin�sin� r cos�

�) (56.2)

j det 0(r; �)j = jr cos2 �+ r sin2 �j = r: (56.3)

Insgesamt hat man alsoZZBR

f(x; y) dxdy =

ZZB�R

(f � )(r; �) jdet( 0(r; �))j drd� (56.4)

=

ZZB�R

e�(r cos�)2�(r sin�)2r drd� (56.5)

=

Z R

0

�Z 2�

0

e�r2

r d�

�dr (56.6)

= 2�

Z R

0

e�r2

r dr (Substitution u = r2) (56.7)

= 2�

Z R2

0

1

2re�ur du (56.8)

= �

Z R2

0

e�u du (56.9)

= ��1� e�R

2�: (56.10)

Bemerkung 56.2. Auch wenn wir hier keine Theorie der uneigentlichen Integrale imMehrdimensionalen behandeln, sei angemerkt, dass (zumindest formal) gilt:ZZ

R2

e�x2�y2 dxdy = lim

R!1

ZZBR

e�x2�y2 dxdy (56.11)

= limR!1

��1� e�R

2�

(56.12)

= �: (56.13)

Insbesondere w�urde mit Fubini folgen, dass

� =

ZZR2

e�x2�y2 dxdy (56.14)

=

Z 1

�1e�x

2

�Z 1

�1e�y

2

dy

�dx (56.15)

=

�Z 1

�1e�x

2

dx

���Z 1

�1e�y

2

dy

�(56.16)

=

�Z 1

�1e�x

2

dx

�2

; (56.17)

6

Page 7: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

bzw. Z 1

�1e�x

2

dx =p�; (56.18)

da e�x2immer positiv ist. Das ist auch tats�achlich der korrekte Wert f�ur dieses Integral,

welches u. a. in der Wahrscheinlichkeitstheorie oft ben�otigt wird.

57 Fl�achen in R3, Ober �achen- und Flussintegral

F�ur eine beliebige Menge B � Rm hei�e eine Abbildung : B ! R

n stetig partiell di�e-renzierbar, wenn die Einschr�ankung einer auf einer o�enen Menge U � B de�nierten,stetig partiell di�erenzierbaren Abbildung ist (vgl. auch die De�nition von Koordina-tentransformation aus der letzten Vorlesung). Insbesondere ist auf der o�enen MengeB n @B im herk�ommlichen Sinne stetig di�erenzierbar.

Statt Integrationsbereich wollen wir im Folgenden auch kurz Bereich sagen.

57.1 Parametrisierung von Fl�achen in R3

De�nition 57.1. Sei B � R2 ein Bereich. Eine Fl�achenparametrisierung in R3 ist

eine (wenigstens einmal) stetig partiell di�erenzierbare Abbildung : B ! R3, wobei

gilt:

1. ist auf B n @B injektiv.

2. @u (u; v) und @v (u; v) sind f�ur alle (u; v) 2 B n @B linear unabh�angig.

Die Menge M = (B) nennen wir Fl�ache oder Fl�achenst�uck. Wenn keine Ver-wechslungsgefahr besteht, nennen wir auch die Abbildung einfach Fl�ache oderFl�achenst�uck.

Bemerkung 57.1. � Die partiellen Ableitungen sind komponentenweise zu verste-hen, also

@u (u; v) =

0@@u 1(u; v)@u 2(u; v)@u 3(u; v)

1A : (57.1)

� Die Vektoren @u (u; v) und @v (u; v) hei�en Tangentialvektoren, der Vektor(@u � @v )(u; v) hei�t Normalenvektor der Fl�ache im Punkt (u; v). Die Tan-gentialvektoren spannen die Tangentialebene an die Fl�ache auf, der Normalen-vektor steht senkrecht auf dieser.

� Die Variablen u und v nennt man Parameter oder auchKoordinaten. F�ur festesu = u0 (v = v0) nennt man die Kurve : v 7! (u0; v) ( : u 7! (u; v0)) einev-Koordinatenlinie (u-Koordinatenlinie).

7

Page 8: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beispiel 57.1:

� Der Graph einer stetig partiell di�erenzierbaren Funktion f : R2��U ! R kann,

eingeschr�ankt auf einen Bereich B � U , parametrisiert werden durch:

(u; v) =

0@ u

v

f(u; v)

1A : (57.2)

Die Tangentialvektoren sind auch tats�achlich �uberall linear unabh�angig:

@

@u(u; v) =

0@ 1

0@f@u(u; v)

1A ;

@

@v(u; v) =

0@ 0

1@f@v(u; v)

1A : (57.3)

� Sei f : [a; b] ! R eine stetig di�erenzierbare Funktion mit f(z) > 0 f�ur alle z 2[a; b]. Die Fl�ache, die durch Rotation des Graphen von f um die z-Achse im Raumentsteht (also f(x; y; z) 2 R3jx2 + y2 = f(z)2g), kann z. B. parametrisiert werdendurch:

: [a; b]� [0; 2�]! R3; (z; �) =

0@f(z) cos�f(z) sin�

z

1A : (57.4)

Die Tangentialvektoren sind gegeben durch

@

@z(z; �) =

0@f 0(z) cos�f 0(z) sin�

1

1A ;

@

@�(z; �) =

0@�f(z) sin�f(z) cos�

0

1A : (57.5)

� Die Sph�are S2(R) = f(x; y; z) 2 R3jx2 + y2 + z2 = R2g mit Radius R > 0 kann

z. B. parametrisiert werden durch

: [0; 2�]� [��2; �2]! R

3; (�; �) = R

0@cos � cos�cos � sin�

sin �

1A : (57.6)

Die Tangentialvektoren sind orthogonal und gegeben durch

@

@�(�; �) = R

0@� cos � sin�

cos � cos�0

1A ;

@

@�(�; �) = R

0@� sin � cos�� sin � sin�

cos �

1A : (57.7)

Stellt man sich die Ober �ache der Erdkugel als parametrisierte Sph�are vor,so entspricht � der geogra�schen Breite und � der geogra�schen L�ange. DieTangentialvektoren @� und @� zeigen immer nach Osten bzw. Norden. Die�-Koordinatenlinien sind Kreise parallel zur x-y-Ebene (Breitengrade), die �-Koordinatenlinien sind halbe Gro�kreise, welche die Punkte (0; 0; 1) und (0; 0;�1),also Nord- und S�udpol, verbinden (L�angengrade). Die �-Koordinatenlinie mit � = 0entspricht dem �Aquator in der x-y-Ebene; Berlin h�atte in Radians etwa die Koor-dinaten (0; 17; 0; 94).

8

Page 9: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

57.2 Ober �achenintegrale

De�nition 57.2. Sei f : R3 � U ! R eine stetige Funktion und : B ! R3 eine

Fl�ache mit (B) � U . Dann hei�tZZ

f dO :=

ZZB

(f � )(u; v)k@u (u; v)� @v (u; v)k dudv (57.8)

das Ober �achenintegral von f �uber .

Bemerkung 57.2. � Tats�achlich h�angt der Wert des Integrals nicht von der Pa-rametrisierung der

"eigentlichen\ Fl�ache M = (B) ab. Deshalb kann man auch

schreiben ZZM

f dO :=

ZZ

f dO: (57.9)

� F�ur f = 1 erh�alt man durch das Integral die Ober �ache von (B).

� Den formalen Ausdruck"dO = k@u �@v kdudv\ nennt man auch in�nitesimales

Ober �achenelement.

� Das Integral �uber die Vereinigung M =SNi=1Mi =

SNi=1 i(Bi) einer Anzahl von

Fl�achenst�ucken i : Bi ! R3, welche bis auf Punkte aus i(@Bi) disjunkt sind,

wird wie �ublich �uber die Summe de�niert:ZZM

fdO =NXk=1

ZZMk

fdO: (57.10)

Auf diese Weise kann man z. B. das Integral �uber einen W�urfel ausrechnen, welcheraus sechs parametrisierbaren Seiten �achen besteht, jedoch selbst nicht

"am St�uck\

di�erenzierbar parametrisiert werden kann.

Beispiel 57.2:

Wir wollen die Ober �ache einer Kugel mit Radius R > 0 berechnen. Das in�nitesimaleOber �achenelement ist bei der Parametrisierung der Sph�are aus obigem Beispiel gegebendurch

dO =

R0@� cos � sin�

cos � cos�0

1A�R

0@� sin � cos�� sin � sin�

cos �

1A d�d� (57.11)

= R2

0@ cos2 � cos�

cos2 � sin�cos � sin � sin2 �+ cos � sin � cos2 �

1A d�d� (57.12)

9

Page 10: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

= R2

0@cos2 � cos�cos2 � sin�cos � sin �

1A d�d� (57.13)

= R2

cos �0@cos � cos�cos � sin�

sin �

1A d�d� (57.14)

= R2 jcos �j 0@cos � cos�cos � sin�

sin �

1A d�d� (57.15)

= R2 jcos �j d�d�: (57.16)

Damit ergibt sich ZZS2(R)

dO =

ZZ[0;2�]�[��

2;�2]

R2 jcos �j d�d� (57.17)

= R2

Z �2

��2

�Z 2�

0

jcos �j d��d� (57.18)

= 2�R2

Z �2

��2

jcos �j d� (57.19)

= 2�R2

2

Z �2

0

cos �d�

!(57.20)

= 4�R2: (57.21)

57.3 Flussintegrale

De�nition 57.3. Sei v : R3 � U ! R3 ein stetiges Vektorfeld und : B ! R

3 eineFl�ache mit (B) � U . Dann hei�tZZ

v � dO :=

ZZB

h(v � )(u; v); @u (u; v)� @v (u; v)i dudv (57.22)

das Flussintegral von v �uber .

Bemerkung 57.3. � Man kann ein Flussintegral auch wie folgt berechnen:ZZ

v � dO =

ZZB

det ((v � )(u; v); @u (u; v); @v (u; v)) dudv:

� Das Flussintegral h�angt im Allgemeinen von der Parametrisierung der Fl�ache ab.F�ur so genannte orientierbare Fl�achen, bei denen jedem Punkt auf der Fl�ache in

10

Page 11: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

−0.5

−0.45

−0.4

−0.35

−0.3

−0.25

−0.2

−0.15

−0.1

−1.4

−0.05

−1.2

0.0

−1.0

0.05

−0.8

0.1

−0.6

0.15

0.2

−0.4

0.25

−0.2

0.3

0.0

0.35

0.2

0.4

0.4

0.45

0.6

0.50.8

−1.0−0.81.0

−0.6−0.4

−0.20.0

0.21.20.4

0.60.8

1.01.41.2

1.4

Abbildung 2: Ein M�obius-Band

stetiger Weise ein Normalenvektor zugeordnet werden kann, ist das Integral jedochbetragsm�a�ig unabh�angig von der Parametrisierung. Das Vorzeichen h�angt dannnoch von der Richtung des Normalenvektors ab, welcher auf eine der beiden

"Sei-

ten\ der Fl�ache zeigen kann. Eine Wahl dieser Richtung nennt man Orientierung.F�ur orientierbare Fl�achen M = (B) mit fest gew�ahlter Orientierung kann mandann auch wie beim skalaren Ober �achenintegral schreiben

RRMv �dO :=

RR v �dO.

Beispiel 57.3:

Das so genannte M�obius-Band

: [0; 4�]� [0; 12]! R

3; (u; v) =

0@cosu+ v cos u

2cosu

sinu+ v cos u2sin u

2

v sin u2

1A (57.23)

ist nicht orientierbar (siehe Abbildung 2). Es gilt (2�; 0) = (0; 0), jedoch berechnetman f�ur den Normalenvektor N = @u � @v :

lim(u;v)!(0;0)

N(u; v) = (0; 0; 1); lim(u;v)!(2�;0)

N(u; 0) = (0; 0;�1): (57.24)

Es gibt auch keine andere Parametrisierung, mit der dieser Missstand behoben werdenk�onnte. In diesem Sinne besitzt das M�obius-Band keine zwei Seiten.

11

Page 12: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Physikalisches Anwendungsbeispiel 57.4:

Nach dem Coulomb'schen Gesetz gilt f�ur das elektrische Feld E, dass von einerpunktf�ormigen Ladung Q 2 R im Ursprung erzeugt wird:

E : R3 n f0g ! R3; E(x) =

1

4��0

Q

kxk2x

kxk (57.25)

(Hierbei ist �0 = 8; 854 � 10�12 A2s4

kg�m3 die elektrische Feldkonstante.)Der Normalenvektor einer Sph�are um die Punktladung mit RadiusR > 0 zeigt in dieselbeRichtung wie E. F�ur den elektrischen Fluss durch die Sph�are ergibt sich damitZZ

S2(R)

E � dO =

ZZS2(R)

kEkdO (57.26)

=

ZZS2(R)

1

4��0

Q

R2dO (57.27)

=1

4��0

Q

R2

ZZS2(R)

dO (57.28)

=1

4��0

Q

R24�R2 (57.29)

=Q

�0: (57.30)

Das ist gerade ein Spezialfall des allgemeinen Gau�'schen Gesetzes: Der elektrische Flussdurch eine Fl�ache ist proportional zu der von der Fl�ache eingeschlossenen Ladung.

58 Der Satz von Gau�

Analog zum zweidimensionalen Fall nennen wir eine kompakte Menge G � R3

einen Integrationsbereich, wenn diese durch endlich viele stetig partiell di�erenzierba-re Fl�achenst�ucke berandet ist. Diese Fl�achenst�ucke sind dann notwendigerweise orien-tierbar, und wir w�ahlen die Orientierung stets so, dass der Normalenvektor (wo de�-niert) �uberall aus dem Bereich G heraus weist. (Genauer hei�t das: F�ur alle Randpunk-te x 2 @G, in denen der Normalenvektor N(x) de�niert ist, gibt es ein � > 0, sodassx + tN(x) 62 G f�ur alle 0 < t < �.) Die Gesamtheit der so orientierten Fl�achenst�uckenennen wir dann den orientierten Rand von G.

Das gew�ohnliche Integral �uber eine stetige Funktion f : G! R nennt man auch Volu-menintegral, und man schreibt:ZZZ

G

f dV :=

ZZZG

f(x1; x2; x3) dx1dx2dx3: (58.1)

12

Page 13: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Satz 58.1. Satz von Gau�. Sei v : R3��U ! R

3 ein stetig partiell di�erenzierbaresVektorfeld, und sei G � U ein Integrationsbereich mit orientiertem Rand @G. Danngilt: ZZZ

G

div v dV =

ZZ@G

v � dO: (58.2)

Beweis. Wir beweisen nur den Fall, in dem der Integrationsbereich ein W�urfel ist: G =[�R;R]3 mit R > 0. Seien w

(j)� = f(x1; x2; x3) 2 @Gjxj = �Rg die Seiten �achen des

W�urfels. F�ur die linke Seite des Gau�'schen Satzes hat manZZZG

div v dV =

ZZZG

div v(x1; x2; x3) dx1dx2dx3 (58.3)

=3Xi=1

Z R

�R

Z R

�R

Z R

�R

@vi

@xi(x1; x2; x3) dx1dx2dx3 (58.4)

=

Z R

�R

Z R

�R(v1(R; x2; x3)� v1(�R; x2; x3)) dx2dx3 (58.5)

+

Z R

�R

Z R

�R(v2(x1; R; x3)� v2(x1;�R; x3)) dx1dx3

+

Z R

�R

Z R

�R(v3(x1; x2; R)� v3(x1; x2;�R)) dx1dx2:

Die Seiten �achen des W�urfels werden parametrisiert durch

�(1)+ (u; v) = (R; u; v); (58.6)

�(1)� (u; v) = (�R; v; u); (58.7)

�(2)+ (u; v) = (v;R; u); (58.8)

�(2)� (u; v) = (u;�R; v); (58.9)

�(3)+ (u; v) = (u; v; R); (58.10)

�(3)� (u; v) = (v; u;�R) (58.11)

mit u; v 2 [�R;R]. Die Orientierung ist hierbei so gew�ahlt, dass die Normalenvektoren

N(j)� :=

@�(j)�

@u� @�

(j)�

@vaus dem W�urfel heraus weisen:

N(1)+ (u; v) = (1; 0; 0); (58.12)

N(1)� (u; v) = (�1; 0; 0); (58.13)

N(2)+ (u; v) = (0; 1; 0); (58.14)

N(2)� (u; v) = (0;�1; 0); (58.15)

13

Page 14: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

N(3)+ (u; v) = (0; 0; 1); (58.16)

N(3)� (u; v) = (0; 0;�1): (58.17)

An den Kanten des W�urfels sind keine Normalenvektoren de�niert; das tut der G�ultigkeitdes Satzes jedoch keinen Abbruch.F�ur die rechte Seite des Gau�'schen Satzes hat manZZ

@G

v � dO =3Xj=1

ZZw(j)+

v � dO +

ZZw(j)�

v � dO!

(58.18)

=3Xj=1

Z R

�R

Z R

�R

�hv(�(j)+ (u; v)); N

(j)+ i+ hv(�(j)� (u; v)); N

(j)� i�dudv (58.19)

=3Xj=1

Z R

�R

Z R

�R

�vj(�

(j)+ (u; v))� vj(�

(j)� (u; v))

�dudv (58.20)

=

Z R

�R

Z R

�R(v1(R; u; v)� v1(�R; v; u)) dudv (58.21)

+

Z R

�R

Z R

�R(v2(v;R; u)� v2(u;�R; v)) dudv

+

Z R

�R

Z R

�R(v3(u; v; R)� v3(v; u;�R)) dudv

(58.22)

Das ist gerade nach Umbenennung der Integrationsvariablen die linke Seite desGau�'schen Satzes. Das letzte Gleichheitszeichen folgt dadurch, dass man die Di�erenzenauseinanderziehen und die Integrationsreihenfolge vertauschen kann. �

59 Der Satz von Stokes

Wir erinnern: Ein (Integrations-)bereich B � R2 ist eine kompakte Menge, deren Rand

aus stetig di�erenzierbaren Kurven zusammengesetzt ist, d. h. es existieren N stetig dif-ferenzierbare Kurven (i) : [ai; bi]! R

2, sodass @B =SNi=1

(i)([ai; bi]). Wir vereinbaren,dass die Kurven so gew�ahlt seien, dass ihr Schnitt mit Ausnahme von Endpunkten leerist.Dar�uber hinaus fordern wir, dass der Normalenvektor einer Randkurve von B stets ausB hinaus weist. Der Normalenvektor N(t) der Randkurve (i) : [a; b] ! R

2 sei hierbei

de�niert als der um ��2gedrehte Tangentialvektor, d. h. N(t) = (

(i)2 (t);� (i)1 (t)). An-

ders ausgedr�uckt soll das Gebiet stets auf der linken Seite der Randkurve liegen, sieheAbbildung 3.

14

Page 15: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

B

Abbildung 3: Orientierung der Randkurve eines Bereichs in R2

Hat man nun eine Fl�achenparametrisierung : B ! R3 gegeben, so wird durch die Ge-

samtheit der Kurven � (i) die Menge (@B) beschrieben, welche wir den orientier-ten Rand der Fl�ache nennen. (Vorsicht: Hiermit ist nicht der Rand von M = (B) alsTeilmenge des metrischen Raums R3 gemeint.)

Satz 59.1. Satz von Stokes. Sei v : R3��U ! R

3 ein stetig partiell di�erenzierbaresVektorfeld, M � U eine zweimal stetig partiell di�erenzierbar parametrisierte orien-tierte Fl�ache und @M ihr orientierter Rand. Dann gilt:ZZ

M

rot v � dO =

Z@M

v � ds: (59.1)

Es kann vorkommen, dass zwei der Randkurven eines Fl�achenst�ucks in R3 zusammen-fallen. Hier gibt es zwei M�oglichkeiten:

� Die Randkurven sind gleich orientiert. Dann"springt\ der Normalenvektor der

Fl�ache an dieser"Klebestelle\, und sie ist nicht orientierbar. Der Satz von Stokes

ist zwar auch in diesem Fall im Prinzip g�ultig, der Wert der Integrale (und nichtnur das Vorzeichen) h�angt jedoch von der Parametrisierung ab.

� Die Randkurven sind entgegengesetzt orientiert. Dann brauchen diese f�ur den Satzvon Stokes (und auch generell) nicht weiter ber�ucksichtigt werden, da bei Berech-nen des Kurvenintegrals diese Anteile keine Rolle spielen.

Beispiel 59.1:

Die Parametrisierung

: [�h2; h2]� [0; 2�]! R

3; (z; �) =

0@R cos�R sin�z

1A : (59.2)

15

Page 16: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

stellt einen Zylindermantel der H�ohe h > 0 mit Radius R > 0 dar.Der orientierte Rand des Parameterbereichs setzt sich zusammen aus den vier Teilkurven

(1)(t) =

��h2

2�t

�; (59.3)

(2)(t) =

��h2+ ht

2�

�; (59.4)

(3)(t) =

�h2

2� � 2�t

�; (59.5)

(4)(t) =

�h2� ht

0

�; (59.6)

wobei jeweils 0 � t � 1.Der orientierte Rand des parametrisierten Zylindermantels setzt sich also zusammen ausden Kurven

(1)(t) = ( � (1))(t) =0@R cos(2�t)R sin(2�t)

�h2

1A ; (59.7)

(2)(t) = ( � (2))(t) =0@ R

0�h

2+ ht

1A ; (59.8)

(3)(t) = ( � (3))(t) =0@ R cos(2�t)�R sin(2�t)

h2

1A ; (59.9)

(4)(t) = ( � (4))(t) =0@ R

0h2� ht

1A : (59.10)

Die Kurven (1) und (3) beschreiben die Kreislinien, die Ober- und Unterkante desZylindermantels begrenzen. Die Kurven (2)(t) und (4)(t) sind bis auf die Orientierungidentisch und brauchen nicht ber�ucksichtigt werden.Man kann sich einen Zylindermantel vorstellen als ein Rechteck, bei dem zwei ge-gen�uberliegende Seiten ( (2) und (4)) verklebt wurden. Ein M�obius-Band entsteht ge-nauso, jedoch wird vorher eine Seite um 180� gedreht, wodurch die Kanten an der Kle-bestelle gleich orientiert sind und sich sozusagen nicht mehr gegenseitig aufheben.

Physikalisches Anwendungsbeispiel 59.2:

Ein elektrisches Feld E : I�U ! R3; (t; x) 7! E(t; x) und ein magnetisches Feld B : I�

U ! R3; (t; x) 7! B(t; x) h�angen im Allgemeinen vom Ort x 2 U

��R3 und der Zeit

t 2 I ��R ab und erf�ullen die so genannten Maxwell'schen Gleichungen:

16

Page 17: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

divB = 0;

rotE = �@B@t;

divE =�

�r�0;

rotB = �r�0�r�0@E

@t+ �r�0j:

Die ersten beiden Gleichungen nennt man die homogenen Maxwell'schen Gleichungen,w�ahrend man die letzten beiden inhomogen nennt. Die Divergenz und Rotation sindhierbei nur bzgl. der Ortskoordinaten x = (x1; x2; x3) zu berechnen.Das skalare Feld �(t; x) ist die elektrische Ladungsdichte, w�ahrend das Vektorfeldj(t; x) die elektrische Stromdichte angibt.Die Naturkonstanten �0 = 1; 2566 � 10�6 kg�m

A2s2und �0 = 8; 854 � 10�12 A2s4

kg�m3 nennt manmagnetische respektive elektrische Feldkonstante.Die Gr�ossen �r > 0 und �r > 0 hei�en Permeabilit�ats- bzw. Dielektrizit�atszahl undh�angen von dem Medium ab, in dem sich das elektrische und magnetische Feld be�nden.In vielen Materialien (den so genannten linearen, homogenen Medien) k�onnen dieseGr�o�en bei sich zeitlich nicht zu schnell �andernden Feldern als gew�ohnliche Konstantenangenommen werden. Bei sich zeitlich schnell �andernden Feldern h�angen �r und �r nochvon der Frequenz ab. Im Vakuum gilt jedoch immer �r = �r = 1.O�ensichtlich k�onnen magnetische und elektrische Ph�anomene nicht getrennt betrach-tet werden, da die entsprechenden Felder durch die obigen Gleichungen miteinander ge-koppelt sind. Deswegen spricht man heute auch meist vom elektromagnetischen Feld(E;B).Empirisch �ndet man nicht die obigen di�erenziellen Gleichungen, sondern vielmehr dieim Folgenden erl�auterten Maxwell'schen Gleichungen in Integralform. Der Einfachheithalber betrachten wir nur den Fall �r = �r = 1. Ansonsten m�ussten �Uberlegungen zuden dielektrischen und magnetischen Eigenschaften der Materie angestellt werden, waswir hier nicht tun m�ochten.

1. Nach heutigem Kenntnisstand gibt es keine magnetischen Monopole. Selbst wennman einen Stabmagneten entzwei schneidet, so ist das magnetische Feld beiderMagneten wieder ein Dipolfeld. Sieht man sich die Flusslinien eines solchen Dipolsdurch einen Volumenbereich V an, so ist klar, dass diese den Bereich stets sooft verlassen wie sie in ihn eintreten (s. Abb. 4). Anders ausgedr�uckt hat dasMagnetfeld keine Quellen, denn es gibt keine magnetischen Ladungen. Dies f�uhrtauf das Gesetz, dass der gesamte magnetische Fluss durch eine geschlossene Fl�acheverschwinden muss: ZZ

@V

B � dO = 0 :

2. Experimentell l�asst sich nachweisen, dass in einer Leiterschleife eine gesamte Um-laufspannung

17

Page 18: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Abbildung 4: Flusslinien eines magnetischen Dipols

U =

Z@A

E � ds

induziert wird, die der zeitlichen �Anderung des magnetischen Flusses durch dievon der Schleife berandeten Fl�ache A entspricht. Dies kann man z. B. anhand einerLeiterschleife messen, welche in einem homogenen Magnetfeld rotiert. Hierbei ist zubedenken, dass der induzierte Strom wiederum ein Magnetfeld erzeugt, welches er-neut zu einer Induktionsspannung f�uhrt. Die induzierte Spannung muss also so ge-polt sein, dass das von ihr erzeugte Magnetfeld dem induzierenden entgegenwirkt,sonst k�ame es zur Katastrophe. Zusammen mit dieser so genannten Lenz'schenRegel hat man schlie�lich das Faraday'sche Induktionsgesetz mit richtigemVorzeichen: Z

@A

E � ds = � d

dt

�ZZA

B � dO�:

Jedem elektrischen Generator liegt dieses Prinzip zugrunde.

3. Im Gegensatz zum magnetischen Feld besitzt das elektrische Feld sehr wohl Quel-len, n�amlich elektrische Ladungen. Das Gau�'sche Gesetz besagt, dass der ge-samte elektrische Fluss durch eine geschlossene Fl�ache der von dieser Fl�ache um-schlossenen Ladung Q proportional ist:ZZ

@V

E � dO =Q

�0:

Die Gesamtladung ist wiederum die Ladungsdichte ("Ladung pro Volumen\) �

�uber das Volumen integriert, sodass man schlie�lich hat:ZZ@V

E � dO =

ZZZV

�0dV :

4. Wie �rsted bereits 1820 erkannte, erzeugt elektrischer Strom ein magnetischesFeld. Das Amp�ere'sche Gesetz besagt, dass die St�arke des Magnetfelds entlang

18

Page 19: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

einer geschlossenen Kurve dem durch die berandete Fl�ache ie�enden Strom I

proportional ist: Z@A

B � ds = �0I:

Ausgedr�uckt �uber die Stromdichte ("Strom pro Fl�ache\) j hat man dannZ

@A

B � ds = �0

ZZA

j � dO:

Es war James Clerk Maxwell, der erkannte, dass das Amp�ere'sche Gesetz unvoll-st�andig ist: Wird der Stromkreis z. B. durch einen Plattenkondensator unterbro-chen, so wird auch um diesen Kondensator herum ein Magnetfeld erzeugt, wenn ei-ne Wechselspannung angelegt wird. Dies brachte ihn auf die Idee, einen Verschie-bungsstrom einzuf�uhren, welcher postuliert, dass ein sich �andernder elektrischerFluss ein Magnetfeld erzeugt:

Z@A

B � ds = �0�0d

dt

�ZZA

E � dO�+ �0

ZZA

j � dO :

Wendet man auf die obigen vier eingerahmten physikalischen Gesetze den mathemati-schen Satz von Gau� ZZZ

V

div v dV =

ZZ@V

v � dO

und den Satz von Stokes ZZA

rot v � dO =

Z@A

v � ds

an, erh�alt man ZZZV

divB dV = 0;ZZA

rotE � dO = � d

dt

�ZZA

B � dO�;ZZZ

V

divE dV =

ZZZV

�0dV;ZZ

A

rotB � dO = �0�0d

dt

�ZZA

E � dO�+ �0

ZZA

j � dO:

Da diese Gleichungen f�ur beliebige Fl�achen A und Volumina V gelten, m�ussen die In-tegranden jeweils gleich sein. Das sind aber gerade die Maxwell'schen Gleichungen indi�erenzieller Form:

19

Page 20: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

divB = 0;

rotE = �@B@t;

divE =�

�0;

rotB = �0�0@E

@t+ �0j:

Abschlie�end sollte bemerkt werden, dass das Gau�'sche Gesetz zwar auch f�ur einePunktladung (z. B. im Ursprung 0) gilt { jedoch kann der Gau�'sche Integralsatz hiereigentlich nicht angewandt werden, da V n f0g im Allgemeinen nicht kompakt ist. F�ursolche F�alle braucht man feinere mathematische Hilfsmittel, um die G�ultigkeit der dif-ferenziellen Maxwell-Gleichungen nachzuweisen.

60 Di�erenzialgleichungen

Eine Di�erenzialgleichung unterscheidet sich von einer algebraischen Gleichung zun�achsteinmal dadurch, dass keine Zahlen, sondern Funktionen als L�osungen gesucht sind. Einweiteres Merkmal einer Di�erenzialgleichung ist, dass in ihr die gesuchte Funktion undderen Ableitungen vorkommen. Ein einfaches Beispiel einer Di�erenzialgleichung ist

x0(t) = x(t): (60.1)

Gesucht ist eine Funktion x : I ! R mit geeigneter De�nitionsmenge I � R, sodass dieGleichung f�ur alle t 2 I gilt. Dar�uber hinaus muss x auf ganz I di�erenzierbar sein, damitwir x0(t) hinschreiben d�urfen. Wenn man die Gleichung in Worten als Frage formuliert,bedeutet sie etwa:

"Welche di�erenzierbare Funktion ist mit ihrer Ableitung identisch?\.

Sicher ist die Exponentialfunktion x(t) = et eine L�osung, aber ist dies auch die einzigeL�osung? Sicher nicht, denn jede Funktion der Form x(t) = �et mit einer Konstanten� 2 R l�ost diese Di�erenzialgleichung. Sind dies jetzt auch wirklich alle L�osungen? Undwas ist mit komplizierteren Gleichungen, bei der eine L�osung nicht so einfach zu ratenist, wie etwa

x00(t) + sin (x(t)) = exp(�2t) ? (60.2)

Die obigen Beispiele sind Di�erenzialgleichungen mit Funktionen in einer Variablen.Diese nennt man gew�ohnliche Di�erenzialgleichungen. Es gibt aber auch Di�erenzi-algleichungen, in denen eine Funktion mit mehreren Variablen gesucht ist, und in der diepartiellen Ableitungen der gesuchten Funktion vorkommen. Solche Gleichungen hei�enpartielle Di�erenzialgleichungen. Diese k�onnen z. B. wie folgt aussehen:

u(x; y) � @2u

@x@y(x; y)� @u

@x(x; y) � @u

@y(x; y) = 0: (60.3)

In diesem Beispiel ist eine Funktion u in zwei Variablen gesucht. Die L�osungstheoriepartieller Di�erenzialgleichungen ist deutlich umfangreicher und unterscheidet sich sehr

20

Page 21: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

von der Theorie gew�ohnlicher Di�erenzialgleichungen. Das �ubliche Vorgehen, Di�eren-zialgleichungen allgemein mit k Variablen zu betrachten und Gleichungen mit k = 1 alsSpezialfall abzuhaken, funktioniert in diesem Falle nicht besonders gut.Schlie�lich werden wir auch Di�erenzialgleichungssysteme betrachten, also einenSatz von Gleichungen, durch die mehrere Funktionen bestimmt werden sollen. Wie beialgebraischen Gleichungen sind hier die linearen Gleichungssysteme von besonderer Be-deutung.Di�erenzialgleichungen kommen in den Natur- und Ingenieurswissenschaften sehr h�au�gvor. Man darf vermutlich sogar behaupten, dass wesentliche Teile der Natur und Tech-nik durch Di�erenzialgleichungen modelliert und beschrieben werden k�onnen. Um dieszu unterstreichen und die Theorie f�ur den Anwender zu motivieren, m�ochten wir imFolgenden einige Beispiele vorstellen.

60.1 Beispiele gew�ohnlicher Di�erenzialgleichungen

60.1.1 Das 2. Newton'sche Gesetz der Mechanik

Ein gro�er Teil der klassischen Mechanik befasst sich mit der Bewegung von so genannten

"K�orpern\. Ein solcher K�orper kann z. B. eine fallende Feder oder Bleikugel oder einfahrendes (oder fallendes) Auto sein. Der Einfachheit halber m�ochten wir zun�achst nurdie Bewegung von K�orpern beschreiben, die sich auf einer geraden Linie bewegen. Mit

"beschreiben\ ist hierbei gemeint: Geben Sie eine Funktion x an, die jedem Zeitpunktt den Ort des K�orpers x(t) zuordnet. Gem�a� des 2. Newton'sches Gesetz erf�ullt dieseFunktion die folgende Gleichung:

F (x(t); x0(t)) = mx00(t): (60.4)

Wie gesagt ist x(t) der Ort des K�orpers zur Zeit t, und m > 0 ist seine tr�age Masse. Fbezeichnet die Kraft, die auf den K�orper wirkt und welche auch vom Ort und der Ge-schwindigkeit x0 abh�angen kann. Die zeitliche �Anderung der Geschwindigkeit, (x0)0 = x00

ist die Beschleunigung. Also kurz gefasst: Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung!�Ubrigens kann im Allgemeinen auch die Masse eine Funktion der Zeit sein { bei einerTreibsto�rakete ist dies zum Beispiel eine vern�unftige Annahme, da diese bei eingeschal-tetem Triebwerk sehr schnell an Masse verlieren kann.Ein wichtiger Spezialfall ist gegeben, wenn auf den K�orper keine Kr�afte wirken, alsoF = 0 gilt. In diesem Fall lautet das 2. Newton'sche Gesetz 0 = mx00(t). Da m 6= 0gilt, bedeutet dies einfach, dass die Beschleunigung zu jedem Zeitpunkt verschwindet:x00(t) = 0. Diese Di�erenzialgleichung kann einfach durch Integrieren gel�ost werden:

x00(t) = 0() (60.5)

x0(t) = v0 () (60.6)

x(t) = v0t+ x0: (60.7)

Jede Zeile ensteht durch Berechnen einer Stammfunktion, und diese ist bis auf ei-ne Integrationskonstante eindeutig bestimmt { welche hier v0 bzw. x0 genannt wur-

21

Page 22: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

de. Ein K�orper, der sich mit konstanter Geschwindigkeit x0(t) = v0 bewegt, bewegtsich

"gleichf�ormig geradlinig\. Also haben wir aus dem 2. Newton'schen Gesetz das

1. Newton'sche Gesetz abgeleitet:"Jeder K�orper verharrt im Zustand der Ruhe oder

gleichf�ormig geradliniger Bewegung, solange keine Kraft auf ihn wirkt.\Ein weiterer interessanter Spezialfall ist das (geschwindigkeitsunabh�angige) KraftgesetzF (x(t)) = �Dx(t) mit D > 0. Die resultierende Gleichung wird auch Schwingungs-

gleichung genannt:

�Dx(t) = mx00(t)() x00(t) + !2x(t) = 0; ! :=

rD

m: (60.8)

Diese Di�erenzialgleichung ist ein Beispiel f�ur eine lineare Di�erenzialgleichung.

60.1.2 Die Lorenz-Gleichungen

Als n�achstes Beispiel betrachten wir ein Di�erenzialgleichungssystem. Es handelt sichhierbei um drei Gleichungen in drei unbekannten Funktionen x; y; z und wird ben�otigt,um Konvektionsvorg�ange zu beschreiben. Sie lauten:

x0(t) = �(y(t)� x(t)); (60.9)

y0(t) = x(t)(� � z(t))� y(t); (60.10)

z0(t) = x(t)y(t)� �z(t): (60.11)

Diese Gleichungen f�ur beliebige Parameterwerte �, � und � geschlossen zu l�osen,erscheint einigerma�en aussichtslos. Tats�achlich muss man sagen, dass die meistenDi�erenzialgleichungen und -gleichungssysteme in der Praxis nur numerisch, alson�aherungsweise mithilfe eines Computers, gel�ost werden k�onnen. Im Fall der hier vorlie-genden Lorenz-Gleichungen kann man die L�osungen veranschaulichen, indem man sie zueinem Vektor zusammenfasst: (x(t); y(t); z(t)) 2 R3. Dies stellt aber einfach eine Kurvein R3 dar. Abbildung 5 zeigt eine solche L�osungskurve der Lorenz-Gleichungen. Wie Siesehen, k�onnen die L�osungen gew�ohnlicher Di�erenzialgleichungssysteme eine

"verwickel-

te\ Struktur aufweisen. So eine Struktur ist typisch f�ur Di�erenzialgleichungssysteme,die nicht linear sind (sich also nicht durch geeignete Umformungen auf die Form 60.17bringen lassen), und die gekoppelt sind. Gekoppelte Di�erenzialgleichungssysteme sindsolche, die sich nicht auf eine Form bringen lassen, bei der in jeder Gleichung des Systemsnur eine gesuchte Funktion vorkommt. In dem Fall h�atte man eine Anzahl von separatenGleichungen, die jede f�ur sich gel�ost werden k�onnte.

60.2 Beispiele partieller Di�erenzialgleichungen

60.2.1 Die Wellengleichung

Wie der Name schon sagt, beschreibt die Wellengleichung die Ausbreitung einer Welle.Die eindimensionale Wellengleichung mit Ausbreitungsgeschwindigkeit c > 0 lautet:

@2u

@x2(t; x)� 1

c2@2u

@t2(t; x) = 0: (60.12)

22

Page 23: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

24

20

16y

12−16

8−12

−8 4

−4000

−4

2

4

4

−8 8

6

−12 12

8

x

10

16−16

12

14

−20

16

−24

18

20

22

24z

26

28

30

32

34

36

38

40

42

44

46

48

Abbildung 5: Eine L�osungskurve der Lorenz-Gleichungen (� = 10; � = 83; � = 28)

Eindimensional deshalb, weil sie auf eine Raumdimension mit Koordinate x ausgelegtist; man kann durch sie also z. B. Schallwellen in einem d�unnen Hohlstab beschreiben{ u gibt in diesem Fall die Dichte oder den Druck an. M�ochte man die Auslenkun-gen einer Trommelmembran untersuchen, eignet sich hierf�ur eher die zweidimensionaleWellengleichung:

@2u

@x2(t; x; y) +

@2u

@y2(t; x; y)� 1

c2@2u

@t2(t; x; y) = 0: (60.13)

Wie �ublich steht die Variable t f�ur die Zeit. Jede Funktion der Form u(t; x) = f(x�ct) miteiner beliebigen zweimal di�erenzierbaren Funktion f : R ! R l�ost die eindimensionaleWellengleichung. Das l�asst sich mithilfe der Kettenregel leicht �uberpr�ufen:

@2u

@x2(t; x)� 1

c2@2u

@t2(t; x) = f 00(x� ct)� 1

c2(�c)2f 00(x� ct) (60.14)

= 0: (60.15)

Nun ist der Graph der Funktion x 7! f(x � ct) aber einfach der Graph von x 7! f(x),blo� um ct nach rechts verschoben (s. Abb. 6). Dies bedeutet, dass das Wellenpro�l,dass durch die Funktion f beschrieben wird, sich mit konstanter Geschwindigkeit centlang der x-Achse nach rechts bewegt. Wie man leicht sieht, ist f(x+ct) ebenfalls eineL�osung { diese beschreibt eine Welle, welche sich nach links fortp anzt. Es ist sogar die

23

Page 24: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Abbildung 6: L�osungen der Wellengleichung p anzen sich fort

Kombination f1(x� ct) + f2(x+ ct) m�oglich, und allgemein ist jede Linearkombinationvon L�osungen der Wellengleichung wieder eine L�osung. Diese Eigenschaft ist vor allenDingen in der Physik auch als Superpositionsprinzip bekannt und ist ein Merkmallinearer Di�erenzialgleichungen.

60.2.2 Die Navier-Stokes-Gleichungen

In der Str�omungslehre (Hydrodynamik) wird das Geschwindigkeitsfeld einer inkompres-siblen Fl�ussigkeit durch die Navier-Stokes-Gleichungen beschrieben. Dieses Geschwin-digkeitsfeld ordnet jedem Zeitpunkt t 2 R und jedem Ort x 2 R

3 eine Raumrichtungv(t; x) 2 R3 zu, in die sich ein Fl�ussigkeitsteilchen bewegt. Gegeben sind der im Allge-meinen ebenfalls von Zeit und Ort abh�angige Druck p(t; x) � 0 und eine gegebenfallsauf die Fl�ussigkeit einwirkende Beschleunigung g(t; x) 2 R

3, die von �au�eren Kr�aftenherr�uhrt. Dar�uber hinaus sei die Dichte � > 0 und die Viskosit�at � � 0 der Fl�ussigkeitgegeben. Dann lauten die Navier-Stokes-Gleichungen in den einzelnen Komponenten vonv(t; x) = (v1(t; x); v2(t; x); v3(t; x)):

@vi

@t+

3Xk=1

vk@vi

@xk� �

3Xk=1

@2vi

@x2k= �1

@p

@xi+ gi (i = 1; 2; 3): (60.16)

Die Navier-Stokes-Gleichungen sind ein gekoppeltes System nicht linearer, partiellerDi�erenzialgleichungen { also von der

"schlimmsten\ Sorte. Aus diesem Grund ist es

nicht weiter verwunderlich, dass bis heute (Nov. 2008) unbekannt ist, ob es f�ur alle

"vern�unftigen\ Anfangsbedingungen v(0; x)

!= v0(x) eine "

vern�unftige\ L�osung gibt: DerNachweis der Existenz glatter, globaler L�osungen mit endlicher Energie

RRRR3kvkdV <

1 f�ur das allgemeine Navier-Stokes-Anfangswertproblem geh�ort zu den so genanntenMillenium-Problemen, dessen L�osung vom

"Clay Mathematics Institute\ mit einem

Preisgeld von einer Million US-Dollar belohnt w�urde.

24

Page 25: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

60.3 Gew�ohnliche lineare Di�erenzialgleichungen

De�nition 60.1. Gew�ohnliche lineare Di�erenzialgleichung n-ter Ordnung.

Sei I � R ein o�enes Intervall, und seien a0; : : : ; an�1; b reelle Funktionen auf I. Dannnennt man eine Gleichung in der n-mal di�erenzierbaren unbekannten Funktion x : I !C der Form

x(n) + an�1x(n�1) + : : :+ a1x0 + a0x = b (60.17)

eine gew�ohnliche lineare Di�erenzialgleichung der Ordnung n. Man nennt die Funktionb die Inhomogenit�at der Gleichung. Ist b = 0, hei�t die Gleichung homogen.

Bemerkung 60.1. � Beachten Sie, dass wir im Allgemeinen komplexwertige L�osungenzulassen. Obwohl in Anwendungen meist reelle L�osungen gesucht werden, wird sichdies als praktisch herausstellen. (Die Ableitung einer komplexwertigen Funktionf = u+ iv ist einfach de�niert als f 0 = u0 + iv0, und alle Rechenregeln �ubertragensich analog.) Ein Beispiel f�ur eine Di�erenzialgleichung mit komplexer L�osung istx00 = �x; diese hat als eine L�osung x(t) = eit.

� Die Gleichung x(n) + an�1x(n�1) + : : :+ a1x0 + a0x = b bedeutet nat�urlich, dass

x(n)(t) + an�1(t)x(n�1)(t) + : : :+ a1(t)x0(t) + a0(t)x(t) = b(t) (60.18)

f�ur alle t 2 I gilt.

De�nition 60.2. Gew�ohnliches lineares Di�erenzialgleichungssystem 1. Ord-

nung. Sei I � R ein o�enes Intervall, und seien a11; : : : ; a1n; a21; : : : ; a2n; : : : ; ann so-wie b1; : : : ; bn reelle Funktionen auf I. Dann nennt man ein Gleichungssystem in dendi�erenzierbaren unbekannten Funktionen x1; : : : ; xn : I ! C der Form

x01 = a11x1 + : : :+ a1nxn + b1; (60.19)

... (60.20)

x0n = an1x1 + : : :+ annxn + bn (60.21)

ein gew�ohnliches lineares Di�erenzialgleichungssystem erster Ordnung. Fassen wir diexi und bi jeweils zu einem Spaltenvektor und die aij zu einer Matrix zusammen, schreibtsich dieses System einfach wie folgt:

x 0 = A � x+ b: (60.22)

Man nennt A : I ! M(n � n;R) Koe�zientenmatrix, und b : I ! Rn hei�t Inho-

mogenit�at. Ein lineares Di�erenzialgleichungssystem erster Ordnung mit b = 0 nenntman homogen.

25

Page 26: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Wir haben die gesuchten Funktionen xi : I ! C zu einer Abbildung x : I ! Cn zu-

sammengefasst. Beschr�anken wir uns auf reelle L�osungen x : I ! Rn, so l�asst sich diese

Abbildung recht anschaulich als Kurve au�assen. Dies hatten wir ja schon am (nichtlinearen) Beispiel der Lorenz-Gleichungen gesehen. In der Praxis hat man meistens nichtnur eine Di�erenzialgleichung, sondern auch einen Anfangswert gegeben. Z. B. kann manmithilfe einer Di�erenzialgleichung beschreiben, wie viele Atomkerne eines radioaktivenMaterials nach einer bestimmten Zeit zerfallen sind. Hierf�ur muss man jedoch zus�atzlichwissen, wie viele Atome des Materials zu Beginn des Experiments vorhanden waren.

De�nition 60.3. Seix 0 = A � x+ b (60.23)

ein lineares Di�erenzialgleichungssystem erster Ordnung mit Koe�zientenmatrixA : I ! M(n � n;R) und Inhomogenit�at b : I ! R

n. Sei ferner x0 2 Rn und t0 2 I.

Dann nennt man das Di�erenzialgleichungssystem zusammen mit der Anfangswert-bedingung

x(t0) = x0 (60.24)

ein Anfangswertproblem.

Die Bedeutung linearer Di�erenzialgleichungssysteme erster Ordnung ist dadurch be-gr�undet, dass lineare Di�erenzialgleichungen beliebiger Ordnung sich in ein solches Sys-tem umschreiben lassen. Wir zeigen dies exemplarisch am Beispiel einer Di�erenzialglei-chung 2. Ordnung, x00 + a1x

0 + a0x = b. Nimmt man die Substitution v = x0 vor, soergibt sich:

v = x0; x00 + a1x0 + a0x = b() (60.25)

x0 = v; v0 + a1v + a0x = b() (60.26)

x0 = 0 � x+ v; v0 = �a0x� a1v + b() (60.27)�x0

v0

�=

�0 1�a0 �a1

���x

v

�+

�0b

�(60.28)

Wir k�onnen also genauso gut das lineare Di�erenzialgleichungssystem mit Koe�zienten-matrix

A =

�0 1�a0 �a1

�(60.29)

und Inhomogenit�at

b =

�0b

�(60.30)

l�osen, um ans Ziel zu gelangen.Allgemein l�asst sich auf diese Weise eine lineare Di�erenzialgleichung x(n)+an�1x(n�1)+: : : + a1x

0(t) + a0x = b in ein �aquivalentes lineares Di�erenzialgleichungssystem erster

26

Page 27: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Ordnung umschreiben, welches aus n Gleichungen besteht. Hierzu substituiert man ganzanalog v1 = x0; : : : ; vn�1 = x(n�1) und erh�alt0

BBB@x0

v01...

v0n�1

1CCCA =

0BBB@

0 1 � � � 0...

. . ....

0 1�a0 � � � �an�1

1CCCA �

0BBB@

x

v1...

vn�1

1CCCA+

[email protected]

1CCCA : (60.31)

61 L�osungsansatz f�ur homogene lineare

Di�erenzialgleichungen mit konstanten Koe�zienten

Eine m�ogliche Grundmenge, aus der man L�osungen f�ur eine lineare Di�erenzialgleichungn-ter Ordnung sucht, ist die Menge der wenigstens n-mal stetig di�erenzierbaren, aufeinem o�enen Intervall I � R de�nierten komplexwertigen Funktionen, welche wir mitCn(I;C) bezeichnen. Wir erinnern daran, dass Cn(I;C) zusammen mit der gew�ohnlichenpunktweisen Addition und punktweisen Multiplikation mit komplexen Zahlen einen C-Vektorraum darstellt.

Satz 61.1. Die L�osungsmenge einer homogenen linearen Di�erenzialgleichung n-terOrdnung ist ein Untervektorraum von Cn(I;C).

Beweis. Seix(n) + an�1x(n�1) + : : :+ a1x

0 + a0x = 0 (61.1)

eine homogene lineare Di�erenzialgleichung mit Koe�zienten a0; : : : ; an�1 : I ! R.Wir fassen den Ableitungsoperator d

dtals lineare Abbildung auf Cn(I;C) auf und schrei-

ben f�ur die k-te Hintereinanderausf�uhrung wie �ublich�ddt

�k= dk

dtk. Dann ist

L :=dn

dtn+ an�1

dn�1

dtn�1+ : : :+ a1

d

dt+ a0 id (61.2)

ebenfalls linear, und die obige Di�erenzialgleichung kann geschrieben werden als Lx = 0.Folglich ist die L�osungsmenge der Di�erenzialgleichung gerade durch den Kern von L

gegeben, welcher ein Untervektorraum von Cn(I;C) sein muss. (Dass Cn(I;C) nichtendlichdimensional ist, spielt f�ur die Argumentation keine Rolle.) �

Bemerkung 61.1. Wem die obige Erkl�arung zu obskur ist, kann die Untervektorrau-meigenschaften auch gerne

"zu Fu�\ nachweisen: Die L�osungsmenge ist nicht leer, denn

x(t) = 0 ist eine L�osung. Sei x eine beliebige L�osung und � 2 C. Dann gilt

(�x)(n) + an�1(�x)(n�1) + : : :+ a1(�x)0 + a0(�x) = (61.3)

�x(n) + �an�1x(n�1) + : : :+ �a1x0 + �a0x = (61.4)

��x(n) + an�1x(n�1) + : : :+ a1x

0 + a0x�= � � 0 = 0; (61.5)

27

Page 28: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

sodass auch �x eine L�osung ist. Der Nachweis der Abgeschlossenheit bzgl. der Additionvon L�osungen funktioniert genau so.

Wie gro� der L�osungsraum ist, verraten wir ohne Beweis:

Satz 61.2. Der L�osungsraum einer homogenen linearen Di�erenzialgleichung n-terOrdnung mit stetigen Koe�zienten ist n-dimensional.

Eine homogene lineare Di�erenzialgleichung mit stetigen Koe�zienten ist also vollst�andiggel�ost, wenn man n linear unabh�angige L�osungen und damit eine Basis des L�osungsraums�ndet. Eine solche Basis nennt man auch Fundamentalsystem der Di�erenzialglei-chung. Im Spezialfall konstanter Koe�zienten hilft hierbei der folgende Satz:

Satz 61.3. Sei x(n)+ an�1x(n�1)+ : : :+ a1x0+ a0x = 0 eine homogene lineare Di�eren-zialgleichung mit konstanten Koe�zienten a0; : : : ; an�1 2 R, und sei

p : C! C; p(z) = zn + an�1zn�1 + : : :+ a1z + a0 (61.6)

das so genannte charakteristische Polynom der Di�erenzialgleichung. Sei � 2 C

eine Nullstelle von p mit Vielfachheit k. Dann sind die Funktionen

x0(t) = e�t; x1(t) = te�t; : : : ; xk�1(t) = tk�1e�t (61.7)

linear unabh�angige L�osungen der Di�erenzialgleichung.

Beweis. Wir schreiben die Di�erenzialgleichung wieder als Lx = 0 mit L wie in (61.2).

Da die Koe�zienten ai konstant sind, und somit d(aix)dt

= aidxdt, k�onnen wir L wie ein

gew�ohnliches Polynom zerlegen:

L =

�d

dt� �n�k id

�� � ��d

dt� �2 id

��d

dt� � id

�k; (61.8)

wobei �2; : : : ; �n�k die �ubrigen Nullstellen des charakteristischen Polynoms sind, ohneBer�ucksichtigung der Vielfachheiten.

Es gen�ugt also zu zeigen, dass�ddt� � id

�kxl = 0 f�ur alle l 2 f0; : : : ; k�1g. Wir beweisen

dies durch vollst�andige Induktion. F�ur k = 1 ist die Behauptung richtig, denn dannbleibt nur l = 0 zu pr�ufen:�

d

dt� � id

�x0(t) = x00(t)� �x0(t) = �e�t � �e�t = 0: (61.9)

Sei die Behauptung f�ur ein k 2 N bereits bewiesen. Dann gilt mit l 2 f0; : : : ; kg:

28

Page 29: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

�d

dt� � id

�k+1

xl(t) =

�d

dt� � id

��d

dt� � id

�kxl(t): (61.10)

Falls l < k, sind wir nach Induktionsvoraussetzung fertig. Es bleibt noch der Fall l = k

zu betrachten:�d

dt� � id

�k+1

xk(t) =

�d

dt� � id

�k+1 �tke�t

�(61.11)

=

�d

dt� � id

�k �d

dt� � id

��tke�t

�(61.12)

=

�d

dt� � id

�k �ktk�1e�t + �tke�t � �tke�t

�(61.13)

=

�d

dt� � id

�k �ktk�1e�t

�(61.14)

= k

�d

dt� � id

�kxk�1(t) (61.15)

= 0: (61.16)

Das letzte Gleichheitszeichen folgt aus der Induktionsvoraussetzung.

Es bleibt noch die lineare Unabh�angigkeit der xi zu zeigen. Seien c0; c1; : : : ; ck�1 2 C so,dass c0x0 + c1x1 + : : :+ ck�1xk�1 = 0, d. h. f�ur alle t 2 R gilt

c0x0(t) + c1x1(t) + : : :+ ck�1xk�1(t) = 0) (61.17)

c0e�t + c1te

�t + : : :+ ck�1tk�1e�t = 0) (61.18)

c0 + c1t+ : : :+ ck�1tk�1 = 0) (61.19)

c0 = c1 = � � � = ck�1 = 0: (61.20)

Folglich sind die Funktionen x0; : : : ; xk�1 linear unabh�angig. �

Somit ergibt jede Nullstelle � 2 C des charakteristischen Polynoms der Vielfachheit keinen k-dimensionalen Teilraum des gesamten L�osungsraums der Di�erenzialgleichung,indem man die oben konstruierten L�osungen linear kombiniert.

Hat man eine weitere, von � verschiedene Nullstelle � 2 C, so liefert diese L�osungen,die linear unabh�angig zu den bereits gefundenen sind; dies kann man wie folgt durchWiderspruch zeigen. Angenommen, es g�abe c0; : : : ; ck�1 2 C so, dass

c0e�t + c1te

�t + : : :+ ck�1tk�1e�t = tme�t; (61.21)

d. h.c0 + c1t+ : : :+ ck�1tk�1 = tme(���)t: (61.22)

Man sieht hier eigentlich bereits, dass linke und rechte Seite sicher nicht f�ur alle t 2 Rgleich sein k�onnen. F�ur die Ungl�aubigen unterscheiden wir zwei F�alle:

29

Page 30: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

1. Null ist die einzige Nullstelle des Polynoms auf der linken Seite. Dann m�ussen alleci bis auf h�ochstens eines verschwinden:

citi = tme(���)t ) ci = tm�ie(���)t f�ur t 6= 0: (61.23)

Das kann aber o�ensichtlich nicht f�ur alle t 6= 0 richtig sein, da die rechte Seite f�ur� 6= � nicht konstant ist.

2. Null ist nicht die einzige Nullstelle, sondern es gibt eine Nullstelle � 6= 0. Einsetzenin (61.22) ergibt dann

0 = �me(���)�; (61.24)

was sicher nicht richtig ist.

Bemerkung 61.2. Sp�ater werden wir ein einfacheres Kriterium f�ur die lineare Un-abh�angigkeit von Funktionen kennen lernen: den so genannten Wronski-Test.

Da sich die Vielfachheiten aller Nullstellen des charakteristischen Polynoms zur Ordnungn der Di�erenzialgleichung und damit zur Dimension des L�osungsraums aufaddieren, hatman schlie�lich eine Basis des L�osungsraums, also ein Fundamentalsystem konstruiert.

Bemerkung 61.3. In vielen Anwendungen m�ochte man keine komplexwertigen, son-dern reellwertige L�osungen einer Di�erenzialgleichung haben. Das ist jedoch kein Pro-blem: Das charakteristische Polynom hat reelle Koe�zienten, sodass dessen Nullstel-len immer in komplex konjugierten Paaren � = a + ib; �� = a � ib auftreten. Die ent-sprechenden L�osungen der Di�erenzialgleichung k�onnen dann zu reellen L�osungen linearkombiniert werden:

1

2i(tme�t � tme

��t) =1

2i(tme(a+ib)t � tme(a�ib)t) (61.25)

=tmeat

2i(eibt � e�ibt) (61.26)

= tmeat sin(bt) (61.27)

1

2(tme�t + tme

��t) =1

2(tme(a+ib)t + tme(a�ib)t) (61.28)

=tmeat

2(eibt + e�ibt) (61.29)

= tmeat cos(bt): (61.30)

Beispiel 61.1:

Das charakteristische Polynom der homogenen linearen Di�erenzialgleichung zweiterOrdnung

x00 + !2x = 0 (61.31)

mit konstantem ! > 0 ist gegeben durch

p(z) = z2 + !2: (61.32)

30

Page 31: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Dieses Polynom hat die Nullstellen i! und �i!, sodass die Funktioneny1(t) = ei!t; y2(t) = e�i!t (61.33)

linear unabh�angige L�osungen sind. M�ochte man reellwertige L�osungen haben, so ver-wendet man stattdessen

x1(t) =1

2i(y1(t)� y2(t)) = sin(!t); (61.34)

x2(t) =1

2(y1(t) + y2(t)) = cos(!t) (61.35)

als Fundamentalsystem. Jede reelle L�osung ist also von der Form

x(t) = Ax1(t) +Bx2(t) = A sin(!t) +B cos(!t) (61.36)

mit reellen Konstanten A;B.

Physikalisches Anwendungsbeispiel 61.2:

Die Di�erenzialgleichung aus dem letzten Beispiel beschreibt z. B. den zeitlichen Verlaufder Auslenkung eines Federpendels ohne Ber�ucksichtigung der Reibung, durch die inWirklichkeit jedes Pendel schlie�lich zur Ruhe kommt. Unter Ber�ucksichtigung einergeschwindigkeitsabh�angigen Reibungskraft mit D�ampfungskonstante � > 0 hat manhingegen die Gleichung

x00 + 2�x0 + !2x = 0: (61.37)

Das charakteristische Polynom hat die Nullstellen

z1=2 = ���p�2 � !2: (61.38)

Man kann nun drei F�alle unterscheiden:

� Im Fall � < ! sind beide Nullstellen komplex, und die allgemeine reelle L�osung isteine ged�ampfte Schwingung, deren Amplitude mit der Zeit kleiner wird:

x(t) = Ae��t sin(!�t) +Be��t cos(!�t); (61.39)

wobei !� :=p!2 � �2. Man beachte, dass !� < !, d. h. die Frequenz der Schwin-

gung wird ebenfalls durch die D�ampfung verringert.

� Im Fall � > ! sind beide Nullstellen reell, das Pendel ist �uberd�ampft, und es �ndetkeine Schwingung durch die Ruhelage statt:

x(t) = Ae(��+��)t +Be(����

�)t; (61.40)

wobei �� :=p�2 � !2 < �. Man nennt dies auch den Kriechfall.

� Im Fall � = ! sind beide Nullstellen reell und identisch, und es �ndet keine Schwin-gung durch die Ruhelage statt:

x(t) = Ae��t +Bte��t: (61.41)

Diese Situation nennt man den aperiodischen Grenzfall. Tats�achlich �ndet dasPendel noch schneller in die Ruhelage zur�uck als beim Kriechfall; dieses Verhaltenmacht man sich beispielsweise bei der Konstruktion von Sto�d�ampfern zu Nutze.

31

Page 32: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

62 Anfangswertprobleme I

62.1 Anfangswertprobleme homogener linearerDi�erenzialgleichungen mit konstanten Koe�zienten

Jedes Anfangswertproblem

x(n) + an�1x(n�1) + : : :+ a1x0 + a0x = 0; (62.1)

x(t0) = u0; x0(t0) = u1; : : : ; x

(n�1)(t0) = un�1 (62.2)

mit t0; a0; : : : ; an�1; u0; : : : ; un�1 2 R hat eine eindeutig bestimmte L�osung. Ist n�amlich(x1; : : : ; xn) ein Fundamentalsystem der Di�erenzialgleichung, und setzt man die An-fangswertbedingungen in die allgemeine L�osung x(t) = c1x1(t) + : : : + cnxn(t) ein, soerh�alt man ein lineares Gleichungssystem in den Koe�zienten c1; : : : ; cn, von dem manzeigen kann, dass es genau eine L�osung besitzt.

Bemerkung 62.1. Schreibt man die obige Di�erenzialgleichung in ein System um undfasst die Anfangswertbedingungen zu einer Vektorgleichung zusammen, erh�alt man0

BBB@x0

v01...

v0n�1

1CCCA =

0BBB@

0 1 � � � 0...

. . ....

0 1�a0 � � � �an�1

1CCCA �

0BBB@

x

v1...

vn�1

1CCCA ; (62.3)

0BBB@

x(t0)v1(t0)...

vn�1(t0)

1CCCA =

0BBB@

u0u1...

un�1

1CCCA (62.4)

mit v1 = x0, v2 = x00 usw. Das ist aber gerade ein Anfangswertproblem im bereits f�urlineare Di�erenzialgleichungssysteme de�nierten Sinne.

Beispiel 62.1:

Die allgemeine L�osung der Schwingungsgleichung x00 + !2x = 0 ist

x(t) = A sin(!t) +B cos(!t): (62.5)

Betrachten wir die Anfangswertbedingungen

x(0) = x0; (62.6)

x0(0) = v0 (62.7)

mit beliebigem x0; v0 2 R. Durch Einsetzen der allgemeinen L�osung erh�alt man dasGleichungssystem

B = x0; (62.8)

!A = v0; (62.9)

32

Page 33: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

sodassx(t) =

v0

!sin(!t) + x0 cos(!t) (62.10)

die gesuchte L�osung ist.

62.2 Anfangswertprobleme homogener linearerDi�erenzialgleichungssysteme mit konstanten Koe�zienten

Seien t0; x0; a 2 R. Dann hat das Anfangswertproblem

x0(t) = ax(t); x(t0) = x0 (62.11)

die eindeutige L�osung x(t) = x0ea(t�t0). Tats�achlich gilt dies analog auch f�ur gr�o�ere

Di�erenzialgleichungssysteme:

Satz 62.1. Seien t0 2 R, x0 2 Rn und A 2 M(n� n;R). Dann hat das Anfangswert-problem

x0 = Ax; x(t0) = x0 (62.12)

die eindeutig bestimmte L�osung

x(t) = e(t�t0)Ax0: (62.13)

Nat�urlich muss man hierzu angeben, was man unter"e-hoch-Matrix\ versteht.

Satz 62.2. Sei X 2M(n� n;C). Dann konvergiert

eX := En +X +X2

2!+X3

3!+ : : : (62.14)

Beweis. Wie bei Folgen von Vektoren in Rn auch, konvergiert diese matrixwertige Folgegenau dann, wenn jede der einzelnen Komponentenfolgen

(En)ij + (X)ij +

�X2

2!

�ij

+

�X3

3!

�ij

+ : : : (62.15)

konvergiert. Jede dieser Komponentenfolgen ist o�ensichtlich eine gew�ohnliche Reihe.Der gr�o�te Eintrag im ersten Summanden ist 1. Der betragsm�a�ig gr�o�te Eintrag imzweiten Summanden, also X, sei m. Der betragsm�a�ig gr�o�te Eintrag des dritten Sum-manden X2

2!ist dann h�ochstens nm2

2!. Allgemein ist der gr�o�te Eintrag des (k � 1)-ten

Summanden sicher nicht gr�o�er ck :=nk�1mk

k!. (Wenn man m�ochte, kann man das noch

etwas strenger durch vollst�andige Induktion zeigen.)

33

Page 34: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Wendet man das Quotientenkriterium auf die so erhaltene, allen Komponenten gemein-same Majorante an, ergibt sich

ck+1

ck=nkmk+1

(k + 1)!

k!

nk�1mk=

nm

k + 1���!k!1

0: (62.16)

Wenn X 2 M(n � n;R) diagonalisierbar ist, kann man eX direkt berechnen. Hat mann�amlich X = S�1DS mit S 2M(n� n;R) invertierbar und D 2M(n� n;R) diagonal,dann ist zun�achst einmal

Xk = (S�1DS)k (62.17)

= (S�1DS)(S�1DS) � � � (S�1DS)| {z }k-mal

(62.18)

= S�1DSS�1DS � � �S�1DSS�1DS (62.19)

= S�1DEnDS � � �S�1DEnDS (62.20)

= S�1D � � �D| {z }k-mal

S (62.21)

= S�1DkS: (62.22)

F�ur die Exponentialreihe ergibt sich damit

eX = eS�1DS (62.23)

=1Xk=0

(S�1DS)k

k!(62.24)

=1Xk=0

S�1Dk

k!S (62.25)

= S�1 1Xk=0

Dk

k!

!S (62.26)

= S�1eDS: (62.27)

Die Matrix eD ist jedoch leicht zu berechnen; sind �1; : : : ; �n die Diagonaleintr�age vonD (bzw. die Eigenwerte von X), so hat man

eD =

0BBBBB@

e�1 0 � � � 00 e�2 � � � 0...

......

. . . 00 � � � 0 e�n

1CCCCCA (62.28)

34

Page 35: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beispiel 62.2:

Sei t 2 R. Die Matrix

X =

�0 t

�t 0

�(62.29)

hat die Eigenwerte �1 = it und �2 = �it mit den zugeh�origen Eigenvektoren

v1 =

�1i

�; v2 =

�1�i�: (62.30)

Somit gilt

S�1 =�1 1i �i

�; (62.31)

und f�ur die Inverse von S�1 berechnet man z. B. mithilfe des Gau�-Algorithmus

S =1

2

�1 �i1 i

�: (62.32)

Folglich hat man

eX = S�1eDS (62.33)

=

�1 1i �i

���eit 00 e�it

�� 12

�1 �i1 i

�(62.34)

=1

2

�1 1i �i

���eit �ieite�it ie�it

�(62.35)

=

�12(eit + e�it) � i

2(eit � e�it)

i2(eit � e�it) 1

2(eit + e�it)

�(62.36)

=

�cos t sin t� sin t cos t

�: (62.37)

Beispiel 62.3:

Die Schwingungsgleichung x00 + x = 0 mit Kreisfrequenz ! = 1 lautet umgeschrieben inein System mit v = x0: �

x0(t)v0(t)

�=

�0 1�1 0

���x(t)v(t)

�: (62.38)

Betrachten wir wieder das Anfangswertproblem�x(0)v(0)

�=

�x0v0

�; (62.39)

so erhalten wir zusammen mit der Berechnung aus dem letzten Beispiel die L�osung:�x(t)v(t)

�=

�cos t sin t� sin t cos t

���x0v0

�: (62.40)

35

Page 36: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Eine L�osung (x(t); v(t)) des Di�erenzialgleichungssystems entsteht also durch Drehungdes Anfangswertes (x0; v0) um den Winkel �t um den Ursprung. Die L�osungskurvensind somit gegeben durch im Uhrzeigersinn durchlaufene Kreise in der x-v-Ebene umden Ursprung mit Radius R =

px20 + v20 (

"Phasenraumportr�at\).

Die Projektion von (x(t); v(t)) auf die x-Achse beschreibt die periodische Bewegung

x(t) = v0 sin t+ x0 cos t (62.41)

des Schwingers ("Zeigerdiagramm\).

Physikalisches Anwendungsbeispiel 62.4:

Die Di�erenzialgleichung aus dem letzten Beispiel beschreibt z. B. die Auslenkung einesFederpendels mit Masse m = 1 und der R�uckstellkraft F (x(t)) = �x(t).Die Summe der kinetischen Energie T (t) = 1

2v(t)2 und der potenziellen Energie

U(t) = 12x(t)2 bleibt entlang der L�osungskurven im x-v-Phasenraum konstant, da diese

Kreislinien sind:

T (t) + U(t) =1

2v(t)2 +

1

2x(t)2 =

1

2v20 +

1

2x20: (62.42)

Diese so genannte Energieerhaltung gilt ganz allgemein auch im nicht linearen Fall:De�niert man f�ur die f�ur eine beliebige L�osung x : R! R von mx00(t) = F (x(t))

T (t) :=1

2m(x0(t))2; (62.43)

U(t) := �Z x(t)

0

F (u) du; (62.44)

so ergibt sich unter Ber�ucksichtigung der Bewegungsgleichung

d

dt(T (t) + U(t)) =

1

22mx00(t)x0(t)� F (x(t))x0(t) (62.45)

= mx00(t)x0(t)�mx00(t)x0(t) (62.46)

= 0: (62.47)

63 Anfangswertprobleme II, inhomogene lineare

Di�erenzialgleichungssysteme und Variation der

Konstanten

F�ur die L�osungen eines homogenen linearen Di�erenzialgleichungssytems gilt analog zuhomogenen linearen Di�erenzialgleichungen n-ter Ordnung, dass diese einen Untervek-torraum bilden (in diesem Fall von C1(I;Cn) = fx : I ! C

njx ist stetig di�erenzierbarg).Eine Basis des L�osungsraums nennt man auch in diesem Fall Fundamentalsystem.

36

Page 37: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

63.1 Anfangswertprobleme linearer Di�erenzialgleichungssysteme

Man hat zwar f�ur lineare Di�erenzialgleichungssysteme mit nicht konstanter Koe�zien-tenmatrix keine geschlossenen L�osungsmethoden mehr, aber man kann bei stetiger Koef-�zientenmatrix und Inhomogenit�at zumindest eine Existenz- und Eindeutigkeitsaussagemachen:

Satz 63.1. Seien I � R ein o�enes Intervall, A : I !M(n� n;R), b : I ! Rn, t0 2 R

und x0 2 Rn. Wenn A und b stetig sind (d. h. die Komponentenfunktionen aij bzw. bisind stetig), dann hat das Anfangswertproblem

x0 = Ax+ b; x(t0) = x0 (63.1)

eine eindeutig bestimmte L�osung. (Wenn A konstant und b = 0 ist, ist diese L�osungdurch x(t) = e(t�t0)Ax0 gegeben.)

Den obigen Satz beweisen wir nicht, allerdings eine wichtige Folgerung:

Satz 63.2. Der L�osungsraum eines homogenen linearen Di�erentialgleichungssytemsmit n Gleichungen und stetiger Koe�zientenmatrix ist n-dimensional.

Beweis. Sei (e1; : : : ; en) die Standardbasis von Rn. Die L�osungen xi (mit i = 1; : : : ; n)der Anfangswertprobleme

x0i = Axi; xi(t0) = ei (63.2)

sind linear unabh�angig, da sie bereits an der Stelle t0 linear unabh�angig sind. F�urbeliebiges u = (u1; : : : ; un) 2 R

n ist x(t) = u1x1(t) + : : : + unxn(t) eine L�osungdes Anfangswertproblems x(t0) = u. Da jede reellwertige L�osung der Di�erenzialglei-chung irgendein Anfangswertproblem l�ost, sind die xi nicht nur linear unabh�angig, son-dern auch ein Erzeugendensystem f�ur den R-Vektorraum aller reellwertigen L�osungen.L�asst man an dieser Stelle ausnahmsweise auch komplexe Anfangswertbedingungen mitu = (u1; : : : ; un) 2 C

n zu, so ist es nicht so schwer einzusehen, dass die xi auch denvollst�andigen L�osungsraum erzeugen. �

Bemerkung 63.1. Insbesondere bei einem homogenen linearen Di�erenzialgleichungs-system mit konstanter Koe�zientenmatrix A ist ein Fundamentalsystem durch dieL�osungskurven

x1(t) = etAe1; : : : ; xn(t) = etAen; (63.3)

also die Spalten von etA, gegeben.

37

Page 38: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Satz 63.3. Seien I � R ein o�enes Intervall, A : I ! M(n � n;R), b : I ! Rn und

xP : I ! Cn eine L�osung des linearen Di�erenzialgleichungssystems

x0 = Ax+ b: (63.4)

Dann ist der L�osungsraum dieses Systems gegeben durch

fxH + xP jxH ist eine L�osung von x0 = Axg: (63.5)

Beweis. Sei x : I ! Cn eine L�osung der Di�erenzialgleichung x0 = Ax+b. De�niert man

xH := x�xP , so ist x = xH+xP , und xH l�ost auch tats�achlich die zugeh�orige homogeneDi�erenzialgleichung:

x0H = (x� xP )0 = x0 � x0P = (Ax+ b)� (AxP + b) = A(x� xP ) + b� b = AxH : (63.6)

Ist umgekehrt xH : I ! Cn eine L�osung der zugeh�origen homogenen Di�erenzialglei-

chung, so hat man

(xH + xP )0 = x0H + x0P = AxH + AxP + b = A(xH + xP ) + b: (63.7)

Bemerkung 63.2. Man nennt in diesem Zusammenhang xP eine partikul�are L�osungder Di�erenzialgleichung.

63.2 Variation der Konstanten

Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass man alle L�osungen eines linearen Di�eren-zialgleichungssystems x0 = Ax+b erh�alt, wenn man ein Fundamentalsystem von x0 = Ax

und eine partikul�are L�osung xP von x0 = Ax+ b kennt.F�ur den Fall einer konstanten Koe�zientenmatrix kann ein Fundamentalsystem(x1; : : : ; xn) des homogenen Systems �uber den Exponentialansatz etA gefunden werden.Eine partikul�are L�osung �ndet man dann (unter Umst�anden) �uber die so genannte Va-riation der Konstanten: Sind c1; : : : ; cn : I ! C di�erenzierbare Funktionen mit

c01x1 + : : :+ c0nxn = b; (63.8)

dann istxP := c1x1 + : : :+ cnxn (63.9)

eine partikul�are L�osung der Di�erenzialgleichung x0 = Ax+ b. Dies sieht man wie folgt:

x0P = (c1x1 + : : :+ cnxn)0 (63.10)

= c01x1 + c1x01 + : : :+ c0nxn + cnx

0n (63.11)

= c1x01 + : : :+ cnx

0n + c01x1 + : : :+ c0nxn (63.12)

= c1Ax1 + : : :+ cnAxn + b (63.13)

= A(c1x1 + : : :+ cnxn) + b (63.14)

= AxP + b: (63.15)

38

Page 39: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beispiel 63.1:

Das zu dem linearen Di�erenzialgleichungssytem�x0(t)v0(t)

�=

�0 1�1 0

���x(t)v(t)

�+

�0

sin t

�(63.16)

zugeh�orige homogene System hat die allgemeine reellwertige L�osung�xH(t)vH(t)

�= A

�cos t� sin t

�+B

�sin tcos t

�(63.17)

mit Konstanten A;B 2 R. Zum Au�nden einer partikul�aren L�osung durch Variationder Konstanten suchen wir Funktionen A(t) und B(t) mit

A0(t)�

cos t� sin t

�+B0(t)

�sin tcos t

�=

�0

sin t

�(63.18)

bzw. �cos t sin t� sin t cos t

���A0(t)B0(t)

�=

�0

sin t

�: (63.19)

Die Koe�zientenmatrix auf der linken Seite ist orthogonal und damit leicht zu invertie-ren: �

A0(t)B0(t)

�=

�cos t � sin tsin t cos t

���

0sin t

�=

� � sin2 tsin t cos t

�: (63.20)

Die Funktionen A(t) und B(t) bekommt man schlie�lich durch Integrale, die man z. B.�uber Produktintegration berechnen kann:

A(t) = �Z

sin2 t dt =1

2(sin t cos t� t) + c; (63.21)

B(t) =

Zsin t cos t dt =

1

2sin2 t+ c: (63.22)

Die Integrationskonstanten k�onnen zu Null gesetzt werden. Damit erh�alt man dann diepartikul�are L�osung�

xP (t)vP (t)

�= A(t)

�cos t� sin t

�+B(t)

�sin tcos t

�(63.23)

=1

2(sin t cos t� t)

�cos t� sin t

�+

1

2sin2 t

�sin tcos t

�(63.24)

=1

2

�sin t cos2 t� t cos t+ sin3 t

� sin2 t cos t+ t sin t+ sin2 t cos t

�(63.25)

=1

2

�sin t� t cos t

t sin t

�: (63.26)

Die allgemeine L�osung ist somit�x(t)v(t)

�= A

�cos t� sin t

�+B

�sin tcos t

�+

1

2

�sin t� t cos t

t sin t

�: (63.27)

39

Page 40: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Physikalisches Anwendungsbeispiel 63.2:

Die Di�erenzialgleichung x00(t) + x(t) = sin t beschreibt den zeitlichen Verlauf der Aus-lenkung eines schwingenden Systems (z. B. eines Federpendels), das von einer KraftF (t) = sin(t) angeregt wird. Die Frequenz der Anregung ist dabei dieselbe wie die Ei-genfrequenz des Schwingers, n�amlich ! = 1. Schreibt man die Gleichung in ein Systemvon Di�erenzialgleichungen um, erh�alt man das im letzten Beispiel gel�oste, also hat dieallgemeine L�osung die Form

x(t) = A cos t+B sin t+1

2(sin t� t cos t): (63.28)

Selbst wenn der Schwinger zu Beginn in Ruhe ist (x(0) = x0(0) = 0 , A = B = 0),w�achst die Amplitude der Schwingung mit der Zeit wegen des Terms

"t cos t\ un-

aufh�orlich und unbeschr�ankt an. Dieses Ph�anomen bezeichnet man in der Physik alsRe-sonanz und kann sowohl ein Problem (Geb�audestatik, Spannungsspitzen in elektrischenBauteilen) als auch nutzbar sein (Mikrowellenofen).

64 Inhomogene lineare Di�erenzialgleichungssysteme

und Ansatz vom Typ der rechten Seite, Wronski-Test

64.1 Ansatz vom Typ der rechten Seite

Um f�ur eine inhomogene lineare Di�erenzialgleichung mit konstanten Koe�zienten

x(n)(t) + an�1x(n�1)(t) + : : :+ a1x0(t) + a0x(t) = b(t) (64.1)

eine partikul�are L�osung zu �nden, hilft die Beobachtung, dass sich bestimmte Klassenvon Funktionen nach Einsetzen in die linke Seite reproduzieren. Setzt man beispielsweiseFunktionen der Form

� x(t) = p(t), p ist ein Polynom,

� x(t) = p(t)e�t, p ist ein Polynom und � 2 R,� x(t) = p(t) sin!t+ ~p(t) cos!t, p, ~p sind Polynome und ! 2 R

ein, so erh�alt man wieder Funktionen vom gleichen Typ. Ist die Homogenit�at b(t) ebenvon diesem Typ, so kann auf diesem Wege ein L�osungsansatz gewonnen werden.

Beispiel 64.1:

Betrachten wir die inhomogene lineare Di�erenzialgleichung

x00(t)� x(t) = t: (64.2)

Das charakteristische Polynom der zugeh�origen homogenen Gleichung x00 � x = 0 istgegeben durch

p(z) = z2 � 1: (64.3)

40

Page 41: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Die Nullstellen von p sind �1 = �1 und �2 = 1, somit ist die allgemeine L�osung derhomogenen Gleichung gegeben durch

xH(t) = Ae�t +Bet: (64.4)

Um eine partikul�are L�osung zu �nden, stellen wir fest, dass die Inhomogenit�at auf derrechten Seite der Gleichung ein Polynom ersten Grades ist. Die Di�erenzialgleichung istzweiter Ordnung, und leitet man ein Polynom zweimal ab, so verringert sich der Gradum zwei. Also setzen wir ein Polynom vom Grade drei an, xP (t) = at3 + bt2 + ct+ d:

x00P (t)� xP (t) = (6at+ 2b)� (at3 + bt2 + ct+ d) (64.5)

= �at3 � bt2 + (6a� c)t+ 2b� d: (64.6)

Ein Vergleich mit der rechten Seite zeigt a = b = d = 0, c = �1. Folglich ist xP (t) = �teine partikul�are L�osung, und die allgemeine L�osung der inhomogenen linearen Di�eren-zialgleichung ist

x(t) = Ae�t +Bet � t: (64.7)

Bemerkung 64.1. Man h�atte im letzten Beispiel auch den einfacheren Ansatz xP (t) =ct + d machen k�onnen, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen. Bei der sehr �ahnlichenDi�erenzialgleichung x00(t)� x0(t) = t h�atte dies nicht zum Ziel gef�uhrt:

x00P (t)� x0P (t) = �c: (64.8)

Man braucht Erfahrung, um einen richtigen, jedoch nicht zu komplizierten Ansatz aus-zuknobeln. Aus diesem Grund nennt man den

"Ansatz vom Typ der rechten Seite\ auch

"intelligentes Raten\.

Physikalisches Anwendungsbeispiel 64.2:

Schaltet man einen elektrischen Widerstand R > 0, eine Spule mit Induktivit�at L > 0und einen Kondensator mit Kapazit�at C > 0 in Reihe, so ensteht ein so genannter(ged�ampfter) Schwingkreis. Die auf dem Kondensator gespeicherte elektrische Ladungq(t) gen�ugt dann der ged�ampften Schwingungsgleichung

q00(t) + 2�q0(t) + !2q(t) = 0 (64.9)

mit D�ampfungskonstante � = R2L

und Eigenfrequenz ! =q

1LC

. Die L�osungen dieser

Gleichung haben aufgrund der D�ampfung die Eigenschaft limt!1 q(t) = 0.Legt man eine Wechselspannung U(t) = U0 cos!0t an den Stromkreis an, so hat manstattdessen die inhomogene Gleichung

q00(t) + 2�q0(t) + !2q(t) = U0 cos(!0t): (64.10)

Eine partikul�are L�osung �ndet man durch den Ansatz qP (t) = A cos(!0t) + B sin(!0t).Dieser f�uhrt nach Einsetzen und Zusammenfassen auf

41

Page 42: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

((!2 � !20)A+ 2�!0B � U0) cos(!0t) + (�2!0�A+ (!2 � !2

0)B) sin(!0t) = 0: (64.11)

Die Koe�zienten vor cos(!0t) und sin(!0t) m�ussen verschwinden. Daraus erh�alt manein lineares Gleichungssystem in A und B. Wenn man dieses gel�ost hat, ergibt sichschlie�lich als partikul�are L�osung

qP (t) =U0

(!2 � !20)

2 + 4�2!20

�(!2 � !2

0) cos(!0t) + 2�!0 sin(!0t)�: (64.12)

Da die L�osungen der zugeh�origen homogenen Di�erenzialgleichung f�ur gro�e Zeiten ver-schwinden, wird das Verhalten des Schwingkreises nach einem Einschwingvorgang

haupts�achlich durch qP (t) bestimmt. Nach einigen trigonometrischen �Uberlegungenkommt man auf die physikalisch etwas aussagekr�aftigeren Formeln

qP (t) =

8><>:Q(!0) cos(!0t� �(!0)) f�ur ! > !0

Q(!0) cos(!0t� �2) f�ur ! = !0

�Q(!0) cos(!0t� �(!0)) f�ur ! < !0

(64.13)

mit

Q(!0) =U0p

(!2 � !20)

2 + 4�2!20

(Amplitude); (64.14)

�(!0) = arctan

�2�!0

!2 � !20

�(Phase): (64.15)

Hieraus kann man einiges ablesen, z. B. dass sich der Kondensator kaum au �adt, wenndie Frequenz der angelegten Wechselspannung sehr gro� ist, da lim!0!1Q(!0) = 0. ImFall !0 = ! tritt Resonanz ein, denn dann wird die Amplitude Q(!0) maximal.

64.2 Der Wronski-Test

Satz 64.1. Sei I ein o�enes Intervall, und seien x1; : : : ; xn : I ! C (n � 1)-mal di�e-renzierbare Funktionen. Falls die Determinante der so genannten Wronski-Matrix

Wt0 :=

0B@ x1(t0) � � � xn(t0)

......

x(n�1)1 (t0) � � � x

(n�1)n (t0)

1CA (64.16)

f�ur ein t0 2 I ungleich Null ist, sind x1; : : : ; xn linear unabh�angig.

Beweis. Seien c1; : : : ; cn 2 C so, dassPn

k=1 ckxk = 0; dass alsoPn

k=1 ckxk(t) = 0 f�ur allet 2 I. Dann folgert man:

42

Page 43: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

nXk=1

ckxk(t) = 0) (64.17)

c1x1(t) + : : :+ cnxn(t) = 0c1x

01(t) + : : :+ cnx

0n(t) = 0

...

c1x(n�1)1 (t) + : : :+ cnx

(n�1)n (t) = 0

9>>>=>>>;) (64.18)

Wt �

[email protected]

1CA = 0) (64.19)

Wt0 �

[email protected]

1CA = 0) (64.20)

c1 = � � � = cn = 0: (64.21)

Die letzte Implikation folgt, da die Determinante von Wt0 nicht verschwindet und dashomogene lineare Gleichungssystem deshalb nur die triviale L�osung haben kann. �

Beispiel 64.3:

� Sinus- und Kosinusfunktion sind linear unabh�angig, denn���� sin(t) cos(t)sin0(t) cos0(t)

���� =����sin(t) cos(t)cos(t) � sin(t)

���� = � sin2(t)� cos2(t) = �1 (64.22)

verschwindet nirgends.

� Die Monome e1(t) = t und e2(t) = t2 sind (wie bekannt) linear unabh�angig, denn����t t2

1 2t

���� = 2t2 � t2 = t2 (64.23)

ist z. B. f�ur t = 1 ungleich Null. Dass die Wronski-Determinante f�ur t = 0 ver-schwindet, spielt keine Rolle.

� Die Umkehrung des Satzes gilt nicht, wie das folgende Beispiel zeigt. Die Funk-tionen

x1(t) =

(t2 f�ur t > 0

0 f�ur t � 0; (64.24)

x2(t) =

(0 f�ur t > 0

t2 f�ur t � 0(64.25)

sind di�erenzierbar mit

43

Page 44: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

x01(t) =

(2t f�ur t > 0

0 f�ur t � 0; (64.26)

x02(t) =

(0 f�ur t > 0

2t f�ur t � 0(64.27)

und o�ensichtlich linear unabh�angig, da keine Vielfachen voneinander. Dennochgilt ����x1(t) x2(t)

x01(t) x02(t)

���� = x1(t) � x02(t)� x01(t) � x2(t) = 0 (64.28)

f�ur alle t 2 R.

65 L�osungsans�atze f�ur nicht lineare

Di�erenzialgleichungen

65.1 Richtungsfelder

Betrachten wir nicht lineare Di�erenzialgleichungen des Typs

x0(t) = h(t; x(t)); (65.1)

wobei h : I � J ! R mit I; J � R eine stetige Abbildung ist. Gesucht sind reellwertigeFunktionen x : I0 ! R mit I0 � I und x(I0) � J , welche diese Gleichung erf�ullen.Angenommen, (t0; x0) 2 I�J ist ein Punkt auf dem Graphen einer solchen L�osung. DerTangentialvektor T (t0; x0) an den Graphen ist dann in diesem Punkt durch

T (t0; x0) =

�1

x0(t0)

�=

�1

h(t0; x(t0))

�=

�1

h(t0; x0)

�(65.2)

gegeben. Zeichnet man in ausgesuchten Punkten der Ebene einen solchen Tangentialvek-tor oder ein Tangentenst�uck ein, ergibt sich das so genannte Richtungsfeld der Di�e-

renzialgleichung; siehe Abbildungen 7(a)-7(c) f�ur Beispiele. Eine gra�sche L�osung inForm eines Phasenportr�ats erh�alt man dann durch das Zeichnen von Kurven, welchetangential an das Richtungsfeld sind.Manchmal kann man auf diese Weise sogar Informationen gewinnen, die auf eine expliziteL�osung f�uhren:

Beispiel 65.1:

Der Graph einer L�osung der Di�erenzialgleichung

x0(t) = � t

x(t)(65.3)

hat Tangenten, die senkrecht auf dem Ortsvektor stehen. Man hat n�amlich f�ur alle(t0; x0)

T 2 R� (R n f0g):

44

Page 45: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

−1.6

1.2

−1.8

−2.0

t

2.0

2.0

x

1.6

1.8

1.2

0.4

−0.6

0.8

1.0

0.4

0.2

0.0−0.2

−0.4

−1.0

−2.0

0.6

−0.4

−1.6

−1.4

−0.8

−1.2

−1.2

1.6

1.4

0.8

0.0

−0.8

(a) x0(t) = � t

x(t)

1.6

−2.0 −0.8

t

2.0

x

1.61.2

2.0

0.8

1.9

0.4

1.5

0.0

1.4

−0.4

0.7

1.0

−1.2

0.0

−1.6

1.8

1.1

0.6

0.4

0.8

0.2

0.3

2.1

1.7

1.3

1.2

0.9

0.5

0.1

(b) x0(t) =

px(t)

1.0

−1.6

−1.6

t

2.01.61.2

1.8

1.2

0.8

1.6

0.4

0.2

−0.8

0.0

0.8

−0.4−1.2

−1.2

−2.2

0.0

0.4

x

−0.8

−2.0

2.0

−0.6

−1.4

2.2

1.4

−2.0

0.6

−0.2

−0.4

−1.0

−1.8

(c) x0(t) = x(t)

Abbildung 7: Richtungsfelder von Di�erenzialgleichungen

45

Page 46: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

��1

x0(t0)

�;

�t0x0

��=

��1� t0x0

�;

�t0x0

��= t0 � t0

x0x0 = 0: (65.4)

Dies ist dann der Fall, wenn der Graph durch den Abschnitt einer Kreislinie um denUrsprung gegeben ist. In Abbildung 7(a) ist das Richtungsfeld der Di�erenzialgleichungdargestellt, welches diese Vermutung erh�artet. Wir glauben deshalb, dass durch jedeFunktion

x : ]�r; r[! R; x(t) = �pr2 � t2 (65.5)

mit r > 0 eine L�osung gegeben ist. Dies ist auch tats�achlich der Fall:

x0(t) =d

dt

��pr2 � t2

�(65.6)

= � �2t2pr2 � t2

(65.7)

= � t

�pr2 � t2(65.8)

= � t

x(t): (65.9)

Beachten Sie, dass keine dieser Funktionen auf ganz R de�niert ist, sondern nur sogenannte lokale L�osungen darstellen: Bei gegebener Anfangswertbedingung x(0) = �rist die L�osung f�ur jtj � r nicht mehr de�niert.

Bemerkung 65.1. Beachten Sie, dass die Stetigkeit von h : I � J ! R nicht ausreicht,damit das Anfangswertproblem

x0(t) = h(t; x(t)); x(t0) = x0 (65.10)

f�ur beliebige (t0; x0) 2 I�J eine eindeutig bestimmte L�osung besitzt. Beispielsweise hatdas Anfangswertproblem

x0(t) =px(t); x(0) = 0 (65.11)

f�ur t � 0 die beiden verschiedenen L�osungen x1(t) = 0 und x2(t) =14t2, siehe Abbildung

7(b) f�ur das Richtungsfeld.Sind I und J jedoch o�ene Intervalle, und ist h stetig partiell di�erenzierbar, so hatjedes Anfangswertproblem mit (t0; x0) 2 I � J eine eindeutig bestimmte lokale L�osung.

65.2 Separable Di�erenzialgleichungen

Betrachten wir nochmals nicht lineare Anfangswertprobleme der Form

x0(t) = h(t; x(t)); x(t0) = x0 (65.12)

mit h : I � J ! R. Wir wollen voraussetzen, dass I; J � R o�ene Intervalle sind.Angenommen, h zerf�allt auf folgende Weise in ein Produkt stetiger Funktionen:

x0(t) = h(t; x(t)) = f(t)g(x(t)); (65.13)

46

Page 47: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

dann kann eine (lokale) L�osung per Substitutionsregel durch Integration in einer Umge-bung von t0 gewonnen werden, falls g(x0) 6= 0:

x0(t) = f(t)g(x(t)), x0(t)g(x(t))

= f(t) (65.14)

,Z t

t0

x0(u)g(x(u))

du =

Z t

t0

f(u) du (65.15)

,Z x(t)

x(t0)

1

g(u)du =

Z t

t0

f(u) du (65.16)

,Z x(t)

x0

1

g(u)du =

Z t

t0

f(u) du (65.17)

, ~G(x(t))� ~G(x0) = F (t)� F (t0) (65.18)

, ~G(x(t)) = F (t)� F (t0) + ~G(x0); (65.19)

wobei ~G eine Stammfunktion von 1gund F eine Stammfunktion von f ist. Da ~G0(x0) =

1g(x0)

6= 0 gilt, ist ~G zumindest in einer Umgebung von x0 umkehrbar mit stetig di�eren-

zierbarer Umkehrfunktion, sodass man die Gleichung wenigstens im Prinzip nach x(t)au �osen kann.Mithilfe der Di�erenzialschreibweise kann man sich dieses Verfahren der Separationder Variablen wie folgt merken:

dx

dt= f(t)g(x)

", \ (65.20)

dx

g(x)= f(t) dt

", \ (65.21)Z x

x0

dx

g(x)=

Z t

t0

f(t) dt: (65.22)

Beispiel 65.2:

Seien t0; x0 2 R. Das Anfangswertproblem

x0(t) = � t

x(t); x(t0) = x0 (65.23)

mit x0 6= 0 ist separabel mit f(t) = �t und g(x(t)) = 1x(t)

. Man hat somit f�ur die L�osung:Z x(t)

x0

du

g(u)=

Z t

t0

f(u) du, (65.24)Z x(t)

x0

u du = �Z t

t0

u du, (65.25)

1

2(x(t))2 � 1

2x20 = �1

2t2 +

1

2t20 , (65.26)

x(t) = �qx20 + t20 � t2: (65.27)

47

Page 48: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Das Vorzeichen h�angt davon ab, ob x0 > 0 oder x0 < 0. Setzt man r :=px20 + t20, so

sieht man, dass dies gerade die auch in Beispiel 65.1 gefundenen L�osungen sind.

65.3 Der Potenzreihenansatz

Geht man davon aus, dass die L�osung x(t) einer Di�erenzialgleichung n-ter Ordnunganalytisch, d. h. um t = t0 in eine Potenzreihe entwickelbar ist, so kann man den folgen-den Ansatz probieren:

x(t) =1Xk=0

ak(t� t0)k: (65.28)

Hat man zudem Anfangswertbedingungen x(t0) = x0; : : : ; x(n�1)(t0) = xn�1 gegeben, so

legen diese wegen ak =x(k)(t0)k!

automatisch die ersten n Reihenglieder fest.

Beispiel 65.3:

Das Anfangswertproblem

x0(t)� tx(t) = 0; x(0) = 1 (65.29)

hat eine eindeutig bestimmte L�osung, denn die Di�erenzialgleichung ist linear und ho-mogen mit stetigen Koe�zienten.Um diese L�osung zu berechnen, machen wir den Ansatz:

x(t) =1Xk=0

aktk = a0 + a1t+ a2t

2 + : : : (65.30)

Aus der Anfangswertbedingung folgt sofort a0 = 1.Wenn die Potenzreihe konvergiert, kann diese gliedweise di�erenziert werden:

x0(t) =1Xk=1

kaktk�1: (65.31)

Eingesetzt in die linke Seite der Di�erenzialgleichung ergibt sich:

x0(t)� tx(t) =1Xk=1

kaktk�1 � t

1Xk=0

aktk (65.32)

=1Xk=1

kaktk�1 �

1Xk=0

aktk+1 (65.33)

=1Xk=0

(k + 1)ak+1tk �

1Xk=1

ak�1tk (65.34)

= a1 +1Xk=1

((k + 1)ak+1 � ak�1) tk: (65.35)

48

Page 49: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Diese Potenzreihe verschwindet identisch, wenn alle Koe�zienten Null sind:

a1 = 0; 2a2 � a0 = 0; 3a3 � a1 = 0; 4a4 � a2 = 0; 5a5 � a3 = 0; : : : (65.36)

(Das ist gewisserma�en ein lineares Gleichungssystem mit unendlich vielen Variablen.)Wir unterscheiden zwei F�alle:

1. Wenn k ungerade ist, d. h. ak = a2l+1 mit einem l 2 N, gilt ak = a2l+1 = 0. Dieskann man mit vollst�andiger Induktion zeigen. F�ur l = 0 ist die Behauptung wahr,denn a1 = 0. Ist die Behauptung a2l+1 = 0 f�ur ein l 2 N bereits gezeigt, hat manmit der Bedingung, dass die obigen Koe�zienten verschwinden:

0 = (2(l + 1) + 1)a2(l+1)+1 � a2(l+1)+1�2 (65.37)

= (2(l + 1) + 1)a2(l+1)+1 � a2l+1 (65.38)

= (2(l + 1) + 1)a2(l+1)+1: (65.39)

Hieraus folgt a2(l+1)+1 = 0.

2. Wenn k gerade ist, d. h. ak = a2l mit einem l 2 N, so gilt ak = a2l =12ll!

. Dies kannman mit vollst�andiger Induktion zeigen. F�ur l = 0 ist die Behauptung wahr, denna0 = 1 = 1

200!. Ist die Behauptung a2l =

12ll!

f�ur ein l 2 N bereits gezeigt, hat manmit der Bedingung, dass die obigen Koe�zienten verschwinden:

0 = 2(l + 1)a2(l+1) � a2(l+1)�2 (65.40)

= 2(l + 1)a2(l+1) � a2l (65.41)

= 2(l + 1)a2(l+1) � 1

2ll!: (65.42)

Hieraus folgt a2(l+1) =1

2(l+1)12ll!

= 12l+1(l+1)!

.

Die L�osung des Anfangswertproblems ist somit gegeben durch

x(t) =1Xl=0

1

2ll!t2l =

1Xl=0

1

l!

�t2

2

�l= e

12t2 : (65.43)

Bemerkung 65.2. Im letzten Beispiel h�atte man sich die Induktionsbeweise f�ur dieKoe�zientenformeln auch sparen k�onnen, da es letztlich nur darum geht, eine L�osungdes Anfangswertproblems zu �nden. Der L�osungsweg ist dabei nicht so wichtig, und mandarf auch

"unsauber\ argumentieren, solange man mit dem Endergebnis schlie�lich die

Probe macht:

x(t) = e12t2 ) (65.44)

x0(t)� tx(t) =1

22te

12t2 � te

12t2 = 0; x(0) = e0 = 1: (65.45)

49

Page 50: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

66 Nicht lineare Di�erenzialgleichungssysteme und

Stabilit�at

66.1 Anfangswertprobleme (nicht linearer)Di�erenzialgleichungssysteme

Satz 66.1. Seien I � R ein o�enes Intervall und G � Rn eine o�ene Menge, und sei

h : I �G! Rn eine stetig partiell di�erenzierbare Abbildung. Dann hat f�ur alle t0 2 I

und x0 2 G das Anfangswertproblem

x0(t) = h(t; x(t)); x(t0) = x0 (66.1)

eine eindeutig bestimmte lokale L�osung.

Bemerkung 66.1. 1. Mit lokaler L�osung ist eine auf einer Umgebung I0 � I von t0de�nierte Kurve x : I0 ! R

n mit x(I0) � G gemeint, welche das Anfangswertpro-blem erf�ullt. Es kann nat�urlich auch globale L�osungen mit I0 = I geben. Eindeutig-keit hei�t hier, dass zwei lokale L�osungen auf dem Schnitt ihrer De�nitionsbereiche�ubereinstimmen.

2. Der obige Satz ist eine schw�achere Variante des so genannten Satzes von Picard-Lindel�of.

Beispiel 66.1:

Seien A : I ! M(n � n;R) und b : I ! Rn auf dem o�enen Intervall I stetig di�eren-

zierbar, und seien t0 2 I, x0 2 Rn. Dann ist

x0 = Ax+ b; x(t0) = x0 (66.2)

ein Anfangswertproblem wie oben beschrieben; in diesem Fall ist h(t; x(t)) = A(t)x(t)+b(t). Beachten Sie, dass die bereits bekannte Existenz und Eindeutigkeit von L�osungenf�ur lediglich stetige A und b nicht aus obigem Satz folgt (allerdings aus dem allgemeinerenSatz von Picard-Lindel�of).

Physikalisches Anwendungsbeispiel 66.2:

Sei v : I � G ! R3 mit I � R und G � R

3 das (unter Umst�anden zeitabh�angige)Geschwindigkeitsfeld einer str�omenden Fl�ussigkeit oder eines Gases. Be�ndet sich einMolek�ul des Fluids zum Zeitpunkt t0 2 I am Ort x0 2 G, so ist seine Bahnkurve q durchdie L�osung des Anfangswertproblems

q0(t) = v(t; q(t)); q(t0) = x0 (66.3)

gegeben.

50

Page 51: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Physikalisches Anwendungsbeispiel 66.3:

Sei F : I � G ! R3 mit I � R und G � R

3 ein (unter Umst�anden zeitabh�angiges)Kraftfeld und q die Bahnkurve eines dieser Kraft unterworfenen Punktk�orpers mit Mas-se m > 0 im 3-dimensionalen Kon�gurationsraum G. Die Newton'sche Bewegungs-gleichung mq00(t) = F (t; q(t)) kann mithilfe des so genannten Impulses p = mq0 ausge-dr�uckt werden als Di�erenzialgleichungssystem

q0(t) =p(t)

m; p0(t) = F (t; q(t)): (66.4)

Angenommen, der K�orper be�ndet sich zum Zeitpunkt t0 2 I an der Stelle x0 2 G undhat den Impuls p0 2 R3. De�niert man

h : I � (G� R3)! R6; h(t; (q; p)) = (

p

m; F (t; q)); (66.5)

so ist jede L�osung der Bewegungsgleichung gegeben durch eine Kurve x(t) = (q(t); p(t))im 6-dimensionalen Phasenraum G � R

3, welche zum Zeitpunkt t0 den Punkt x0 =(q0; p0) passiert:

x0(t) = h(t; x(t)); x(t0) = x0: (66.6)

66.2 Das R�auber-Beute-System

Ein einfaches Modell aus der theoretischen Biologie ist das R�auber-Beute-System.Bei diesem Modell betrachtet man zwei Spezies und deren jeweilige, von der Zeit tabh�angige Populationsgr�o�en x(t) und y(t). Die Spezies y ist hierbei der nat�urliche Fress-feind (

"R�auber\) der Spezies x (

"Beute\). Seien a; b; c; d; �; � > 0. Ohne R�auber w�urde

sich die Beute exponentiell vermehren, wenn wir davon ausgehen, dass f�ur diese Speziesstets Nahrung und Lebensraum im �Uber uss vorhanden ist: x0 = ax. Je mehr R�aubervorhanden sind, um so mehr wird dieses Wachstum jedoch gehemmt, sodass das folgendeModell realistischer ist: x0 = ax � bxy. Die r�auberische Spezies wiederum w�urde ohneBeute verhungern, y0 = �dy, w�ahrend das Wachstum durch ein gro�es Angebot an Nah-rung gef�ordert wird: y0 = cxy � dy. Ber�ucksichtigt man noch den Wettbewerb um Res-sourcen innerhalb einer Population (soziale Reibung bzw. intraspezi�sche Konkurrenz),so erh�alt man das folgende nicht lineare Di�erenzialgleichungssystem:

x0 = ax� bxy � �x2; (66.7)

y0 = cxy � dy � �y2: (66.8)

Einige L�osungskurven sind in Abbildung 8 dargestellt. Die L�osungen sind periodisch,und es gibt einen Gleichgewichtspunkt (x0; y0), f�ur den beide Populationen konstantbleiben. Diesen Punkt kann man berechnen, indem man die rechte Seite des R�auber-Beute-Systems gleich Null setzt:

(x0; y0) =

��a+ bd

��+ bc;��d+ ac

��+ bc

�: (66.9)

51

Page 52: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Abbildung 8: Phasenportr�at des R�auber-Beute-Systems

66.3 Stabilit�at

De�nition 66.1. Sei t0 2 R, I ein o�enes Intervall mit [t0;1[ � I, G��Rn und

h : I � G ! Rn eine stetig partiell di�erenzierbare Abbildung. Dar�uber hinaus seien

die L�osungen des Di�erenzialgleichungssystems x0(t) = h(t; x(t)) global, d. h. auf ganzI de�nierbar. Sei x : I ! R

n eine solche L�osung.

1. Man nennt x eine stabile L�osung, wenn es f�ur alle � > 0 ein � > 0 gibt, sodassf�ur jede weitere L�osung ~x mit k~x(t0)� x(t0)k < � gilt, dass k~x(t)� x(t)k < � f�uralle t � t0 ist. Kann man � unabh�angig vom Anfangswert t0 w�ahlen, so nenntman x gleichm�a�ig stabil.

2. Man nennt x instabil, wenn x nicht stabil ist, d. h. f�ur alle � > 0 gibt es ein� > 0 und eine L�osung ~x, sodass k~x(t0)�x(t0)k < � und k~x(t)�x(t)k � � f�ur eint � t0.

3. Man nennt x asymptotisch stabil, wenn x stabil ist und es ein �̂ > 0 gibt, sodassf�ur jede weitere L�osung ~x mit k~x(t0)� x(t0)k < �̂ gilt: limt!1 k~x(t)� x(t)k = 0.

Bemerkung 66.2. Die obigen De�nitionen sind unabh�angig von der Wahl von t0, d. h.eine L�osung ist (asymptotisch) stabil oder instabil bzgl. jedes Startwerts t0, wenn sie(asymptotisch) stabil oder instabil bzgl. eines bestimmten Startwerts ist.

Physikalisches Anwendungsbeispiel 66.4:

Ein wichtiger Spezialfall ist gegeben, wenn x(t) = x0 eine konstante L�osung ist. Mannennt dann x0 einen Gleichgewichtspunkt. Beispielsweise wird die Winkelauslenkung

52

Page 53: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Abbildung 9: Phasenportr�at des mathematischen Pendels in der �-!-Ebene (Quelle: Wi-kipedia, Autor: Ylebru)

� einer Schi�sschaukel ("mathematisches Pendel\) beschrieben durch die Di�erenzi-

algleichung

�00(t) = �glsin(�(t)); (66.10)

wobei g = 9; 81 ms2

die Erdbeschleunigung und l > 0 die L�ange der Aufh�angung ist.Umgeschrieben als Di�erenzialgleichungssystem mit ! = �0 hat man�

�0(t)!0(t)

�=

�!(t)

�glsin(�(t))

�: (66.11)

Die Gleichgewichtspunkte k�onnen in zwei Klassen eingeteilt werden:

1. x0 = (�0; !0) = (2k�; 0) mit k 2 Z. Dies entspricht der Situation, in der dieSchaukel in Ruhe senkrecht nach unten h�angt. Diese Gleichgewichtspunkte sindstabil. Ber�ucksichtigt man die Reibung unter Hinzunahme eines entsprechendenTerms zur Di�erenzialgleichung, sind diese sogar asymptotisch stabil.

2. x0 = (�0; !0) = ((2k + 1)�; 0) mit k 2 Z. Dies entspricht der Situation, in derdie Schaukel in Ruhe senkrecht nach oben zeigt. Diese Gleichgewichtspunkte sindinstabil.

In Abbildung 9 ist das Phasenportr�at dargestellt. Die Punkte S sind die stabilen, diePunkte I die instabilen Gleichgewichtspunkte. Die schwarzen Kurven entsprechen einemgew�ohnlichen Schaukelvorgang, bei dem der obere Umkehrpunkt nicht erreicht wird,w�ahrend die roten Kurven einem Durchschwingen entsprechen. Sowohl die schwarzen alsauch roten Kurven sind stabile L�osungen. Die blauen Kurven sind instabile L�osungen,bei denen die Schaukel schlie�lich am oberen Umkehrpunkt in der Luft h�angt { ei-ne Situation, die physikalisch gew�ohnlich nicht realisiert wird, da man hierf�ur die An-fangswertbedingungen mit beliebiger Genauigkeit einstellen und jede �au�ere St�orungdes Schwingvorgangs eliminieren m�usste. (Wenn die Schaukel schlecht ge�olt ist, ist einesolche Situation aufgrund der Haftreibung nat�urlich dennoch vorstellbar.) Alle Kurvensind Niveaulinien der auf jeder L�osungskurve konstanten Gesamtenergie

E(�; !) =1

2ml2!2 �mgl cos�; (66.12)

wobei m > 0 die Masse des Schwingk�orpers ist.

53

Page 54: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

67 Stabilit�at, partielle Di�erenzialgleichungen:

Separationsansatz

67.1 Stabilit�at: Rechenbeispiel

Seien a; t0; x0 2 R. Die L�osung des Anfangswertproblems

x0 = ax; x(t0) = x0 (67.1)

ist gegeben durchx(t) = x0e

a(t�t0): (67.2)

Sei � > 0 sowie ~x(t) = x1ea(t�t0) mit x1 2 R eine weitere L�osung der Di�erenzialgleichung

mitj~x(t)� x(t)j = jx1ea(t�t0) � x0e

a(t�t0)j = ea(t�t0)jx1 � x0j: (67.3)

f�ur alle t � t0. Falls0 < M := sup

t2[t0;1[

ea(t�t0) <1 (67.4)

gilt, k�onnen wir � := �M

w�ahlen, und es ergibt sich die f�ur Stabilit�at erforderliche Impli-kation

j~x(t0)� x(t0)j < � ) jx1 � x0j < � (67.5)

) jx1 � x0j < �

M(67.6)

) j~x(t)� x(t)j = ea(t�t0)jx1 � x0j �M jx1 � x0j < �: (67.7)

Man kann nun die folgenden F�alle unterscheiden:

1. F�ur a � 0 ist ea(t�t0) monoton fallend mit t, und es giltM = 1 bzw. � = �. Folglichsind die L�osungen in diesem Falle gleichm�a�ig stabil.

Dar�uber hinaus gilt (hier unabh�angig von einem irgendwie gew�ahlten �̂ > 0 mitj~x(t0)� x(t0)j < �̂):

limt!1

j~x(t)� x(t)j = limt!1

ea(t�t0)jx1 � x0j =(0 f�ur a < 0

jx1 � x0j f�ur a = 0:(67.8)

Also sind die L�osungen f�ur a < 0 sogar asymptotisch stabil, f�ur a = 0 hingegennicht.

2. F�ur a > 0 ist ea(t�t0) streng monoton steigend mit t, und es gilt M = 1. DerAbstand von L�osungen wird beliebig gro�, unabh�angig davon, wie nahe sie zum

"Zeitpunkt\ t0 waren. Folglich liegen in diesem Fall instabile L�osungen vor.

54

Page 55: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

67.2 Produktansatz nach Bernoulli (Separationsansatz)

Eine lineare partielle Di�erenzialgleichung von maximal zweiter Ordnung ist eine Di�e-renzialgleichung der Form

nXk=1

nXl=1

akl@2u

@xk@xl+

nXk=1

bk@u

@xk+ cu = f; (67.9)

mit den auf U��Rn de�nierten Funktionen akl; bk; c; f : U ! R. Gesucht ist die zwei-

mal stetig partiell di�erenzierbare Funktion u : U ! R. Analog sehen lineare partielleDi�erenzialgleichungen h�oherer Ordnung aus.Mit dem so genannten Separationsansatz oder Produktansatz nach Bernoulli

u(x1; : : : ; xn) = X1(x1) �X2(x2) � � �Xn(xn): (67.10)

kann man lineare partielle Di�erenzialgleichungen in ein System gew�ohnlicher Di�eren-zialgleichungen �uberf�uhren:

Beispiel 67.1:

Wir versuchen, mit dem Produktansatz spezielle L�osungen der linearen partiellen Di�e-renzialgleichung

@2u

@x2(x; y; z) +

1

x2@u

@y(x; y; z) + z

@u

@z(x; y; z) = 0 (67.11)

zu �nden. Wir machen also den Ansatz u(x; y; z) = X(x)Y (y)Z(z) mit noch zu bestim-menden Funktionen X; Y; Z, den wir in die Di�erenzialgleichung einsetzen:

X 00(x)Y (y)Z(z) +1

x2X(x)Y 0(y)Z(z) + zX(x)Y (y)Z 0(z) = 0: (67.12)

Gehen wir f�ur den Moment davon aus, dass keine der Funktionen X; Y; Z eine Nullstellehat, und teilen wir die Gleichung durch X(x)Y (y)Z(z):

X 00(x)X(x)

+1

x2Y 0(y)Y (y)

+ zZ 0(z)Z(z)

= 0: (67.13)

Bringt man alle Terme, die nur von z abh�angen, auf die rechte Seite, hat man

X 00(x)X(x)

+1

x2Y 0(y)Y (y)

= �zZ0(z)Z(z)

: (67.14)

Der Term auf der linken Seite h�angt hingegen nur von x und y ab. Grunds�atzlich giltf(x; y) = g(z) ) g0(z) = 0, sodass linke und rechte Seite konstant sein m�ussen, wennwir davon ausgehen, dass Z auf einem Intervall de�niert ist. Nennen wir diese Konstante�, ergibt sich f�ur Z die gew�ohnliche Di�erenzialgleichung

�zZ0(z)Z(z)

= �, zZ 0(z) + �Z(z) = 0: (67.15)

55

Page 56: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Setzt man die linke Seite von 67.14 gleich �, ergibt sich

X 00(x)X(x)

+1

x2Y 0(y)Y (y)

= �, x2X 00(x)X(x)

� �x2 = �Y0(y)

Y (y): (67.16)

Auch hier m�ussen linke und rechte Seite konstant sein, sagen wir �:

x2X 00(x)X(x)

� �x2 = � = �Y0(y)

Y (y): (67.17)

Schlie�lich hat man also auch f�ur X und Y gew�ohnliche Di�erenzialgleichungen:

x2X 00(x)� �x2X(x)� �X(x) = 0; (67.18)

Y 0(y) + �Y (y) = 0: (67.19)

68 Wellengleichung, holomorphe und harmonische

Funktionen

68.1 Die Wellengleichung

De�nition 68.1. Sei c 2 R mit c > 0. Die lineare partielle Di�erenzialgleichung

@2u

@t2(x1; : : : ; xn; t)� c2

nXk=1

@2u

@x2k(x1; : : : ; xn; t) = 0 (68.1)

nennt man die n-dimensionale Wellengleichung mit Ausbreitungsgeschwindig-keit oder Phasengeschwindigkeit c.

Bemerkung 68.1. Mithilfe des Laplace-Operators 4, allein angewandt auf die"Orts-

koordinaten\ x = (x1; : : : ; xn), kann man die Wellengleichung auch schreiben:

@2u

@t2(x; t)� c24u(x; t) = 0: (68.2)

Speziell die 1-dimensionale Wellengleichung lautet

@2u

@t2(x; t)� c2

@2u

@x2(x; t) = 0: (68.3)

Man kann sich mithilfe der Kettenregel leicht davon �uberzeugen, dass jede Funktion derForm u(x; t) = f(x � ct) + g(x + ct) mit beliebigen, zweimal stetig di�erenzierbarenFunktionen f; g : R! R die 1-dimensionale Wellengleichung l�ost:

56

Page 57: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

@2

@t2(f(x� ct) + g(x+ ct))� c2

@2

@x2(f(x� ct) + g(x+ ct)) = (68.4)

@

@t((�c)f 0(x� ct) + cg0(x+ ct))� c2

@

@x(f 0(x� ct) + g0(x+ ct)) = (68.5)

(�c)2f 00(x� ct) + c2g00(x+ ct)� c2f 00(x� ct)� c2g00(x+ ct) = 0: (68.6)

Hierbei kann f als eine Welle interpretiert werden, die sich mit der Geschwindigkeit cin x-Richtung nach rechts ausbreitet, w�ahrend g eine Welle beschreibt, die sich nachlinks fortp anzt. Man nennt L�osungen dieser Art d'Alembert'sche L�osungen derWellengleichung. Man kann beweisen, dass jede auf einem Streifen R�I de�nierte L�osungder Wellengleichung von dieser Form ist.

Physikalisches Anwendungsbeispiel 68.1:

Die Maxwell-Gleichungen f�ur ein elektrisches Feld E(x; t) und ein magnetisches FeldB(x; t), welche im Allgemeinen von der Zeit t und vom Ort x = (x1; x2; x3) abh�angen,lauten in Abwesenheit von elektrischen Ladungen und Str�omen (z. B. im Vakuum):

divB = 0; (68.7)

rotE = �@B@t; (68.8)

divE = 0; (68.9)

rotB = �r�0�r�0@E

@t: (68.10)

Dies ist ein System partieller Di�erentialgleichungen f�ur die Komponenten von E =(E1; E2; E3) und B = (B1; B2; B3); die Ableitungen nach den Ortskoordinaten verbergensich hinter den Di�erenzialoperatoren div und rot .Leitet man die Gleichungen (68.8) und (68.10) nach t ab, erh�alt man

@(rotE)

@t= �@

2B

@t2; (68.11)

@(rotB)

@t= �r�0�r�0

@2E

@t2: (68.12)

Nun kann man mit etwas Rumrechnerei und dem Satz von Schwarz zeigen, dass f�ur jedes

zweimal stetig partiell di�erenzierbare Vektorfeld v : R3��U ! R

3 gilt:

rot (rot v) = grad (div v)�4v; (68.13)

wobei

4v = 40@v1v2v3

1A :=

0@4v14v24v3

1A (68.14)

der komponentenweise de�nierte Laplace-Operator f�ur Vektorfelder ist.Wegen divE = divB = 0 hat man somit rot (rotE) = �4E und rot (rotB) = �4B.Bildet man die Rotation der Gleichung (68.8), so erh�alt man zusammen mit (68.12):

57

Page 58: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

�4E = �rot�@B

@t

�(68.15)

= �@(rotB)@t

(68.16)

= ��r�0�r�0@2E

@t2: (68.17)

Durch Bilden der Rotation der Gleichung (68.10) erh�alt man zusammen mit (68.11) eineentsprechende Gleichung f�ur B, sodass insgesamt

@2B

@t2+

1

�r�0�r�04B = 0;

@2E

@t2+

1

�r�0�r�04E = 0: (68.18)

Die Komponenten des elektrischen und des magnetischen Felds erf�ullen also in Abwe-senheit von Ladungen und Str�omungen eine Wellengleichung. Solche Wellen nennt manelektromagnetische Wellen. Je nach Frequenz bzw. Wellenl�ange sind elektromagneti-sche Wellen so vielgestaltige physikalische Ph�anomene wie Funk- und Mikrowellen, Lichtoder R�ontgen- und Gammastrahlung. F�ur die Phasengeschwindigkeit elektromagneti-scher Wellen gilt

c =1p

�r�0�r�0: (68.19)

Im Vakuum gilt f�ur Permeabilit�ats- bzw. Dielektrizit�atszahl �r = �r = 1, sodass dieAusbreitungsgeschwindigkeit gegeben ist durch

c0 =1p�0�0

(68.20)

=1q

1; 26 � 10�6 kg�mA2s2

� 8; 85 � 10�12 A2s4

kg�m3

(68.21)

= 300:000km

s: (68.22)

Dies ist gerade der bekannte Wert f�ur die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. In Wasserist diese f�ur sichtbares Licht um den Faktor 1p

�r�r= 0; 75 verringert, betr�agt also

cH2O = 225:000km

s: (68.23)

Dies kann z. B. dazu f�uhren, dass geladene Teilchen in dielektrischen Medien wie Wasserschneller als das Licht werden k�onnen. �Ahnlich wie beim �Uberschallknall von Flugzeugenkann auf diese Weise ein

"�Uberlichtblitzen\ entstehen, das man Tscherenkow-Strahlung

nennt, siehe Abbildung 10.

58

Page 59: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Abbildung 10: Tscherenkow-Licht im Kern eines Triga-Forschungsreaktors

68.2 Die Laplace-Gleichung: Holomorphe und harmonischeFunktionen

Wir machen nun einen kleinen Aus ug in die komplexe Analysis, welche man traditionellauch Funktionentheorie nennt.

De�nition 68.2. Seien U � C, z0 ein innerer Punkt von U und f : U ! C eineFunktion. Dann hei�t f im Punkt z0 komplex di�erenzierbar, falls der Grenzwert

limh!0

f(z0 + h)� f(z0)

h(68.24)

existiert. Man bezeichnet diesen Grenzwert dann ggf. mit f 0(z0).

Bilder und Urbilder einer komplexen Funktion f k�onnen in Real- und Imagin�arteil auf-gespalten werden. Auf diese Weise kann f in der komplexen Ebene auch als Abbildungvon R2 nach R2 aufgefasst werden:

f : x+ iy 7! f(x+ iy) = u(x; y) + iv(x; y)�= �=

(x; y) 7! (u(x; y); v(x; y))

Wenn f als eine solche Abbildung di�erenzierbar ist, spricht man auch davon, dass f re-ell di�erenzierbar ist. Jede komplex di�erenzierbare Funktion ist reell di�erenzierbar.Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.

De�nition 68.3. Sei U � C o�en und f : U ! C eine Funktion. Man nennt f holo-morph, falls f in jedem Punkt z0 2 U komplex di�erenzierbar ist.

59

Page 60: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beispiel 68.2:

� Die Funktion f : C! C; f(z) = z2 ist holomorph, denn f�ur alle z 2 C gilt

f 0(z) = limh!0

f(z + h)� f(z)

h(68.25)

= limh!0

(z + h)2 � z2

h(68.26)

= limh!0

z2 + 2zh+ h2 � z2

h(68.27)

= limh!0

2zh+ h2

h(68.28)

= limh!0

(2z + h) (68.29)

= 2z: (68.30)

Man sieht, dass es in diesem Fall genauso funktioniert wie f�ur die entsprechendereelle Funktion. Deshalb sind ganz allgemein auch alle Polynome p(z) = anz

n +: : :+ a1z + a0 mit a0; : : : ; an 2 C holomorph.

� Die Funktion f : C ! C; f(z) = �z ist nirgends komplex di�erenzierbar, denn f�uralle z 2 C gilt (h = h1 + ih2):

limh!0

f(z + h)� f(z)

h= lim

h!0

z + h� �z

h(68.31)

= limh!0

�z + �h� �z

h(68.32)

= limh!0

�h

h(68.33)

= lim(h1;h2)!(0;0)

h1 � ih2

h1 + ih2(68.34)

= lim(h1;h2)!(0;0)

(h1 � ih2)(h1 � ih2)

(h1 + ih2)(h1 � ih2)(68.35)

= lim(h1;h2)!(0;0)

h21 � 2ih1h2 � h22h21 + h22

(68.36)

= lim(h1;h2)!(0;0)

�h21 � h22h21 + h22

� 2ih1h2

h21 + h22

�: (68.37)

Die Funktion g(h1; h2) =h1h2h21+h

22ist bereits eine alte Bekannte, von der wir wissen,

dass sie im Ursprung nicht stetig fortgesetzt werden kann: Setzt man die Folgehk =

�0; 1

k

�ein, ergibt sich im Limes g(hk)! 0, f�ur die Folge ~hk =

�1k; 1k

�hingegen

g(~hk)! 12. Folglich existiert der Grenzwert nicht.

60

Page 61: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Satz 68.1. Sei f : C��U ! C eine holomorphe Funktion mit Zerlegung in Real- und

Imagin�arteil f(x+iy) = u(x; y)+iv(x; y). Dann sind u und v partiell di�erenzierbar, unddie so genannten Cauchy-Riemann'schen Di�erenzialgleichungen sind erf�ullt:

@u

@x=@v

@y; (68.38)

@u

@y= �@v

@x: (68.39)

Beweis. Da f holomorph ist, existiert f�ur alle z = x+ iy 2 U der Grenzwert

f 0(z) = limh!0

f(z + h)� f(z)

h: (68.40)

Dieser Di�erenzialquotient kann auch berechnet werden, indem man nur entlang derreellen Achse l�auft (t 2 R),

f 0(z) = limt!0

f(z + t)� f(z)

t(68.41)

= limt!0

u(x+ t; y) + iv(x+ t; y)� u(x; y)� iv(x; y)

t(68.42)

= limt!0

u(x+ t; y)� u(x; y)

t+ i lim

t!0

v(x+ t; y)� v(x; y)

t(68.43)

=@u

@x(x; y) + i

@v

@x(x; y); (68.44)

und ebenso entlang der imagin�aren Achse

f 0(z) = limt!0

f(z + it)� f(z)

it(68.45)

= �i limt!0

u(x; y + t) + iv(x; y + t)� u(x; y)� iv(x; y)

t(68.46)

= �i�limt!0

u(x; y + t)� u(x; y)

t+ i lim

t!0

v(x; y + t)� v(x; y)

t

�(68.47)

= �i�@u

@y(x; y) + i

@v

@y(x; y)

�(68.48)

=@v

@y(x; y)� i

@u

@y(x; y): (68.49)

Beide Grenzwerte m�ussen �ubereinstimmen, und dies liefert durch Vergleich von Real-und Imagin�arteil die Cauchy-Riemann-Gleichungen. �

Bemerkung 68.2. � Tats�achlich gilt sogar: Eine Funktion f : C��U ! R ist ge-

nau dann holomorph, wenn sie reell di�erenzierbar ist und den Cauchy-Riemann-

61

Page 62: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Gleichungen gen�ugt. Eine Konsequenz ist, dass jede auf ganz C de�nierte holo-morphe Funktion, die nur reelle Werte annimmt, konstant sein muss. Folglich sindbeispielweise z 7! jzj2 und z 7! Re(z) nicht holomorph.

� Man kann beweisen, dass die komplexe Ableitung einer holomorphen Funktion wie-derum �uberall komplex di�erenzierbar ist. Dies ist eine h�ochst erstaunliche Tatsa-che und hat keine Entsprechung in der reellen Analysis. Insbesondere sind Real-und Imagin�arteil einer holomorphen Funktion beliebig oft partiell di�erenzierbar.

Wir erinnern daran, dass man eine zweimal stetig partiell di�erenzierbare Funktion

u : R2��U ! R

2 harmonisch nennt, falls sie die Laplace-Gleichung erf�ullt, d. h. 4u = 0.

Satz 68.2. Sei f : C��U ! C eine holomorphe Funktion mit Zerlegung in Real- und

Imagin�arteil f(x+ iy) = u(x; y) + iv(x; y). Dann sind sowohl u als auch v harmonisch.

Beweis. Da f holomorph ist, gelten f�ur u und v die Cauchy-Riemann'schen Di�erenzi-algleichungen. Aus diesen folgt zusammen mit dem Satz von Schwarz:

4u =@2u

@x2+@2u

@y2(68.50)

=@

@x

@v

@y+

@

@y

��@v@x

�(68.51)

=@2v

@x@y� @2v

@y@x(68.52)

=@2v

@x@y� @2v

@x@y= 0; (68.53)

4v = @2v

@x2+@2v

@y2(68.54)

=@

@x

��@u@y

�+

@

@y

�@u

@x

�(68.55)

= � @2u

@x@y+

@2u

@y@x(68.56)

= � @2u

@x@y+

@2u

@x@y= 0: (68.57)

Physikalisches Anwendungsbeispiel 68.3:

Hat man eine Fl�ussigkeitsstr�omung in einem begrenzten ebenen Raum (zum Beispieleiner Felsspalte), so kann das Geschwindigkeitsfeld dieser Str�omung beschrieben werden

als Vektorfeld f = (u; v) : R2��U ! R

2 { oder eben auch als komplexe Funktion f =

62

Page 63: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

u + iv : U ! C. Man nennt eine Str�omung ideal, wenn sie quellen- und wirbelfrei ist,d. h. es gilt

@u

@x+@v

@y= 0;

@u

@y� @v

@x= 0: (68.58)

In diesem Fall gibt es keinen Zu- oder Ablauf, und auch keine Verwirbelungen. Man siehtanhand der Cauchy-Riemann'schen Di�erenzialgleichungen: f beschreibt genau danneine ideale Str�omung, wenn �f eine holomorphe Funktion ist.

69 Weiteres zur Wellengleichung, �Uberblick

69.1 Verallgemeinerte Wellengleichung

Allgemein hat man zur Beschreibung der meisten Wellenph�anome in der Physik diefolgende lineare partielle Di�erenzialgleichung:

@2u

@t2(x; t)� c24u(x; t) + �

@u

@t(x; t) + ku(x; t) = f(x; t) (69.1)

mit den Konstanten c > 0, � � 0, k � 0 sowie der vorgegebenen Funktion f .

Physikalisches Anwendungsbeispiel 69.1:

Wir betrachten verschiedene physikalische Anwendungen von Spezialf�allen der verallge-meinerten Wellengleichung.

� Wenn k = 0 und f = 0, hat man

@2u

@t2(x; t)� c24u(x; t) + �

@u

@t(x; t) = 0: (69.2)

Diese Gleichung beschreibt eine ged�ampfte Welle. Gew�ohnlich verliert eine Wellebei Ausbreitung in einem Medium Energie (Schallwellen erzeugen W�arme durchmolekulare Reibung, elektromagnetische Wellen regen freie Ladungstr�ager an usw.)Dieser Energieverlust wird durch den D�ampfungsparameter � > 0 beschrieben.(Das Ph�anomen sollte allerdings nicht damit verwechselt werden, dass die Ampli-tude der von einem Punkt ausgehenden Kugelwelle umgekehrt proportional mitdem Abstand abnimmt. Dies ist darauf zur�uckzuf�uhren, dass sich die von der Welletransportierte Energie im Raum auf die Ober �ache konzentrischer Kugelschalenverteilt.)

� Wenn � = 0 und f = 0, hat man

@2u

@t2(x; t)� c24u(x; t) + ku(x; t) = 0: (69.3)

Wellen, die dieser Gleichung gen�ugen, zeigen das physikalisch wichtige Ph�anomender Dispersion: Die Phasengeschwindigkeit ist in diesem Fall von der Wellenl�angeabh�angig. Dies gilt z. B. f�ur elektromagnetische Wellen in Medien, und da die

63

Page 64: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Phasengeschwindigkeit reziprok zur Brechzahl ist, kann Licht verschiedener Wel-lenl�ange mit einem Prisma aufgespalten werden.

Mithilfe dieser Gleichung beschreibt man au�erdem in der relativistischen Quan-tenphysik Elementarteilchen mit Spin Null (z. B. Pionen). In diesem Fall nenntman sie Klein-Gordon-Gleichung, und es ist c = 300:000 km

sdie Lichtgeschwin-

digkeit, sowie k = mc4

}2mit Ruhemasse des Teilchens m > 0 und Planck'schem

Wirkungsquantum } = 1; 055 � 10�34 Js.� Wenn � = 0 und k = 0, hat man

@2u

@t2(x; t)� c24u(x; t) = f(x; t): (69.4)

Diese Gleichung beschreibt eine Welle, bei der das Medium einer �au�eren Kraftein-wirkung unterworfen ist. Man denke hierbei z. B. an einen raumzeitlich begrenz-ten Kraftsto�: Stein f�allt ins Wasser ! Wasserwelle (n = 2), Silvesterknaller !Schallwelle (n = 3).

69.2 Cauchy-Problem der eindimensionalen Wellengleichung

Wir betrachten das folgende so genannte Cauchy-Problem f�ur die eindimensionaleWellengleichung (c > 0):

@2u

@t2(x; t)� c2

@2u

@x2(x; t) = 0; u(x; 0) = �(x);

@u

@t(x; 0) = (x); (69.5)

wobei ; � : R! R vorgegebene stetig di�erenzierbare Funktionen sind; gesucht ist diezweimal stetig partiell di�erenzierbare Funktion u : R � [0;1[ ! R. Wir zeigen, dassdurch das Cauchy-Problem u auf eindeutige Weise festlegt ist. Wie bereits gesagt (wennauch nicht bewiesen), muss die L�osung von der Form u(x; t) = f(x� ct) + g(x+ ct) mitzweimal stetig di�erenzierbaren Funktionen f; g : R! R sein. Es gilt mit diesem Ansatzf�ur alle x 2 R:

u(x; 0) = �(x), f(x) + g(x) = �(x)) f 0(x) + g0(x) = �0(x); (69.6)

@u

@t(x; 0) = (x), �cf 0(x) + cg0(x) = (x): (69.7)

L�ost man diese Gleichungen nach f 0(x) und g0(x) auf, so erh�alt man

f 0(x) =1

2�0(x)� 1

2c (x); (69.8)

g0(x) =1

2�0(x) +

1

2c (x): (69.9)

Integriert man bzgl. x von 0 bis �, so erh�alt man:

64

Page 65: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

f(�)� f(0) =1

2�(�)� 1

2�(0)� 1

2c

Z �

0

(x) dx; (69.10)

g(�)� g(0) =1

2�(�)� 1

2�(0) +

1

2c

Z �

0

(x) dx: (69.11)

Beachten Sie, dass �(0) = u(0; 0) = f(0) + g(0). Damit hat man n�amlich

u(x; t) = f(x� ct) + g(x+ ct) (69.12)

=1

2�(x� ct)� 1

2�(0)� 1

2c

Z x�ct

0

(�) d� + f(0) (69.13)

+1

2�(x+ ct)� 1

2�(0) +

1

2c

Z x+ct

0

(�) d� + g(0) (69.14)

=1

2(�(x+ ct) + �(x� ct)) +

�1

2c

Z x+ct

0

(�) d� � 1

2c

Z x�ct

0

(�) d�

�(69.15)

+ f(0) + g(0)� �(0) (69.16)

=1

2(�(x+ ct) + �(x� ct)) +

1

2c

Z x+ct

x�ct (�) d�: (69.17)

69.3 �Uberblick

65

Page 66: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

70 Grundlegendes zu Fourier-Reihen

De�nition 70.1. Sei L 2 R mit L > 0. Eine Funktion f : R! R hei�t L-periodisch,falls f�ur alle x 2 R

f(x+ L) = f(x) (70.1)

gilt.

Bemerkung 70.1. � Jede L-periodische Funktion ist o�ensichtlich auch nL-perio-disch mit n 2 N, n > 0 beliebig.

� Jede stetige periodische Funktion ist beschr�ankt, da

supx2R

jf(x)j = supx2[0;L]

jf(x)j = maxx2[0;L]

jf(x)j <1: (70.2)

Zur Erinnerung: Eine Funktion f : [a; b]! R hei�t st�uckweise stetig, wenn sie bis auf end-lich viele Ausnahmestellen stetig ist, und diese Ausnahmestellen sind allenfalls Sprung-stellen, d. h. rechts- und linksseitiger Grenzwert der Funktion existieren. Wir wollen eineFunktion f : R! R st�uckweise stetig nennen, wenn die Einschr�ankung von f auf jedesendliche Intervall [a; b] st�uckweise stetig ist.

De�nition 70.2. Sei f : R! R eine st�uckweise stetige, 2�-periodische Funktion, undsei f�ur jedes n 2 N

an =1

Z �

��f(x) cos(nx) dx; bn =

1

Z �

��f(x) sin(nx) dx: (70.3)

Dann schreibt man

f(x) � a0

2+

1Xn=1

(an cos(nx) + bn sin(nx)) ; (70.4)

wobei man die Reihe die zu f geh�orige Fourier-Reihe nennt.

Bemerkung 70.2. � Ist die Funktion f gerade (f(x) = f(�x) f�ur alle x 2 R), danngilt f�ur alle n 2 N:

an =2

Z �

0

f(x) cos(nx) dx; bn = 0: (70.5)

� Ist die Funktion f ungerade (f(x) = �f(�x) f�ur alle x 2 R), dann gilt f�ur allen 2 N:

an = 0; bn =2

Z �

0

f(x) sin(nx) dx: (70.6)

66

Page 67: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

� Wir haben uns hier der Einfachheit halber auf 2�-periodische Funktionen be-schr�ankt. Wenn f : R ! R eine L-periodische Funktion ist, so kann jedoch �uber~f : R ! R; ~f(x) := f

�L2�x�eine 2�-periodische Funktion de�niert werden, und

�uber f (x) = ~f�2�Lx�erh�alt man dann wieder die urspr�ungliche Funktion.

� Hat man eine auf einem endlichen Intervall [a; b] mit b� a =: L de�nierte stetigeFunktion f , so kann diese z. B. in folgender Weise periodisch fortgesetzt werden:

~f : R! R; ~f(x) :=

(f(x� nL) f�ur x 2 ]a+ nL; b+ nL[ mit n 2 Z;f(a)+f(b)

2f�ur x = a+ nL mit n 2 Z: (70.7)

Es ist dann ~f eine st�uckweise stetige, L-periodische Funktion, f�ur die wir dieFourier-Reihe hinschreiben k�onnen.

Beispiel 70.1:

Sei die Funktion f : [��; �] ! R; f(x) = x periodisch fortgesetzt. Die Funktion istungerade, und die Koe�zienten der zugeh�origen Fourier-Reihe sind an = 0 sowie

bn =2

Z �

0

f(x) sin(nx) dx (70.8)

=2

Z �

0

x sin(nx) dx (70.9)

=2

�x

�� 1

ncos(nx)

������x=0

�Z �

0

1 ��� 1

ncos(nx)

�dx

�(70.10)

=2

�n

��� cos(n�) + 1

nsin(nx)

�����x=0

�(70.11)

= � 2

n(�1)n = 2

n(�1)n+1: (70.12)

Die Fourier-Reihe ist somit gegeben durch

f(x) �1Xn=1

2

n(�1)n+1 sin(nx): (70.13)

71 Komplexe Fourier-Reihen, Grundlegendes zur

Variationsrechnung

71.1 Komplexe Fourier-Reihen

Die Darstellung einer Funktion in eine Summe von reellen Sinus- und Kosinusfunktionenist recht anschaulich und kann physikalisch als eine Zerlegung in spektrale Anteile ver-standen werden. So ist jedes Ger�ausch oder jeder Ton eine �Uberlagerung harmonischerSchwingungen, deren Frequenz einem ganzzahligen Vielfachen einer Grundfrequenz ent-

67

Page 68: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

spricht (Obert�one). F�ur konkrete Rechnungen ist jedoch die folgende, komplexe Dar-stellung oft praktischer:

De�nition 71.1. Sei f : R! R eine st�uckweise stetige, 2�-periodische Funktion, undsei f�ur jedes n 2 Z

cn =1

2�

Z 2�

0

f(x)e�inx dx: (71.1)

Dann schreibt man

f(x) �1X

n=�1cne

inx := limN!1

NXn=�N

cneinx; (71.2)

wobei man die Reihe die zu f geh�orige komplexe Fourier-Reihe nennt.

Das Integral �uber eine komplexwertige Funktion g : [a; b]! C ist wie die Di�erenziationkomponentenweise so zu verstehen:Z b

a

g(x) dx :=

Z b

a

Re(g(x)) dx+ i

Z b

a

Im(g(x)) dx: (71.3)

Es gelten jedoch analog die �ublichen Rechenregeln, z. B. ist f�ur alle ! 2 R:Z 2�

0

ei!x dx =1

i!ei!x

����2�x=0

= � i

!

�e2�i! � 1

�(71.4)

Bemerkung 71.1. F�ur L-periodische Funktionen schreibt man entsprechend

f(x) �1X

n=�1cne

in 2�Lx (71.5)

mit

cn =1

L

Z L

0

f(x)e�in2�Lx dx: (71.6)

Die reelle Fourier-Reihe einer Funktion mit Koe�zienten an; bn 2 R ist identisch mitder komplexen Fourier-Reihe mit Koe�zienten cn 2 C. Man kann die Koe�zientenumrechnen �uber die Formeln

cn =

(a�n+ib�n

2f�ur n < 0

an�ibn2

f�ur n > 0;(71.7)

c0 =a0

2(71.8)

bzw.

68

Page 69: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

an = cn + c�n; (71.9)

bn = i(cn � c�n); (71.10)

a0 = 2c0: (71.11)

Satz 71.1. Sei f : R ! R eine L-periodische, stetig di�erenzierbare Funktion. Dannkonvergiert die Fourier-Reihe von f an jeder Stelle x 2 R gegen den Funktionswert:

f(x) =1X

n=�1cne

in 2�Lx: (71.12)

Man kann in diesem Fall also das Symbol"�\ durch ein Gleichheitszeichen ersetzen.

Wir wollen eine Funktion f : R ! R st�uckweise stetig di�erenzierbar nennen, wenn siest�uckweise stetig und mit Ausnahme von Unstetigkeitsstellen stetig di�erenzierbar ist.Noch etwas allgemeiner gilt f�ur die Konvergenz von Fourier-Reihen:

Satz 71.2. Sei f : R ! R eine L-periodische, st�uckweise stetig di�erenzierbare Funk-tion. Dann konvergiert die Fourier-Reihe von f an jeder Stelle x 2 R gegen den Mit-telwert von rechts- und linksseitigem Grenzwert der Funktion:

1

2

�limu&x

f(u) + limu%x

f(u)

�=

1Xn=�1

cnein 2�

Lx: (71.13)

71.2 Eine Anwendung der Fourier-Reihe

Man kann Fourier-Reihen gliedweise ableiten:

Satz 71.3. Sei f : R ! R eine L-periodische, stetig di�erenzierbare Funktion mitFourier-Reihe

f(x) =1X

n=�1cne

in 2�Lx: (71.14)

Dann ist die Ableitung f 0 ebenfalls an jeder Stelle x 2 R durch eine Fourier-Reihedarstellbar:

f 0(x) =1X

n=�1

�in2�

L

�cne

in 2�Lx (71.15)

=2�i

L

1Xn=�1

ncnein 2�

Lx: (71.16)

69

Page 70: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Betrachten wir als Anwendung die inhomogene, lineare Di�erenzialgleichung

x00(t) + x0(t) + !20x(t) = a(t) (71.17)

mit den Konstanten ; !0 > 0 und einer L-periodischen, stetig di�erenzierbaren Funktiona : R! R.Wir suchen L-periodische L�osungen dieser Di�erenzialgleichung, welche eine erzwungene,ged�ampfte Schwingung beschreibt. Eine solche L�osung sei durch die Fourier-Reihe

x(t) =1X

n=�1xne

in!t (71.18)

dargestellt, w�ahrend die Inhomogenit�at die Fourier-Reihe

a(t) =1X

n=�1ane

in!t (71.19)

habe, wobei ! := 2�L. F�ur die Ableitungen von x gilt dann:

x0(t) = i!

1Xn=�1

nxnein!t; (71.20)

x00(t) = �!21X

n=�1n2xne

in!t: (71.21)

Eingesetzt in die Di�erenzialgleichung erh�alt man somit:

�!21X

n=�1n2xne

in!t + i !

1Xn=�1

nxnein!t + !2

0

1Xn=�1

xnein!t =

1Xn=�1

anein!t (71.22)

bzw. 1Xn=�1

ein!t���!2n2 + i !n+ !2

0

�xn � an

�= 0: (71.23)

Diese Gleichung ist sicher erf�ullt, wenn

xn =an

�!2n2 + i !n+ !20

: (71.24)

Bei bekannten Fourier-Koe�zienten an der erregenden Schwingung lautet eine parti-kul�are L�osung der Di�erenzialgleichung also

x(t) =1X

n=�1

anein!t

�!2n2 + i !n+ !20

; (71.25)

mit dem Majorantenkriterium kann man sehen, dass diese Reihe auch tats�achlich kon-vergiert.

70

Page 71: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

71.3 Grundlegendes zur Variationsrechnung

Wie jeder zu wissen glaubt, ist die k�urzeste Verbindung zwischen zwei Punkten in dereuklidischen Ebene R2 gegeben durch den Geradenabschnitt, der diese Punkte verbin-det. Anschaulich scheint dies ja

"klar\ zu sein, aber wie kann man das beweisen? (Ins-

besondere kann man dieselbe Frage z. B. f�ur zwei Punkte in R5 stellen { welche damitnicht mehr so leicht durch eine Skizze behandelt werden kann.) Aus Fragestellungen wiedieser ist die Variationsrechnung hervorgegangen, die sich zur Aufgabe gesetzt hat,die Extrema von so genannten Funktionalen aufzu�nden. Funktionale sind grob gesagtAbbildungen, durch die einer Funktion f eine Zahl V [f ] zugeordnet wird.

Beispiele 71.1:

� Jeder stetigen Funktion f : [a; b]! R kann die reelle Zahl

V [f ] =

Z b

a

f(x) dx (71.26)

zugeordnet werden.

� Sei g : [a; b] ! R eine vorgegebene stetige Funktion. Dann kann jeder stetigenAbbildung f : [a; b]! R die reelle Zahl

V [f ] =

Z b

a

(f(x)2 � 2f(x)g(x)) dx (71.27)

zugeordnet werden. F�ur welche Funktionen ist V [f ] extremal? Nach Umformungerh�alt man

V [f ] =

Z b

a

(f(x)� g(x))2 dx�Z b

a

g(x)2 dx: (71.28)

Man sieht, dass V [f ] bei geeigneter Wahl von f beliebig gro� werden kann undsomit kein Maximum besitzt. Andererseits sieht man auch, dass V [f ] genau f�ur

f0 := g minimal wird; das Minimum betr�agt V [f0] = � R bag(x)2 dx.

72 Grundlegendes zur Variationsrechnung II

Zur Erinnerung: Ein Funktional ordnet einer Funktion f eine Zahl V [f ] zu. Ebenso wie inder gew�ohnlichen Analysis k�onnen wir uns vorstellen, dass in der N�ahe eines Extremumsvon V sich in erster Ordnung nichts �andert, wenn wir aus dem Extremum herauslaufen.Man hat also bei einem Extremum f0

"�V := (V [f0 + h]� V [f0])Terme linear in h = 0\ (72.1)

mit der"Wackelfunktion\ h.

71

Page 72: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beispiel 72.1:

Wir betrachten erneut das Funktional

V [f ] =

Z b

a

(f(x)2 � 2f(x)g(x)) dx (72.2)

mit der fest vorgegebenen, stetigen Funktion g : [a; b]! R.Es gilt dann, wenn wir die Funktionsargumente der �Ubersichtlichkeit halber fortlassen:

V [f + h]� V [f ] =

Z b

a

((f + h)2 � 2(f + h)g) dx�Z b

a

(f 2 � 2fg) dx (72.3)

=

Z b

a

�f 2 + 2fh+ h2 � 2fg � 2hg � f 2 + 2fg

�dx (72.4)

= 2

Z b

a

h (f � g) dx+

Z b

a

h2 dx: (72.5)

L�a�t man den in h nicht linearen TermR bah2 dx fort, so ergibt sich

�V =

Z b

a

h (f � g) dx: (72.6)

Dieser Ausdruck verschwindet f�ur alle Wackelfunktionen h, wenn man f = g einsetzt.Wir hatten ja bereits festgestellt, das dort ein Minimum vorliegt.

Beispiel 72.2:

Sei (a; b) 2 R2 ein Punkt in der Ebene mit a > 0. Welche Kurve 0 stellt die k�urzesteVerbindung zwischen dem Ursprung (0; 0) und (a; b) dar? Wir wollen davon ausgehen,dass sich die L�osung als Graph einer stetig di�erenzierbaren Funktion f : [0; a] ! R

darstellen l�asst, d. h. wir betrachten alle Kurven der Form

: [0; a]! R2; t 7!

�t

f(t)

�; (72.7)

wobei (a) = (a; b) bzw. f(a) = b. Es soll die Bogenl�ange minimiert werden, also dasFunktional

V [f ] =

Z

ds =

Z a

0

k 0(t)k dt =Z a

0

p1 + (f 0(t))2 dt: (72.8)

Mit der Methode aus dem letzten Beispiel kommen wir jedoch nicht besonders weit:

V [f + h]� V [f ] =

Z a

0

�p1 + (f 0(t) + h0(t))2 �

p1 + (f 0(t))2

�dt: (72.9)

Der lineare Anteil l�a�t sich hier nicht so einfach extrahieren.

72

Page 73: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

73 Funktionale und deren Ableitung

Wir wollen die in den letzten Vorlesungen gesammelten Ideen zur Variationsrechnungformalisieren. Wir werden als Grundmenge, auf der unsere Funktionale de�niert sind, denVektorraum C2([t0; t1];R

n) der zweimal stetig di�erenzierbaren, auf dem Intervall [t0; t1]de�nierten Kurven in Rn betrachten. (Die zweimale Di�erenzierbarkeit ben�otigen wirsp�ater, um das Di�erenzial eines Funktionals berechnen zu k�onnen.) F�ur diesen Raumf�uhren wir der �Ubersichtlichkeit halber im Folgenden die Abk�urzung C := C2([t0; t1];R

n)ein, mit fest gew�ahlten t0 < t1.

De�nition 73.1. Sei X � C. Dann nennt man eine Abbildung V : X ! R ein Funk-tional (auf X ).

Beispiel 73.1:

Insbesondere wird uns sp�ater die Menge aller stetig di�erenzierbaren Kurven mit festenEndpunkten interessieren:

X = f 2 Cj (t0) = x0; (t1) = x1g (73.1)

mit x0; x1 2 Rn fest.

De�nition 73.2. Sei X � C. Man nennt ein Funktional V : X ! R di�erenzierbar,falls f�ur alle 2 X eine lineare Abbildung D : C ! R existiert, sodass f�ur alle h 2 Cmit + h 2 X gilt, dass

V [ + h]� V [ ] = D [h] +R[h]; (73.2)

wobei R[h] von der Ordnung gr�o�er als eins in h ist. Man nennt dann D das Di�e-renzial von V (an der Stelle ).

Bemerkung 73.1. � So wie die Ableitung einer di�erenzierbaren Funktion in dergew�ohnlichen Analysis ist auch das Di�erenzial eines Funktionals eindeutig be-stimmt, wenn es denn existiert.

� Mit"R[h] ist von der Ordnung gr�o�er als eins\ ist genauer gemeint, dass f�ur alle

h 2 C gilt:

lim�!0

R[�h]

�= 0: (73.3)

Beispielsweise ist R1[h] =R t1t0kh(t)k2 dt von der Ordnung gr�o�er als eins:

lim�!0

R1[�h]

�= lim

�!0

�2R t1t0kh(t)k2 dt�

= R[h] lim�!0

� = 0: (73.4)

73

Page 74: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

F�ur R2[h] =R t1t0kh(t)k dt gilt dies hingegen nicht:

lim�!0

����R2[�h]

���� = lim�!0

j�j R t1t0kh(t)k dtj�j = R[h] 6= 0: (73.5)

In gewissem Sinne ent�ahlt R[h] nur Terme in h mit Potenzen, die gr�o�er oder gleichzwei sind.

Etwas Notation: F�ur eine partiell di�erenzierbare Funktion L : U � Rn � R !

R; L : (x; v; t) 7! L(x; v; t) mit U��Rn schreiben wir

@L

@x:=

0B@

@L@x1...@L@xn

1CA ;

@L

@v:=

0B@

@L@v1...@L@vn

1CA : (73.6)

Satz 73.1. Seien U��Rn und L : U � Rn � R! R; (x; v; t) 7! L(x; v; t) eine zweimal

stetig partiell di�erenzierbare Funktion. Dann ist das auf X = f 2 Cj ([t0; t1]) � Ugde�nierte Funktional

V [ ] =

Z t1

t0

L( (t); 0(t); t) dt (73.7)

di�erenzierbar, und es gilt f�ur das Di�erenzial:

D [h] =

Z t1

t0

�@L

@x( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@v( (t); 0(t); t)

��� h(t) dt (73.8)

+@L

@v( (t); 0(t); t) � h(t)

����t1t=t0

; (73.9)

wobei"�\ das Standardskalarprodukt auf Rn ist.

Beweis. Seien 2 X und h 2 C so, dass +h 2 X . (Das bedeutet hier einfach, dass dieKurve und deren Variation + h die Menge U nicht verlassen.) Es gilt

V [ + h]� V [ ] =

Z t1

t0

(L( (t) + h(t); 0(t) + h0(t); t)� L( (t); 0(t); t)) dt: (73.10)

Um diesen Ausdruck bis zur ersten Ordnung zu berechnen, ben�otigen wir die Taylor-Entwicklung von L. Der Gradient von L ist ein Vektorfeld mit 2n + 1 Komponenten:

gradL =

0@@L

@x@L@v@L@t

1A : (73.11)

74

Page 75: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Damit ergibt sich f�ur die Taylor-Entwicklung erster Ordnung im Punkt (x; v; t) in Rich-tung (hx; hv; 0):

L(x+ hx; v + hv; t)� L(x; v; t) = (73.12)

gradL(x; v; t) � (hx; hv; 0)T + r(hx; hv) = (73.13)

@L

@x(x; v; t) � hx + @L

@v(x; v; t) � hv + r(hx; hv) (73.14)

mit dem Restglied r(hx; hv).Also hat man

V [ + h]� V [ ] =

Z t1

t0

(L( (t) + h(t); 0(t) + h0(t); t)� L( (t); 0(t); t)) dt (73.15)

= D [h] +R[h] (73.16)

mit

D [h] :=

Z t1

t0

�@L

@x( (t); 0(t); t) � h(t) + @L

@v( (t); 0(t); t) � h0(t)

�dt; (73.17)

R[h] :=

Z t1

t0

r(h(t); h0(t))dt: (73.18)

Es ist nicht so schwer zu sehen, dass D [h] tats�achlich linear in h ist.Der Term R[h] ist hingegen von der Ordnung gr�o�er als eins; dies sieht man wie folgt.Mit der Abk�urzung u(t) := (h(t); h0(t)) gilt:

lim�!0

R[�h]

�= lim

�!0

R t1t0r(�u(t))dt

�: (73.19)

Nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung gibt es f�ur jedes � ein � 2 [t0; t1] mitR t1t0r(�u(t)) dt = (t1 � t0)r(�u(�)). Mit der Asymptotik des Restglieds der Taylor-

Entwicklung und der Beschr�anktheit von ku(�)k folgt schlie�lich:

lim�!0

����R[�h]�

���� = (t1 � t0) lim�!0

jr(�u(�))jj�j (73.20)

= (t1 � t0) lim�!0

ku(�)kjr(�u(�))jk�u(�)k = 0: (73.21)

Es bleibt noch zu zeigen, dass D [h] auf die Form im Satz gebracht werden kann. Diessieht man durch partielle Integration (k 2 f1; : : : ; ng):Z t1

t0

@L

@vk( (t); 0(t); t)h0k(t) = (73.22)

@L

@vk( (t); 0(t); t)hk(t)

����t1t=t0

�Z t1

t0

d

dt

�@L

@vk( (t); 0(t); t)

�hk(t) dt: (73.23)

75

Page 76: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

F�ur diesen Schritt ist die zweimalige stetige Di�erenzierbarkeit von und L erforderlich,denn t 7! @L

@vk( (t); 0(t); t) muss stetig di�erenzierbar sein. Damit erh�alt man (hier

einmal sehr ausf�uhrlich): Z t1

t0

@L

@v( (t); 0(t); t) � h0(t) dt = (73.24)Z t1

t0

nXk=1

@L

@vk( (t); 0(t); t)h0k(t) dt = (73.25)

nXk=1

Z t1

t0

@L

@vk( (t); 0(t); t)h0k(t) dt = (73.26)

nXk=1

@L

@vk( (t); 0(t); t)hk(t)

����t1t=t0

�Z t1

t0

d

dt

�@L

@vk( (t); 0(t); t)

�hk(t) dt

!= (73.27)

nXk=1

@L

@vk( (t); 0(t); t)hk(t)

�����t1

t=t0

�Z t1

t0

nXk=1

d

dt

�@L

@vk( (t); 0(t); t)

�hk(t) dt = (73.28)

@L

@v( (t); 0(t); t) � h(t)

����t1t=t0

�Z t1

t0

d

dt

�@L

@v( (t); 0(t); t)

�� h(t) dt: (73.29)

Einsetzen in D [h] und Zusammenfassen der Integrale liefert das Ergebnis. �

Bemerkung 73.2. Man nennt in diesem Zusammenhang L auch die Lagrange-

Funktion des Funktionals.

74 Die Euler-Lagrange-Gleichungen

Wir verwenden auch in diesem Abschnitt die Abk�urzung C := C2([t0; t1];Rn).

De�nition 74.1. Sei X � C und V : X ! R ein di�erenzierbares Funktional. Wirnennen eine Kurve 0 2 X ein Extremum von V , falls an dieser Stelle das Di�erenzialvon V verschwindet: D 0 [h] = 0 f�ur alle h 2 C mit 0 + h 2 X .

Um den n�achsten Satz beweisen zu k�onnen, ben�otigen wir den folgenden Hilfssatz:

Lemma 74.1. Sei f : [t0; t1]! R eine stetige Funktion, und es gelteZ t1

t0

f(t)h(t) dt = 0 (74.1)

f�ur alle stetigen Funktionen h : [t0; t1] ! R mit h(t0) = h(t1) = 0. Dann ist f dieNullfunktion.

76

Page 77: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beweis. Angenommen, f w�are nicht die Nullfunktion, d. h. es existiert ein � 2 [t0; t1]mit f(�) 6= 0. Sei o. B. d.A f(�) > 0. Da f stetig ist, gibt es ein c > 0 und ein � > 0 mit

t0 < � � � < � + � < t1 und f(t) � c (74.2)

f�ur alle t 2 [���; �+�]. Sei nun h : [t0; t1]! R eine stetige Funktion mit der Eigenschaft

h(t) =

8><>:0 f�ur t � � � �;

1 f�ur � � �2< t < � + �

2;

0 f�ur t � � + �:

(74.3)

Dann gilt Z t1

t0

f(t)h(t) dt � �c > 0: (74.4)

Dies ist ein Widerspruch. �

Satz 74.2. Seien U��Rn und L : U � Rn � R! R; (x; v; t) 7! L(x; v; t) eine zweimal

stetig partiell di�erenzierbare Funktion. Seien ferner x0; x1 2 U . Das auf X = f 2Cj ([t0; t1]) � U; (t0) = x0; (t1) = x1g de�nierte Funktional

V [ ] =

Z t1

t0

L( (t); 0(t); t) dt (74.5)

ist dann di�erenzierbar, und eine Kurve 2 X ist genau dann ein Extremum von V ,wenn sie die so genannten Euler-Lagrange-Gleichungen erf�ullt:

@L

@x( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@v( (t); 0(t); t)

�= 0: (74.6)

Beweis. Wir hatten bereits bewiesen, dass das Di�erenzial von L allgemein gegeben istdurch

D [h] =

Z t1

t0

�@L

@x( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@v( (t); 0(t); t)

��� h(t) dt (74.7)

+@L

@v( (t); 0(t); t) � h(t)

����t1t=t0

: (74.8)

Das Funktional ist hier jedoch auf der Menge X aller Kurven mit den festen Endpunktenx0; x1 2 U eingeschr�ankt. Aus diesem Grund muss in obiger Formel h derart sein, dassmit auch die Variation + h diese Endpunkte besitzt. Das ist nur m�oglich, wennh(t0) = h(t1) = 0 gilt. Damit f�allt der letzte Term weg, und es bleibt

D [h] =

Z t1

t0

�@L

@x( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@v( (t); 0(t); t)

��� h(t) dt: (74.9)

77

Page 78: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Wenn die Euler-Lagrange-Gleichungen erf�ullt sind, liegt o�ensichtlich ein Extremum vor.Gilt umgekehrt D [h] = 0, so hat man

0 =

Z t1

t0

�@L

@x( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@v( (t); 0(t); t)

��� h(t) dt (74.10)

=nXk=1

Z t1

t0

�@L

@xk( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@vk( (t); 0(t); t)

��hk(t) dt: (74.11)

Dies gilt insbesondere auch f�ur alle Kurven der Form h(t) = hi(t)ei (i 2 f1; : : : ; ng):Z t1

t0

�@L

@x1( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@v1( (t); 0(t); t)

��h1(t) dt = 0; (74.12)

...Z t1

t0

�@L

@xn( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@vn( (t); 0(t); t)

��hn(t) dt = 0: (74.13)

Aus dem oben bewiesenen Lemma folgen dann die Euler-Lagrange-Gleichungen:

@L

@x1( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@v1( (t); 0(t); t)

�= 0; (74.14)

...

@L

@xn( (t); 0(t); t)� d

dt

�@L

@vn( (t); 0(t); t)

�= 0: (74.15)

Bemerkung 74.1. � Die Euler-Lagrange-Gleichungen sind ein System von n

gew�ohnlichen Di�erenzialgleichungen h�ochstens zweiter Ordnung in den Kompo-nentenfunktionen 1; : : : ; n.

� Oft schreibt man f�ur die Euler-Lagrange-Gleichungen kurz

@L

@x� d

dt

@L

@ _x= 0: (74.16)

Beispiel 74.1:

Kommen wir zur�uck zu der Aufgabe, die k�urzeste Verbindung zwischen den Punkten(0; 0) und (a; b) zu �nden. Das Bogenl�angenfunktional f�ur den Graphen einer Funktionf : [0; a]! R mit festen Endpunkten f(0) = 0 und f(a) = b ist gegeben durch

V [f ] =

Z a

0

p1 + (f 0(t))2 dt: (74.17)

Dies ist ein Funktional mit Lagrange-Funktion L(x; v; t) =p1 + v2. Die partiellen Ab-

leitungen berechnen sich zu

78

Page 79: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

@L

@x(x; v; t) = 0; (74.18)

@L

@v(x; v; t) =

vp1 + v2

: (74.19)

Somit lautet die Euler-Lagrange-Gleichung

0 =@L

@x(f; f 0(t); t)� d

dt

�@L

@v(f(t); f 0(t); t)

�(74.20)

= 0� d

dt

f 0(t)p

1 + (f 0(t))2

!: (74.21)

Der Term in der Klammer ist also konstant:

f 0(t)p1 + (f 0(t))2

= ~c: (74.22)

L�ost man nach f 0(t) auf, so stellt man fest, dass auch f 0 konstant sein muss:

f 0(t) = m: (74.23)

Durch Integration ergibt sichf(t) = mt+ c: (74.24)

Die L�osung ist also tats�achlich die Strecke zwischen den beiden Punkten.

Physikalisches Anwendungsbeispiel 74.2:

Sei G��R3 und U : G ! R das Potenzial eines statischen Kraftfeldes F : G ! R

3, d. h.F = �rU . Wir betrachten die Lagrange-Funktion

L : G� R3 � R! R; L(x; v; t) =1

2mv2 � U(x) (74.25)

und interpretieren m > 0 als die Masse eines Punktteilchens mit Bahnkurve q : [t0; t1]!G, welches sich im Potenzial U bewegt. (Mit v2 ist das gew�ohnliche Skalarprodukt vonv mit sich selbst gemeint.) Das so genannte Wirkungsfunktional ist dann

S[q] =

Z t1

t0

L(q(t); _q(t); t) dt =

Z t1

t0

�1

2m( _q(t))2 � U(q(t))

�dt: (74.26)

Die Lagrange-Funktion ist gerade die Di�erenz aus kinetischer und potenzieller Energie.Man hat

@L

@x(x; v; t) = �rU(x) = F (x); (74.27)

@L

@v(x; v; t) = mv: (74.28)

Die entsprechenden Euler-Lagrange-Gleichungen sind somit

79

Page 80: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

0 =@L

@x(q(t); _q(t); t)� d

dt

�@L

@v(q(t); _q(t); t)

�(74.29)

= F (q(t))� d

dt(m _q(t)) (74.30)

= F (q(t))�m�q(t): (74.31)

Das ist aber gerade die Newton'sche Bewegungsgleichung. Die physikalischen Bahneneines Punktteilchens sind also genau die Extrema des Wirkungsfunktionals.

75 Grundlagen der Funktionentheorie

75.1 Komplexe Di�erenzierbarkeit

Bei der Betrachtung harmonischer Funktionen hatten wir bereits de�niert:

De�nition 75.1. Eine Funktion f : C��U ! C hei�t komplex di�erenzierbar im

Punkt z0 2 U , falls der Grenzwert

f 0(z0) := limz!z0

f(z)� f(z0)

z � z0= lim

h!0

f(z0 + h)� f(z0)

h(75.1)

existiert. Man nennt f holomorph, wenn f in jedem Punkt ihres De�nitionsbereichsU komplex di�erenzierbar ist.

Bemerkung 75.1. � Holomorphe Funktionen sind stetig.

� Linearit�at, Kettenregel, Quotientenregel, Produktregel usw. gelten auch f�ur diekomplexe Ableitung.

Beispiel 75.1:

Konstante Funktionen und die Identit�at auf C, allgemeiner auch Polynome und rationaleFunktionen, sind holomorph.

75.2 Die Cauchy-Riemann'schen Di�erenzialgleichungen

�Uber die bijektive Abbildung � : R2 ! C; (x; y) 7! x+ iy kann der R-Vektorraum R2 mit

C identi�ziert werden; die Verkn�upfungen der Vektoraddition und der Multiplikationmit Skalaren �ubertragen sich verm�oge der Linearit�at von � auf C:

�(x1 + x2; y1 + y2) = (x1 + x2) + i(y1 + y2); (75.2)

�(�x1; �y1) = �x1 + i�y1 (75.3)

mit x1=2; y1=2; � 2 R.

80

Page 81: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Man nennt � in diesem Zusammenhang einen Isomorphismus und sagt, C und R2 seien(als R-Vektorr�aume) isomorph (griech.

"von gleicher Gestalt\). Praktisch bedeutet dies

einfach, dass wir uns komplexe Zahlen in der Zahlenebene vorstellen, und schreiben(x; y) �= x+ iy.

Auf diese Weise kann eine komplexe Funktion f : C��U ! C auch als Abbildung von

R2 nach R2 aufgefasst werden:

f : x+ iy 7! f(x+ iy) = u(x; y) + iv(x; y)�= �=

��1 � f � � : (x; y) 7! (u(x; y); v(x; y))

De�nition 75.2. Sei f : C��U ! C. Wenn die entsprechende reelle Abbildung

��1 � f � � (im Sinne der reellen Analysis) di�erenzierbar ist, so nennt man f reell

di�erenzierbar.

Jede komplex di�erenzierbare Funktion ist reell di�erenzierbar. Jedoch ist nicht jedereell di�erenzierbare Funktion auch komplex di�erenzierbar; man muss eine weitere Be-dingung an die Ableitung stellen.Bevor wir diese Bedingung formulieren, stellen wir zun�achst einmal fest, dass die Mul-tiplikation mit einer festen komplexen Zahl eine lineare Abbildung ist, denn f�ur festgew�ahltes a 2 C gilt

a � (z1 + z2) = a � z1 + a � z2; (75.4)

a � (�z1) = �(a � z1) (75.5)

f�ur alle z1; z2 2 C und � 2 R. Durch Zerlegung in Real- und Imagin�arteil erh�alt man dieentsprechende darstellende Matrix in der reellen Darstellung:

(a1 + ia2) � (x+ iy) = a1x+ ia1y + ia2x� a2y (75.6)

= (a1x� a2y) + i(a2x+ a1y) (75.7)

�=�a1x� a2y

a2x+ a1y

�(75.8)

=

�a1 �a2a2 a1

���x

y

�: (75.9)

Bemerkung 75.2. Tats�achlich ist diese Abbildung einer Drehstreckung in der Ebene;dies sieht man in der trigonometrischen Darstellung (a1 = r cos�, a2 = r sin�):

(a1 + ia2) � (x+ iy) �= r

�cos� � sin�sin� cos�

���x

y

�: (75.10)

81

Page 82: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Satz 75.1. Eine Funktion f : C��U ! C ist genau dann in z0 2 U komplex di�eren-

zierbar, wenn sie in diesem Punkt reell di�erenzierbar ist und das reelle Di�erenzialder Multiplikation mit einer komplexen Zahl, n�amlich f 0(z0), entspricht.

Beweis.")\ Sei f in z0 2 U komplex di�erenzierbar. Wir de�nieren f�ur h 2 C:

F (h) := f(z0 + h)� f(z0)� f 0(z0)h (75.11)

Da die Multiplikation mit der komplexen Zahl f 0(z0) eine lineare Abbildung ist,haben wir die f�ur reelle Di�erenzierbarkeit erforderliche Formel

f(z0 + h) = f(z0) + f 0(z0)h+ F (h); (75.12)

falls limh!0F (h)jhj = 0, oder �aquivalent dazu: limh!0

���F (h)h

��� = 0. Es gilt:

limh!0

����F (h)h

���� = limh!0

����f(z0 + h)� f(z0)� f 0(z0)hh

���� (75.13)

= limh!0

����f(z0 + h)� f(z0)

h� f 0(z0)

���� = 0: (75.14)

"(\ Sei f in z0 2 U reell di�erenzierbar, und das Di�erenzial entspreche der Multipli-

kation mit einer komplexen Zahl a 2 C, d. h.

f(z0 + h) = f(z0) + ah+ F (h) (75.15)

mit limh!0

���F (h)h

��� = 0. Zun�achst bemerken wir, dass dann auch limh!0F (h)h

= 0,

und es ergibt sich:

f 0(z0) = limh!0

f(z0 + h)� f(z0)

h(75.16)

= limh!0

f(z0) + ah+ F (h)� f(z0)

h(75.17)

= limh!0

ah+ F (h)

h(75.18)

= a+ limh!0

F (h)

h= a: (75.19)

Satz 75.2. Eine Funktion f : C��U ! C mit Zerlegung in Real- und Imagin�arteil

f(x + iy) = u(x; y) + iv(x; y) ist genau dann in z0 2 U komplex di�erenzierbar, wenn

82

Page 83: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

sie in diesem Punkt reell di�erenzierbar ist und die so genannten Cauchy-Riemann-Gleichungen erf�ullt sind:

@u

@x=@v

@y; (75.20)

@u

@y= �@v

@x: (75.21)

Beweis. Das reelle Di�erenzial einer reell di�erenzierbaren Funktion f entspricht genaudann der Multiplikation mit einer komplexen Zahl, wenn es die Form�

a1 �a2a2 a1

�(75.22)

hat. Zugleich ist es aber auch durch die Jacobi-Matrix gegeben:�@u@x

@u@y

@v@x

@v@y

�: (75.23)

Ein Vergleich beider Matrizen zeigt die G�ultigkeit der Cauchy-Riemann-Gleichungen. �

76 Wichtige Eigenschaften holomorpher Funktionen

Beispiel 76.1:

Hier noch zwei Beispiele nicht holomorpher Funktionen:

� Sei f : C ! C; f(z) = �z. In Real- und Imagin�arteil zerlegt, hat man f(x + iy) =x� iy, also u(x; y) = x und v(x; y) = �y. Es gilt in diesem Fall

@u

@x(x; y) = 1 6= �1 = @v

@y(x; y); (76.1)

folglich ist f nicht holomorph.

� Sei f : C ! C die Funktion mit Zerlegung in Real- und Imagin�arteil f(x + iy) =sinx sin y � i cosx cos y = u(x; y) + iv(x; y). Die partiellen Ableitungen berechnensich zu

@u

@x= cosx sin y;

@u

@y= sinx cos y; (76.2)

@v

@x= sinx cos y;

@v

@y= cosx sin y: (76.3)

Die Cauchy-Riemann-Gleichung @u@x

= @v@y

ist zwar erf�ullt, die Gleichung @u@y

= � @v@x

jedoch nicht. Wir k�onnen auch f nicht auf eine geeignete o�ene Teilmenge von C

83

Page 84: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

einschr�anken, um Holomorphie zu erreichen, denn die Gleichung @u@y

= � @v@x

ist nurf�ur Punkte auf dem Gitter

G = fx+ iy 2 Cjx = k� oder y =�

2+ k� mit k 2 Zg (76.4)

erf�ullt { jedoch enth�alt G keine o�ene Teilmenge mehr, denn G besteht nur ausRandpunkten.

Wir erinnern:

Satz 76.1. Sei f : C��U ! C eine holomorphe Funktion mit Zerlegung in Real- und

Imagin�arteil f(x+ iy) = u(x; y) + iv(x; y). Dann sind sowohl u als auch v harmonisch,d. h. 4u = 4v = 0.

Satz 76.2. Sei f : C! C eine holomorphe Funktion. Wenn der Realteil von f konstantist, dann ist f konstant.

Beweis. Sei f(x+ iy) = u(x; y)+ iv(x; y) die Zerlegung von f in Real- und Imagin�arteil.Da u konstant ist, gilt @u

@x= @u

@y= 0. Aus den Cauchy-Riemann'schen Di�erenzialglei-

chungen folgt, dass dann auch @v@x

= @v@y

= 0. Also verschwindet der Gradient von v, undsomit ist auch v konstant. �

Korollar 76.3. Seien g; h : C ! C holomorphe Funktionen. Wenn sich die Realteilevon g und h nur um eine Konstante unterscheiden, dann unterscheiden sich g und hnur um eine Konstante.

Beweis. Wenn der Realteil von f := g � h konstant ist, dann ist f konstant, also g =h+ konst: �

Bemerkung 76.1. � Eine genauere Erl�auterung zu rv = 0 ) v = konst:: Aus@v@x

= 0 folgt v(x; y) = c1(y), und aus @v@y

= 0 folgt v(x; y) = c2(x). Mithin gilt

c1(x) = c2(y)) dc1dx

= 0) v = c1 = konst:

� Man kann in den obigen Aussagen das Wort"Realteil\ durch

"Imagin�arteil\ er-

setzen, und sie bleiben immer noch wahr.

Bemerkung 76.2. Das Di�erenzial einer holomorphen Funktion ist die Nullabbildungoder eine Drehstreckung. Drehstreckungen sind so genannte konforme Abbildungen, d. h.sie erhalten Winkel; es gilt n�amlich f�ur alle x; y 2 R2

84

Page 85: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

cos](rRx; rRy) =hrRx; rRyikrRxkkrRyk =

r2hx; yir2kxkkyk = cos](x; y); (76.5)

falls r 2 ]0;1[ und R 2M(2� 2;R) eine Drehmatrix ist. Holomorphe Funktionen sindzwar nicht konform, jedoch in erster Ordnung, also in jeder Umgebung eines Punktes

"ann�ahernd konform\. Deshalb nennt man eine holomorphe Funktion, deren Ableitungnirgends verschwindet, auch lokal konform.

77 Potenzreihen �uber C

Alle Folgen und Reihen, die wir hier betrachten, sind i. A. als komplexwertig anzuneh-men.

77.1 Wiederholung

De�nition 77.1. Eine ReiheP1

n=0 cn hei�t konvergent, wenn die Folge der Partial-

summen SN =PN

n=0 cn konvergiert. Der Grenzwert der Reihe ist dann de�niert als derGrenzwert der Partialsummen:

1Xn=0

cn = limN!1

SN : (77.1)

Die Reihe hei�t absolut konvergent, wenn S�N =PN

n=0 jcnj konvergiert.

Satz 77.1. Jede absolut konvergente Reihe ist konvergent.

Bemerkung 77.1. Trotzdem gilt nat�urlich i. A.P1

n=0 cn 6=P1

n=0 jcnj; der Satz machtkeine Aussage �uber den Grenzwert.

Satz 77.2. Wenn die ReiheP1

n=0 cn konvergiert, dann ist (cn) eine Nullfolge.

Bemerkung 77.2. Die Umkehrung des Satzes gilt i. A. nicht; beispielsweise istP1

n=11n

divergent.

Beispiel 77.1:

Die geometrische Reihe1Xn=0

qn (77.2)

85

Page 86: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

ist absolut konvergent f�ur alle q 2 C mit jqj < 1. Sie ist divergent f�ur alle q 2 C mitjqj � 1.

Satz 77.3. Majorantenkriterium. SeiP1

n=0 dn eine absolut konvergente Reihe.Dann konvergiert eine Reihe

P1n=0 cn ebenfalls absolut, falls f�ur fast alle n 2 N gilt:

jcnj � jdnj.

De�nition 77.2. Eine Reihe der Form

1Xn=0

an(z � z0)n (77.3)

hei�t Potenzreihe mit Entwicklungspunkt z0 2 C (in der Variablen z 2 C).

F�ur die meisten allgemeinen Betrachtungen gen�ugt es, Potenzreihen der Form

1Xn=0

anzn (77.4)

zu betrachten, also Potenzreihen mit Entwicklungspunkt z0 = 0.

77.2 Konvergenzradius, Ableitung von Potenzreihen

Lemma 77.4. Wenn die ReiheP1

n=0 anvn konvergiert, dann konvergiert

P1n=0 anu

n

absolut, falls juj < jvj.

Beweis. DaP1

n=0 anvn konvergiert, ist die Folge (anv

n) der Summanden eine Nullfolge.Dies impliziert, dass janvnj ab einem N 2 N sicher kleiner ist als eins. Damit ergibt sich

mit q := jujjvj < 1:

1Xn=N

janvnjqn <1Xn=N

qn <1: (77.5)

MitP1

n=N janvnjqn konvergiert aber auch sicherP1

n=0 janvnjqn. Damit sind wir auchschon praktisch fertig, denn:

1Xn=0

janunj =1Xn=0

janvnj� jujjvj�n

(77.6)

=1Xn=0

janvnjqn: (77.7)

86

Page 87: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Dies bedeutet, dass Bereiche absoluter Konvergenz einer Potenzreihe durch Kreisschei-ben um den Entwicklungspunkt gegeben sind. Tats�achlich gilt sogar:

Satz 77.5. F�ur jede PotenzreiheP1

n=0 anzn existiert ein R 2 [0;1[ [ f+1g, sodass

die Reihe f�ur alle z 2 C mit jzj < R absolut konvergiert und f�ur alle z 2 C mit jzj > R

divergiert.

Beweis. Sei D � C die Menge aller Punkte, f�ur die die Reihe konvergiert. Es gilt injedem Fall 0 2 D, folglich ist D nicht leer. Sei ferner

R := supz2D

jzj: (77.8)

Nach Lemma 77.4 konvergiert die Reihe f�ur alle z 2 C mit jzj < R absolut. NachKonstruktion von R divergiert die Reihe f�ur alle z 2 C mit jzj > R. �

Bemerkung 77.3. � Man nennt R den Konvergenzradius der Potenzreihe.

� Die durch fN(z) =PN

n=0 anzn gegebene Folge von Funktionen konvergiert

gleichm�a�ig gegen die Grenzfunktion f : UR(0)! C; f(z) =P1

n=0 anzn, d. h.

limN!1

supz2UR(0)

jfN(z)� f(z)j = 0: (77.9)

� Die Grenzfunktion ist (so wie jeder gleichm�a�ige Limes stetiger Funktionen) stetig.

Satz 77.6. F�ur den Konvergenzradius R einer PotenzreiheP1

n=0 anzn gilt

1

R= lim

n!1npjanj: (77.10)

Au�erdem gilt

R = limn!1

���� anan+1

���� ; (77.11)

falls der Grenzwert existiert (1 eingeschlossen).

Bemerkung 77.4. Die erste Formel ist so zu verstehen, dassR = 0, falls limn!1 npjanj =

1, und R =1, falls limn!1 npjanj = 0.

Beispiele 77.2:

� Die ReiheP1

n=0 n!zn konvergiert nirgends:

R = limn!1

���� n!

(n+ 1)!

���� = limn!1

1

n+ 1= 0: (77.12)

87

Page 88: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

� Die ReiheP1

n=01n!zn konvergiert in der ganzen komplexen Ebene:

R = limn!1

����(n+ 1)!

n!

���� = limn!1

(n+ 1) =1: (77.13)

� Die PotenzreiheP1

n=0 enz2n geht durch die Substitution t = z2 �uber in

P1n=0 e

ntn.Der Konvergenzradius R0 dieser Potenzreihe in t ist gegeben durch

1

R0= lim

n!1npen = e: (77.14)

Den KonvergenzradiusR der urspr�unglichen Reihe erh�alt man durch R�ucksubsitution:

R =pR0 =

1pe: (77.15)

� Die PotenzreiheP1

n=0 einzn hat den Konvergenzradius

1

R= lim

n!1npjeinj = lim

n!1np1 = 1 ; (77.16)

oder auf die andere Weise berechnet:

R = limn!1

���� ein

ei(n+1)

���� = limn!1

je�inj = limn!1

1 = 1: (77.17)

� Sei (an) die Folge mit

an =

(1 f�ur n gerade;1n

f�ur n ungerade:(77.18)

Diese Folge setzt sich o�ensichtlich aus genau zwei konvergenten Teilfolgen zusam-men. F�ur den Konvergenzradius von

P1n=0 anz

n ergibt sich:

1

R= lim

n!1npjanj = lim

n!1np1 = 1: (77.19)

Das andere Kriterium liefert kein brauchbares Ergebnis, denn der Grenzwert von���� anan+1

���� =(n+ 1 f�ur n gerade;1n

f�ur n ungerade(77.20)

existiert nicht.

Auf dem Rand des Konvergenzbereichs k�onnen keine allgemeing�ultigen Aussagen hin-sichtlich der Konvergenz gemacht werden:

Beispiel 77.3:

� Die PotenzreiheP1

n=1zn

n2hat den Konvergenzradius R = 1. Sie konvergiert f�ur alle

z 2 C mit jzj = 1.

88

Page 89: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

� Die PotenzreiheP1

n=1zn

nhat den Konvergenzradius R = 1. Sie konvergiert f�ur

z = �1 und divergiert f�ur z = 1.

� Die PotenzreiheP1

n=1z2n

nhat den Konvergenzradius R = 1. Sie konvergiert f�ur

z = �i und divergiert f�ur z = �1.

Satz 77.7. SeiP1

n=0 anzn eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R. Dann ist

f : UR(0)! C; f(z) =1Xn=0

anzn (77.21)

eine holomorphe Funktion mit Ableitung

f 0 : UR(0)! C; f 0(z) =1Xn=1

nanzn�1: (77.22)

Um diesen Satz zu beweisen, ben�otigen wir zur Vorbereitung den (u.U. noch aus derSchule bekannten) binomischen Lehrsatz sowie zwei weitere Hilfss�atze:

Satz 77.8. Binomischer Lehrsatz. Seien a; b 2 C. Dann gilt

(a+ b)n =nXk=0

�n

k

�akbn�k (77.23)

mit den so genannten Binomialkoe�zienten�n

k

�:=

n!

k!(n� k)!: (77.24)

Beweis. F�ur n = 0 ist die Behauptung sicher richtig, denn auf der linken Seite derGleichung steht dann (a + b)0 = 1, und auf der rechten Seite steht nur ein Summand,n�amlich

�00

�a0b0�0 = 0!

0!(0�0)! � 1 = 1.F�ur den Induktionsschritt stellen wir vorab fest, dass

89

Page 90: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

�n

k � 1

�+

�n

k

�=

n!

(k � 1)!(n� (k � 1))!+

n!

k!(n� k)!(77.25)

=n!

(k � 1)!(n� k + 1)!+

n!

k!(n� k)!(77.26)

=n!k

k(k � 1)!(n� k + 1)!+

n!(n� k + 1)

k(k � 1)!(n� k + 1)(n� k)!(77.27)

=n!(k + n� k + 1)

k!(n+ 1� k)!(77.28)

=n!(n+ 1)

k!(n+ 1� k)!=

(n+ 1)!

k!(n+ 1� k)!=

�n+ 1

k

�: (77.29)

Sei die Behauptung nun f�ur ein beliebiges, aber festes n bereits bewiesen. Dann gilt:

(a+ b)n+1 = (a+ b)(a+ b)n (77.30)

= (a+ b)nXk=0

�n

k

�akbn�k (77.31)

= a

nXk=0

�n

k

�akbn�k + b

nXk=0

�n

k

�akbn�k (77.32)

=nXk=0

�n

k

�ak+1bn�k +

nXk=0

�n

k

�akbn�k+1 (77.33)

=n+1Xk=1

�n

k � 1

�akbn�k+1 +

nXk=0

�n

k

�akbn�k+1 (77.34)

= an+1 +nXk=1

�n

k � 1

�akbn�k+1 +

nXk=1

�n

k

�akbn�k+1 + bn+1 (77.35)

= an+1 +nXk=1

��n

k � 1

�+

�n

k

��akbn�k+1 + bn+1 (77.36)

= bn+1 +nXk=1

�n+ 1

k

�akbn�k+1 + an+1 (77.37)

=n+1Xk=0

�n+ 1

k

�akbn+1�k: (77.38)

Das ist aber gerade die Behauptung f�ur n+ 1. �

Lemma 77.9. Sei R0 der Konvergenzradius vonP1

n=0 anzn und R der Konvergenzra-

dius vonP1

n=1 nanzn�1. Dann gilt R0 = R.

90

Page 91: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beweis. Zun�achst einmal ist limn!1

npn = 1. Das sieht man z. B. am entsprechenden kon-

tinuierlichen Limes:

limx!1

x1x = lim

x!1exp

�ln�x

1x

��(77.39)

= limx!1

exp

�ln (x)

x

�(77.40)

= limx!1

exp

� 1x

1

�(77.41)

= e0 = 1: (77.42)

F�ur die Konvergenzradien gilt somit:

1

R= lim

n!1npjnanj = lim

n!1npn � lim

n!1npjanj = 1 � 1

R0: (77.43)

Lemma 77.10. F�ur alle h; z 2 C mit h 6= 0 und n 2 N mit n � 2 gilt����(z + h)n � zn

h� nzn�1

���� � n(n� 1)jhj(jhj+ jzj)n�2: (77.44)

Beweis. Wir halten zun�achst einmal fest, dass f�ur n � k � 2 gilt:

n(n� 1)

�n� 2

k � 2

�= n(n� 1)

(n� 2)!

(k � 2)!((n� 2)� (k � 2))!(77.45)

= k(k � 1)n(n� 1)(n� 2)!

k(k � 1)(k � 2)!(n� k)!(77.46)

= k(k � 1)n!

k!(n� k)!(77.47)

� n!

k!(n� k)!=

�n

k

�: (77.48)

Damit ergibt sich:

91

Page 92: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

n(n� 1)jhj(jhj+ jzj)n�2 = n(n� 1)jhjn�2Xk=0

�n� 2

k

�jhjkjzjn�2�k (77.49)

= n(n� 1)jhjnXk=2

�n� 2

k � 2

�jhjk�2jzjn�2�(k�2) (77.50)

=nXk=2

n(n� 1)

�n� 2

k � 2

�jhjk�1jzjn�k (77.51)

�nXk=2

�n

k

�jhjk�1jzjn�k (77.52)

������nXk=2

�n

k

�hk�1zn�k

����� (77.53)

=

�����1hnXk=2

�n

k

�hkzn�k

����� (77.54)

=

�����1h

nXk=0

�n

k

�hkzn�k � nhzn�1 � zn

!����� (77.55)

=

����1h �(z + h)n � zn � nhzn�1����� (77.56)

=

����(z + h)n � zn

h� nzn�1

���� : (77.57)

Wir beweisen nun endlich Satz 77.7:

Beweis. Sei also f(z) =P1

n=0 anzn eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0; im

Fall R = 0 gibt es nichts zu zeigen. Laut Lemma 77.9 hat die ReiheP1

n=0 nanzn�1

denselben Konvergenzbereich UR(0); es bleibt zu beweisen, dass sie auch tats�achlichdie Ableitung von f darstellt. Wir w�ahlen �; r > 0 so, dass jzj + � = r < R. DerDi�erenzenquotient von f ist dann gegeben durch

f(z + h)� f(z)

h=

P1n=0 an(z + h)n �P1

n=0 anzn

h(77.58)

mit 0 < jhj < �. Mit Lemma 77.10 ergibt sich f�ur die Di�erenz des Di�erenzenquotientenund der formalen Ableitung

P1n=0 nanz

n�1:

92

Page 93: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

�����P1

n=0 an(z + h)n �P1n=0 anz

n

h�

1Xn=0

nanzn�1����� (77.59)

=

�����1Xn=0

an

�(z + h)n � zn

h� nzn�1

������ (77.60)

�1Xn=0

janj����(z + h)n � zn

h� nzn�1

���� (77.61)

�1Xn=2

janjn(n� 1)jhj(jhj+ jzj)n�2 (77.62)

< jhj1Xn=2

(n� 1)njanjrn�2: (77.63)

Die ReiheP1

n=2(n � 1)njanjrn�2 konvergiert (man wende Lemma 77.9 auf die ReiheP1n=0 nanz

n�1 an und beachte, dass 0 < r < R). Folglich verschwindet der obige Termf�ur h! 0. �

De�nition 77.3. F�ur alle z 2 C sei:

exp(z) =1Xn=0

zn

n!; (77.64)

sin(z) =1Xn=0

(�1)n z2n+1

(2n+ 1)!; (77.65)

cos(z) =1Xn=0

(�1)n z2n

(2n)!: (77.66)

Die oben de�nierten Funktionen stimmen auf der reellen Achse mit den bekannten Funk-tionen exp, sin und cos �uberein. Sie sind auf ganz C holomorph. Holomorphe Funktionen,die auf der gesamten komplexen Ebene de�niert sind, nennt man auch ganz.

Satz 77.11.

exp0 = exp; (77.67)

sin0 = cos; (77.68)

cos0 = � sin : (77.69)

Beweis. F�ur alle z 2 C gilt

93

Page 94: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

exp0(z) =1Xn=1

nzn�1

n!(77.70)

=1Xn=1

zn�1

(n� 1)!(77.71)

=1Xn=0

zn

n!(77.72)

= exp(z); (77.73)

sin0(z) =1Xn=0

(2n+ 1)(�1)n z2n

(2n+ 1)!(77.74)

=1Xn=0

(2n+ 1)(�1)n z2n

(2n+ 1)(2n)!(77.75)

=1Xn=0

(�1)n z2n

(2n)!(77.76)

= cos(z); (77.77)

cos0(z) =1Xn=1

(2n)(�1)n z2n�1

(2n)(2n� 1)!(77.78)

=1Xn=0

(�1)n+1 z2n+1

(2n+ 1)!(77.79)

= �1Xn=0

(�1)n z2n+1

(2n+ 1)!(77.80)

= � sin(z): (77.81)

78 Integration komplexwertiger Funktionen

Wir wollen eine Funktion f : [a; b]! C st�uckweise stetig nennen, wenn Re(f) und Im(f)st�uckweise stetig sind. Solche Abbildungen k�onnen als Abschnitte von stetigen Kurvenin der komplexen Ebene aufgefasst werden.

De�nition 78.1. Sei f : [a; b] ! C eine st�uckweise stetige Funktion mit Zerlegung inReal- und Imagin�arteil f(t) = u(t) + iv(t). Dann de�nieren wirZ b

a

f(t) dt =

Z b

a

u(t) dt+ i

Z b

a

v(t) dt (78.1)

undf 0(t) = u0(t) + iv0(t): (78.2)

94

Page 95: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Satz 78.1. Seien c1; c2 2 C und f; f1; f2 : [a; b]! C st�uckweise stetig. Dann gilt:

1.R ba(c1f1 + c2f2) dt = c1

R baf1(t) dt+ c2

R baf2(t) dt

2.R baf(t) dt =

R baf(t) dt

3.���R ba f(t) dt��� � R ba jf(t)j dt

4.R baf(t) dt = F (b) � F (a), falls F : [a; b] ! C mit F 0 = f (Hauptsatz der

Di�erenzial- und Integralrechnung).

Beweis. Man wende die bekannten Rechenregeln f�ur reelle Integrale auf Real- und Ima-gin�arteile an. �

78.1 Kurvenintegrale in der komplexen Ebene

De�nition 78.2. Sei f : C � U ! C stetig, und sei : [a; b]! C eine stetig di�eren-zierbare Kurve in U : ([a; b]) � U . Dann hei�tZ

f(z) dz :=

Z b

a

f( (t)) 0(t) dt (78.3)

Kurvenintegral �uber f entlang .

Bemerkung 78.1. � Es gilt����Z

f(z) dz

���� �Z

jf j ds :=Z b

a

jf( (t))jj 0(t)j dt: (78.4)

� Ist : [a; b] ! C nur st�uckweise stetig di�erenzierbar, d. h. stetig und aus end-lich vielen stetig di�erenzierbaren Kurven 1; : : : ; k zusammengesetzt, so ist dasKurvenintegral �uber wie �ublich de�niert als die Summe der Teilintegrale:

Z

f(z) dz :=kXi=1

Z i

f(z) dz: (78.5)

Beispiele 78.1:

Wichtige Parametrisierungen sind gegeben durch:

� Stecke von a 2 C nach b 2 C: (t) = a+ t(b� a) mit 0 � t � 1.

95

Page 96: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

� Einmal durchlaufene Kreislinie mit Radius r 2 ]0;1[ und Mittelpunkt z0 2 C: (+)(t) = z0+re

it mit 0 � t � 2� (im mathematischen positiven Umlaufsinn) oder (�)(t) = z0 + re�it mit 0 � t � 2� (im mathematisch negativen Umlaufsinn).Dar�uber hinaus kann man auch noch einen anderen Startpunkt und eine andereWinkelgeschwindigkeit w�ahlen: (t) = z0 + re�i!(t�t0) mit 0 � t � 2�

!.

Physikalisches Anwendungsbeispiel 78.2:

Die Bahnkurve, die ein Randpunkt einer kreisf�ormigen Scheibe (z. B. das Rad einesAutos) mit Radius r 2 ]0;1[ beschreibt, welche auf der reellen Achse abrollt, nenntman Zykloide:

Der Kreis rollt im Uhrzeigersinn ab (also in mathematisch negativer Richtung), sodasswir als Ansatz w�ahlen:

(t) = z0(t) + re�i!(t�t0): (78.6)

Wir nehmen an, dass sich der Mittelpunkt z0(t) der Scheibe gleichf�ormig-geradlinigparallel zur reellen Achse mit der Geschwindigkeit v 2 ]0;1[ nach rechts bewegt undzum Zeitpunkt t = 0 den Punkt z0(0) = ir passiert:

z0(t) = ir + vt: (78.7)

Zum Zeitpunkt t = 0 w�ahlen wir (wie in der Skizze) als betrachteten Randpunkt (0) =0. Das Argument muss deshalb entsprechend um t0 = � �

2!verschoben werden:

(t) = z0(t) + re�i!(t+�2! ) = ir + vt+ re�i!t�i

�2 : (78.8)

Die Winkelgeschwindigkeit ! und die Geschwindigkeit der Fortbewegung v sind nicht un-abh�angig voneinander. Der Randpunkt legt in der Zeitspanne �t = 2�

!den vollst�andigen

Umfang des Kreises �x = 2�r zur�uck. Ohne Schlupf (d. h. ohne, dass das Rad durch-dreht oder blockiert) muss sich der Mittelpunkt des Kreises mit derselben Geschwindig-keit fortbewegen:

v =�x

�t=

2�r2�!

= !r: (78.9)

Es ergibt sich schlie�lich als eine m�ogliche Parametrisierung der Zykloide:

(t) = ir + !rt+ re�i!t�i�2 (78.10)

= r�i+ !t+ e�i!t�i

�2

�: (78.11)

96

Page 97: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Ist man nur an einer mathematischen Beschreibung der Bahnkurve interessiert, kannman ! = 1 w�ahlen:

(t) = r�i+ t+ e�i(t+

�2 )�: (78.12)

Speziell f�ur den Einheitskreis (r = 1) ergibt sich:

(t) = i+ t+ e�i(t+�2 ): (78.13)

Beispiel 78.3:

Wir berechnen das Kurvenintegral �uber die Funktion f : C! C; f(z) = exp(2z) entlangder Kurve : [0; 2]! C; (t) = i�t:Z

f(z) dz =

Z 2

0

f( (t)) 0(t) dt (78.14)

=

Z 2

0

e2i�t � (i�) dt (78.15)

=i�

2i�e2i�t

����2t=0

(78.16)

=1

2e4i� � 1

2e0 (78.17)

=1

2� 1

2= 0: (78.18)

De�nition 78.3. Sei 1 : [t0; t1]! C eine Kurve. Wir sagen, die Kurve 2 : [s0; s1]! C

sei eine (gleich orientierte) Umparametrisierung von 1, falls es eine stetig di�e-renzierbare Funktion � : [s0; s1] ! R mit �([s0; s1]) = [t0; t1] und �0(t) > 0 f�ur allet 2 [s0; s1] gibt, sodass 2 = 1 � �.Die Funktion � nennt man (orientierungserhaltende) Parametertransformation.

Bemerkung 78.2. Da � streng monoton steigt, gilt �(s0) = t0 und �(s1) = t1.

Satz 78.2. Sei U � C, 1 : [t0; t1] ! C eine stetig di�erenzierbare Kurve mit 1([t0; t1]) � U und 2 : [s0; s1] ! C eine Umparametrisierung von 1. Dann gilt f�urjede stetige Funktion f : U ! C:Z

2

f(z) dz =

Z 1

f(z) dz: (78.19)

Beweis. Sei � : [s0; s1]! R die Parametertransformation, sodass 2 = 1 � �. Dann giltverm�oge der Kettenregel und der Substitutionsregel:

97

Page 98: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Z 2

f(z) dz =

Z s1

s0

f( 2(t)) 02(t) dt (78.20)

=

Z s1

s0

f(( 1 � �)(t))( 1 � �)0(t) dt (78.21)

=

Z s1

s0

f( 1(�(t))) 01(�(t))�

0(t) dt (78.22)

=

Z t1

t0

f( 1(�)) 01(�) d� (78.23)

=

Z 1

f(z) dz: (78.24)

Bemerkung 78.3. Man kann auch orientierungsumkehrende Parametertransformatio-nen de�nieren; diese erf�ullen �0 < 0 statt �0 > 0. F�ur solche Umparametrisierungen keh-ren die entsprechenden Kurvenintegrale das Vorzeichen um:

R 2f(z) dz = � R

1f(z) dz.

79 Der Integralsatz von Cauchy I

Satz 79.1. Sei f : C��U ! C eine holomorphe Funktion, und sei Q � U ein abge-

schlossenes Rechteck mit orientiertem Rand : [0; L]! C. Dann giltZ

f(z) dz = 0: (79.1)

Beweis. Zun�achst betrachten wir den Fall, dass f eine Stammfunktion hat, d. h. es gibteine holomorphe Funktion F : U ! C mit F 0 = f . Dann gilt nach der Kettenregel:Z

f(z) dz =

Z L

0

f( (t)) 0(t) dt (79.2)

=

Z L

0

F 0( (t)) 0(t) dt (79.3)

=

Z L

0

d

dtF ( (t)) dt (79.4)

= F ( (L))� F ( (0)) = 0: (79.5)

Nun betrachten wir den allgemeinen Fall. Hierzu unterteilen wir Q durch Halbieren derKanten in vier Teilrechtecke gleicher Gr�o�e:

98

Page 99: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Die Summe der Kurvenintegrale �uber f entlang der orientierten R�ander der Teilrechteckeist gleich dem Integral �uber f entlang des orientierten Randes von Q, denn die Anteileder Integrale entlang der Randkurven im Innern von Q heben sich gegenseitig auf.Wir w�ahlen nun jenes Teilrechteck Q1 mit Randkurve 1 aus, f�ur welches das Integral�uber f entlang 1 betragsm�a�ig den gr�o�ten Wert hat. Dann gilt die Absch�atzung:����

Z

f(z) dz

���� � 4

����Z 1

f(z) dz

���� : (79.6)

Setzen wir die Konstruktion induktiv fort, erhalten wir eine absteigende Folge von Recht-ecken Q =: Q0 � Q1 � Q2 � : : : mit zugeh�origen Randkurven =: 0; 1; 2; : : :, sodassf�ur alle n 2 N: ����

Z

f(z) dz

���� � 4n����Z n

f(z) dz

���� : (79.7)

Sei nun wn der Mittelpunkt des n-ten Teilrechtecks Qn. Dann ist (wn) eine Cauchy-Folge,denn f�ur alle m;n 2 N mit m;n � N hat man

jwm � wnj � dQ

2N; (79.8)

wobei N = minfm;ng gilt und dQ die L�ange der Diagonalen von Q ist. Folglich ist (wn)konvergent, und da Q kompakt ist, liegt der Grenzwert z0 in Q.Aufgrund der Holomorphie von f gilt f�ur alle z in einer hinreichend kleinen UmgebungU0 von z0:

f(z) = f(z0) + f 0(z0)(z � z0) +R(z) (79.9)

mit limz!z0R(z)jz�z0j = 0. Da g(z) := f(z0)+f

0(z0)(z�z0) eine Stammfunktion hat (n�amlich

G(z) = f(z0)z +12f 0(z0)(z � z0)

2), gilt f�ur fast alle n 2 N:Z n

f(z) dz =

Z n

R(z) dz: (79.10)

Sei nun � > 0. Aufgrund der Stetigkeit und Asymptotik des Restglieds R(z) k�onnen wirein � > 0 so w�ahlen, dass f�ur alle z 2 U0 mit jz � z0j < � gilt: jR(z)j < �jz � z0j. Der

99

Page 100: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Umfang jedes Teilrechtecks Qn ist durchLQ2n

gegeben, wobei LQ der Umfang von Q ist.

Die L�ange der Diagonalen bzw. der Durchmesser ist gegeben durchdQ2n. F�ur hinreichend

gro�es n 2 N gilt dann entlang n: jR(z)j < �dQ2n, und es ergibt sich:����

Z

f(z) dz

���� � 4n����Z n

f(z) dz

���� (79.11)

= 4n����Z n

R(z) dz

���� (79.12)

� 4nZ n

jRj ds (79.13)

< 4nZ n

�dQ

2nds (79.14)

� 4n�dQ

2nL

2n= dQLQ�: (79.15)

Folglich gilt f�ur alle � > 0

0 �����Z

f(z) dz

���� < dQLQ�; (79.16)

und damit Z

f(z) dz = 0: (79.17)

80 Der Integralsatz von Cauchy II

Satz 80.1. Sei Q � C ein abgeschlossenes Rechteck mit orientiertem Rand : [0; L]!C, � : Q ! C eine (im reellen Sinne) stetig partiell di�erenzierbare Funktion und

f : C��U ! C eine holomorphe Funktion mit �(Q) � U . Dann gilt:Z

�� f(z) dz = 0: (80.1)

Beweis. Wir ben�otigen f�ur das Folgende zun�achst ein paar Begri�e:

1. Der Durchmesser einer Teilmenge Y eines metrischen Raums (X; d) ist gegebendurch sup(x;y)2Y�Y d(x; y). Speziell f�ur eine Teilmenge Y von C bzw. R2 ist derDurchmesser gegeben durch sup(x;y)2Y�Y jx� yj.

2. Der Umfang eines Bereichs in R2 oder C ist die Bogenl�ange seines Randes.

100

Page 101: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

3. Die Norm einer m� n-Matrix A = (aij) ist gegeben durch

kAk :=vuut mX

i=1

nXj=1

jaijj2: (80.2)

Hat man au�erdem eine n � p-Matrix B gegeben, so kann gezeigt werden, dassstets

kABk � kAkkBk (80.3)

gilt.

Sei nun wie beim Beweis des Cauchy'schen Integralsatzes f�ur Rechtecke dQ bzw. LQ derDurchmesser bzw. Umfang von Q. Wie schon dort konstruieren wir wieder eine abstei-gende Folge von Rechtecken Q = Q0 � Q1 � Q2 � : : : mit zugeh�origen Randkurven = 0; 1; 2; : : :, sodass ����

Z��

f(z) dz

���� � 4n����Z�� n

f(z) dz

���� (80.4)

F�ur Durchmesser bzw. Umfang der Rechtecke Qn giltdQ2n

bzw.LQ2n. Wir m�ussen Durch-

messer und Umfang der Fl�achenst�ucke �(Qn) absch�atzen. Da � stetig di�erenzierbar undQ kompakt ist, nimmt die Norm der Ableitung von � auf Q ein Maximum an, sodasskD�k � C f�ur ein geeignetes C > 0. Die Ver�anderung der L�ange eines stetig di�erenzier-baren Kurvenst�ucks � : [a; b] ! R

2 �= C durch die Transformation � kann damit nachoben abgesch�atzt werden:Z

���ds =

Z b

a

k(� � �)0(t)k dt (80.5)

=

Z b

a

kD�(�(t))�0(t)k dt (80.6)

�Z b

a

kD�(�(t))k k�0(t)k dt (80.7)

�Z b

a

C k�0(t)k dt � C

Z�

ds: (80.8)

Somit ergibt sich, das der Umfang von �(Qn) h�ochstens CLQ2n

betr�agt. Ebenso kann

gezeigt werden, dass der Durchmesser die obere Schranke CdQ2n

hat. F�ur ein vorgegebenes� > 0 w�ahlen wir � > 0 so wie im Beweis des Cauchy'schen Integralsatzes f�ur Rechteckeund n wenigstens so gro�, dass C

dQ2n< �. Damit ergibt sich����

Z��

f(z) dz

���� � 4n����Z�� n

f(z) dz

���� � 4nCdQ

2nCLQ

2n� = C2LQdQ� (80.9)

f�ur jedes � > 0. �

101

Page 102: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Beispiel 80.1:

Sei f : C��U ! C holomorph. Seien �; � : [a; b] ! C stetig di�erenzierbare Kurven,

wobei f�ur alle � 2 [a; b] die Verbindungsstrecke zwischen �(�) und �(�) ganz in U liegt;diese Verbindungsstrecke kann parametrisiert werden durch t 7! �(�) + t(�(�) � �(�))mit t 2 [0; 1]. Insgesamt wird durch die Abbildung � : [a; b] � [0; 1] ! C; �(�; t) =�(�)+ t(�(�)��(�)) der Bereich parametrisiert, der von all diesen Verbindungsstrecken�uberstrichen wird; siehe Abbildung 11. Zusammen mit den Strecken (t) = �(a; t) und�(t) = �(b; t) ist das Integral �uber f entlang des orientierten Rands des Bereichs gegebendurch:Z

���f(z) dz =

Z

f(z) dz +

Z�

f(z) dz �Z�

f(z) dz �Z�

f(z) dz = 0; (80.10)

wobei � der orientierte Rand des Rechtecks [a; b] � [0; 1] ist. Daraus kann man z. B.folgern, dass das Integral von f entlang des Randes einer Dreiecks �ache, die ganz in Uenthalten ist, verschwinden muss. Dies ist der Spezialfall, bei dem � und � orientierteStrecken mit identischem Anfangspunkt sind.Dar�uber hinaus ist der Fall

R f(z) dz =

R�f(z) dz interessant, denn dann ist

R�f(z) dz =R

�f(z) dz. Diese Situation haben wir z. B., wenn Folgendes gilt:

1. � und � haben gemeinsame Endpunkte, denn dann sind und � konstant:

2. � und � sind geschlossene Kurven, denn dann ist = �:

102

Page 103: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Dies gilt beispielsweise, wenn � und � konzentrische Kreislinien sind; � parame-trisiert dann den Kreisring mit den Randkurven � und �.

F�ur das Integral einer Funktion f entlang der (unter Umst�anden zum Punkt entarteten)positiv orientierten Kreislinie mit Radius r � 0 und Mittelpunkt z0 2 C schreiben wirZ

jz�z0j=r

f(z) dz: (80.11)

F�ur die zum Punkt entartete Kreisline (r = 0) verschwindet das obige Integral. Mitdieser Festlegung ergibt sich:

Satz 80.2. Sei f : C��U ! C eine holomorphe Funktion, und sei der (unter

Umst�anden zur Kreisscheibe entartete) abgeschlossene Kreisring fz 2 Cjr1 � jz�z0j �r2g mit r2 > r1 � 0 in U enthalten. Dann gilt:Z

jz�z0j=r2

f(z) dz =

Zjz�z0j=r1

f(z) dz: (80.12)

Beweis. Der Satz ergibt sich aus den �Uberlegungen im letzten Beispiel mit �(t) = z0 +r1e

it und �(t) = z0 + r2eit, t 2 [0; 2�]. �

Bemerkung 80.1. Aus dem Speziallfall r1 = 0 folgtZjz�z0j=r2

f(z) dz = 0; (80.13)

falls die gesamte Kreisscheibe fz 2 Cjjz�z0j � r2g im De�nitionsbereich von f enthaltenist.

81 Cauchy'sche Integralformel

Satz 81.1. Integralformel von Cauchy. Sei f : C��U ! C eine holomorphe Funk-

tion, und sei die abgeschlossene Kreisscheibe Br(z0) = fz 2 Cj jz � z0j � rg mit Radiusr > 0 und Mittelpunkt z0 2 U in U enthalten. Dann gilt f�ur jeden Punkt a im Innerenvon Br(z0):

f(a) =1

2�i

Zjz�z0j=r

f(z)

z � adz: (81.1)

103

Page 104: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Abbildung 11: Ein Beispiel f�ur ein"verzerrtes Rechteck\ �(Q)

Beweis. Sei a 2 Ur(z0) = fz 2 Cj jz � z0j < rg. Zun�achst halten wir fest, dass aufgrundder Holomorphie von f der Ausdruck����f(z)� f(a)

z � a

���� (81.2)

f�ur alle z 2 Ur(z0) in einer Umgebung von a beschr�ankt bleibt. Dar�uber hinaus ergibtsich mit dem Cauchy'schen Integralsatz f�ur Rechteckbilder f�ur hinreichend kleines � > 0:Z

jz�z0j=r

f(z)

z � adz =

Zjz�aj=�

f(z)

z � adz: (81.3)

Insbesondere h�angt das Integral nicht von � ab, und wir k�onnen einfach den Grenzwert�! 0 nehmen:

104

Page 105: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Zjz�z0j=r

f(z)

z � adz = lim

�!0

Zjz�aj=�

f(z)

z � adz (81.4)

= lim�!0

Zjz�aj=�

f(z)� f(a)

z � adz + lim

�!0

Zjz�aj=�

f(a)

z � adz (81.5)

= lim�!0

Zjz�aj=�

f(a)

z � adz (81.6)

= lim�!0

Z 2�

0

f(a)

a+ �eit � a

d

dt

�a+ �eit

�dt (81.7)

= lim�!0

Z 2�

0

f(a)

�eiti�eit dt = 2�if(a): (81.8)

Beispiel 81.1:

Insbesondere hat man f�ur den Fall a = z0:

f(z0) =1

2�i

Zjz�z0j=r

f(z)

z � z0dz (81.9)

=1

2�i

Z 2�

0

f (z0 + reit)

z0 + reit � z0ireit dz (81.10)

=1

2�

Z 2�

0

f(z0 + reit) dt: (81.11)

Das Integral auf der rechten Seite kann interpretiert werden als der Mittelwert der Funk-tionswerte auf dem Kreisrand. Aus diesem Grund wird obige Formel auch Mittelwertsatzgenannt.

82 Analytische Funktionen

Grundlegende Frage: Unter welchen Umst�anden kann man eine gegebene komplexe Funk-tion (lokal) in eine Potenzreihe entwickeln?

Beispiel 82.1:

Die Taylor-Reihe der reellen Funktion f : R ! R; f(x) = 11+x2

mit Entwicklungspunktx0 = 0 ist gegeben durch

f(x) =1Xk=0

f (k)(0)

k!xk = 1� x2 + x4 � x6 � : : : =

1Xk=0

(�1)kx2k: (82.1)

Warum ist die Reihe f�ur jxj > 1 divergent? Wegen der Pole im Komplexen bei z = �i.Kann die komplexe Funktion f : C n f�i; ig ! C; f(z) = 1

1+z2in jedem Punkt in eine

Potenzreihe (mit hinreichend kleinem Konvergenzradius) entwickelt werden?

105

Page 106: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

De�nition 82.1. Eine Funktion f : C��U ! C hei�t analytisch im Punkt z0 2 U ,

wenn sie auf einer o�enen Kreisscheibe um z0 in eine Potenzreihe entwickelbar ist, d. h.es existieren ein R > 0 und eine Folge (an)n2N mit

f(z) =1Xn=0

an(z � z0)n (82.2)

f�ur alle z 2 UR(z0) � U .Man nennt f analytisch, wenn f in jedem Punkt z0 2 U analytisch ist.

Satz 82.1. Sei f : C��U ! C eine komplexe Funktion. Dann gilt:

f ist analytisch , f ist holomorph.

Beweis. Der Beweis wird in der n�achsten Vorlesung gef�uhrt. �

Bemerkung 82.1. � Dieser Satz gilt nicht f�ur reelle Funktionen!

� Es gilt sogar, dass f�ur holomorphe Funktionen der Konvergenzradius maximal ist,d. h. auf jeder in U enthaltenen Kreisscheibe gilt f(z) =

P1k=0 ak(z � z0)

k mitgeeigneten ak.

Beispiel 82.2:

Die reelle Funktion

f : R! R; f(x) =

(0 f�ur x � 0

exp�� 1

x2

�f�ur x > 0

(82.3)

ist in x = 0 beliebig oft di�erenzierbar, aber nicht reell-analytisch, da f (k)(0) = 0 f�uralle k 2 N.

Korollar 82.2. Jede holomorphe Funktion ist beliebig oft di�erenzierbar.

Beweis. Jede Potenzreihe ist beliebig oft di�erenzierbar, denn die Ableitung einer Po-tenzreihe ist wieder eine Potenzreihe:

d

dz

1Xk=0

ak(z � z0)k =

1Xk=0

(k + 1)ak+1(z � z0)k (82.4)

Bemerkung 82.2. Das ist ein gro�er Unterschied zur reellen Analysis!

106

Page 107: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

83 Der Potenzreihenentwicklungssatz

83.1 Punktweise und gleichm�a�ige Konvergenz

De�nition 83.1. Sei (fn)n2N = (f0; f1; f2; : : :) eine Folge von Funktionen mit gemein-samem De�nitionsbereich D.

1. Wir sagen, (fn) konvergiert punktweise gegen die Grenzfunktion f , wenn gilt:

8� > 08x 2 D 9N 2 N (n � N ) jf(x)� fn(x)j < �): (83.1)

2. Wir sagen, (fn) konvergiert gleichm�a�ig gegen die Grenzfunktion f , wenn gilt:

8� > 09N 2 N8x 2 D (n � N ) jf(x)� fn(x)j < �): (83.2)

Bemerkung 83.1. � Gleichm�a�ige Konvergenz liegt genau dann vor, wenn

supx2D

jf(x)� fn(x)j ���!n!1

0; (83.3)

wenn also der maximale Abstand zwischen Folgengliedern und Grenzfunktion ge-gen Null konvergiert.

� Jede gleichm�a�ig konvergente Funktionenfolge ist auch punktweise konvergent, undzwar gegen dieselbe Grenzfunktion.

� Eine FunktionenreiheP1

k=0 fk konvergiert genau dann gleichm�a�ig, wenn die ent-sprechende Folge der Partialsummen gleichm�a�ig konvergiert.

� Jede auf einer kompakten Menge de�nierte, konvergente Potenzreihe ist gleichm�a�igkonvergent.

Beispiel 83.1:

� Die Funktionenfolge fn : R! R

fn(x) =

(0 f�ur x � n

1 f�ur x > n(83.4)

konvergiert punktweise gegen die konstante Funktion f(x) = 0.

Sie konvergiert jedoch nicht gleichm�a�ig, da f�ur alle n 2 N gilt: supx2[0;1] jf(x) �fn(x)j = 1. Der maximale Abstand kann damit nicht gegen Null konvergieren.

� Die Funktionenfolge fn : [0; 1]! R mit

fn(x) = xn (83.5)

107

Page 108: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

konvergiert punktweise gegen die Funktion

f(x) =

(0 f�ur x 2 [0; 1[

1 f�ur x = 1:(83.6)

Sie konvergiert jedoch nicht gleichm�a�ig, da f�ur alle n 2 N gilt: supx2[0;1] jf(x) �fn(x)j = 1.

Satz 83.1. Sei (fn) eine gleichm�a�ig konvergente Folge stetiger Funktionen fn : [a; b]!C. Dann ist die Grenzfunktion stetig, und es gilt:Z b

a

limn!1

fn(x) dx = limn!1

Z b

a

fn(x) dx: (83.7)

Bemerkung 83.2. � Insbesondere f�ur eine gleichm�a�ig konvergente Funktionenrei-heP1

k=0 fk mit stetigen Reihengliedern fk gilt:

1Xk=0

Z b

a

fk(x) dx =

Z b

a

1Xk=0

fk(x) dx: (83.8)

� Beachten Sie, dass { im Gegensatz zum Integral { Ableitung und Grenzwert sichim Allgemeinen auch bei gleichm�a�iger Konvergenz nicht vertauschen lassen. Soist z. B. die Funktionenfolge

fn(x) =sin(n2x)

n(83.9)

gleichm�a�ig konvergent gegen die Nullfunktion, denn

supx2R

jfn(x)� 0j = supx2R

j sin(n2x)jn

=1

n���!n!1

0: (83.10)

Die entsprechende Folge von Ableitungen

f 0n(x) =n2 cos(n2x)

n= n cos(n2x) (83.11)

konvergiert jedoch nicht. Falls jedoch die Folge der Ableitungen (f 0n) gleichm�a�igkonvergiert, so kann gezeigt werden, dass die Grenzfunktion di�erenzierbar ist undmit der Ableitung der Grenzfunktion von (fn) �ubereinstimmt.

108

Page 109: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

83.2 Der Potenzreihenentwicklungssatz

Satz 83.2. Sei f : C��U ! C eine holomorphe Funktion und BR(z0) = fz 2 Cjjz �

z0j � Rg eine abgeschlossene Kreisscheibe, die ganz in U enthalten ist. Dann kann fim Inneren dieser Kreisscheibe in eine Potenzreihe entwickelt werden; genauer gesagtgilt f�ur alle z 2 UR(z0)

f(z) =1Xn=0

an(z � z0)n; (83.12)

wobei die Koe�zienten in eindeutiger Weise gegeben sind durch die Formel:

an =1

2�i

Zjz�z0j=R

f(z)

(z � z0)n+1dz: (83.13)

Beweis. Falls eine Potenzreihe, die f auf UR(z0) darstellt, existiert, muss an = f (n)

n!

gelten, sodass es h�ochstens eine solche Reihe geben kann. Sei o. B. d.A. z0 = 0. Danngilt f�ur alle z 2 UR(0) nach der Cauchy'schen Integralformel:

f(z) =1

2�i

Zj�j=R

f(�)

� � zd� =

1

2�i

Zj�j=R

f(�)

1

1� z�

d� (83.14)

Da��� z� ��� = jzj

R< 1 gilt, k�onnen wir verm�oge der geometrischen Reihe schreiben:

f(�)

1

1� z�

=1Xn=0

f(�)

�z

�n: (83.15)

Die Reihe auf der rechten Seite konvergiert f�ur festes z gleichm�a�ig als Funktionenreihein � mit De�nitionsbereich f� 2 Cj j�j = Rg. Somit ergibt sich mit der in diesem Fallerlaubten Vertauschung von Integral und Reihe:

f(z) =1

2�i

Zj�j=R

1Xn=0

f(�)

�n+1zn d� =

1Xn=0

0B@ 1

2�i

Zj�j=R

f(�)

�n+1d�

1CA zn: (83.16)

109

Page 110: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Die im Folgenden aufgef�uhrten B�ucher dienen beispielsweise dem weiterf�uhrenden Stu-dium oder als Nachschlagewerke. Au�erdem �nden Sie dort auch einige der Beweise, diewir aufgrund der selbst auferlegten K�urze auslassen mussten. Nat�urlich ist dies nur einekleine, vom pers�onlichen Geschmack der Autoren gepr�agte Auswahl der umfangreichenLiteratur, weshalb Sie einige hervorragende Lehrb�ucher unter Umst�anden nicht in dieserListe �nden werden.

Literatur

[1] W. I. Arnold, Mathematische Methoden der klassischen Mechanik

(Birkh�auser, 1988).

[2] M. Barner, F. Flohr, Analysis, Bd. 1 & 2 (de Gruyter, 1991).

[3] A. Beutelspacher, Lineare Algebra (Vieweg, 2006).

[4] R. Courant, Vorlesungen �uber Di�erential- und Integralrechnung, Bd. 1

& 2 (Springer, 1969).

[5] G. Fischer, Lineare Algebra (Vieweg, 2005).

[6] O. Forster, Analysis, Bd. 1{3 (Vieweg, 2006).

[7] K. J�anich, Lineare Algebra (Springer, 2002).

[8] K. J�anich, Vektoranalysis (Springer, 2005).

[9] K. J�anich, Funktionentheorie (Springer, 2008).

[10] F. Reinhardt, H. Soeder, dtv-Atlas Mathematik, Bd. 1 & 2 (dtv-Verlag, 1998).

[11] M. Scherfner, T. Volland, Lineare Algebra f�ur das erste Semester (PearsonStudium, 2006).

[12] M. Scherfner, T. Volland, Analysis f�ur das erste Semester (Pearson, 2008).

[13] R. W�ust, Mathematik f�ur Physiker und Mathematiker, Bd. 1 & 2 (Wiley-VCH, 2002).

110

Page 111: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

Index

C2([t0; t1];Rn), 73

Cn(I;C), 27� : R2 ! C, 80

Abbildungstetig partiell di�erenzierbare, 7

Ableitungeiner Fourier-Reihe, 69einer Potenzreihe, 89eines Funktionals, 73

Ableitungsoperator, 27Amp�ere'sches Gesetz, 18Analytizit�at, 106Anfangswertproblem, 26Ansatz nach Bernoulli, 55Ansatz nach d'Alembert, 56Ansatz vom Typ der rechten Seite, 40

Bereich, 7binomischer Lehrsatz, 89

Cauchy'sche Integralformel, 103Cauchy'scher Integralsatz

f�ur Bilder von Rechtecken, 100f�ur Kreisringe, 103f�ur Rechtecke, 98

Cauchy-Problemf�ur die 1-dimensionale Wellengleichung,

64Cauchy-Riemann'sche Gleichungen, 61, 82charakteristisches Polynom, 28Coulomb'sches Gesetz, 12

d'Alembert'sche L�osungen, 56Di�erenzial

eines Funktionals, 73Di�erenzialgleichung, 20

gew�ohnliche, 20gew�ohnliche lineare, 25nicht lineare, 44partielle, 20partielle lineare, 55separable, 46

Di�erenzialgleichungssystem, 21gew�ohnliches lineares, 25

Di�erenzierbarkeitbei Funktionalen, 73komplexe, 59, 80reelle, 59, 81

elektromagnetische Welle, 58Energieerhaltung, 36, 53Euler-Lagrange-Gleichungen, 77Existenz- und Eindeutigkeitssatz

f�ur lineare Di�erenzialgleichungen, 37f�ur nicht lineare Di�erenzialgleichun-

gen, 50Exponential eine Matrix, 33Exponentialansatz, 33Extremum eines Funktionals, 76

Faraday'sches Induktionsgesetz, 18Fl�ache, 7

orientierbare, 10Fl�achenparametrisierung, 7Flussintegral, 10Fourier-Reihe

komplexe, 68reelle, 66

Fundamentalsystem, 28Funktion

analytische, 106ganze, 93harmonische, 62, 84holomorphe, 59, 80komplex di�erenzierbare, 59, 80lokal konforme, 84periodische, 66reell di�erenzierbare, 59, 81st�uckweise stetige, 66, 94

Funktional, 71, 73Funktionaldeterminante, 6Funktionenfolge

gleichm�a�ig konvergente, 107punktweise konvergente, 107

Funktionenreihe

111

Page 112: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

gleichm�a�ig konvergente, 107

Gau�'sches Gesetz, 12, 18geometrische Reihe, 85Gleichgewichtspunkt, 51, 52

Holomorphie, 59

in�nitesimales Ober �achenelement, 9Integrationsbereich, 5Isomorphismus, 80

Klein-Gordon-Gleichung, 63Kon�gurationsraum, 51Konvergenz

absolute, 85einer Fourier-Reihe, 69einer Reihe, 85gleichm�a�ige, 87, 107punktweise, 107

Konvergenzradius, 87Koordinate, 7Koordinatenlinie, 7Koordinatentransformation, 5Kurvenintegral, 95

L�osungsraumeiner homogenen linearen Di�erenzial-

gleichung, 28eines homogenen linearen Di�erenzial-

gleichungssystems, 37eines linearen Di�erenzialgleichungssys-

tems, 38Lagrange-Funktion, 76Lenz'sche Regel, 18lokale L�osung, 46, 50Lorenz-Gleichungen, 22

M�obius-Band, 11Majorantenkriterium, 86mathematisches Pendel, 52Maxwell'sche Gleichungen, 16

Navier-Stokes-Gleichungen, 24Newton'sche Gesetze, 21Normalenvektor, 7

Ober �achenintegral, 9orientierter Rand

einer Fl�ache in R3, 15eines Bereichs in R2, 14eines Bereichs in R3, 12

Parameter, 7Parametertransformation bei Kurven, 97Parametrisierung

einer Kreislinie, 96einer Rotations �ache, 8einer Sph�are, 8einer Strecke, 95einer Zykloide, 96eines Funktionsgraphen, 8eines M�obius-Bands, 11eines Zylindermantels, 16von Fl�achen, 7

partikul�are L�osung, 38periodische Fortsetzung, 67Periodizit�at, 66Phasenportr�at, 53Phasenraum, 51Phasenraumportr�at, 36Polarkoordinaten, 5Potenzreihe, 86Potenzreihenansatz, 48Potenzreihenentwicklungssatz, 109Produktansatz, 55

R�auber-Beute-System, 51Reihe, 85

absolut konvergente, 85geometrische, 85

Resonanz, 40, 42Richtungsfeld, 44

Satz von Gau�, 13Satz von Picard-Lindel�of, 50Satz von Stokes, 15Schwingkreis, 41Schwingungsgleichung, 22, 32

inhomogen, mit D�ampfungsterm, 41,70

inhomogene, 40

112

Page 113: Mathematik Fur Physiker III - Mike Scherfner

mit D�ampfungsterm, 31Separation der Variablen, 47Separationsansatz, 55Stabilit�at, 52

Tangentialebene, 7Tangentialvektor, 7

Umparametrisierungen von Kurven, 97

Variation der Konstanten, 38Vertauschung

von Grenzwert und Ableitung, 108von Grenzwert und Integral, 108

Volumenintegral, 12

Wackelfunktion, 71Wellengleichung, 22, 56

inhomogene, 64mit D�ampfungsterm, 63mit Dispersion, 63

Wirkungsfunktional, 79Wronski-Test, 42

Zeigerdiagramm, 36Zykloide, 96

113