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10. Differentialgleichungen 10.1 Definition, Einteilung, Ordnung, Grad „Differentialgleichungen“ (Dgl., DG) sind Gleichungen, in denen Differentialquotienten vor- kommen. Hat die Differentialgleichung nur 1 unabhängige Variable (x), so können nur ge- wöhnliche Differentialquotienten (dy/dx) vorkommen. In diesem Fall sprechen wir von einer gewöhnlichen“ Differentialgleichung. Bei Differentialgleichungen mit mehr als 1 unabhängigen Variablen (x 1 , x 2 , ..., x i ), tre- ten partielle Differentialquotienten (y/x 1 , y/x 2 , ...) auf - es sind daher „partielle“ Differenti- algleichungen. Diese sind in der Naturwissenschaft sehr wichtig, aber deutlich schwieriger zu behandeln als die gewöhnlichen Differentialgleichungen, und können daher nicht im Rahmen dieser Mathematikeinführung behandelt werden. Die allgemeine Form der „gewöhnlichen“ Differentialgleichungen ist: F(x; y(x); y’(x), y’’(x), ..., y (n) (x)) = 0. (1) n heißt dabei die Ordnung der gewöhnlichen Differentialgleichung, wenn d n y/dx n = y (n) (x) die höchste vorkommende Ableitung ist. Die k-te Ableitung y (k) (x) ist bekanntlich die Ableitung der (k-1)-ten Ableitung y (k) (x) = dy (k-1) (x)/dx (2) und daher eine Funktion nicht nur der unabhängigen und der abhängigen Variablen, sondern auch aller Ableitungen bis eben der (k-1)-ten Ordnung: y (k) (x) = f(x; y(x); y’(x), y’’(x), ..., y (k-1) (x)) (3) Kann die Gl. (1) in die Form y (n) (x) = f(x; y(x); y’(x), y’’(x), ..., y (n-1) (x)) (4) gebracht werden, also in jene Form, in der die höchste vorkommende Ableitung explizit dar- gestellt werden kann, so heißt diese Gl. (4) „explizite“ Differentialgleichung; im Gegensatz dazu nennen wir Gl. (1) „implizite“ Differentialgleichung. Es ist unsere Aufgabe, die Differentialgleichung zu lösen, d.h. alle Funktionen y(x) zu bestimmen, welche die Differentialgleichungen für alle Werte der unabhängigen Variablen x © J.Tomiska 2012: Mathematikskizzen Teil 10 1

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10. Differentialgleichungen 10.1 Definition, Einteilung, Ordnung, Grad

„Differentialgleichungen“ (Dgl., DG) sind Gleichungen, in denen Differentialquotienten vor-

kommen. Hat die Differentialgleichung nur 1 unabhängige Variable (x), so können nur ge-

wöhnliche Differentialquotienten (dy/dx) vorkommen. In diesem Fall sprechen wir von einer

„gewöhnlichen“ Differentialgleichung.

Bei Differentialgleichungen mit mehr als 1 unabhängigen Variablen (x1, x2, ..., xi), tre-

ten partielle Differentialquotienten (∂y/∂x1, ∂y/∂x2, ...) auf - es sind daher „partielle“ Differenti-

algleichungen. Diese sind in der Naturwissenschaft sehr wichtig, aber deutlich schwieriger zu

behandeln als die gewöhnlichen Differentialgleichungen, und können daher nicht im Rahmen

dieser Mathematikeinführung behandelt werden.

Die allgemeine Form der „gewöhnlichen“ Differentialgleichungen ist:

F(x; y(x); y’(x), y’’(x), ..., y(n)(x)) = 0. (1)

n heißt dabei die Ordnung der gewöhnlichen Differentialgleichung, wenn dny/dxn = y(n)(x) die

höchste vorkommende Ableitung ist.

Die k-te Ableitung y(k)(x) ist bekanntlich die Ableitung der (k-1)-ten Ableitung

y(k)(x) = dy(k-1)(x)/dx (2)

und daher eine Funktion nicht nur der unabhängigen und der abhängigen Variablen, sondern

auch aller Ableitungen bis eben der (k-1)-ten Ordnung:

y(k)(x) = f(x; y(x); y’(x), y’’(x), ..., y(k-1)(x)) (3)

Kann die Gl. (1) in die Form

y(n)(x) = f(x; y(x); y’(x), y’’(x), ..., y(n-1)(x)) (4)

gebracht werden, also in jene Form, in der die höchste vorkommende Ableitung explizit dar-

gestellt werden kann, so heißt diese Gl. (4) „explizite“ Differentialgleichung; im Gegensatz

dazu nennen wir Gl. (1) „implizite“ Differentialgleichung.

Es ist unsere Aufgabe, die Differentialgleichung zu lösen, d.h. alle Funktionen y(x) zu

bestimmen, welche die Differentialgleichungen für alle Werte der unabhängigen Variablen x

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befriedigen. Solche Funktionen y(x) heißen Lösungen oder Integrale der Differentialglei-

chungen. Der Name „Integral“ kommt daher, weil sich die Lösungen in einfachen Fällen

durch Integration ergeben. Manche Probleme führen zu Systemen von Differentialgleichun-

gen, z.B. gekoppelte elektrische Schwingungen. Die Behandlung solcher Systeme von Diffe-

rentialgleichungen übersteigt den Rahmen unserer Mathematikeinführung.

Wenn die abhängige Variable (y) in einer Differentialgleichung nur in Polynomform

auftritt, dann besitzt diese Differentialgleichung einen „Grad“: Dieser ist definiert als der Grad

des höchsten Polynoms in der abhängigen Variablen (y) und seiner Ableitungen (die unab-

hängige Variable (x) wird dabei nicht mitgerechnet!).

Beispiele: ___________________________________________________________

a) y².y’ + y’’² = 4: Ordnung 2, Grad 3.

b) y = x.y’ + sin y’: Ordnung 1, kein Grad.

_______________________________________________________________________

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10.2 Differentialgleichungen 1. Ordnung

Implizite Form: F(x, y(x), y’(x)) = 0;

Explizite Form: y’(x) = f(x, y).

10.2-1 Geometrische Deutung (Richtungsfeld)

10.2-2 Näherungsweise Bestimmung von Kurven

Wir beginnen dazu bei einem beliebigen Punkt P0 (x0, y0) und gehen in Richtung des Linien-

elementes (Punkt und Richtung) weiter bis zu einem Punkt P1 (x1, y1), rechnen uns für diese

Stelle die neue Richtung y1’ aus und gehen in dieser neuen Richtung weiter bis zu einem

Punkt P2 (x2, y2) usw. Wir erhalten damit einen gebrochenen Streckenzug, der ein angenä-

hertes Bild der Lösungskurve ist. Die Annäherung wird umso genauer, je kleiner die einzel-

nen Stücke des Streckenzuges sind. Es ist plausibel, dass durch jeden Punkt der Ebene i.a.

genau eine Lösungskurve geht.

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10.2-3 Differentialgleichungen mit trennbaren Variablen

(separable Differentialgleichungen)

Die Funktion f(x, y) kann als Produkt zweier Funktionen geschrieben werden, von denen die

eine nur von x und die andere nur von y abhängig ist:

y’ = f(x, y) = g(x) . h(y) => dy/dx = g(x).h(y)

Ist h(y) ≠ 0 => dy/h(y) = g(x).dx

=> ∫ ∫= dx).x(g)y(h/dy + Const.

Beispiele: _____________________________________________________________

a) y’ = dy/dx = x = x . y0

=> dy/dx = x . 1

=> dy /1 = x . dx

=> ∫dy = ∫ x.dx => y = x² /2 + C, also quadratische Parabeln (Fig. 2).

b) y’ = dy/dx = y = y . x0

=> dy /y = 1 . dx => ∫dy /y = ∫dx => ln y = x + const.

Durch Entlogarithmierung erhalten wir schließlich: y = exp(x + const) = C.exp(x), also

die Exponentialkurven aus Fig. 3.

c) y’ = dy/dx = y /x

=> dy /y = dx /x => ∫dy /y = ∫dx /x => ln y = ln x + ln C

(wählten: const = ln C), denn durch Entlogarithmierung erhalten wir damit: y = C . x,

also Geraden (Fig. 4).

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d) y’ = dy /dx = -x/y

=> dy . y = -x . dx => y² /2 = -x² /2 + const => x² + y² = C²

(mit C² = 2 . const.), also Kreise (Fig. 5).

e) y’ = dy/dx = x.y

=> dy/y = x.dx => ∫dy/y = ∫x.dx => ln y = x² /2 + const,

hier wieder const = ln C, denn durch Entlogarithmierung erhalten wir:

y = C . exp(x²/2).

_______________________________________________________________________

10.2-4 „Homogene“ Differentialgleichungen 1. Ordnung

A) Lineare homogene Differentialgleichungen 1. Ordnung: y’ + p(x) . y = 0

Das sind jene separierbare Differentialgleichungen aus 10.2-3, wo die Funktion h(y) = y ist.

Lösung daher wie in 10-2-3 gezeigt, durch Trennung der Variablen: dy /y = -p(x) . dx

=> ln y = -∫p(x). dx + C

y = C . exp(-∫p(x) . dx) mit C = eC.

B) Allgemeine homogene Differentialgleichungen 1. Ordnung: y’ = f(y/x),

bzw. y’ = g(x, y) /h(x, y),

g(x, y) und h(x, y) gleichgradige Terme bezüglich der Variablen. Lösung durch Substitution:

y = x . z => y’ = x. z’ + z. (x’ =1) => dy = x. dz + z. dx.

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Beispiele: ______________________________________________________________

a) y’ = 3 - 2y/x, x ≠ 0; Lösung durch Substitution y = x.z (wie oben)

=> 3 - 2z = x. z’ + z => 3(1-z) = x.z’.

=> (Division durch x und Trennen der Variablen) ∫dz /(1-z) = ∫(3/x).dx

=> -ln (1-z) = 3. ln x - ln C

=> ln (1-y/x) = -ln x³ + ln C

=> ln (x³.(x-y)/x) = ln C

=> ln (x³-x²y) = ln C

=> x³ - x². y = C;

=> y = C /x² + x.

b) y’ = -(x² - y²) / (2xy) x, y ≠ 0;

=> (2xy).dy + (x² - y²).dx = 0

Lösung durch Substitution y = x.z (wie oben)

=> 2x²z.(x.dz + z.dx) + (x² - x².z²).dx = 0

=> (Division durch x² und Auflösen der 1. Klammer) 2xz.dz + 2z².dx +(1 - z²).dx

=> 2xz.dz + (1 + z²).dx = 0

=> 2z.dz /(1 + z²) = -dx /x

=> ln (1 + z²) = -ln x + ln C

=> (1 + z² ).x = C

=> (Rücksubstitution) [1 + (y/x)²]. x = C

=> x² + y² = C.x

Wegen (x - C/2)² = x² + (C/2)² - C.x => (x - C/2)² + y² = (C/2)²;

d.i. eine Mannigfaltigkeit von Kreisen, die die y-Achse im Ursprung berühren.

__________________________________________________________________________

C) Differentialgleichungen, die sich durch Substitution auf homogene Differen-

tialgleichungen zurückführen lassen.

Beispiele: ______________________________________________________________

a) (x - 3).y’ = y - 7 Substitution: z = y - 7 ; dz = dy

=> dz /z = dx /(x - 3)

=> ln z = ln (x - 3) + ln C

=> y = C.(x-3) + 7

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b) y’ = x + x³ + x.y - x³.y => y’ = (x + x³).(1 + y);

=> dy /(1 + y) = (x + x³).dx

=> ln (1 + y) = x²/2 + x4/4 + ln C

=> 1 + y = C.exp (x²/2 + x4/4)

=> y = C.exp (x²/2 + x4/4) - 1

_______________________________________________________________________

10.2-5 Vollständige lineare Differentialgleichungen 1. Ordnung

(„Inhomogene“ Differentialgleichungen 1. Ordnung)

Allgemeine Form: Ordnung: y’ + p(x) . y = s(x) (1)

Sie unterscheidet sich also von der homogenen linearen Differentialgleichung 1. Ordnung

dadurch, dass ein Term mit einer reinen Funktion s in der unabhängigen Variablen x dazu-

kommt. Diese Funktion s(x) „stört“ quasi die homogene Differentialgleichung und heißt daher

auch „Störfunktion“ (auch: „Störterm“, „Störglied“). Da kein weiterer Term möglich ist - wir

haben einen y’-Term, einen y-Term und einen x-Term - ist die Differentialgleichung (1) „voll-

ständig“. Von „inhomogen“ sprechen wir, wenn wir Augenmerk auf die „Störung“, die Abwei-

chung von der homogenen Form lenken wollen.

Die allgemeine Lösung der inhomogenen linearen Differentialgleichung 1.O. ergibt

sich als Summe von 2 Termen: (i) allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung

yH und (ii) einer beliebigen Lösung („spezielle“ oder „partikuläre“ Lösung) der inhomogenen

Differentialgleichung yp:

y = yH + yp. (2)

Derselbe Sachverhalt gilt auch für inhomogene lineare Differentialgleichung höherer Ord-

nung.

Lösungsweg: (i) Wissen bereits, die Lösung der homogenen Differentialgleichung führt zu:

yH = C . exp(-∫p(x)dx) (3)

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(ii) Auffinden einer beliebigen „speziellen“ oder „partikulären“ Lösung der inhomogenen

Differentialgleichung yp. Die kann auf mehrere Arten geschehen:

(1) Durch erraten;

(2) Mit Hilfe eines geschickten Ansatzes für yp;

(3) Immer möglich: Methode der Variation der Konstanten der homogenen Lösung.

ad (3) Methode der Variation der Konstanten der homogenen Lösung.

yp = C(x) . Ix (Ix := exp(-∫p(x)dx)) (4)

Differentiation nach x liefert (Produktregel): yp’ = C’(x) . Ix + C(x) . Ix’.

. yp’ = C’(x) . Ix - C(x) . p(x) . Ix. (5)

In Dgl. eingesetzt => C’(x) . Ix - p(x). C(x) . Ix + p(x) . C(x) . Ix = s(x)

=> C’(x) . Ix = s(x) => dC(x)/dx = [s(x)/ Ix]

=> dC(x) = [s(x)/ Ix]. dx

=> C(x) = ∫ [s(x) / Ix]. dx = ∫ [(s(x) . exp(-∫p(x)dx)]. dx (6)

In Gl. (6) steht keine Integrationskonstante, da wir ja nur eine einzige Lösung benötigen. C(x)

in Gl. (4) eingesetzt liefert eine partikuläre Lösung yp der Differentialgleichung.

Beispiel: y’ - 2y = ex _____________________________________________

(i) Lsg. von y’ - 2y = 0 => dy/y = 2dx => ln y = 2x + ln C => yH = C. e2x.

(ii) 1 Lsg der inhomogenen Dgl. durch Variation der Konstanten: yp = C(x) . e2x

=> yp’ = [C’(x) + 2C(x)] . e2x.

Einsetzen in Dgl.: C’(x) . e2x + 2C(x) . e2x - 2C(x) . e2x = ex

=> C’(x) . e2x = ex.

=> dC(x) = e-x. dx

=> C(x) = -e-x

=> yp = -e-x. e2x = -ex

=> y = yH + yp = C. e2x - ex = ex.(C.ex - 1).

(iii) Alternativ dazu die Ansatzmethode: Da rechts nur ex =>

=> Hier kann nur sein: yp = a. ebx => yp’ = a.b. ebx

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=> (in Dgl. eingesetzt: a.b. ebx - 2a. ebx = ex) => a(b-2). ebx = ex

=> (Koeff.Vergleich) b = 1; a(1-2) = 1; => a = -1

=> yp = -e-x => y = yH + yp = C. e2x - ex = ex.(C.ex - 1).

Beispiel: x. y’ + y = 2 + 3x + x² ____________________________________

(i) x. y’ + y = 0 => dy /y = -dx /x => ln y = ln x-1 + ln C => yH = C /x.

(ii) Ansatzmethode: Da rechts ein quadratisches Polynom in x =>

=> yp vermutlich ebenfalls ein solches => yp = a0 + a1 . x + a2 . x²

=> yp’ = a1 + 2a2 . x

=> (in Dgl. eingesetzt): x . [a1 + 2a2 . x] + a0 + a1 . x + a2 . x² = 2 + 3x + x²

=> a0 + 2a1 . x + 3a2 . x² = 2 + 3x + x²

=> (Koeff.Vergleich) a0 = 2; => 2a1 = 3 und 3a2 = 1

=> y = yH + yp = C /x + [12 + 9x + 2x²] / 6.

__________________________________________________________________________

10.2-6 Totale („Exakte“) Differentialgleichungen

Können wir eine Differentialgleichung y’ (= dy/dx) = f(x, y) in der Form

P(x, y).dx + Q(x, y).dy = 0 (1a)

oder

P(x, y) + Q(x, y).y’ = 0 (1b)

oder

y’ = -P(x, y) / Q(x, y) (1c)

schreiben, dann heisst sie „total“ (oder: „exakt”) genau dann, wenn es eine Funktion F(x, y)

gibt, für die gilt:

P(x, y) = ∂F(x, y) /∂x, (2a)

Q(x, y) = ∂F(x, y) /∂y. (2b)

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Unsere Differentialgleichung ist dann nämlich das (verschwindende) vollständige Differential

dieser Funktion F(x, y). Dies ist immer dann der Fall, wenn für F(x, y) der Satz von Schwarz

erfüllt ist, dass also ihre gemischten 2. Ableitungen vertauschbar sind. Es muss daher gelten:

∂²F(x, y) /∂x∂y = ∂P(x, y) /∂y,

∂²F(x, y) /∂y∂x = ∂Q(x, y) /∂x.

Die Differentialgleichung (1) ist also „total“ („exakt”) genau dann, wenn gilt:

∂P(x, y) /∂y = ∂(Qx, y) /∂x. (3)

Die Lösung erhalten wir in 2 Schritten:

1. Schritt:

Wegen Gl.(2a) gilt:

F(x, y) = ∫ P(x, y).dx + C(y). (4)

Da y bei der x-Integration selbst eine Konstante ist. kann die Integrationskonstante C

in Gl.(4) noch eine Funktion von y sein, also C = C(y).

2. Schritt:

Die Abhängigkeit C = C(y) erhalten wir mit Hilfe der Gl. (2b). Ersetzen wir darin näm-

lich F(x, y) durch die rechte Seite von Gl.(4), erhalten wir

Q(x, y) (= ∂F(x, y) /∂y) = ∂[∫ P(x, y).dx] /∂y + dC(y) /dy.

Damit ist:

dC(y) = {Q - ∂(∫ P(x, y).dx) /∂y} dy. (5)

Die Integration von Gl.(5) liefert den gesuchten Ausdruck für C(y).

Selbstverständlich können die Rollen von x und y auch vertauscht werden. Dann ist

der Lösungsweg analog, nur muss dann im 1. Schritt Gl.(2b) und im 2. Schritt Gl.(2a) heran-

gezogen werden.

Beispiel: ey.dx + (1 + x.ey).dy = 0 _______________________________________

Die Dgl. ist exakt, denn: P(x, y) = ey,

Q(x, y) = (1 + x.ey).

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=> ∂P /∂y = ey = ∂Q /∂x.

1. Schritt: Integration von P(x, y) über x: => F(x, y) = ∫ ey.dx + C(y) = x.ey + C(y)

2. Schritt : Q(x, y) muss gleich ∂F(x, y) / ∂y sein.

=> (1 + x.ey) = x.ey + dC(y) /dy

=> dC(y) /dy = 1 => C(y) = y + c

=> Allgemeine Lösung der Dgl.: u(x, y) = x.ey + y + c

__________________________________________________________________________

o Integrierender Faktor: Manche Differentialgleichung der Form (1) lassen sich durch

Multiplikation mit einem gemeinsamen Faktor µ(x, y) zu einem vollständigen Differential ma-

chen:

∂[µ(x, y).Q(x, y)] /∂x = ∂ [µ(x, y).P(x, y)] /∂y

Die Methode des integrierenden Faktors hat allerdings mehr theoretisches als praktisches

Interesse.

10.2-7 Spezielle Differentialgleichungen 1. Ordnung

a) Bernoullische Differentialgleichung: y’ + g(x).y = h(x).yn.

Substitution: z = y /yn = y1-n => z’ + (1-n).g(x).z = (1-n).h(x): Lin. Dgl.

b) Riccatische Differentialgleichung: y’ = f(y).y² + g(x).y + h(x) Allgemeine Lösung i.a. nur möglich, wenn zuvor eine partikuläre Lösung yp gefunden

worden ist. Substitution: z = 1 /(y - yp).

c) Clairautsche Differentialgleichung: y = x.y’ + g(y’).

Lösung: Differentiation nach x und Seitentausch ergibt y’’(x + g’(y’)).

1. Lsg: y’’ = 0; => y = C.x + g(C) (Geradenschar)

2. Lsg: x + g’(y’) = 0.

Aus Differentialgleichung y’ einsetzen und somit eliminiert. y = g(x) als singuläre Lsg.

d) D’Alembert’sche (Lagrange’sche) Differentialgleichung, Jacobische Differenti-

algleichungen: Schon kompliziert.

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10.3 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung

10.3-1 Definitionen

Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung beschreiben unter anderem mechanische und

elektromagnetische Schwingungsvorgänge. Dadurch nehmen sie auch einen wichtigen Platz

in Chemie und Molekülphysik ein. Die lineare Differentialgleichung 2. Ordnung besitzt per de-

finitionem einen Differentialquotienten 2. Ordnung und hat daher um einen Term mehr als die

lineare Differentialgleichung 1.O. Ihre allgemeine Form ist daher

y’’ + a(x).y’ + b(x) y = s(x). (1)

Die Funktion s(x) heißt wieder Störfunktion (Störterm, Störglied) der Differentialgleichung

Verschwindet sie (s(x) = 0), so haben wir es wieder mit einer homogenen Differentialglei-

chung zu tun, ansonsten ist die Differentialgleichung wieder „vollständig“ oder „inhomogen“.

Sind die beiden Funktionen a(x) und b(x) in der Differentialgleichung (1) bloße Kon-

stanten a und b (a(x) = a; b(x) = b), dann sprechen wir von einer linearen Differentialglei-

chung 2.O. mit konstanten Koeffizienten. Nur für diese können allgemeine Lösungsverfahren

angegeben werden.

10.3-2 Homogene lineare Differentialgleichung 2.O. mit konstanten Koeffizienten

Allgemeine Form: y’’ + a . y’ + b . y = 0 (2)

Jede homogene lineare Differentialgleichung 2.O. besitzt zwei voneinander unabhän-

gige Lösungen („linear unabhängig“) yH,1(x) und yH,2(x) die auch „Basisfunktionen“ oder „Ba-

sislösungen“ genannt werden. Die allgemeine Lösung ergibt sich somit als Linearkombinati-

on der beiden linear unabhängigen Basislösungen

yH = C1.yH,1(x) + C2. yH,2(x) (3)

und weist dementsprechend auch 2 (wesentliche) Konstanten auf. Zur Bestimmung der bei-

den Basislösungen dient der Ansatz

y = eλ.x => y’ = λ.eλ.x => y’’ = λ².eλ.x.

in die Differentialgleichung eingesetzt erhalten wir:

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λ².eλ.x + a .λ.eλ.x + b .eλ.x = 0

Nach Division durch eλ.x erhalten wir die „charakteristische“ Gleichung f(λ)

f(λ) = λ² + a.λ + b = 0. (4)

Die Lösungen der „charakteristischen“ Gleichung (4) heißen „Eigenwerte“ λ1 und λ2.

Diese können reell unterschiedlich sein, eine reelle Doppellösung ergeben oder konjugiert

komplex sein. Dementsprechend unterschiedlich gestaltet sich auch die allgemeine Lösung:

Fall 1: λ1 ≠ λ2, beide reell: yH = C1.exp(λ1.x) + C2.exp(λ2.x)

Fall 2: λ1 = λ2 = λ: yH = (C1 + C2.x).eλ.x

Fall 3: λ1,2 = α ±i.β: yH = (C1. ei.ß.x + C2. e-i.ß.x). eα.x

oder: yH = (C1.cos ß.x + C2.sin ß.x). eα.x = C.sin (ß.x + φ). eα.x

(ergibt sich aus der e-Potenz-Darstellung von sin & cos)

Dieselbe Technik gilt auch für homogene lineare Differentialgleichungen n-ter Ord-

nung (n>2), nur dass der Aufwand - auch zur Lösung der charakteristischen Gleichung - ent-

sprechend höher wird. Es gilt jedenfalls, dass n linear unabhängige Lösungen existieren, die

man entsprechend finden muss (vgl. entsprechende Literatur).

Beispiel: ______________________________________________________________ a) y’’ - y = 0 => f(λ) = λ² -1 = 0 => λ1 = 1; λ2 = -1;

=> yH = C1.ex + C2.e-x

b) y’’ - 2y’ + y = 0 => f(λ) = λ² - 2 λ +1 = 0 => λ1 = λ2 = 1;

=> yH = (C1 + C2.x).ex

c) y’’ + y = 0 => f(λ) = λ² + 1 = 0 => λ1 = i; λ2 = -i; =>α = 0; ß = 1

=> yH = (C1.cos x + C2.sin x)

__________________________________________________________________________

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10.3-3 Vollständige („inhomogene“) lineare Differentialgleichungen 2.O.

mit konstanten Koeffizienten

Allgemeine Form: y’’ + a . y’ + b . y = s(x) (3)

Die allgemeine Lösung ergibt sich so wie bei den linearen Differentialgleichung 1.O. als

Summe der allgemeinen homogenen Lösung mit einer beliebigen („partikulären“) Lösung der

inhomogenen Differentialgleichung:

y = yH + yp. (4)

Die Lösungswege sind ebenfalls so wie bei den linearen Differentialgleichung 1.O., nur kom-

plizierter in der Durchführung.

a) Variation der Konstanten. Zur Bestimmung einer partikulären Lösung yp werden

die beiden Konstanten der allgemeinen homogenen Lösung werden als Funktionen in x be-

trachtet:

yp = C1(x).yH,1(x) + C2(x).yH,2(x),

mit der Zusatzbedingung, dass

C1’(x).yH,1(x) + C2’(x).yH,2(x) = 0.

b) Lösungsansätze (Störterm-Ansätze). Bei speziellen Formen der Störfunktion

s(x) vereinfacht sich das Auffinden einer partikulären Lösung yp, indem man für yp einen An-

satz macht, der sich dem Störterm anpasst. Dies ist insbesondere möglich, wenn das Stör-

glied ein Polynom, eine Exponentialfunktion, ein Sinus-Term, ein Cosinus-Term oder eine Li-

nearkombination aus diesen Funktionen ist.

(b-1) Störfunktion ein Polynom N-ten Grades: s(x) = = r0 + r1.x + ... rN.xN

In diesem Fall ist auch eine partikuläre Lösung ein Polynom desselben Grades, da

die Ableitungen y’, ... allesamt Polynome niedrigeren Grades werden. Man setzt daher ein

derartiges Polynom mit zunächst unbekannten Koeffizienten an,

yp(x) = p0 + p1.x + ... pN.xN

differenziert zweimal, setzt in die Differentialgleichung ein und führt einen Koeffizientenver-

gleich mit der Störfunktion s(x) durch.

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Beispiel: y’’ + 3y’ + 2y = 2x² ____________________________________

(i) Homogene Dgl.: y’’ + 3y’ + 2y = 0;

Ansatz: y = eλ.x => Char. Gl.: f(λ) = λ² + 3.λ + 2 = 0 => λ1 = -1; λ2 = -2;

=> yH = C1.e-x + C2.e-2x

(ii) Ansatz: yp = p0 + p1.x + p2.x2 => yp’ = p1 + 2p2.x => yp’’ = 2p2

=> (In Dgl. eingesetzt) 2p2 + 3(p1 + 2p2.x) + 2(p0 + p1.x + p2.x2) = 2x²

=> (2p2 + 3p1 + 2p0) + (6p2 + 2p1).x + 2p2.x2 = 2x² => p2 = 1; p1 = -3; p0 = 7/2.

(iii) Allgem. Lösung: y = yH + yp = C1.e-x + C2.e-2x + (7/2 - 3x + x²)

__________________________________________________________________

(b-2) Störfunktion ist eine Exponentialfunktion oder eine Winkelfunktion

Das Verfahren für Störfunktionen vom Typ der Exponential- und Winkelfunktionen

verläuft analog, weil auch hier beim zweimaligen Differenzieren der Ansatzfunktion stets

Ausdrücke derselben Form resultieren. Allerdings ist darauf zu achten, dass lineare Abhän-

gigkeiten der verwendeten partikulären Lösung mit der allgemeinen homogenen Lösung

vermieden werden müssen. Wenn die Störfunktion bereits im Fundamentalsystem enthalten

ist, muss der Ansatz modifiziert werden. Im folgenden Lösungsweg ist dies bereits berück-

sichtigt:

Term in s(x)

Wahl von yp

rn.xn

p0 + p1.x + ... pn.xn

r.eαx

p0.eαx

r.sin ωx oder r.cos ωx

p0.sin ωx oder p1.cos ωx

Ist das so gewählte yp identisch mit einer der homogenen Lösungen yH,i (yp = yH,1 oder

yp = yH,2) so bietet yp keine neue Lösung. Wir müssen daher zu demselben Trick greifen, den

wir bei der homogenen Doppellösung benützt haben: Dort erhielten wir die zweite linear un-

abhängige Lösung durch Multiplikation der Doppellösung mit x. Falls die Eigenwerte (Lösun-

gen) der charakteristischen Gleichung der homogenen Differentialgleichung unterschiedlich

sind (λ1 ≠ λ2), multiplizieren wir daher die ursprünglich erhaltene partikuläre Lösung yp mit x

(yp → x.yp). Im Falle einer Doppelwurzel (λ1 = λ2) muss sie sogar mit x² multipliziert werden

(yp → x².yp), denn x.yp ist hier schon verbraucht.

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Beispiele: _____________________________________________________________

a) y’’ + 3y’ + 2y = 3e-2x. Nur Störterm anders als im vorigen Beispiel.

(i) Homogene Dgl. wie in a): => yH = C1. yH,1 + C2.yH,2 = C1.e-x + C2.e-2x

(ii) Ansatz: yp = k.e-2x => identisch mit yH,2 => muss mit x multiplizieren

=> yp = x.k.e-2x

yp’ = (-2k.x + k).e-2x

yp’’ = (4k.x - 4k).e-2x

In Dgl. eingesetzt: (4k.x - 4k).e-2x + 3.(-2k.x + k).e-2x + 2x.k.e-2x = 3e-2x

nach Division durch den gemeinsamen Faktor (e-2x) und Ordnen nach x-Potenzen:

(-4k +3k) + x.(4k - 6k + 2k) = 3 + 0.x

Koeffizientenvergleich: -k = 3; 0 = 0;

y = yH + yp = C1.e-x + C2.e-2x - 3x.e-2x = C1.e-x + (C2 - 3x).e-2x

b) y’’ - 4y’ + 4y = e2x. (i) Homogene Dgl.: y’’ - 4y’ + 4y = 0;

Ansatz: y = eλ.x => Char. Gl.: f(λ) = λ² - 4.λ + 4 = 0 = (λ - 2)² => λ1 = λ2 = 2;

=> yH = (C1 + C2.x).e2x

(ii) Ansatz: yp = k.e2x => identisch mit yH,1 => muss mit x multiplizieren

=> yp = x.k.e2x => identisch mit yH,2 => muss nochmals mit x multiplizieren

=> yp = x².k.e2x

yp’ = 2x.k.e2x + x².k.2.e2x = 2k.(x + x²).e2x

yp’’ = 2k.(1 + 2x).e2x + 2k.(x + x²).2.e2x = 2k.(1 + 4x + 2x²).e2x

In Dgl. eingesetzen, durch e2x dividieren und nach x-Potenzen ordnen.

=> 2k + x.(8k - 8k) + x².(4k - 8k + 4k) = 1

Koeffizientenvergleich liefert: k = 1/2

(iii) Allgem. Lösung: y = yH + yp = (C1 + C2.x).e2x + (x²/2).e2x = (C1 + C2.x + x²/2).e2x

______________________________________________________________________

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10.4 Lösung linearer Differentialgleichungen mittels Potenzreihenansatz

Wir ersetzen y durch eine Potenzreihe mit unbestimmten Koeffizienten:

y = a0 + a1.(x - x0) + a2.(x - x0)² + ... = Σ ak.(x - x0)k. ( k = 0,..K) (1a)

Nun berechnen wir y’, y’’, ... und setzen in die Differentialgleichung ein. Meist wird x0

= 0 gesetzt, dann besonders einfach. Ansonsten können wir auch xalt-x0,alt = x setzen.

y = a0 + a1.x + a2.x² + ... = Σ ak.xk. ( k = 0,..K) (1b)

Sammeln nach steigenden Potenzen in x (am besten gleich in Tabellenform) und Ko-

effizientenvergleich mit rechter Seite liefert Rekursionsformeln zur Bestimmung der Koeffi-

zienten an.

x-

Potenz

Koeffizienten

der einzelnen Terme mit y, y’, ...

Koeffizienten-

summe

= Koeff. des

Störpolynoms

x° =

x1 =

x2 =

x3 =

... =

xk =

Manchmal haben wir Glück und die Ergebnisreihe lässt sich als Reihenentwicklung

einer analytischen Funktion identifizieren. Ansonsten müssen wir in der Praxis ebenso wie

bei der Taylorreihe nach einigen Termen abbrechen. Dann haben wir uns zuvor aber zu ver-

sichern, dass das Weglassen der höheren Terme nur einen Fehler verursacht, der kleiner ist

als unsere erwünschte Rechengenauigkeit. Insbesondere müssen wir kontrollieren, ob die

Lösungsreihe tatsächlich für alle x konvergiert (vgl. Konvergenzradius von Potenzreihen).

Beispiel: y’ + y = 1 + x ___________________________________________

Ansatz: y = Σ ak.xk (k = 0, 1, 2, ...) => y = a0.x0 + a1.x1 + a2.x2 +...+ ak.xk + ...

y’ = Σ k.ak.xk-1 (k = 1, 2, ...) => y’ = a1.x0 + 2a2.x1 +...+ k.ak.xk-1 + ...

=>

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x-

Potenz

Koeffizienten von

y’ y

Koeffizienten-

summe

= Koeff. des

Störpolynoms

x0 a1 a0 a1 + a0 = 1

x1 2a2 a1 2a2 + a1 = 1

x2 3a3 a2 3a3 + a2 = 0

... ... ... ... = 0

xk-1 k.ak ak-1 k.ak + ak-1 = 0

=> a1 = 1 - a0; a2 = a0/2; a3 = -a0/(2.3); ak = (-1)k.a0 /k!

=> y = x0.a0 + x1.(1- a0) + x2.a0/2 + x3.(-a0)/6 +...+ xk. (-1)k.a0 /k! + ...

=> y = x + a0.[ (-x)0 /0! + (-x)1 /1! + (-x)2 /2! +...+ (-x)k /k! + ... ] = x + a0.e-x.

a0 ist eine willkürliche Konstante, da es keine Bestimmungsgleichung für sie gibt. Sie muss

aus den Anfangsbedingungen festgelegt werden.

__________________________________________________________________________

Beispiel: y’’ +x.y = 0 (Homogene lineare Dgl. 2.O) _____________________

Ansatz: y = Σ ak.xk (k = 0, 1, 2, ...) => y = a0 + a1.x1 + a2.x2 +...+ ak.xk + ...

y’ = Σ k.ak.xk-1 (k = 1, 2, ...) => y’ = a1 + 2a2.x1 +...+ k.ak.xk-1 + ...

y’’ = Σ (k-1).k.ak.xk-2 (k = 2, ...) => y’’ = 2a2 +...+ (k-1).k.ak.xk-2 + ...

=>

x-

Potenz

Koeffizienten von

y’’ x.y

Koeffizienten-

summe

= Koeff. des

Störpolynoms

x° 2a2 - 2a2 = 0

x1 6a3 a0 6a3 + a0 = 0

x2 12a4 a1 12a4 + a1 = 0

... ... ... ... = 0

xk-2 (k-1).k.ak ak-3 (k-1).k.ak + ak-3 = 0

=> a2 = 0; a3 = -a0 /6; a4 = -a1 /12; ak = -ak-3 /[(k-1).k]

=> y = a0 + x1.a1 + x2.0 + x³.(-a0/6) + x4.(-a1/12) +...+ xk.(-ak-3 /[(k-1).k]) + ...

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a0 und a1 sind willkürliche Konstanten, da es keine Bestimmungsgleichungen für sie gibt. Sie

müssen aus Anfangsbedingungen festgelegt werden.

Z.B.: y(0) = 1 und y’(0) = 0. => a0 = 1; a1 = 0.

Damit ist unter diesen Anfangsbedingungen nur jeder 3. Koeffizient ungleich 0 und

die Lösung lautet hier:

y = 1 - x³ /3! + x6.(1.4) /6! - x9.(1.4.7) /9! + ... + (-1)j.x3j.(1.4. ... .(3j-2) /(3j)!) + ...

__________________________________________________________________________

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