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Mathematische Methoden der Physik I Uwe-Jens Wiese Albert Einstein Center f¨ ur fundamentale Physik Institut f¨ ur theoretische Physik Universit¨ at Bern Herbstsemester 2018

Mathematische Methoden der Physik I · Desh alb konzentrieren wir uns hier vor allem auf das Erlernen von Techniken und deren Anwendungen. Auf diese Weise k¨onnen wir uns m ¨oglichst

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Mathematische Methoden der Physik I

Uwe-Jens Wiese

Albert Einstein Center fur fundamentale PhysikInstitut fur theoretische Physik

Universitat Bern

Herbstsemester 2018

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Das vorliegende Manuskript basiert auf einem Skript von Prof. Jurg Gasserund Prof. Christoph Greub, mit einigen Anderungen und Erganzungen vonProf. Thomas Becher, Prof. Urs Wenger und mir.

Uwe-Jens Wiese Bern, September 2018

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Vorbemerkung:

Die Physik ist eine quantitative Wissenschaft, deren Ergebnisse mathema-tisch formuliert werden konnen. Allein die Tatsache, dass dies uberhauptmoglich ist, macht die Physik zu einer sehr faszinierenden Wissenschaft. Inder Tat ist die Mathematik die Sprache, in der die Naturgesetze geschrie-ben sind. So wie die Beschaftigung mit anderen Kulturen das Erlernen vonFremdsprachen erfordert, erfordert das Studium der Physik das Erlernender Sprache der Mathematik. Dass diese Sprache ausserordentlich prazise,enorm aussagekraftig und zudem widerspruchsfrei ist, lernen Sie im Detailin den Mathematikvorlesungen. Dort wird aus guten Grunden grosser Wertauf mathematische Strenge gelegt. Physikstudierende lernen auf diese Weiseeine Form des logischen Denkens, die auch in der Physik selbst extrem hilf-reich ist. Allerdings wollen wir nicht mit dem Studium der Physik wartenmussen bis die Grundausbildung in Mathematik abgeschlossen ist. Deshalbkonzentrieren wir uns hier vor allem auf das Erlernen von Techniken undderen Anwendungen. Auf diese Weise konnen wir uns moglichst fruh sinnvollmit den Problemen der klassischen Mechanik beschaftigen. Dabei verzichtenwir notgedrungen auf mathematische Strenge in den Herleitungen, wie sie inden mathematischen Vorlesungen angeboten wird. Die vorliegende Veranstal-tung kann und will die mathematischen Vorlesungen auf keinen Fall ersetzen,sondern sinnvoll erganzen. Auf diese Weise konnen wir uns von Beginn desStudiums an uber Physik in der angemessenen Sprache der Mathematik un-terhalten.

Literatur:

• S. Grossmann, Mathematischer Einfuhrungskurs fur die Physik, Teub-ner Verlag, 2000.

• J.E. Marsden, A.J. Tromba, Vector Calculus, Freeman and Com-

pany, New York, 2003. In englischer Sprache.

• H. Schulz, Physik mit Bleistift, Springer Verlag, 2006.

• L. Papula, Mathematik fur Ingenieure, Aus der Reihe: Viewegs Fach-bucher der Technik, Vieweg Verlag, 2001.

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Inhaltsverzeichnis

1 Elementare Vektorrechnung 11.1 Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Addition, Subtraktion, Multiplikation mit Skalaren . . . . . . 21.4 Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.5 Linearkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.6 Das Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.7 Das Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.8 Orthonormale Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.9 Komponentenschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.10 Mehrfachprodukte von Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.11 Ortsvektoren, Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2 Vektorfunktionen 132.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.2 Die erste Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

2.2.1 Rechenregeln fur die Ableitung von Vektorfunktionen . 162.3 Die zweite Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.4 Bewegung eines Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3 Taylor–Entwicklung 193.1 Taylor–Entwicklung 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 193.2 Taylor-Entwicklung 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.3 Taylor-Entwicklung beliebiger Ordnung . . . . . . . . . . . . . 22

4 Erganzungen 234.1 Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.1.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244.1.2 Eigenschaften und Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . 254.1.3 Multiplikation von Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . 264.1.4 Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4.2 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284.3 Die Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

5 Hinweise zur Integration 315.1 Das unbestimmte Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315.2 Das bestimmte Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315.3 Grenzen im Unendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335.4 Pole (Beispiele) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

i

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5.5 Unbestimmtes Integral: Substitution . . . . . . . . . . . . . . 345.6 Bestimmtes Integral: Substitution . . . . . . . . . . . . . . . . 345.7 Partielle Integration (unbestimmt) . . . . . . . . . . . . . . . 355.8 Partielle Integration (bestimmt) . . . . . . . . . . . . . . . . . 365.9 Ableiten nach Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

6 Differentialgleichungen 376.1 Beispiele und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376.2 Lineare Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

6.2.1 Lineare Differentialgleichung erster Ordnung . . . . . . 406.2.2 Allgemeine Losung der linearen DG 1. Ordnung . . . . 436.2.3 Lineare Gleichungen mit konstanten Koeffizienten . . . 44

6.3 Separation der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476.4 Numerische Losung: Schrittweise Integration . . . . . . . . . . 496.5 Losen von Differentialgleichungen mit MAPLE . . . . . . . . . 516.6 Literatur zu gewohnlichen Differentialgleichungen . . . . . . . 52

7 Funktionen von 2 oder mehr Variablen 537.1 F (x, y) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

7.1.1 Partielle Ableitungen (nach x) . . . . . . . . . . . . . . 537.1.2 F (x, y). Taylorentwicklung 1. Ordnung . . . . . . . . . 557.1.3 Totale Ableitung, Kettenregel . . . . . . . . . . . . . . 567.1.4 Hohere partielle Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . 577.1.5 F (x, y). Taylorentwicklung 2. Ordnung . . . . . . . . . 587.1.6 Der Gradient (2-dim.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

7.2 Funktionen von drei (oder mehr) Variablen . . . . . . . . . . . 617.3 Kugelsymmetrische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

8 Skalare Felder, Vektorfelder 63

9 Linienintegrale 659.1 Einfuhrung am Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659.2 Berechnung im einfachsten Spezialfall . . . . . . . . . . . . . . 669.3 Berechnung im allgemeinen Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . 669.4 Eigenschaften von Linienintegralen . . . . . . . . . . . . . . . 689.5 Beispiele fur das Auftreten von Linienintegralen in der Physik 69

9.5.1 Mechanik: Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699.5.2 Mechanik: kinetische Energie . . . . . . . . . . . . . . 699.5.3 Magnetostatik: Gesetz von Ampere . . . . . . . . . . . 70

9.6 Linienintegrale in Gradientfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . 709.7 Umkehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

ii

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9.8 Weitere Integrale langs einer Kurve C . . . . . . . . . . . . . . 74

10 Doppelintegrale 7510.1 Rechteckiges Integrationsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . 7510.2 Beliebige Integrationsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

11 Flachenintegrale 7811.1 Flachenvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7811.2 Definition von

Σd~σ · ~ω(~x) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

11.3 Beschreibung von Flachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8011.3.1 Kurven im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8011.3.2 Flachen. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8111.3.3 Flachen allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8211.3.4 Flachenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

11.4 Berechnung von Flachenintegralen mittels Parameterdarstellung 8411.5 Beispiele von Flachenintegralen in der Physik . . . . . . . . . 8611.6 Weitere Flachenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8711.7 Anwendung: Variablentransformation bei Doppelintegralen . . 88

12 Volumenintegrale 9112.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9112.2 Berechnung in kartesischen Koordinaten . . . . . . . . . . . . 9212.3 Variablentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

12.3.1 Haufig verwendete Koordinatentransformationen . . . . 95

13 Die Divergenz 9513.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9613.2 Der Satz von Gauss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9713.3 Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

13.3.1 G = Quader ‖ Koordinatenachsen . . . . . . . . . . . . 9713.3.2 “Beliebiges” Volumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

13.4 Interpretation von ~∇ · ~ω . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10013.5 Interpretation von ~∇ · ~ω als Quelldichte . . . . . . . . . . . . . 10113.6 Die Kontinuitatsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10313.7 Die skalaren Maxwellgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 10413.8 Divergenz kugelsymmetrischer Felder . . . . . . . . . . . . . . 105

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1 Elementare Vektorrechnung

1.1 Systematik

Wir unterscheiden zwischen Skalare, Vektoren und Tensoren.

(a) Skalare: viele physikalische Grossen werden durch eine Zahl (und evtl. ei-ner entsprechenden Masseinheit) charakterisiert.Beispiele:

- Anzahl Teilchen in einem Volumen

- Masse eines Teilchens

- Temperatur

- Stromstarke

- Zeitdauer zwischen zwei Ereignissen

- Distanz zwischen zwei Orten

(b) Vektoren: es gibt physikalische Grossen, welche durch eine Zahl nichtgenugend charakterisiert sind.

(c) Tensoren: gewisse physikalische Grossen wie z.B. Drehungen eines Korperskonnen durch Tensoren beschrieben werden.

Im Folgenden befassen wir uns vor allem mit Skalaren und Vektoren.

1.2 Vektoren

Vektoren sind gerichtete Grossen:

- Geschwindigkeit

- Beschleunigung

- elektrische Feldstarke

- Gradient des Luftdrucks

Vektoren haben eine Lange und eine Richtung. Physikalische Anwendungen

spielen sich oft in d = 3 Dimensionen ab. Beispiele und Ubungen oft in d = 2Dimensionen.

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A

E

~

AE

Gebundener Vektor:geordnetes Punktepaar (A,E).

→ Vektor−→AE

Lange |−→AE| ≥ 0.−→AE heisst auch “Ortsvektor von E bezuglich A”.

~a

Freier Vektor:Lange und Richtung gegeben. Zusammenfassung zur Aquiva-lenzklasse ~a.Notation: ~a :“Vektor” ; a = |~a| : Lange, Betraga = 1 : Einheitsvektor (oft ~e)a = 0 : Nullvektor (~0 oder 0).

~a �~a

Definition von −~a: gleicher Betrag wie ~a, aber entgegengesetzteRichtung.

Gleichheit zweier Vektoren: ~a = ~b, genau dann wenn ~a und ~b gleichen Betragund gleiche Richtung haben.

1.3 Addition, Subtraktion, Multiplikation mit Skala-ren

Definition der Summe von ~a und ~b:

~c = ~a +~b

~

~

b

~a

Eigenschaften:

1. ~a + (−~a) = 0

2. |~a+~b| ≤ a + b

3. (~a +~b) + ~c = ~a + (~b+ ~c)

4. ~a +~b = ~b+ ~a

5. ~a +~b = 0 =⇒ ~a = −~b , ~b = −~a.

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Definition der Differenz:

~a−~b.= ~a+ (−~b)

~a

~

b �

~

b ~a

~

b

~a�

~

b

~a

~

b

~x =?

Ubungen:

a) Gesucht: ~x in der Figur.

b) begrunde: −(~a−~b) = ~b− ~a

c) begrunde: ~a−~b = 0 =⇒ ~a = ~b

Multiplikation mit einem Skalar:Skalar α: Vorlaufig reelle Zahl, spater u. U. komplex

~b = α~a. Der Vektor ~b hat folgende Eigenschaften:

1. |~b| = |α| · |~a|

2. α > 0; ~b ↑↑ ~a

3. α = 0; ~b = 0

4. α < 0; ~b ↑↓ ~a

Beispiele: α = 2, α = 1, α = −12.

3

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1.4 Rechenregeln

Aus den obigen Definitionen folgt:

(a) ~a, ~b gegeben. Dann ist ~a+~b definiert.

(b) ~a +~b = ~b+ ~a

(~a +~b) + ~c = ~a + (~b+ ~c)

(c) Es existiert ein neutrales Element: ~a +~0 = ~a

(d) Es existiert ein inverses Element: ~a+ (−~a) = ~0

(e) Multiplikation mit Skalar definiert: α~aα(β ~a) = (αβ)~a

(f) (α + β)~a = α~a+ β ~a

(g) α (~a+~b) = α~a+ α~b

(h) 1 · ~a = ~a

Algebraische Strukturen, welche die Eigenschaften (a)–(d) aufweisen, heissenkommutative Gruppen. Strukturen, die alle Eigenschaften (a)–(h) aufweisen,heissen Vektorraume (VR).

Wir betrachten im folgenden endlich dimensionale Vektorraume, meistensd = 2, 3, 4. Daneben gibt es VR mit beliebiger Dimension (siehe lineareAlgebra) und auch ∞-dim. VR.

Es existieren beliebig viele Realisierungen eines Vektorraumes. Die freienVektoren sind ein Beispiel. Ein anderes, etwas abstrakteres Beispiel ist dasfolgende:

Beispiel: Betrachte alle moglichen Polynome in der reellen Variablen τ . x1(τ)und x2(τ) seien 2 solche Polynome (mit Grad 2 zur Illustration ):

x1(τ) = α1 + β1 τ + γ1 τ2

x2(τ) = α2 + β2 τ + γ2 τ2 ,

wobei αi, βi, γi ∈ R (i = 1, 2)

Addition: (x1 + x2)(τ).= x1(τ) + x2(τ) , explizit:

(x1 + x2)(τ) = (α1 + α2) + (β1 + β2) τ + (γ1 + γ2) τ2 .

4

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Multiplikation mit Skalar ρ ∈ R: (ρ x)(τ).= ρ x(τ), explizit:

(ρ x1)(τ) = (ρα1) + (ρβ1) τ + (ργ1) τ2 .

Ubung: Die Menge dieser Polynome ist ein Vektorraum. Die Elemente diesesVektorraumes x(τ) werden ohne Pfeile geschrieben.

Ubung: Betrachte die Menge C der auf dem Intervall −1 ≤ τ ≤ 1 stetigenFunktionen f(τ) der Variablen τ . Addition? Multiplikation mit Skalaren?Vektorraum?

1.5 Linearkombinationen

αi : Folge von Skalaren~ai : Folge von Vektoren

}

i = 1, ..., N

Linearkombination (LK): ~b =

N∑

i=1

αi~ai

Beispiele:

1. Mittel von 4 Geschwindigkeiten

2. ~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 (~e1, ~e2, ~e3 Basis)

Ubungen:

(1) Dreieck. Gegeben: ~a, ~b und die Mitte M der dritten Seite. ~x =?

~x

~a

~

b

M

(2) Gegeben: ~a, ~b in d = 2.

a) Diskutiere fur variable α, β: ~x(α, β) = α~a+ β~b

b) ~x(α) = α~a +~b

(3) Wie (2), aber in d = 3 Dimensionen.

(4) Beweise, dass sich die Seitenhalbierenden eines Dreiecks in einem Punktschneiden, und zwar im Verhaltnis 1:2.

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1.6 Das Skalarprodukt

Jedem Vektorpaar wird eine reelle Zahl ~a·~b (“Skalarprodukt“) wie folgt zuge-ordnet:

~a

~

b

~a ·~b = |~a| |~b| cos γEigenschaften:

1. ~a ·~b = ~b · ~a

2. (α~a) ·~b = α(~a ·~b)

3. ~a · (~b+ ~c) = ~a ·~b+ ~a · ~cBeweis: Am Einfachsten in Komponentenschreibweise, siehe Abschnitt1.9.

4. ~a · ~a ≥ 0 ; ~a · ~a = 0↔ |~a| = 0.

Weitere Eigenschaften:

i) γ = π2: ~a ·~b = 0

ii) γ = 0: ~a ·~b = |~a| |~b|

iii) γ = π: ~a ·~b = −|~a| |~b|

iv) ~a ·~b invariant gegenuber simultanen Drehungen von ~a und ~b.

v) Schwarz’sche Ungleichung: |~a ·~b| ≤ |~a| |~b|

Betragsquadrat eines Vektors:

~a2.= ~a · ~a = |~a| |~a| cos 0 = |~a|2

→ |~a| =√~a2

~a

~

b

~a +

~

b

0

Anwendung Cosinussatz: Gegeben: ~a, ~b; Gesucht: |~a+~b|.

(~a +~b)2 = (~a +~b) · (~a+~b)

= (~a +~b) · ~a+ (~a +~b) ·~b= ~a2 + 2ab cos γ +~b2

= ~a2 − 2ab cos γ′ +~b2

Speziell: γ′ = π2(Pythagoras)

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F'

~

F

�~x

Beispiel einer Anwendung des Skalarproduktes in der Physik:Verschiebung eines Massenpunktes um den Weg ∆~x, Kraft~F . Welche Arbeit ∆A leistet dabei die Kraft ~F ?Definition: ∆A = |∆~x|F ′ = |∆~x| |~F | cos γ = ∆~x · ~F .

1.7 Das Vektorprodukt

Das Vektorprodukt stellt (neben dem Skalarprodukt) eine weitere Moglich-

keit dar, ein Produkt ~c = ~a×~b von zwei gegebenen Vektoren ~a und ~b zu defi-nieren:

~a

~

b

~

(i) ~c ⊥ ~a,~b

(ii) |~c| = |~a| |~b| sin γ (0 ≤ γ < π)

(iii) ~a, ~b, ~c bilden ein Rechtssystem: blickt man in Rich-tung ~c, so lasst sich ~a mit einer Rechtsdrehung0 ≤ γ < π in ~b drehen.

Eigenschaften

(i) ~c = ~a×~b ist ein Vektor

(ii) ~a× ~a = 0

(iii) Bei festen Betragen a und b: ~a×~b ist maximal fur γ = π2.

(iv) ~a×~b = −~b× ~a

(v) (α~a)×~b = α (~a×~b)

(vi) ~a× (~b+ ~c) = ~a×~b+ ~a× ~c

(vii) ~a× (~b× ~c) 6= (~a×~b)× ~c im allgemeinen. Beispiel: ~b = ~c.

(iix) |~a×~b| = Flache des von ~a und ~b aufgespannten Parallelogrammes.~Σ = ~a×~b: “Flachenvektor”

~

b

~a

~

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(ix) Lorentzkraft ~F = q ~v × ~B ; ~F ⊥ ~v, ~B ; F = q v B sin γ

~

F

~

B

~v

q

+

Die bisherigen Definitionen und Beziehungen haben kein Koordinatensystem,resp. keine Basis vorausgesetzt.

1.8 Orthonormale Basis

~e

3

~e

1

~e

2

“Basis” ~e1, ~e2, ~e3

• |~ei| = 1 fur i = 1, 2, 3

• ~ei · ~ek = 0 fur i 6= k

• In der Reihenfolge ~e1, ~e2, ~e3 bilden die Basisvektorenein Rechtssystem: ~e1×~e2 = ~e3, ~e2×~e3 = ~e1, ~e3×~e1 =~e2.

Einfuhren des Kroneckersymbols δik:

~ei · ~ek =

{1 i = k0 i 6= k

}

.= δik

δ11 δ12 δ13δ21 δ22 δ23δ31 δ32 δ33

=

1 0 00 1 00 0 1

Einfuhren des total antisymmetrischen Tensors 3. Stufe (ε–Tensor):

~ei · (~ej × ~ek) =

+1 (i, j, k) zyklische Permutation zu (1,2,3)−1 (i, j, k) anti-zyklische Permutation zu (1,2,3)0 (i, j, k) sonstwie (z.B. i = j, i = k oder j = k)

.= εijk

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“Orthonormalsystem ~e1, ~e2, ~e3”

Die drei Vektoren ~e1, ~e2, ~e3 bilden (im 3 dimensionalen Raum) ein vollstandiges System,d.h. jeder Vektor ~a lasst sich als Linearkombination von ~e1, ~e2, ~e3 schreiben:

~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 =

3∑

i=1

ai ~ei

Begrundung: Definiere ~∆ durch

~a = (~a · ~e3)~e3 + (~a · ~e2)~e2 + ~∆

Dann gilt:~∆ · ~e3 = ~∆ · ~e2 = 0

=⇒ ~∆ ist parallel zu ~e1 ,

=⇒ ~∆ = x~e1 | · ~e1~∆ · ~e1 = x = [~a− (~a · ~e3)~e3 − (~a · ~e2)~e2] · ~e1 =⇒ x = ~a · ~e1

⇒ ~a = (~a · ~e1)~e1 + (~a · ~e2)~e2 + (~a · ~e3)~e3⇒ ~a als LK von ~e1, ~e2, ~e3 dargestellt. �

Also zusammengefasst:

~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 =3∑

i=1

ai ~ei

Die reellen Zahlen ak heissen Komponenten von ~a (bezuglich ~e1, ~e2, ~e3). DieZerlegung ist eindeutig: Sei

~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 | · ~ek~a · ~ek = ak �

Fur gegebene Basis ~e1, ~e2, ~e3:

~aBasisunabhangiges

Objekt

←→

(a1, a2, a3)“Darstellung von ~a”

bezuglich gegebener Basis

Studiere folgende andere Schreibweise der obigen Rechnung:

~a =∑

i

ai~ei | · ~ek

~a · ~ek =∑

i

ai (~ei · ~ek)

=∑

i

ai δik = ak (1.1)

9

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1.9 Komponentenschreibweise

Oft schreibt man Vektoren in der Form

~a =

a1a2a3

oder

~a = (a1, a2, a3) .

Nach dem oben Gesagten sind die Zahlen a1, a2, a3 durch den Vektor ~a ein-deutig festgelegt. (Bemerkung: Falls nicht explizite vermerkt, so verwendenwir immer ein Orthonormalsystem als Basis).

Elementare Operationen in Komponenten

1. ~c = ~a +~b : ci = ai + bi

2. ~c = λ~a : ci = λ ai

3. ~a ·~b = (a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3) · (b1 ~e1 + b2 ~e2 + b3 ~e3)

= a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 =

=∑

i

ai bi

Oder: ~a ·~b =∑

i

ai ~ei ·∑

k

bk ~ek

=∑

i,k

ai bk δik

=∑

i

ai bi = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3

4. ~a×~b = (a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3)× (b1 ~e1 + b2 ~e2 + b3 ~e3)

= ~e1 (a2 b3 − a3 b2) +

~e2 (a3 b1 − a1 b3) +

~e3 (a1 b2 − a2 b1)︸ ︷︷ ︸

Komponenten

Oder anders geschrieben:

10

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(~a×~b)1 = a2 b3 − a3 b2

(~a×~b)2 = a3 b1 − a1 b3

(~a×~b)3 = a1 b2 − a2 b1 ,

beziehungsweise mit Hilfe des ε–Tensors

(~a×~b)i =∑

j,k

εijkajbk .

1.10 Mehrfachprodukte von Vektoren

Verschiedene Produkte von drei Vektoren:

a)~a (~b · ~c)︸ ︷︷ ︸

Skalar︸ ︷︷ ︸

Vektor in Richtung ~a

; (~a ·~b) ~c︸ ︷︷ ︸

Vektor in Richtung ~c

b)~a× (~b× ~c)

Vektor ⊥ ~b× ~c, demzufolge in der Ebene ~b,~c.

Satz:~a× (~b× ~c) = (~a · ~c)~b− (~a ·~b)~c .

Beweis: Ubung

c) ~a · (~b× ~c)- Skalar- Geometrische Bedeutung: Volumen V des Parallelepipedes ~a, ~b, ~c.

~

~a

~

'

~

b

~

b

~a

~

b� ~

V = |~b× ~c|︸ ︷︷ ︸

Grundflache

|~a| cosϕ︸ ︷︷ ︸

Hohe

= |~a · (~b× ~c)|

11

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Bemerkungen:

1) Mit der Definition V = ~a · (~b×~c) kann V positiv oder negativ sein.

2) Falls ~a, ~b, ~c in einer Ebene: ~a · (~b× ~c) = 0.

3) Es gilt:

~a · (~b× ~c) = ~c · (~a×~b) = ~b · (~c× ~a)

= −~a · (~c×~b) = −~c · (~b× ~a) = −~b · (~a× ~c)

4) In Komponenten:

~a · (~b× ~c) =∑

i

ai (~b× ~c)i =∑

i,j,k

εijkaibjck .

d) Hinweise zu 4-fachen Produkten:

(~a×~b) · (~c× ~d) = (~a · ~c) (~b · ~d)− (~a · ~d) (~b · ~c)

e) (~a×~b)2 : Setze ~c = ~a, ~d = ~b in d).

(~a×~b)2 = ~a2~b2 − (~a ·~b)2

1.11 Ortsvektoren, Koordinaten

Gegeben: Ursprung O, Basis ~e1, ~e2, ~e3.

0

P

0

x

2

x

1

~x

~e

2

~e

1

~e

3

x

3

P

Punkt P : definiert den Ortsvektor ~x:

~x =∑

i

xi ~ei

xi = “Komponenten von ~x” oderxi = “Koordinaten von P” bezuglich Basis ~e1, ~e2, ~e3 und Ursprung O.

(x1, x2, x3)←→ P

Ursprung O fest; P , ~x variabel.

12

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2 Vektorfunktionen

2.1 Definition

u: reell; jedem Wert von u ∈ [ua, ub] ist ein Vektor ~ω(u) zugeordnet:

~ω = ~ω(u) .

Explizite Zuordnung z.B. durch Wahl einer Basis und Angabe der Kompo-nentenfunktionen:

~ω = ~ω(u) = (ω1(u), ω2(u), ω3(u)) .

Beispiel 1: ~ω(u) → ~x(t), wobei ~x(t) der Ort eines Massenpunktes zur Zeit tist. ~x(t) = (x1(t), x2(t), x3(t))

x

2

~x(t +�t)

~x(t)

x

1

Abbildung 2.1: Zu Beispiel 1.

Beispiel 2: ~ω(u)→ ~v(t). Geschwindigkeit ~v(t) einer Rakete zum Zeitpunkt t.

~v(t +�t)

~v(t)

v

2

v

1

x

1

x

2

~v(t)

Abbildung 2.2: Zu Beispiel 2.

Stetigkeit: ~ω(u) heisst stetig in u = u0, wenn alle Komponenten stetig sindin u = u0.

Graphik: Tragt man ~ω(u) von einem festen Punkt aus auf, so beschreibt dieSpitze von ~ω eine Kurve im Raum.

13

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x

2

~x

'

x

1

Ein- und dieselbe Kurve kann verschieden parametrisiertsein. Beispiel:

a) ~x(ϕ) = (cosϕ, sinϕ, 0)

b) ~x(t) = (cos(at2), sin(at2), 0)

Interpretation:

b) t=Zeit: Bewegungsablauf.

a) “Parameterdarstellung der Bahn (Kurve)”. Hier ist der Winkel ϕ alsParameter gewahlt. Ein anderer denkbarer Parameter ware z.B. u = x2:

~x(u) = (√1− u2, u, 0)

Bem.: Auch b) ist eine Parameterdarstellung der Bahn. Parameter ist dieZeit t.

2.2 Die erste Ableitung

Sei ~ω(u) = (ω1(u), ω2(u), ω3(u)) gegeben. Bilde

~ω′(u) =

(dω1

du,dω2

du,dω3

du

)

= (ω′1, ω

′2, w

′3)

= lim∆u→0

(ω1(u+∆u)− ω1(u)

∆u, ...

)

= lim∆u→0

~ω(u+∆u)− ~ω(u)

∆u

= lim∆u→0

∆~ω

∆u.=

d~ω

du.

~w(u +�u)

�~w

~w

0

(u)

~w(u)

Bedeutung:

1. u wahlen (fest)

2. ∆u wahlen, ∆~ω∆u

bilden

3. ∆u kleiner werden lassen, Grenzwert ∆u → 0bilden; ∆~ω

∆u→ d~ω

du= ~ω′(u).

4. ~ω′(u) definiert die Tangente.

14

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Bemerkungen:

1. ~ω′(u) = (ω′1, ω

′2, ω

′3) ist definiert, falls die Ableitungen ω′

k(u) existieren.

2. In der Situation ~ω(u) → ~x(t) heisst d~xdt

die Geschwindigkeit; Ableitun-gen nach der Zeit werden ublicherweise mit einem Punkt abgekurzt:

d~x

dt= ~x(t) = (x1(t), x2(t), x3(t)) .

x

1;2

x

3

~x(t)

_

~x(t)

Beispiele

1.~x(t) =

(

0, 0,−12g t2)

~x(t) = (0, 0,−g t)

2. ~x(u) = ~a + u~b ; ~a,~b konstant

~x′

(u) = ~b

3. ~x(ϕ) = (R cosϕ,R sinϕ, 0)

~x′

(ϕ) = (−R sinϕ,R cosϕ, 0)

4. Gleichformige KreisbewegungGleichformige Zunahme des Winkels ϕ im Beispiel2:

ϕ = ω t , ω konstant

~x(t) = (R cos(ω t), R sin(ω t), 0)

~x(t) = (−Rω sin(ω t), R ω cos(ω t), 0)

= Rω (− sin(ω t), cos(ω t), 0)

Eigenschaften:

a) ~x · ~x = 0

b) |~x| = R , |~x| = ωR

c) dϕdt

= ω : “Winkelgeschwindigkeit”, “Kreisfrequenz”

d) Umlaufszeit T : ω T = 2π → T = 2πω.

e) Frequenz ν: ν = 1T= ω

15

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2.2.1 Rechenregeln fur die Ableitung von Vektorfunktionen

x

2

~x

'

x

1

~x

0

Es gelten folgende Beziehungen, die sich via Komponen-tenschreibweise leicht beweisen lassen:

d

du

[

~a(u) +~b(u)]

= ~a′

+~b′

d

du

[

~a(u) ·~b(u)]

= ~a′ ·~b+ ~a ·~b′

d

du

[

~a(u)×~b(u)]

= ~a′ ×~b+ ~a×~b′

d

du[λ(u)~a(u)] = λ′ ~a+ λ~a

Anwendung: Massenpunkt bewege sich auf einer festen Kugelflache vom Ra-dius R. ~x(t) bezeichne den Ortsvektor:

~x2(t) = R2 ; Diese Gleichung nach t abgeleitet ergibt:

d

dt~x2(t) = 0

~x · ~x+ ~x · ~x = 0

2 ~x · ~x = 0→ ~x ⊥ ~x .

Ubung: Bewegung eines Massenpunktes m mit der Ladung q im Magnetfeld~B(~x). Die Geschwindigkeit ~v(t) erfullt die Newtonsche Gleichung

m~v(t) = q ~v(t)× ~B (~x(t))︸ ︷︷ ︸

Lorentzkraft

Zeige hieraus, dass die kinetische Energie konstant bleibt, d.h.,

d

dt

(1

2m~v2

)

= 0.

2.3 Die zweite Ableitung

Sei ~ω(u) gegeben. In 2.2 haben wir die erste Ableitung ~ω′(u) = (ω′1, ω

′2, ω

′3)

gebildet. Die zweite Ableitung ist wie folgt definiert:

~ω′′(u) =d2 ~ω

du2=

d

du~ω′(u) =

d

du(ω′

1, ω′2, ω

′3)

= (ω′′1 , ω

′′2 , ω

′′3) =

(d2ω1

du2,d2ω2

du2,d2ω3

du2

)

.

16

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x

2

'

x

1

~x

0

~x

00

~x

Beispiel:

~ω(u)→ ~x(ϕ) = R (cosϕ, sinϕ, 0)

~x′

(ϕ) = R (− sinϕ, cosϕ, 0)

~x′′

(ϕ) = −R (cosϕ, sinϕ, 0) .

2.4 Bewegung eines Punktes

~ω(u)→ ~x(t); Ort als Funktion der Zeit t.

~x(t) = (x1(t), x2(t), x3(t))

Definition der Geschwindigkeit:

~v(t) =d~x

dt= ~x(t) = (x1(t), x2(t), x3(t)) = (v1(t), v2(t), v3(t))

Die Geschwindigkeit ist die Veranderung des Ortes pro Zeit:

~v(t) = lim∆t→0

~x(t+∆t)− ~x(t)

∆t= lim

∆t→0

∆~x

∆t.

Definition der Beschleunigung:

~a(t) =d~v

dt= ~v(t) = (v1(t), v2(t), v3(t))

=d2~x

dt2= ~x(t) = (x1(t), x2(t), x3(t))

Die Beschleunigung ist die Veranderung der Geschwindigkeit pro Zeit:

~a(t) = lim∆t→0

~v(t +∆t)− ~v(t)

∆t= lim

∆t→0

∆~v

∆t.

Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung sind Vektoren.

Beispiel 1:~x(t) =

(

v01 t, v02 t−1

2g t2, 0

)

~x(t) = (v01, v02 − g t, 0)

~x(t) = (0,−g, 0)

17

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Beispiel 2:

~x(t) = ~x0 + ~v0 t = (x01 + v01 t, x02 + v02 t, x03 + v03 t)

~x(t) = ~v0

~x(t) = 0

Beispiel 3:~x(t) = ~x0 + ~v0 t +

1

2~a0 t

2

~x(t) = ~v0 + ~a0 t

~x(t) = ~a0

→ Gleichmassig beschleunigte Bewegung.

x

2

'

x

1

~x

_

~x

_

~x?~x

~x

Beispiel 4:

~x(t) = R (cos(ω t), sin(ω t), 0)

~x(t) = Rω (− sin(ω t), cos(ω t), 0)

~x(t) = −Rω2 (cos(ω t), sin(ω t), 0)

Fur die gleichmassige Kreisbewegung gilt also:

~x(t) = −ω2 ~x(t)

|~x| = Rω2

|~x| = Rω

Beispiel 5: ~x(t) = R (cosϕ(t), sinϕ(t), 0)

ϕ(t) = λ t3 .

Spezialfalle:

1. Richtung von ~v(t) konstant: ∆~v ‖ ~v , ~v ‖ ~v .→Geradlinige Bewegung.Der Betrag von ~v kann sich verandern:

~x(t) = ~A+ ~B h(t) ; ~A, ~B konstant.

2. Betrag von ~v(t) konstant:

d

dt(~v2) = 0 ; → ~v · ~v = 0 ; → ~v ⊥ ~v .

Bsp.: Bewegung im Magnetfeld.

18

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3 Taylor–Entwicklung

3.1 Taylor–Entwicklung 1. Ordnung

Wir betrachten eine Funktion w,

w(u) : IR→ IR,

und vergleichen ihren Wert an der Stelle u0 mit demjenigen an der Stelleu0 +∆u. Insbesondere setzen wir

ω(u0 +∆u) = ω(u0) + ∆ω ,

wobei ∆ω den Zuwachs des Funktionswertes bezeichnet, siehe die Figur.Naherungsweise hat man

w(u0 +∆u) = ω(u0) + ω′(u0) ·∆u , (3.1)

wobei ω′(u0) · ∆u eine Naherung fur den Zuwachs ist. Vergleiche mit derFigur. Fur viele Zwecke handelt es sich in (3.1) um eine hinreichend gute

w

�u

u

0

gw

0

(u

0

)�u

u

0

+�u

u

�w

Abbildung 3.1: Definition des Zuwachses ∆ω.

Naherung. Sie entspricht der Approximation des exakten Verlaufes von ω(u)in der Umgebung von u = u0 durch eine lineare Funktion ω1(u):

ω1(u) = ω(u0) + ω′(u0) (u− u0) .

ω1(u) heisst “Taylorentwicklung 1. Ordnung” (T.E.1.O.) der Funktion ω(u)um die Stelle u0 und ist eine Funktion 1. Grades in u, welche an der Stelleu0 in der nullten und ersten Ableitung mit ω(u) uberesintimmt:

ω1(u0) = ω(u0)

ω′1(u0) = ω′(u0)

19

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Die Approximation ω(u) ≃ ω1(u)

ω(u) ≃ ω1(u) = ω(u0) + ω′(u0) (u− u0)

heisst “Taylor–Naherung 1. Ordung” (T.N.1.O.). Sie bezieht sich auf einebestimmte Entwicklungsstelle u0.

Beispiele:

1. ω(u) = u , u0 = 1Exakt: ω(1 + ∆u) = 1 + ∆uT.E.1.O: ω1(1 + ∆u) = 1 + ∆uStimmt mit exaktem Wert uberein.

2. ω(u) = u2 , u0 = 1Exakt: ω(1 + ∆u) = (1 + ∆u)2 = 1 + 2∆u+∆u2

T.E.1.O: ω1(1 + ∆u) = 1 + 2∆u

∆u Zuwachs ω(u)− 1 ω1(u)− 1 rel. Fehler im Zuwachs0.01 0.0201 0.0200 0.0050.1 0.21 0.20 0.05

Tabelle 3.1: Numerischer Vergleich von ω(u) und ω1(u).

Die Bedeutung der T.N.1.O. liegt darin, dass der relative Fehler fur denZuwachs mit ∆u→ 0 beliebig klein wird.

Ubung: ω(u) =√u in der Umgebung von u0 = 2.

√2 + ∆u =?

3.2 Taylor-Entwicklung 2. Ordnung

ω1(u) :Funktion ersten Grades in u, welche in u0 in der nullten und in derersten Ableitung mit ω(u) ubereinstimmt.

Analog:

ω2(u) :Funktion zweiten Grades in u, welche in u0 bis zur zweiten Ablei-tung mit ω(u) ubereinstimmt.

ω2(u) = ω(u0) + ω′(u0) (u− u0) +1

2ω′′(u0) (u− u0)

2

Wie leicht zu sehen ist, gilt tatsachlich:

ω2(u0) = ω(u0)

ω′2(u0) = ω′(u0)

ω′′2(u0) = ω′′(u0)

20

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ω1(u) hat in u0 die richtige Steigung. ω2(u) hat in u0 sowohl die richtige

w

1

(u)

w

2

(u)

w(u)

w

u

u

0

Abbildung 3.2: Taylor Approximationen w1(u), w2(u) an die Funktion w(u).

Steigung, als auch die richtige Krummung.

Die Approximation ω(u) ≃ ω2(u):

ω(u) ≃ ω(u0) + ω′(u0) (u− u0) +1

2ω′′(u0) (u− u0)

2

heisst “Taylor–Naherung 2. Ordnung” (T.N.2.O.) in u = u0.

Numerisches Beispiel: ω(u)→ F (x) = sin x (x statt u; F statt ω.)Entwicklung um x0 = π/4:

F1(x) = F(π

4

)

+ F ′(π

4

) (

x− π

4

)

,

F2(x) = F(π

4

)

+ F ′(π

4

) (

x− π

4

)

+1

2F ′′(π

4

) (

x− π

4

)2

,

wobei

F(π

4

)

= sin(π

4

)

=

√2

2; F ′

4

)

= cos(π

4

)

=

√2

2; F ′′

4

)

= − sin(π

4

)

= −√2

2.

Somit gilt:

F1(x) =

√2

2

[

1 +(

x− π

4

)]

.

F2(x) =

√2

2

[

1 +(

x− π

4

)

− 1

2

(

x− π

4

)2]

21

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Abbildung 3.3: F1(x): gestrichelt; F2(x): gestrichpunktet; F (x): ausgezogen.Die vertikale Linie ist bei x = π/4.

3.3 Taylor-Entwicklung beliebiger Ordnung

ωN(u) =N∑

k=0

1

k!ω(k)(u0) (u− u0)

k ; ω(k)(u).=

dk ω(u)

duk

stimmt an der Stelle u = u0 bis zur N -ten Ableitung mit ω(u) uberein.

“Taylor–Entwicklung N -ter Ordnung” um u0.

Die Approximation ω(u) ≃ ωN(u) heisst “Taylor–Naherung N -ter Ordnung”.

Unter bestimmten Voraussetzungen existiert ω∞(u) und stellt die ursprung-liche Funktion ω(u) in einer Umgebung von u0 exakt dar:

ω(u) =∞∑

k=0

1

k!ω(k)(u0) (u− u0)

k .

Diese Entwicklung heisst “Taylor–Reihe” von ω(u) in u0.

Besonders bekannt sind die Entwicklungen um u0 = 0 (Potenzreihen) [sieheFormeln und Tafeln]:

ex = 1 + x+x2

2!+

x3

3!+

x4

4!+ · · ·

cos x = 1− x2

2!+

x4

4!− x6

6!± · · ·

sin x = x− x3

3!+

x5

5!− x7

7!± · · ·

22

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4 Erganzungen

4.1 Matrizen

Skalare: Objekte, deren Komponenten keinen Index tragen, z.B. a, b, c, . . .

Vektoren: Objekte, deren Komponenten einen Index tragen, z.B.

~a =

(a1a2

)

, ~b =

b1b2b3

.

Matrizen: Objekte, deren Komponenten zwei Indizes tragen, z.B.

A =

(a11 a12a21 a22

)

, B =

b11 b12 b13b21 b22 b23b31 b32 b33

, C =

c11 c12c21 c22c31 c32

.

Tensoren: Objekte, deren Komponenten n Indizes tragen, werden ublicher-weise Tensoren n-ter Stufe genannt, z.B.

εijk : (Pseudo-)Tensor 3. Stufe.

Demnach gilt:Skalare ⇔ Tensoren 0. Stufe

Vektoren ⇔ Tensoren 1. StufeMatrizen ⇔ Tensoren 2. Stufe

Definition: Unter einer Matrix A verstehen wir ein Schema

A = (aij) =

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n

. . . . . .. . . . . .

am1 am2 . . . amn

von m × n Zahlen, bestehend aus m Zeilen und n Spalten. Der erste Indexi = 1, . . . , m bezeichnet die Zeilen, der zweite Index j = 1, . . . , n die Spalten:

Matrix vom Typ m× n .

In der Physik haben Matrizen zweierlei Anwendungen. Erstens gibt esphysikalische Grossen, die sich in einem gegebenen Koordinatensystem durch

23

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eine Matrix darstellen lassen. Ein Beispiel fur einen solchen Tensor ist derTragheitstensor, welcher den Drehimpuls eines um eine bestimmte Achserotierenden Korpers beschreibt.

Zweitens konnen Matrizen lineare Abbildungen von Vektoren beschrei-ben. Sie konnen zum Beispiel dazu benutzt werden, die Komponenten einesVektors in einem neuen Bezugssystem auszurechnen.

4.1.1 Beispiele

1) Kroneckersymbol δij :Matrix vom Typ n× n (bisher n = 2 oder 3)

δij =

δ11 δ12 δ13δ21 δ22 δ23δ31 δ32 δ33

=

1 0 00 1 00 0 1

.

2) Lineare Transformationen von Vektoren (z.B. Drehungen, Streckun-gen):

Es seien zwei Basissysteme {~e1, ~e2} und {~d1, ~d2} gegeben,

~e1 =

(10

)

, ~e2 =

(01

)

und ~d1 =1√2

(11

)

, ~d2 =1√2

(−11

)

.

Eine Abbildung ~e1 → ~d1 und ~e2 → ~d2 ist nun durch die Matrix Rdefiniert,

R =

(1√2− 1√

21√2

1√2

)

.

Ubung: Uberprufe R · ~e1 = ~d1 und R · ~e2 = ~d2.

Allgemein wird jeder beliebige Vektor im Basissystem {~e1, ~e2} durch

Multiplikation mit R−1 auf das Basissystem {~d1, ~d2} abgebildet.

3) Volumen eines Parallelepipeds:

V (~a,~b,~c) = ~a ·(

~b× ~c)

= det

a1 b1 c1a2 b2 c2a3 b3 c3

.

24

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4.1.2 Eigenschaften und Rechenregeln

1) Gleichheit zweier Matrizen A und B:

A = B ⇐⇒ aij = bij ∀ i, j

Beachte: A und B mussen gleichen Typs m× n sein.

2) Summe zweier Matrizen A und B:

C = A+B ⇐⇒ cij = aij + bij ∀ i, j

Beachte: A und B mussen gleichen Typs m× n sein. Die Addition istkommutativ.

3) Die Nullmatrix besteht aus lauter Nullen:

0 =

0 · · · 0...

. . ....

0 · · · 0

.

4) Die Einheitsmatrix ist immer vom Typ n× n, also quadratisch:

11 =

1 0

0 1. . .

. . .. . . 00 1

= δij .

5) Multiplikation mit einem Skalar α:

α ·A =

αa11 αa12 · · · αa1nαa21 αa22 · · · αa2n...

.... . .

...αam1 αam2 · · · αamn

= (α · aij) .

6) Transponierung einer Matrix: Sei A = (aij) vom Typ m× n. Dann ist

AT =

a11 a21 · · · am1

a12 a22 · · · am2...

.... . .

...a1n a2n · · · amn

= (aji)

die transponierte Matrix vom Typ n×m.

25

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4.1.3 Multiplikation von Matrizen

Definition: Sei A = (aij) eine mA × nA-Matrix und B = (bij) eine mB × nB-Matrix. Wenn nA = mB, dann ist das Produkt C = A · B definiert durch

C = (cik) =

nA=mB∑

j=1

aijbjk

und vom Typ mA × nB.

Beachte, dass im allgemeinen A · B 6= B · A.Beispiele:

1) A =

(1 23 4

)

, B =

(56

)

⇒ A · B =

(1739

)

2) A =(1 2

), B =

(34

)

⇒ A · B =(11)

3) A =(1 2

), B =

(34

)

⇒ B · A =

(3 64 8

)

4.1.4 Determinanten

Definition: Sei A = (aij) eine quadratische n× n Matrix. Dann ist

detA = |A| =n∑

i,j,k,...=1

εijk... · a1i a2j a3k . . .

die Determinante vonA, wobei εijk... das Vorzeichen der Permutation (123 . . .)→(ijk . . .) darstellt.

Beispiele:

1) A = (aij) vom Typ 1× 1: detA = a11

2) A = (aij) vom Typ 2× 2:

detA =

∣∣∣∣

a11 a12a21 a22

∣∣∣∣= a11 · a22 − a12 · a21

26

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3) A = (aij) vom Typ 3× 3:

detA =

∣∣∣∣∣∣

a11 a12 a13a21 a22 a23a31 a32 a33

∣∣∣∣∣∣

= a11 · a22 · a33 + a12 · a23 · a31 + a21 · a32 · a13−a13 · a22 · a31 − a12 · a21 · a33 − a23 · a32 · a11

Eigenschaften:

1) Determinante ist homogen bezuglich der Multiplikation einer Zeile miteinem Skalar:

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

a11 a12 · · · a1n...

......

λai1 λai2 · · · λain...

......

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

= λ ·

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

a11 a12 · · · a1n...

......

ai1 ai2 · · · ain...

......

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

2) Analog fur die Multiplikation einer Spalte mit einem Skalar.

3) Vorzeichenwechsel unter Vertauschung zweier beliebiger Zeilen:

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

......

...ai1 ai2 · · · ain...

......

aj1 aj2 · · · ajn...

......

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

= −

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

......

...aj1 aj2 · · · ajn...

......

ai1 ai2 · · · ain...

......

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

4) Analog fur die Vertauschung zweier beliebiger Spalten.

5)∣∣AT

∣∣ = |A|

6) |A · B| = |A| · |B|

27

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4.2 Komplexe Zahlen

Komplexe Zahlen spielen in der Physik eine herausragende Rolle. Im Fol-genden wird davon ausgegangen, dass im bisherigen Unterricht komplexeZahlen eingefuhrt wurden. Interessierte finden bei www.wikipedia.org unterdem Stichwort Komplexe Zahlen eine gut lesbare Darstellung. Hier werdennur wichtige Eigenschaften kurz diskutiert.

1) Definition: Als komplexe Zahlen bezeichnet man Objekte der Form

z = α+ iβ ,

wobei α, β beliebige reelle Zahlen sind. Man nennt α (β) den Realteil

(Imaginarteil) der komplexen Zahl z. Die imaginare Einheit i ist einObjekt mit der Eigenschaft i2 = −1.

2) Gauss’sche Zahlenebene: Definiere die komplexe Zahl α+ iβ als Punkt(α, β) in der Ebene IR2.

Die Teilmenge der reellen Zahlen (β = 0) bildet die waagrechte Achse,diejenige der rein imaginaren komplexen Zahlen (α = 0) die senkrechteAchse.

Der Addition zweier komplexer Zahlen z1, z2 entspricht in der Gauss’schenZahlenebene die komponentenweise Addition von Vektoren mit denKomponenten (α1, β1), (α2, β2).

3) Addition: Die Summe zweier komplexer Zahlen z1 = α1 + iβ1 , z2 =α2 + iβ2 ist definiert durch

z1 + z2 = (α1 + α2) + i(β1 + β2) .

4) Multiplikation: Das Produkt zweier komplexer Zahlen z1, z2 ist definiertdurch

z1z2 = (α1α2 − β1β2) + i(α1β2 + α2β1).

5) Komplexe Konjugation: Die zu z = α + iβ komplex konjugierte Zahlist definiert durch

z = z∗ = α− iβ .

28

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1 2 3 4 5

1

2

3

4

−1

−2

−3

−1−2−30

z=4+3i = 5 e

Re z

Im z

Laenge = 5

φ

iφz=4+3i = 5 ez=4+3i = 5 e

−iφz=4−3i = 5 e

Abbildung 4.1: Die Gauss’sche Zahlenebene.

6) Betrag: Der Betrag einer komplexen Zahl ist definiert durch

|z| = (α2 + β2)1/2 .

Der Betrag |z| ist eine reelle Zahl und gleich der Lange des entspre-chenden Vektors (α, β) in der komplexen Zahlenebene.

7) Die Menge der komplexen Zahlen wird im folgenden mit C bezeichnet.

8) Exponentialform

Die Exponentialdarstellung von komplexen Zahlen ist ausserst nutzlichfur Rechnungen. Sie lautet

z = ρeiφ = ρ(cosφ+ i sinφ) ; ρ = |z| .

Die Exponentialfunktion wird im Abschnitt 4.3 kurz diskutiert. In Ab-bildung 4.1 ist tanφ = 3/4 ⇒ φ = 36.7◦, im Bogenmass φ = 36.7

180π =

0.643.

Die Multiplikation erscheint in dieser Darstellung besonders einfach.Mit z1 = ρ1e

iφ1 und z2 = ρ2eiφ2 haben wir

z1z2 = ρ1ρ2ei(φ1+φ2) .

29

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4.3 Die Exponentialfunktion

Die Exponentialfunktion kann auf verschiedensten Wegen eingefuhrt werden.Hier definieren wie sie durch

ez.=

∞∑

n=0

zn

n!, z ǫ C

Dabei haben wir das Symbol n! = 1 · 2 · 3 · · ·n benutzt (ausgesprochen als“n Fakultat”). Die Reihe ist konvergent ∀ z ∈ C.

Eigenschaften der Exponentialfunktion

ezew = ez+w

eiϕ = cosϕ+ i sinϕ, ϕ ǫ R

ex > 0, x ǫ R; ez 6= 0, z ǫ C

e0 = 1; e1 = 2.71828...; eiπ = −1(ex)

= ex

f′

(x) = f(x) 7→ f(x) = C ex, C konstant

Bemerkung: Die Notation cis φ = cosφ+ i sinφ wird nirgends benutzt.

Logarithmusfunktion

Exponentialfunktion: ex : R→ R+

Umkehrfunktion: ln x : R+ → R

elnx = x, x > 0

Eigenschaften der Logarithmusfunktion

ln (x · y) = ln x+ ln y

d

dxln x =

1

x(4.1)

30

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5 Hinweise zur Integration

5.1 Das unbestimmte Integral

Gegeben: Funktion f(x)Gesucht: Funktionen F (x), mit der Eigenschaft, dass

dF (x)

dx= f(x) .

Symbolik:

F (x) =

dx f(x) .

F heisst “unbestimmtes Integral” oder “Stammfunktion” von f .

Beispiel:

f(x) = x ; F (x) =

dx x =1

2x2 + C .

F enthalt eine Integrationskonstante C, welche durch die Definition von Fnicht festgelegt ist.

Die unbestimmte Integration ist die Umkehrung der Differentiation:

F (x)

∫f(x) dx←—————– f(x) , F (x)

ableiten—————–→ f(x) .

Tafeln: Gradshteyn and Ryzhik, Table of Integrals, Series and Products, Aca-demic Press (Bibliothek).

Ebenfalls Computerprogramme (REDUCE, MATHEMATICA, MAPLE, etc.).

5.2 Das bestimmte Integral

Gegeben: f(x); a, b.Gesucht: Flache unter der Kurve?

I =

∫ b

a

dx f(x) “bestimmtes Integral”

31

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�x

i

x

b

x

n

x

2

x

1

a

f(x)

x

0

x

i

Definition: I = lim∆x→0

n∑

i=1

∆xi f(xi).=

∫ b

a

dx f(x) .

Mit ∆x → 0 ist gemeint, dass alle ∆xi gegen 0 streben sollen und somitn→∞. Fur eine grosse Klasse von Funktionen f(x) existiert der Grenzwertunabhangig von der Einteilung ∆xi; siehe Mathematikvorlesungen.

Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung: Wenn f(x) im Intervall Jstetig ist, so gilt fur jede Stammfunktion F (x) von f(x) und fur beliebigea, b ∈ J

I =

∫ b

a

dx f(x) = F (b)− F (a) ≡ F (x)|ba .

Kommentare zum Satz:

1. Enorm nutzlich.

2. Die Berechnung bestimmter Integrale stetiger Funktionen ist auf dieBestimmung von Stammfunktionen zuruckgefuhrt.

3. Beispiel: f(x) = x2 ; a = 0 , b = 1 .

4. Die additive Konstante C in F (x) fallt bei der Berechnung von I weg.

5. Die Flache I exisitert nicht immer. Typische Problemfalle:

(a) f(x) pathologisch, z.B. Pol: f(x) = 1/x .

(b) Grenzen im Unendlichen (I =∞ ?)

6. Flachenstucke unter der x–Achse werden negativ gezahlt.

32

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Satz: Eine in einem Intervall J stetige Funktion f(x) besitzt dort eine Stamm-funktion, z.B.

F (x) =

∫ x

a

dξ f(ξ) ; a ∈ J . (5.1)

Bemerkungen:

a) Die Stammfunktion F (x) in Gl. (5.1) besitzt in J eine Nullstelle (beix = a).

b) Jede andere Stammfunktion unterscheidet sich von (5.1) lediglich umeine Konstante.

c) f(x) stetig =⇒∫ x

0dξ f(ξ) differenzierbar: “Integration glattet”.

5.3 Grenzen im Unendlichen

a) Def.:∫ ∞

a

f(x) dx = limb→∞

∫ b

a

f(x) dx

Existiert nicht immer.

Bsp. 1: ∫ ∞

1

dx1

x2= lim

b→∞

∫ b

1

dx

x2= lim

b→∞

{(

−1

x

)∣∣∣∣

b

1

}

= limb→∞

{

1− 1

b

}

= 1 (unproblematisch)

Bsp. 2:∫∞1

dxx

existiert nicht (Flache zu gross).

b) Def.:∫ ∞

−∞f(x) dx = lim

a→−∞limb→∞

∫ b

a

f(x) dx

Es sind auch andere Definitionen denkbar, wie zum Beispiel∫ ∞

−∞f(x) dx = lim

A→∞

∫ A

−A

dx f(x) dx

Bsp. 1:∫ ∞

−∞

dx

1 + x2= lim

a→−∞limb→∞

{atan(x)|ba

}

= lima→−∞

limb→∞

{atan(b)− atan(a)} = π

2−(

−π2

)

= π .

Bsp. 2:

∫ ∞

−∞

dx · x1 + x2

= lima→−∞

limb→∞

{1

2ln(1 + x2)

∣∣b

a

}

exisitiert nicht. Beachte, dass limA→∞∫ A

−Adx·x1+x2 = 0, weil der Integrand un-

gerade ist.

33

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5.4 Pole (Beispiele)

Mit

∫ b

a

dx

x= lim

ǫ→0

{∫ −|ǫ|

a

dx

x+

∫ b

+|ǫ|

dx

x

}

≡∫ b

a

Pdx

x

(a < 0, b > 0) definiert man den Hauptwert des Integrales uber einen Pol.

−→∫ b

a

Pdx

x= ln

b

|a| (Ubung)

5.5 Unbestimmtes Integral: Substitution

Die Substitution ist eine Methode, eine Integration (eventuell) zu bewaltigen.

Prinzip: Suche die geeignete Variable.

Beispiel allgemein

I =∫

dx x · e−x2

I =∫f(x) dx

z = x2 z = g(x)x =√z x = h(z) [= g−1(z)]

dx = dz dxdz

= dz 12√z

dx = dz dxdz

= dz · h′(z)

I =∫

dz 12√z

√z e−z I =

∫dz h′(z) f [h(z)]

I = −12e−z I = s(z)

I = −12e−x2

I = s(g(x)) = s(x)

Kontrolle: differenzieren!

5.6 Bestimmtes Integral: Substitution

Bsp. 1: I =

∫ 2

1

dx x · e−x2

Methode a): unbestimmtes Integral nach Substitutionsmethode (−→ s(x),siehe oben); dann Grenzen von x einsetzen:

I =

∫ 2

1

dx x · e−x2

= −12

e−x2

∣∣∣

x=2

x=1= −1

2e−4 +

1

2e−1 .

Methode b): unbestimmtes Integral nach Substitutionsmethode in der Varia-blen z (−→ s(z), siehe oben); dann Grenzen von z einsetzen:

I =

∫ 2

1

dx x · e−x2

=

∫ 4

1

dz1

2e−z = −1

2e−z∣∣z=4

z=1= ......

34

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Bsp. 2: I.=

∫ ∞

−∞dx e−Ax2+B x (A > 0)

=

∫ ∞

−∞dx e−A(x2−B

Ax) =

∫ ∞

−∞dx e−A(x− B

2A)2

eB2

4A

Neue Variable: x− B

2A=

z√A

x =B

2A+

z√A; dx =

1√A

dz

I =1√A

∫ ∞

−∞dz e−z2 · eB2/(4A)

Unter Verwendung von∫ ∞

−∞dz e−z2 =

√π (ohne Beweis) (5.2)

erhalt man somit

I =

∫ ∞

−∞dx e−Ax2+B x =

√π

Ae

1

4

B2

A .

Gilt auch fur komplexe A, B, sofern ReA > 0.

5.7 Partielle Integration (unbestimmt)

u = u(x), v = v(x) seien beliebige (differenzierbare) Funktionen.

d

dx(u v) = u′ v + u v′

=⇒∫

d

dx(u v) dx =

(u′ v + u v′) dx

u v + C =

u′ v dx+

u v′ dx

=⇒∫

u v′ dx = C + u v −∫

u′ v dx

Beispiel:∫

dx x︸︷︷︸

u

· e−x︸︷︷︸

v′

; u = x ; v′ = e−x ; u′ = 1 ; v = −e−x .

x e−x dx = C − x e−x +

dx · 1 · e−x

C − x e−x − e−x

Kontrolle: differenzieren!

35

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5.8 Partielle Integration (bestimmt)

∫ b

a

dx (u v′) = (u v)|ba −∫ b

a

dx u′ v .

Beispiel:

∫ ∞

0

dx x2 e−x2

=

∫ ∞

0

dx

(

−12x

)

︸ ︷︷ ︸

u

·(

−2 x e−x2

)

︸ ︷︷ ︸

v′

= ...Ubung =1

4

√π unter Verwendung von Gl. (5.2).

5.9 Ableiten nach Parameter

F (A) =

∫ b

a

dx g(x,A) ;dF

dA=?

In sehr vielen Fallen (fur genaue Voraussetzungen siehe Mathematikvorle-sungen) darf man Integration und Differentiation vertauschen, d.h.,

dF

dA=

∫ b

a

dx∂g(x,A)

∂A.

Oft ist es gunstig, einen Parameter (kunstlich) einzufuhren, nach diesemabzuleiten, und ihn am Schluss wieder wegzunehmen. Ein Beispiel dazu istdas folgende:

I =

∫ ∞

−∞dx x2 · e−x2

.

Um dieses Integral zu losen, betrachten wir

IA.=

∫ ∞

−∞dx x2 e−Ax2

=

∫ ∞

−∞dx

(

− d

dA

)

e−Ax2

= − d

dA

∫ ∞

−∞dx e−Ax2

; x =1√Au

= − d

dA

1√A·√π =

√π

2A3/2

=⇒ I = IA=1 =

√π

2.

36

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Durch fortgesetztes Differenzieren nach dem Parameter λ lassen sich die fol-genden Formeln gewinnen:

∫ ∞

0

dx xn e−λx = n!λ−(n+1) ; n = 0, 1, 2, 3, ....; λ > 0

∫ ∞

0

dx x2n e−λx2

=1 · 3 · 5... · (2n− 1)

2 (2 λ)n

√π

λ; λ > 0 ; n = 0, 1, 2, 3, ...

∫ ∞

0

dx x2n+1 e−λx2

=n!

2 λn+1; λ > 0 ; n = 0, 1, 2, 3, ...

6 Differentialgleichungen

Eine Gleichung, welche neben einer unbekannten Funktion auch Ableitungendieser Funktion enthalt, heisst Differentialgleichung. Falls die unbekannteFunktion nur von einer einzigen Variablen abhangt, so spricht man von ei-ner gewohnlichen Differentialgleichung; hangt die unbekannte Funktion vonmehreren Variablen ab, und kommen in der Gleichung diese Funktion undihre partiellen Ableitungen vor, so spricht man von einer partiellen Differen-

tialgleichung.

Ein weiteres Merkmal ist die Ordnung der Differentialgleichung. Darunterversteht man die hochste Ordnung der vorkommenden Ableitungen.

Differentialgleichungen sind ein ausserordentlich wichtiges mathemati-sches Instrument in allen Gebieten der Physik. Viele Probleme der klassischenPhysik lassen sich auf das Losen von Differentialgleichungen zuruckfuhren.Es gibt eine grosse mathematische Literatur zum Thema Differentialgleichun-gen, in der Regel lassen sich aber nur die wenigsten Gleichungen analytischlosen. In diesem Kapitel werden wir die Losung fur eine Klasse von einfachen,aber fur die Physik wichtigen Gleichungen herleiten. Ausserdem besprechenwir ein einfaches Verfahren, mit dem sich Differentialgleichungen numerischlosen lassen.

6.1 Beispiele und Klassifikation

Beispiele:

1. y′(x) = 0 ⇒ y(x) = c.Randbedingung y(x0) = y0 legt c = y0 fest.

37

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x

y

m

g

Abbildung 6.1: Das Pendel im Gravitationsfeld ~g

2. y′(x) = βx ⇒ y(x) = 1/2βx2 + c.Randbedingung y(x0) = y0 legt c = y0 − 1/2βx2

0 fest:

y(x) =1

2βx2 +

(

y0 −1

2βx2

0

)

3. y′(x) = −γy(x); eine ahnliche Gleichung beschreibt z.B. die Bewegungeines Massenpunktes, der im homogenen Gravitationsfeld fallt,

v(t) + γv(t) = g

v(t) : Beschleunigung des Massenpunktes

γv(t) : durch Atmosphare (Reibung) erzeugte Bremsbeschleunigung

g : Erdbeschleunigung

4. Newtonsche Bewegungsgleichungen fur Massenpunkte sind gewohnli-che Differentialgleichungen fur die Koordinaten der Massenpunkte (alsFunktion der Zeit). Beispiel Pendel, siehe obige Figur, und Skript Ex-perimentalphysik I, S.53:

d2φ(t)

dt2+ ω2φ(t) = 0 ; ω2 =

|~g|l.

Dies ist eine gewohnliche Dgl. fur den Auslenkungswinkel φ(t). Diegesuchte Funktion hangt nur von einer Variablen ab, der Zeit t.

38

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L−L 0

y(x,t)

x

Abbildung 6.2: Die schwingende Saite, eingespannt bei x = ±L.

5. Die einfachste Newtonsche Bewegungsgleichung ist die gleichformig be-schleunigte Bewegung: y(t) = a1. Integration: y(t) = at + c12. Integration: y(t) = at2

2+ c1t + c2

2 Randbedingungen: sowohl der Anfangsort, wie auch die Anfangsge-schwindigkeit mussen vorgegeben werden: c1 = v(0), c2 = y(0).

6. Gleichung einer schwingenden Saite. y(x, t) bedeute die Auslenkung derSaite an der Stelle x, zur Zeit t, siehe obige Figur und Skript Experi-mentalphysik I, S. 181:

∂2y(x, t)

v2∂t2− ∂2y(x, t)

∂x2= 0 (“Wellengleichung”).

Dies ist ein Beispiel einer partiellen Differentialgleichung: Die gesuch-te Funktion y(x, t) hangt von 2 Variablen ab (Zeit t und Ort x). DerParameter v ist vorgegeben (materialabhangig) und bedeutet die Fort-pflanzungsgeschwindigkeit der Welle.

Klassifikation:

Eine Differentialgleichung (z.B. in v(t)) beschreiben wir haufig mit folgendenBegriffen:

gewohnlich: Gesuchte Funktion v(t) hangt nur von einer Variablenab (hier t),

partiell: Funktion hangt von mehreren Variablen ab,n-ter Ordnung: vorkommende Ableitungen haben hochstens

Ordnung n,linear: Funktion v(t) und ihre Ableitungen erscheinen nur linear,homogen: v = 0 ist eine Losung der Gleichung.

Wir betrachten im ersten Teil dieser Vorlesung ausschliesslich gewohnliche

Differentialgleichungen. Im zweiten Teil werden wir uns auch partielle Diffe-rentialgleichungen anschauen, z.B. die Wellengleichung.

39

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6.2 Lineare Differentialgleichungen

Die allgemeine lineare Differentialgleichung n-ter Ordnung fur eine Funktiony(t) hat die Form

dny(t)

dtn+ An−1(t)

dn−1y(t)

dtn−1+ · · ·+ A1(t)

dy(t)

dt+ A0(t) y(t) = f(t) . (6.1)

Falls f(t) = 0 ist die Gleichung homogen. Die Gleichung, die man erhalt,wenn man bei einer gegebenen Gleichung f(t) = 0 setzt, nennt man diezugehorige homogene Gleichung.

Falls y1(t) und y2(t) Losungen der homogenen Gleichung sind, so ist auchdie Linearkombination y(t) = αy1(t) + βy2(t) eine Losung der homogenenGleichung, weil die Ableitung eine lineare Operation ist:

dmy(t)

dtm= α

dmy1(t)

dtm+ β

dmy2(t)

dtm. (6.2)

6.2.1 Lineare Differentialgleichung erster Ordnung

Als Beispiel einer linearen Gleichung betrachten wir einen Massenpunkt, derim Gravitationsfeld der Erde nach unten fallt (nahe der Erdoberflache, Gra-vitationsfeld konstant). Der Massenpunkt erfahrt eine Reibungskraft durchdie Atmosphare und wir nehmen der Einfachheit halber an, dass diese Kraftproportional zur Geschwindigkeit ist. Fur eine eindimensionale Bewegunglautet die Differentialgleichung fur die Geschwindigkeit

v(t) + γv(t) = g . (6.3)

Dabei ist g ≃ 9.8ms−2 die Erdbeschleunigung, und die durch die Atmosphareerzeugte Reibung wird durch die Konstante γ beschrieben. Die physikalischeFragestellung lautet: Wie verhalt sich die Geschwindigkeit v(t) als Funktionder Zeit? In anderen Worten, wie muss die Funktion v(t) beschaffen sein,damit sie die Differentialgleichung (6.3) erfullt?

Fur die folgende Diskussion ist es gunstig, das Problem in einer allgemei-neren Form zu schreiben und zuzulassen, dass γ, g auch zeitabhangig sind,

v(t) + α(t)v(t) = β(t) . (6.4)

Es gilt der folgende

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Satz D1: Die Funktionen α(t), β(t) seien stetig. Zu vorgegebenen Wertenvon t0, v0 gibt es genau eine Losung der Differentialgleichung (6.4) mit derEigenschaft

v(t0) = v0 . (6.5)

Offenbar gibt es nicht nur eine Losung zu (6.4), sonst konnten wir denWert der Geschwindigkeit zur Zeit t0 nicht beliebig vorgeben. Andererseitsist die Losungsschar auch nicht beliebig gross: Es genugt, den Wert der Ge-schwindigkeit zu einem Zeitpunkt t0 vorzuschreiben, um alles festzulegen.Man sagt, es liege eine eindimensionale Losungsschar vor. Wir werden wei-ter unten diesen Satz beweisen, indem wir die allgemeine Losung von (6.4)explizit herleiten. Die Bedingung (6.5) heisst die zur Dgl. (6.4) gehorende An-fangsbedingung. Ein analoger Satz zu D1 gilt fur Gleichungen n-ter Ordnung:in diesem Fall benotigt man nicht nur eine, sondern n Anfangsbedingungen,um die Losung eindeutig festzulegen.

Wir kehren wieder zum ursprunglichen Problem (6.3) zuruck. Ausserdemsetzen wir der Einfachheit halber in der Bedingung (6.5) t0 = 0.

i) Es sei γ = g = 0. Dann lautet die Dgl.

v = 0 . (6.6)

Die Geschwindigkeit ist in diesem Fall unabhangig von der Zeit, unddie Losung der Dgl. lautet offenbar

v = c = konstant . (6.7)

Der Satz D1 ist richtig in diesem Fall: Wir wahlen c = v0. Dann ist dieBedingung (6.5) erfullt und die Losung ist eindeutig festgelegt. Die obenerwahnte eindimensionale Schar von Losungen ist hier parametrisiertdurch die Konstante c (ein Parameter).

ii) Es sei g = 0, γ 6= 0. Dann lautet die Dgl.

v + γv = 0 . (6.8)

Wir stellen fest, dass jede Funktion

v(t) = c e−γt (6.9)

fur beliebige Werte der Konstanten c eine Losung darstellt. Die Diffe-rentialgleichung (6.8) hat also zumindest eine 1-parametrige Schar von

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Losungen. Gibt es neben der Losungsschar (6.9) weitere Losungen derDifferentialgleichung (6.8), die sich nicht in der Form (6.9) schreibenlassen? Dass dies nicht der Fall ist, lasst sich folgendermassen einsehen.Es sei v(t) irgendeine Losung der Dgl. (6.8). Bilde h(t) = eγtv(t). Danngilt

h(t) = γh(t) + eγt ˙v(t)

= γh(t)− γh(t) = 0 . (6.10)

Die Funktion h(t) ist also unabhangig von t, h(t)= konst. Daraus folgtv(t) = he−γt . Mit anderen Worten, jede Losung der Dgl. (6.8) ist vonder Form (6.9).

Die Konstante c lasst sich bestimmen aus dem Wert der Geschwindig-keit zur Zeit t = 0.

Wir schliessen, dass der Satz D1 auch in diesem Fall richtig ist.

iii) Wir betrachten nun den allgemeinen Fall (6.3), mit γ, g 6= 0. ZumAuffinden der Losung stellen wir vorerst folgendes fest. Es seien mitvp, v1 zwei Losungen vorgegeben. Wir bilden die Differenz

∆ = v1 − vp . (6.11)

Durch Differenzieren finden wir, dass ∆ die homogene Dgl.

∆ + γ∆ = 0 (6.12)

erfullt und stellen fest, dass wir diese Gleichung eben gelost haben. Mitanderen Worten: Wenn wir irgendeine Losung vp(t) der inhomogenenGleichung (6.3) finden, so lasst sich jede andere Losung v1 darstellenals

v1(t) = ∆(t) + vp(t)

= ce−γt + vp(t) . (6.13)

Und was hilft dies hier? Wir stellen fest, dass v = g/γ eine Losung der Dgl.(6.3) ist. Die Geschwindigkeit ist eine Konstante fur diese Losung - sichernicht der allgemeingultige Fall! Aber nach dem eben Gesagten lasst sich jede

andere Losung schreiben als

v(t) = ce−γt + g/γ . (6.14)

Wie wir sehen, ist der Satz D1 auch hier richtig: Wenn wir c = v0 − g/γwahlen, so ist die Anfangsbedingung (6.5) offensichtlich erfullt, und die Losungeindeutig, weil die Konstante c festgelegt ist.

Dazu nochmals etwas Nomenklatur:

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i) Die Funktion v(t) in (6.14) heisst allgemeine Losung der Dgl. (6.3).Man hat diesen Namen gewahlt, weil sich jede Losung so darstellenlasst, mit einer geeigneten Konstanten c. Diese Konstante heisst Inte-grationskonstante.

ii) Die Losung (6.9) heisst allgemeine Losung der zur Dgl. (6.3) gehoren-den homogenen Dgl. (6.8).

iii) Die spezielle Losung vp = g/γ heisst partikulare Losung.

Wir konnen das Resultat (6.14) folgendermassen zusammenfassen: Dieallgemeine Losung der Dgl. (6.3) ist die Summe der allgemeinen Losung derhomogenen Gleichung (6.8), plus einer partikularen Losung der Dgl. (6.3).Die Prozedur, mit der wir die Losung erhalten haben ist, kann auch bei ande-ren linearen Gleichungen angewendet werden. Man lost lineare Gleichungen,indem man zuerst die allgemeine Losung der homogenen Gleichung herleitetund dazu noch eine partikulare Losung der inhomogenen Gleichung findet. Esgibt spezielle Techniken, um eine partikulare Losung zu konstruieren, dieselaufen etwa unter dem etwas unglucklichen Namen “Variation der Konstan-ten”.

6.2.2 Allgemeine Losung der linearen DG 1. Ordnung

Wir losen nun die Gleichung

y′(x) + α(x)y(x) = β(x) , (6.15)

explizit, fur beliebige, stetige Funktionen α(x) und β(x). Als Vorbereitung,definieren wir dazu zunachst die Funktion

A(x) =

dxα(x) + C1 ,

mit einer Integrationskonstanten C1, weil die Stammfunktion von α(x) nichteindeutig ist. Danach multiplizieren die Gleichung (6.15) mit eA(x)

eA(x)y′(x) + eA(x)α(x)y(x) = eA(x)β(x) ,

d

dx

[y(x)eA(x)

]= eA(x)β(x) .

Die Grosse eA(x) heisst auch ein integrierender Faktor, weil es uns damitgelungen ist, die Gleichung in einer Form zu schreiben, dass wir sie direkt

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integrieren konnen. Durch Integration auf beiden Seiten erhalt man

y(x)eA(x) =

dx β(x)eA(x) + C2 ,

y(x) = e−A(x){∫

dx β(x)eA(x) + C2

}

Damit haben wir die allgemeine Losung explizit konstruiert. Es scheint al-lerdings, dass diese zwei Integrationskonstante C1 und C2 aufweist. Durchexplizites Auswerten sieht man aber, dass die Losung nur von einer Kombi-nation abhangt:

y(x) = e−A(x){

C +

dx β(x)eA(x)}

,

wobei C = e−C1 C2 und A(x) die Stammfunktion mit C1 = 0 ist. Man kannalso ohne Einschrankung der Allgemeinheit C1 = 0 setzen.

Beispiel: Fur die Gleichung

v(t) + γv(t) = g .

welche wir im letzten Kapitel diskutiert hatten ist α(t) = γ und β(t) = g

A(t) =

dtγ = γt ,

v(t) = e−γt

(

C +

dt geγt)

= Ce−γt + g/γ .

Wir reproduzieren also unser fruheres Resultat (6.14).

6.2.3 Lineare Gleichungen mit konstanten Koeffizienten

Wir losen nun die allgemeine homogene lineare Gleichung (6.1) im einfachenFall, wo die Koeffizienten konstant sind:

dny(t)

dtn+ An−1

dn−1y(t)

dtn−1+ · · ·+ A1

dy(t)

dt+ A0 y(t) = 0 . (6.16)

Die Gleichung n-ter Ordnung hat eine Losungsschar mit n Parametern, d.h.n Integrationskonstanten.

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Man kann die verschiedenen Losungen mit dem Anstatz y(t) = Ceαt

gewinnen. Wenn man diesen Ansatz in obige Gleichung einsetzt, erhalt mandie Bedingung

αn + An−1 αn−1 + · · ·+ A1 α + A0 = 0 . (6.17)

Das Losen der Gleichung lauft darauf hinaus, die Nullstellen in einem Po-lynom n-ter Ordnung zu finden. Fur reelle α’s kann es passieren, dass dasPolynom weniger als n Nullstellen hat. In diesem Fall gibt es Losungen derDifferentialgleichung (6.16), die nicht die Form des Ansatzes haben.

An dieser Stelle lohnt es sich zunachst komplexe Losungen zu betrachten.Das Fundamentaltheorem der Algebra besagt, dass es ein Polynom n-ter Ord-nung immer n Nullstellen im Komplexen hat. Es kann hochstens passieren,dass die gleiche Nullstelle mehrfach auftritt, z.B. bei (z − 5)2. Diesen Falldiskutieren wir weiter unten. Fur den Fall, dass jede Nullstelle nur einmalauftritt, liefert der Ansatz

z(t) = Ceαt (6.18)

mit komplexem C und α die vollstandige Losung der Gleichung (6.16). DieseLosung erhalt man indem man zuerst die n Nullstellen α1, α2, . . . , αn desPolynoms (6.17) bestimmt und dann die Linearkombination

z(t) =n∑

i=1

Cieαit (6.19)

bildet. Die n Integrationskonstanten Ci legen die Losung eindeutig fest.

In einem zweiten Schritt konstruieren wir nun daraus die allgemeine re-elle Losung. Fur reelle Koeffizienten Ai ist mit z(t) automatisch auch z∗(t)eine Losung: Die komplex konjugierte Varable erfullt die komplex konjugier-te Gleichung, die aber aufgrund der reellen Koeffizienten identisch mit derursprunglichen Gleichung ist. Da die Gleichung linear ist, sind damit auch

Re[z] =1

2[z(t) + z∗(t)] , Im[z] =

1

2[z(t)− z∗(t)] , (6.20)

Losungen. Die reellen Losungen lassen sich also als Realteil der komplexenLosung erhalten.

Die in der Physik wichtigste Gleichung in dieser Kategorie, ist die Bewe-gungsgleichung fur den harmonischen Oszillator

y(t) + κ2y(t) = 0

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wobei κ2 = D/m durch die Masse m und die Federkonstante D gegeben ist.Wir setzen nun den Ansatz (6.18) in die Gleichung ein und erhalten

α2 + κ2 = 0 → α = ±iκ .

Die allgemeine komplexe Losung ist eine Linearkombination der beiden Losun-gen, also

z(t) = C1eiκt + C2e

−iκt .

Die allgemeine reelle Losung lasst sich nun mittels

eiκt = cos(κt) + i sin(κt) (6.21)

aus dem Realteil gewinnen und lautet

y(t) = A cos(ωt) +B sin(ωt) .

Fur diesen einfachen Fall lasst naturlich die reelle Losung auch leicht direktkonstruieren, aber selbst beim nur leicht komplizierteren Fall einer gedampf-ten Schwingung, lohnt es sich zunachst im Komplexen zu arbeiten.

Was ist die Bedeutung der beiden Integrationskonstanten A und B? Manerhalt

y0 = y(t = 0) = A

v0 = y(t = 0) = ωB

Die Losung ist also vollstandig festgelegt durch Angabe des Anfagsorts undder Anfangsgeschwindigkeit.

Zum Abschluss betrachten wir noch den Fall, wo eine Nullstelle mehrfachauftritt. Ein Beispiel ist die Gleichung

y(t)− 2y(t) + y(t) = 0 (6.22)

Der Ansatz (6.18) liefert

(α− 1)2 = 0

Damit ist z1(t) = C1et eine Losung. Die zweite Losung lautet

z2(t) = C2 t et ,

wie man leicht uberpruft. Falls eine Nullstelle α m-mal Auftritt, lauten diem zugehorigen Losungen

zk(t) = Ck tk eαt , mit k = 0 . . .m− 1 . (6.23)

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Das lasst sich am leichtesten uberprufen, indem man die Gleichung in Operator-Notation schreibt, also z.B. die Gleichung (6.22) in der Form

D2t y(t)− 2Dty(t) + y(t) = (Dt − 1)2 y(t) = 0

schreibt, wo Dt den Ableitungsoperator bezeichnet, welcher die Ableitung ei-ner Funktion ergibt, wenn er auf diese angewendet wird. Wenn eine Nullstelleα m-mal Auftritt, heisst dies, das der Ableitungsoperator der Gleichung einenFaktor (Dt − α)m enthalt. Wenn man dies auf den Ansatz (6.23) anwendeterhalt man

(Dt − α)mtkeαt = (Dt − α)m−1 k tk−1 eαt

= (Dt − α)m−2 k(k − 1) tk−2 eαt

= . . .

= k · (k − 1) . . . 2 · 1 (Dt − α)m−keαt

= 0 furm > k .

Mit jeder Anwendung von (Dt − α) reduziert sich also die Potenz von t umeins und der Vorfaktor tk ist nach k Anwendungen weg. Fur k < m erfolgtdanach aber noch mindestens eine weitere Anwendung von (Dt − α) unddamit gilt (Dt − α)mtkeαt = 0 in diesem Fall.

Damit haben wir nun die allgemeine Losung der homogenen linearen Glei-chung mit konstanten Koeffizienten konstruiert. Techniken, um eine parti-kulare Losung der inhomogenen Gleichung zu konstruieren, werden im drit-ten Teil der Vorlesung behandelt werden.

6.3 Separation der Variablen

Eine weitere Klasse von Differentialgleichungen, die analytisch losbar sind,sind Gleichungen erster Ordnung, bei denen die Variablen separiert sind, d.h.Gleichungen der Form

y′(x) = f [y(x)]g(x) . (6.24)

Beispiele einer solchen Gleichung dieser Form sind etwa

y′(x) = cos2(y(x)) , y(x)2y′(x)− x3 = 0 .

Im ersten Fall ist f(y) = cos2(y), g(x) = 1. Im zweiten Beispiel ist f(y) =1/y2 und g(x) = x3

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Die Losung erhalt man, indem man die Gleichung durch f(y) dividiertund beide Seiten integriert:

dxdy

dx

1

f(y)=

dx g(x) + C .

Es genugt dabei eine Integrationskonstante einzufuhren, denn was zahlt istdie Differenz zwischen den Integrationskonstanten auf beiden Seiten. Auf derlinken Seite wechselt man nun die Integrationsvariable von x auf y(x). DerVariablenwechsel bringt das Integral auf die Form

dydx

dy

dy

dx

1

f(y)=

dx g(x) + C ,

=⇒∫

dy1

f(y)=

dx g(x) + C . (6.25)

Nach der Bestimmung der Stammfunktion muss man die Gleichung nach yauflosen, um die Losung zu erhalten.

Eine Methode sich zu merken, welches Integral man ausrechnen muss,ist die Ableitung y′(x) = dy

dxals Bruch dy dividiert durch dx zu lesen und

Gleichung (6.24) in der Form

dy

f(y)= dx g(x)

zu schreiben und dann links und rechts ein Integralzeichen hinzusetzen. Ma-thematisch macht das wenig Sinn, aber diese Eselsbrucke liefert das korrekteIntegral (6.25).

Beispiele:

i) Fur y′(x) = cos2[y(x)] lautet das Integral∫

dy1

cos2(y)=

dx+ C = x+ C ,

tan(y) = x+ C ,

y = arctan(x+ c)

ii) Fur y′(x) = f(x)y lautet das Integral∫

dy1

y=

dx f(x) + C = F (x) + C ,

ln(y) = F (x) + C ,

y = eF (x)+C

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iii) Statt mit Stammfunktionen kann man mit bestimmten Integralen ar-beiten, um direkt die Losung zu einer Randbedingung, etwa y(0) = y0,zu erhalten. Fur y′(x) = −xy lautet dann das Integral

∫ y(x)

y0

dy1

y= −

∫ x

0

dx x ,

ln(y(x))− ln(y0) = −x2

2,

y(x) = y0 e−x2/2

6.4 Numerische Losung: Schrittweise Integration

Die bisherigen Losungsverfahren funktionieren nur fur spezielle Klassen vonDifferentialgleichungen (z.B. linear, separierbar). Wir besprechen nun ein all-gemeines Verfahren, welches es erlaubt beliebige Gleichungen numerisch zulosen. Wir werden das Verfahren an einem einfachen Bespiel illustrieren in-dem wir die Differentialgleichung v(t) = −γv(t) zum Anfangswert v(0) = v0durch schrittweise Integration losen. Wir teilen das Intervall [0, t] der t-Achsein n Intervalle ∆t = t/n ein:

0 1 k k + 1 n

0 t

0 �t k � �t n � �t(k + 1) � �t

Bezeichnungen: tk = k ∆t , vk = v(tk).

Aus der Differentialgleichung ergibt sich der Ubergang tk → tk+1 nahe-rungsweise wie folgt (1 Integrationsschritt ) :

v(tk + ∆t) ≈ v(tk) + ∆t v(tk)

≈ v(tk)− γ ∆t v(tk) ,

vk+1 ≈ vk (1− γ∆t) . (6.26)

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Uber n Integrationsschritte hinweg findet man analog

vn ≈ v0 (1− γ∆t)n ,

v(t) ≈ v0

(

1− γt

n

)n

. (6.27)

Die exakte Losung erwartet man fur festen Wert t in der Grenze n → ∞,bzw. ∆t→ 0 :

v(t) = limn→∞

v0

(

1− γt

n

)n

= v0 e−γt . (6.28)

Zur Genauigkeit in Abhangigkeit von der Schrittzahl (γ = 1, v0 = 1, t = 1) :

n v(t)

10 0.349

100 0.366

∞ 0.368 (exakt)

Fur unser einfaches Beispiel konnten wir das Resultat nach n Schrittenanalytisch angeben. Fur eine kompliziertere Gleichung ist dies nicht mehrmoglich, man kann jedoch leicht einen Computer Code schreiben, der einenSchritt nach dem anderen berechnet und einem die Losung nach n Schrittenangibt. Es ist auch leicht, Gleichungen zweiter Ordnung (also etwa New-tonsche Bewegungsgleichungen) mit diesem Verfahren zu integrieren. Dazuschreibt man diese einfach als System von zwei Gleichungen erster Ordnung.Die Gleichung mx(t) = F (x(t), x(t), t) lasst sich als

x(t) = v(t) ,

mv(t) = F (v(t), x(t), t) ,

schreiben. Der Integrationsschritt lautet dann

x(tk + ∆t) ≈ x(tk) + ∆t v(tk) ,

v(tk + ∆t) ≈ v(tk) + ∆t F (v(tk), x(tk), tk)/m .

Damit lassen sich beliebige Bewegungsgleichungen numerisch losen. In derPraxis verwendet man raffiniertere Verfahren, die die Resultate fruherer In-tegrationsschritte benutzen, um bessere Genauigkeit bei der Bestimmung desResultats im nachsten Schritt erreichen. Eine Familie von solchen Verfahrensind die Runge-Kutta Methoden. Das oben Beschriebene Verfahren ist dieEuler-Methode und entspricht Runge-Kutta 1. Ordnung.

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6.5 Losen von Differentialgleichungen mit MAPLE

Programmsysteme wie MAPLE oder MATHEMATICA unterstutzen symbo-lische, numerische und grafische Arbeiten am Computer. In dieser Umgebungformuliert man die Probleme - zum Beispiel Differentialgleichungen - ohnedass man sich um den Losungsalgorithmus kummern muss. Die folgendenBeispiele sind als Illustration zu verstehen und nicht mit Anleitungen zuverwechseln.

(1) Symbolische Losung einer gewohnlichen Differentialgleichung erster Ord-nung (MAPLE). Im Ausdruck ODE wird die Dgl. spezifiziert.

ODE:=diff(f(t),t)+2*t*f(t);

Das Resultat erscheint in der folgenden Form:

/d \

|-- f(t)| + 2 t f(t)

\dt /

Um die Dgl. zu losen, kann das Prozedere dsolve benutzt werden:

dsolve(ODE,f(t));

Das Resultat erscheint in der folgenden Form:

f(t) = C1 exp(-t^2)

Die Integrationskonstante wurde von MAPLE mit C1 bezeichnet.

(2) In der Prozedur dsolve konnen auch Anfangsbedingungen angegebenwerden: dsolve({ODE,f(0)=1},f(t));Das Resultat erscheint in der folgenden Form:

f(t) = exp(-t^2)

(3) Numerische Losung der Differentialgleichung. Man gibt in dsolve ein-fach die Vorschrift numeric ein. Die grafische Darstellung kann mit demBefehl odeplot erreicht werden - die unten dargestellte Figur 1 erscheintauf dem Bildschirm (beim Aufruf mit xmaple).

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sol:=dsolve({ODE,f(0)=1},f(t),numeric);

with(plots): odeplot(sol,[t,f(t)],0...2);

Beachte, dass die Anfangsbedingungen angegeben werden mussen -sonst ist keine numerische Auswertung moglich!

(4) Weitere Moglichkeiten, Losungen aus numerischen Rechnungen grafischdarzustellen, werden in den Ubungen besprochen.

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

0.5 1 1.5 2

Fig. 1. Numerische Losung der Dgl. f + 2tf = 0 mit MAPLE.

6.6 Literatur zu gewohnlichen Differentialgleichungen

Es gibt in erster Naherung unendlich viele Bucher uber gewohnliche Dif-ferentialgleichungen - ein Blick in die Bibliothek lohnt sich auf jeden Fall.In

A. Jeffrey, Linear Algebra and ordinary Differential equations, BlackwellScientific Publications, Boston, 1990, ISBN 0-86542-114-5

wird im Kapitel 4.7 die Existenz und Eindeutigkeit der Losungen aufeinfache Art und Weise diskutiert. Erhaltlich in der Bibliothek der exaktenWissenschaften, Signatur GLA 165.

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7 Funktionen von 2 oder mehr Variablen

F (x1, x2); T (x, t); T (r, ϕ); T (~x, t).

Hier: Alle Variablen und Funktionswerte reell.

7.1 F (x, y)

x, y und F haben beliebige Bedeutung. Jedem Punkt (x, y)

y

x

G

des Definitionsbereichs G ist ein Wert F eindeutig zuge-ordnet.

Graphik:a) In der x−y Ebene: Kurven mit konstanten Werten vonF (Beispiel: Isobaren)

b) 3-D Darstellung

0

1

2

3

x

0

1

2

3

y-1

0

1

z

0

1

2

3

x

7.1.1 Partielle Ableitungen (nach x)

Betrachte eine Funktion F (x, y), halte y fest, d.h. y = y0, und lasse x variabel.

y

x

G

y

0

=⇒ F ist vorubergehend reduziert auf eine Funktion voneiner Variablen, namlich x.

Ableitung nach x:

d

dxF (x, yfest) ≡

∂F (x, y)

∂x∂F (x,y)

∂xheisst “partielle Ableitung von F (x, y) nach x” und bedeutet die Ande-

rung von F (x, y) bezuglich Variation von x, d.h. entlang der x-Richtung.

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Bsp.:F (x, y) = x2 + y2 ;

∂F (x, y)

∂x= 2x

F (x, y) = sin(xy) ;∂F (x, y)

∂x= y cos(xy) .

Bemerkungen:

a) vollstandige Bezeichnung:

∂F (x, y)

∂x; (y = konstant implizit)

∂xF (x, y) ; Fx(x, y) ;∂F

∂x

∣∣∣∣y

b) Kurzschreibweise: ∂F∂x

restliche Information im Kopf behalten: F = F (x, y), y =konstant.

c) Wert der Ableitung in einem bestimmten Punkt (x0, y0):

∂F (x, y)

∂x

∣∣∣∣x=x0;y=y0

; Fx(x0, y0) ; ∂xF (x0, y0) .

d) Im Gegensatz zur partiellen Ableitung ergibt die totale Ableitung

d

dxF (x, y) =

∂F (x, y)

∂x+

∂F (x, y)

∂y

dy

dx.

Der erste Term beschreibt die explizite Abhangigkeit von x, wahrendder zweite Term zusatzlich die implizite Abhangigkeit der Funktion Fvon x via y(x) angibt.

e) Analog zur partiellen Ableitung nach x: partielle Ableitung nach y.

Bsp.:

F (x, y) = x2 y ; Fx(x, y) = 2xy ; Fy(x, y) = x2 .

f) Die Operation ∂∂x

ist ohne Angabe der festgehaltenen Variablen nichteindeutig. Das folgende Beispiel soll dies illustrieren.

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Bsp.: Temperatur uber einer Ebene

T = f(x, y) oder T = f(x, r)

konkretes Bsp.: f(x, y) = x (x2 + y2) = x r2

∂T

∂x

∣∣∣∣y

6= ∂T

∂x

∣∣∣∣r

3x2 + y2 6= r2

7.1.2 F (x, y). Taylorentwicklung 1. Ordnung

1 Variable: Funktion ω(u).

ω1(u) = ω(u0) + ω′(u0) (u− u0) linear in u

w

u

w

1

ω1(u) heisst “Taylorentwicklung 1. Ordnung”

ω(u) ∼ ω1(u) heisst “Taylor-Naherung 1. Ordnung”

ω1(u) : Naherung durch Tangente, siehe Kapitel 3.2.

2 Variablen: Funktion F (x, y)

F1(x, y) = F (x0, y0) + Fx(x0, y0) (x− x0) + Fy(x0, y0) (y − y0) (7.1)

F1(x, y) ist linear in x und in y.

F1(x, y) heisst “Taylorentwicklung 1. Ordnung”.

F (x, y) ∼ F1(x, y) heisst “Taylor-Naherung 1. Ordnung”.

x

F

x

0

; y

0

F

1

F

y

F1(x, y) stimmt mit F (x, y) in (x0, y0) im Funk-tionswert und in den ersten Ableitungen uber-ein.

F1 liegt in Tangentialebene an die Flache z =F (x, y) (ohne Beweis).

Werte von z = F (x, y) approximiert durch dieWerte in der Tangentialebene.

55

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7.1.3 Totale Ableitung, Kettenregel

Situation: ~x = (x1, x2)

T = T (~x) Temperaturfeld

~x = ~x(t) = (x1(t), x2(t)) Bewegung

H(t) = T (x1(t), x2(t))

dH

dt= ?

Satz:dH

dt=

∂T

∂x1· dx1

dt+

∂T

∂x2· dx2

dt

Zur Begrundung:

H(t+∆t)−H(t) = T [x1(t +∆t), x2(t+∆t)]− T [x1(t), x2(t)]

= T [x1 +∆x1, x2 +∆x2]− T [x1, x2]

≃ ∂T

∂x1·∆x1 +

∂T

∂x2·∆x2

H(t+∆t)−H(t)

∆t≃ ∂T

∂x1

· ∆x1

∆t+

∂T

∂x2

· ∆x2

∆t

———-→∆t→0

∂T

∂x1· dx1

dt+

∂T

∂x2· dx2

dt

(strenger Beweis in Mathematikvorlesungen).

Beispiel:T =

x21 + x2

2 = |~x|dT

dt=

x1

Tx1 +

x2

Tx2 =

~x · ~x|~x|

Einschub: Formen der Kettenregel

1.d

dtF [x(t)] =

dF (x)

dx· dx(t)

dt= F ′ · x

Beispiel:d

dtesin t =

d

dtex(t) = esin t cos t

56

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2.d

dtF [x1(t), x2(t)] =

2∑

k=1

∂F

∂xk

· dxk

dt

Beispiel:d

dt[~x2(t)] = ..... = 2~x · ~x

3.∂

∂xk

F [g(x1, x2)] =dF

dg· ∂g(~x)

∂xk

Beispiel:

F =√

x21 + x2

2 ; F =√g ; g = x2

1 + x22

∂F

∂x1=

1

2√g· 2 x1 =

x1√

x21 + x2

2

∂F

∂x2

=1

2√g· 2 x2 =

x2√

x21 + x2

2

4. Allgemeiner Fall

∂uiF [x1(u1, u2), x2(u1, u2)] =

2∑

k=1

∂F

∂xk

∂xk

∂ui

∂ui: uk konstant gehalten fur k 6= i

∂xk: xi konstant gehalten fur i 6= k

7.1.4 Hohere partielle Ableitungen

~x = (x1, x2) = (x, y)

F = F (x, y)

Es gibt folgende zweite partielle Ableitungen:

a) ∂x ∂x F (x, y)︸ ︷︷ ︸

Fkt. von x,y

.= ∂2

x F (x, y).=

∂2F (x, y)

∂x2

.= Fxx

“zweite (partielle) Ableitung nach x”

57

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b) analog

∂y ∂y F (x, y).=

∂2 F (x, y)

∂y2.= Fyy

c)

∂x ∂y F (x, y)︸ ︷︷ ︸

Fkt. von x,y

.=

∂2F (x, y)

∂x ∂y.= Fyx

“gemischte partielle Ableitung”

d)∂y ∂x F (x, y)

.= Fxy

Beispiel:

F = x · sin yFx = sin y , Fy = x cos y

Fxy = cos y , Fyx = cos y

Satz: Fur eine grosse Klasse von Funktionen gilt

∂y ∂x F = ∂x ∂y F ,

d.h., die Reihenfolge der Ableitungen spielt keine Rolle (ohne Beweis).

7.1.5 F (x, y). Taylorentwicklung 2. Ordnung

Rep. 7.1.2: Die Taylorentwicklung 1. Ordnung (F1) stimmt mit F in (x0, y0)im Funktionswert und in den ersten Ableitungen uberein. F1 ist linear inden Variablen x, y. Krummungseigenschaften von F sind demzufolge nichtberucksichtigt.

Bessere Approximation von F in der Umgebung von (x0, y0) durch eine Funk-tion F2(x, y), welche zweiten Grades in x, y ist und welche in (x0, y0) mit Fin den folgenden Grossen ubereinstimmt:

F = F2 ; Fx = ∂x F2 ; Fxx = ∂2x F2 ; Fy = ∂y F2 ; Fyy = ∂2

y F2 ;

Fxy = ∂x∂y F2(= ∂y∂xF2)

Resultat fur F2: (Verfikation als Ubung)

F2(x, y) = F (x0, y0) + Fx(x0, y0) (x− x0) + Fy(x0, y0) (y − y0) +

1

2Fxx(x0, y0) (x− x0)

2 +1

2Fyy(x0, y0) (y − y0)

2 +

Fxy(x0, y0) (x− x0) (y − y0) .

58

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F2(x, y) heisst “Taylorentwicklung 2. Ordnung”.F ∼ F2 heisst “Taylor-Naherung 2. Ordnung”.

7.1.6 Der Gradient (2-dim.)

Sei F = F (x1, x2) = F (~x) gegeben.

Definition:

gradF = ~∇F (~x) =

(∂F

∂x1,∂F

∂x2

)

.

Aus einem skalaren Feld wird also durch Differentiation ein Vektorfeld gebil-det.

x

2

x

1

1

1

Beipiele zur Illustration:

Bsp. 1:

F =1

4x21 + x2

~∇F =

(1

2x1, 1

)

x

1

1

x

2

Bsp. 2:

F =1

4

(x21 + x2

2

)

~∇F =

(1

2x1,

1

2x2

)

Bsp. 3: Taylor-Naherung des Feldes F (~x) im Punkt ~x (siehe Gl. (7.1)):

F (~x+−→δx) ≃ F (~x) +

∂F

∂x1δx1 +

∂F

∂x2δx2

= F (~x) + ~∇F (~x) · −→δx

~

Æx

~

Æx

~

Æx

~x

~

Æx

~

rF

Bei festem Betrag |−→δx|:

• starkste Zunahme in Richtung ~∇F

• keine Anderung in Richtung ⊥ ~∇F .

• starkste Abnahme in Richtung −~∇F .

59

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x

1

F = konst:

~x

t

~

rF

x

2

Bsp. 4: F (x1, x2) vorgegeben. F (x1, x2) = K (kon-stant) legt eine Kurve fest in der x1, x2 Ebene.

Beispiel: F (~x) = α (x21 + x2

2)

x(t) durchlaufe diese Kurve.

Satz: ~∇F steht senkrecht auf der Kurve F = K imPunkt ~x (d.h. senkrecht auf der Tangente ~x(t)).

Beweis:d

dtF [~x(t)]

a)= 0

b)=

∂F

∂x1x1 +

∂F

∂x2x2

c)= ~∇F · ~x

a) da F =konstant ; b) Kettenregel ; c) Definition von ~∇F .

Im Beispiel:~∇F = (2αx1, 2αx2) = 2α~x .

Bsp. 5: F (~x) = a1 x1 + a2 x2 = ~a · ~x ; ~∇F = ~a .

x

1

~a

~x

~a � ~x = konst:

x

2

Bsp. 6: F (~x) = G(x) ; x ≡ |~x|~∇F =

(∂F

∂x1,∂F

∂x2

)

;∂F

∂x1=

dG

dx· ∂x∂x1

=dG

dx· x1

|~x|~∇F =

dG

dx· ~x|~x|

Bsp. 7: Das elektrische Feld ~E(~x)

~E(~x) =Q

4πε0 x2· ~xx

lasst sich als Gradient eines Potenzials schreiben:

~E(~x) = −~∇φ(~x) ; φ(~x) =Q

4πε0

1

x“Potenzial von ~E” .

60

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7.2 Funktionen von drei (oder mehr) Variablen

~x = (x, y) = (x1, x2) −→ ~x = (x1, x2, x3)

F (~x) = F (x1, x2) −→ F (~x) = F (x1, x2, x3)

Verallgemeinerung von 7.1 unproblematisch:

• partielle Ableitung

∂F (x1, x2, x3)

∂x1=

∂F

∂x1

∣∣∣∣x2,x3

≡ ∂x1F ≡ ∂1F

• ~∇F =

(∂F

∂x1,∂F

∂x2,∂F

∂x3

)

; Gradient

skalares Feld F −→ Vektorfeld ~∇FBsp.:

F = α~x2

~∇F = 2α~x

F = konst. =⇒ α~x2 = konst. =⇒ Kugelflache mit Radius√

konst./α

~∇ F steht senkrecht auf der Kugelflache .

• Taylorentwicklung 1. Ordnung:

F (~x0 +−→δx) = F (x01 + δx1, x02 + δx2, x03 + δx3)

≃ F (~x0) +3∑

i=1

∂F

∂xi

(~x0) δxi

= F (~x0) + ~∇F (~x0) ·−→δx

~∇F zeigt die Richtung an, in welcher F am schnellsten zunimmt.

• ~∇F steht senkrecht zu den Flachen mit F =konst. [genauer: ~∇F stehtsenkrecht auf den Tangentialebenen an F =konst.]

• Kettenregel: Vergleiche Kapitel 7.1.3.

d

dtF [~x(t)] =

3∑

i=1

∂F

∂xi

dxi

dt= ~∇F · ~x

61

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• Wichtige Eigenschaft des Gradienten: Der Vektor ~∇F ist unabhangigvon der Wahl der Drehlage des Koordinatensystems.

Begrundung: ~∇F ist durch die Flachen F =konst. auch ohne Einfuhrung

eines Koordinatensystems festgelegt: ~∇F ⊥ F =konst.

~

rF

F = konst:

7.3 Kugelsymmetrische Felder

Ein skalares Feld der Form F = F (x), x = |~x|, heisst kugelsymmetrisch.

Ein Vektorfeld der Form ~v(~x) = G(x) ~xx, x = |~x|, heisst kugelsymmetrisch.

Satz: Der Gradient eines kugelsymmetrischen Feldes ist kugelsymmetrisch.

F = F (x) , x = |~x| =√

x21 + x2

2 + x23

∂x1

F [x(~x)] =dF

dx

∂x

∂x1

=dF

dx

x1√

x21 + x2

2 + x23

=dF

dx

x1

x

~∇F (x) =dF

dx

~x

x

Beispiel: Zwischen dem elektrischen Feld

~E(~x) =Q

4πε0 x2

~x

x

und seinem Potenzial

φ(~x) =Q

4πǫ0 x

gilt die Beziehung ~E(~x) = −~∇φ(~x) (“ ~E ist ein Potenzialfeld”).

62

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8 Skalare Felder, Vektorfelder

Ein skalares Feld φ(~x) liegt dann vor, wenn jedem Punkt ~x eines Gebietes Gdes Ortsraums eine Grosse φ zugeordnet ist.

Haufig spricht man nur dann von einem skalaren Feld, wenn die Grosse φnicht von der Wahl des Koordinatensystems abhangt. Beispiel: Druck p(~x).Gegenbeispiel: eine bestimmte Komponente des elektrischen Feldes.

Vektorfeld ~ω(~x): In jedem Punkt ~x eines Gebietes G des Ortsraums ist einVektor ~ω definiert.

2-dim:~ω(~x) = (ω1(x1, x2), ω2(x1, x2))

3-dim:

~ω(~x) = (ω1(x1, x2, x3), ω2(x1, x2, x3), ω3(x1, x2, x3))

= (ω1(~x), ω2(~x), ω3(~x))

Wir nehmen im folgenden an, dass die alle partiellen Ableitungen der Kom-ponentenfunktionen wk(~x) existieren.

x

2

x

3

~

E

~

E

Q

~x

x

1

Beispiele

1.) Elektrisches Feld ~E(~x) einer Punktla-dung Q, welche sich bei ~x = 0 befindet:

~E(~x) =Q

4 π ε0

1

x2

~x

x; x = |~x| .

~E(~x) ist ein kugelsymmetrisches Feld, welchesbei ~x = 0 singular ist.

2.) Sei T (~x) ein skalares Feld. Dann ist ~∇T ein Vektorfeld.

3.) Magnetfeld ~B(~x) eines Stromes in der 3. Achse. Stromstarke I.

x

3

~

B

I

~x

~

B

~

B

x

2

x

1

ρ.=

x21 + x2

2

| ~B| ∼ 1

ρB3 = 0

63

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~B(~x) = ~B(x1, x2, x3) =µ0 I

2πρ×

(

−x2

ρ,x1

ρ, 0

)

︸ ︷︷ ︸

Einheitsvektor ⊥ (x1, x2, 0)

Zylindersymmetrisch, singular auf 3. Achse.

4.) Kraftfeld ~F (~x): Kraft auf Massenpunkt, alsFunktion seines Ortes ~x.

Bsp.: ~F (~x) = −D~x [ideale Feder.]

~x

~v(~x)

5.) Momentanes Geschwindigkeitsfeld ~v(~x)einer Gas- oder Flussigkeitsstromung.

stationar: ~v = ~v(~x)

allgemein: ~v = ~vt(~x), d.h. zeitabhangig.

Definition: Eine Kurve, deren Tangente in je-dem Punkt mit der dortigen Feldrichtung ubereinstimmt, heisst Feldlinie.

Bei Gradientfeldern, ~ω(~x) = −~∇φ(~x), sind die Feldlinien die Kurven senk-recht zu den Flachen mit φ = konst..

Bsp.: Wetterkarte mit Isobarenlinien (Linien mit konstantem Druck):

~v(~x) = −~∇p(~x)

Windrichtung ⊥ zu Isobaren, Feldlinien entlang der Windrichtung.

Kommende Themen zu Vektorfeldern:

• Integration: Linienintegrale, Flachenintegrale, seltener auch Volumen-integrale.

• Differentiation: ∂i ωk(~x), Divergenz (div), Rotation (rot).

64

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9 Linienintegrale

9.1 Einfuhrung am Beispiel

Gegeben sei ein Kraftfeld ~F (~x) (allgemein: Vektorfeld ~ω(~x)) und eine KurveC von ~xa nach ~xb.

~x

a

~

F (~x)

~x

~x

b

Welche Arbeit leistet die Kraft ~F (~x) aneinem Punkt, welcher langs der Kurve Cvon ~xa nach ~xb verschoben wird?

Kurve in kleine Intervalle unterteilen:

~

F (~x

n

)

~

F (~x

n+1

)

�~x

n

n� 1

n

~x

n+1

n + 1

~x

n

An ≃ ∆~xn · ~F (~xn)

A~xa,~xb= lim

|∆~x|→0︸ ︷︷ ︸

alle |∆~xn| → 0

n

∆~xn · ~F (~xn)

=C

∫ ~xb

~xa

d~x · ~F (~x)

︸ ︷︷ ︸

Linienintegral

.= A(~xa, ~xb)

Im allgemeinen hangt A(~xa, ~xb) ab von: ~F (~x), ~xa, ~xb und der Kurve C.

Zum Vorzeichen:

A > 0 : ~F vorwiegend in Richtung von ∆~x

A < 0 : ~F vorwiegend entgegengesetzt zu ∆~x

C

~x

b

= ~x

a

speziell: Geschlossene Kurve C als Integrationsweg

d~x · ~F (~x)

65

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9.2 Berechnung im einfachsten Spezialfall

~F (~x) = ~F = konst., d.h., homogenes Feld.

C

~x

a

~

F (~x)

~x

b

�~x

n

∆An = ~F ·∆~xn

A =∑

n

~F ·∆~xn

= ~F ·∑

n

∆~xn

= ~F · (~xb − ~xa) .

Unabhangig vom Verlauf des Weges C zwischen den festen Punkten ~xa und~xb.

Ubung: Worauf kommt es an, ob das Vorzeichen von A in diesem Fall positivoder negativ ist?

9.3 Berechnung im allgemeinen Fall

~F = ~F (~x) gegeben, beliebig.

C : gegeben durch ~x = ~x(u). Man sagt, u parametrisiere die Kurve C. An-fangspunkt: ~xa = ~x(ua); Endpunkt: ~xb = ~x(ub); ~xn = ~x(un).

u

n

~x

a

~x

b

�u

n

~

F (~x)

�~x

n

~x

n

u

b

u

a

∆~xn = ~x(un +∆un)− ~x(un)

∆un = ∆u : alle gleich

A = lim∆u→0

n

∆~xn · ~F [~x(un)] = lim∆u→0

n

∆u∆~xn

∆u· ~F [~x(un)]

︸ ︷︷ ︸

f(un,∆u)

66

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Betrachte f(un,∆u) im Limes ∆u→ 0:

f(un,∆u)∆u→0

————-→ d~x

du

∣∣∣∣u = un

· ~F [~x(un)] =

d~x(u)

du· ~F [~x(u)]

︸ ︷︷ ︸

φ(u)

u=un

wobei φ(u) eine skalare Funktion ist. Zusammengefasst:

A = lim∆u→0

n

∆u φ(un) : Riemann-Summe!

A =

∫ ub

ua

du φ(u) =

∫ ub

ua

dud~x(u)

du· ~F [~x(u)] .

Das Linienintegral ist somit zuruckgefuhrt auf ein bestimmtes Integral ubereinen Parameter u (“Kurvenparameter”).

Beispiel: ~F (~x) = (0,−x1, 0).

x

1

x

2

C

u

~x

a

~x

b

~x

C : Viertelkreis

x21 + x2

2 = 1

x3 = 0 .

Parameterdarstellung von C:

~x(u) = (cosu, sinu, 0)

d~x

du= (− sin u, cosu, 0)

~F [~x(u)] = (0,− cosu, 0)

φ(u) =d~x

du· ~F [~x(u)] = (− sin u, cosu, 0) · (0,− cosu, 0) = − cos2 u

∫ ~xb

~xa

d~x · ~F (~x) =

∫ π/2

0

du (− cos2 u) = −π4.

67

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9.4 Eigenschaften von Linienintegralen

(a) C13 = C12 + C23

2

C

23

C

12

1

3

C13

∫ 3

1

d~x · ~ω(~x) = C12

∫ 2

1

d~x · ~ω(~x) + C23

∫ 3

2

d~x · ~ω(~x)

(b)C′

∫ 1

2

d~x · ~ω(~x) = − C

∫ 2

1

d~x · ~ω(~x)

1

2

C

C

0

(c) Sei ~ω(~x), ~xa, ~xb gegeben. Das Linienintegral von ~xa nach ~xb hangt i.a.von der Wahl des Weges C ab.

Beispiel:~x

b

~x

a

2

1

Weg 1 : ~xa → 1→ ~xb

Weg 2 : ~xa → 2→ ~xb

(d) Andererseits sind Linienintegrale in Gradientfeldern ~ω(~x) = −~∇φ(~x)unabhangig von der Wahl des Weges C von ~xa nach ~xb. Dies folgt ausdem Satz, den wir in Abschnitt 9.6 beweisen werden:

∫ ~xb

~xa

d~x · ~∇φ(~x) = φ(~xb)− φ(~xa) .

68

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9.5 Beispiele fur das Auftreten von Linienintegralen inder Physik

9.5.1 Mechanik: Arbeit

Ein Massenpunkt wird langs C von ~xa nach ~xb gefuhrt. Die Arbeit A, welcheein Kraftfeld ~F (~x) am Massenpunkt verrichtet, ist gegeben durch

A =

∫ ~xb

~xa

d~x · ~F (~x) Definition der Arbeit.

Beispiel 1: Ein Kran zieht eine Last m = 100 kg auf eine Hohe H = 10 m. DieArbeit AK , welche der Kranmotor leistet, betragt AK = mgH = +9810 J.

Beispiel 2: Gleiche Bewegung wie in Beispiel 1. Welche Arbeit AG leistet dieGravitation an der Last? AG = −9810 J.

9.5.2 Mechanik: kinetische Energie

Ein Massenpunkt bewegt sich unter dem Einfluss der Kraft ~Ftot(~x) gemassder Newtonschen Bewegungsgleichung

m~x(t) = ~Ftot[~x(t)] .

C

~x

b

~x

a

d~x

~

F

tot

Betrachte die Zeitableitung der kinetischen Energie T = m2~x2:

d

dtT =

d

dt

[m

2~x2]

= m~x · ~x = ~x · ~Ftot

∣∣∣∣

Gleichung

∫ tb

ta

dt...

Tb − Ta =

∫ tb

ta

dtdT

dt=

∫ tb

ta

dt ~x · ~Ftot[~x(t)]

=

∫ ~xb

~xa

d~x · ~Ftot .

Die Arbeit, welche die resultierende Kraft ~Ftot leistet, geht uber in kinetischeEnergie.

69

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9.5.3 Magnetostatik: Gesetz von Ampere

Draht, darin Strom der Starke I → Magnetfeld ~B(~x).

C

d~x

Σ : Flache (mit Rand C), welche vom Drahtdurchstossen wird.

Ampere’sches Gesetz:

C

d~x · ~B(~x) = µ0 I .

(allg.: I totaler Strom durch Σ).

9.6 Linienintegrale in Gradient-feldern

Situation: Es sei ~ω(~x) ein Gradientfeld, d.h.,

~ω(~x) = −~∇φ(~x) , φ(~x) gegeben.

Beispiel:

φ(~x) = −GM m

x; x = |~x|

~F (~x) = −~∇φ(~x) = −GM m

x2

~x

x.

~F (~x) : Kraftfeld, erzeugt durch die Masse M in ~x = 0, Kraftwirkung auf m.

C

1

~x

a

C

2

~x

b

Satz I:C

∫ ~xb

~xa

d~x · ~∇φ = φ(~xb)− φ(~xa)

unabhangig von der Wahl von C zwischen den gege-benen Punkten ~xa und ~xb.

C1

∫ ~xb

~xa

d~x · ~∇φ =C2

∫ ~xb

~xa

d~x · ~∇φ .

Falls also zu einem Vektorfeld ~ω(~x) ein Potenzial φ(~x) existiert, so dass ~ω =

−~∇φ, dann lasst sich das Linienintegral durch das Potenzial ausdrucken.

70

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Beweis von Satz I: Weg C parametrisieren: ~x = ~x(u)

d

duφ[~x(u)]

K.R.=

∂φ

∂x1

dx1

du+

∂φ

∂x2

dx2

du+

∂φ

∂x3

dx3

du

= ~∇φ · d~xdu

∫ ~xb

~xa

d~x · ~∇φ =

∫ ub

ua

dud~x

du· ~∇φ[~x(u)] =

∫ ub

ua

dudφ

du

= φ[~x(ub)]− φ[~x(ua)] = φ[~xb]− φ[~xa] .�

Anwendungen in der Mechanik:

1. Das Kraftfeld ~F (~x) sei ein Gradientfeld:

~F (~x) = −~∇V (~x) .

Die Arbeit langs eines Weges C lasst sich dann in der Potenzialdifferenzausdrucken:

∫ ~xb

~xa

d~x · ~F [~x] = − [V (~xb)− V (~xa)] : wegunabhangig

Das Minuszeichen vor der eckigen Klammer auf der rechten Seite isteine Folge des Minuszeichens in der Relation ~F = −~∇V .

Vorzeichen: Kraftfeld leistet positive Arbeit bei Verschiebung in Rich-tung des abnehmenden Potenzials.

V (x)

F

2. Bewegung unter dem Einfluss eines Gradientfeldes:

m~x = ~Ftot(~x) = −~∇V (~x)

71

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Betrachte Bahnkurve in diesem Kraftfeld:

~x

a

Bahnkurve C

~x

b

~

F

tot

(~x)

m~x = ~Ftot langs C.

∫ ~xb

~xa

d~x · ~FtotS.71= − [V (~xb)− V (~xa)]

S.69= Tb − Ta

=⇒ Tb + Vb = Ta + Va : Energieerhaltung.

Satz II: ∮

d~x · ~∇φ(~x) = 0

folgt unmittelbar aus Satz I.

9.7 Umkehrung

Voraussetzung: Sei ~ω(~x) in einem Gebiet G definiert; seien die Integrale

∫ ~xb

~xa

d~x · ~ω(~x)

~x

a

C

2

G

C

1

~x

b

zwischen jedem Punktepaar ~xa und ~xb in G un-abhangig vom Integrationsweg C, und zwar furbeliebige Wege C, die ganz in G verlaufen:

C1

∫ ~xb

~xa

d~x · ~ω =C2

∫ ~xb

~xa

d~x · ~ω ; ∀(~xa, ~xb) ; ∀C .

Satz III: In diesem Fall ∃φ(~x), so dass

~ω(~x) = −~∇φ(~x) , ~x ∈ G .

φ(~x) heisst “skalares Potenzial” zu ~ω(~x).

72

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Beweis:

~a

~x

C

~x0

Bilde die Funktion (~a sei festgehalten)

φ(~x).= −

∫ ~x

~a

d~x′ · ~ω(~x′) .

φ(~x) hangt nach Voraussetzung nicht vom Ver-lauf des Weges C ab. [Abhangigkeit von ~a istunterdruckt in der Notation.]

Wir beweisen nun, dass φ(~x) die Beziehung

−~∇φ(~x) = ~ω(~x)

erfullt. Dazu berechnen wir ∂∂x1

φ(~x).

~a

~x +�~x

1

~x

2

�~x = (�x

1

; 0; 0)

∂φ(~x)

∂x1= lim

∆x1→0

φ(~x+∆~x)− φ(~x)

∆x1= lim

∆x1→0− 1

∆x1

∫ ~x+∆~x

~x

d~x′ · ~ω(~x′)

~x′ = (u, x2, x3) ; x1 ≤ u ≤ x1 +∆x1 ; d~x′ = dud~x′

du= du · (1, 0, 0)

∂φ(~x)

∂x1= − lim

∆x1→0

1

∆x1

∫ x1+∆x1

x1

duw1(u, x2, x3) .

Ableitung eines gewohnlichen Integrals nach seiner oberen Grenze:

d

dx

∫ x

a

dt f(t) = lim∆x→0

1

∆x

{∫ x+∆x

a

dt f(t)−∫ x

a

dt f(t)

}

= lim∆x→0

1

∆x

∫ x+∆x

x

dt f(t) = f(x) .

Deshalb:∂φ(~x)

∂x1

= −ω1(x1, x2, x3) = −ω1(~x)

und analog fur die anderen Komponenten. �

73

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Satz IV: Sei ~ω(~x) in einem Gebiet G definiert; falls alle geschlossenen Linien-integrale verschwinden ∮

d~x · ~ω(~x) = 0

(fur alle geschlossenen Wege, die ganz in G verlaufen), so gilt ebenfalls

• ∃φ(~x) mit ~ω(~x) = −~∇φ(~x)

• Linienintegrale wegunabhangig

Beweis von Satz IV: Einfache Zuruckfuhrung auf Satz III.

Ausblick:

Wie sieht man einem Vektorfeld ~ω(~x) an, ob alle Linienintegrale wegun-

abhangig sind, d.h., ob ein Potenzial φ(~x) existiert, so dass ~ω = −~∇φ? Wirwerden sehen:

~ω = −~∇φ⇔ (∂2ω3 − ∂3ω2, ∂3ω1 − ∂1ω3, ∂1ω2 − ∂2ω1) = 0 uberall in G

[G muss gewisse Bedingungen erfullen, die wir spater spezifizieren werden].

~ω = −~∇φ⇔ ~∇× ~ω = 0 .

9.8 Weitere Integrale langs einer Kurve C

Analog zum obigen Linienintegral sind folgende Integrale definiert:

~A =C

∫ ~b

~a

d~xφ(~x) =

∫ ub

ua

dud~x

duφ[~x(u)]

~B =C

∫ ~b

~a

d~x× ~ω(~x) =

∫ ub

ua

dud~x

du× ~ω[~x(u)]

D =C

∫ ~b

~a

|d~x| φ(~x) =∫ ub

ua

du

∣∣∣∣

d~x

du

∣∣∣∣φ[~x(u)] .

Dabei ist eine Parameterdarstellung des Integrationsweges C vorausgesetzt:

C : ~x = ~x(u) ; ua ≤ u ≤ ub

~x(ua) = ~a ; ~x(ub) = ~b .

74

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~A, ~B sind komponentenweise zu verstehen:

A1 =

∫ ub

ua

dudx1

duφ[~x(u)] analog A2 und A3

B1 =

∫ ub

ua

du

{dx2

duω3[~x(u)]−

dx3

duω2[~x(u)]

}

analog B2 und B3

Das wichtigste Linienintegral ist aber jenes vom Typ

C

∫ ~b

~a

d~x · ~ω(~x) .

10 Doppelintegrale

10.1 Rechteckiges Integrationsgebiet

Gegeben sei eine Funktion von 2 Variablen, φ(x, y), ferner der Rechtecksbe-reich x′ < x < x′′, y′ < y < y′′. Wir denken uns das Rechteck in schmaleStreifen geteilt:

������������

������������

x

1

x

i+1

x

2

x

0

x

i

x

00

�x

i

y

k+1

y

k

y

2

y

1

y

0

y

00

�y

k

Die Flache F des Rechtecks lasst sich (unabhangig von der Einteilung) alsSumme uber die Elemente ∆σik schreiben:

∆σik = ∆xi ·∆yk

F =∑

i,k

∆σik =∑

i

k

∆xi ·∆yk = (x′′ − x′) (y′′ − y′) .

Wir gewichten nun jedes Flachenelement ∆σik mit dem lokalen Wert derFunktion φ und bilden

I = lim∆σ→0

i,k

∆σik φ(xi, yk) .

75

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∆σ → 0 bedeutet, dass die Einteilung beliebig fein gemacht werden soll(∆xi → 0, ∆yk → 0). Das Resultat dieses Prozesses heisst “Doppelintegralvon φ uber dem gegebenen rechteckigen Gebiet”.

Berechnung:

I = lim∆y→0

∆x→0

k,i

∆yk ∆xi φ(xi, yk)

= lim∆y→0

k

∆yk lim∆x→0

i

∆xi φ(xi, yk)

︸ ︷︷ ︸

Teilsumme langs horiz. Streifen

=

∫ x′′

x′

dx φ(x, yk) = J(yk)

Funktion von yk

= lim∆y→0

k

∆yk J(yk) =

∫ y′′

y′dy J(y)

=

∫ y′′

y′dy

∫ x′′

x′

dx φ(x, y) .

Kommentare

• Fur eine grosse Klasse von Funktionen φ spielt die Art der Einteilungkeine Rolle, wenn nur alle ∆yk und alle ∆xi gegen null streben.

• Fur eine grosse Klasse von Funktionen φ spielt es auch keine Rolle, obman zuerst uber horizontale oder zuerst uber vertikale Streifen sum-miert (resp. integriert):

∫ y′′

y′dy

∫ x′′

x′

dx φ(x, y)

︸ ︷︷ ︸

g(y)

=

∫ x′′

x′

dx

∫ y′′

y′dy φ(x, y)

︸ ︷︷ ︸

f(x)

.

• Beispiel

I =

∫ 1

−1

dy

∫ 1

−1

dx (x2 + y2)

=

∫ 1

−1

dy

[1

3x3 + xy2

]∣∣∣∣

x=+1

x=−1

=

∫ 1

−1

dy

[2

3+ 2 y2

]

=

[2

3y +

2

3y3]∣∣∣∣

y=+1

y=−1

=8

3

76

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• Wichtige Spezialfalle:

I =

∫ +∞

−∞dy

∫ +∞

−∞dx φ(x, y) .

10.2 Beliebige Integrationsgrenzen

Gegeben: Funktion φ(x, y).

������

������

G

y

x

y

0

y

00

y

x

00

(y)x

0

(y)

x

y

��

Gebiet G, durch x′(y)x′′(y)

}

Rand

y′ < y < y′′

Wiederum:

• G in beliebig kleine Elemente teilen: α =1, 2, 3, ...; ∆σα

• Bilde dann

I = lim∆σ→0

α

∆σα φ(xα, yα) .

(∆σ → 0 : “Durchmesser” jedes Elemen-tes → 0).

x

x

00

(y)

x

0

(y)

y

Durchfuhrung: Z.B. zuerst uber horizontale Streifensummieren

I =

∫ y′′

y′dy

∫ x′′(y)

x′(y)

dx φ(x, y)

︸ ︷︷ ︸

Funktion von y

Beispiel: G: Kreis, definiert durch x2+y2 ≤ 1; φ = 1:I ist somit der Flacheninhalt des Einheitskreises.

I =

∫ 1

−1

dy

∫√

1−y2

−√

1−y2dx · 1 = 2

∫ 1

−1

dy√

1− y2

y = cosϕ ,dy

dϕ= − sinϕ

I = 2

∫ 0

π

dϕ sinϕ (− sinϕ) = 2

∫ π

0

dϕ1− cos(2ϕ)

2= π .

77

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11 Flachenintegrale

Die hier besprochenen Flachenintegrale beziehen sich auf eine gegebene (i.a.gekrummte) Flache Σ im 3-dimensionalen Raum. Beispiele von Grossen, wel-che durch Flachenintegrale dargestellt sind:

- Flacheninhalt von Σ.

- Gegeben sei das momentane Geschwindigkeitsfeld ~v(~x) einer stromen-den Flussigkeit. Welches Flussigkeitsvolumen fliesst pro Zeit durch die(gedachte) Flache Σ?

11.1 Flachenvektoren

Einem ebenen Flachenstuck ist ein Flachenvektor ~Σ wie folgt zugeordnet:

~

- ~Σ ⊥ Flachenstuck

- |~Σ| = Flacheninhalt (in m2)

Parallelogramm

~

� = ~a�

~

b

~a

~

b

���������������

���������������

���

���

�~�

�~�

Ein genugend kleines Stuck einer gekrumm-ten Flache Σ lasst sich i.a. durch ein ebenesFlachenelement ∆~σ approximieren (∆~σ ⊥ Flache,|∆~σ| = Flacheninhalt). Das Vorzeichen von ~σ istnicht durch eine allgemeine Konvention festgelegt.Bei geschlossenen Flachen Σ wahlt man ∆~σ i.a. nachaussen zeigend.

78

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11.2 Definition von∫

Σ d~σ · ~ω(~x)

Gegeben sei eine Flache Σ und ein Vektorfeld ~ω(~x). In dieser Situation ist

�~�

k

k

~w(~x

k

)

~x

k

ein Flachenintegral wie folgt definiert:

(a) Flache in kleine Elemente ∆~σk auf-teilen (k = 1, 2, 3, ....). Alle ∆~σk sol-len auf die gleiche Seite zeigen (Pro-blem: Mobiusband).

(b) In jedem Teilstuck bilden wir dasSkalarprodukt mit dem lokalenWertdes gegebenen Vektorfeldes ~ω(~x):

∆Ik = ∆~σk · ~ω(~xk) .

(c) Bilde die Summe uber alle Elemen-te, dann den Grenzwert zu beliebigfeiner Einteilung:

I.= lim

∆~σ→0

k

∆~σk · ~ω(~xk)

I.=

Σ

d~σ · ~ω(~x) .

Kommentare:

1. I ist ein Skalar.

2. I ist unabhangig von der Wahl der Koordinaten.

3. Im Grenzprozess ∆~σ → 0 muss jede Ausdehnung der Flachenelementegegen Null gehen:

o.k.

ni ht erlaubt

4. ∆~σk und ~ω(~xk) sind hier nicht absolut prazise definiert. Dies wird aberdurch den Grenzprozess irrelevant. Siehe spater.

5. Bei geschlossenen Flachen Σ schreibt man∮

d~σ · ~ω(~x) ; (d~σ nach aussen.)

79

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~

~!

Beispiel 1: Σ eben, ~ω(~x) = ~ω = konst.

I =

Σ

d~σ · ~ω

= ~Σ · ~ω .

Beispiel 2: Σ = Kugeloberflache.

~ω(~x) = ~ω = konst.∮

d~σ · ~ω = 0 .

Linienintegral: Zuruckgefuhrt auf gewohnliches, 1-dim. Integral.

Flachenintegral: Zuruckfuhren auf gewohnliches, 2-dim. Integral.

11.3 Beschreibung von Flachen

11.3.1 Kurven im Raum

Kreis in (x, y) Ebene:x2 + y2 = R2 .

Ellipse in (x, y) Ebene:x2

a2+

y2

b2= 1 .

Allgemein:

Ax2 + 2B xy + C y2 + 2Dx+ 2E y + F = 0 .

→ Allgemeine Kegelschnitte: Kreis, Ellipse, Parabel, Hyperbel.

Zur Berechnung von Linienintegralen muss man die Kurve in eine Parameterdarstellungbringen:

~x(u) = (x1(u), x2(u), x3(u)) .

u

a

u

b

u

x

3

x

1

x

2

~x(u)

C

80

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Obiger Kreis: ~x(u) = (R cosu,R sin u, 0) ; 0 ≤ u ≤ 2π .

11.3.2 Flachen. Beispiele

Kugeloberflache : x2 + y2 + z2 = R2

Ellipsoid :x2

a2+

y2

b2+

z2

c2= 1

Ebene : a x+ b y + c z = konst.

Velopneu, Oberflache?

x

1

x

2

x

3

Wie bei den Linienintegralen muss man die Flache in Form einer Parameter-darstellung vorliegen haben, um Flachenintegrale auf gewohnliche Integrale(Doppelintegrale) zuruckfuhren zu konnen.

x

1

x

3

x

2

~x

u

v

Kugeloberflache: Wir lassen den Ortvektor ~x auf derKugeloberflache wandern.

~x = (x1, x2, x3) ; 3 Parameter x1, x2, x3

1 Einschrankung:

x21 + x2

2 + x23 = R2

Also 3− 1 = 2 Parameter notig fur die Beschreibung der Kugeloberflache.

Behauptung:

~x = (R sin u cos v, R sin u sin v, R cosu) .

Wenn wir u und v variieren, dann wandert ~x auf der Kugeloberflache.

81

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Beweis: x21 + x2

2 + x23 = .... = R2, o.k.

0 ≤ u ≤ π , 0 ≤ v < 2π → ~x uberstreicht ganze Kugeloberflache.

Wir schreiben dies als

~x(u, v) ≡ (x1(u, v), x2(u, v), x3(u, v)) .

11.3.3 Flachen allgemein

Es sei ein Koordinatensystem mit Ursprung 0 vorgegeben. Flache im 3-dim.Raum wird beschrieben durch die Menge aller Punkte, deren Ortsvektorengegeben sind durch

~x(u, v) = (x1(u, v), x2(u, v), x3(u, v)) ,

wobei die Parameter u, v ein Gebiet im R2 uberstreichen (siehe Figur).

u

=

u

0

u

=

u

1

u

=

u

2

v

u

G

v = v

0

v = v

1

82

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Koordinatenlinie

v = v

1

v = v

2

v = v

0

z

x

P (u

0

; v

0

)

~x

v

(u

0

; v

0

)

~x

u

(u

0

; v

0

)

u = u

0

u = u

1

y

~x(u

0

; v

0

)

~x

u

� ~x

v

Koordinatenlinien:

~x(u0, v), wobei u0 festgehalten wird und v variabel ist, beschreibt eine Kurveauf der Flache. Analog beschreibt ~x(u, v0) eine Kurve auf der Flache. DieseKurven heissen Koordinatenlinien.

Tangentialvektoren an Koordinatenlinien:

∂~x

∂u(u, v) : Tangente an ~x(u, v); v fest

∂~x

∂v(u, v) : Tangente an ~x(u, v); u fest

~xu ≡∂~x

∂u, ~xv ≡

∂~x

∂vheissen Tangentialvektoren. I.a. gilt: ~xu · ~xv 6= 0

Betrachte ~n(u, v) = ~xu × ~xv

~n · ~xu = ~n · ~xv = 0 . ~n ist ⊥ zur Flache (nach Def.)

11.3.4 Flachenelement

∆~xu = ~x(u+∆u, v)− ~x(u, v) ≃ ∆u∂~x

∂u= ∆u~xu

∆~xv = ~x(u, v +∆v)− ~x(u, v) ≃ ∆v∂~x

∂v= ∆v ~xv

83

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wobei ≃ bedeutet, dass wir eine Taylornaherung 1. Ordnung gemacht haben.

�~x

u

�~x

v

��

~x(u; v)

P (u +�u; v)

P (u; v +�v)

�~�

Das Flachenelement ∆Σ ist dann

∆Σ ≃ ∆u∆v |~xu × ~xv| .Die Approximation wird umso besser, je kleiner ∆u, ∆v sind.

Fur den Vektor

∆~σ.= ∆u∆v (~xu × ~xv) = ∆u∆v

(∂~x

∂u× ∂~x

∂v

)

gilt

i) ⊥ auf Flache ∆Σ,

ii) |∆~σ| ≃ ∆Σ,

iii) im Limes ∆u∆v → 0: ∆~σ → d~σ = du dv(∂~x∂u× ∂~x

∂v

).

11.4 Berechnung von Flachenintegralen mittels Para-meterdarstellung

I =

Σ

d~σ · ~ω(~x) .= lim

∆u,∆v→0

∆u∆v

[∂~x

∂u× ∂~x

∂v

]

· ~ω[~x(u, v)]︸ ︷︷ ︸

K(u,v)

= lim∆u,∆v→0

∆u∆v K(u, v) =

G

du dvK(u, v) .

84

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Gewohnliches Doppelintegral uber dem Gebiet G des Parameterraumes (u, v)[G↔ Σ]. Siehe Diskussion der Doppelintegrale in Kap.10.

Flachenintegral ↔ Doppelintegral

Linienintegral ↔ Einfaches Integral .

Beispiel: Σ: Halbkugel, Radius R, Zentrum (0, 0, 0), x3 ≥ 0, d~σ nach aussengerichtet.

~ω(~x).= (0, 0, x3) ; geg. Vektorfeld.

~!(~x)

R

2

3

d~�

~x

u

(a) Wir wahlen die auf S. 81 angegebene Parametrisierung der Kugel-oberflache:

~x(u, v) = R(sin u cos v, sinu sin v, cosu)

∂~x

∂u= R(cosu cos v, cosu sin v,− sin u)

∂~x

∂v= R(− sin u sin v, sin u cos v, 0)

(b)

∂~x

∂u× ∂~x

∂v= R2(sin2 u cos v, sin2 u sin v, sin u cosu) (= R sin u~x(u, v))

(zeigt nach aussen).

(c)~ω[~x(u, v)] = (0, 0, R cosu) = ~ω[u, v] .

(d)

I =

∫ π/2

0

du

∫ 2π

0

dvR3 sin u cos2 u =2π

3R3 .

85

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Anmerkungen

1. Die Integrationsflache (Halbkugel) entspricht dem Parameterbereich

0 ≤ u ≤ π

2, 0 ≤ v < 2π .

2. Die gewahlte Reihenfolge der Faktoren in ~xu × ~xv ergibt einen nachaussen zeigenden Vektor.

3.|d~σ| = du dvR2 sin u .

11.5 Beispiele von Flachenintegralen in der Physik

Beispiel 1:

~v(~x) : momentanes Geschwindigkeitsfeld eines GasesΣ : Flachenstuck (virtuell)

Welches Gasvolumen tritt pro Zeit durch Σ hindurch?Betrachte das Element d~σ, und das in der Zeit ∆t durchtretende Gas :

~

` = ~v�t

~x

~v(~x)

d~�

∆V(dσ) = ∆ℓ |d~σ| cosα = ∆~ℓ · d~σ = ∆t ~v · d~σDurch Σ tritt in der Zeit ∆t das Volumen

∆VΣ = ∆t

Σ

d~σ · ~v(~x)

dVΣ

dt=

Σ

d~σ · ~v(~x) .

86

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Pro Zeit durchfliessende Masse (ρ=Dichte)

dMΣ

dt=

Σ

d~σ · ~v(~x) ρ(~x) .

Beispiel 2: skalare Maxwellgleichungen.

Σ : geschlossene Flache (d~σ nach aussen)

~E(~x) : elektrisches Feld, erzeugt durch irgendeine Ladungsverteilung

QΣ : Durch Σ eingeschlossene elektrische Ladung

~B(~x) : Magnetfeld

d~σ · ~E(~x) =1

ǫ0QΣ

d~σ · ~B(~x) = 0 .

Dies sind physikalische Gesetze des elektromagnetischen Feldes, zu derenBegrundung hier nichts gesagt ist.

Zur Illustration der ersten Gleichung betrachte man z.B. die folgende Situa-tion:

Ladung Q in ~x = 0; Σ: Kugeloberflache mit Zentrum ~x = 0.

~E(~x) =Q

4πǫ0

1

x2

~x

x.

11.6 Weitere Flachenintegrale

Das bisher besprochene Integral

I =

Σ

d~σ · ~ω(~x) =∫∫

G

dudv

[∂~x

∂u× ∂~x

∂v

]

· ~ω[~x(u, v)]

ist zwar das haufigst auftretende, aber nicht das einzig denkbare Flachenin-tegral.

Zu einem vorgegebenen Vektorfeld ~ω(~x) oder einem skalaren Feld φ(~x) lassen

87

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sich mit evidenter Definition folgende Integrale bilden:

(a)

Σ

d~σ × ~ω(~x) =

∫∫

G

dudv

[∂~x

∂u× ∂~x

∂v

]

× ~ω[~x(u, v)]

(b)

Σ

|d~σ| ~ω(~x) =∫∫

G

dudv

∣∣∣∣

∂~x

∂u× ∂~x

∂v

∣∣∣∣~ω[~x(u, v)]

(c)

Σ

|d~σ| φ(~x) =∫∫

G

dudv

∣∣∣∣

∂~x

∂u× ∂~x

∂v

∣∣∣∣φ[~x(u, v)]

(d)

Σ

d~σ φ(~x) =

∫∫

G

dudv

[∂~x

∂u× ∂~x

∂v

]

φ[~x(u, v)] .

Beachte, dass einige dieser Integrale Skalare, andere aber Vektoren sind.

Bem.: Falls man in (c) φ = 1 setzt, erhalt man den Flacheninhalt von Σ.

11.7 Anwendung: Variablentransformation bei Doppelin-

tegralen

Bei Integration uber eine einzige Variable lasst sich oft eine geeignete neueVariable so einfuhren, dass das Integral gelost werden kann. Dies ist auch beiDoppelintegralen moglich.

∫ ∞

−∞dx

∫ ∞

−∞dy e−(x+y)2 1

1 + (x− y)2; Substitution: u = x+ y ; v = x− y .

1 Variable:

I =

f(x)dx ; z = g(x) , x = h(z)

=

dzdh

dzf [h(z)] = s(z) = s[g(x)]

Der Faktor dhdz

wird durch die Substitution erzeugt.

y

00

y

0

x

0

(y) x

00

(y)

x

y

Ein analoger Faktor tritt auf bei mehrfacher Integra-tion. Allgemein lautet die Aufgabe (vgl. S. 76)

I =

∫ y′′

y′dy

∫ x′′(y)

x′(y)

dx φ(x, y) .

88

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x

z

~

d�

y

Dieses Integral lasst sich als Flachenintegral schreiben:

I =

Σ

d~σ ·(0, 0, φ(x, y))︸ ︷︷ ︸

~ω(~x)

.

Mit einer Parametrisierung von Σ lassen sich neue Variablen u, v einfuhrenund diese zur Berechnung von I verwenden.

v

x

u

y

G

u = u(x; y)

v = v(x; y)

x = x(u; v)

y = y(u; v)

Beispiel:x = r cosϕ , y = r sinϕ (Polarkoordinaten).

Die Berechnung von I in dieser Parametrisierung lautet:

I = ±∫∫

G

dudv

[∂~x

∂u× ∂~x

∂v

]

· (0, 0, φ[x(u, v), y(u, v)])

= ±∫∫

G

dudv

(∂~x

∂u× ∂~x

∂v

)

3︸ ︷︷ ︸

φ[x(u, v), y(u, v)]

(∂~x

∂u× ∂~x

∂v

)

3

=∂x

∂u

∂y

∂v− ∂x

∂v

∂y

∂u≡ ∂(x, y)

∂(u, v)≡ D .

D =

∣∣∣∣

∂x∂u

∂y∂u

∂x∂v

∂y∂v

∣∣∣∣

heisst Funktionaldeterminante.

Somit kann I geschrieben werden als

I = ±∫

G

dudvD(u, v)φ[x(u, v), y(u, v)]

Mit detaillierten Integrationsgrenzen:

I = ±∫ v′′

v′dv

∫ u′′(v)

u′(v)

duDφ .

89

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Schliesslich ist das Vorzeichen wie folgt festgelegt (sei x′′ > x′, y′′ > y′,u′′ > u′, v′′ > v′):

I =

∫ y′′

y′

∫ x′′

x′

dy dx︸ ︷︷ ︸

>0

φ ; Vorzeichen von I durch Vorzeichen von φ bestimmt.

Daher lautet die Schlussformel:

I =

∫ v′′

v′dv

∫ u′′(v)

u′(v)

du |D(u, v)| φ[x(u, v), y(u, v)] .

Kommentare

1. Bei 1-dim. Integration steht in Analogie zu D der Faktor dxdu.

2. Leitgedanken bei der Wahl von u, v:

(a) Vereinfachung des Integranden

(b) die neuen Grenzen sollten auch einfach werden

3.∂(x, y)

∂(u, v)

∂(u, v)

∂(x, y)= 1 (x, y)→ (u, v)→ (x, y) .

4.∂(x, y)

∂(ξ, η)

∂(ξ, η)

∂(u, v)=

∂(x, y)

∂(u, v).

(x, y)→ (ξ, η)→ (u, v) .

Bsp. 1: Polarkoordinaten in der Ebene

r

x

'

y

x = r cosϕ , y = r sinϕ

D =∂(x, y)

∂(r, ϕ)= ... = r .

x

r

2

r

1

'

1

'

2

y

Beispiel:

I =

Σ

dx dy Q(x, y)

=

∫ r2

r1

dr

∫ ϕ2

ϕ1

dϕ rQ[x(r, ϕ), y(r, ϕ)]

=

∫ r2

r1

dr r

∫ ϕ2

ϕ1

dϕ Q(r, ϕ)

90

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x

v

v = 1

x = 1

u

y

v = �1

y = 1

Bsp. 2:

I =

∫∫

Σ

dxdy e−(x+y)2 =?

Neue Variablen u und v einfuhren:

u = x+ y , v = x− y

I =

∫ 1

−1

dv

∫ ∞

−∞du

∣∣∣∣

12

12

12−1

2

∣∣∣∣e−u2

I =1

2

∫ 1

−1

dv

∫ ∞

−∞du e−u2

=1

22√π =√π (Vorz. o.k.)

12 Volumenintegrale

Formen:

I =

G

dV φ(~x) (haufig)

~I =

G

dV ~ω(~x) (seltener)

12.1 Definition

G: Gebiet des 3-dim. Raumes, z.B. das Innere einer Kugel.

φ(~x) skalares Feld

~x = (x, y, z) kartesische Koordinaten

G in kleine Teile vom Volumen ∆Vk zerlegen (∆Vk ↔ Ort ~xk)

Definition

I = lim∆Vk→0

k

∆Vk φ(~xk) ≡∫

G

dV φ(~x)

Beispiel: Masse eines Korpers, welcher das Gebiet G ausfullt, und dessenDichte ρ(~x) eventuell vom Ort ~x abhangt:

MG =

G

dV ρ(~x) .

91

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12.2 Berechnung in kartesischen Koordinaten

Erlauterung am Beispiel: Dichteverteilung ρ(~x) gegeben. Bestimme Masse imGebiet G in der Figur.

x

y

z

y

k

�V = �x�y�z

G

x

i

x

2

+ y

2

= a

2

x

2

+ z

2

= a

2

Quader Q

z

`

�y

�x

�z

Infinitesimales Volumenelement: ∆V = ∆x∆y∆z

Masse in ∆V : ∆x∆y∆z ρ(xi, yk, zℓ)

Masse in Quader Q fur festes xi und yk:∑

∆V ρ(xi, yk, zℓ) .

Unterteilung feiner machen:

lim∆z→0

∆x∆y∆z ρ(xi, yk, zℓ) = ∆x∆y

∫√

a2−x2i

0

dz ρ(xi, yk, z)

︸ ︷︷ ︸

f(xi,yk)

= ∆x∆y f(xi, yk)

x

i

Masse in allen Quadern fur festes xi:

lim∆y→0

k

∆x∆y f(xi, yk) = ∆x

∫√

a2−x2i

0

dy f(xi, y) = ∆x g(xi) .

Masse in allen Scheiben:

lim∆x→0

i

∆x g(xi) =

∫ a

0

dx g(x) ≡MG .

92

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Insgesamt:

MG =

∫ a

0

dx

∫ √a2−x2

0

dy

∫ √a2−x2

0

dz ρ(x, y, z) .

Anmerkungen

1. Reihenfolge beliebig (mit geeigneter Beschreibung der Grenzen)

2. Gebrauchliche Schreibweisen:

I =

G

dV ρ(~x) ≡∫∫∫

G

dx dy dz ρ(~x)

=

G

d3x ρ(~x) ≡∫∫∫

G

d3xρ(~x)

=

∫ x2

x1

dx

∫ y2(x)

y1(x)

dy

∫ z2(x,y)

z1(x,y)

dz ρ(x, y, z)

3. Bei der Integration uber einen Quader (Kanten parallel zu den Koor-dinatenachsen) sind die Grenzen besonders einfach

z2(x, y)→ z2 konstant, etc.

4. Bei anderen Grenzen (z.B. Integration uber eine Kugel) empfiehlt sichdie Einfuhrung von angepassten neuen Variablen (siehe nachsten Ab-schnitt).

5.~I =

G

dV ~ω(~x) : Ik =

G

dV ωk(~x) ; k = 1, 2, 3.

12.3 Variablentransformation

Nicht-kartesische Koordinaten sind fur die Integration∫dV... oft besser ge-

eignet:

- Symmetrie des Integranden

- Symmetrie des Integrationsgebietes

Beispiele von krummlinigen Koordinaten:

93

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x

1

~x

P

0

x

2

P

x

3

'

r � sin�

r

r =

s

x

2

1

+ x

2

2

+ x

2

3

Kugelkoordinaten (r, θ, ϕ)

x1 = r sin θ cosϕ

x2 = r sin θ sinϕ

x3 = r cos θ

0 ≤ r <∞ ; 0 ≤ θ ≤ π ; 0 ≤ ϕ < 2π .

x

1

P

0

x

2

P

'

x

3

~x

z

r

r =

s

x

2

1

+ x

2

2

Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z)

x1 = r cosϕ

x2 = r sinϕ

x3 = z

0 ≤ r <∞ ; 0 ≤ ϕ < 2π ;−∞ < z <∞ .

Satz:

I =

G

d3xφ(~x) =

∫∫∫

G′

du dv dw

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

∂(x1, x2, x3)

∂(u, v, w)︸ ︷︷ ︸

D(u,v,w)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

φ[~x(u, v, w)]

mit der Funktionaldeterminante

D = det

∂x1

∂u∂x2

∂u∂x3

∂u∂x1

∂v∂x2

∂v∂x3

∂v∂x1

∂w∂x2

∂w∂x3

∂w

= D(u, v, w)

Beweis:

w

v

x

3

x

2

Quader

�w

�u

�v

�V

Koordinatenlinien

u

x

1

~x(u; v; w)

Parallelepiped

Das Parallelepiped ist durch die Vektoren

∂~x

∂u∆u ,

∂~x

∂v∆v ,

∂~x

∂w∆w

94

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aufgespannt (vergleiche analoge Uberlegungen in Abschnitt 11.3.4), 2-dim.Fall).

Volumen des Parallelepipeds:

∆V =

∣∣∣∣

(∂~x

∂u∆u× ∂~x

∂v∆v

)

· ∂~x∂w

∆w

∣∣∣∣

I = lim∆V→0

k

∆Vkφ(~xk)

= lim∆u,∆v,∆w→0

k

∣∣∣∣∣∣∣∣

(∂~x

∂u× ∂~x

∂v

)

· ∂~x∂w

︸ ︷︷ ︸

≡D

∣∣∣∣∣∣∣∣

∆u∆v∆w φ[~x(u, v, w)]

=

∫∫∫

G′

du dv dw |D(u, v, w)| φ[~x(u, v, w)] �

D ist also das Spatprodukt von ∂~x∂u, ∂~x

∂vund ∂~x

∂w.

12.3.1 Haufig verwendete Koordinatentransformationen

d = 2 Polarkoordinaten∫∫

dx dy...→∫

dr r

dϕ...

d = 3 Kugelkoordinaten

∫∫∫

dx dy dz...→∫

dr r2∫

dθ sin θ

dϕ...

d = 3 Zylinderkoordinaten

∫∫∫

dx dy dz...→∫

dr r

dz...

In diesen Beispielen sind die Koordinatenlinien zueinander orthogonal: “Or-thogonale krummlinige Koordinaten”.

95

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13 Die Divergenz

Motivation: Wie erkennt man, ob ein gegebenes Vektorfeld das momentaneGeschwindigkeitsfeld einer inkompressiblen Flussigkeit sein konnte?

nein

ja

Kriterium:

Σ

d~σ · ~v(~x) = 0 , ∀Σ .

Was ist der Grund fur diese Gleichung?

Lokales Kriterium? Wir werden unten finden, dass die sog. Divergenz

∂v1∂x1

+∂v2∂x2

+∂v3∂x3

≡ ~∇ · ~v

solcher Felder uberall verschwindet.

13.1 Definition

Sei ~ω(~x) ein Vektorfeld im Gebiet G. Die Ableitungen ∂iωk sollen uberall inG definiert sein.

Definition: ~∇ · ~ω(~x) ≡ div ~ω(~x) ≡ ∂ω1

∂x1

+∂ω2

∂x2

+∂ω3

∂x3

heisst Divergenz von ~ω(~x).

Vektorfeld ~ω(~x)→ skalares Feld ~∇ · ~ω(~x)

Beispiele

1.~ω(~x) = ~ω0 = konst =⇒ ~∇ · ~ω(~x) = 0

2.~ω(~x) = (sin x2, x

22, 0) =⇒ ~∇ · ~ω(~x) = 2 x2

96

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3.~ω(~x) = ~x = (x1, x2, x3) =⇒ ~∇ · ~ω(~x) = 3

4.

~ω(~x) =~x

|~x|3 =⇒ ~∇ · ~ω(~x) = 0 , ~x 6= 0

Siehe Ubungen. Dies ist das einzige divergenzfreie kugelsymmetrischeFeld.

5.~ω(~x) = ~a× ~x , ~a = konst =⇒ ~∇ · ~ω = 0

13.2 Der Satz von Gauss

G : Gebiet des 3-dimensionalen Raumes, mit einer geschlossenen OberflacheΣ(G).

~ω(~x) : Vektorfeld, ∂iωk existieren in G.

G

d~�

�(G)

Satz von Gauss:

Σ(G)

d~σ · ~ω(~x) =∫

G

d3x ~∇ · ~ω(~x) .

13.3 Beweis

13.3.1 G = Quader ‖ Koordinatenachsen

Siehe Zeichnung unten.

G

d3x~∇·~ω =

G

d3x ∂xω1(x, y, z)

︸ ︷︷ ︸

I1

+

G

d3x ∂yω2(x, y, z)

︸ ︷︷ ︸

I2

+

G

d3x ∂zω3(x, y, z)

︸ ︷︷ ︸

I3

97

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Betrachte I1. Zuerst uber x integrieren:

V

d3x ∂xω1(x, y, z) =

∫ z1

z0

dz

∫ y1

y0

dy

∫ x1

x0

dx ∂xω1(x, y, z)

=

∫ z1

z0

∫ y1

y0

dz dy[ω1(x1, y, z)− ω1(x0, y, z)

]

∫ z1

z0

∫ y1

y0

dz dy ω1(x1, y, z) =

ΣV

d~σ1 · ~ω(x, y, z)∫ z1

z0

∫ y1

y0

dz dy ω1(x0, y, z) =

ΣH

d~σ1 · ~ω(x, y, z)

I2, I3 analog.

=⇒∫

G

dx3~∇ · ~ω =

Σ(G)

d~σ · ~ω fur Quader.

z

y

x

x = x

1

z = z

1

x = x

0

y = y

1

y = y

0

z = z

0

z

y

x

d~�

1

= (1; 0; 0)�y�z

d~�

2

= (0; 1; 0)�x�z

d~�

3

= (0; 0; 1)�x�y

�d~�

1

(�

H

)

d~�

3

(�

O

)

d~�

2

(�

R

)

�d~�

3

(�

U

)

(�

L

)

�d~�

2

d~�

1

(�

V

)

98

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13.3.2 “Beliebiges” Volumen

V

1

V

2

G

Volumen approximieren durch Quader:

V1

d3x~∇ · ~ω +

V2

d3x~∇ · ~ω + ....

=

Σ1

d~σ · ~ω +

Σ2

d~σ · ~ω + ....

Beitrage der gemeinsamen Flachen fallen weg. =⇒ Nur Oberflache von Σ(G)zahlt. Im Limes, wo die Quadervolumen Vi → 0, erhalt man

G

d3x~∇ · ~ω =

Σ(G)

d~σ · ~ω �

Kommentar

1. Form: 3-fache Integration uber eine Ableitung→ eine Integration kannausgefuhrt werden. Vergleiche dazu:

∫ b

a

dxf ′(x) = f(b)− f(a) .

2. Der Satz gilt auch, wenn G Locher hat.

d~�

99

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3. Der Satz setzt voraus, dass ~∇ · ~ω im ganzen Gebiet G definiert ist.

Gegenbeispiel:

G

R

~ω(~x) =~x

|~x|3~∇ · ~ω = 0 , ~x 6= 0 Ubungen.

Mit d~σ = ~xR sin u du dv (S. 85) bekommt man

Σ

d~σ · ~ω = 4π 6=∫

G

d3x~∇ · ~ω = 0 Etwas ging schief.

Satz gilt nicht, weil fur ~x = 0 ∈ G die Divergenz ~∇ · ~ω nicht exisitiert.

Hingegen gilt der Satz uber dem Gebiet G: 0 < R1 ≤ |~x| ≤ R2.

13.4 Interpretation von ~∇ · ~ω

Betrachte die Divergenz von ~ω(~x) in einem Punkt ~x0. Satz von Gauss aufeine kleine Umgebung G von ~x0 anwenden .

0

G

~x

0

G

d3x~∇ · ~ω =

Σ(G)

d~σ · ~ω

1

VG

G

d3x~∇ · ~ω =1

VG

Σ(G)

d~σ · ~ω .

Gebiet G auf den Punkt ~x0 zusammenziehen:∫

Gd3x~∇ · ~ω ≃ VG

~∇ · ~ω(~x)∣∣∣~x=~x0

=⇒ ~∇ · ~ω∣∣∣~x=~x0

= limVG→0

1

VG

Σ(G)

d~σ · ~ω(~x) .

Witz der Sache: Die rechte Seite hangt nicht von der Drehlage der Koordi-natenachsen ab. Dasselbe gilt also fur ~∇ · ~ω.

100

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Divergenz: lokale skalare Eigenschaft des Vektorfeldes ~ω.

In anderen Worten: wahlt man ein anderes Koordinatensystem, so gilt

~ω =∑

k

ωk(x1, x2, x3)~ek =∑

k

ω′k(x

′1, x

′2, x

′3)~e

k

ω′k 6= wk , aber

k

∂ω′k(x

′1, x

′2, x

′3)

∂x′k

=∑

k

∂ωk(x1, x2, x3)

∂xk

.

13.5 Interpretation von ~∇ · ~ω als Quelldichte

~v(~x) : momentanes Geschwindigkeitsfeld eines Materials (z.B. Luftstromung).

ρ(~x) : momentane Dichte.

Beispiel: Luft wird erwarmt und dehnt sich aus.

~v · d~σ : durch das Flachenelement pro Zeit stromendes Volumen(S. 86)

~x

~v(~x)

d~�

ρ(~x)~v(~x) · d~σ : Durchstromende Masse pro Zeit

~j(~x).= ρ(~x)~v(~x) : Massenstromdichte [Einheit: kg m−2 s−1]

Σ

d~σ ·~j(~x) : netto pro Zeit aus Σ herausfliessende Masse

(positive und negative Beitrage moglich)

101

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Bsp. 1

~

j

~

d�

~

d�

~

j

Bsp. 2

~

j

~

d�

~

d�

~

j

In beiden Beispielen ist∮d~σ ·~j > 0.

Betrachte nun die pro Volumen von G netto aus G ausstromende Masse:

G

~x

0

1

V (G)

Σ(G)

d~σ ·~j(~x)

Fur G→ 0 (S. 100) gilt dann

limG→0

1

V (G)

Σ(G)

d~σ ·~j(~x) = ~∇ ·~j(~x)∣∣∣~x=~x0

.

Somit lasst sich ~∇ ·~j(~x) als die pro Zeit und pro Volumen aus der (infinite-simalen) Umgebung von ~x netto abfliessende Masse interpretieren.

Man bezeichnet ~∇ ·~j(~x) in diesem Zusammenhang als Quelldichte der Mas-senstromdichte ~j(~x).

Die Herkunft der netto ausstromenden Masse,∮

d~σ ·~j > 0 , oder ~∇ ·~j > 0 ,

kann verschiedener Art sein:

- Auf Kosten der abnehmenden Dichte ρ in G.

- Echte Produktion des betreffenden Materials, z. B. Schaffung von CO2

durch Verbrennung.

Beispiele (Feld ~j(~x)):

(1)

(1) ~j = konst

~∇ ·~j = 0 ,

d~σ ·~j = 0

102

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(2)

(2)∮

d~σ ·~j > 0

~∇ ·~j > 0

Beispiel : ~j = λ~x ; λ > 0 .

(3)

(3)∮

d~σ ·~j > 0 , ~∇ ·~j > 0

Beispiel : ~j = (λx1, 0, 0) ; λ > 0 .

(4) Wirbel zylindersymmetrisch

~j(~x) =(−x2, x1, 0)

ρF (ρ)

ρ =√

x21 + x2

2

~∇ ·~j = 0 ,

d~σ ·~j = 0 .

(5)

(5) ~j(~x) = (αx2, 0, 0)

~∇ ·~j = 0 ,

d~σ ·~j = 0 .

(6)~j(~x) = (∂2a3 − ∂3a2, ∂3a1 − ∂1a3, ∂1a2 − ∂2a1)

ergibt mit beliebigen Funktionen ak(~x) (k = 1, 2, 3), ein divergenzfreies Vek-

torfeld, d.h., ~∇ ·~j = 0.

13.6 Die Kontinuitatsgleichung

Stromendes Medium:

~v(~x, t) Geschwindigkeit, ev. zeitabhangig

ρ(~x, t) Dichte, ev. zeitabhangig~j(~x, t) = ρ(~x, t)~v(~x, t) Massenstromdichte

Wir setzen nun voraus, die Masse sei erhalten: das Wegstromen der Masseaus einem Gebiet G bedingt die Abnahme der sich in G befindlichen Masse.

Σ(G)

d~σ ·~j(~x, t) = − d

dt

G

d3x ρ(~x, t) (Σ fest)

1

V (G)

Σ

d~σ ·~j(~x, t) = − d

dt

1

V (G)

G

d3x ρ(~x, t)

103

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Limes G→ 0 durchfuhren:

~∇ ·~j(~x, t)∣∣∣~x=~x0

= − ∂

∂tρ(~x0, t) oder

~∇ ·~j(~x, t) + ∂ρ(~x, t)

∂t= 0 oder kurz

~∇ ·~j + ρ = 0 Kontinuitatsgleichung

Die Kontinuitatsgleichung ~∇ ·~j + ρ = 0 ist eine Folge der Massenerhaltung.

Kommentare zur Kontinuitatsgleichung

1. Die Masse eines Stoffes ist nicht immer erhalten (z.B. kann CO2 durchVerbrennung entstehen). Dann gilt die Kontinuitatsgleichung nicht.

2. Spezialfall: inkompressible Flussigkeit

ρ(~x, t) = ρ = konst

=⇒ ~∇ ·~j(~x, t) = 0 , ~∇ · ~v(~x, t) = 0 .

3. Spezialfall: stationare Stromung

~v(~x, t) , ρ(~x, t) , ~j(~x, t)→ ~v(~x) , ρ(~x) , ~j(~x)

=⇒ ~∇ ·~j = 0 (i.a. ~∇ · ~v 6= 0)

4. Die elektrische Ladung ist immer erhalten. Auch hier gilt eine Konti-nuitatsgleichung:

ρe(~x, t) Ladungsdichte (Ladung/Volumen)

~ve(~x, t) Geschwindigkeit der Elektronen~je(~x, t)

.= ρe(~x, t)~ve(~x, t) Stromdichte (Einheit: Am−2, Cb s−1 m−2 )

Mit der analogen Herleitung (siehe oben) erhalt man

~∇ ·~je(~x, t) +∂ρe(~x, t)

∂t= 0 .

Kontinuitatsgleichung der elektrischen Ladung.

13.7 Die skalaren Maxwellgleichungen

Die Divergenz von Vektorfeldern tritt in der Physik an zahlreichen Stellenauf, z.B. auch bei der Formulierung von Gesetzen zum elektromagnetischenFeld:

104

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a)

~∇ · ~B(~x, t) = 0 (→∮

d~σ · ~B = 0)

Magnetfelder sind divergenzfrei.

Magnetfelder wie in nebenstehender Figur gibt es nicht.

b)

ǫ0 ~∇ · ~E(~x, t) = ρe(~x, t) ǫ0 = 8.854 · 10−12A s V−1 m−1

G

Q

d~�

Mit dem Satz von Gauss folgt hieraus (siehe Ubungen)

ǫ0

Σ

d~σ · ~E = QΣ ,

wobei QΣ die im Gebiet G vorhandene Ladung QΣ =∫

Gd3xρe bezeichnet.

Beispiel: Coulombfeld einer Punktladung Q im Punkt ~x = 0. Die elektrischeFeldstarke

~E(~x) =Q

4πǫ0

~x

|~x|3erfullt die Gleichung

ǫ0

Σ

d~σ · ~E = QΣ .

“Ladungen sind Quellen von ~E” (Quelldichte ρe/ǫ0).

13.8 Divergenz kugelsymmetrischer Felder

Kugelsymmetrische Vektorfelder haben die Form

~ω(~x) = F (x)~x

x; x = |~x| .

D(x) = ~∇ · ~ω(~x) =?

Methode 1: x = (x21 + x2

2 + x23)

1/2 differenzieren.

105

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Methode 2:

G

x

x = R

Gauss:

G

d3xD(x) =

Σ

d~σ · ~ω(~x) (d~σ = (S. 85) = ~xR sin θ dθ dϕ)

∫ R

0

dx x2 4π D(x) = 4πR2F (R)

∣∣∣∣

d

dR

4πR2D(R) =d

dR

[4πR2F (R)

]

D(R) =1

R2

d

dR

[R2 F (R)

]

D(R) =2

RF (R) + F ′(R)

oder

~∇ ·[

F (x)~x

x

]

=1

x2

d

dx

[x2F (x)

]=

2

xF (x) + F ′(x) .

Anwendung: Gesucht sei ein kugelsymmetrisches Vektorfeld

~ω(~x) = F (x)~x

x,

welches einen vorgegebenen Verlauf D(x) der Divergenz hat.

1

x2

d

dx

[x2F (x)

]= D(x)

d

dx

[x2F (x)

]= x2D(x)

x2F (x) =

dx x2D(x) (unbestimmtes Integral)

F (x) =1

x2

dx x2D(x) .

Aufgabe: In einem Bereich 0 < x1 < x < x2 sei

~∇ ·[

F (x)~x

x

]

= 0 ; F (x) =?

106

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1

x2

d

dx

[x2 F (x)

]= 0

d

dx

[x2 F (x)

]= 0

x2 F (x) = C , konst

=⇒ F (x) =C

x20 < x1 < x < x2 .

Dabei ist C eine beliebige Konstante.

107