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Synopse 2055 Mathematische Probleme bei der Bestimmung von effektiven Diffusionskoeffizienten mit Uptake-Experimenten in Gasen und Flussigkeiten Volker Lerch, Robert Haul und Diethard Hesse* Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Karl Schiigerl zum 65. Geburtstag Stofftransportprozesse in porosen Materialien sind an Vorgangen in Natur und Technik haufig als geschwindigkeitsbestimmende Teilschritte beteiligt. Die Bestimmung der entsprechcnden Trans- portgeschwindigkeit ist daher fiir die genauere Beurteilung des jeweiligen Vorgangs unerlafllich. In vielen Fallen handelt es sich beim Materietransport um einen DiffusionsprozeB, der dem einfachen Fickschen Transportansatz: gehorcht. Beispiele sind etwa der Transport einer Komponente A in einer verdunnten Losung oder die Knudsen-Diffusion. Zur Bestimmung des jeweiligen Diffusionskoeffizienten kann man sich stationarer oder instationarer MeRmethoden bedienen. Stellt man sich jedoch die Aufgabe, Routineverfahren auszuarbeiten, so wird man kaum auf stationare Methoden zuruckgreifen konnen, da bei ihnen die Auswertung der MeBergebnisse zwar recht einfach, der erforderliche MeBplatz jedoch sehr aufwendig ist. Im Gegensatz hierzu ist der Aufbau eines MeBplatzes zur Durchfuhrung insta- tionarer Diffusionsmessungen vielfach recht einfach. Aufwendig ist dagegen der mathematische Apparat zur Auswertung der Messungen, insbesondere d a m , wenn der Diffusionskoeffizient von der Konzentration der transportierten Komponenten abhangt. Wurde man sich demnach das benotigte mathematische Rustzeug zur Auswertung instationarer Diffusionsmessungen erarbeiten, wobei naturgemaR ein Meaverfahren ausgewahlt werden muB, so stunde einer Routineanwendung dieser Methode kaum etwas im Wege. Wie eine Literaturdurchsicht ergab, ist vor allem die Methode der sog. Uptake-Experimente besonders dafiir geeignet, die Basis fur RoutinemeBverfahren zu liefern. Bei diesem wird der porose Korper in ein konstantesVolumen gebracht, das den Stoff enthalt, dessen effektiver Diffusionskoeffizient interessiert. Wenn das porose Material zum Zeitpunkt t = 0 noch frei von diesem Stoff ist, so wird er im Lauf der Zeit in das Porensystem eindringen, wobei seine Konzentration in der Kornumgebung meBbar erniedrigt wird. Mit Hilfe dcr Stoffbilanzgleichung laBt sich aus den gemes- senen KonzentratiodZeit-Kurven dann die gewiinschte GroBe bcrechnen. Bei dieser sog. instationaren volumetrischen Methode werden zur Verstarkung des MeBeffekts allerdings nur solche Feststoffe eingesetzt, die die transportierte Komponente adsorbie- ren. Notwendig ist dann jedoch, daB die Sorptionskinetik durch die Diffusion im Porenraum bestimmt wird. Zudem bietet sich nun auch die einfache Moglichkeit, ein eingestelltes Adsorptions- gleichgewicht zu storen und den effektiven Diffusionskoeffizien- ten aus der Einlaufgeschwindigkeit in den neuen Gleichgewichts- zustand zu berechnen. Dieser Vorteil ist allerdings mit dcm Nachteil verbunden, daB Adsorptionsisothermcn meist nichtlinea- re Beziehungen darstellen, wodurch das Losen der Stoffbilanzglei- chung zusatzlich erschwert wird. Um das mathematische Rustzeug fur die Auswertung von Uptake-Experimenten zu erarbeiten, ist daher zunachst die Kornbilanzgleichung fur die Komponente A zu formulieren. Bezeichnet CA die Konzentration von A im Poren- raum des Tragers und a die Menge von A, die pro Einheit des Porenraums amTrager adsorbiert ist, so ist fur die lokale Bilanz von A anzusetzen: Diese Differentialgleichung ist unter den Anfangsbedingungen CA = ci auf dem Rand des Korns fur t = 0 CA = c : im Korn fur t = 0 , (3) (4) sowie den Randbedingungen V cA = 0 im Kornzentrum fur alle t (5) dCA = A jA auf dem Rand des Korns fur alle t (6) "g dt zu losen. Hierzu ist allerdings zunachst die Annahme vom lokalen Adsorptionsgleichgewicht einzubauen und dann eine Korn- geometrie vorzugeben. Bezeichnet f (cA) die Adsorptionsisother- me und f'(CA) die Steigung diescr Isotherme im Punkt CA, so geht wegen G1. (2) in die Beziehung (7) uber. Unterstellt man zudem, daB der effektive Diffusionskoeffi- zient Deff entsprechend der Relation (9) mit von der Konzentration von A abhangt, so muB im Fall der Kugelgeometrie die Differentialgleichung: * Dip1.-Chem. K Lerch, Prof. Dr. D. Hesse, Institut fur Technische Chemie, Universitat Hannover, Callinstr. 3, 3000 Hannover 1, und Prof. Dr. R. Haul, Institut fur Physikalische Chemie und Elektrochemie, Universitat Hannover, Callinstr. 3A, 3000 Han- nover 1. unter den obengenannten Bedingungen integriert werden, um die Profile cA(r, t) zu gewinnen. Dies gelingt nur mit numerischen Verfahren. Wie die Diskussion zeigt, eignet sich hierfur vor allem die leicht zu handhabende und mathematisch fundierte Methode 582 ~~ Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 6, S. 582-583 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1992 0009-286X/92/0606-0582 $ 03.50 + .25/0

Mathematische Probleme bei der Bestimmung von effektiven Diffusionskoeffizienten mit Uptake-Experimenten in Gasen und Flüssigkeiten

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Synopse 2055

Mathematische Probleme bei der Bestimmung von effektiven Diffusionskoeffizienten mit Uptake-Experimenten in Gasen und Flussigkeiten

Volker Lerch, Robert Haul und Diethard Hesse*

Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Karl Schiigerl zum 65. Geburtstag

Stofftransportprozesse in porosen Materialien sind an Vorgangen in Natur und Technik haufig als geschwindigkeitsbestimmende Teilschritte beteiligt. Die Bestimmung der entsprechcnden Trans- portgeschwindigkeit ist daher fiir die genauere Beurteilung des jeweiligen Vorgangs unerlafllich. In vielen Fallen handelt es sich beim Materietransport um einen DiffusionsprozeB, der dem einfachen Fickschen Transportansatz:

gehorcht. Beispiele sind etwa der Transport einer Komponente A in einer verdunnten Losung oder die Knudsen-Diffusion. Zur Bestimmung des jeweiligen Diffusionskoeffizienten kann man sich stationarer oder instationarer MeRmethoden bedienen. Stellt man sich jedoch die Aufgabe, Routineverfahren auszuarbeiten, so wird man kaum auf stationare Methoden zuruckgreifen konnen, da bei ihnen die Auswertung der MeBergebnisse zwar recht einfach, der erforderliche MeBplatz jedoch sehr aufwendig ist. Im Gegensatz hierzu ist der Aufbau eines MeBplatzes zur Durchfuhrung insta- tionarer Diffusionsmessungen vielfach recht einfach. Aufwendig ist dagegen der mathematische Apparat zur Auswertung der Messungen, insbesondere d a m , wenn der Diffusionskoeffizient von der Konzentration der transportierten Komponenten abhangt. Wurde man sich demnach das benotigte mathematische Rustzeug zur Auswertung instationarer Diffusionsmessungen erarbeiten, wobei naturgemaR ein Meaverfahren ausgewahlt werden muB, so stunde einer Routineanwendung dieser Methode kaum etwas im Wege. Wie eine Literaturdurchsicht ergab, ist vor allem die Methode der sog. Uptake-Experimente besonders dafiir geeignet, die Basis fur RoutinemeBverfahren zu liefern. Bei diesem wird der porose Korper in ein konstantesVolumen gebracht, das den Stoff enthalt, dessen effektiver Diffusionskoeffizient interessiert. Wenn das porose Material zum Zeitpunkt t = 0 noch frei von diesem Stoff ist, so wird er im Lauf der Zeit in das Porensystem eindringen, wobei seine Konzentration in der Kornumgebung meBbar erniedrigt wird. Mit Hilfe dcr Stoffbilanzgleichung laBt sich aus den gemes- senen KonzentratiodZeit-Kurven dann die gewiinschte GroBe bcrechnen. Bei dieser sog. instationaren volumetrischen Methode werden zur Verstarkung des MeBeffekts allerdings nur solche Feststoffe eingesetzt, die die transportierte Komponente adsorbie- ren. Notwendig ist dann jedoch, daB die Sorptionskinetik durch die Diffusion im Porenraum bestimmt wird. Zudem bietet sich nun auch die einfache Moglichkeit, ein eingestelltes Adsorptions- gleichgewicht zu storen und den effektiven Diffusionskoeffizien-

ten aus der Einlaufgeschwindigkeit in den neuen Gleichgewichts- zustand zu berechnen. Dieser Vorteil ist allerdings mit dcm Nachteil verbunden, daB Adsorptionsisothermcn meist nichtlinea- re Beziehungen darstellen, wodurch das Losen der Stoffbilanzglei- chung zusatzlich erschwert wird. Um das mathematische Rustzeug fur die Auswertung von Uptake-Experimenten zu erarbeiten, ist daher zunachst die Kornbilanzgleichung fur die Komponente A zu formulieren. Bezeichnet CA die Konzentration von A im Poren- raum des Tragers und a die Menge von A , die pro Einheit des Porenraums amTrager adsorbiert ist, so ist fur die lokale Bilanz von A anzusetzen:

Diese Differentialgleichung ist unter den Anfangsbedingungen

C A = c i auf dem Rand des Korns fur t = 0

CA = c: im Korn fur t = 0

, (3)

(4)

sowie den Randbedingungen

V cA = 0 im Kornzentrum fur alle t (5)

dCA = A jA auf dem Rand des Korns fur alle t (6) "g dt zu losen. Hierzu ist allerdings zunachst die Annahme vom lokalen Adsorptionsgleichgewicht einzubauen und dann eine Korn- geometrie vorzugeben. Bezeichnet f (cA) die Adsorptionsisother- me und f'(CA) die Steigung diescr Isotherme im Punkt CA, so geht wegen

G1. (2) in die Beziehung

(7)

uber. Unterstellt man zudem, daB der effektive Diffusionskoeffi- zient Deff entsprechend der Relation

(9)

mit

von der Konzentration von A abhangt, so muB im Fall der Kugelgeometrie die Differentialgleichung:

* Dip1.-Chem. K Lerch, Prof. Dr. D. Hesse, Institut fur Technische Chemie, Universitat Hannover, Callinstr. 3, 3000 Hannover 1, und Prof. Dr. R. Haul, Institut fur Physikalische Chemie und Elektrochemie, Universitat Hannover, Callinstr. 3A, 3000 Han- nover 1.

unter den obengenannten Bedingungen integriert werden, um die Profile cA(r, t ) zu gewinnen. Dies gelingt nur mit numerischen Verfahren. Wie die Diskussion zeigt, eignet sich hierfur vor allem die leicht zu handhabende und mathematisch fundierte Methode

582 ~~

Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 6, S. 582-583 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1992 0009-286X/92/0606-0582 $ 03.50 + .25/0

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der Verwendung von Differenzenquotienten anstelle von Differen- tialquotienten. Um eine ausreichende Genauigkeit der Aussage bei vertretbaren Rechenzeiten zu erreichen, mu8 allerdings hierbei das Crank-Nicolson-Verfahren [l] verwendet werden. Bei der Ausarbeitung einer brauchbaren Losungsroutine werden zunachst die Differenzenquotienten mittels der Taylor-Reihen-Entwicklung aufgestellt. Mit der Einteilung der Ortsachse in Intervalle der Lange h und der Einteilung der Zeitachse in Intervalle der Lange k erhalt man anstelle der Differentialgleichung fur jeden Zeitschritt der Langc k ein System von Gleichungen, entsprechend der Anzahl der vorhandenen Ortsintervalle. Da sich bei einer sphari- schen Korngeometrie die Schwierigkeit ergibt, daR die zu diskre- tisierende Differentialgleichung vom Kornzentrum eine Singulari- tat aufweist , wird auf die zugehorige Diskretisierungsvorschrift besonders eingegangen. Ebenso wird eine Moglichkeit aufgezeigt , wie die sich zeitlich andernde Randbedingung (6) in das Glei- chungssystem mit Hilfe eines fiktiven Punkts eingebaut wird.

Eingegangen am 28. Oktober 1991

Formelzeichen

a [mol/m3] Zahl der adsorbierten Mole von A pro Poren-

C A [mol/m3] Zahl der Mole pro Porenvolumen CA [moVm3] Zahl der Mole von A in der Kornumgebung Deff [m2/s] effektiver Diffusionskoeffizient f (cA) [mol/m3] Adsorptionsisotherme r [m] Radius t bl Zeit

volumen

Literatur

[ l ] Crank, J.: The Mathematics of Diffusion, Clarendon Press, Oxford 1964.

Schliisselworter: Adsorption, Crank-Nicolson-Verfahren, Diffu- sion.

Chem.-1ng.-Tech. 64 (1992) Nr. 6, S. 582-583 583