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Indigene Völker in Lateinamerika und Entwicklungszusammenarbeit Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH Eschborn 2004

Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

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Impressum

Der Inhalt dieser Publikation gibt nicht unbedingt die Meinung der Deutschen Gesellschaft für

Technische Zusammenarbeit (GTZ) wieder.

Herausgeber:Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbHDag-Hammarskjöld-Weg 1-5Postfach 518065726 Eschborn

Verantwortlich:Dr. Edgar KöpsellRegionalgruppe Andenländer OE 2120Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika & der Karibik (KIVLAK)Tel: 06196 79 2362Fax: 06196 7980 2362E-mail: [email protected]: www.gtz.de/indigenas

 Autoren:Dr. Matthias Abram, Heidi Feldt, Klas Heising, Dr. Edgar Köpsell, Christoph Kohl, Dr. Karin Naase,Dr. Theodor Rathgeber, Sylvia Reinhardt, René Rodriguez Heredia, Dr. Lioba Rossbach de Olmos,Dr. Sabine Speiser, Silke Spohn, Dr. Juliana Ströbele-Gregor

Redaktion:Heidi Feldt, Dr. Edgar Köpsell, Sylvia Reinhardt, Dr. Sabine Speiser, Silke Spohn

Layout:

Sylvia Reinhardt

Fotos auf dem Umschlag:Dr. Anita Krainer, KfW-Archiv, Sylvia Reinhardt, Silke Spohn

ISBN 3-925064-39-7Die Deutsche Bibliothek - CIP-EinheitsaufnahmeEin Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

Druck:Kasparek-Verlag, Heidelberg

Oktober, 2004

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika:Herausforderungen an die Demokratie  

Dr. Juliana Ströbele-Gregor 

1

Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

Dr. Sabine Speiser 

28

Indigene Völker und Staat

Heidi Feldt 

49

Indigene Völker und Landrechte 

Dr. Theodor Rathgeber 61

Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker  

Dr. Lioba Rossbach de Olmos

77

Bodenschätze auf indigenem Land

Heidi Feldt 

100

Indigene Völker, Bildung und Kultur:Interkulturelle zweisprachige Erziehung

Dr. Matthias Abram

118

Indigene Völker und Gesundheit

Klas Heising & Sylvia Reinhardt 

134

Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

Heidi Feldt, Silke Spohn & Dr. Karin Naase

146

Pueblos indígenas y fondos de inversión social:Descuentros, herejías y otros éxitos

René Rodriguez Heredia

159

Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen  

Dr. Sabine Speiser 

169

Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern inLateinamerika

Dr. Edgar Köpsell 

189

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Anhang

 Anhang 1:Überblick: Indigene Bevölkerung in den Staaten Lateinamerikas und der KaribikDr. Sabine Speiser und Christoph Kohl

 Anhang 2:Organisationen indigener Völker – eine AuswahlChristoph Kohl 

 Abkürzungsverzeichnis

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

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Vorwort

Der Anstoß für das vorliegende Buch – Indigene Völker in Lateinamerika und Entwicklungszusam-

menarbeit – ergab sich aus der Arbeit der “Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika undder Karibik“ (KIVLAK), die in der Regionalgruppe Andenländer der Gesellschaft für Technische Zu-sammenarbeit (GTZ) beheimatet ist. KIVLAK vertritt das Thema Indigene Völker im interinstitutionellenund internationalen Dialog, koordiniert den Erfahrungsaustausch unter den Vorhaben der TechnischenZusammenarbeit mit indigenen Völkern und unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in der Thematik.

Das BMZ hat bereits zu Beginn der von den Vereinten Nationen ausgerufenen indigenen Dekade

(1994 – 2004) ein Konzept zur Zusammenarbeit mit indianischen Bevölkerungsgruppen erarbeitet, dasfür die GTZ und KFW Entwicklungsbank verbindlichen und für NROs orientierenden Charakter hat.Dieses Konzept ist die Richtschnur für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern und ihre adäquate

Berücksichtigung in den Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Damit lag relativ früh einGrundlagenpapier vor.

Davon ausgehend beleuchtet der vorliegende Reader die indigene Thematik im Kontext der deut-schen EZ aus verschiedenen Perspektiven. Die Beiträge der Autoren und Autorinnen und die in ihnengenannten Beispiele konzentrieren sich auf Erfahrungen in der deutschen Technischen Zusammenar-beit, greifen aber auch solche aus anderen Institutionen der internationalen Zusammenarbeit auf. EinBeitrag der KFW Entwicklungsbank ergänzt die Palette um die Erfahrungen der Finanziellen Zusam-menarbeit mit indigenen Völkern und den Sozialinvestitionsfonds.

Das vorliegende Buch möchte Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der EZ und anderen Interessierteneine Einführung und einen Überblick zur Thematik geben. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern

eine spannende Lektüre und die Bereicherung, möglicherweise auch Veränderung ihrer Arbeit mitindigenen Völkern in Lateinamerika und der Karibik.

 Anregungen und Rückmeldungen aller Art sind erwünscht und KIVLAK wird sie in zukünftigen Veröf-fentlichungen, Rundbriefen und anderen Medien gerne aufgreifen.

 Abschließend möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass der Inhalt der einzelnen Kapitel dieMeinung der Autorinnen und Autoren und nicht notwendigerweise die des Herausgebers wider-spiegelt.

Dr. Sigrid Möller Dr. Edgar KöpsellLeiterin Koordinationsstelle Indigene Völker inRegionalgruppe Andenländer Lateinamerika & der Karibik (KIVLAK)OE 2120 (GTZ) Regionalgruppe Andenländer

OE 2120 (GTZ)

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

1

Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika:Herausforderungen an die Demokratie

DR. JULIANA STRÖBELE-GREGOR

“Es ist falsch, wenn wir vom “Problem der indigenen Völker in unseren Staaten“ sprechen, denn

nicht die indigenen Völker sind das Problem, sondern das Problem sind die Mängel einer un-

vollständigen Demokratie.“

Führungsmitglied der CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador)

Seit den 1980er Jahren werden indigene Völ-

ker als politische Akteure in Lateinamerika

deutlich sichtbar. In einigen Ländern wurdenReformen eingeleitet, mit denen ihr gesell-

schaftlicher Ausschluss überwunden werdensollte. Dennoch zeigt sich, dass sich wenig anden realen Lebensbedingungen verbessert

hat, dass die Interessen, Rechtsansprüche undBelange indigener Bevölkerung in den Demo-kratisierungsprozessen, der Staatsmodernisie-

rung und den Strategien zur Wirtschaftsent-wicklung bisher noch kaum berücksichtigt wer-den. Doch indigene Völker fordern nicht nur

ihre vollen Bürgerrechte, Verbesserung ihrerallgemeinen Lebenslage und Anerkennungihrer Kulturen ein, sie machen darüber hinaus

deutlich, dass ihre Kulturen Potenziale enthal-ten, deren Bedeutung für eine nachhaltigenEntwicklung zwar in (internationalen) Deklara-

tionen anerkannt, aber in der Realität kaumberücksichtigt werden. Oft werden die Potenzi-ale vielmehr zerstört. Um dem entgegenzuwir-

ken ist die Entwicklungspolitik gefordert, im

Rahmen der Förderung von Demokratie, wirt-schaftlicher und sozialer Entwicklung in La-teinamerika, die indigenen Völker als gesell-schaftliche Akteure zu stärken und ihre Le-bensbedingungen zu verbessern.

1. Diversität und Identität

“Eine Geschichte der Zahlen“ nennt B ARIÉ

(2003:43-46) zu Recht die Vielfalt der demo-

graphischen Angaben über indigene Bevölke-rung in Lateinamerika. Die Erhebungen undSchätzungen variieren nicht nur für jedes

Land, sondern die erheblichen Zunahmen in-nerhalb eines Jahrzehntes (1990er Jahre)

verweisen auch auf die wesentlichen Ursachen

der Schwankungen: erstens gibt es keine ein-

heitlichen Standards bei den Erhebungen;zweitens verändern sich die Definitionen wer

als indigen gilt. Drittens variieren auch dieSelbstbezeichnungen, und dies ist stark davonabhängig, welche Stellung Staat und Gesell-

schaft Angehörigen eines indigenen Volkeszuweisen. Wo die nationalstaatliche Ideologiedes “mestizischen“ Staates vorherrscht, wirkt

der Assimilationsdruck, wo es jedoch Vorteilebeinhaltet (z.B. Landrechte), sich als Angehö-riger einer ethnischen Gruppe zu bezeichnen,

lässt sich eine Steigerung der Anzahl jenerfeststellen, die sich zu ihrer indigenen Herkunftbekennen. Viertens gibt es politische Interes-

sen seitens der dominanten “weißen“ und mes-tizischen Gesellschaftsgruppen, die Zahlenniedrig zu halten, denn damit lässt sich die

These der homogenen, mestizischen Nationunter Beweis stellen. Wir werden darauf zu-rückkommen.

Sicher sind sich die Demographen über allge-

meine Tendenzen: Der Anteil der indigenenBevölkerung nimmt erkennbar zu. Der Ge-samtanteil an der amerikanischen Bevölkerungliegt zwischen 8-12%, das entspricht etwa 40und 50 Mio. Personen. Es gibt über 400 ethni-sche Gruppen und Völker und 917 gespro-chene indigene Sprachen in Lateinamerika(LASR, 2003:2)1

, ein Zeichen der außerordent-lichen kulturellen Vielfalt der indigenen Völker.Das bedeutet jedoch keineswegs, dass nicht

1  B ARIÉ  (2003:45) kommt auf der Grundlage vonnationalen Zensi auf 657 ethnolinguistische Grup-pen.

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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zahlreiche kleine indigene Gemeinschaften,insbesondere in ökologisch sensiblen Regio-nen mit wertvollen Naturressourcen, vom Aus-sterben bedroht sind, weil ihre Lebensgrundla-gen zerstört werden.

Einigkeit herrscht bei den Demographen auchdarüber, in welchen Ländern der prozentuale

 Anteil indigener Bevölkerung besonders hochist.2 Dies sind die Länder Bolivien, Guatemala,Peru und Ecuador. Die Bevölkerungszahlen

variieren allerdings erheblich. In Bolivien bei-spielsweise liegt der Anteil der indigenen Be-völkerung nach offizieller Schätzung aus dem

Jahre 1992 bei 81,2% bzw. laut Zensus liegtsie jedoch wesentlich niedriger bei 59,0%. Eine

detaillierte Bevölkerungsstatistik aller latein-amerikanischen Länder befindet sich im An-hang des Bandes.

Charakteristisch für diese Länder ist nicht nureine starke Präsenz der indigenen Bevölke-rung auf dem Land, wo die Mehrheit noch im-mer als Kleinbauern lebt, sondern auch in denStädten. In neun weiteren Ländern Lateiname-rikas liegt der Anteil indigener Bevölkerungzwischen 5% und 20%: Belize, Honduras, Chi-

le, El Salvador, Guayana, Panama, Surinam,Nicaragua und Mexiko. Ihre Präsenz konzent-riert sich in einzelnen Regionen, in denen dieindigene Bevölkerung die Mehrheit darstelltoder in rechtlich ausgewiesenen Territorien.Obgleich sie weit unter 20% der Ge-samtbevölkerung ausmacht, ist die kulturellund ethnisch sehr vielfältige indigene Bevölke-rung Mexikos die größte in einem Nationalstaatdes Subkontinents: Die Zahlen bewegen sichhier zwischen 7,4% und 12,6% Anteil an dermexikanischen Bevölkerung.

Im größten Land Lateinamerikas, in Brasilien,gibt es zwar 210 indigene Völker, doch stellendiese überwiegend in Amazonien lebendenVölker mit ca. 370 000 Personen nur 0,5% derbrasilianischen Bevölkerung dar. Zugleich istBrasilien mit 170 indigenen Sprachen das

2 B ARIÉ 2003:45 auf der Grundlage von CELAD,1999:361. Für die abweichenden offiziellen Schät-zungen wird keine Erklärung gegeben. Zu vermutenist, dass CELAD Daten auf den Stand von 1999hochgerechnet und andere Quellen berücksichtigthat.

Land mit der größten Sprachenvielfalt. In Län-der wie Brasilien, Venezuela und zum Teilauch Kolumbien, in denen die indigene Bevöl-kerung weniger als 5% der Gesamtbevölke-rung ausmacht, handelt es sich zum einen um

campesinos, zum anderen um Gruppen, die inkleinen Gemeinschaften als Jäger, Sammlerund Waldbauern in ihren Lebensformen nochstark an ihren Lebensraum angepasst lebenund die nur einen geringen, zum Teil auch garkeinen Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft ha-ben. Das Vordringen der nationalen Gesell-schaft und die Durchsetzung von Wirtschafts-interessen externer Akteure bedrohen ihreLebensräume und damit ihre Existenz als indi-

gene Gemeinschaften.

Wer ist ein indio?

Die Bezeichnungen indio  und indígena

(deutsch: “Indianer“) entstammen der kolonia-len Herrschaftsideologie und sind alles andereals eine präzise Bezeichnungen von Bevölke-rungsgruppen oder Kulturen. “Indio“ ist einpolitisches und soziales Konstrukt, das es denEroberern ermöglichte, die unterworfenen Völ-ker rechtlich und ideologisch zu einer Gruppezu homogenisieren. Die Beziehungen der so-zialen Gruppen in der Kolonie waren strengnach unterschiedlicher ethnischer Herkunftgeregelt. Auf der einen Seite standen die Spa-nier, sonstige Europäer sowie ihre in Latein-amerika geborenen Nachkommen (criollos,

“Kreolen“), auf der andern die indigene Bevöl-kerung und verschleppte schwarze Sklaven.Die förmliche Trennung in die “Republik derSpanier“ und “Republik der Indios“ war der

begriffliche Ausdruck für die tiefe Spaltung, diedie Kolonialgesellschaft von Beginn an kenn-zeichnete.

In den nach der Unabhängigkeit Anfang des19. Jahrhunderts neu gegründeten Republiken

änderte sich im Kern wenig am realen Statusder vormals als indios  klassifizierten Landbe-völkerung, auch wenn sie nun zu Bürgern er-

klärt wurden. Die europäischstämmigen Oli-garchien, die im Besitz des Landes und der

Bergwerke waren, begriffen sich als criollos,als rechtmäßige Bewohner und Besitzer desamerikanischen Kontinents und damit legiti-

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miert, in den neu gegründeten Staatswesendie alleinige Macht beanspruchen zu können.Landraub und extreme Ausbeutung verschärf-ten sich sowohl seitens des jeweiligen Staatsals auch der herrschenden Oligarchien.

 Allerdings hatte sich am Vorabend der Unab-hängigkeitskriege der Diskurs über den indio in

einem Aspekt gewandelt: Es entstand eineneue Hinwendung zum “Eingeborenen“ undzur Vergangenheit des indio, die allerdings in

einem engen Zusammenhang mit den politi-schen Interessen der criollos  stand. Zur ideo-logischen Legitimierung der Ablösung von

Spanien diente ihnen das Konstrukt des “ei-

genständigen amerikanischen Wesens“, dasdie indigenen Elemente der amerikanischenKulturen betonte. Dies geschah allerdings mitRückgriff auf die Glanzzeit der präkolumbini-schen “Hochkulturen“ der Inka, Maya oder Azteken, nicht auf deren elend lebendenNachkommen und nicht auf jene Völker, dienicht von den “Hochkulturen“ abstammten,etwa die Bewohner der Regenwälder, Savan-nen oder Wüsten. Sie galten den Herrschen-den als “Wilde“, die es zu zivilisieren galt, indem man sie als Sklaven ausbeutete, oder beiWiderstand bekämpfte und tötete.

Foto 1: Demonstration von Indigenen Schüler/innen in Cuzco (Peru) (S. Reinhardt)

Bei dieser Hinwendung zu den vorspanischenKulturen ging es darum, eine historische Kon-tinuität von den Inka und Azteken zu den neu-en Amerikanern herzustellen, in der Spanienals Usurpator erschien, was – an Europa ge-richtet – die Unabhängigkeitskriege als Be-freiungskämpfe legitimieren sollte. Sehr deut-lich wird diese Argumentation gerade auch bei

dem Führer des Unabhängigkeitskampfes,Simón Bolívar.3 Trotz der Rezeption aufkläreri-schen und revolutionären Gedankenguts ausEuropa ging es den um ihre politische Selbst-

 3 BOLÍVAr, SIMÓN, 1815: Brief aus Jamaika an einen

ungenannten Amerikaner vom 6. September 1815.In: KONETZKE, R., 1970, Dokument Nr. 54.

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ständigkeit kämpfenden criollos keinesfalls umdie politische Gleichstellung aller Bewohnerdes Kontinents. Vielmehr instrumentalisierten

criollos und Mestizen die “indianische Vergan-genheit“ ebenso wie die auf ihrer Seite kämp-fenden indios für die eigenen Interessen.

In den ersten Verfassungen, die nach der Un-

abhängigkeit entstanden, wurden zwar dieBegriffe indio, mestizo  etc. aufgehoben. Je-doch sehr bald erfanden die neuen Administ-

rationen den neuen Terminus “indígena“ für   jene ehemaligen indios, deren Integration indie Nationalgesellschaft zunächst nicht statt-

fand.

Wie sich zeigte, waren sich die Machthaber,kleine kreolische Eliten, durchaus nicht einig inihren politischen und wirtschaftlichen Ideen.Das schlug sich nicht nur in der Gründungkonservativer und liberaler Parteien nieder,sondern auch in politischer Instabilität,Caudillismus d.h. der Herrschaft vonKriegsherrn und zahlreichen – auchinnerstaatlichen – Kriegen in denneugegründeten Staaten, in die die indigeneBevölkerung zwangsweise einbezogen wurde.

In den meisten Ländern unterlag die indio-Be-völkerung weiterhin einem gesonderten rechtli-chen Status, der sie auf allen Ebenen des ge-sellschaftlichen Lebens benachteiligte. So galtin zahlreichen Staaten noch bis weit in das20. Jahrhundert der Ausschluss vom Wahl-recht für Analphabeten, in Peru beispielsweisebis 1979, was bedeutete, dass fast die ge-samten Aymara, Quechua und die amazoni-sche Bevölkerung sich nicht politisch beteiligen

durfte. Auf dem Land wiederum wurden kaumSchulen eingerichtet, vielfach unterdrücktenGrundherrn und Kirche gewaltsam Bildungsini-tiativen der indios (Beispiele für Peru siehe u.a.LÓPEZ, 1988; für Bolivien C ARTER & M AMANI,1982). Mit der Absicht, die rechtliche Benach-teiligung, soziale Ausgrenzung und Ausbeu-tung in einem Staatswesen mit einer republi-kanischen Verfassungen zu legitimieren, wur-de den indios  mit rassistischen Argumenten

eine biologische und soziale Minderwertigkeitzugeschrieben.4

In der mexikanischen Revolution 1910/ 1911entstand ein Gesellschaftsprojekt, das in den

kommenden Jahrzehnten in zahlreichen weite-ren lateinamerikanischen Ländern Fuß fassensollte: das Projekt des mestizischen National-

staats. Mit diesem Konzept eng verbunden istder  integrationistische indigenismo, einemodernisierungstheoretische Vorstellung, der

zufolge der Prozess der "nation-buildung"  einehomogenisierende Wirkung in einem evolutio-nistischen Sinne haben werde. Es wird davon

ausgegangen, dass ethnische Identität (wel-cher Definition auch immer) in einer modernen

Gesellschaft eine Übergangssituation sei.5

Weiterbestehende ethnisch-kulturelle Aus-drucksformen werden als Traditionen hinge-nommen oder als Folklore gefördert (URBAN &

SHERZER, 1991:11f), sofern sie nicht einerIntegration in das Nationalstaatkonzept entge-genstehen.

Seit dem ersten Interamerikanischen Indige-nisten-Kongress 1940 im mexikanischenPátzcuaro wurde die staatliche Politik in Me-

xiko gegenüber den indio-Gemeinschaftenvom Konzept des integrationistischen indige-

nismo  bestimmt. Von Mexiko aus verbreitetees sich auf dem gesamten Kontinent, wobeidem in Mexiko gegründeten Instituto Indige-

nista Interamericano eine besondere Rolle despolitischen und wissenschaftlichen Austauschsund der Kooperation zufiel.

Bei dieser indigenismo-Politik ging und geht esweiterhin nicht darum, die indigenen Kulturen

als gleichwertig neben anderen Kulturen inner-halb der jeweiligen Staaten anzuerkennen.Ethnischer Pluralismus wird zwar von denStaaten als Faktum konstatiert, jedoch nichtals ein Gesellschaftsmodell der Zukunft ange-sehen (BONFIL, 1981:15). Der mexikanische Anthropologe BONFIL B ATALLA  stellt vielmehrfest, dass es seitens der Staaten, Kirchen und

4 DEMELAS, 1981 belegt dies vorzüglich am Beispiel

Bolivien.5 In Lateinamerika gehört diese Position zum Mesti-zaje-Modell (siehe AGUIRRE BELTRÁN, 1956), eineÜbersicht der mexikanischen Diskussion inM AIHOLD, 1986.

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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Parteien in Lateinamerika Bemühungen gab,eigenständige Organisierungsprozesse der in-digenen Bevölkerung zu verhindern. Je nachpolitischer Situation geschah dies entwederdurch Konfrontation oder durch Manipulationindigener Organisationen (BONFIL, 1981:13ff),etwa von z.B. Gemeindeorganisationen, Ver-bänden unabhängiger campesinos  oder auchethnisch-politischer Organisationen, wie sie im20. Jahrhundert entstanden waren. Dass dieStrategie der Assimilation oder Vereinnah-mung von Organisationen vielfach nicht lang-fristig erfolgreich war – wie die Beispiele derKuna in Panama (HOWE, 1991), der Shuar inEcuador (HENDRICKS, 1991), der Mapuche in

Chile u.a. zeigen – lässt sich als ein Beweis fürdie kulturelle Stärke dieser Völker bewerten.

In ihrer Auseinandersetzung mit den Folgendes integrationistischen indigenismo  entwi-

ckelten kritische Anthropologen in Mexiko (diewichtigsten Vertreter waren Bonfil Batalla, Ste-fano Varese und Arturo Warmann), ab Ende

der 60er Jahre mit dem etnodesarrollo  eineigenes neo-indigenistisches Modernisie-rungskonzept, das schnell auch in den ande-

ren lateinamerikanischen Ländern bei eherkritischen Intellektuellen Verbreitung fand:Dieses Konzept zielte auf Anerkennung der

ethnischen Gruppen und ihrer Kulturen inner-halb der Nationalstaaten. Statt staatlich ge-planter Entwicklungsstrategien für die indige-

nen Völker sollte der Staat selbstbestimmteEntwicklungsprozesse fördern und lokale Au-tonomie zulassen. In entsprechenden Ent-wicklungsprojekten der Vertreter des etnode-

sarrollo lagen die Schwerpunkte auf der Förde-

rung der indigenen Sprachen und der zwei-sprachigen Schulbildung, des indigenen Wis-sens und traditioneller Gesundheitsversor-gung.

Bedeutungsvoll war, dass die Forderung, den“indianischen Stimmen Gehör zu verschaffen“praktische Konsequenzen hatte. Auf nationalerund internationaler Ebene fanden Kongressemit Repräsentanten von Organisationen statt,die sich selbst als “indigen“ bezeichneten und

eigene Konzepte vertraten, die als indianismozusammengefasst werden können. Im Unter-schied zum Begriff indigenisimo, der sich histo-

risch aus dem Konzept des integrationsisti-schem indigensimo  ableitet, drückt der Begriff

indianismo  eine eigenständige ideologischeKonstruktionen der indigenen Völker aus, indenen ethnische bzw. kulturelle Aspekte vor-rangig sind (siehe MORIN, 1982; BONFIL

B ATALLA, 1991 ). Ein geschichtlicher Meilen-stein wurde der 2. Kongress von Barbados1977. Die Dokumentation der politischen Posi-tionen und Forderungen indigener Aktivisten(Sammlungen in BONFIL B ATALLA, 1981;GRÜNBERG, 1982; MÜNZEL, 1980) sowie gesell-schaftskritischer Schriften einzelner indianisti-scher Intellektueller, die teilweise bereits ausden 60er Jahren stammten (z.B. des boliviani-

schen Quechua F AUSTO REINAGA, 1969 undseines Sohnes R AMIRO REYNAGA, 1972 unddes Maya POP C AAL, 1974)6

, zeigen nicht nur,wie gesellschaftliche Zustände aus indianisti-scher Position wahrgenommen wurden. Sievermitteln darüber hinaus einen Eindruck despolitischen Denkens und der politischen Re-deweisen, die sich als indigen verstehen. Dassderartige indigene politische Diskurse nicht“das ganz andere“ Denken und Sprechen sind,sondern sich sowohl in einer dialektischen

Form auf die hegemonialen Ideologien bezie-hen, wie auch mit westlichen Begriffen undKonzepten arbeiten, ist nicht zuletzt Produktdes Bildungsweges dieser Intellektuellen in-nerhalb christlich-abendländischer Normen.Hinzu kommt die externe Einflussnahme (Anth-ropologen, Solidaritätsbewegung, politikerfah-rene nordamerikanische indianische Organisa-tionen etc.).

In der Aktualität werden die Begriffe indio und

indígena von Staat zu Staat und teilweise auchinnerhalb eines Staates unterschiedlich ver-wendet, sie drücken aber eine weitgehendpaternalistische Einstellung im Umgang mit derso bezeichneten Bevölkerung aus, die biswei-len nicht frei ist von rassistischen Zügen. ImBewusstsein der als indio  bezeichneten Ak-teure ist der pejorative Gehalt dieses Begriffesfest verankert. Doch während die einen, wieder indianistische Ideologe Ramiro Reynaga,die abwertende Kennzeichnung zum Kampf-

begriff ummünzen (“Nos aplastaron con el

6 Sämtliche Dokumente in BONFIL B ATALLA, 1981

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nombre de indios y con ese nombre nos va-

mos a levantar “,  so der Titel der Schrift vonREYNAGA, 1990) und Parteien mit dem Zusatz“Partido Indio“ gründen, lehnen andere dieseBezeichnung strikt ab. Wenn sie sagen: “ya no

somos indios“, verweisen sie damit auf dieGeschichte ihrer grausamen Unterdrückung.Hier zeigen sich bereits Differenzen, die nichtnur ein Streit um Worte sind. Wenn sich heutein der internationale Gemeinschaft der Begriff“indigen“ durchgesetzt hat, dann ist dies derVersuch, eine “neutrale“ Bezeichnung für dieeinheimischen Völker Amerikas und auch deranderen Kontinente zu finden (siehe ILO-Kon-vention7).

Der “verschwommene Begriff des Ethnischen“(MÜNZEL, 1985:6f) wird zum Angelpunkt derErklärungsansätze “indianischer“ Bewegungenund politischer Organisierung, die die kulturelle

Identität in den Mittelpunkt ihrer Selbstdefini-tion und ihrer Diskurse stellen. Die nicht-euro-päisch-stämmigen Akteure haben zwar durch-

aus keine einheitliche politische Position undkein gemeinsames Selbstverständnis. Den-noch gewinnt das Konstrukt indígena, das

soziale und kulturelle Gemeinsamkeit gegen-über europäisch-stämmigen und mestizischenMachtgruppen konstruiert, zunehmend an poli-

tischer Bedeutung.

Im Alltagsleben fällt die Antwort auf die Fragenach dem Selbstverständnis und der Identität

indigener Bevölkerung  viel komplexer ausals in den ethnisch-politischen Diskursen. Zwarist all denjenigen, die sich als indígenas  oder

originarios  definieren gemeinsam, dass sieGesellschaftsschichten angehören, die auf-grund der kolonialen und postkolonialen Ge-schichte von gesellschaftlicher Macht ausge-schlossen waren. Zu Recht aber verweistDEGREGORI (1993) mit Bezug auf das Konzeptmultipler Identitäten darauf, dass indígena-Sein ein soziales Konstrukt ist, welches in der Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichenBedingungen und in Interaktion mit anderenIdentitäten konstruiert wird – mit der regionalenIdentität, der Zugehörigkeit zu einer Klasse,

7 Das Dokument kann u.a. auf der Websitewww.gtz.de/indigenas/deutsch/internationale-instrumente/ilo169.htm eingesehen werden.

einer Generation, dem Geschlecht und alsBürger eines Landes – und diese Identitäten jenach gesellschaftlichem Kontext vom Indivi-duum gewichtet werden. Die Konstruktion ei-nes neuen politischen Subjektes, das sich

 pueblo indígena,  pueblo originario  odernacionalidad nennt, entsteht also im Rahmengesellschaftlicher Prozesse, in denen kolonialverwurzelte Strukturen der Ausgrenzung undBenachteiligung der indios  – trotz demokrati-scher Staatsverfassungen – noch nicht über-wunden sind. Die Diskrepanz zwischen demnationalstaatlichen Integrationsversprechenund der von Rassismus geprägten Lebens-wirklichkeit der ländlichen und städtischen

Bevölkerung indigener Herkunft begründeteine Identitätssuche und den Erfolg des india-nistischen Diskurses (vgl. STRÖBELE-GREGOR,1992, 1997; DISKIN, 1992). Dass dabei derBegriff  nacionalidad   bei der nicht-indigenenBevölkerung nicht selten Ängste vor separatis-tischen Bewegungen schürt bzw. einigen Poli-tikern als Begründung der Ablehnung einespolitischen Dialoges mit ethnisch-politischenOrganisationen dient, zeigt das Spannungs-verhältnis zwischen den gesellschaftlichen

Gruppen.

Die neuen ethnisch-politischen Diskurse und

Definitionen finden auch Eingang in internatio-nale Organisationen. M ARTÍNEZ-COBO (1987)kam in seiner Studie im Auftrag der UN zu

einer Definition, die zum internationalen Stan-dard wurde:

“Indigenous communities, peoples and nations

are those which, having a historical continuity

with pre-invasion and pre-colonial societies

that developed on their territories, consider

themselves distinct from other sectors of the

societies now prevailing in those territories, or

 parts of them. They form at present non-domi-

nant sectors of societies and are determined to

 preserve, develop and transmit to future gen-

erations their ancestral territories, and their

ethnic identity, as the basis of their continued

existence as peoples, in accordance with their

own cultural patterns, social institutions and

legal systems“ (M ARTÍNEZ-COBO, 1987:379ff).Die 1989 von der ILO (Internationale Arbeits-organisation) vorgelegte Konvention 169 über 

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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“eingeborene und in Stämmen lebende Völkerin unabhängigen Staaten“,  die mittlerweile einMeilenstein im Hinblick auf die Anerkennungneuer rechtlicher Schutzstandards bezüglicherdieser Völker und zum wichtigsten Mobilisie-rungsinstrument geworden ist (KUPPE,2002:108), stellt zudem klar, dass der hierverwendete Terminus Volk nicht das Selbstbe-stimmungsrecht im Sinne des Völkerrechtsmeint.

Die ILO-Konvention 169 definiert folgendeGrundrechte:

Das Recht auf traditionelles Land und Ter-ritorien (siehe R ATHGEBER in diesem Band)

Die Gewährleistung der örtlichen Kontrollebzw. Mitbestimmung über die Nutzung na-türlicher Ressourcen

Das Recht auf Selbstbestimmung im Sinneinterner Selbstverwaltung

Das Recht auf Erhalt der politischen, wirt-schaftlichen und sozialen Systeme indige-ner Völker

Schaffung allgemeiner Arbeitnehmerrechte

Förderung lokaler Produktion

 Adäquate soziale Absicherung

Zugang zu Schul- und Ausbildung - unterBerücksichtigung indigener Sprachen -sowie zum Gesundheitswesen

2. Gesellschaftliche Lage – Gemeinsam-keiten und Unterschiede

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit derWirtschafts- und Arbeitswelt, mit Glaubensvor-stellungen, sozialen Strukturen und Organisa-

tionen sowie den wesentlichen Aspekten desgesellschaftspolitischen Kontextes, in denenindigene Völker Lateinamerikas leben. Aufdiese Weise sollen Eckpfeiler der indigenenLebenswelten knapp umrissen werden. In denweiteren Kapiteln des Bandes werden viele derhier angesprochenen Fragen vertieft, darüberhinaus auch weitere Themen in den Blick ge-rückt.

Allgemeine Merkmale

Vor dem Hintergrund der großen kulturellenDiversität der jeweiligen indigenen Völker ha-ben die Folgen der allgemeinen gesellschaftli-

chen Entwicklungen im letzten Drittel des20. Jahrhunderts in Lateinamerika zu sehr un-terschiedlichen Ausformungen in deren Le-benswelten geführt. Damit verbieten sich Ver-allgemeinerungen. Das gilt für die Lebensstilein den Städten ebenso wie für die Lebens-muster in den unterschiedlichen ländlichenRegionen. Wenngleich die städtische indigeneBevölkerung stetig anwächst, lebt ein Großteilimmer noch auf dem Land.8

Die Wirtschafts- und Arbeitsformen, sozialenStrukturen und politischen Organisationenunterscheiden sich erheblich bei den jeweiligen

Kulturen.9 Sie sind – außer bei Völkern in geo-grafisch entlegenen Regionen, die viele ihrer

traditionellen Lebensmuster bis in die 2. Hälftedes 20. Jahrhunderts erhalten haben – ein Amalgam aus kolonialzeitlichen, republikani-schen und kulturell eigenständigen Strukturen.

Wandlungsprozesse finden in einem zuneh-mend beschleunigten Tempo statt, betreffenviele Lebensbereiche und haben Einfluss auf

die sozialen Beziehungen und Geschlechter-rollen. Sie eröffnen den Zugang zu neuenKenntnissen und Technologien, zugleich ist

der Verlust an traditionellem Wissen und Prak-tiken beispielsweise in der Medizin, in der

8 Verlässliche Daten liegen kaum vor. Erschwerendfür einen Vergleich ist zudem die Uneinheitlichkeit inden Zensi, ab wann eine Lokalität als städtisch(„urbano“) bezeichnet wird.9Der hier verwendete Begriff der Kultur basiert aufder Definition der Kulturanthropologie (H ARRIS,1989; VIVELO, 1988) und bezeichnet die Gesamtheitder „Lebensweise“ eines Volkes. Es ist die von denMitgliedern einer bestimmten Gesellschaft sozialerlernte Weise des Denkens, Empfindens und Han-

deln, die Artefakte, Institutionen, Ideologien undihrer Organisation sowie die gesamte Breite ge-bräuchlicher Verhaltensweisen, mit denen eineGesellschaft für die Ausbeutung ihrer besonderenUmwelt ausgestattet ist. Die Kontinuität von Lebens-formen erfolgt durch Enkulturation, d.h. durch teilsbewusste, teils unbewusste Lernprozesse. Lernenbeinhaltet auch Veränderung. Kulturen sind nichtstatisch. Die Kulturanthropologie betont die Funktionder Kultur als Anpassungsmechanismus. In der

 Auseinandersetzung mit der natürlichen und sozia-len Umwelt sowie durch Übernahme oder Übertra-gung von kulturellen Verhaltensweisen andererKulturen oder Gesellschaften vollziehen sich einfa-

che Innovationen oder auch komplexe Wandlungs-prozesse. Eine Gesellschaft wird in diesem Ansatzals eine Gruppe oder Population von Menschenbezeichnet, die entweder physisch oder durch ihreKultur von anderen, ähnlichen Einheiten getrennt ist.

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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nachhaltigen Landwirtschaft und im Umgangmit der Natur unübersehbar.

 Armut und extreme Armut kennzeichnen dieLebenssituation der Mehrheit der indigenen

Völker Lateinamerikas, wie internationale Stu-dien z.B. der Weltbank (PSACHAROPOULOS &P ATRINOS, 1994) und der Interamerikanischen

Entwicklungsbank (DERUYTTERE, 1997) bele-gen. Das gilt für die städtische, aber mehrnoch für die ländliche Bevölkerung. Als ein

besonders aussagekräftiges Beispiel führt DEL

 ALAMO (2003:10) die Munizipien in Mexiko an.Das Armutsniveau ist in Munizipien mit erhöh-

ter indigener Bevölkerung (über 80%) 4-mal sohoch wie in Munizipien mit geringem Anteil und

der Anteil von extremer Armut liegt fast 20-malhöher. In Bolivien gelten 50% der Gesamtbe-völkerung als arm, davon sind zwei Drittel indi-gene Völker. In Guatemala leben zwei Drittel

der Gesamtbevölkerung unter der Armuts-grenze, davon sind über 90% Indigene (DEL

 ALAMO, 2003:11). Zu den Armen gehören ins-

besondere auch die Landlosen, die in Abhän-gigkeitsverhältnissen auf großen Landgütern(hacienda) leben oder Saisonarbeiter, die von

einer Arbeitsstelle zur anderen ziehen müssen,um ihr Überleben zu fristen.

 Armut ist dabei nicht nur am Einkommen zumessen, sondern auch an weiteren Sozialda-ten wie u.a. der Zugang zum Schulwesen, zurGesundheitsversorgung, der Ausbildungsstandsowie gesellschaftliche Teilhabe an Entschei-dungen über Ressourcenverteilung und -nut-zung. Doch die jeweiligen nationalen Gesell-schaften ziehen aus diesen Analysen bisherkaum ausreichende Konsequenzen, um dieSituation grundlegend zu verändern. Rassis-mus – offen oder verdeckt – spielt dabei einenicht unerhebliche Rolle. Denn die Marginali-sierung und der Ausschluss der indigenenBevölkerung, sind weiterhin im gesellschaftli-chen Leben präsent. Das gilt auch für jeneStaaten, die im Verlauf der 80er und 90er Jah-re Rechtsreformen zugunsten der indigenenBevölkerung verabschiedet haben. Im Prozessvon Staatsmodernisierung und De-

zentralisierung kam es in mehreren Ländernzwar zur Stärkung von Selbstverwaltungs-

strukturen (siehe FELDT  in diesem Band), je-doch zeigt der Aufstand in Bolivien im Oktober2003, dass sich die indigene Bevölkerung nochweiterhin von den maßgeblichen politischenund wirtschaftlichen Entscheidungsprozessenausgeschlossen fühlt.

Komplexe Wirtschaftsstrategien der länd-lichen Bevölkerung

Ein Großteil der indigenen Völker lebt von derkleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaft, die je

nach Region ganz unterschiedliche Formenund Ausprägungen hat und eine Markteinbin-dung auf niederem Niveau einschließt. Hinzu

kommen Strategien, die auf vorspanischer

Tradition beruhen: etwa bestimmte Formen derKollektivarbeit, der Gegenseitigkeits- und Aus-tauschbeziehungen sowie soziale Netzwerke,die auf Verwandtschafts- und Patenbe-ziehungen basieren. Die Kombination dieserbeiden Produktionssphären ist ebenfalls ein Ausdruck für das kulturelle Amalgam: Eine“traditionelle“ nicht-kapitalistische Agrarpro-duktion auf der Grundlage von Familienwirt-schaft samt Austausch von Gütern und Ar-beitskraft innerhalb der Gemeinschaft wirdverbunden mit Lohnarbeit innerhalb der Ge-meinschaft, dem Verkauf von Produktions-überschüssen oder mit der Produktion für denlokalen oder städtischen Markt. Dies erlaubtden Zugang zur Geldwirtschaft und zu anderenProdukten (siehe N AASE, FELDT & SPOHN  indiesem Band).

In einigen Ländern, in denen im Verlauf des20. Jahrhunderts Landreformen durchgeführt

wurden (Mexiko, Bolivien, Peru, z.T. Ecuador),

erhielten indigene Bauern im Hochland zwareigenes Land – sei es als individuelles Privat-

eigentum, in Form von Kollektivbesitz oderkollektiver Nutzungsrechte – doch aufgrunddes Bevölkerungswachstums bot dies bereits

für die folgenden Generationen kaum mehreine ausreichende Lebensgrundlage. Zudemist der größte Teil des für die Landwirtschaft

gut geeigneten Bodens zumeist im Besitz vonwenigen Großgrundbesitzern – auch in Län-

dern, in denen Agrarreformen durchgeführtwurden.

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Foto: Partizipativer Taller in einer Mapuche Gemeinde in Chile (S. HESS-K ALCHER, Proyecto GAR)

Zu den Ursachen, die die Armutssituation seitden 80er Jahren verschärft haben, gehören die

Wirtschaftskrise der 80er Jahre, nationale undinternationale Wirtschaftspolitiken sowie dieInteressen einzelner Machtgruppen z.B. Groß-grundbesitzer, internationale Großunterneh-men, bisweilen auch das Militär (Guatemala).So unterschiedlich die geografischen und kul-turellen Kontexte auch sind, etwa zwischenKleinbauern-Gemeinschaften im Hochland,Küsten-Fischern und Waldbauern in Amazo-nien oder Zentralamerika, die negativen wirt-schaftlichen Folgen des Raubbaus an natürli-

chen Ressourcen und die Auswirkungen neoli-beraler Wirtschaftspolitik ähneln sich(ALTVATER, 1992). Denn das Zusammenwirkenvon Deregulierung, Privatisierung der Wirt-schaft und staatlicher Kompetenzen, so zeigenzahlreiche Untersuchungen, belasten insbe-sondere arme Bevölkerungsgruppen(ALTVATER & M AHNKOPF, 2004), vor allem auchdie indigenen Völker (zu neoliberaler Wirt-schaftspolitik in Lateinamerika siehe u.a.

DIRMOSER ET AL., 1993). So bedeutet bei-spielsweise der Vorrang weltmarktorientiererProduktion vor Nahrungssicherung im eigenen

Land (FELDT & KRÄMER, 1997; WINDFUHR,1997) auch für viele Kleinbauern eine schlech-

tere Versorgung mit Grundnahrungsmitteln;und die großflächige Verseuchung von Bödenund Gewässern als Folgen der Alumini-umproduktion, die internationale Unternehmennach Brasilien ausgelagert haben, führen zuGesundheitsschäden der Anwohner und Ver-lust von landwirtschaftlich bewirtschaftbarenBöden (MÜLLER-PLANTENBERG, 1992) (sieheauch ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band).

Das Wirtschaften von indigenen Kleinbauern

muss notwendigerweise verschiedene ein-kommensschaffende Tätigkeiten kombinieren,

um das Überleben zu sichern. Dazu gehörtu.a. der Handel, das Handwerk, die Saisonar-beit in anderen Landesteilen oder Ländernetwa in der Kaffee- oder Zuckerrohrernte, imBergbau und in – meist schlecht bezahlten – Aushilfsarbeiten. Von den, verglichen mit In-dustriegütern, niedrigen Preisen für ihre traditi-onellen landwirtschaftlichen Produkte könnendie campesinos  ihre Familie immer weniger

ernähren. Verschärft wurde die wirtschaftlicheSituation der campesinos  durch die Öffnungder nationalen Märkte, verbunden mit einer

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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Senkung der Zollschranken u.a. für Importpro-dukte, eine Maßnahme der wirtschaftspoliti-schen Anpassung seit Mitte der 80er Jahre.

Die niedrigen Einkommen aus der Landwirt-

schaft und die Schwäche des Arbeitsmarkteserfordern also eine kombinierte Wirtschafts-form, einschließlich der Aufrechterhaltung “tra-

ditioneller“ ökonomischer und sozialer Hand-lungsmuster. Im Kontext dieser widrigen öko-nomischen Bedingungen werden auf lokaler

Ebene durchaus auch Wirtschaftsstrategienerprobt, die nicht nur das knappe Überlebensichern sollen, sondern ein nachhaltiges Wirt-

schaften als Grundlage für eine eigenständigeEntwicklung (R ATHGEBER, 2002). Dabei werden

überlieferte gemeinschaftliche Wirtschaftsfor-men und kulturell tradiertes landwirtschaftli-ches Wissen zur Nutzung der natürlichen Res-sourcen wieder belebt und experimentell weiter

entwickelt unter Einbeziehung von “neuem“Wissen und Verfahren. Die neuen Strategienbeinhalten u.a. eine Kombination von Nah-

rungssicherheit, wirtschaftliche Diversifizierungeinschließlich kommerzieller Anbaukulturenz.B. im Bereich der Bioprodukte oder anderer

Nischenprodukte für den externen Markt (sieheauch N AASE, FELDT & SPOHN in diesem Band).

Oftmals stehen das Fehlen von Infrastruktur,der Mangel an Krediten und an technischer Aus- und Fortbildung u.s.w. dem Erfolg entge-gen. Dann werden häufig andere Einkom-mensquellen gesucht. Das reicht von Ethno-und Öko-Tourismus bis hin zur der illegalenKoka-Produktion.

Eine weitere Strategie ist die Abwanderung in

andere Regionen des Landes z.B. in Urwald-regionen (Kolonisationsmigration) oder in dieStädte, in denen die Migranten das Heer der Arbeitssuchenden in den marginalen Stadt-randsiedlungen ständig vergrößern, aber auchdem informellen Sektor Auftrieb geben (sieheweiter unten sowie GOLTE & ADAMS, 1987;STEINHAUF, 1991).

Neben der Charakterisierung als “Ärmste der Armen“ werden die indigenen Völker insbe-

sondere im internationalen Diskurs (z.B. die“Resolution of 30 November 1998“ der EU) alsSchützer der Natur bezeichnet, weil sie – und

damit sind in Lateinamerika vor allem dieWaldvölker Amazoniens und des mittelameri-kanischen Biokorridors gemeint – in besonde-rer Weise in ihren Lebensformen mit der Naturverbunden sind. Daher ergibt sich, so der in-ternationale Tenor, die Notwendigkeit ihresbesonderen Schutzes und der Förderung ihrerKulturen. Es ist höchste Zeit wirksameSchutzmaßnahmen zu ergreifen. In vielenLändern raubt der Zugriff von Unternehmenund Händlern auf indigenes Gemeinschafts-land, auf traditionelles indigenes Wissen undmarktattraktive Naturressourcen sowie ver-seuchte Gewässer, Wassermangel und Erosi-onen als Folge von Bergbau oder Großprojek-

ten etc. den ansässigen Gemeinschaften ihreLebensgrundlage (hierzu siehe die Artikel vonFELDT, ROSSBACH DE OLMOS UND R ATHGEBER indiesem Band. Auch wenn dem Einzelnen oderder indigenen Gemeinschaft mittlerweile derWeg der rechtlichen Klage offen steht – undauch immer häufiger beschritten wird – sobedeutet dies längst nicht, dass sie damit ihrenLebensraum unbeschadet erhalten können.

Mit der Verknappung von bewirtschaftbarem

Land und überlebensnotwendigen Ressourcennehmen auch die Konflikte zwischen Nachbar-gemeinschaften und ethnischen Gruppen in

erheblichem Maße zu. Kleinere und schwä-chere Gemeinschaften werden durch das Vor-dringen von Siedlern – seien es Mestizen oder

indigene Migranten – von ihrem Territoriumverdrängt.

Landlose und jene, deren kleiner Landbesitznicht zur Ernährung der Familie ausreicht,suchen Arbeit bei Großgrundbesitzern oder in Agrounternehmen. Berichten von Menschen-rechtsorganisationen zufolge gibt es weiterhinlandwirtschaftliche Großunternehmen, Agro-Industrien und Plantagen mit miserablen Ar-beits- und Lebensbedingungen, Gewaltstruktu-ren, unzureichenden oder fehlenden Sozial-leistungen und Unterschreitung der Mindest-löhne, beispielsweise in Zentralamerika(WOLPOLD-BOSIEN, 1999). Schuldknechtschaftund sklavereiähnliche Bedingungen entgehen

den Augen der Öffentlichkeit, auch wenn essich nicht um extrem abgelegene Regionenhandelt. Unter solchen Bedingungen leben

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zahlreiche Guaraní in Ostbolivien (ALBÓ,1990:202f). Wirtschaftliche Abhängigkeit und Ausbeutung kennzeichnete zumindest bis indie 80er Jahre die Situation der Maya in Chia-pas (LEBOT, 1997:34f) und der Saisonarbeiterin der Agro-Industrie an der Pazifikküste inGuatemala. Nicht selten hat sie Verschuldungin Lohnknechtschaft getrieben, die sich auchauf ihre Kinder überträgt.

In der wissenschaftlichen Diskussion ist es

mittlerweile Mehrheitsmeinung, dass dasWohlergehen vieler indigener Gemeinschaftenund die Respektierung ihrer Menschenrechte

zu einem wesentlichen Teil davon abhängen,dass der permanente Besitz des Territoriums

und dessen Selbstverwaltung garantiert sind(B ARIÉ, 2002:556). Diese Hypothese über kul-turelle Reproduktion geht von einer direktenBeziehung zwischen kollektiven Territorial-

rechten, Autonomie, Menschenrechten undnachhaltiger menschlicher Entwicklung aus(STAVENHAGEN, 2002:57). Zahlreiche Beispiele

belegen dies insbesondere für Völker der Tief-landregionen, aber auch für Hirten und Acker-bauern. Die Landvertreibung bzw. -zerstörung

bedeutet daher in vielen Fällen ein Menschen-rechtsverbrechen.

 Allerdings gibt es auch Beispiele, wie Migran-ten eigenständige kulturelle Muster im städti-schen Kontext oder in Kolonisationszonenerhalten, sie kreativ den neuen Bedingungenanpassen oder sogar besonders stark ihrekulturelle Identität betonen (siehe auchSPEISER in diesem Band).

Verschiedene kulturelle Wurzeln der

indigenen Lebenswelten

Die eigenständigen indigenen Kulturen derGegenwart haben verschiedene Wurzeln. We-sentliche Elemente der vorspanischen Kulturenkonnten sich in vielen Gemeinschaften erhal-ten. Es sind die ländlichen indigenen Gemein-schaften im ehemaligen unmittelbaren Ein-flussgebiet der spanischen Herrschaft, in de-nen die Amalgame zwischen vorspanischerund kolonialspanisch-mittelalterlicher Kultur

noch am stärksten gegenwärtig sind. Aberauch hier finden ständige Prozesse der Integ-ration neuer kultureller Elemente und der In-

teraktion statt. Die weitgehend autonomenVölker Amazoniens konnten noch am stärksteneinen Großteil ihrer kulturellen Lebensformenund Glaubenswelt bis in die Gegenwart be-wahren – sofern sie nicht in den letzten Jahr-zehnten von protestantischen Evangelikalenmissioniert wurden. Dies ist ein kulturellerZugriff, dem viele Küstenvölker der zentral-amerikanischen Atlantikküste schon in denvergangenen Jahrhunderten ausgesetzt warenund der, wie bei den Misquito und Mayagnadie eigene Lebenswelt sehr durchdrungen hat(ROSSBACH, 1987; VON OERTZEN, 1999). Auto-chthone religiöse Vorstellungen und Praktikenwurden während der Kolonialzeit verschleiert

oder im Verborgenen praktiziert. Andere Ele-mente, wie beispielsweise die andine Rationa-lität der sozialen Organisation der Arbeit(GOLTE, 1980), in deren Rahmen Gemein-schaftsarbeiten und der Austausch von Ar-beitskraft innerhalb der comunidad  nach kultu-rell festgelegten Regeln organisiert wurden,wussten koloniale und postkoloniale Grund-herrn zu ihrem Profit auszubeuten.

Wurzeln geschlagen haben vor allem die Sozi-

alstrukturen der Kolonialzeit, sie sind im Be-wusstsein der indigenen Bevölkerung zu Aus-drucksformen der eigenen Kultur geworden:

Bereits die als typisch indigen angesehenecomunidad , die Dorfgemeinschaft, ist ein A-malgam aus vorkolonialen Strukturen, bei-

spielsweise dem ayllu  in den Anden, mit spani-schen Organisationsstrukturen der Kolonial-zeit. Gleiches gilt für die malerischen Trachtender Frauen und Männer in Mexiko, Guatemalaoder den Andenländern. Die Jesuiten schufen

in ihren Reduktionen10

  eine eigene religiöseTradition und Kultur und begründeten vielerortsneue ethnische Gemeinschaften, in dem sie Angehörige verschiedener Ethnien zu einereinzigen Gemeinschaft zwangshomogenisier-ten. Solche Neo-Ethnien sind beispielsweise

10 Es handelt sich um Dorfgründungen, in die aus-schließlich Angehörige indigener Ethnien gebrachtwurden. Ziel war die “Zivilisierung“ und “Christiani-sierung“ durch Erziehung zu einer christlichen Le-bensführung und Arbeit in einer sich selbst tragen-den Wirtschaftsgemeinschaft. Das bedeutete auch“Schutz“ der Ethnien vor dem direkten “Kontakt“ mitder kolonialspanischen Außenwelt (vgl.H AUSBERGER, 2000; KONNETZKE, 1970; PRIEN, 1985).

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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die Chiquitano und Moxeño in Ostbolivien. Inanderen Regionen gelang den Jesuiten derBruch mit der Herkunftskultur weniger voll-ständig, jedoch sind auch bei den Guaraní(Paraguay) oder den einstigen Jäger- undSammlervölkern Nordwest-Mexikos die Spurender katholischen Missionierung nicht zu über-sehen (H AUSBERGER, 2000).

Zu den Bereichen, auf denen Amalgamisie-rungsprozesse zu folgenreichen interkulturel-

len Missverständnissen führen können, gehörtdie politische Kultur. Außenstehende haben oftSchwierigkeiten, die verschiedenen Strukturen

der Repräsentanz bzw. den Umgang von Indi-genen mit westlichen sozialen Organisations-

formen zu begreifen: Für die akephal, d.h.ohne zentrale politische Instanzen und ohneHerrschaft organisierten Völker Amazoniens istein dirigente oder líder kein Repräsentant, der

verbindlich für “seine“ Gruppe sprechen odergar Verträge abschließen kann, an die sich allegebunden fühlen. Auch in Verbänden, die äu-

ßerlich westlichen Strukturen entsprechen –etwa ein sindicato (Gewerkschaft), eine asoci-

ación (Vereinigung) oder confederación (Ver-

band) – herrschen eigene kulturelle Normen(STRÖBELE-GREGOR, 1992) (siehe weiter untensowie FELDT in diesem Band).

Ein weiteres Amalgam verschiedener Kulturenist das Geschlechterverhältnis und die Rolleder Frau, zumindest in den Regionen unterehemals direktem kolonial-katholischem Ein-fluss. Zwar wurden die herrschenden konser-vativ-katholischen Rollenbilder, Moralvorstel-lungen und Praktiken in den indigenen Gesell-schaften, selbst dort, wo der Missionierungs-druck, wie in den Jesuitenreduktionen, beson-ders groß war, nie vollständig übernommen.So genoss Jungfräulichkeit in vielen Gemein-schaften keine besondere gesellschaftlicheWertschätzung. Aber christliche Rollenbilderförderten asymmetrische Geschlechterbezie-hungen und Überlegenheitsansprüche vonMännern.

Dass dieser Einfluss das Geschlechterverhält-nis aber nicht überall einschneidend verändern

konnte, zeigen Kulturen in Amazonien und dieKultur der Raramuri (Mexiko). Hier konnten dieFrauen ihren sehr weitgehenden autonomen

Status bewahren. Sie haben gleiche Landbe-sitzrechte wie die Männer, in der Ehe behaltensie ihren Individualbesitz, bestimmen die häus-liche Wirtschaft maßgeblich mit und Eheausei-nandersetzungen können in der Öffentlichkeitverhandelt werden. Ungleich ist ihr Zugang zureligiösen und politischen Ämtern – davon sindsie, mit Ausnahme auf dem Land, weitgehendausgeschlossen (KUMMELS, 2001).

Zaghaft beginnen sich die Geschlechterbezie-

hungen auch in jenen Kulturen, die sich durchstarke Geschlechterasymmetrie auszeichnen,zu wandeln. Die Frauenrollen haben sich unter

den Anforderungen des Überlebenskampfesinnerhalb des gesamtgesellschaftlichen Struk-

turwandels und von Verarmungsprozessenbereits verändert: Wenn die Männer zu Zeitar-beiten die comunidad  verlassen, sind indigeneFrauen gezwungen, jene Arbeiten in der

Landwirtschaft zu übernehmen, die in der tra-ditionellen Arbeitsteilung den Männern zuka-men. Indigene Frauen auf dem Land organisie-

ren sich auf lokaler und lokalübergreifenderEbene, um Erfahrungen auszutauschen undihre Interessen öffentlich zu machen. Der An-

stoß dazu kommt zwar oftmals von außen, vonNRO, Kirchen oder Entwicklungsprojekten,wird aber von den Frauen interessiert aufge-

griffen. Männer sehen das nicht immer mitwohlwollenden Augen, auch wenn sich indi-gene Organisationen unter dem Einfluss inter-

nationaler Diskurse für die Gleichstellung derGeschlechter aussprechen. Indigene Frauenhaben dennoch seit Mitte der 80er Jahre be-gonnen, sich in ethnisch-politischen oder Pro-duzentenvereinigungen zu engagieren. Sie

haben Frauenteilorganisationen in indigenenVerbänden aufgebaut, wie den Landfrauenver-band Bartolina Sisa in Bolivien oder den Ver-band der indigenen Frauen Amazoniens inenger Kooperation mit COICA (Coordinadorade Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica). Wesentliche Repräsentanten derVerteidigung der Menschenrechte in Guate-mala sind heute Frauen. Internationales Re-nomée erwarb sich Rigoberta Menchú, die Angehörige des Volkes der Maya-Quiché, die

für ihren Einsatz für die Menschenrechte undRechte der indigenen Völker 1992 den Frie-densnobelpreis erhielt.

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Handeln im Rahmen religiöserWeltbilder 

Die sozialen Organisationsformen, die Ord-nungssysteme, ethische Normen und Werte

sind eingebunden in religiöse Glaubenssys-teme und Weltbilder. Diese Glaubenssystemesind so vielfältig, unterschiedlich und zahlreich

wie die indigenen Kulturen, weshalb eine sys-tematische Beschreibung kaum möglich ist.Einzelne Beispiele können das Gewicht indi-

gener religiöser Leitsysteme im Alltagslebenaufzeigen.

Die Religionen im amazonischen Tiefland und jener Völker, deren Wirtschaftsweise traditio-

nell auf der Sammelwirtschaft und Jagd ba-sierten, wie der Ayoreode (Paraguay, Bolivien)oder der Yaqui in Nord-Mexiko, wurden – allenMissionierungsversuchen zum Trotz – nur in Ausnahmefällen von christlichen Religionenüberlagert. Die Präsenz und Unmittelbarkeitihrer Religionen manifestiert sich in der Be-deutung von Mythen zur Erklärung und Orien-tierung im Alltagshandeln sowie in den Vor-stellungen von Gesundheit, Krankheit undHeilungspraktiken, bei denen der Schamanis-

mus eine hervorragende Bedeutung hat. Siedrückt sich aus in der Definition der Ge-schlechterrollen und -beziehungen, in der Vor-stellung von der “beseelten“ natürlichen Um-welt und einer Einordnung des Menschen alsderen Teil. Dieses Ordnungssystem kenntkeine grundsätzliche Überlegenheit des Men-schen gegenüber der natürlichen Umwelt undeinen Willen zu ihrer Beherrschung (VON

BREMEN, 1990:309) und hat es ermöglicht,dass diese Völker die natürlichen Ressourcenin beispielhafter Weise nachhaltig nutzen. Dort,wo die Marktwirtschaft oder neue Produkti-onsweisen vordringen, wo der Lebensraumbeschränkt wird und Lebensweisen sich frei-willig oder unter Druck wandeln, hat dies auchKonsequenzen auf den Umgang indigenerBevölkerung mit der Natur: Mit neuen Wirt-schaftsweisen wie der Viehzucht oder alsLohnarbeiter für Holzunternehmen beginnenso manche von ihnen, selbst an der Zerstörung

ihrer natürlichen Umwelt teilzunehmen.Wo christliche Missionierung erfolgreicher war,etwa in den Anden, den Küsten Südamerikas

oder in Zentralamerika und Mexiko, hat dies zuSynkretismen und/oder zu dualen religiösenPraktiken geführt. Ganz offensichtlich aber lebtbei der Landbevölkerung die enge Verbindungzur natürlich “beseelten“ Umwelt fort. Diesmanifestiert sich in Agrarriten, beispielsweisewenn die Andenvölker Pacha Mama  (MutterErde) als Machtwesen, zuständig für dieFruchtbarkeit des Bodens und der Frauen,verehren. Der Naturraum wird durch Machtortewie Seen oder Bergen strukturiert. In der tradi-tionellen Medizin vieler indigener Völkerherrscht die Überzeugung, dass solche OrteHeilung oder Erkrankung erzeugen können.Die strengen Riten, mit denen bestimmte Ber-

ge als Sitze der Ahnen um Schutz gebetenwerden und die Überzeugung, dass Wetterein-brüche oder anderes Unbill, welches die Fami-lien oder die comunidad  trifft, das Werk dieserzürnenden Ahnen ist, verdeutlichen, wie starkdas animistische Weltbild und die Beziehungzur Natur das Leben der campesinos  in den Anden und anderen Regionen prägen (siehe

VAN DEN BERG & SCHIFFERS, 1992).

 Ahnenverehrung und eine vergleichbare Be-

ziehung zur Natur kennen auch viele andereVölker, etwa die Mapuche in Chile und Argen-tinien oder die Maya-Völker. Bei den Maya

sind Geistwesen “Eigentümer“ jeweils be-stimmter Naturphänomene wie der Wälder, derBerge, des Regens, des Maises etc. und grei-

fen unmittelbar als ferne “Götter“ ins Leben derBauern ein. Deshalb sind sie Gegenstand be-sonders intensiver Beachtung und Verehrung.Für die immer von neuem zu stärkende Grup-penidentität der Maya ist die Verehrung von

Schutzpatronen jeweils einzelner indigenerGemeinschaften grundlegend. Sie tragen zwardie Namen christlicher Heiliger, dahinter ste-hen jedoch alte “Lokalgottheiten“ (LINDIG  &MÜNZEL, 1978:296). Wie stark diese Beziehun-gen sind, zeigt sich daran, dass der Krieg inGuatemala die Menschen zwar zeitweise vonihren Lokalgottheiten getrennt hat, sie damitdaran hinderte, die rituellen Verpflichtungen zuerfüllen, die notwendig sind, um die spirituelleBeziehung in positiver Weise aufrechtzuhalten,

aber er konnte diese Beziehung nicht zerstö-ren. SIEDER (2001) berichtet, dass der Um-stand, die Toten im Bürgerkrieg nicht entspre-

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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chend der Riten und an “ihrem Ort“ begrabenzu haben, zu schweren Belastungen in denGemeinschaften führt (siehe auch R ATHGEBER

in diesem Band).

Einen sehr weitgehenden Wandel im Glau-benssystem und im Gemeinschaftsleben be-wirken die zahlreichen protestantischen evan-

gelikalen und fundamentalistischen Glaubens-gemeinschaften. Bei den Misquito und May-agna in Nicaragua setzte dieser Prozess be-

reits im 19. Jahrhundert ein, als die Herrenhu-ter Brüdergemeinde und die Baptisten an derzentralamerikanischen Atlantikküste ihre Mis-

sionierung verstärkten. Seit den 1960er Jahrenmissionieren die unterschiedlichsten evangeli-

kalen Religionsgruppen systematisch bei derindigenen und afroamerikanischen Bevölke-rung und finden eine zunehmend große An-hängerschaft sowohl auf dem Land als auch in

der Stadt. Die Ursachen für diesen Zuspruchsind vielfältig. Dazu gehören der anhaltendeRassismus, der Ausschluss und die Marginali-

sierung der indigenen Bevölkerung, die Suchenach moralischen und zugleich pragmatischenLeitlinien, dort wo alte Weltbilder an Gültigkeit

verloren haben. Dazu gehört auch die Suchenach Handlungsmustern, die ein erfolgreiche-res Leben und Wirtschaften in Aussicht stellen

und nicht zuletzt die Erwartung, zu den Auser-wählten Gottes zu gehören. Die Bereitschaft,mit der überlieferten Kultur zu brechen,

wächst. Doch selbst diese kulturelle Entfrem-dung vermag es nicht, tief in den Menschenverwurzelte kulturelle Strukturen auszulöschen – sie verwandelt sie vielmehr (STRÖBELE-GREGOR, 1988; 1989; 2002).

Lokale Selbstverwaltung

Selbstorganisation und lokale Selbstverwal-tung sind ein wesentliches Merkmal der indi-genen Völker Lateinamerikas, wobei auch hier

die Vielfalt und die Unterschiede groß sind.

Die politische Organisation der Völker östlichder Anden reicht von weitgehend egalitär-de-zentralistischen Strukturen, die auf der Ent-scheidungsmacht der Kernfamilie und der mit

ihr verbundenen (häufig) patrilinearen Ver-wandtschaft basieren, über verschiedene For-men von Häuptlingstümern, in denen bei man-

chen Gruppen Führungspositionen von zweiHäuptlingen oder dem Schamanen neben demHäuptling eingenommen werden. Wieweit die-se traditionellen Selbstverwaltungsstrukturenerhalten bleiben, hängt auch davon ab, welcheindigenen Rechte der Nationalstaat anerkenntund schützt.

Bei den meisten indigenen bäuerlichen Völkernin Lateinamerika basiert die lokale Organisa-tion auf den Strukturen der comunidad , der

Dorfgemeinschaft. Diese Dorfgemeinschaftenkönnen unterschiedliche Ursprünge haben: Siekönnen auf einer langen lokalen Tradition be-

ruhen, können von Migranten neu gegründetoder Ergebnis von Teilungen der Gemein-

schaften bzw. Vertreibung sein.

Die Formen der soziopolitischen Organisationsind eine Mischung kolonialspanischer Struktu-ren, sowie vorspanischer Strukturen (wie bei-spielsweise des ayllu   in den Anden) und „mo-derner“ Organisationsformen (wie sie vomNationalstaat vorgegeben werden). Dazu ge-hört das sindicato  in Bolivien, ein Produkt derNationalen Revolution von 1952, in dem diedorfgemeinschaftliche Organisation mit einer

gewerkschaftlichen Struktur verbunden wurde.Fundament lokaler Organisation vieler Dorf-gemeinschaften der Anden und Guatemalas istdas aus der Kolonialzeit überlieferte hierar-chisch gegliederte Ämtersystem (cargo-Sys-tem) mit dem jährlichen Wechsel der Amtsin-haber und in Mexiko und Guatemala auch diereligiösen Bruderschaften (cofradías). Die Ver-sammlung der Autoritäten und der männlichenHaushaltsvorstände der Dorfgemeinschaftregeln alle internen Angelegenheiten. Dabeiwerden überliefertes Recht und Brauchtum,modernes nationales Recht und staatlicheVorgaben, sowie die unterschiedlichen lokalenaktuellen Bedingungen pragmatisch und situa-tionsbezogen kombiniert. Frauen haben nurStimmrecht, wenn sie verwitwet sind oder ei-nen abwesenden Lebenspartner vertreten. DieSelbstverwaltung umfasst u.a. die Organisationvon Gemeinschaftsarbeiten, Regelung derLandnutzungsrechte bei Kollektivland, Wahr-

nehmung der Beziehungen zu staatlichen In-stitutionen, die Durchführung religiöser Zere-monien und Feste.

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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In der Stadt

Nicht nur in Ländern mit starkem indigenenBevölkerungsanteil lebt mittlerweile ein Groß-teil dieser Bevölkerung in den Städten. Zum

Teil gilt dies auch für jene Länder mit einemindigenen Bevölkerungsanteil von weniger als20%. San Cristóbal de Las Casas in Chiapas

(Mexiko) ist eine Stadt der Maya, Mexiko-Stadtund Buenos Aires sind Sammelbecken zahlrei-cher indigener Zuwanderer. Viele leben schon

seit Generationen in den Städten und einigehaben einen gewissen sozialen und ökonomi-schen Aufstieg erreicht (GOLTE & ADAMS, 1987;

STEINHAUF, 1991; ALBÓ, GREAVES & S ANDOVAL,1981-1987; siehe auch SPEISER in diesem

Band).

Seit den 80er Jahren wurde die wirtschaftlicheIntegration für die große Mehrheit der Zuwan-derer aufgrund von Wirtschaftskrisen undStrukturwandel unter neoliberalem Vorzeichenungleich schwerer. Die weitgehende Marktöff-nung und Verminderung von Zöllen hat zueinem Wandel auf dem Arbeitsmarkt geführt,unter anderem zu den modernen, exportorien-tierten Weltmarktfabriken der schnell anwach-

senden Freihandelszonen, den Maquilas, indenen zunehmend auch indigene Frauen be-schäftigt werden. Aber auch zum Abbau von Arbeitsplätzen, Schließung von Unternehmenund Aufhebung der Mindestlohngrenzen (z.B.Bolivien). Die Armutsgürtel um die Großstädtehaben sich seitdem ausgedehnt und der ge-wünschte Aufstieg gestaltete sich immerschwieriger. Gleichwohl hält die Landflucht an;die Migranten hoffen auf eine einkommens-schaffende Arbeit, auf einen besseren Zugangzum Bildungs- und Gesundheitswesen, aufsoziale Anerkennung. Viele die aus Kriegs-oder Konfliktzonen flohen, wie in Guatemalaund Peru, oder noch fliehen, wie in Kolumbienoder auch Chiapas, suchen das nackte Über-leben.

Bei der Migration spielen Verwandtschafts-und Patenbeziehungen eine zentrale Rolle,und die Beziehungen zwischen Stadt und Landwerden meist über Generationen aufrechter-

halten. Bei der Zuwanderung fungieren städti-sche Verwandte oder Leute aus der Dorfge-meinschaft als Informationsträger über das

Leben in der Stadt, sind Arbeits- und Woh-nungsvermittler. Andere wichtige Informations-träger sind indigene Mittler, nicht selten männ-liche und weibliche Händler, Lehrer, Mitarbeitervon Hilfsorganisationen, NRO oder Kirchen.Für die Städter ist die Verbindung in ihre Her-kunftsgemeinde oft ein wesentlicher strategi-scher Bestandteil ihrer Überlebenswirtschaft.Tauschhandel und vielseitige Kooperationenzwischen Dörflern und Städtern ergänzen dasnotwendige Einkommen.

Dass diese sehr komplexen Stadt-Landbezie-hungen einen wesentlichen Einfluss auf das

kulturelle Leben in den ländlichen Gemeinden,auf Normen und Werte, Zukunftsvorstellungen

und -erwartungen, auf das Familienleben, dasGeschlechterverhältnis und die Beziehungenzwischen den Generationen hat, ist unüber-sehbar. In immer schnellerem Tempo führt

dies zu vielfältigen Veränderungen. Der Wan-del macht sich nicht zuletzt an der Rolle vonFrauen, ihren Positionen in der Gemeinschaft

und ihren Erwartungen bemerkbar. Diese Ent-wicklungen verlaufen allerdings nicht konflikt-frei.

Wohl die stärkste sichtbarste Präsenz indige-ner Stadtkultur findet sich in den Andenlän-dern. Hier sind die Lebensformen der indige-nen Bevölkerung stark geprägt von Kulturele-menten, deren Wurzeln im ländlichen Raumliegen und sich insbesondere in den sozialenOrganisationsformen und Handlungsnormenausdrücken. Innerhalb dieser städtischen indi-genen Bevölkerung hat eine erhebliche sozialeStratifizierung und Ausdifferenzierung stattge-funden, einschließlich der Herausbildung indi-gener Mittelschichten. Das findet auch seinenäußeren Ausdruck in den jeweiligen Wohn-vierteln. Die Pflege der Festkultur, der Musik,des Tanzes, der traditionellen Kleidung, der ei-genen Sprache, die Wiederbelebung religiöserandiner Vorstellungen und Praktiken un-terstreichen die kulturelle Identität und kon-struieren sie zugleich neu (ALBÓ, 1985). Be-sonders die Aymara haben eine differenziertestädtische indigene Kultur entwickelt (Bolivien,

Peru), die vor allem das Leben in den eigenenStadtteilen und der Stadt El Alto bestimmen

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(S ANDOVAL & SOSTRES, 1989; STRÖBELE-GREGOR, 1989).

In Lima, wohin der ständige Zuzug von indige-nen Zuwanderern vom Hochland – und weni-

ger aus Tieflandregionen – insgesamt mehrereMillionen Menschen ausmacht, sind riesigeElendsviertel an den Rändern der Stadt ent-

standen, die sich vor allem durch prekäre Le-bensbedingungen auszeichnen. Arme Migran-ten bauen sich auch kleine Siedlungen inner-

halb bürgerlicher Viertel. Darüber hinaus gibtes in Lima innerstädtische Stadtteile mit einerälteren Zuwanderungsgeneration aus dem

Hochland, von denen es einige zu einem ge-wissen Aufstieg gebracht haben (siehe auch

SPEISER in diesem Band).

Überleben und Tod in Zeiten desKrieges

Indigene Völker waren nicht nur im Verlauf derkolonialen und postkolonialen Epochen in be-sonderem Maße Opfer von Bürgerkriegen,Ethnozid, Vertreibung, und schweren Men-schenrechtsverletzungen, sondern auch in denletzten Jahrzehnten. Das grausamste Beispiel

ist gewiss Guatemala. Der Krieg dauerte 36Jahre. 1996 kam es zum Friedensabkommen.Den Wahrheitskommissionen der UN und deserzbischöflichen Amtes zufolge, die die Men-schenrechtsverletzungen untersuchten (CEH,1999; ODAHG, 1998), gehörten Terror undMenschenrechtsverletzungen zur Aufstands-

bekämpfungsstrategie des Staates. Systemati-sche Massaker an der indigenen Bevölkerungwaren integrales Element der “Doktrin der Na-

tionalen Sicherheit“. Mehr als 400 Maya-Dörfer

wurden im Rahmen der “Strategie der ver-brannten Erde“ (1978-1983) zerstört oder voll-

kommen ausgelöscht. Mindestens 1 Mio. Men-schen mussten ihre Gemeinschaften ver-lassen, versteckten sich in den Bergen oder

flüchteten in die Städte. Jedes vierte Gewalt-opfer war eine Frau; es fanden massenhafteund systematische Vergewaltigungen statt

(CEH, 1999a:28; ODHAG, 1998:210).

Das Friedensabkommen beinhaltet die rechtli-

che Anerkennung der Existenz der indigenenBevölkerung sowie Maßnahmen zur Verbesse-rung ihrer Rechte, ihrer wirtschaftlichen Förde-

rung und politischen Mitsprache. Sogar eineOmbudsstelle für indigene Frauen (Defensoría

de la Mujer Indígena) wurde eingerichtet.Gleichwohl wurden zentrale Teilabkommenbisher nicht umgesetzt. Die wirtschaftlicheSituation der indigenen Völker Guatemalas hatsich kaum verbessert (MINUGUA, 2003). Dieungelösten Probleme der nationalen Versöh-nung, ländliche Armut, Landkonflikte, ethni-sche und geschlechtsspezifische Diskriminie-rung schränken die Entwicklungsmöglichkeiteninsbesondere der indigenen Bevölkerung desLandes und die Transformation zur Demokratieerheblich ein.

Ein weiteres Land, in dem besonders die indi-

gene Bevölkerung unter dem bewaffnetenKampf zu leiden hatte, war Peru. Im Guerilla-krieg des “Leuchtenden Pfades“ (Sendero

Luminoso)  und der Revolutionären Bewegung

Tupac Amaru (MRTKA) handelten Militär undGuerilla nach der Devise “wer nicht für uns ist,ist gegen uns“. In Dorfgemeinschaften, die das

Pech hatten, sich in der Kampfregion zu befin-den, fanden Massaker, Mord, Verschleppung,Vertreibung und Lynchjustiz statt. Die perma-

nente Angst trieb die Menschen aus denKampfgebieten in den Anden und die Asha-ninka der Sierra Central zur massenhaften

Flucht. Nach den Erfolgen der Regierung Fuji-moris bei der Guerillabekämpfung 1992 sindzahlreiche Flüchtlinge – mit Unterstützung derUN und von NRO – in ihre alte Heimat zurück-gekehrt (HUHLE, 1997). Die heimgekehrten Ashaninka müssen jedoch erneut erleben,dass Drogenanbau und - handel, illegale Aus-beutung natürlicher Ressourcen und ein Wie-

derauftauchen des Sendero  ihre Region äu-ßerst unsicher machen.

Zu den Opfern von Krieg und Drogenwirtschaftin Kolumbien, wo sich Guerilla, Militär, rechteParamilitärs und Drogenhändler seit Jahrenbekämpfen, gehören auch viele der indigenenVölker. Auch sie werden zwischen den Frontenaufgerieben, werden getötet, vertrieben,zwangsrekrutiert oder geraten unter die Herr-schaft einer der Kriegsparteien. In Bolivien hat

die von den USA seit Jahren massiv durchge-setzte Bekämpfung des Coca-Anbaus zur Mi-litarisierung der Chapare-Region und damit zu

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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einem permanenten Konfliktherd mit blutigen Auseinandersetzungen zwischen Militär undBauern geführt.

Nicht vergessen werden sollte, wie im kurzen

Krieg zwischen Ecuador und Peru 1995 beideStaaten die beiderseits der Grenzen lebendenShuar und Achuar für ihre Zwecke instrumen-

talisierten und zur Verteidigung des jeweiligenStaates aufeinander hetzten.

3. Spannungsfeld indigenes Recht –Menschenrechte und Frauenrechte11

Wie die meisten ehemaligen kolonialen Ge-sellschaften kennzeichnet faktischer Rechts-pluralismus die Länder Lateinamerikas. Damitist das Nebeneinander mehrerer Rechtssys-teme in einem Staatsgebiet gemeint, wobeisich ein nationales, an bürgerlich-republikani-schen Grundsätzen verpflichtetes Recht über-lagert mit aus der Kolonialzeit ererbtem Recht,mit autoritärem Recht diktatorischer Regime,Kriegsrecht herrschender Militärregierungenoder lokaler Kriegsherrn bzw. der Drogenmafiasowie mit lokalen Rechtssystemen ethnischerGruppen, d.h. der indigenen Völker und der

 Afroamerikaner. Im Recht und in den Definitio-nen von “richtigem” und “falschem” Verhaltenkommen die zugrunde liegenden gesellschaft-lichen Konzepte, Wertesysteme, sozialen Or-ganisationsformen und Weltbilder zum Aus-druck. Überlagerungen lassen dualeRechtsauffassungen, Neudefinitionen, Mani-

pulationen von Recht zu. Indigene Rechtssys-teme sind “zeitgenössische Erscheinungen, diezwar in einer historischen Kontinuität zu vor-

kolonialen Rechtssystemen stehen, sich aber

in einer langen Geschichte im Zuge einer –meist konfliktiven – Auseinandersetzung mit

dem dominanten System verändert haben”(KUPPE, 2001:63).

Die Rechtspraxis lokaler Gesellschaften sowiedie dieser Rechtspraxis zugrunde liegendenWerte und Formen der Streitschlichtung alslegitim zu betrachten, und als komplementärzum nationalen Rechtssystem in der Verfas-sung zu verankern, ist allerdings bisher erst in

einzelnen Ländern festzustellen. In Bolivien

11 ausführlich dazu STRÖBELE-GREGOR, 2002

sieht die Reform des Rechtssystems, die 1995eingeleitet wurde, die zukünftige Institutionali-sierung des überlieferten Rechts vor (“Justiciatradicional o comunitaria”). Zu diesem Zweckwurden Feldstudien über das lokale Recht beizahlreichen ethnischen Gruppen durchgeführt(MJDDHH Bd.1-10, 1997/ 98) und ein Geset-zesentwurf erarbeitet, der dem Parlament vor-liegt. Gegenwärtig ist in fünf Ländern, Bolivien,Ecuador, Kolumbien, Peru und Venezuela, die Anwendung des indigenen Rechts verfas-sungsmäßig verankert. Diese offizielle Aner-kennung von Rechtspluralismus12  ist jeweilsErgebnis des politischen Kampfes indigenerBewegungen und der Erfolg von Debatten, die

sie ausgelöst haben.Keine Betrachtung über indigene Rechtsforde-rungen kann von der Rechtswirklichkeit undden bereits geschilderten gesellschaftlichen

Rahmenbedingen abstrahieren. Trotz Konsoli-dierung von formalen Demokratien ist die Di-vergenz zwischen Rechtsnormen und Rechts-

praxis unübersehbar, ebenso wie vielerortsweiterhin Amtspersonen indigene Bürger dis-kriminieren.

 Auch Menschenrechtsverletzungen gehörennoch nicht der Vergangenheit an. Sie be-schränken sich nicht auf die indigene Bevölke-rung, doch diese ist häufig in besonderemMaße betroffen. Die Verletzungen betreffensowohl die individuellen wie die sozialen Men-schenrechte, das Recht auf politische Beteili-gung ebenso wie auf körperliche Unversehrt-heit und Gesundheit. Wenn Regierungen inden Andenländern die massiven Sprühaktio-nen mit Glyphosat und anderen Chemikalien,die im Zuge der Drogenbekämpfung zum Ein-satz kommen, genehmigen, wohlwissend, dassdiese schwere Gesundheitsschäden hervorru-fen und die Gewässer und Böden vergiften,dann verletzen sie damit nicht nur das indivi-duelle Recht auf körperliche Unversehrtheit,

12  Unter spanischer Kolonialherrschaft, in der dieGesellschaft unterteilt war in die “Republik der Spa-nier“ und “Republik der indios“, gab es bereits eineoffizielle Anerkennung von Rechtspluralismus. Die

 jeweiligen ethnischen Gruppen unterstanden eige-nem Recht, wobei das spanische Rechtssystem dieInstitutionen der indios  in vielen Bereichen ein-schränkte.

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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sondern auch auf Ernährung, saubere Umweltund damit auf die Zukunftsfähigkeit der davonBetroffenen, überwiegend indigenen Gemein-wesen (RÖMPCZYK, 2001). Menschenrechts-verletzungen bei Landkonflikten – dazu gehö-ren Morde im Zuge von Landvertreibung –geschehen nicht nur in Brasilien (R ANKIN,1996; siehe auch R ATHGEBER in diesem Band).Staatliche Instanzen erweisen sich, wenn esum Rechts- oder gar Menschenrechtsverlet-zungen an Indigenen geht, nicht immer alsDurchführungsorgane des Rechtsstaats, wiedie Klagen von indigenen Repräsentanten vorder Arbeitsgruppe der UN immer wieder zeig-ten (SIEBERT, 1997). Vertrauen bringen Indi-

gene daher eher unabhängigen Vermittlern,beispielsweise den Menschenrechts-Om-budsstellen, Menschenrechtseinrichtungen derkatholischen Kirche und unabhängigen Men-schenrechtsinstitutionen (NRO) entgegen.Diese sind es, die neben den indigenen Orga-nisationen Öffentlichkeit herstellen und versu-chen, auf Regierungshandeln Einfluss zunehmen, damit die Rechte indigener Bevölke-rung respektiert und Rechtsverletzungen ge-ahndet werden.

Interne Ordnungs-, Regelungs- und Schlich-tungsinstanzen auf lokaler Ebene sind die ei-

genen indigenen Autoritäten. In ihrer Kulturverhaftet, sozial anerkannt und respektiert,üben sie ihr Amt aus. Überlieferte Werte und

Normen leiten sie, aber neuere Rechtsvorstel-lungen sind ihnen nicht fremd. WesentlichesKriterium ihrer Schlichtung ist es, den Konsensund die Harmonie in der Gemeinschaft wiederherzustellen. Die Legitimität der eigenen

Rechtssysteme ist innerhalb der jeweiligenindigenen Gemeinschaft weitgehend unum-stritten.

Wo liegen also die Probleme? Sie liegen in derFrage der Verbindlichkeit von Menschenrech-ten in nicht-westlichen Kulturen. Diese Fragestellt sich zum einen rechtssystematisch, wennverfassungsmäßig Rechtsautonomie und An-erkennung sowie Schutz kultureller und ethni-scher Vielfalt zugesichert werden, zugleich

aber die Menschenrechte Bestandteil des nati-onalen Rechtssystems sind. Und die Fragestellt sich auch angesichts eines sich wandeln-

den Rechtsempfindens innerhalb indigenerGemeinschaften. Auf der einen Seite existierenin den indigenen Rechtssystemen Straftatbe-stände und Strafen, die zu den Menschen-rechten im Widerspruch stehen – beispiels-weise ist bei einigen Völkern Ehebruch, insbe-sondere von Frauen, strafbar und wird schwerbestraft (ALBÓ & M AMANI, 1980). Eigentumsde-likte werden bei fast allen Völkern mit nachwestlicher Rechtsauffassung unverhältnismä-ßig schweren Sanktionen – harten körperlichenoder sozialen Strafen – geahndet. Solche Stra-fen sind mit dem nationalen Recht der jeweili-gen Länder nicht vereinbar. In den Staaten, diedas traditionelle Recht anerkennen, gibt es

Bemühungen, die Vereinbarkeit von indigenemRecht und nationalem Recht zu regeln, wobeidie Menschenrechte als höherrangiges RechtBerücksichtigung finden sollen. In Kolumbien,Bolivien, Ecuador und Peru liegen Entwürfe für“Koordinationsgesetze” vor.

 Auf der anderen Seite lassen sich im Rahmen

der Wandlungsprozesse in den indigenen Ge-meinschaften und durch den Einfluss externer Akteure (staatliche und private Bildungsinitiati-

ven, Entwicklungsprojekte, Menschenrechtsbü-ros etc.) auch Veränderungen im Rechtsemp-finden und in Rechtsvorstellungen beobachten.

Die rechtliche Situation von Frauen und dieRechtspraxis, der sie unterworfen sind, ist hierein besonders aussagekräftiges Beispiel. Denn

Recht reflektiert Machtverhältnisse, und dasGeschlechterverhältnis ist eingebettet in das jeweilige Gesellschaftskonzept und die Macht-verhältnisse einer Gesellschaft. Je stärker dieIdee von politischer Teilhabe und Bürgerrech-

ten Verbreitung findet, desto mehr beginnenauch Frauen diese Rechte für sich zu rekla-mieren, wenn auch zunächst zaghaft.

Bisher ist Frauendiskriminierung, d.h. massiveBenachteiligung sowohl in den Grundrechten,wie im Erbrecht und Landrecht, im Zugang zuBildung und in der Behinderung autonomerLebensentscheidungen eine Realität und pro-voziert Debatten und Konflikte in indigenenGemeinwesen. Frauen legitimieren ihre Forde-

rungen nicht selten mit dem Bezug auf dietraditionellen indigenen Geschlechterkonzepte,wie z.B. die Komplementarität der Geschlech-

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ter in den andinen und Maya-Kulturen. Damitstoßen sie eine Debatte über die Geschlech-terrollen in der eigenen Kultur an und darüber,in welcher Weise die Konzepte im Alltagslebenumgesetzt werden. Indirekt ist dies auch einekritische Auseinandersetzung mit indigenerRechtspraxis (C AMUS, 2002).

In diesem Zusammenhang beginnen indigeneFrauen auch Gewalterfahrungen innerhalb dereigenen Lebenswelt zur Sprache zu bringen.

Wie vereinzelte Studien zeigen (u.a. ALBÓ &M AMANI, 1980; [DE LA] TORRE ARAUJO, 1995 &1980; GÖBELS, 1997; H ARRIS, 1985), sind diese

Gewalterfahrungen sehr weit verbreitet undz.T. eingebettet in kulturelle Handlungsmuster.

Überliefertes indigenes Recht greift in der Re-gel im Fall häuslicher Gewalt nicht ein, begreiftdies als intrafamiliäre Angelegenheit, die zwi-schen den Eheleuten, den Familien bzw. Paten

 – compadres, comadres – zu regeln ist.Rechtsinformationen über Menschenrechteermöglichen demgegenüber, auch dieses

Thema zum Gegenstand öffentlicher Debatte

zu machen, was wiederum die Voraussetzungfür einen Wandel in der Rechtspraxis im Ge-meinwesen ist. Häusliche Gewalt wird dannnicht mehr als eine “Privatangelegenheit”, son-dern als Gegenstand der öffentlichen Sphäreverstanden und sanktioniert (STRÖBELE-GREGOR, 1999a & b).

Bisher ist es eine offene Frage, wie Vertreterdes indigenen Rechts mit diesen Wandlungenim Rechtsbewusstsein von Frauen und mit der

Überwindung ihrer Diskriminierung umgehen.Nicht selten verstecken sich indigene Männerhinter einem Diskurs, der Frauenrechtsforde-

rungen als westlichen Feminismus ablehnt, dadies eine Entfremdung von der eigenen Kultur

sei. In den indigenen Kulturen, so das Argu-ment, gäbe es keine Frauendiskriminierung.Gewalt wird als Folge von Entfremdung undUnterdrückungserfahrungen durch die domi-

nante Gesellschaft erklärt. Notwendig sei da-her die Stärkung der eigenen Kultur. So man-che indigene Frau der jungen Generation be-

friedigt diese Antwort jedoch nicht.

Foto: Jugendliche auf dem Weg zur Schule in Ngöbe-Buglé, Panama (K. LECKEBUSCH)

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Indigene Völker und Gesellschaft in Lateinamerika: Herausforderungen an die Demokratie

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4. Eigenständige Organisierungs-prozesse13

Indigenenbewegungen gehören seit den 80erJahren zu den wichtigsten sozialen Bewegun-

gen in Lateinamerika. Während der US-ameri-kanische Geheimdienst CIA sie als potentiellenDestabilisierungsfaktor sieht (ALEMANCIA,

2001), werden sie von anderen als innovativeKraft geschätzt, die neue historische Akzentesetzt und die Frage der Demokratie neu stellt.

Diesem Urteil liegt nicht nur die Bedeutungs-zunahme von ethnisch-politischen Organisati-onen, ihren Konstruktionen von indigener Iden-

tität und von Ethnizität als Legitimations-argument für soziale, kulturelle und politische

Forderungen sowie der ansteigende Mobilisie-rungsgrad zugrunde. Verstärkt mischen sichdie indigenen Organisationen auch in politi-sche Themen von nationaler und internationa-

ler Tragweite ein.

Einige wesentliche Aspekte, die die indigenePolitikgestaltung in den letzten Jahrzehntenbeeinflusst haben, sollen knapp skizziert wer-den. Der Legitimationsverlust linker Parteiennach dem Ende der Sowjetunion verstärkte

Tendenzen – wie auch in anderen Teilen derWelt – Konflikte immer stärker in ethnischen,nationalistischen und religiösen Legitimie-rungsdiskursen zu begründen. Der Bezug aufEthnizität erhielt bei sozial, kulturell, wirtschaft-lich und politisch benachteiligten Gesell-schaftsgruppen ein zunehmendes Gewicht.Die Forderungen indigener Organisationenzielten (bisher) nicht auf den revolutionärenUmsturz, richteten sich aber auf die Transfor-mation herrschender Verhältnisse in den je-weiligen Ländern. Zu den grundlegenden For-derungen gehört die Anerkennung eigenerTerritorien (ausdrücklich!), Autonomie undSelbstbestimmung im Rahmen der jeweiligenStaatsgrenzen. Auch wenn ihre politischenStrategien und Staatsvorstellungen durchausunterschiedlich sind, teilen die meisten indige-nen Bewegungen Lateinamerikas die Visioneiner multiethnischen und plurikulturellen Ge-sellschaft innerhalb einer sozial gerechten und

13 Dieser Abschnitt ist ein Ausschnitt aus der Analy-se der Organisierungsprozesse in den Andenlän-dern (STRÖBELE-GREGOR, 2004).

partizipativen Demokratie. Selbstverwaltung,das Recht auf die natürlichen Ressourceninnerhalb eigener Territorien, die Respektie-rung ihrer Menschenrechte und der jeweiligenKulturen – einschließlich einer kulturell ange-passten Gesundheitsversorgung und interkul-tureller zweisprachiger Schulbildung – sinddabei die Grundpfeiler. Wichtige Unterstützungerfahren diese Visionen und Forderungen vonder internationalen Ebene.

Deutlich zeichnen sich damit im Vergleich zuden 1960er und 1970er Jahren Veränderungenim Handlungsfeld und im politischen Selbst-

verständnis von indigenen Organisationen ab.Das betrifft sowohl die politischen Diskurse,

Zielsetzungen, Handlungsfelder als auch denpolitischen Mobilisierungsradius. Seinerzeiterfolgte die Mobilisierung der indigenen Land-bevölkerung als Bauernbewegung und ihre

Gravitationsachse war die Landfrage (weiterhinauch heute noch ein zentrales Thema). Füreinen Großteil der Bevölkerung indigener Her-

kunft jener Zeit bestand der Wunsch nach voll-ständiger Integration in die nationale Ge-sellschaft. Gleichwohl gab es bereits Organi-

sationen, die eine indigene Identität vertratenund die Anerkennung der eigenen Kulturenforderten. Doch deren Gewicht war begrenzt.

Seit Ende der 1980er Jahre nimmt der Bezugauf die ethnische Identität zu, in politischenMobilisierungs- und Organisierungsprozessengewinnen ethnisch-politische Diskurse zuneh-mend an Gewicht. Mittlerweile gibt es ein brei-tes Spektrum von Organisationen mit ver-schiedenen Wirkungsfeldern und durchausunterschiedlichen Zielen. Dazu gehören u.a.indigene Lokalverbände, Bauerngewerkschaf-ten, Produzenten- und Kulturvereine und Ver-einigungen indigener Frauen. Zur Interessens-vertretung gegenüber dem Staat und nationa-len Machtgruppen wurden regionale Organisa-tionsstrukturen und nationale Dachverbändeaufgebaut. Länderübergreifende Organisatio-nen wie der Dachverband der indigenen Orga-nisationen Amazoniens (COICA) vertreten dieInteressen indigener Völker auf internationaler

Ebene.Lokale, regionale oder nationale Verbändemobilisieren für Protestmärsche, organisieren

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Kasten 1: In Ecuador wurde das Wahlbündnis „Movimiento Plurinacional Pachakutik - Nuevo País“ vom

indigenen Dachverband CONAIE 1996 zur Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen gegründet. Bis dahin

hatte die CONAIE stets zum Wahlboykott aufgerufen, aber angesichts des unerwarteten Zuspruchs der 

Bevölkerung bei einer massiven Kampagne 1995 gegen die Privatisierungspläne des staatlichen Sektors, an

der sich Gewerkschaften, linke Parteien und die CONAIE beteiligt hatten, entstand der Plan einer eigenen

Partei. Der große Erfolg von Pachakutik bei seiner ersten Wahlbeteiligung (1996) gab der Strategie recht.Erstmals wurde eine indigene Frau, die Rechtsanwältin Nina Pacari, Vizepräsidentin des Parlaments. In den

darauffolgenden Jahren konnte Pachakutik seinen politischen Einfluss ausbauen bis hin zu einer Regie-

rungsbeteiligung 2002. Diese Beteiligung an einer Koalitionsregierung stellte sich jedoch, so ACOSTA (2004),

als eine politische Fehlentscheidung heraus. Pachakutik fehlte es zum einen an einer der schwierigen Wirt-

schaftslage angemessenen Programmatik, zum anderen hatte das Wahlbündnis seine politische Durchset-

zungskraft in der Koalition nicht richtig eingeschätzt. Sowohl der Druck des Präsidenten wie auch von

CONAIE und der Basis zwang die Pachakutik-Minister 2003 von ihren Ämtern zurückzutreten.

die Besetzungen von Erdölbohrstellen undStaudamm-Großprojekten, bringen in Zusam-menarbeit mit NROs Biopiraterie, illegalenHolzeinschlag und Umweltzerstörungen ansLicht der Öffentlichkeit und decken die Kompli-zenschaft staatlicher Institutionen auf. Sie arti-kulieren die politischen wirtschaftlichen undkulturellen Forderungen. Zum Angelpunkt wer-den zunehmend die Territorial- und Autono-mieforderungen. Als Beispiel dafür gelten u. a.die Kuna in Panama, die ihre Autonomie der

comarcas schon vor Jahrzehnten durchsetzen(allerdings in einem bewaffneten Aufstand).Bezugspunkte sind auch das Autonomiegesetzder Atlantikküste von Nicaragua, das noch aus

der Kolonialzeit stammende Recht der Resgu-ardos Indígenas  in Kolumbien und die Territo-rialgesetze für die amazonischen Völker Brasi-liens. In Ländern wie Mexiko, Chile, Boliviensteht die Durchsetzung der Forderung nachselbstverwalteten Territorien noch auf der poli-tischen Agenda indigener Organisationen.

Zugleich setzte Ende der 1980er Jahre mit der Ausweitung des politischen Aktionsradius derOrganisationen eine neue Entwicklung ein. In

Mexiko, Guatemala und in den AndenstaatenEcuador, Bolivien und Kolumbien treten indi-gene Organisationen als Sprachrohr der

Benachteiligten und Unzufriedenen auf undsind in der Lage, soziales Protestpotenzialüber die eigenen Reihen hinaus zu mobilisie-ren. Umgekehrt beteiligen sich indigene Orga-nisationen an Protesten und Opposition gegensoziale, ökonomische oder politische Maß-nahmen, die nicht nur Indigene betreffen. Hin-zu kommt die Strategie des parlamentarischenWeges sowie die Übernahme von Verantwor-tung und von Funktionen in der lokalen undregionalen Verwaltung. Seit den 1980er Jahrenwurden verstärkt eigene politische Parteiengegründet; zunächst hielten sie sich nicht sehrlange, weil es nicht gelang, eine größere Ak-zeptanz bei der indigenen Bevölkerung aufzu-

bauen. Das hat sich in den 1990er Jahrengeändert. Mittlerweile gibt es indigene Parla-mentarier, Minister, Bürgermeister, Kreisver-waltungen, Senatoren. In Quetzaltenango stelltdie indigene Partei Xel-Ju seit 1995 die Depar-tementsregierung. In Bolivien wurde 1994 erst-mals ein Mann indigener Herkunft Vizepräsi-dent, und Ende der 1990er Jahre war derGouverneur des Departements Cauca in Ko-lumbien ein Angehöriger des indigenen Volkesder Guambiano (siehe auch FELDT  in diesem

Band).

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Trotz der gemeinsamen Forderung nach Aner-kennung der Rechte der indigenen Völker undder Berufung auf die Konvention 169 der ILOsind die ideologischen Unterschiede im breitenSpektrum der indigenen Organisationen undpersönlichen Profilierungsinteressen von Füh-rungspersonen nicht zu übersehen. Dass diesgemeinsames politisches Handeln zur Verbes-serung der Lebensbedingungen verhindernkann und Gegnern oder Interessengruppen indie Hände spielt, zeigt das Beispiel in Peru, wozwei Dachverbände der Tieflandvölker, AIDESEP (Asociación Interétnica para el De-sarrollo de la Selva Peruana) und CONAP(Confederación de Nacionalidades Amazóni-

cas del Perú) miteinander um internationaleGelder und Anerkennung als Verhandlungs-partner der Regierungen konkurrieren.

Mit Bezug auf die von Regierungen und inter-

nationalen Gebern entworfenen Entwicklungs-strategien stellen Indigene klar, dass ihre Vor-stellungen von einem würdigen Leben nicht

deckungsgleich mit Entwicklungsprogrammensind, die ihnen von außen vorgegeben werden.Viele indigene Organisationen sprechen von

einer „eigenständigen Entwicklung“, die nichteine Kopie westlicher Lebensstile sein soll.Gleichwohl bleibt hier noch vieles vage, fehlt

es an klaren Visionen und an Programmatik.Es besteht dringender Diskussionsbedarf in-nerhalb der indigenen Organisationen und bei

den Völkern darüber, wie denn ein „Leben inWürde“ oder ein „gutes Leben“, wie es dieindigenen Völker anstreben (vgl. MEDINA, 2001& 2002), zu gestalten ist.

 Auch wenn der Einzug in die Parlamente in-nerhalb der indigenen Völker vieler Staaten alsein wichtiger und notwendiger Schritt auf demWeg zur politischen Teilhabe gewürdigt wird,sind die Erfahrungen, die indigene Bewegun-gen dabei machen, mehr als ambivalent. Zwarsind sie stärker an den politischen Debattenbeteiligt, gleichwohl müssen sie erleben, dassdie herrschende politische Kultur und dieDurchsetzungskraft von Machtgruppen siedaran hindert, Einfluss auf politische Entschei-

dungen von Tragweite zu nehmen. Ecuador istein Lehrstück. Die Beteiligung von Pachakutikan der Koalitionsregierung in Ecuador verdeut-

licht, vor welchen Herausforderungen indigeneBewegungen stehen, wenn sie sich an einerRegierung beteiligen.

5. Erste Teilerfolge auf nationaler und

internationaler Ebene

Politische Diskurse und Strategien der indige-nen Organisationen zeigen Wirkungen. Regie-

rungen geraten unter Legitimitätsdruck, dazunehmend breitere Teile der Bevölkerungsowie Gewerkschaften und Oppositionspar-

teien die Forderungen unterstützen. Zu denTeilerfolgen auf der politischen Ebene gehört,dass einige Staaten Rechts- und Verfassungs-

reformen verabschiedet haben, in denen die

kulturelle und ethnische Diversität bzw. dermultikulturelle und pluriethnische Charakter derlateinamerikanischen Staaten14 sowie die indi-genen Sprachen und Kulturen anerkannt wur-den (siehe auch ABRAM  in diesem Band), dieILO-Konvention 169 ratifiziert wurde und damitRechtsstatus erhielt15 und zahlreiche Einzel-rechte reformierten16  (siehe auch R ATHGEBER

in diesem Band). In einigen Staaten wurden –wie dargestellt – weitreichende territorialeRechte zugestanden.

Indigene Verbände auf deminternationalen Parkett

Maßgeblich gefördert wurde die Reformbereit-

schaft der Regierungen durch die internatio-nale Konjunktur. Da war die kritische Be-standsaufnahme von Geschichte und Gegen-

wart anlässlich des Gedenkens an die Erobe-rung vor 500 Jahren und da waren das vonden Vereinten Nationen erklärte Jahr der Indi-

genen Völker 1993 und die UN-Dekade fürIndigene Völker ab 1995, die internen Kolonia-lismus, Rassismus, Unterdrückung, Ausbeu-

 14 Argentinien 1994, Bolivien 1994, Brasilien 1988,Kolumbien 1991, Costa Rica 1977, Ecuador 1998,Guatemala 1985, Nicaragua 1986, Panamá 1972und 1983, Paraguay 1992, Peru 1993, Mexiko 1992.15 In Lateinamerika sind dies: Mexiko 1990, Kolum-bien 1991, Bolivien 1991, Costa Rica 1993, Para-guay 1993, Peru 1994, Honduras 1995, Guatemala1996, Ecuador 1998, Argentinien 2000, Venezuela

2002.16 Eine aktuelle Analyse der Rechtssituation in denverschiedenen Staaten bietet B ARIÈ, 2003 (überwww.indigenista.org)

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tung, religiöse und kulturelle Intoleranz in einerbreiten Öffentlichkeit thematisierten. Zugleichhatte die beharrliche, jahrelange Arbeit vonMenschenrechtsgruppen gemeinsam mit Or-ganisationen indigener Völker weltweit in derILO sowie in der “Arbeitsgruppe für indigeneFragen“ in der Unterkommission für Men-schenrechte der UN erreicht, dass internatio-nale Organisationen das Thema "Rechte indi-gener Völker" auf die Tagesordnung setzten.Die Konvention 169 der ILO wurde zur Grund-lage und Argumentationshilfe für Forderungengegenüber den Regierungen – und ist es wei-terhin. Zudem verbinden die ethno-politischenOrganisationen ihre Forderungen argumentativ

auf internationaler Ebene mit Prinzipien vonDemokratie, Partizipation und guter Regie-rungsführung und beziehen sich auf internatio-nal gültige Rechte, Konventionen und Verein-barungen (siehe auch SPEISER  in diesemBand). Damit stärken sie nicht nur ihre Legiti-mität auf nationaler Ebene. Es gelingt ihnendamit auch, internationale Öffentlichkeit für dieProblemlage und Forderungen indigener Völ-ker herzustellen, und Bündnispartner zu ge-winnen.

Es war die Zapatistenbewegung EZLN in Chi-apas (Mexiko), die mit ihren Aktionen nicht nur

internationale Aufmerksamkeit für ihre eigeneSituation und gesellschaftliche Forderungenerzeugte. Ihre unorthodoxen Methoden und

Nutzung modernster Kommunikationstechnikbewirkten in der internationalen Öffentlichkeitein gesteigertes Interesse an der Lage indige-ner Völker Lateinamerikas insgesamt. Und dieForderungen nach Anerkennung kultureller

Diversität, Autonomie und Demokratisierungder Gesellschaft trafen auf Zustimmung einerbreiten internationalen Öffentlichkeit. Seit Mitteder 1990er Jahre fehlt in kaum einem globali-sierungskritischen Diskurs die Bezugnahmeauf indigene Visionen über eine “andere Welt”und alternative Lebensformen; es gibt kaumeine internationale Veranstaltung zum ThemaNeuordnung der Welt, auf der nicht indigeneOrganisationen aus Lateinamerika präsentsind und ihre kritische Stimme erheben, sei es

in Sevilla im Juni 2002 bei der Gegenveran-staltung zum G7-Gipfel, sei es bei den ver-schiedenen internationalen Sozialforen. Indi-

rekt stärkt diese internationale Präsenz zwei-felsohne auch die Position auf der heimischenpolitischen Bühne, weil es den Regierungendamit schwerer fällt, die Legitimität der Forde-rungen der Indigenen zu negieren. Diese Ent-wicklung zeigt nicht nur, dass es den indigenenVölkern gelang, in der internationalen Öffent-lichkeit Gehör zu finden, sondern dass diesgeschieht, weil sich mit ihren Forderungenzentrale Fragen von Demokratie und der Men-schenrechte verbinden. Und es zeigt zugleich,dass sie in der internationalen Öffentlichkeitimmer mehr Unterstützer und auch Verbündetefinden.

Wenig spektakulär, dafür von großer Bedeu-

tung ist die Lobbyarbeit auf dem Parkett derVereinten Nationen, auf dem Vertreter indige-ner Völker seit über fünfzehn Jahren dafürkämpfen, eine Deklaration zu den Rechten der

indigenen Völker zu verabschieden und eineninternational anerkannten Status zu bekom-men, womit ihre Rechtsposition und damit

auch ihre Verhandlungsmacht gegenüber Re-gierungen gestärkt würde (SIEBERT, 1997;COICA, 2000; JUÁREZ, 2000). Bisher ist dies

am Widerstand der nationalen Regierungengescheitert.

 Am 13. Mai 2002 kam es endlich zur Gründungdes “Ständigen Forums für Indigene Fragen“bei den Vereinten Nationen. Dieses beratendeGremium ist dem Wirtschafts- und Sozialrat(ECOSOC) der UN angegliedert. Seine 16Mitglieder setzen sich zur Hälfte aus Vertreternder Nationalstaaten und indigenen Organisati-onen zusammen. Ihr Mandat beschränkt sichallerdings auf Empfehlungen für UN-Gremienund Entscheidungen müssen nach dem Kon-sensprinzip gefällt werden, was Regierungenstets die Möglichkeit gibt, Forderungen undKlagen indigener Völker zu verhindern. Den-noch wird die Schaffung dieses Gremiums alsein wichtiger Schritt zur gleichberechtigten Anerkennung indigener Völker bewertet, daihre Vertreter damit endlich einen offiziellenStatus in der UN erhalten (GFBV Newsletter 122, 13.5.02). Das Thema “Rechte Indigener

Völker und ihre Forderungen” erhält damitmehr Gewicht auf der internationalen Tages-ordnung.

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

DR. S ABINE SPEISER

Welche Rolle spielen indigene Völker für dieinternationale Zusammenarbeit (IZ) im Zeitalterder Globalisierung, der IZ als globaler Struk-turpolitik? Welche Rolle spielt dabei die Ent-wicklungszusammenarbeit (EZ) mit immerweniger Ressourcen, einer wachsenden Kon-zentration auf Beratung nationalstaatlicheroder transnationaler Institutionen und Förde-rung makroökonomischer Prozesse für die

indigenen Völker Lateinamerikas und der Kari-bik mit einer Gesamtzahl von 40 bis 50 Millio-nen Menschen (8 bis 10% der Bevölkerung)?1

Wer braucht wen? Braucht man sich? Werdefiniert die Regeln der Zusammenarbeit undwie wird deren Einhaltung beobachtet? SindIndigene einfach “mit gemeint“? Nehmen siesich selbst als Adressaten, d.h. Teilzielgruppeder internationalen Zusammenarbeit wahr?Partizipieren sie an den positiven Wirkungen

der Maßnahmen – als Arme in Armutsminde-rungsprojekten, als Bauern und Bäuerinnen inMaßnahmen der ländlichen Entwicklung, alsKlein- und Mittelunternehmer/innen, als Lehr-kräfte usw.? Diesen Fragen widmet sich dasKapitel in gebotener Kürze in 4 Schritten: (1)einem Rückblick auf das Verhältnis indigeneVölker und Internationale Zusammenarbeit, (2)dem Hintergrund der Diskussion: indigeneVölker auf der internationalen Ebene, (3) derdeutschen EZ mit indigenen Völkern und (4)

einer abschließenden Reflektion.

1. Indigene Völker und Entwicklungs-zusammenarbeit: eine schwierigeGeschichte

Die Entwicklungspolitik, ein relativ junges Poli-tikfeld, folgt meist Vorgaben anderer Politikfel-der und durchlief in ihrer kurzen Geschichte

1 Nach Schätzung der Interamerikanischen Entwick-lungsbank (IDB):www.iadb.org/sds/ind/index_ind_e.htm;vgl. hierzu die Zusammenstellung von B ARIÉ, 2004und in Anhang 1

einige konzeptionelle und strategische Wand-lungen. Dies betrifft auch die Zielorientierungund die Rolle, die Zielgruppen und zivilgesell-schaftliche Akteure bei der Konzipierung desPolitikfeldes und bei dessen Umsetzung inProjekten und Programmen spielen. IndigeneVölker waren nicht von Anfang an Thema derdeutschen, europäischen oder internationalenZusammenarbeit. Diese stand vielmehr seit

Ende des 2. Weltkrieges und damit zu Beginnder Entwicklungszusammenarbeit unter denPrämissen der Systemkonkurrenz zwischenOst und West. Während dieser ersten Deka-den der EZ leisteten die Industrieländer Beiträ-ge zu einer “nachholenden Entwicklung undModernisierung“ der jeweiligen Partnerländer.In dieser Zeit, in die ebenfalls die Unabhängig-keit ehemaliger afrikanischer Kolonien fiel, wardie entwicklungstheoretische Diskussion be-stimmt vom Paradigma des Wachstums undder Erwartung einer schnellen Angleichungdes Südens an die wirtschaftlichen Standardsdes Nordens. Dieser Ansatz ist mittlerweilegescheitert, eine nachholende Entwicklung derLänder des Südens fand nur höchst unvoll-ständig statt und implizierte für die Gesell-schaften, insbesondere für arme und margina-lisierte Bevölkerungsgruppen, hohe soziale

Kosten, einschließlich der direkten Zerstörungihrer Lebensgrundlagen. Letzteres gilt insbe-

sondere für große Infrastrukturmaßnahmen,die nicht nur durch die IZ sondern auch durchdie Nationalregierungen selbst realisiert wur-den, wie beispielsweise durch den Abbau von

Bodenschätzen (siehe auch FELDT  in diesemBand).

 Als Gegenentwurf zum Paradigma der Moder-nisierung entwickelte sich vor allem in Latein-amerika die Dependenztheorie, die “Unterent-wicklung“ als Folge von Abhängigkeiten desSüdens vom Norden interpretierte und andere,vornehmlich politische “Entwicklungsentwürfe“vorlegte. Die Dependenztheorie nahm mit ih-rem ökonomistischen Ansatz die Realität der

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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indigenen Völker ebenfalls nicht wahr. Seit denspäten 1950er Jahren war der lateinamerikani-sche Kontinent von revolutionären Umbrüchenund den Reaktionen darauf bestimmt. Den-noch fanden ab den 1970er Jahren auch indi-

gene Völker Lateinamerikas, insbesondere desTieflandes internationale Aufmerksamkeit. Einebesondere Rolle nimmt dabei der von Sozial-wissenschaftlern getragene Aufruf der erstenKonferenz von Barbados (“Symposium onInter-Ethnic Conflict in South America“, 1971)ein: Indigene sollten vor entfremdenden Au-ßeneinflüssen bewahrt und ihr Recht, die eige-ne Entwicklung zu definieren und umzusetzenanerkannt werden. Die konsequente Empfeh-

lung war der Rückzug weitgehend aller Au-ßeneinflüsse (Declaration of Barbados, 1971,Internetveröffentlichung).2 Die noch stellvertre-tend für die indigenen Völker sprechende Kon-ferenz (Barbados I) wurde 1977 gefolgt vonBarbados II mit intensiverer Teilnahme undunter Leitung indigener Vertreter/innen. DieErklärung von Barbados II fasst die Situationindigener Völker u.a. in der folgenden Schluss-folgerung zusammen (CONTRERAS, 1988:179):“Los pueblos indoamericanos están divididos

internamente o entre sí por la acción de laspolíticas de integración, educativas, de desa-rrollo, los sistemas religiosos occidentales, lascategorías económicas y las fronteras de losestados nacionales.“ Die hierzu internationalgeführte Diskussion begann die Wahrnehmungder Entwicklungsagenturen und Geberländerhinsichtlich ihrer Einflüsse auf indigene Völkerund deren Rolle in der Gesellschaft der Part-nerländer zu schärfen. Von größerem Einflussauf die Orientierung in der EZ waren jedoch

die Prozesse der Sichtbarwerdung indigenerVölker auf der internationalen Bühne der UN.

In der vierten Entwicklungsdekade (1991-2000) erfolgte ein umfassender Paradigmen-wechsel hin zum “Leitbild nachhaltiger Ent-wicklung, das soziale, kulturelle, wirtschaftli-che, politische und ökologische Aspekte zueinem Gesamtkonzept integriert“ (KLEMP,2000:61). Erst in diesem Prozess gelang esden Entwicklungsagenturen, die Zielgruppen

2 http://www.nativeweb.org/papers/statements/state/barbados1.php

und ihre sozialen, sozio-kulturellen und kultu-rellen Potenziale und Konditionen in den Blickzu bekommen: Männer und Frauen, Angehöri-ge verschiedener sozialer Schichten und eth-nischer Gruppen. Diese Entwicklungen finden

ihren Ausdruck in entsprechenden Veröffentli-chungen, wie z.B. durch das BMZ: Soziokultu-relle Kriterien für Vorhaben der Entwicklungs-zusammenarbeit (1992), SektorübergreifendesZielgruppenkonzept (1995) und 1999 das Par-tizipationskonzept. Das Jahr 1992 – das Ge-denken an 500 Jahre Eroberung oder “Begeg-nung der Kulturen“ – und die Organisationdieses Gedenkens durch indigene Völker inLateinamerika erleichterte ihre internationale

Wahrnehmung.Einen Ausdruck finden diese Reflektionenauch in der Verabschiedung des Papiers “För-

derung von Waldvölkern im Rahmen des Tro-penwaldprogramms“ und des “Konzepts zurZusammenarbeit mit indianischen Bevölke-

rungsgruppen in Lateinamerika“ durch dasBMZ (beide 1996). Auch andere bilateraleGeber und multilaterale Agenturen legten in

der Dekade der 1990er Jahre entsprechendeKonzepte vor. Die Diskussion war von zweier-lei Interesse geleitet: Vorrangig war das Inte-

resse an der nachweislichen Wirksamkeit deseigenen entwicklungspolitischen Tuns, d.h. derProjekte und Programme der EZ und damit

auch an der Sicherung positiver Wirkungen aufindigene Bevölkerungsgruppen. Wenn diesnicht nachweisbar war, so sollte doch zumin-

dest abgesichert werden, dass indigenen Ziel-gruppen kein Schaden zugefügt wurde.3

Diese frühen Ansätze zur Wahrnehmung indi-

gener Völker – von deutscher Seite auf Latein-amerika und die Karibik konzentriert – bezogensich vor allem auf die indigenen Völker in Tief-landregionen, meist in Waldregionen mit labi-lem ökologischen Gleichgewicht. Im Zusam-menhang mit der ökologisch orientiertenNachhaltigkeitsdiskussion kamen indigeneVölker und ihre Formen angepasster Ressour-cennutzung und damit ihre Funktionalität für

3 Im “Do-no-harm“-Ansatz im Kontext der Forderungvon Konfliktbearbeitung und Friedensentwicklungwurde dieses Interesse außerhalb des spezifischenZielgruppenbezugs auf indigene Völker zum metho-dischen Ansatz weiterentwickelt.

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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Maßnahmen des Natur- und Ressourcen-schutzes in den Blick. Die Verknüpfung desethnischen mit dem ökologischen Diskurs er-folgte international nach langen und schwieri-gen Debatten insbesondere zum Konzept des

Schutzes natürlicher Ressourcen, an denenauch indigene Organisationen aktiv beteiligtwaren. Dies findet in den Erklärungen des“Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung“ 1992in Rio de Janeiro seinen prominentesten Aus-druck. Da der ökologische Diskurs internationalmehr Aufmerksamkeit auslöste als die Forde-rungen nach Anerkennung indigener Völkerführte die gelungene Verknüpfung beider zueiner international größeren Aufmerksamkeit

für indigene Völker in ihrer Rolle als Bewahrernatürlicher Ressourcen und labiler ökologi-scher Gleichgewichte. Auf Grund seiner Be-deutung wird dieser Ansatz bis heute verfolgt.4

Foto: Saraguro- Bevölkerung im Hochland Ecuadors(S. REINHARDT)

Die Wahrnehmung indigener Völker durch dieInstitutionen der EZ korreliert auch mit denRollen, die indigene Völker innerhalb ihrerNationalstaaten einnahmen. Noch in den

1970er Jahren herrschte der Diskurs des“mestizaje“  (Mestizisierung) vor, der die direkte Ausgrenzung indigener Bevölkerung ablöste,selbst jedoch ebenfalls eine Spielart von Aus-grenzung darstellt: Indigene Völker werdendurch die Einebnung und Verleugnung ethni-scher und kultureller Charakteristika nur alsMestizen sozial anerkannt. Internationale Ent-

 4 Vgl. die Arbeitsgruppe “Indigene Völker des Fach-verbundes Ländliche Entwicklung“ der GTZ (FORO

DE PROYECTOS “DESAROLLO RURAL EN L ATINOAMÉRICA

Y C ARIBE“, 2002; 2003) und das Positionspapier imTZ - Pilotvorhaben Umwelt und Ressourcenschutzder GTZ, 1993.

wicklungen, v.a. auf der UN-Ebene, haben dieallmähliche Anerkennung in den einzelnenLändern beeinflusst. In den 1980er Jahrenwurden in vielen lateinamerikanischen Ländernindigene Völker, ihre Kulturen und Sprachen,

ihre damit verbundenen spezifischen Forde-rungen zur Kenntnis genommen und in Geset-zen, teilweise auch in neuen Verfassungenaufgegriffen. Dieser Prozess verband sich invielen lateinamerikanischen Staaten mit derDemokratisierung nach Phasen der Militärdik-tatur. Aktueller Endpunkt dieser Entwicklung istdie Verankerung des Konzepts einer multi-ethnischen oder   multikulturellen Gesell-schaft (teilweise pluriethnisch und plurinational

genannt) in der Verfassung wie in Bolivien,Brasilien, Ecuador, Guatemala, Kolumbien,Nicaragua, Panama, Paraguay und Venezuela(vgl. die zusammenfassende Analyse latein-amerikanischer Rechtssysteme durch B ARIÉ,2004).

Die einzelnen Stränge dieses Prozesses derSichtbarwerdung indigener Völker, ihre Aner-kennung in ihren Nationalstaaten, der Aufbau

von Vertretungsstrukturen auf unterschiedli-chen Ebenen bis hin zu den UN und ihre “Be-rücksichtigung“ in den Agenturen und Instan-

zen der Entwicklungszusammenarbeit ist von-einander nicht zu lösen. Der Präsenz indigenerVertreter auf UN-Ebene kommt dabei erhebli-

che Bedeutung zu. Mittlerweile ist IZ für indi-gene Völker und ihre Organisationen eine derUmfeldbedingungen, die sie in ihren Strategien

aufgreifen und an deren Gestaltung sie sichbeteiligen (wollen). Ein wesentliches Elementdieses neuen Verhältnisses Indigene Völker –

Internationale Zusammenarbeit ist die Aner-kennung der jeweiligen Kompetenzen undInteressen sowie ein dialogischer Prozess. Die

gesamtgesellschaftlichen Bedingungen in denPartnerländern, die Positionen und Situationenindigener Völker, ihre Kulturen und Lebens-weisen sind ebenso wie die Konzepte undPositionen der Institutionen der IZ permanen-tem Wandel unterworfen. Angesichts diesesWandels sind alle Beteiligte immer wieder neu

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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zu einer eigenen Positionierung im Dialog auf-gefordert.5

2. Hintergrund der Diskussion: IndigeneVölker auf internationaler Ebene

Hauptunterstützer im Prozess der Sichtbar-werdung indigener Völker waren die Vereinten

Nationen mit ihren Verlautbarungen mit welt-weiter Gültigkeit. Indigene Völker aus Latein-amerika und der Karibik waren ihrerseits wich-

tige Motoren dieser Entwicklung auf UN-Ebene.

International Labour Organisation (ILO)

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO,

International Labour Organisation) ist eineSonderorganisation der Vereinten Nationen.Sie wurde bereits 1919 gegründet und 1946 indie UN eingegliedert. Ihre Themen sind seitnahezu 100 Jahren soziale Gerechtigkeit,Menschenrechte und Arbeitsrechte. Die ILO istdas erste supranationale Gremium, das dieThematik der indigenen Völker aufgriff und bisheute die einzigen internationalen Regelwerkehierzu verantwortet. Bereits 1957 wurde dieILO Konvention 107 “Convention Concerning

the Protection and Integration of Indigenousand other Tribal and Semi-Tribal Populations inIndependent Countries“ erarbeitet und verab-

schiedet, entsprechend dem damaligen Dis-kussionsstand in einer durch Integration und Assimilation geprägten Sicht auf die indigenen

und in Stämmen lebenden Völker. Nach der im Auftrag der UN durch M ARTÍNEZ COBO  (1987)durchgeführten Studie, der Einrichtung einer

 Arbeitsgruppe zu indigenen Bevölkerungen

und dem Paradigmenwechsel in der internatio-nalen Diskussion forderten auch indigene Ver-

treter zunehmend die Überarbeitung der Kon-vention. Die Konvention 169 “Indigenous andTribal Peoples Convention“ ist Produkt dieser

Überarbeitung. Sie wurde 1989 verabschiedetund trat 1991 in Kraft. Sie ist aktuell der Aus-gangspunkt aller internationalen Dokumente,

Erklärungen und Übereinkünfte sowie der EZ-

 5 Das BMZ bereitet aktuell in Zusammenarbeit mitEntwicklungsagenturen und NRO die Fortschrei-bung seines Konzeptes zur Zusammenarbeit mitindigenen Völkern vor, das mit indigenen Vertre-ter/innen abgestimmt werden soll.

Konzepte zu indigenen Völkern. Sie ist auchwichtigster Bezugspunkt für indigene Organi-sationen und ihre politischen Forderungen.

Die Konvention 169 garantiert als einziges

internationales Regelwerk mit völkerrechtlicherVerbindlichkeit den indigenen Völkern dasRecht auf eigenes, meist historisch begründe-tes Land,6  auf ihre Kultur und Sprache, undverpflichtet die unterzeichnenden Regierungenauf Mindeststandards bei der Umsetzung die-ser Rechte. Sie betont den besonderen Beitragindigener Völker zur kulturellen Vielfalt.

Die Konvention verwendet den Begriff “Völker“,schließt jedoch die damit verbundenen völker-

rechtlichen Ansprüche explizit aus. Die Dis-kussion um diese Begrifflichkeit wird immerwieder geführt. Auf deutscher Seite hat man

bislang den Begriff der “Bevölkerungen“ bzw.“Bevölkerungsgruppen“ verwandt. In Anleh-nung an internationale Vereinbarungen und

indigene Erwartungen wird in dieser Veröffent-lichung von “Völkern“ im o.g. eingeschränktenSinn gesprochen.

Mit Relevanz für die Entwicklungszusammen-

arbeit spricht die Konvention 169 den indige-nen Völkern das Recht zu, “ihre eigenen Priori-täten für den Entwicklungsprozess“ festzule-gen und bei der “Aufstellung, Durchführungund Bewertung von Plänen und Programmenfür die nationale und regionale Entwicklungmitzuwirken“. Damit verpflichtet sie auch dieGeberländer sowie die multilateralen Organisa-tionen zu dieser partizipativen Vorgehenswei-se.

Bisher wurde die Konvention von den folgen-den lateinamerikanischen Staaten ratifiziert: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Costa Rica,Dominikanische Republik, Ecuador, Guatema-la, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Paraguay,Peru, Venezuela. Darüber hinaus haben Fi-dschi, die Niederlande und Dänemark die Kon-vention ratifiziert.7  Für Panama und El Salva-

 6 Zur Diskussion um Land, Territorium, Habitat unddie Implikationen dieser Konzepte, siehe auchR ATHGEBER in diesem Band.7 Das EU Parlament hat die Mitgliedsstaaten 2002aufgefordert, dem Beispiel Dänemarks und derNiederlande zu folgen und die Konvention zu ratifi-zieren, vgl. A5-0451/23002.

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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“Respecto a demandas de cooperación inter-nacional puedo señalar lo siguiente. Dere-chos, Democracia y Ciudadanía, Recursosnaturales renovables y no renovables, Fo-mento Económico, Educación.”

FROILAN CONDORI (CSUTCB) Bolivien (Quelle:persönliche Kommunikation)

dor, die die Konvention 107, nicht aber dieKonvention 169 ratifizierten, bleibt erstere ver-bindlich. Nach einer Analyse der IDB wird dieKonvention im jeweils nationalen Recht höchstunterschiedlich, zum Teil jedoch auch von

Ländern umgesetzt, die sie nicht ratifiziert ha-ben.8  Auf der Grundlage einer qualitativen Analyse der für Indigene relevanten Geset-zeswerke reicht die Spannbreite der Imple-mentierung von über 80% in Mexiko und Ko-lumbien bis zu 20% in Guatemala.

Daneben sind indigene Völker und ihre Rechte

auch von anderen ILO Standards betroffen,beispielsweise in der Konvention 29 zurZwangsarbeit (1930), Konvention 111 zu Dis-

kriminierung in Arbeit und Beschäftigung(1958) und der “UN-Konvention zur Beseiti-gung jeder Form von Rassendiskriminierung

(1965).“

In diesem Zusammenhang ist auch die “Ameri-can Declaration on the Rights of IndigenousPeoples“ zu erwähnen, die auf Ebene der Or-ganisation Amerikanischer Staaten (OAS) be-arbeitet wird, aber noch nicht verabschiedet ist.Erst 1999 wurde der von den Staaten erarbei-

tete Erklärungsentwurf für die Kommentierungdurch indigene Vertreter/innen geöffnet und2001 gemeinsam diskutiert. Die Kontroversensind noch nicht ausgeräumt.

Arbeitsgruppe zu indigenen Völkern

Für die Präsenz indigener Völker war danebeninsbesondere seit 1982 die Arbeitsgruppe zuindigenen Bevölkerungen von Bedeutung. Die Arbeitsgruppe wurde im September 1981 vonder Unterkommission für die Förderung undden Schutz der Menschenrechte vorgeschla-gen, im März 1982 von der UN-Menschenrechtskommission angenommenund im Mai 1982 von ECOSOC (Wirtschafts-und Sozialrat der UN) gebilligt. Sie hält seit 20Jahren ein jährliches Arbeitstreffen ab. Diese Arbeitsgruppe ist die offenste der UN-Gremienfür indigene Völker: auch Vertreter/innnen vonindigenen Organisationen können daran teil-nehmen. Sie ist aktuell in ihrem Fortbestand in

die Diskussion geraten.

8 Vgl. entsprechende Details unterhttp://www.iadb.org/sds/ind

Indigene Dekade (1995-2004)

Einer Empfehlung der Weltkonferenz überMenschenrechte (1993 in Wien) folgend, dieebenfalls die indigenen Völker mit ihrem “ein-

zigartigen Beitrag zu gesellschaftlicher Ent-wicklung und Pluralismus“ würdigte, rief dieUN-Generalversammlung (Resolution 48/163of 21 Dezember 1993) die “Internationale De-kade der autochthonen Bevölkerungsgruppen

der Welt 1995-2004“ (im folgenden “indigeneDekade“) aus. Ziel der Dekade war es u.a. dieinternationale Zusammenarbeit auf die Lösung

der Probleme, mit denen indigene Völker kon-frontiert sind (Umwelt, Menschenrechte, Ent-wicklung, Bildung, Gesundheit u.a.) zu orientie-

ren. In ihrem Verlauf sollte außerdem eine UN-Erklärung zu indigenen Rechten verabschiedetwerden.

Mit Beginn der indigenen Dekade berief dieKommission eine weitere Arbeitsgruppe zurErarbeitung eines Textentwurfs ein, mit demZiel, im Rahmen der Indigenen Dekade derUN-Vollversammlung einen konsensfähigenErklärungsentwurf vorzulegen: “Open EndedWorking Group on the Draft Declaration on theRights of Indigenous Peoples“ (WGDD). Diese Arbeitsgruppe mit einer feststehenden Mit-

gliedschaft hat 1993 einen Entwurf zu einerUN-Erklärung zu Rechten der indigenen Völkererarbeitet, der seit 1994 der Menschenrechts-kommission zur weiteren Bearbeitung vorliegt.Der Vorschlag ist sehr weitreichend:

“(…) covers rights and freedoms including the

 preservation and development of ethnic and

cultural characteristics and distinct identities;

 protection against genocide and ethnocide;

rights related to religions, languages and edu-

cational institutions; ownership, possession oruse of indigenous lands and natural resources;

 protection of cultural and intellectual property;

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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maintenance of traditional economic structures

and ways of life, including hunting, fishing,

herding, gathering, timber-sawing and cultiva-

tion; environmental protection; participation in

the political, economic and social life of the

States concerned, in particular in matters

which may affect indigenous people's lives and

destinies; self-determination; self-government

or autonomy in matters relating to indigenous

 peoples' internal and local affairs; traditional

contacts and cooperation across State

boundaries; and the honouring of treaties and

agreements concluded with indigenous peo-

 ples. The draft declaration also foresees mutu-

ally acceptable and fair procedures for resolv-

ing conflicts or disputes between indigenous peoples and States, involving means such as

negotiations, mediation, arbitration, national

courts, and international and regional human

rights review and complaints mechanisms”

(UNHCHR, 1995, Internetveröffentlichung).

Hauptschwierigkeit ist die kontroverse Diskus-sion um das Selbstbestimmungsrecht indige-ner Völker.

Zum Ende der Dekade muss aktuell festge-

stellt werden, dass die Ziele nichtzufriedenstellend erreicht worden sind. Die Auswertung der Wirkungen der Dekade durchVertreter/innen indigener Organisationenweltweit kommt ebenfalls zu einem nureingeschränkt positiven Ergebnis (vgl.CONFERENCIA DEL MILENIO DE LOS PUEBLOS

INDÍGENAS, 2001). Die Arbeitsgruppe hattedaher vorgeschlagen, die Dekade um weitere10 Jahre zu verlängern. Dies wurde jedochbisher abgelehnt.

Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission

Neben der Durchführung von internationalbeachteten Studien (vgl. M ARTÍNEZ COBO, 1987und D AES, 2000) und der Einrichtung der Ar-beitsgruppen und Diskussionsforen benanntedie UN-Menschenrechtskommission einenSonderberichterstatter für indigene Angele-genheiten, Dr. Rodolfo Stavenhagen. Jährlichlegt der Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission einen Berichtüber die Situation indigener Völker vor, mitbesonderer Relevanz für die Länder, die er im

Laufe des Jahres besuchte und für die er eige-ne nationale Berichte erstellte, so zum Beispielfür Chile (2003) und Kolumbien (2004). Außer-dem ist er Ansprechpartner für alle indigenenVölker, Organisationen und Individuen, die sich

direkt an ihn wenden können.

Ständiges Forum für indigene Fragen

Einer weiteren Empfehlung der Weltkonferenzzu Menschenrechten (Wien, 1993) folgend,

beschlossen die UN die Einrichtung des “Stän-digen Forums für indigene Fragen“, das seit2002 direkt an den ECOSOC angegliedert ist.

Es nimmt die Forderung indigener Organisati-onen auf, offiziell im UN-System verankert zu

sein. Mitglieder des Ständigen Forums sind 16unabhängige Experten, die als Personen indieses Gremium berufen werden. Acht Mitglie-der werden von den Regierungen vorgeschla-

gen und weitere acht setzen sich aus Angehö-rigen indigener Völker zusammen, die vomPräsidenten des ECOSOC bestimmt, d.h. nicht

direkt von indigenen Organisationen ernanntwerden. Aufgabe des Forums ist die Beratungder Vereinten Nationen bei Angelegenheiten,die indigene Völker betreffen. Befugnisse (Be-

ratung oder Entscheidung), Zusammensetzung(berufen oder entsandt) und der Name desForums (“für indigene Völker“ oder “für indige-ne Fragen“) wurden lange diskutiert und nichtzur Zufriedenheit der indigenen Vertreter/innengelöst. Das Forum tagt seit 2002 einmal imJahr und wird 2007 evaluiert werden.

Weltkonferenzen

Die grundlegenden Positionen der UN zum

Schutz und zur Förderung indigener Völkerwurden in den einschlägigen Weltkonferenzen

seit der 1990er Dekade jeweils auf die spezifi-sche Thematik und ihre Relevanz für indigeneVölker ausformuliert. Die jeweiligen Erklärun-

gen werden auch in der Entwicklungszusam-menarbeit als sektorale Richtwerte und Emp-fehlungen aufgegriffen.

Die Empfehlungen der Weltkonferenz zu Men-schenrechten 1993 in Wien wurden bereits

genannt. Die beiden “Weltkonferenzen zurBekämpfung des Rassismus und Rassendis-kriminierung“ (1978 und 1983) haben die spe-

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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“Support should be targeted directly to in-digenous peoples organisations rather thanthe creation of complex organisational struc-tures which serve as obstacles to decision-making, disbursement and implementation.

The partnership model (...) provides a usefulpotential model for such an approach (...)”

M ARCIAL  ARIAS  (Direktor der Stiftung zurFörderung traditionellen Wissens, Panama)(Quelle: ARIAS, 2002:23)

zifische Diskriminierung indigener Völker undin ihrer Abschusserklärung einige der im Ent-wurf der WGDD genannten Prinzipien themati-siert. Ausführlich und eindrücklich finden sichdie Interessen und Rechte indigener Völker in

der “Weltkonferenz gegen Rassismus, Ras-sendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit unddamit zusammenhängender Intoleranz“ (2001in Durban) und deren Schlusserklärung wieder(UNHCHR, 2001).

Von besonderer Bedeutung für die Entwick-lungszusammenarbeit aber auch für die Situa-

tion indigener Völker war der erste “Weltgipfelfür nachhaltige Entwicklung“ 1992 in Rio deJaneiro. Insbesondere die Agenda 21 identifi-

ziert indigene Völker neben Frauen und Ge-werkschaften als relevante Gruppen und stelltin ihrem Kapitel 26 deren wichtige Rolle für die

nachhaltige Entwicklung heraus. Dies wurdeim Jahr 2002 in der Erklärung von Johannes-burg über nachhaltige Entwicklung (Rio plus

10; Artikel 25) erneut bestätigt.

Das “Übereinkommen über die biologischeVielfalt“ (Biodiversitätskonvention) wurde eben-falls 1992 in Rio de Janeiro erarbeitet und bis-

her von 186 Staaten und der EU unterzeichnet.Mit dem Artikel 8j (In-situ-Erhaltung) der Kon-vention wird erstmals Existenz und Bedeutungtraditionellen Wissens als allgemeines Kultur-gut indigener Gemeinschaften anerkannt. Da-mit wird auch das Einverständnis indigenerWissensträger zur breiten Nutzung traditionel-len Wissens und ihre Beteiligung am dabeientstehenden Gewinn festgelegt. Die schwieri-ge konkrete Umsetzung dieser Rechtsgrundla-ge beschäftigt nicht nur die darauf spezialisier-

te UN-Sonderorganisation WIPO (Weltorgani-sation für geistiges Eigentum), sondern eben-falls die Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum(TRIPS) (siehe auch ROSSBACH DE OLMOS  indiesem Band).

 Auch die Weltbevölkerungskonferenz in Kairo(1994), die Weltfrauenkonferenz 1995 in Pe-king und Habitat II (1996) in Istanbul griffen dieThematik auf, konstatierten die spezifische

Problematik indigener Völker und bestätigtenihre Rechte und Rolle für eine nachhaltigeEntwicklung ihrer Gesellschaften.

Indigene Völker sind ebenfalls bei den Welt-kongressen zu Naturschutzgebieten (IUCN)seit 1996 beteiligt und werden in den jeweili-gen Erklärungen und Empfehlungen zuletzt

2003 in Durban entsprechend gewürdigt; ihregrundlegenden Forderungen nach Land, Res-sourcen und Beteiligung werden explizit aner-kannt (siehe auch ROSSBACH DE OLMOS in die-sem Band).

Andere UN-Organisationen

 Auch andere spezialisierte UN-Organisationenhaben sektorspezifische Positionierungen hin-sichtlich indigener Völker vorgenommen. Die

WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat über

die Panamerikanische Gesundheitsorganisati-on (PAHO) mit spezifischem Fokus auf Latein-amerika 1997 die Initiative “Strategic Orientati-ons for the Implementation of the Health of theIndigenous Peoples“ lanciert (siehe auchHEISING & REINHARDT  in diesem Band). DieOrganisation der Vereinten Nationen für Bil-dung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) hatin ihrer jüngsten Erklärung zur kulturellen Viel-falt9 im vierten Artikel verdeutlicht: “The defen-

ce of cultural diversity is an ethical imperative,inseperable from respect for human dignity. Itimplies a commitment to human rights andfundamental freedoms, in particular the rightsof persons belonging to minorities and those ofindigenous peoples.“ Aber auch in Vorläufer-dokumenten mit weniger verbindlichem Cha-rakter, wie dem Bericht “Unsere kreative Viel-falt“ (1995) der “Weltkommission Kultur undEntwicklung“ unter Leitung von Pérez de Cuel-lar wird auf die Bedeutung kultureller Diversität

9 “This is a legal instrument, which recognizes, forthe first time, cultural diversity as a common heri-tage of humanity” (UNESCO, 2001).

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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und die Rolle, die indigene Völker dabei spie-len, aufmerksam gemacht. Diese internationalrelevanten Verlautbarungen werden als Be-gründung für den Schutz indigener Völker undder von ihnen verbürgten Vielfalt herangezo-

gen. Auch UNEP (Umweltprogramm der Ver-einten Nationen) bearbeitet die Thematik indi-gene Völker und hebt dabei besonders ihreRechte, Zwangsumsiedlung zu vermeiden, undsich an Entscheidungsfindungen und im Sinneeigener Prioritäten zu beteiligen, hervor. Dabeisollen vor allem indigene Frauen und Indigenein Konflikt- und Postkonfliktsituationen unter-stützt werden.

UNDP (Entwicklungsprogramm der VereintenNationen) verabschiedete erst im Jahr 2001nach mehreren Konsultationsrunden auch mitindigenen Organisationen das Konzept “UNDPand Indigenous Peoples – A Policy of Enga-

gement“. UNDP fokussiert in seiner Kooperati-on mit indigenen Völkern auf intellektuelle Ei-gentumsrechte, Armutsreduzierung sowie Kon-fliktprävention und Friedensförderung, und willPerspektiven und Entwicklungskonzepte indi-gener Völker in die eigene Arbeit integrieren.Damit soll langfristig die Beteiligung indigenerVölker auf allen Entscheidungsebenen erreichtwerden.

Foto: Maya Kinder in Guatemala (A. BEGEMANN)

Mit diesen verbindlichen Vereinbarungen derVölkergemeinschaft wird für die Entwicklungs-zusammenarbeit ein Rahmen vorgegeben undsektoral präzisiert, der für multi- und bilateraleGeber und Entwicklungsagenturen nicht nureine hilfreiche Orientierung sein kann, sondernStandards definiert und bindenden Charakterhat. Die auf UN-Ebene vereinbarten Rechte

indigener Völker betreffen nicht nur die Ver-tragsstaaten der ILO Konvention 169 und dieStaaten mit indigenem Bevölkerungsanteil,sondern auch all jene Staaten und Institutio-

nen, die mit ihrem Einfluss die Entwicklunganderer Länder und damit auch die Chancenund Möglichkeiten dort lebender indigenerVölker mitbestimmen.

Die Gremien indigener Völker auf UN-Ebenegreifen ihrerseits die international diskutiertenThemen in ihren Sitzungen auf, und versuchendamit Synergien mit anderen mehr beachteten

Institutionen des UN-Systems zu erwirken. Sowar das zentrale Thema des “Ständigen Fo-rums für indigene Fragen“ 2003 “Indigene Kin-

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der und Jugendliche“. Damit ergab sich 2003eine inhaltliche Synergie mit den Bemühungenum die Anerkennung der Kinderrechte durchdas Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen,UNICEF (Kinderrechtskonvention von 1989,

insbesondere Artikel 30: Rechte indigenerKinder). UNICEF, 2003 wiederum hatte dieThematik indigener Kinder zum Jahresthemaerklärt und die Veröffentlichung “Ensuring theRights of Indigenous Children“ vorgelegt. DieBedeutung dieser Synergien kann nicht über-schätzt werden: Wenn UNICEF die Thematikindigener Kinder und Jugendlicher aufgreift,und die Rechte der entsprechenden Konventi-on spezifisch für diese Zielgruppe thematisiert,

hat das eine breitere Wirkung als die Diskussi-onen im eher intern wahrgenommenen “Stän-digen Forum“.10 Eine ähnlich strategische Ver-knüpfung von Themen und politischen Forde-rungen leistet die WGDD mit dem zentralenThema für 2004 “Indigene Völker und Konflikt-bearbeitung“, angesichts der zunehmendenRelevanz, die das Thema der Konfliktbearbei-tung international und in der IZ gewinnt.

Weltbank

 Als eine der ersten multilateralen Institutionenhat die Weltbank – auch auf Grund der spezifi-schen Kritik gegen bankenfinanzierte Großpro- jekte vor allem im Bereich von Infrastruktur-maßnahmen – im September 1991 ihre Leitli-nien für die Zusammenarbeit mit indigenenVölkern, die “Operational Directive (OD) 4.20“veröffentlicht, mit dem Ziel

sicherzustellen, dass indigene Völker vonEntwicklungsprojekten profitieren und,

mögliche negative Auswirkungen der Akti-vitäten der Bank auf indigene Völker zuvermeiden oder zu überwinden.

Hierzu soll ein “Indigenous People's Develop-ment Plan“ verhelfen, in dessen Rahmen Fra-gen mit Relevanz für indigene Völker als Teildes Dialogs zwischen Bank und den Empfän-gerländern festgeschrieben werden.

10  Als Indikator für die unterschiedliche Bedeutungund Bekanntheit der Konventionen sei auf die An-zahl der unterzeichnenden Staaten hingewiesen:ILO Konvention 169: 16 und Kinderrechtskonventi-on: 192.

Das Konzept definiert indigene Völker nachden Kriterien der Selbstidentifizierung undIdentifizierung durch andere, Sprache, eigenersozialer Institutionen, einer engen Bindung anihr traditionelles Land und ihre Umwelt und

einer an Subsistenzwirtschaft orientierten Pro-duktion. Diese Definition schließt weite Teileindigener Bevölkerung aus, explizit die Indige-nen, die nicht in der Landwirtschaft tätig, bzw.in Städte migriert sind.

Das Konzept befindet sich in Überarbeitung.Die neue Version wird als Operational Policy/

Bank Procedures 4.10 “World Bank Draft Indi-genous Peoples Policy“ seit 2001 mit Regie-rungen, Nichtregierungsorganisationen (NRO),

Experten und indigenen Organisationen disku-tiert.

Gleich bleibt in der neuen Version die Fokus-sierung auf indigene Völker im ländlichenRaum, einschließlich der Anerkennung indivi-dueller und kollektiver Landrechte und derBetonung indigenen Wissens. IndigeneMigrant/innen werden von diesem Konzeptweiterhin explizit ausgeschlossen (siehe auchSPEISER  in diesem Band). Positiv ist eine stär-

kere Beteiligung der indigenen Gemeinschaf-ten bei der Entwicklung und Umsetzung vonProjekten, Konsultations- und Beteiligungs-rechten vor allem auch indigener Frauen. DieUmsetzung des Konzeptes in den Vorhabender Bank soll stärker operationalisiert werden,beispielsweise im empfohlenen “Poverty andSocial Impact Analysis“.11

Interamerikanische Entwicklungsbank

Bereits seit Mitte der 1980 Jahre war es erklär-tes Ziel der Interamerikanischen Entwicklungs-bank (IDB), auf eine größtmögliche Vermei-dung negativer Neben- und Folgewirkungenihrer Arbeit auf die indigenen Völker Latein-amerikas zu achten. Folgerichtig wurden die Anliegen indigener Völker seit Beginn der1990er Jahre verstärkt in den Maßnahmen derIDB berücksichtigt.

Im Februar 2004 hat die IDB nun eine eigeneIndigenenpolitik in zwei Entwürfen (2004a;

11 Vgl. http://lnweb18.worldbank.org/ESSD/sdvext.nsf/81ByDocName/PSIAintheWorldBank

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2004b) zur weiteren Diskussion vorgelegt:“Strategic Framework for Indigenous Deve-lopment“ und “Operational Policy on Indige-nous Peoples”. Fokus ist dabei ”developmentwith identity“, “(…) a concept that recognizes

the conditions of material poverty, inequalityand exclusion of indigenous peoples, as wellas the potential of their cultural, natural andsocial assets, with a view to increasing theiraccess, with gender equality, to the opportuni-ties for socioeconomic development, at thesame time as strengthening their identity, cul-ture, territoriality, natural resources and socialorganization, under the premise that sustain-able development requires the initiative and

empowerment of the beneficiaries, respect fortheir individual and collective rights, and therecognition that indigenous peoples’ develop-ment significantly benefits society as awhole.”12 Dieser Fokus soll in Projekten, Richt-linien, Instrumenten etc. der Interamerikani-schen Entwicklungsbank verbreitet und zurUmsetzung gebracht werden.13

Weltbank und IDB unterhalten zusammen mit

anderen Entwicklungsorganisationen seit 1991das Netzwerk “Interagency network on indige-nous issues“, das erstmalig in Washington

1991, danach vier weitere Male, zuletzt im Mai2002 in Santa Cruz, Bolivien, organisiert durchden Fondo Indígena, zusammentrat. Haupt-

sächliches Ziel des Netzwerks sind der Infor-mationsaustausch und die wechselseitige Un-terstützung bei der Verbesserung der eigenen

 Arbeit mit indigenen Völkern.14

Europäische Union

Für die europäische Entwicklungszusammen-arbeit, auch für die bilaterale Kooperation dereuropäischen Länder, ist die Position der Eu-ropäischen Union (EU) von besonderer Rele-vanz, auch wenn sie für die Mitgliedsstaaten

12 Vgl. http://www.iadb.org/sds/doc/ind-GN2296E.pdf13 Eine Reihe von Studien, die für Umsetzung undMonitoring der neuen Politik von Bedeutung sind,sind auf der spezialisierten Internetseite der IDB

einsehbar: http://www.iadb.org/sds/ind14 Vgl. http://wbln0018.worldbank.org/ESSD/indigenous.nsf/Control?OpenView&DN=1&SC=QUE+ES+LA+RED+INDIGENA?&

und die EU-Administration nicht bindend ist.15

Grundlage der EU-Position ist eine Resolutiondes Europäischen Parlaments von 1994, in derdie UN-Standards für die Kooperation mit indi-genen Völkern anerkannt werden (A3-

0059/94). Berücksichtigt wurden ebenfalls dieErgebnisse einer 1995 von der “European Alliance with Indigenous Peoples“ durchgeführ-ten Studie zu den Auswirkungen von EU finan-zierten Entwicklungsvorhaben auf indigeneVölker. Ausgehend von einer Initiative Däne-marks und Spaniens hat die Europäische Uni-on ihre Politik der Entwicklungszusammenar-beit mit indigenen Völkern im “Working Docu-ment of the Commission on support for indige-

nous peoples in the development co-operationof the Community and the Member States“vom 11. Mai 1998 und in der für die Mitglieds-staaten bindenden Resolution des Europäi-schen Rats vom November des gleichen Jah-res definiert (EUROPÄISCHE UNION, 1998a,1998b).

Das Ziel der entwicklungspolitischen Koopera-tion der EU mit indigenen Völkern ist die Stär-

kung ihrer Rechte und Fähigkeiten, eine eige-ne soziale, ökonomische und kulturelle Ent-wicklung zu gestalten. In diesem Sinne soll der

Wirkungsgrad der europäischen Entwicklungs-politik erhöht und die Förderung indigener Völ-ker als Querschnittsaufgabe der EU in alle

Vorhaben integriert werden. In Fragen der Anerkennung des Widerspruchsrechts indige-ner Völker bei Projekten geht das EU-

 Arbeitsdokument über die internationalen Vor-gaben hinaus: “Indigene Völker haben dasRecht, ihren eigenen Entwicklungsweg zu

wählen, was das Widerspruchsrecht bei Pro- jekten beinhaltet, speziell auf ihren traditionel-len Gebieten. Dies umfasst auch Kompensati-

onen, wo Projekte negative Auswirkungen aufdie Lebensumstände von indigenen Völkernhaben“ (Art. 6).

Hinsichtlich der Maßnahmen in Einzugsgebie-ten von und mit Auswirkungen auf indigeneVölker verweist das Arbeitsdokument auf dasKonzept des “freien, frühzeitigen und infor-

 15 Die EU ist einschließlich der bilateralen Koopera-tion der EU Mitgliedsstaaten weltweit der größteGeber (GRIFFITHS, 2003:30).

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mierten Konsens“16. In Genehmigungspro-zessen ist die Zustimmung indigener Völkerbei Projekten, die sie betreffen, rechtzeitig undumfassend einzuholen.

Die Koordination der Zusammenarbeit mit indi-genen Völkern ist in der Generaldirektion“Auswärtige Beziehungen“ angesiedelt. In ei-nem Bericht der Kommission an den Rat wur-den im Juni 2002 die Fortschritte bei der Um-

setzung der Politik in konkrete Leitlinien undProjekte zusammengefasst. Belange undRechte indigener Völker werden im Rahmen

eines Trainingsprogramms zu Menschenrech-ten für das Personal der EU-Kommission the-matisiert. Die EU-Kommission stellte im inter-

nationalen Workshop (SPEAKING OUT, 2002)ihren Bericht zur Diskussion. Die beteiligtenindigenen Vertreter/innen formulierten ihre

Empfehlungen für die weitere Arbeit. Hieraussoll neben den Forderungen nach einer ver-bindlichen Politik und der besonderen Beto-

nung indigener Landrechte hervorgehobenwerden: “It is necessary to include the con-cerns of indigenous peoples in the elaboration

of Country Strategies and in thematic strate-gies, taking into account the Convention ofCotonou between the EU and the ACP coun-

tries which contemplates the participation ofnon-State actors in the elaboration of countrystrategies“. Diese Empfehlung verdeutlicht

zweierlei: Zum einen die Notwendigkeit, Leitli-nien der spezifischen Vereinbarungen zu indi-genen Völkern in die übrigen Strategien einzu-

führen, und zum anderen dabei die direkteBeteiligung indigener Vertreter zu ermöglichen.Die indigenen Vertreter/innen machten klar,

dass die von ihnen angestrebte langfristig ori-entierte Partnerschaft über die Projektebenehinausgeht (vgl. SPEAKING OUT, 2002: Conclu-

sions, Pkt. 3). Dabei wird die Bedeutung derReziprozität unterstrichen: “Mutuality meansthat there is a recognition that each party

brings something distinct and special to therelationship, and therefore have different rolesin the relationship. (...) on the basis of equality,taking into account the historical reality of eachof the actors in this co-operation“ (SPEAKING

16 Eigene Übersetzung, (“free, prior and informedconsent“), siehe auch unten.

OUT, 2002: Conclusions, Pkt. 5). Des weiterenwird die EU nachdrücklich aufgefordert, ihrePrinzipien der Zusammenarbeit mit indigenenVölkern in einer umfassenden und für die Mit-gliedsstaaten und die eigene Administration

bindenden Politik weiter zu bearbeiten, unddabei die Vertreter/innen indigener Völker zubeteiligen.

Dieser Ansatz spiegelt sich ebenfalls in den

Empfehlungen des “Ständigen Forums fürindigene Fragen“ bei den UN an bi- und multi-laterale Institutionen der EZ wider. Aus indige-

ner Sicht ist es eine doppelte Strategie, diezum Einsatz kommt: die Verankerung desThemas und der indigenen Völker als Partner

über eigene Strukturen, möglichst mit einemhohen Anteil an Partizipationsmöglichkeitender indigenen Organisationen, und gleichzeitig

die Verknüpfung mit bestehenden Strukturen.Dem kommen die Entwicklungsagenturen nichtin ausreichendem Maße nach, da sie sich zwar

in einzelnen Dokumenten und Rahmenrichtli-nien auf die Achtung und Förderung indigenerVölker verpflichtet haben, das Mainstreaming

der Blickrichtung auf indigene Völker aber nichtüberzeugend und nachvollziehbar in ihrenProjekten und Programmen umsetzen.

 Aktuell kann diese Verknüpfung in den neuen Armutsminderungsstrategien (Poverty Reduc-tion Strategy Process PRSP) beobachtet wer-den. Das “Poverty Reduction Strategy Paper“Boliviens vom Mai 2001 beispielsweise greiftdie Thematik indigener Völker und ihre Anfor-derungen und Potenziale zur Armutsminde-rung auf. Es ist somit ein Beispiel gelungenenMainstreaming. Hinweise finden sich auch in

den PRSP (PRS Paper) für Honduras vomDezember 2003. Wie sich dies in der Umset-zung auswirkt, wird beobachtet werden müs-sen.

 Auch außerhalb der EZ thematisieren die Gip-feltreffen zwischen der EU und den lateiname-rikanischen Staaten die Belange indigenerVölker und bestätigen deren Recht auf Aner-kennung einschließlich ihrer Sprachen und

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Kulturen und auf den Schutz ihrer traditionellenWissensbestände (OEI, 1999; 2002; 2004).17

3. Deutsche EZ und indigene Völker

Im europäischen Kontext haben folgende Län-der ein eigenes Konzept für ihre bilaterale EZmit indigenen Völkern verabschiedet: Nieder-

lande 1993, Dänemark 1994, Spanien 1997,Schweiz 1998. Im November 1996 verab-schiedete das Bundesministerium für wirt-

schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung(BMZ) sein “Konzept zur Entwicklungszusam-menarbeit mit indianischen Bevölkerungsgrup-

pen in Lateinamerika“18, das anders als Kon-zepte anderer Geber sich ausschließlich auf

Lateinamerika und die Karibik bezieht. Diesegeografische Konzentration, die sich im Kon-zept der spanischen EZ ebenfalls wiederfindet,nicht jedoch im dänischen und im EU-Konzept,

wird mit dem Organisationsgrad indigener Völ-ker in Lateinamerika und der Erarbeitung eige-ner Entwicklungsoptionen begründet, die die

Umsetzung eines spezifischen Förderansatzesin Lateinamerika erfolgversprechender er-scheinen lassen. Grundlage für die Erarbeitung

des Konzeptes waren die internationalen Kon-

ventionen und Empfehlungen der UN sowie diebis dato in der Kooperation mit den indigenenVölkern und den Ländern bzw. Regierungengewonnenen Erfahrungen. Das Konzept giltseither als verbindliche Orientierung für dieDurchführungsorganisationen der deutschenEntwicklungszusammenarbeit, wurde 1999/2000 evaluiert und soll in Kürze auf der Grund-lage der Ergebnisse weiterer Fallstudien inausgewählten Ländern (Guatemala, Bolivien,

Ecuador, 2004) überarbeitet und fortgeschrie-ben werden. Anders als in seiner ersten Versi-on (1996), in der Nicht-Regierungs-Organisationen, nicht aber indigene Vertre-

 17 Internetveröffentlichunghttp://www.oei.es/rio2.htm ;http://www.oei.es/ueal2002b.htm undhttp://www.oei.es/guadalajara.pdf18 Das BMZ-Konzept von 1996 spricht von “indiani-scher Bevölkerung“ oder “indianischen Bevölke-rungsgruppen“. Inzwischen besteht Einverständnisdarüber, von “indigenen Völkern“ zu sprechen, wo-bei der Begriff “Volk“ nicht im völkerrechtlichen Sinngebraucht wird. Eine terminologische Angleichungan den internationalen Sprachgebrauch ist für dieFortschreibung des Konzeptes zu erwarten.

ter/innen an den Diskussionen beteiligt waren,sollen jetzt auch indigene Vertreter/innen aktivan der Fortschreibung der Konzeption mitwir-ken.

Das BMZ Konzept zielt auf die “Verstärkungdes EZ Engagements zugunsten indigenerBevölkerungsgruppen“, beinhaltet aber explizit“keine einseitige Privilegierung indigener Ziel-gruppen oder die Unterstützung ethnisch orien-

tierter separatistischer Bestrebungen“ (BMZ,1996b:3). Begründet wird der Fokus auf indi-gene Völker mit einer zusammenfassenden

 Analyse ihrer anhaltenden Benachteiligungen,und der in der Praxis unzureichenden Umset-zung internationaler Verpflichtungen (ILO Kon-

vention 169).

Trotz dieser Missachtungen der Rechte indi-gener Völker sieht das BMZ Konzept Anknüp-fungspunkte in den lateinamerikanischen Staa-ten “zu grundlegenden Veränderungen in ih-rem Verhältnis zu der eigenen indianischenBevölkerung“ (BMZ, 1996b:6). Die deutscheEntwicklungszusammenarbeit unterstützt indi-gene Völker bei der Formulierung, Durchset-zung und Anerkennung ihrer legitimen Rechte

im Kontext ihrer Zielsetzungen, wie:  Armutsbekämpfung

Wahrung der Menschenrechte

Konsolidierung demokratischer Gesell-schaftsstrukturen

Politische Partizipation aller Bevölke-rungsgruppen

Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen amgesellschaftlichen Wohlstand

 Anerkennung traditioneller Kenntnisse und

 Anerkennung nachhaltiger Bewirtschaf-tungsformen in sensiblen Ökosystemen

In Regionen mit hohem indianischem Bevölke-

rungsanteil in den Andenländern, im Chaco-Gebiet (Paraguay/ Bolivien), im Amazonasbe-cken und in Mittelamerika konzentriert sich die

bisherige Förderung. Eine einseitige Konzent-ration auf im Tropenwald ansässige indiani-sche Bevölkerungsgruppen soll explizit ver-

mieden werden. Das BMZ fördert Ansätze derZusammenarbeit auf regionaler Ebene, u.a.

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“(…) como mujer, indígena y ex-dirigenta delmovimiento indígena, a nombre de los pue-blos indígenas del Ecuador agradezco eltrabajo de la Cooperación Alemana en elEcuador, y decir que ahora más que nunca,en esta nueva coyuntura que viven las comu-nidades y organizaciones exhortar a quesigan cooperando como lo vienen haciendoen todos los campos: educativo, ambiental,procesos participativos y democráticos, forta-lecimiento de economías territoriales y forma-ción de líderes.”

LOURDES TIBÁN, CONAIE, Ecuador (Quelle.persönliche Kommunikation)

“Otro tipo de cooperación ha sido la coopera-

ción solidaria, la cual ha generado procesoscon el pueblo. Estos procesos han sido parti-cipativos y la contraparte nacional se hatransformado en una fuente permanente deconsultoría para que las políticas de estadose mantengan a largo plazo.”

 ANGEL R AMÍREZ, DINEIB, Ecuador (Quelle:persönliche Kommunikation)

auch durch die länderübergreifende Kooperati-on und Vernetzung von Einzelvorhaben.

Indigene Zielgruppen sollen laut BMZ Konzeptsektorunabhängig immer einbezogen werden,wenn sie von einem Projekt direkt oder indirektbetroffen sind. Darüber hinaus nennt das Kon-zept spezifische Schwerpunkte der direktenKooperation mit indigenen Völkern wie z.B.:

Gesetzliche Absicherung der tradierten

Rechtsansprüche (individuelle und ge-

meinschaftliche Eigentums-, Besitz- undNutzungsrechte)

Schutz vor Zwangsumsiedlung, entschädi-gungsloser Enteignung und sonstigen Ein-

griffen in ihren Lebens- und Wirtschafts-raum

Sicherung des Zugangs zu Krediten, Bera-tungsdiensten und Landverteilung

Stärkung der lokalen Vertretungs- undSelbsthilfestrukturen der indianischen Ge-

meinschaften in Projekten zur Dezentrali-sierung

Berücksichtigung des indianischen Ge-wohnheitsrechts und von Konfliktregelun-gen im Rahmen von Kooperationen imRechts- und Justizbereich

Grundbildung – hier insbesondere interkul-turelle zweisprachige Erziehung (IZE)

Medien

Rechtsberatungs- und Selbsthilfeeinrich-

tungen Gender

Diese Schwerpunkte finden sich weitgehend inder Projektwirklichkeit wieder. Insbesonderewerden Projekte mit explizitem Bezug zu indi-genen Völkern in den Bereichen ländlicheEntwicklung, Erhaltung des Tropenwaldes,

Verbesserung von Primarschulbildung und –momentan weitgehend abgeschlossen – auchvon Basisgesundheitsdiensten durchgeführt.

Im Einklang mit der internationalen Diskussion

betont das Konzept des BMZ die Notwendig-keit, die indigene Bevölkerung bei der Projekt-findung über den gesamten Projektzyklus früh-

zeitig und dauerhaft einzubeziehen, und dieVorhaben auch an den Vorstellungen und derBereitschaft zur Mitarbeit der indigenen Ge-

meinschaften zu orientieren. Dabei muss mitder gebotenen Vorsicht eine Überforderungder indigenen Organisationen vermieden wer-

den. Eine wesentliche Bedeutung nimmt dieQualifizierung indigener Fach- und Führungs-kräfte und die Förderung lokaler Trägerstruktu-

ren, insbesondere indigener Organisationenein.

 Auf der Ebene des Politikdialogs mit den Part-

nerregierungen mahnt das Konzept die Einbe-ziehung indigener Belange an. In die jeweiligenKonzepte, die für die Entwicklungszusammen-arbeit mit den einzelnen Ländern und für ver-schiedene Sektoren vom BMZ erarbeitet wer-den, sollen für Indigene relevante Themen undProjekte aufgenommen werden. Das Latein-amerikakonzept des BMZ ist ein Beispiel hier-für. Die Thematik und Belange indigener Völ-ker sind auch in den folgenden Konzepten undVeröffentlichungen des BMZ präsent:

Zugang zu genetischen Ressourcen undVorteilsausgleich (2001)

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Sektorkonzept Wald und nachhaltige Ent-wicklung (2002)

Halbierung der Armut – Zweiter Zwischen-bericht (2002)

Entwicklungszusammenarbeit mit Zentral-amerika (2002)

Sektorkonzept Förderung der Grundbil-dung in Entwicklungsländern (1999)

 Aber in den jüngeren Veröffentlichungen desBMZ nach 1996 werden die Belange indigenerVölker nicht durchgängig thematisiert. Die dar-aus entstehende Inkohärenz zwischen denKonzepten schwächt jedes einzelne, insbe-sondere aber die Konzepte, die weniger Be-achtung finden.

Die Evaluierung des BMZ Konzeptes “Entwick-lungszusammenarbeit mit indianischen Bevöl-kerungsgruppen in Lateinamerika“ in den Jah-

ren 1999 und 2000 stellte u.a. kritisch fest,dass die verschiedenen Bemühungen um eineOrientierung der Vorhaben auf indigene Völ-

ker, und ihre aktive Einbindung in die Projekteund Programme untereinander zu wenig ver-netzt sind, so dass Synergien auf regionalerEbene kaum greifbar werden. Eine Arbeits-

gruppe im Fachverbund ländliche Entwicklungder GTZ hat mittlerweile Abhilfe geschaffenund koordiniert die “grünen TZ Vorhaben“ mitBezug zu indigenen Völkern.19  Insgesamtscheint die Ebene der Koordination, wie siez.B. im PPG7 (Pilotprogramm zur Bewahrungder tropischen Wälder)20 erreicht wurde, nichtgeneralisierbar zu sein. Die Arbeit der Koordi-nationsstelle Indigene Völker in Lateinamerikaund der Karibik (KIVLAK) in der GTZ-Zentrale

zielt u.a. auf die wirksamere Vernetzung und Ausrichtung der Förderansätze der deutschenEZ für indigene Völker in Lateinamerika.21

Die Evaluierung des BMZ Konzepts machteweiterhin deutlich, dass dieses eine Vielzahlvon Strategieelementen aufgreift und dabeiüber die entsprechenden Konzepte anderer

Geber hinausgeht, allerdings hinsichtlich sei-

 19 Foro de Proyectos „Desarollo Rural en Latinoa-mérica y Caribe“, 2002; 2003.20 Vgl. http://www.worldbank.org/rfpp/ (die Websitesvon GTZ und KfW zu PPG7 sind nicht mehr verfüg-bar)21 siehe www.gtz.de/indigenas

ner Operationalisierung und konkreten Umset-zung in Maßnahmen der EZ und in dem siebegleitenden Politikdialog zu vage bleibt. DasBMZ Konzept nennt keine verbindlichen In-strumente und Kriterien, die in die Planung und

Umsetzung der Vorhaben eingeführt werdenmüssen, um eine entsprechende “Berücksich-tigung“ indigener Völker sicher zu stellen. Dar-aus resultiert eine fehlende oder unzureichen-de Einbeziehung indigener Völker in den Vor-haben, die sich nicht explizit auf sie beziehen, jedoch in ihren Siedlungsgebieten, bzw. inLändern mit hohem indigenem Bevölkerungs-anteil durchgeführt werden. Auch für den Poli-tikdialog wurde das Konzept des BMZ laut

Evaluierung nur selten genutzt.Die Evaluierung konstatiert, dass Projekte undProgramme insbesondere in Ländern mit ho-

hem indigenen Bevölkerungsanteil bzw. inSektoren, die für indigene Völker besondersrelevant sind, das Konzept als Referenzrah-

men anerkennen, es aber nur eingeschränktumsetzen. Außerhalb dieser Vorhaben ist dasKonzept häufig nicht bekannt. Dagegen fällt

die Bewertung des BMZ Konzepts im Vergleichverschiedener Konzepte für die Zusammenar-beit mit indigenen Völkern laut GRIFFITHS

(2003:7 und 86-92) weniger kritisch aus.

Foto: Seminar für indigene Kleinhandwerker in San-tiago de Chile (S. HESS-K ALCHER, Proyecto GAR)

Die Fallstudie bestätigt den relativ geringenBekanntheits- und Umsetzungsgrad des Kon-zeptes und den Nischencharakter der Thema-tik. Empfehlungen und Vorschläge werdenentwickelt, den Diskurs der EZ zu indigenenVölkern zu schärfen, verstärkt innereuropäischabzustimmen, und für die jeweiligen nationalenund regionalen Kontexte zu spezifizieren. Be-sonders hervorgehoben werden der Charakterder indigenen Organisationen als Akteure (und

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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nicht nur als Zielgruppen) sowie die Bezügedes Konzeptes zu Themen der Friedensent-wicklung und der Förderung demokratischerund offener Gesellschaften. Um ein Mainstrea-ming der Thematik zu erreichen, ist es

notwendig, gezielter als bisher Erfahrungender EZ mit indigenen Völkern auszuwerten undzugänglich zu machen.

Zusammengefasst wird die Ausrichtung von

Vorhaben auf indigene Völker und ihre Einbe-ziehung als relevante Akteure in Planung,Durchführung und Evaluierung von EZ Maß-

nahmen immer dort mit Bezug auf das Konzeptdes BMZ umgesetzt, wo indigene Völker diedirekte, zu weiten Teilen auch exklusive Ziel-

gruppe von Vorhaben sind. In den meistennicht eindeutig auf indigene Völker ausgerich-teten Vorhaben ist das Konzept des BMZ nicht

in der Lage, ein Mainstreaming der Orientie-rung und eine durchgängige Partizipation indi-gener Vertreter/innen sicher zu stellen.

Die Umsetzung eines Konzeptes des BMZbedarf grundsätzlich einer internen Lobbyar-beit, die im Fall der indigenen Völker haupt-sächlich von deutschen NRO übernommen

wurde. Mit der Evaluierung des BMZ Konzep-tes (2000) und verstärkt zum Ende der Indige-nen Dekade (2004) lässt sich ein wachsendesInteresse an indigenen Völkern sowohl im BMZals auch in den großen Vorfeldorganisationen,insbesondere in der GTZ feststellen. Ohneeine solche Lobbyarbeit laufen Konzepte miteinem breit angelegten Charakter angesichtsder Vielzahl der Querschnittsthemen und zuberücksichtigenden Vorgaben Gefahr, im Ar-beitsalltag der EZ unterzugehen, und damit ein

Schattendasein zu führen. Diese Gefahr wirddurch die Programm- und Schwerpunktbildungin der TZ noch verstärkt, da explizite Zielgrup-pen in Projekten häufig zu “Querschnittsorien-tierungen“ in komplexen Programmen werden.

4. Indigene Völker in der aktuellenEntwicklungsdiskussion

Eine der zentralen Forderungen indigener Völ-ker und ihrer Organisationen gegenüber der

Entwicklungszusammenarbeit ist der “freie,frühzeitige und informierte Konsens“ alsVoraussetzung für Allokationsentscheidungen,

sowohl für Entwicklungsprojekte als auch fürWirtschaftsmaßnahmen. Die einschlägigenKonzepte internationaler Organisationen – wiedie Weltbank, die Interamerikanische Entwick-lungsbank oder Institutionen der UN – ebenso

wie das BMZ kennen dieses Prinzip und stim-men ihm zu.

Dennoch konstatiert das “Ständige Forum fürindigene Fragen” in seiner Sitzung von Mai

2003: “(…) concern over development prac-tices that do not take into account the particu-lar characteristics of indigenous communities

as groups, with their distinct cultural identitiesand often their own system of representation,thus significantly undermining meaningful ways

of participation” (E/2003/43E/C.19/2003/22:I.B.2). Deshalb schlägt das Forum demWirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) die Ein-

richtung einer auf drei Jahre angelegten spezi-fischen Arbeitsgruppe mit breiter staatlicherund zivilgesellschaftlicher, indigener und nicht

indigener Beteiligung vor, um das Prinzip desfreien, frühzeitigen und informierten Konsensinsbesondere im Bezug auf Vorhaben zum

Schutz von Naturressourcen und intellektuel-lem Eigentum zu bearbeiten.

Indigene Völker, Armut und die Millenni-um Development Goals (MDGs)

Indigene Völker sind innerhalb der meistennationalen Gesellschaften Minderheiten. Selbstda, wo sie wie in Bolivien und Guatemala dieBevölkerungsmehrheit bilden, sind sie in un-terschiedlichem Grad aus den Gesellschaftenund deren Entwicklung ausgeschlossen. Sieverstehen sich in Differenz zur Mehrheitsge-

sellschaft, sind in diese mangelhaft integriert,bzw. wehren sich gegen bestimmte “Integrati-onskonzepte“. Offen ist, wie diejenigen Indige-nen einzuordnen sind, die sich selbst zwar alsMestizen verstehen und deklarieren, sich aktivum entsprechende Integration und Anerken-nung bemühen, aber von Seiten der nicht-

indigenen Gesellschaft weiterhin als indios

ausgegrenzt werden. Es ist anzunehmen, dasses den Folgegenerationen vollständiger ge-

lingt, diese Anerkennung zu erwirken. Vieleindigene Familien sprechen beispielsweiseselbst im häuslichen Kontext in Städten nicht

mehr ihre Muttersprache, um diesen Prozess

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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“Igualmente considero, aunque la coopera-ción internacional muchas de las veces,tiene por intermedio a los estados, queimponen parámetros contrarios al de lospueblos y comunidades indígenas o quebloquean la participación directa y efectivade estos pueblos, que la cooperación debe-ría crear redes directas con las organizacio-nes, pueblos y comunidades indígenas, queles permita a ellos definir sus propios mode-

los de cooperación internacional, así comodemostrar sus capacidades administrativas,de control y participación efectiva.”

JOSÉ LUIS GONZÁLEZ, indigener Abgeordneter inder Asamblea Nacional, Venezuela

der Anerkennung und “Unsichtbarkeit“ zu be-schleunigen. Im Folgenden beziehen sich dieÜberlegungen gemäß dem Kriterium derSelbstidentifikation im wesentlichen auf dieIndigenen, die sich selbst als solche verstehen

und zu erkennen geben.

 Auf die gesellschaftliche Positionierung indige-ner Völker sowohl in der Eigen- als auch derFremdwahrnehmung nehmen die unterschied-

lichen internationalen Leitlinien Bezug. AufGrund des gesellschaftlichen Ausschlussessind Indigene in ihrer Mehrheit arm. Der Anteilder Armen unter den Indigenen übersteigt vorallem in Ländern mit einem hohen indigenenBevölkerungsanteil den Anteil Armer in dernicht indigenen Bevölkerung. PSACHAROPULOS

& P ATRINOS (1994) haben dies für ausgewählteLänder eindrucksvoll nachgewiesen, wennauch solche ökonometrischen Untersuchungenimmer mit der Unsicherheit der unzureichend

ethnisch differenzierten offiziellen Statistikenbehaftet sind. Aktuellere Untersuchungen fin-den sich hierzu auch unter den Länderprofilendes Sektorprojektes zur Armutsminderung derGTZ für Bolivien und Guatemala22  sowie inentsprechenden Länderstudien, die im Auftragder Weltbank und der InteramerikanischenEntwicklungsbank durchgeführt wurden (IDB,2004a:3). Die indigenen Frauen betonen beiihrer 4. kontinentalen Begegnung indigener

Frauen Amerikas im April 2004, dass die Ar-mut nicht nur indigen, sondern auch weiblich

22 Vgl. www.gtz.de/forum_armut/deutsch/c03.htm

ist: “Las mujeres no sólo tenemos mayoresdificultadas para acceder a los servicios edu-cativos, sino más dificultades para salir de lapobreza por las responsabilidades familiares yel cuidado de los niños, la discriminación para

acceder al mercado de trabajo, la segmenta-ción de las ocupaciones y los menores sala-rios“ (IV. Encuentro Continental de MujeresIndígenas de las Américas, 2004).23

In diesem Sinne sind indigene Arme durchausauch eingeschlossen, wenn die MillenniumEntwicklungsziele24  die Halbierung der Armut

bis 2015 als Halbierung der Anzahl der Men-schen mit durchschnittlich 1 US$ pro Tag an-streben. Indigene Organisationen von der loka-

len bis zur UN-Ebene betonen die Armut, unterder indigene Völker leiden, als Beleg von Ex-klusion und Unrecht, oft auch als Konsequenz

fehlgeleiteter Entwicklungsmaßnahmen, insbe-sondere bei Strukturanpassungsprogrammen. Andererseits gibt es Indigene, für die dieses

Kriterium der Armut (weniger als 1 US$ proTag) subjektiv nicht relevant ist. Sie stufen sichselbst nicht auf Grund dieses Kriteriums als

arm ein bzw. sie stufen sich teilweise über-haupt nicht als arm ein, obwohl das Kriteriumauf sie zutrifft. Andere lehnen diese Art von

Kategorisierung für sich, ihre Gemeinschaftenoder ihre Organisation grundsätzlich ab. Hiermüssen die international auf die MDG

orientierten Anstrengungen flexibelgehandhabt werden, um nicht erneutExklusionen zu reproduzieren. MEENTZEN

(2001:iv) bestätigt dies in ihrer Studie zuindigenen Frauen: “Se puede afirmar que lasmujeres de las comunidades no se consideran

pobres, porque cuentan con la riquezaespiritual de su cultura y pueblo indígena.”

23 Internetveröffentlichunghttp://munixela.com/infomaya/?view=sections&mod=25&id=13724 Vgl.: http://www.developmentgoals.org/http://millenniumindicators.un.org/unsd/mi/mi_goals.asp ; Millennium Entwicklungsziele (MDG) – be-schlossen auf dem UN-Millenniumsgipfel 2000 inNew York und von 189 UN-Mitgliedern unterzeich-net – sind die Agenda der internationalen Staaten-gemeinschaft zur weltweiten Bekämpfung der Armutund Ermöglichung von Entwicklung.

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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Sie betont in diesem Kontext die Erwartungindigener Frauen nicht in Abhängigkeit dieses Armutskriteriums, sondern auf Grund eineseigenständigen Rechts, spezifisch und aktiv indie Projekte und Programme einbezogen zu

werden. Nur mit dieser aktiven Teilnahmescheint eine tatsächliche Beteiligung an denWirkungen zu Armutsminderung von indigenenZielgruppen möglich zu werden.

Spezifischer Fokus oder Querschnitt?

Dieser Diskussion folgend lässt sich auch diebreitere Debatte führen: Sind Indigene “mit

gemeint“ wenn sich Entwicklungszusammen-arbeit auf “Arme“ bezieht, auf “Menschen in

bestimmten Naturschutzgebieten“ auf “Sub-sistenzbauern und –bäuerinnen“ etc.? Odersind sie nur dann einbezogen, wenn sie unddamit ihre spezifischen Lebensbedingungen

bzw. das, was sie selbst als solche wahrneh-men und identifizieren, explizit benannt wer-den? Sind indigene Völker nur dann an Ent-

wicklungsvorhaben beteiligt, wenn damit ihreeigenen Entwicklungsoptionen (“etnodesarrol-lo“, siehe auch STRÖBELE-GREGOR  in diesem

Band) verfolgt werden?

Diese Fragen lassen sich nicht für alle indige-nen Völker Lateinamerikas beantworten undmüssen mit den einzelnen Völkern und Orga-nisationen an Hand konkreter Projekte undMaßnahmen ausgehandelt werden. Von daherwird die Entwicklungszusammenarbeit immerverschiedene Strategien zur Einbeziehungindigener Völker bereithalten müssen:

die allerdings explizite Einbeziehung inbreit angelegten und nicht zielgruppenspe-zifisch bzw. ethnisch orientierten Vorhaben

die Fokussierung auf spezifische Bedürf-nisse indigener Völker und Organisationen

Eine Voraussetzung für die Einbeziehung indi-gener Völker in Vorhaben der internationalenZusammenarbeit ist der o.g. “freie, frühzeitige

und informierte Konsens“, d.h. die aktive Betei-ligung indigener Vertreter/innen als Akteure.Daneben bleibt als grundsätzliche Schlussfol-

gerung für die Entwicklungszusammenarbeitder direkte, frühzeitig und dauerhaft geführteDialog einzufordern, unabhängig davon, ob es

sich um staatliche, nicht staatliche, bi- oder

multilaterale Entwicklungsagenturen handeltund abhängig allein von der Tatsache, dassein Entwicklungsvorhaben die aktuelle Situati-on und zukünftige Perspektiven indigener Be-völkerung betrifft. Voraussetzung für diesen

Dialog ist auf der Grundlage der internationa-len Vereinbarungen die Anerkennung indige-ner Völker in ihrer Besonderheit, in ihrem Sta-tus und damit in ihrem Anspruch auf spezifi-sche Berücksichtigung, bei gleichzeitigem Ein-schluss in übergeordnete Zielgruppen. Einewichtige Rolle kommt für diesen Dialog denOrganisationen indigener Völker zu, die direkteGesprächspartner der Entwicklungsagenturenund Geber sowie auch ihrer nationalstaatlichen

Instanzen sind (vgl. ARIAS

, 2002:22).

Wessen Entwicklung, wessen Visionen?

Welche Rolle wird indigenen Völkern von der

Entwicklungszusammenarbeit zugemessenbzw. zugestanden? Sind sie Arme, Zielgruppe,“vulnerable groups“? Oder sind sie, wie bei der

gemeinsamen Tagung zur Evaluation des EU-Konzepts (SPEAKING OUT, 2002) gefordert,politische Gesprächspartner, die in ihrer Zu-

ständigkeit und Entscheidungsbefugnis über

eigene Entwicklungsprozesse ernst genom-men werden? Damit sind die Regierungen derGeberländer und die multilateralen Institutio-nen noch in anderer Weise gefordert: Die An-erkennung indigener Völker in ihrer Eigenstän-digkeit lässt sich nicht auf Projekte und Pro-gramme der Entwicklungszusammenarbeitbegrenzen. Die Diskussion in Brüssel(SPEAKING OUT, 2002: Conclusions) beleuchtetauch die schwierige Beziehung Geber – Regie-

rung – indigene Völker: “Governments can playa role in constructing these partnerships (mitGebern, S. Speiser). The main challenge forthem is to provide legal recognition of indige-nous peoples’ rights. This can then provide thebasis for successful engagements betweenindigenous peoples and other parties”(SPEAKING OUT, 2002: Conclusions, Pkt. 7).Umgekehrt muss die EZ mit indigenen Völkerndarauf orientiert sein, die aktive und kompeten-te Beteiligung indigener Organisationen und

Gemeinschaften an den Entwicklungen ihrerGesellschaften und Nationen auf den unter-schiedlichen Ebenen zu stärken.

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Welche Entwicklung für indigene Völker? Die-se Frage lässt sich auf der generellen Ebenenicht beantworten, außer mit dem Hinweis:“ihre eigene“, wie dies auch die meistenGrundlagendokumente und die politischen

Empfehlungen der internationalen Gemein-schaft und der Geberländer anerkennen. “Ihreeigene“, das schließt die Teilhabe an derzielgruppenunspezifischen Entwicklung einerRegion oder eines Berufsstandes ebenso ein,wie die spezifischen Entwicklungsoptionen fürein bestimmtes indigenes Volk oder vermitteltüber eine indigene Organisation. Damit eröff-net sich eine enorme Vielseitigkeit und Unter-schiedlichkeit von Maßnahmen, Strategien und

Optionen.

Foto: Workshop indigener Organisationen Perus(S. REINHARDT)

Optionen und Visionen indigener Völkererstrecken sich von einer vollständigenIntegration, teilweise unter Wahrung ihrerspezifischen Kulturen bis hin zu einerspezifischen Nischenentwicklung. Die staatlichvermittelte EZ favorisiert dabei im Diskurs die

kultursensible Integration indigener Völker undGemeinschaften in ihren Gesellschaften beigleichzeitiger Anerkennung ihres spezifischen

Charakters durch diese Gesellschaften. Dies

ters durch diese Gesellschaften. Dies kannsich auch in der Beteiligung indigener Organi-sationen an klassischen Instanzen politischerWillensbildung, den Parteien ausdrücken, wiein jüngster Zeit die Vorgänge in Bolivien und

Ecuador gezeigt haben.

Überall da, wo Indigene sich in ihre Gesell-schaften nur integrieren wollen, werden sie Teilder nicht ethnisch definierten Zielgruppen, wie

 Arme, Unternehmer/innen, Bauern und Bäue-rinnen, etc. Die deutsche EZ vertritt dabei kei-ne Positionen, die diese Integration im Sinne

des Verlustes einer spezifischen kulturellenund ethnischen Identität negativ konnotiert. Siefordert vielmehr im Einklang mit internationalen

Vereinbarungen die Bekämpfung des Rassis-mus der Mehrheitsgesellschaft gegenüberMinderheiten, und unterstützt die Schaffung

von Rahmenbedingungen für den Aufbau mul-tikultureller Gesellschaften, die eine unfreiwilli-ge Integration nicht mehr nötig erscheinen

lassen. Die Förderung in den eigenen Nischenist ein Konzept, das teilweise für die indigenenVölker der Regenwälder und im Kontext von

Vorhaben zum Schutz natürlicher Ressourcenverfolgt wird. Dabei werden die Völker respek-tiert, die für sich diese Option des freiwilligen

Rückzugs gewählt haben. Aus heutiger Sichtist nicht absehbar wie lange dies angesichtsdes Tempos von Prozessen der Globalisierung

aufrechterhalten werden kann.

Zu wessen Nutzen?

Welche Entwicklung wurde für die indigenenVölker durch die EZ erleichtert? Diese Fragelässt sich hier nicht abschließend beantworten.

Es ließen sich aus der Fülle der Projekte undProgramme der EntwicklungszusammenarbeitBeispiele für eine gelungene Förderung, für dieUnterstützung auf dem Weg zur selbstbe-stimmten Entwicklung, für gemeinsame Gestal-tung ebenso finden wie Beispiele für die Igno-ranz der Geber mit entsprechend negativen

 Auswirkungen auf indigene Völker, Beispielefür die falschen Konzepte, das falsche Ver-ständnis von Entwicklungsoptionen und Bei-

spiele für die Abwesenheit einer “advocacy“Haltung der EZ auf politischer Ebene. Generelllässt sich vermuten, dass immer dann, wenn

die Interessen indigener Völker mit anderen

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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wirtschaftlichen und politischen Interessenwichtiger nicht indigener Akteure ihrer Länderkonkurrieren, auch die Institutionen der Inter-nationalen Zusammenarbeit in einen Interes-senskonflikt geraten, dessen Ausgang nicht

vorhersehbar ist.

Unterschieden werden muss hier zwischenVorhaben der NRO, die direkt mit indigenenOrganisationen und Gemeinschaften kooperie-

ren, und auf der Mikroebene interessante undfür die indigenen Zielgruppen zufrieden stel-lende, aber kaum breitenwirksame und struktu-

rell wenig relevante Ergebnisse der Verbesse-rung ihrer Situation zeigen. Dies erfolgt meist,ohne dass die staatlichen Ebenen des Partner-

landes eingeschaltet werden müssen. Nichtumsonst haben die indigenen Gesprächspart-ner die NRO als “longterm partners“ (SPEAKING

OUT, 2002) bezeichnet und ihnen damit einewichtige Funktion zugewiesen. Diese Aner-kennung mindert jedoch nicht die Kritik indige-

ner Organisationen an NRO, wo diese “stell-vertretend“ doch mittlerweile häufig ungebetenals Vermittler auftreten. In diesen Fällen ist die

Position indigener Organisation eindeutig: siefordern die eigene direkte Beteiligung im Dia-log.

Ganz anders gestaltet sich die zwischenstaat-liche bilaterale Kooperation, wie sie im Auftragdes BMZ hauptsächlich durch die beiden gro-ßen Vorfeldorganisationen GTZ und KfWdurchgeführt wird. Ihre direkten Partner sindfast ausschließlich Regierungen der Partner-länder. Diese Vorhaben sind hinsichtlich ihrerWirkungen auf indigene Völker in gewisser

Weise auch abhängig von dem Platz, den dienationale Regierung den indigenen Völkernzuweist. Wie die Evaluierung des BMZ Kon-zeptes anmahnt, können die Potenziale desPolitikdialogs noch weiter ausgeschöpft wer-den. Indigene Organisationen fordern ihre di-rekte Beteiligung in den Dialogprozessen derEZ zusammen mit, aber auch ohne die Vertre-ter/innen ihrer Regierungen.

Strategien und Allianzen indigener Orga-

nisationenIndigene Organisationen spielen eine wichtigeRolle im Entwicklungsdialog. Sie sind die An-

sprechpartner, mit denen sich die Institutionender Entwicklungszusammenarbeit, ebenso wiedie Regierungen der Partnerländer direkt aus-einander setzen können. Sie vertreten ihreVölker, auch wenn gerade in diesem Vertre-

tungscharakter Anspruch und Wirklichkeit aus-einander fallen können, und verschiedeneauch kulturell bedingte Modelle von Repräsen-tativität schwierig in Einklang zu bringen sind(siehe auch FELDT  in diesem Band). Im Sinneder Beteiligung indigener Völker an Entschei-dungen zur Ressourcenallokationen, zur Defi-nition von Entwicklungsprojekten und -programmen haben die Geber und Agenturender IZ keine Alternative zum Dialog mit den

indigenen Organisationen. Nur in der Umset-zung basisnaher Projekte ist es möglich, ne-ben dem Dialog mit den Organisationen direktmit Teilen der Zielgruppe selbst zu verhandeln.

Die Anforderungen an indigene Organisationensteigen angesichts wachsender Komplexität in

einer globalisierten Welt, auch die unterschied-licher Instanzen der IZ. Dies führt zu einergewissen Bürokratisierung der Organisationen

und der Frage, ob die Positionen der Organisa-tionen in ihren Hauptstadtbüros tatsächlichkompatibel oder repräsentativ sind für die Posi-

tionen der indigenen Völker in den dörflichenGemeinschaften und Vorstadtvierteln. Die Fra-ge kann von außen nicht beantwortet werden,

auch nicht mit stichpunktartigen partizipativenBefragungen an der Basis. Sie ist Anlass zuentsprechender Förderung indigener Organisa-

tionen, insbesondere hinsichtlich einer kontinu-ierlichen Rückkopplung an ihre Basis, unddamit auch der Absicherung ihrer Repräsenta-

tivität.

Schlussbetrachtung

Zusammenfassend wird deutlich, dass dieinternationale Zusammenarbeit den Anforde-rungen und Erwartungen indigener Völker, sowie sie durch indigene Organisationen artiku-

liert werden, bislang noch nicht zufriedenstel-lend Rechnung trägt. Dabei unterscheiden dieindigenen Organisationen deutlich zwischen

den verschiedenen Gebern und Entwicklungs-agenturen. Die deutlichste Kritik wird gegen-über großen Infrastrukturprojekten geäußert, in

deren Entscheidungsprozesse weder die loka-

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Indigene Völker und Internationale Zusammenarbeit

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le Bevölkerung, einschließlich der indigenenVölker der Region, noch deren Vertretungs-strukturen involviert waren. Diese mangelndeTeilhabe ist häufig durch die Strukturen derPartnerregierung bedingt, wird aber im Laufe

des Politikdialogs nicht ausreichend von denGebern thematisiert. Positives Echo erfahrenFondsvorhaben, die indigenen Gruppen dieUmsetzung konkreter Projekte und Maßnah-men erlauben, und durch die indigenen Orga-nisationen selbst gesteuert sind (siehe auchRODRÍGUEZ  in diesem Band). Themen wie diezweisprachige Grundbildung sind Beispiele fürdas positive Einwirken von Entwicklungszu-sammenarbeit, in diesem Fall insbesondere

der deutschen TZ, auf Veränderungen natio-nalstaatlicher Politik im Sinne indigener Forde-rungen. Radikalere Positionen, wie die Forde-rung des Rückzugs der EZ aus dem Bereichindigener Völker, wie noch in den 1970er Jah-ren formuliert, werden nicht mehr aufrechter-halten. Vielmehr geht es den indigenen Vertre-ter/innen darum, die internationale Zusam-menarbeit als eine der Umfeldbedingungenmitgestalten zu können, um dadurch auch dieWirkungen zu erzielen, die sie und ihre Völker

im Sinne eigener Entwicklung anstreben. Mitden Worten der UN-Arbeitsgruppe WGDDlassen sich die Erwartungen an die IZ folgen-dermaßen zusammenfassen:

”En sustancia se trata de que el hombre y su

dignidad constituyen el fundamento del

desarollo sostenible e integran a fin de

conciliar cuatro grandes ejes, a saber: el

crecimiento económico razonablemente

 planificado, la justicia social, una política

ambiental sostenible y una distribuciónequitativa de la riqueza“ (UNHCHR, 2001a).

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Indigene Völker und Staat

HEIDI FELDT

Das Verhältnis zwischen Staat und indigenenVölkern ist seit Gründung der Nationalstaatenin Lateinamerika spannungsgeladen. Indigenewaren in der post-kolonialen Geschichte La-teinamerikas politisch, sozial und wirtschaftlichmarginalisiert, und der Staat reagierte auf ihreForderungen mit Repression und versuchte imNamen der Nationenbildung, ethnische Unter-schiede zu negieren, und indigene Völker einer Assimilierungspolitik zu unterwerfen. Erst inden letzten Jahren beginnt sich dieses Ver-hältnis zwischen Nationalstaat und indigenenVölkern zu wandeln. Interessanterweise mani-festiert sich dieser Wandel vor allem in denreformierten Verfassungen der lateinamerika-nischen Ländern, während die politisch-institutionelle Umsetzung neuer Beziehungs-modelle zwischen Indigenen und Staat nochwenig ausgereift ist.

1. Wandel der Verfassungsnormen

In den letzten 20 Jahren hat sich allerdings eingrundlegender Wandel in der rechtlichenWahrnehmung indigener Völker auf lateiname-rikanischer und internationaler Ebene vollzo-gen. Im Rahmen dieser Entwicklung habenviele Staaten Lateinamerikas den Ansatz deseinheitlichen Staates zugunsten eines auf Plu-ralismus/ Multikulturalismus beruhendenStaatsverständnisses verlassen (KUPPE, 2002;

STAVENHAGEN, 2002). In den Verfassungendieser Länder wird der plurikulturelle und mul-tiethnische Charakter der Nationalstaaten an-erkannt und den indigenen Völkern kollektiveRechte zugestanden.

Die Entwicklung der Staatsmodelle gliedertKUPPE (2002) in drei Etappen:

1. Derecho Indiano  (von der EroberungLateinamerikas bis 1820)

Indigene werden als Indios  mit eigenem

Rechtssystem und Autoritäten anerkannt,allerdings sind sie diskriminierenden Ver-

pflichtungen unterworfen.

2. Recht der Nationalstaaten  (1820 bis ca.1990, von KUPPE  als Monismus mit Dis-kriminierung der Andersartigkeit definiert)Diese Etappe unterteilt KUPPE  in vier Pha-sen, die sich über die Entmündigung derIndigenen und einer repressiven Politik hinzu der staatlichen Integrationspolitik abMitte des letzten Jahrhunderts zieht. ImRahmen dieser Politik werden Indigene als

campesino wahrgenommen.

3. Multiethnische und plurikulturelle Staat-lichkeit (seit 1985, die Andersartigkeit wirdals gleichberechtigt anerkannt)Indigene Völker gewinnen verfassungs-

rechtliche Relevanz, sie werden im Natio-nalstaat als Völker mit eigener Identitätanerkannt.

Diese Veränderungen in Verfassungsnormenermöglichen eine Neubestimmung des Ver-

hältnisses von Staat und Indigenen und eröff-nen neue Perspektiven ihrer politischen, recht-lich abgesicherten Partizipation. In den nächs-ten Jahren wird es sehr wichtig sein, ob undwie diese Verfassungsnormen in Gesetzenausgestaltet und politisch-institutionell umge-setzt werden, denn allein mit der Anerkennungin den Verfassungen ist die Marginalisierungder Indigenen durch die dominierende Gesell-schaft noch längst nicht überwunden.

Die indigenen Organisationen sind sich dessenbewusst. Der indigene Aufstand und die darauffolgenden Aktionen 1990 in Ecuador, der“Marsch für Territorium und Würde“ 1990 inBolivien, der Aufstand in Chiapas, Mexico, diewiederholte Lähmung der gesamten Wirtschaftin Ecuador und Bolivien in den letzten Jahrenund der “Erdgasaufstand“ 2003 in Bolivienzeigen nicht nur das große Mobilisierungspo-tenzial indigener Organisationen sondernauch, dass diese Organisationen, dort, wo

Indigene die Mehrheit oder einen großen Teilder Bevölkerung bilden, die Frage nach gesell-schaftlicher Macht stellen.

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Indigene Völker und Staat

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2. Die neue indigene Bewegung

Das Organisationsmodell der neuen indigenenBewegung hat seinen Ursprung in der Federa-ción de Centros Shuar in Ecuador, demConsejo Regional Indígena del Cauca (CRIC)in Kolumbien und dem Movimiento Katarista inBolivien, die sich in den 1970er Jahren desletzten Jahrhunderts herausbildeten (ASSIES,1999). Ihnen gemein war, dass sie ihre Orga-nisation auf der Zugehörigkeit zu Ethniengründeten und die bis dato verbreitete Einord-nung Indigener als campesinos ablehnten. Dieindigenen Organisationen des Tieflandes sindaus diesen Anfängen entstanden. Sie sindkleinteilig auf der Ebene von Ethnien oder Re-

gionen organisiert, haben sich aber zu regiona-len, nationalen und internationalen Förderatio-nen und Konföderationen wie der Koordinationder indigenen Organisationen des Amazonas-beckens (COICA)1 zusammengeschlossen.

 Aus einer anderen Tradition kommen die indi-

genen Organisationen des Hochlands. Ihr Ur-sprung beziehungsweise die Organisationser-fahrung vieler ihrer Führungspersonen kommt

aus der gewerkschaftlich geprägten Campesi-

no-Bewegung und verknüpft heute Forderun-gen der Bauernbewegung, wie Zugang zum

Markt, zu Krediten, allgemeine Kritik des neoli-beralen Wirtschaftsmodells mit Forderungennach zweisprachiger interkultureller Bildung

und politischer Beteiligung als Indigene an denEntscheidungsprozessen des Staates. EinigeVertreter wie Felipe Quispe in Bolivien fordern

sogar die Rückkehr zu traditionellen Gemein-destrukturen, den  Ayllu   (GOEDEKING, 2002)oder die Wiederbelebung alter Inka Strukturen.

Sie ähneln Heilsversprechungen, in dem siedie alten Strukturen der Andenvölker glorifizie-ren. Diese Strukturen werden allerdings nicht

gelebt, und von daher werden sich auch dieHeilsversprechen nicht einlösen lassen. DieForderungen haben keine große Anhänger-schaft, allerdings gewinnt der Wunsch zurückzur  Ayllu  -Struktur in Bolivien, Peru und Ecua-dor an Popularität.

Die Beziehung zwischen indigenen Organisati-

onen des Tief- und des Hochlandes ist nicht

1  Coordinadora de organizaciones indígenas de laCuenca Amazónica

konfliktfrei. Zum einen sind die Organisations-und Konflikterfahrungen unterschiedlich, zumanderen haben sie andersartige Konzepte vonTerritorialität. Daraus leiten sich verschiedeneForderungen und Schwerpunkte für die Orga-

nisationen ab. Am weitesten ist der Annähe-rungsprozess zwischen Tiefland- und Hoch-landorganisationen vielleicht in Ecuador, dadurch die Confederación de NacionalidadesIndígenas del Ecuador (CONAIE) ein gemein-samer Organisationsrahmen gegeben ist.

Die Entwicklung der indigenen Organisationenin Guatemala hat zeitverzögert eingesetzt. BisMitte der 1990er Jahre herrschte Bürgerkriegin dem Land, zu dessen Opfern vor allem die

Maya Bevölkerung zählte. Der Krieg hattedurchaus Züge eines Ethnozids. Erst mit derUnterzeichnung des Friedensvertrages zwi-schen Regierung und Guerilla 1996 und vorallem durch den “Acuerdo sobre Identidad yDerechos de los Pueblos Indígenas“ wurdendie vollen Bürgerrechte, die soziale, politischeund wirtschaftliche Teilhabe und die kulturellenRechte der indigenen Bevölkerung anerkanntund der Abbau der Diskriminierung der MayaBevölkerung beschlossen. Zwar hatten sich

schon während des Krieges einige wenigeMaya Organisationen gegründet, aber erstnach Friedensschluss hatten sie die Möglich-keit offen zu arbeiten. Viele der heute existie-renden Maya Organisationen sind im ForoMaya zusammengeschlossen. Ein großesProblem der Organisationen ist, dass sie aufdie Hauptstadt konzentriert sind und wenig Anbindung an die Maya Bevölkerung auf demLand haben, die weitgehend von allem politi-

schen Partizipations- und wirtschaftlichen Ent-wicklungsprozessen ausgeschlossen ist. Diedeutsche EZ setzt über das Projekt “Interkultu-reller Dialog und politische Beteiligung derIndígena-Bevölkerung Guatemalas“ an diesemProblem an, und versucht mit den Maya Orga-nisationen Politikstrategien für eine kulturelldifferenzierte Entwicklung zu erarbeiten, undzur Verbesserung der Chancengleichheit derindigenen Bevölkerung beizutragen.

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3. Selbstbestimmung, Autonomie undPartizipation

Zentrale Anliegen der indigenen Organisatio-nen, unabhängig ob aus dem Tiefland des Amazonas, der Küstenregion oder aus dem Andenhochland, sind die Forderungen nach Autonomie, nach dem Zugang zu den politi-schen Entscheidungsebenen auf nationalerwie regionaler Ebene des Staates sowie dieSelbstbestimmung in allen Belangen, die sieund ihr Territorium betreffen. Autonomie undSelbstbestimmung sind Konzepte, die in unter-schiedlichen Zusammenhängen unterschied-lich verstanden werden. Auch die indigenenOrganisationen verbinden damit unterschied-

lich weitreichende Vorstellungen. Deshalb sollan dieser Stelle eine Begriffsklärung vorge-nommen werden.

Selbstbestimmung

Das Recht auf Selbstbestimmung der Völkerist eines der grundlegenden Prinzipien derinternationalen Staatengemeinschaft. Im Inter-nationalen Pakt der Vereinten Nationen überwirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte

(1966) und im Pakt über zivile und politischeRechte (1966) wird dieses Recht festgehalten.Im gemeinsamen Art.1 steht:

(1) “Alle Völker haben das Recht auf Selbst-bestimmung. Kraft dieses Rechts ent-scheiden sie frei über ihren politischenStatus und gestalten in Freiheit ihre wirt-schaftliche, soziale und kulturelle Entwick-lung.

(2) Alle Völker können für ihre eigenen Zwe-

cke frei über ihre natürlichen Reichtümerund Mittel verfügen, unbeschadet aller

Verpflichtungen, die aus der internationa-len wirtschaftlichen Zusammenarbeit aufder Grundlage des gegenseitigen Wohles

sowie aus dem Völkerrecht erwachsen. Inkeinem Fall darf ein Volk seiner eigenenExistenz beraubt werden.“

Dieses Recht auf Selbstbestimmung war einsehr wichtiges Prinzip in dem Prozess der

Unabhängigkeitsbestrebungen vieler Kolonial-staaten und spielte in der Anerkennung derneuen Nationalstaaten durch die Vereinten

Nationen eine große Rolle. Das Recht aufSelbstbestimmung findet nach dem Völker-recht bisher seine Anwendung nur bei Natio-nalstaaten. Inwieweit dieses Konzept auch aufindigene Völker angewendet werden kann, ist

Gegenstand einer kontroversen Debatte. Kerndieser Debatte ist die Definition des Begriffs“indigene Völker“ (siehe auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band). Die Konvention 169der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO),die die entscheidende Grundlage für alle inter-nationalen Vereinbarungen bezüglich indigenerVölker bildet, spricht zwar von indigenen Völ-kern schränkt aber in Art. 1.3 ein: “Die Ver-wendung des Ausdrucks “Völker“ in diesemÜbereinkommen darf nicht so ausgelegt wer-den, als hätte er irgendwelche Auswirkungenhinsichtlich der Rechte, die nach dem Völker-recht mit diesem Ausdruck verbunden seinkönnen.“ Der Begriff “indigene Völker“ beinhal-tet also keinen Rechtsanspruch als Volk imvölkerrechtlichen Sinne und die ILO-Konvention 169 vermeidet konsequent denBegriff der Selbstbestimmung. Damit soll vor

allem verhindert werden, dass Separationsbe-wegungen indigener Völker sich auf die ILO-

Konvention berufen können. Im lateinamerika-nischen Kontext kann dieser Gesichtspunkt derSeparationsbewegungen vernachlässigt wer-den. Es gibt kaum ernstzunehmende Forde-

rungen nach nationalstaatlicher Selbstständig-keit.2  Auch die indigenen Völker, die sichselbst als “Nationen“ bezeichnen wie in Ecua-

dor, definieren sich als indigene Nationen in-nerhalb eines unabhängigen Nationalstaates.Selbstbestimmung wird in erster Linie gefordert

als das Recht, über das Land und seine Res-

sourcen selbst zu bestimmen, die eigene Kul-tur, die eigenen politischen, wirtschaftlichen

und sozialen Systeme zu erhalten und weiter-zuentwickeln (COICA, 2004). Diese Forderun-gen stehen im Einklang mit dem Artikel 3 der

Draft United Nations Declaration on the Rights

2  Eine Ausnahme bildet das Movimiento IndígenaPachakutik (MIP) des Felipe Quispe in Bolivien, daseinen eigenen Aymara und Quechua Staat fordert.”Nosotros vemos en el MIP el instrumento idelógicode otro estado, de la nación Qullasuyana. No po-demos tener relaciones con la otra Bolivia“ (Inter-view mit F. Quispe, o.J.). Internetveröffentlichung:http://www.nodo50.org/resumen/resumen51/quispe.htm

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of Indigenous Peoples: “Indigenous Peopleshave the right of self-determination. By virtueof that right they freely determine their politicalstatus and freely pursue their economic, socialand cultural development.“ Über diesen Artikel

konnte bisher keine Einigung unter den Mit-gliedsstaaten3  erzielt werden. Das Recht aufSelbstbestimmung ist auch in der vorgeschla-genen Erklärung zu indigenen Rechten derOrganisation der amerikanischen Staaten(OAS) umstritten. Auf der Sitzung Ende 2003der Arbeitsgruppe der OAS zu dieser Erklä-rung wurde von Seiten der Delegation der USAder Begriff der ‚internen oder qualifiziertenSelbstbestimmung’ eingeführt. Dies wurde vonder COICA vehement zurückgewiesen: “Noso-tros consideramos que la ”calificación“ dada alderecho a la libre determinación es una expre-sión de discriminación grave pues todos lospueblos del mundo tenemos derecho a ella,sin distinción...“ (COICA, 2004). Laut COICAwurde sie in ihrem Anliegen durch die Regie-rungen von Guatemala, Peru, Ecuador undVenezuela gestützt.

Foto: Demonstration für Landrechte in Ngöbe-Bugle,

Panama (Proyecto Agroforestal Ngöbe)

In diesem Zusammenhang soll nicht uner-wähnt bleiben, dass sich einige wenige indige-ne Völker vor allem aus dem Tiefland de factoden herrschenden Strukturen entziehen und soihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen.Dazu gehören die Völker, die in Isolation lebenwie die Tagaeri, Taromane und Oamenane

3  Seit 1995 arbeitet eine Arbeitsgruppe der UN-Kommission für Menschenrechte an der Überarbei-tung der Erklärung. Bisher konnte nur über zwei der45 Artikel eine Übereinstimmung erzielt werden(siehe auch SPEISER in diesem Band).

im Amazonasgebiet von Peru, Brasilien undEcuador. Fraglich ist jedoch, wie lange diesaufgrund des zunehmenden Wirtschaftsdrucksauch auf diese Region noch möglich sein wird.

Die Debatte, ob indigene Völker ein Recht aufSelbstbestimmung als Völker haben oder nichtund wenn ja, wie dieses definiert wäre, ist nochnicht beendet. Häufig wird der Ausweg in derUnterscheidung zwischen interner und exter-ner Selbstbestimmung gesucht, wobei die In-halte der internen Selbstbestimmung demKonzept der Autonomie entsprechen (SIEDER,2002). Die Forderung nach Autonomie vielerindigener Organisationen scheint demzufolgeauch leichter durchsetzbar, da der (liberale)

Staat viele Formen der Autonomie innerhalbseines politischen Systems kennt.

Autonomie

Nach G ARCIA SERRANO  (2002) umfasst Auto-nomie für indigene Völker: Die “Anerkennungder Territorien, Nutzungs- und Nießrecht überdie Ressourcen, Anerkennung der eigenen Autoritäten im Einklang mit der Tradition, Ju-risdiktion im Einklang mit “Gewohnheiten und

Normen", die eigene Sprache sowie die Aus-übung kultureller Praktiken wie z.B. Medizin,Bildung.“

GONZALEZ, indigener Abgeordneter in Vene-zuela, definiert Autonomie wie folgt:4 “La auto-nomia de los pueblos indígenas debe enten-derse como el derecho que tienen estos pue-blos de decidir libremente sobre sus asuntosinternos, el ejercicio de sus sistemas de orga-nización propia social, económica, cultural y

política, así como el manejo, control y adminis-tración de sus tierras. Es condición esencialpara el entendimiento de este concepto elprevio reconocimiento de los pueblos en laconstitución del estado con la finalidad de queentrevenga la unidad y la indivisibilidad de laRepublica. Bajo esta premisa debe entenderseque la autonomía planteada, es al interior delos estados nacionales.“

Beide Beschreibungen gehen von autonomen

Einheiten innerhalb eines souveränen Staatesaus. Die Autonomie ist durch das indigene

4 Email Nachricht 2004

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Territorium und seine Grenzen sowie durchdas soziale Gefüge des indigenen Volkes be-stimmt. Die Autonomie richtet sich im Wesent-lichen nach innen, es werden keine hoheitli-chen Aufgaben des Staates im Rahmen der

Sicherheits-5 und Außenpolitik beansprucht.

Eine besondere Situation ist die der indigenenVölker, die in zwei oder mehreren Staatenleben. Im Krieg zwischen Peru und Ecuadorwurde diese spezielle Problematik offensicht-lich. Daher wurde im Waffenstillstandsabkom-men der spezifischen Situation Rechnung ge-tragen und eine spezielle Vereinbarung für dieindigenen Völker in der Grenzregion aufge-nommen, die ihnen die freie Kommunikation

untereinander erlaubt.Grundvoraussetzung für die Autonomie ist denDefinitionen zufolge ein abgrenzbares Territo-

rium, das ausschließlich oder mehrheitlich voneinem indigenen Volk bewohnt wird.

Dies ist im Tiefland Amazoniens, im Chaco, inTeilen Zentralamerikas und in Panama mög-lich, wo Territorien eindeutig abgrenzbar sind.Im Hochland der Anden oder aber in den Städ-ten des Kontinents sieht die Realität anders

aus. ROLDÁN  erweitert daher den Autonomie-begriff auf “Autonomie umfasst die Fähigkeit,die Kommunen, Regionen, Provinzen oderandere Einheiten innerhalb eines Staates aus-üben können, um mittels Normen und einereigenen Regierung ihre Interesse im Innerenregeln zu können. Außerdem beinhaltet sie dieMöglichkeit eines Volkes, politische Unabhän-gigkeit zu leben und die eines Individuums, ineinigen Aspekten seines Lebens unabhängigvon anderen zu sein. Im Falle der indigenenVölker und Gemeinschaften trifft ersteres zu.Die Autonomie ist relativ und variiert von Landzu Land“ (ROLDÁN, 2004).

Dies ist der konzeptionelle Rahmen, aber wiesieht die Praxis aus? In einigen Ländern wieKolumbien, Nicaragua, Panama wird den indi-genen Völkern rechtlich die politisch-administrative Autonomie über ihre Territorienzugestanden. Einschränkendes Merkmal aufder rechtlichen Ebene ist in allen Ländern die

5 In Kolumbien wird zur Zeit eine Diskussion geführt,ob oder ob nicht Indigene den Militärdienst leistenmüssen (siehe unter www.etniasdecolombia.org)

Verfügungsgewalt über die Bodenschätze, diesich der Staat vorbehält (zu den erneuerbarenRessourcen siehe ROSSBACH DE OLMOS indiesem Band). In der Realität werden dierechtlichen Vorgaben jedoch wenig beachtet.

So kommt es immer wieder zu tiefgreifendenKonflikten zwischen indigenen Völkern unddem Staat, Siedlern und Unternehmen, die die Ausübung der Autonomie entscheidend beein-trächtigen: Erdöl in Ecuador, Kohle in Kolum-bien, Drogenanbau bzw. Drogenbekämpfungin Peru, Kolumbien und Bolivien, Gold undHolzeinschlag in Brasilien, Peru und Ecuadorsind nur einige Beispiele für Konflikte um Res-sourcen, die die Autonomie indigener Territo-rien bedrohen.

In anderen Ländern wie in Bolivien und Gua-temala wurden keine indigenen Territorieneingerichtet, sondern die Regierungen bevor-zugten im Rahmen der Staatsmodernisierungund Dezentralisierung der staatlichen Funktio-nen die Einrichtung indigener Gebietskörper-schaften (Munizipien). Diese lokalen Verwal-tungseinheiten können in indigenen Sied-lungsgebieten durchaus Besonderheiten indi-gener Völker aufgreifen, wie z.B. einen eige-

nen Wahlmodus oder spezifische Prozesse derEntscheidungsfindung. Sie sind aber in diestaatliche Struktur der Lokalverwaltungen ein-gebunden. KUPPE  (2002) sieht es daher alsfraglich an, ob die “Munizipalisierung“ indige-ner Selbstregierung, in der Tat Regierungs-prinzipien indigener Völker stärken oder obhier – wie zum Beispiel in Bolivien teilweiseersichtlich – nicht die bisher entlegenen indi-genen Siedlungsgebiete endgültig mit Prinzi-

pien staatlicher Lokalverwaltung überlagertwerden. SIEDER (2002) sieht jedoch auch, dassdie Stärkung munizipaler Strukturen, die Priva-tisierung und Dezentralisierung von Dienstleis-tungen und die Stärkung der sogenanntenZivilgesellschaft und lokaler Partizipationsin-strumente den Spielraum der indigenen Bewe-gung vergrößert. Andererseits: “In some cases,decentralisation has mitigated against democ-ratisation, reinforcing local power elites, clien-telist politics und unequal access to power. In

others, the increased penetration of the logic ofpolitical parties into rural areas has increased

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the fragmentation and division of indigenousauthorities“ (SIEDER, 2002:8).

Zur Ausübung der autonomen Verwaltungeines indigenen Territoriums gehört auch die Anwendung eigener Normen zur Regelung derinternen Beziehungen, das Gewohnheitsrecht.Unter Gewohnheitsrecht versteht man nichtschriftlich fixierte rechtliche Normen, die sichaus der Tradition entwickelt haben. Im öffentli-chen Recht (derecho público) der Länder findetdas Gewohnheitsrecht keine Anwendung, imZivilrecht nur in ganz wenigen Ausnahmefäl-len. Innerhalb der indigenen Völker jedochregelt das Gewohnheitsrecht die Beziehungennach innen und nach außen (ROLDÁN, 2004).

In Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien undVenezuela wird das Gewohnheitsrecht indige-ner Völker als Rechtsnorm zur Regelung inter-

ner Angelegenheiten auf ihrem Gebiet aner-kannt. In Guatemala kommt das DerechoMaya bei Streitschlichtungsverfahren zum

Einsatz. Allerdings herrscht in allen LändernUnsicherheit, wie weit der Anspruch auf auto-nome Rechtsausübung reicht (ROLDÁN, 2004).

Dies ist vor allem dann kritisch, wenn die indi-

gene Rechtsauffassung gravierend von derstaatlich ausgeübten Gesetzeslage und

Rechtssprechung abweicht. So strafen einigeVölker schon bei relativ leichten Vergehen mitdrastischen Maßnahmen, zum Beispiel das

Verstoßen aus einer Gemeinschaft im Fallevon Diebstahl. In der Rechtsauffassungherrscht dann zwar der Grundsatz vor, dass

die Menschenrechte und das nationale Rechtdem Gewohnheitsrecht übergeordnet sind,aber in der Praxis ist dies nicht immer eindeu-

tig und es fehlt an entsprechenden Gesetzenund Institutionen, um die Normenbereiche zuharmonisieren.

 Abschließend sei noch erwähnt, dass dierechtlich verankerte Autonomie einzelner Völ-ker an den Landesgrenzen endet. IndigeneVölker, die in zwei oder mehreren Ländernleben, haben keine gemeinsame anerkannteautonome politische Struktur. Dies gilt zumBeispiel für die Völker im Chaco, der sich in die

drei Länder Bolivien, Paraguay und Argenti-nien erstreckt.

Partizipation

Das Recht auf Partizipation indigener Völkerbezieht sich laut ILO-Konvention auf alle Ent-scheidungen, die sie direkt betreffen (Art. 7.1).Die Konvention verpflichtet daher die Regie-rungen, “Mittel zu schaffen, durch die dieseVölker sich im mindestens gleichen Umfangwie andere Teile der Bevölkerung ungehindertauf allen Entscheidungsebenen an auf demWahlprinzip beruhenden Einrichtungen sowiean Verwaltungs- und sonstigen Organen betei-ligen können, die für sie betreffende Maßnah-men und Programme verantwortlich sind“(Art.6).

 Allgemein setzt eine wirkungsvolle Partizipati-

on die rechtliche Verankerung, die Einbettungin die politischen Strukturen des Landes, diepolitische Legitimität und eine hinreichend

große Handlungsfähigkeit der zu beteiligenden Akteure voraus (EBERLEI, 2003). Partizipationist also nicht die staatlich gewährte Teilnahme

an Entscheidungsprozessen, sondern dierechtlich abgesicherte Teilhabe. Im Folgendengeht es im wesentlichen um die Partizipati-

onsmöglichkeiten indigener Völker an den

politischen Entscheidungen auf den unter-schiedlichen staatlichen Ebenen.

Foto: Indigener Gender - Dialog im urbanen Kontext(S. HESS-K ALCHER, PROENCUENTRO)

Die Antwort der lateinamerikanischen Staatenauf die Forderung indigener Organisationennach politischer Teilhabe und Zugang zu denpolitischen Entscheidungsstrukturen war in den

meisten Ländern die Einrichtung staatlicheroder autonomer Stellen für “indigene Angele-genheiten“ wie des Ministerio de Asuntos In-

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dígenas y Pueblos Originarios (MAIPO), derConsejo de Desarrollo de las Nacionalidades yPueblos Indígenas (CODENPE) in Ecuadoroder die Corporación Nacional de DesarrolloIndígena (CONADI) in Chile. Der politische

Einfluss dieser Institutionen ist gering. DieIndigenen haben zwar in den meisten Fällenein Mitspracherecht, was die personelle Beset-zung der Institutionen und deren Politik anbe-langt, bestimmen diese Politik aber nicht. Vondaher erfüllen diese Institutionen den Anspruchindigener Partizipation an den Entscheidungendes Staates nicht.

Um sich die politische Partizipation in denLändern zu erkämpfen, haben Indigene unter-

schiedliche Optionen entwickelt. Grundvoraus-setzung all dieser Optionen ist die Existenzstarker regionaler und/ oder nationaler indige-ner Organisationen.

Die Bildung einer eigenständigen indige-nen Partei:

Ein Beispiel dafür ist Pachakutik6  in Ecua-dor, die das erste Mal 1996 an den Kon-gresswahlen teilgenommen und 8 Sitze

gewonnen hat. Pachakutik hat eine wichti-

ge Rolle in der Diskussion um die Ratifizie-rung der ILO-Konvention 169 und der neu-

en ecuadorianischen Verfassung gespielt.Mit Nina Pacari und Luis Macas hatten sie2003 sogar kurzzeitig zwei Ministerposten

in der neuen Regierung inne. Pachakutikhat innerhalb kurzer Zeit eine wichtigeStellung für Indigene im parlamentarischen

Raum einnehmen können. Dieser Erfolgwar jedoch nur durch die Zusammenarbeitder unterschiedlichen Organisationen und

Indigenen aus dem Andenraum und dem Amazonas möglich.7

 6 Movimiento de Unidad Plurinacional Pachakutik –Nuevo Pais ist ein Bündnis von Indigenen und ande-ren Sektoren der Gesellschaft7 Allerdings scheint Pachakutik zur Zeit das gewon-nene politische Ansehen wieder zu verspielen. Sobeklagt LUIS M ACAS, 2003 Landwirtschaftsminister inder Regierung Gutiérrez: “Pachakutik verfügt überkein Regierungsprogramm, das in den eigenen

Reihen abgestimmt wäre.... Die politische Krisebeinhaltet für Pachakutik das Risiko, aus der politis-chen Landschaft zu verschwinden, wenn keinetiefgehende Auswertung vorgenommen wird, dieeinen politischen Wandel und eine geänderte Stra-

Die Nutzung munizipaler Strukturen wie inGuatemala:In Guatemala gibt es neben der alcaldía

(Kommune) indigene Gebietskörperschaf-ten (municipios indígenas). In ländlichen

Gebieten mit absoluter indigener Mehrheitwählen die Bewohner der indigenen Weiler(Cantones) ihre eigenen Bürgermeister (ineinigen wenigen Orten wie Zolola sind esBürgermeisterinnen) nach einem eigenenWahlverfahren. Zwar verfügen diese indi-genen Gebietskörperschaften über einegewisse Autonomie, sind aber der alcaldía,die zum Beispiel das Geld verwaltet, nach-geordnet.

 Auch in Städten wie Quezaltenango habensich comités civicos, eine Art Wahlverein,der indigenen Bevölkerung gebildet mitdem Ziel, die Bürgermeister des Ortes zustellen, und so ein poder local  aufzubauen.Da das guatemaltekische Wahlsystem nurParteien und comités civicos anerkennt,haben sich die indigenen Organisationenentschlossen lokal über die comités civicos

in das “normale“ Wahlgeschehen ein-zugreifen.8  Die lokalen indigenen Struktu-

ren sind relativ schwach und weitgehendauf externe Unterstützung durch die staat-liche oder nichtstaatliche Entwicklungszu-sammenarbeit zur Durchführung von Pro- jekten angewiesen. Auch in den Anden-ländern wie in Peru und Ecuador beteiligensich die indigenen Organisationen mit ei-genen Kandidaten an den Bürgermeister-wahlen, unter den gleichen Bedingungenwie alle anderen Kandidaten. In Peru, wo

bis vor einigen Jahren Bürgermeister nochvom Staat ernannt wurden, haben sie beiden letzten Bürgermeisterwahlen einigeErfolge erzielen können.

tegie, wie ein wirklich plurinationaler Staat erreichtwerden kann, beinhaltet“ (zitiert aus ILA, Mai 2004).8  Zwar wurde in Guatemala Ende der 1990er dieBildung eigenständiger Indigenenpartei diskutiert. InGuatemala wurde dieser Plan jedoch wieder verwor-fen, da die Organisationen zu schwach, zu zerstrit-ten waren und zu wenig Basis hatten.

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Der Aufbau autonomer völkerübergreifen-der Selbstverwaltungsstrukturen: Ansätze gibt es dazu in Ecuador mit dem“indigenen Parlament“. Allerdings sind die Abgrenzungen zwischen den indigenen

Organisationen CONAIE (Consejo de Na-cionalidades Indígenas del Ecuador) undCONFENIAE (Confederación de Naciona-lidades Indigenas de la Amazonía Ecuato-riana) einerseits und dem indigenen Par-lament andererseits unscharf, so dass andieser Stelle wenig darüber gesagt werdenkann, welchen Beitrag das Parlament zurpolitischen Teilhabe und Selbstverwaltungleistet bzw. leisten kann.

Das “klassische Mittel“ des sozialen Pro-testes:Beispiele dafür sind die sozialen Protest-bewegungen in Bolivien und Ecuador oderdie (bewaffnete) Widerstandsbewegungder Zapatisten in Mexiko, die maßgeblichvon indigenen Völkern beziehungsweisederen Organisationen getragen werden.Diese Proteste haben in Ecuador und Boli-vien zu tiefen Regierungskrisen bis hin zur Absetzung der amtierenden Regierung ge-

führt und national wie international das Augenmerk auf die soziale und politischeMarginalisierung der indigenen Völker ge-richtet.

Bildung von Interessenvertretungen undNichtregierungsorganisationen auf überre-gionale Ebene:

Die gewachsene Präsenz indigener Orga-nisationen auf den internationalen Forensollte in diesem Zusammenhang nicht un-

terschätzt werden. Die internationale De-batte um die Rechte indigener Völker hatzur Stärkung der indigenen Organisationen

und ihren Partizipationsmöglichkeiten bei-getragen.

In der Praxis schließen sich die einzelnen Op-tionen nicht aus sondern ergänzen sich viel-mehr. Die indigenen Organisationen kombinie-ren daher gleichzeitig mehrere Ansätze in ihrerPolitik. Die oben genannten Optionen beziehen

sich alle auf Länder, in denen indigene Völkereinen hohen Anteil an der Bevölkerung oderdie Bevölkerungsmehrheit bilden. Anders sieht

es in den Ländern aus, in denen Indigene einekleine Minderheit sind wie in Kolumbien oderVenezuela.

Das Beispiel Venezuela

Die indigenen Organisationen Venezuelasstehen vor einer enormen Herausforderung.

Innerhalb kürzester Zeit haben sich nach Jahr-hunderten der Negierung mit dem Regie-rungswechsel 1998 Möglichkeiten der aktiven

politischen Partizipation und Interessenvertre-tung ergeben. Diese ist in der Verfassung ver-ankert, deren rechtlich-administrative Umset-

zung jedoch noch durch Gesetze geregeltwerden muss. Die Indigenen können sich da-

bei im wesentlichen nur auf eine politischeKraft innerhalb der Mehrheitsgesellschaft stüt-zen: den Präsidenten und Teile seiner Partei.Nach wie vor handelt der überwiegende Teil

der Mehrheitsgesellschaft einschließlich desVerwaltungsapparates diskriminierend. Sostieß das Gesetz zur Demarkierung des habi-

tat , einem in anderen lateinamerikanischenLändern ungebräuchlichen Begriff für indige-nes Land und das Resultat eines Kompromis-ses der Parteien im Parlament, auf erheblicheWiderstände. Großgrundbesitzer und Militärsstarteten eine Gegenkampagne, in der sieLandkarten Venezuelas veröffentlichten, diedas ganze Land in der Hand von einigen weni-gen Indigenen zeigte, während sich die Millio-nen von Venezolanern in ein paar Städtenzusammendrängen mussten. Die indigenenOrganisationen, die noch relativ jung undschwach sind, stehen also vor der großenHerausforderung den neuen Spielraum optimal

zu nutzen, und die erreichten Reformen zusichern. Sie benötigen dafür eine breite Akzep-tanz in der Bevölkerung. Dementsprechendsetzen sie auf Dialog und weniger auf Konfron-tation. Ein Beispiel für den Umgang im Konflikt-fall ist die umstrittene Stromleitung von CiudadGuayana nach Brasilien und das Einlenken derindigenen Organisationen, die im Endeffektdem Bau der Stromleitung zustimmten, imVersprechen auf einen regionalen Entwick-lungsfonds und der Aussicht auf eine rechtli-

che Verankerung indigener Territorien auf na-tionaler Ebene. Die Auseinandersetzung umdie Stromleitung hat fast zur Spaltung der regi-

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onalen Indigenenorganisation im venezolani-schen Bundesstaat Bolívar geführt.

Durch die neue Verfassung haben die Indige-nen das Recht, drei Parlamentsabgeordnetezu stellen, Parlamentarier und Stadträte in dieProvinz- und Kommunalparlamente zu entsen-den, und Institutionen für indigene Belangepersonell zu besetzen. Das stellt die indigenenOrganisationen vor große Herausforderungen,da sie nicht über viele ausgebildete Führungs-persönlichkeiten verfügen und keine politi-schen Erfahrungen in der parlamentarischen Arbeit haben. Sie müssen nicht nur eigeneGesetzesvorschläge erarbeiten, sondern auchgleichzeitig den politischen Druck oder Spiel-

raum entwickeln, um sie durchzusetzen. Dasist für eine relativ junge Organisation wieCONIVE, der nationalen IndigenenorganisationVenezuelas, für die indigenen Parlamentarierund die kleine Gruppe von Beratern eine sehrgroße Aufgabe. Die deutsche Entwicklungszu-sammenarbeit hat die indigenen Organisatio-nen in der Erarbeitung der relevanten Verfas-sungsartikel unterstützt, in dem sie ihnen dieMöglichkeit gegeben hat, Konsultationswork-shops mit der Basis durchzuführen. In einer

zweiten Phase, die mittlerweile abgeschlossenist, wurde dann die Rückkoppelung über diegesetzgeberischen Vorschläge zwischen denindigenen Parlamentariern und der indigenenBasis unterstützt. Weiterer Bestandteil desProjektes war die rechtliche Beratung bei Ge-setzesvorschlägen. Dieses Projekt ist ausge-laufen, ohne dass neue Vereinbarungen ge-troffen wurden. Dies ist bedauerlich, da es fürdie Indigenen in Venezuela notwendig wäre –

auch angesichts der Polarisierung der Gesell-schaft – einen kontinuierlichen angepasstenKonsultationsprozess zwischen indigenen Par-lamentariern und der Basis über ihre Arbeitund neue Gesetzesinitiativen durchzuführen.Dies ist umso dringender, da die parteipoliti-sche Vereinnahmung der indigenen Bewegungund damit der Verlust ihrer Unabhängigkeitdroht, was langfristig zu einer Schwächung derindigenen Bewegung Venezuelas führen kann.

Das Beispiel Kolumbien

In Kolumbien stehen die indigenen Völker undderen Organisationen vor anderen Herausfor-derungen. Obwohl die Indigenen nur ca. 3%der Gesamtbevölkerung ausmachen, habensie bereits Anfang der 1990er Jahre eine weit-gehende Anerkennung ihrer Rechte durchset-zen können. So wurden bereits in der Verfas-sung von 1991 indigene Territorien, so ge-nannte resguardos  anerkannt, und ihnen aufder politischen Ebene die direkte Interessen-vertretung im Senat durch zwei Mitglieder zu-gesichert. Die rechtliche Anerkennung indige-ner Völker ist in Kolumbien weiter fortgeschrit-ten als in den anderen lateinamerikanischen

Ländern. In der Realität wird allerdings dieserRechtsanspruch durch die Realität des Kriegesin den indigenen Territorien überlagert. Diebewaffneten Gruppen, Guerilla, Paramilitär undMilitär kämpfen um die territoriale Kontrolleund, eine indigene Selbstverwaltung der res-

guardos  ist unmöglich. Die Aussage von AIDA

SUÁREZ S ANTOS  von der regionalen Indigene-norganisation in Antioquia beschreibt den ein-geschränkten Handlungsspielraum der Indige-nen: “Unser Vorschlag sind Schutzzonen in-

nerhalb des Territoriums, wo die indigenenGemeinden leben. Diese Zonen müssen aberaußerhalb der strategischen Korridore derbewaffneten Akteure liegen. Es soll bestimmteOrte geben, wo Gemeinden Zuflucht suchenkönnen, wenn ihnen in ihrem eigenen GebietVertreibung droht oder Kämpfe zu befürchtensind.“ (BRAßEL, ILA, 2004). Angesichts derpermanenten Bedrohung des Lebens und derVertreibung ist es fast unmöglich, indigene

Selbstverwaltungs- und Beteiligungsstrukturenaufzubauen – trotz weitreichender rechtlicher Absicherung.

Fazit

Trotz einiger Verbesserungen hin zu mehrPartizipation und damit zu mehr Demokratie ist

die politische Marginalisierung indigener Völkerlängst nicht überwunden. Es wird daher wichtigsein, die Ansätze, die sich in den einzelnen

Ländern zeigen, zu nutzen und auszubauen.Dazu gehört auch die Begleitung und Beratungindigener Organisationen in der Ausgestaltung

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Indigene Völker und Staat

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der Partizipationsmöglichkeiten und der Wahr-nehmung ihrer Rechte. Für indigene Organisa-tionen und ihre Vertreter/innen besteht dieGefahr in dem bestehenden System der la-teinamerikanischen Länder kooptiert und kor-

rumpiert zu werden. Dieses Problem wird nur

durch eine regelmäßige und systematischeRückkoppelung der parlamentarischen Vertre-tung mit der Basis vermeidbar sein. Für dieEntwicklungszusammenarbeit bieten sich hierin der Beratung und Unterstützung viele An-

satzpunkte.

Foto: Indigene Bevölkerung im Andenhochland (K. HEISING)

Legitimität von Repräsentant/innen

Oft diskutiert wird die wichtige Frage der Rep-räsentanz: Wer ist berechtigt für die Belangeindigener Völker, indigener Gemeinschaften zusprechen? Sind es nur die traditionellen Autori-täten oder die jungen “modernen“ Organisatio-nen oder gar nicht-indigene Nichtregierungsor-ganisationen? Von indigener Seite wird dieVermittlung oder Vertretung indigener Belangedurch nicht-indigene NRO abgelehnt. Schwie-riger ist jedoch das Verhältnis zwischen traditi-

onellen und “modernen“ Organisationsstruktu-ren. Ohne Frage haben sich vor allem im Tief-land aber auch im Hochland Lateinamerikas

parallele Machtstrukturen herausgebildet. In

vielen Orten stehen die Organisationen nebenden traditionellen Strukturen und eine guteVerbindung dieser beiden Macht- und Ent-scheidungsstrukturen gibt es nur in wenigenFällen (z.B. bei den Kuna in Panama oder demCRIC in Kolumbien). Allerdings reagieren diebeiden Strukturen auf unterschiedliche Anfor-derungen und Bedürfnisse: die traditionellenMachtstrukturen bestimmen im wesentlichendas Innenverhältnis der Gemeinschaften, wäh-

rend die “modernen“ Organisationen im wesent-lichen die Funktion der Außenrepräsentanz

und Durchsetzung von Interessen haben. Na-

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Indigene Völker und Staat

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türlich ist diese Aufteilung der Funktionen idea-listisch, in der Praxis finden viele Überschnei-dungen und Überlagerungen statt, die zu Kon-flikten führen. Für die EZ ist es wichtig, dieStrukturen gut zu kennen, um durch Interventi-

onen keine neuen Konflikte zu schüren. Au-ßerdem ist zu beachten, dass die indigenenOrganisationen sich als Mittler zwischen Ge-berorganisationen und indigenen Gemein-schaften verstehen und nicht auf die Mittler-funktion von Kirche und/ oder NRO angewie-sen sind. Die Mittlerfunktion Dritter wird vonindigener Seite sogar vehement abgelehnt. Mitdieser “Mittlerfunktion“ ist jedoch nicht die Be-raterfunktion, die vor allem bei rechtlichen Fra-gen eine große Rolle spielt, gemeint.

Es ist wichtig, Spannung zwischen traditionel-len und westlichen Strukturen nicht zu verstär-ken. Die EZ sollte daher die internen Abstim-mungsprozesse der indigenen Völker respek-tieren.

Entwicklungszusammenarbeit

Wie sieht nun der Beitrag der deutschen Ent-wicklungszusammenarbeit im Kontext von

Demokratisierung – Anerkennung und Ausges-taltung autonomer Selbstverwaltungsstrukturen – Partizipation aus? Das Konzept des BMZ zurEntwicklungszusammenarbeit mit indianischenBevölkerungsgruppen in Lateinamerika(1996:6) sieht in den verbesserten rechtlichenRahmenbedingungen Möglichkeiten “sowohlim Bereich der nichtstaatlichen als auch imBereich der zwischenstaatlichen EZ verstärkttätig zu werden…“ und fährt fort: “Die Bundes-regierung nutzt diese Möglichkeiten und wird

ihre Bemühungen intensivieren, indianischeBevölkerungsgruppen in der Artikulierung,Durchsetzung und Wahrnehmung ihrer Rechtezu unterstützen. Sie sieht ein solches Enga-

gement nicht nur als unverzichtbaren Bestand-teil ernst gemeinter Anstrengungen zur Ar-mutsbekämpfung in Lateinamerika, sondern

auch als wichtigen Beitrag zur Wahrung derMenschenrechte und zur Konsolidierung de-mokratischer Gesellschaftsstrukturen, die allen

Bevölkerungsgruppen politische Partizipationund Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstandgarantieren.“ Die Unterstützung indigener Völ-

ker in der Wahrnehmung ihrer Rechte und diePartizipation Indigener im Sinne einer Konsoli-dierung demokratischer Gesellschaftsstruktu-ren steht demzufolge an prominenter Stelle inder EZ mit indigenen Völkern.

Dies wird durch das “Partizipationskonzept“des BMZ (1999) verstärkt. In der Zieldefinitionheißt es: “Ziel ist es, allen Beteiligten – Frauenwie Männern – zu ermöglichen, an einemtransparenten Dialog- und Entscheidungspro-zess teilzunehmen. Im Vordergrund diesesPartizipationskonzeptes stehen gesellschaftli-che Gruppen, deren Beteiligungsmöglichkeitenu.a. aufgrund der Verteilung von Macht undwirtschaftlichen Möglichkeiten unzureichend

sind.“ Dies bezieht sich nicht nur auf die parti-zipative Gestaltung der Projekte und Pro-gramme der Entwicklungszusammenarbeit. Soheißt es weiter unten “(...) wirkt die EZ aufverbesserte gesellschaftliche Partizipation imPartnerland hin, z.B. durch die Unterstützungder Zivilgesellschaft (...) und von dezentralendemokratischen Strukturen“ (1999:2).

Erneut wurde dieser Ansatz in dem Sektorvor-

haben: “Mainstreaming Partizipation der GTZ“

aufgegriffen, das drei Dimensionen der Partizi-pation im Kontext der EZ unterscheidet

(M AENNLING, 2003):

1. die Beteiligung an den Arbeitsprozessen inProjekten und Programmen,

2. die demokratische Bürgerbeteiligung anEntscheidungs- und Steuerungsprozessen

3. und die Beteiligung an der Schaffung vonInstitutionen in Politik und Gesellschaft, diedie Partizipation ermöglichen und gewähr-

leisten.In Projekten und Programmen der EZ werden

heute verstärkt indigene Völker als Zielgruppenwahrgenommen und einbezogen. Und zwarnicht nur auf der Ebene der Planungsabläufe

der EZ sondern auch in der politischen Aus-richtung: Das bereits genannte Projekt “Inter-kultureller Dialog und politische Beteiligung der

Indígena-Bevölkerung Guatemalas“, die institu-tionelle Förderung von AIDESEP in Peru und

der COICA, die Unterstützung der indigenenParlamentarier in Venezuela ebenso wie dasInWEnt Trainingsprojekt zu indigenen Rechten

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Indigene Völker und Staat

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zeigen Ansätze für eine veränderte Schwer-punktsetzung.

5. Schlussfolgerungen und Empfehlun-gen

Die rechtlichen Fortschritte der letzen Jahreund die zunehmende politische Bedeutung

indigener Organisationen auf nationaler undinternationaler Ebene kann jedoch nicht dar-über hinwegtäuschen, dass der Alltag indige-

ner Völker in Lateinamerika nach wie vor vonsozialer, politischer und wirtschaftlicher Dis-kriminierung und Marginalisierung bestimmt ist.

Die neuen rechtlichen Möglichkeiten und dieVeränderung des politischen Diskurses bein-

halten Chancen, Diskriminierung und Margina-lisierung nachhaltig abzubauen. Eine wirkliche Anerkennung der Multiethnizität eines Landesbeinhaltet durchaus die Restrukturierung des

existierenden Staates und eine Neudefinitiondes Verhältnisses von Staat und indigenenVölkern. Die Entwicklungszusammenarbeit

kann diesen Prozess im Sinne einer Demokra-tisierung der Länder unterstützen: durch diegezielte Förderung indigener Organisationenund Selbstverwaltungsstrukturen, durch dasTraining Indigener zu Rechtsfragen, zu Fragender Verwaltung und des Finanzmanagements,sowie durch die Einbeziehung der indigenenZielgruppe in die Programme von Staatsmo-dernisierung und Demokratisierung.

Darüber hinaus bedarf es eines Prozesses, indem die EZ und die indigenen Organisationensich über Konzepte von Demokratisierung, Autonomie und Partizipation verständigen, umwirkungsvolle Ansätze für die EZ zu finden. In

diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, auchstaatliche Institutionen in diesen Dialog einzu-binden.

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Indigene Völker und Landrechte

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Indigene Völker und Landrechte

DR. THEODOR R ATHGEBER

“Der Ausgangspunkt für eine gerechte und humane Politik für solche Gruppen [indigene

Gemeinschaften; T.R.] ist die Anerkennung und der Schutz ihrer traditionellen Rechte auf

Land und andere Ressourcen, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensweise brauchen –

Rechte, die sie möglicherweise anders definieren als sie dem bisherigen Rechtsstandard

entsprechen. Die eigenen Institutionen dieser Gruppen, die Rechte und Pflichten verteilen,

sind grundlegend für die auf Ausgleich bedachte Wechselbeziehung zwischen Natur und

Umweltbewusstsein, sind charakteristisch für diese traditionelle Lebensweise. Insofern muss

die Anerkennung der traditionellen Rechte mit den Maßnahmen zum Schutz der lokalen In-

stitutionen Hand in Hand gehen, um den verantwortlichen Ressourcenverbrauch zu stär-

ken.“ 1

1 BRUNDTLAND, 1987; Übersetzung des Autors

1. Der Bedeutungskontext indigenerTerritorien

Territoriale Fragen sind für indigene Völker vongrundsätzlicher, existenzieller Bedeutung. Diemeisten indigenen Völker mussten – soweit sienicht in entlegenen Gebieten leben – im Zugevon Eroberung und Kolonisierung Landverlustehinnehmen, die bis heute eine unabgegolteneBeschädigung souveräner Herrschaft darstel-len. Wenngleich in Lateinamerika so gut wiekeine indigene Organisation die Wiederher-stellung einer vollen staatlichen Souveränitätbeansprucht oder separatistische Ziele an-strebt, schwingt in den Auseinandersetzungenum das traditionell besiedelte oder genutzteLand immer der Anspruch auf eine eigenstän-dige Verfügung der Restbestände an Land mit.So gibt es kein nationales oder internationales

Forum, auf dem Beiträge indigener Repräsen-tantinnen und Repräsentanten nicht wiederholtihren zentralen Bezug auf Landrechte zum Ausdruck bringen, und das darin eingebettetÜberleben als Kultur hervorheben (zur Ambi-valenz des ‚Kultur‘-Begriffs im indigenen Kon-text siehe auch STRÖBELE-GREGOR und ABRAM

in diesem Band). In der jüngsten, über 30 Jah-re dauernden, indigenen Landrechtsbewegungwurde in den politischen und rechtssys-

tematischen Debatten zu den Landrechtenindigener Völker der Begriff des ‚Territoriums‘statt ‚Land‘ ins Spiel gebracht. In bewusster Anlehnung an den historischen Bedeutungs-verlust sowie an die Vorstellung einer rechtlichabgesicherten Grundlage, die eine relativ sou-veräne Verfügung über Boden, Untergrundund Luftraum erlaubt.

Indigene Völker und Gemeinschaften meinenmit Territorium allerdings nicht allein die mate-rielle Verfügungsmöglichkeit über den Bodenund die vorhandenen natürlichen Ressourcen(vgl. FELDT und ROSSBACH DE OLMOS in diesemBand), sondern den Versuch, sich eigenstän-dige Lebensentwürfe wieder anzueignen undweiter zu entwickeln. Mit dem Begriff Territo-rium verknüpft sich der Anspruch auf eine kul-turell normierte Existenz mit eigener Sprache,

eigenen Rechtssystemen, spezifischer Versor-gung in den Bereichen Gesundheit und Ausbil-dung sowie politisch autonomer, lokaler Ver-waltung. Das Territorium stellt die Projektions-fläche für den spezifisch sozialen und kulturel-len Verbund dar, mit eigenen Mitteln wenigs-tens ansatzweise eine Entwicklung nach eige-nen kulturellen Leitbildern und Maßstäben zuermöglichen. Nicht zuletzt verstehen indigeneVölker ihr Territorium als den unverwechselba-

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Indigene Völker und Landrechte

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ren Ort ihrer spirituellen Rückverbindung (lat.:religere) zwischen der Tätigkeit in vertrauterUmgebung und dem Sinn des Lebens. DieMythen, die Gräber der Ahnen, die spirituelleVerwurzelung mit der Umgebung, die auf den

traditionell bewohnten und genutzten Territo-rien entstanden sind, verleihen den Gemein-schaften eine eigene, nicht von anderen ab-hängige oder abgeleitete Geschichte und Iden-tität (R ATHGEBER, 1994 und 2003;STAVENHAGEN, 2002).

Was von dieser umfassenden Zuschreibungdes Territoriums jeweils aufgenommen wird,richtet sich nach den Kräfteverhältnissen in der jeweiligen Region. Die Gewichtung einzelner

Bestandteile ist ebenso offen für Veränderun-gen und korrespondiert mit der Frage bzw.Identifizierung, wer eigentlich indigene Völkersind. Die Vereinten Nationen und andere inter-nationale Foren legen die Annahme zugrunde,dass von einem indigenen Volk dann gespro-chen werden kann, wenn zum einen zumindestTeile aus einem Bündel an historischen, geo-graphischen und sozialen Anhaltspunkten so-wie ethnologische Kriterien vorliegen. Dieswären etwa die Nachfahren der ersten Siedlerin einer Region sowie das Vorhandensein min-destens von Restbeständen an eigener Spra-che, Religion oder spezifischer Formen derpolitischen und juristischen (Selbst-) Verwal-tung. Zum anderen müssen sich die Angehöri-gen einer solchen Gemeinschaft selbst alsindigen identifizieren. Die (Selbst-) Identifika-tion indigener Völker stellt insofern einen eherprozesshaften Vorgang denn eine abgeschlos-sene Definition dar – und bleibt offen für Ver-

änderungen. Aus guten Gründen: Angehörige indigenerGemeinschaften etwa in Guatemala, Mexikooder Kolumbien waren in der jüngeren Vergan-genheit gut beraten, sich je nach Gefahrenlageoder drohender Diskriminierung einmal eherals Kleinbauern, das andere Mal eher als An-gehörige einer indigenen Gemeinschaft zuerkennen zu geben. Entsprechend variiertnach außen der Charakter des besiedelten

oder genutzten Landes. Der dem Völkerrechtentlehnte Begriffsteil ‚Volk‘ unterstreichtgleichzeitig den Anspruch auf das Territoriumim Sinne eines historisch gewachsenen Rau-

mes, der innerhalb des gegebenen National-staates autonome Entscheidungen gegenüberanderen sozialen Gruppen beansprucht(STAVENHAGEN, 2002).

Das Territorium als skizziertes, kleinräumliches‚Universum‘ stellt Angel- und Zielpunkt selbstderjenigen dar, die lediglich Aspekte davon fürsich einfordern. Es dürfte unter den Angehöri-gen indigener Gemeinschaften schwerlich je-mand zu finden sein, der die vom Brundtland-Report (1987) dargelegte, konstitutive Wech-selbeziehung zwischen Land, Ressourcen,eigenen Institutionen sowie dem Anspruch andie eigene Lebensweise in Abrede stellen woll-te. Dies gilt selbst für Angehörige, die in Städ-

ten leben, dort aber über verwandt- und nach-barschaftliche oder lokal bezogene Verei-nigungen vielfältige Beziehungen zu ihren Ur-sprungsorten aufrechterhalten und materiellwie ideell zur Existenzsicherung des Territori-ums beitragen. Sie unterstreichen dessen um-fassende Bedeutung für das Überleben unddie Vitalität indigener Gemeinschaften. Die imBegriff Territorium mitschwingende, kollektiveund kulturelle Dimension behält offensichtlichauch in städtischer Umgebung ihre über dieeinzelnen Generationen hinausweisende Be-deutung bei (R ATHGEBER, 1994; HOLZINGER,2003).

Die Ausprägung der Wechselbeziehung vonLand, Ressourcen, Institutionen und selbstbe-stimmter Lebensweise sowie die Wahrneh-mung durch die Öffentlichkeit fallen gleichwohlunterschiedlich aus; je nachdem, wie stark dieeinzelnen Gemeinschaften von den äußerenEingriffen durchdrungen sind, und wie diskrimi-

nierend oder gar strafverfolgend die sozialeUmgebung auf die öffentliche Darstellung rea-giert. Bei indigenen Völkern im Tiefland des Amazonas trat diese enge Wechselbeziehungvon Land und Selbstverwaltung immer schonostentativer zutage als etwa bei Gemeinschaf-ten im andinen Hochland. Letztere waren zumeinen direkter dem unmittelbaren Machtbe-reich der kolonialen und später republikani-schen Herrscher ausgesetzt. Zum anderen

mussten sie unter diesen Bedingungen eineEntwicklung auf der Grundlage bäuerlicherSubsistenzökonomie einschlagen, so dassindigene Gemeinschaften im Hochland eher

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Indigene Völker und Landrechte

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als kleinbäuerliche Gemeinden in Erscheinungtraten. Gleichwohl lassen sich heute noch beinäherem Hinsehen auch dort viele Elementeeines kulturell spezifischen Zusammenhangesentdecken, der durch die koloniale Dominanz

in den Hintergrund rücken musste.

 Außerdem zielen etwa in Guatemala die For-derungen nicht allein auf die Rückgabe des imBürgerkrieg von der Armee konfiszierten Lan-des, sondern auch auf die Rückgabe spirituellund kulturell bedeutsamer Stätten. Aufgrundder politisch und strafrechtlich polarisiertenSituation konzentrieren in Chile manche Orga-nisationen der Mapuche ihre Forderungen aufdie Nutzung öffentlicher Räume zur Durchfüh-

rung tradierter Zeremonien, vor allem in denStädten, oder die Einrichtung staatlich beson-ders geförderter Zonen für eine wie auch im-mer geartete ‚indigene Entwicklung‘.

Es ist daher unabdingbar, die unterschiedlicheDynamik der Landrechtsauseinandersetzun-gen zu berücksichtigen; insbesondere im Tief-und Hochland. Gleichwohl scheint mir im Kon-text der Fragestellung mindestens genausointeressant, dass gerade auch im kleinbäuer-

lich strukturierten, andinen Hochland immerwieder an tradierte Institutionen angeknüpftwird, um eine eigenständige, teilweise im Ver-borgenen stattfindende Entwicklung einzulei-ten. Kollektive Formen der Arbeitsorganisation,gemeinschaftlich bewirtschaftete Flächen, dieEinbettung staatlicher Verwaltungseinrichtun-gen in tradierte Formen der Selbstverwaltungoder die Wiederbelebung kulturell normierterLeitbilder in religiösen Zeremonien (StichwortSynkretismus) offenbaren auch dort die im

Vergleich zu nicht-indigenen Kleinbauern spe-zifische Dynamik, mit der Auseinandersetzun-gen um das Land geführt werden. Seitdem inBolivien das Gesetz zu den Tierras Comunita-rias de Origen (TCOs) für indigene Gemein-schaften nachvollziehbare Ergebnisse zustan-de bringt, zeigen auch die Hochlandbewohnerein starkes Interesse an dieser Möglichkeit,kommunalen Landbesitz mit kollektivenRechtstiteln ausstatten zu lassen. Ein Gesetz,das ursprünglich mit Blick auf das Tieflandkonzipiert wurde, schlägt also vermehrt aufdas Hochland durch, aus dessen Regioneninzwischen zwei Drittel der Anträge eingegan-

gen sind. Die dortigen Bewohner sehen einerealistische Möglichkeit, an tradierte Institutio-nen anknüpfen und kommunale Landbesitz-verwaltungen wieder einrichten zu können(R ATHGEBER, 2003; siehe auch Abschnitt 4)

Darüber hinaus entwickelten indigene Völkereine erstaunliche Fähigkeit, koloniale Struktu-ren und Formen der sozialen Organisation füreigene Zwecke zu nutzen. So ist der von denSpaniern eingeführte Cabildo (Dorfrat) etwa fürindigene Gemeinschaften in Kolumbien zumInbegriff der politischen Autonomie auf dentraditionell besiedelten Territorien geworden. Ingleicher Weise wurde das Resguardo  (Reser-vation) als Eigentumsanspruch auf indigene

Territorien und deren Verwaltung übernom-men. Die neue kolumbianische Verfassungvon 1991 bestätigte dieses Rechtsmodell, sodass hier indigene Völker als Rechtssubjektein der autonomen Verwaltung ihres Lebens-raums auftreten und ihr Gewohnheitsrechtausüben (MEMBREÑO IDIAQUEZ, 1994;R ATHGEBER, 1994; MUYUY J ACANAMEJOY,1997). Würden die in der kolumbianischenVerfassung vorgesehenen territorialen Körper-schaften für indigene Gemeinschaften (Entida-

des Territoriales Indígenas) in Ausführungsge-setzen geregelt und umgesetzt, könnte diesdem skizzierten Anspruch auf territoriale Auto-nomie recht nahe kommen.

 Aus den bisherigen Ausführungen lässt sichmit den Worten von Robert A. Williams – ei-nem renommierten Experten für indigeneLandrechte, der in den 1990er Jahren in dieUN-Unterkommission zur Förderung der Men-schenrechte berufen wurde – feststellen, dass

die tragenden materiellen, kulturellen und spi-rituellen Säulen indigener Identität unabding-bar mit dem Bezug zum jeweiligen Territoriumverknüpft bleiben (zitiert nach D AES, 2000: Absatzziffer 12).

2. Indigene Landrechte im Kontext inter-nationaler Standardsetzung

Begriffliche und konzeptionelle Annäherungenan Bedeutung und Umfang des indigenen Ter-

ritoriums sind in den einschlägigen internatio-nalen Foren und vertraglichen Plattformen wieetwa bei internationalen Übereinkommen fast

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schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Ingleicher Weise sind im vergangenen Jahrzehntin Lateinamerika Versuche zu beobachten, dieErgebnisse dieser Debatten und Standards imnationalstaatlichen Rahmen juristisch umzu-

setzen, und dem jeweiligen Staat einen derBevölkerungsstruktur entsprechenden kultu-rellen Pluralismus zu verordnen. Stichwortewie spezifische Rechte oder Wahlkataster für Angehörige indigener Völker in einer demokra-tisch egalitären Gesellschaft, doppelte Staats-bürgerschaften für Grenzlandbewohner etwa inKolumbien und Ecuador, ‚Selbstbestimmung‘

für regionale Teile einer Nation oder besonde-re Konsultationsverpflichtungen für Regierun-gen und Behörden reichen hier als Stichworteaus, um den Paradigmenwechsel der staatli-chen Politik in Bezug auf indigene Völker zu

verdeutlichen. Mindestens der Verfassungnach gilt in vielen Staaten Lateinamerikas dieVerschiedenheit der Kulturen nicht mehr als zuüberwindendes Relikt vormoderner Prinzipien,sondern als gleichwertiger Bestandteil deröffentlichen Ordnung (KUPPE, 2000:106ff; vgl.auch den folgenden Abschnitt 3).

Foto: Taller zur Zonifizierung eines Sektors in Mapuche-Gemeinden, Chile (S. HESS-K ALCHER, Proyecto GAR)

Die Annäherung an eine konstruktive Behand-lung indigener Landrechte erfolgte aus unter-schiedlichen Beweggründen und in mehrerenZeitabschnitten. Den wesentlichen Anstoßgaben indigene Völker mit ihren Mobilisierun-gen ab den 1970er Jahren selber, die zumin-dest Teile der nationalen wie internationalen

Öffentlichkeit auf ihre elende Lage aufmerk-sam machten. So wurden die vom Staat er-zwungenen Maßnahmen, die sich gegen tra-

dierte Formen indigener Lebensweise richtetenund die Homogenisierung der nationalen Ge-sellschaft zum Ziel hatten, als systematischeMenschenrechtsverletzungen eingestuft; teil-weise in der Kategorie des Völkermords ge-mäß Artikel II der Konvention gegen Genozid.Dieser Artikel stellt Handlungen unter Strafe,

die in der Absicht begangen werden, eine nati-onale, ethnische, rassische oder religiöseGruppe als solche ganz oder teilweise zu zer-

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stören. Umgekehrt erschien die auf indigenenTerritorien praktizierte Lebensweise zuneh-mend weniger als entwicklungshemmend undrückwärtsgewandt, sondern als Ausdruck fürdas Bestreben, einen aus den eigenen kultu-

rellen Werten abgeleiteten Lebensentwurf miteigenen Möglichkeiten zu verwirklichen; d.h.‚Glück‘ selbst zu bestimmen. Eine Brescheschlug der UN-Sonderberichterstatter für dieUN-Unterkommission zur Förderung der Men-schenrechte, der aus Ecuador stammendeJOSÉ R. M ARTÍNEZ COBO. Er fertigte in den1970er Jahren im Auftrag der UNO eine um-fangreiche Studie zur Lage indigener Völker anund stellte in Bezug auf die Landfrage fest,dass es unabdingbar sei, die tiefe spirituelleBeziehung zwischen indigenen Völkern undihrem Land als Grundlage ihrer Existenz ver-stehen zu lernen (M ARTÍNEZ COBO, 1987, BandV: Absatzziffern 190ff).

Seine Studie bildete die Grundlage, um zumeinen ab 1983 die Arbeitsgruppe für indigeneBevölkerungen bei der UN-Unterkommissioneinzurichten. Aus deren Arbeit entstand der1994 fertiggestellte Entwurf einer Internationa-len Erklärung zu den Rechten indigener Völ-

ker. Sowohl die Präambel als auch Artikel 25des Entwurfs nehmen ausdrücklich Bezug aufden vom herkömmlichem Verständnis abwei-chenden Charakter der Beziehungen zwischenindigenen Völkern und ihrem Land. Außerdemwird festgehalten, dass diese besondere Be-ziehung per Gesetz zu schützen ist, und nichtetwa mit Verweis auf eine allgemeine Gleich-heit diskriminiert werden darf.

Die gleiche Arbeitsgruppe erteilte zweien ihrer

Mitglieder den Auftrag, Studien über Land- undTerritorialrechte durchzuführen. Zum einenerhielt der aus Kuba stammende MIGUEL

 ALFONSO M ARTÍNEZ  den Auftrag, eine Studieüber völkerrechtlich relevante Verträge und Abkommen zwischen indigenen Völkern undNationalstaaten anzufertigen. Aus dieser Stu-die geht hervor, dass die überwiegend im Zeit-raum des 17. bis 19. Jahrhunderts zustandegekommenen Abkommen von Vertragspar-teien – Kolonialmächte und indigene Völker –mit völkerrechtlicher Qualität abgeschlossenwurden. Mithin genossen die von den indige-nen Völkern besiedelten und genutzten Ge-

biete den Status eines souverän verfügbarenTerritoriums (M ARTÍNEZ, 1999).

Insbesondere indigene Repräsentantinnen undRepräsentanten aus Nordamerika, Australienund Neuseeland weisen in diesem Zusam-menhang bis heute darauf hin, dass unbe-schadet der unzähligen Vertragsbrüche durchKolonialmächte und nachfolgende National-staaten die völkerrechtliche Anspruchsgrund-lage nicht ausgelöscht wurde. Demzufolgefordern sie die entsprechenden Territorien ein,und haben durch einige Entscheidungen o-berster Gerichtshöfe in Kanada (Fall Delga-muukw) und Australien (Fälle Mabo und Wik)immerhin eine partielle Anerkennung ihrer his-

torischen Besitzrechte erreicht (C ARSTENS,2000). Unbeschadet aller Kritik von Seitenindigener Organisationen ging die kanadischeBundesregierung dazu über, im Rahmen einerneuen bundesstaatlichen Aufteilung über dieLandrechtsfrage nachzudenken. So richteteKanada 1999 einen neuen Bundesstaat na-mens Nunavut ein, der den dort lebenden Inuiteine relative Autonomie einräumt.

Den zweiten Auftrag erhielt ERICA-IRENE D AES,

um eine Studie zum Recht auf Land zu erar-beiten. Frau D AES  hob in ihrem abschließen-den Bericht aus dem Jahr 2000 deutlich her-vor, dass der Zugang zum Land und dessenRessourcen für das Überleben indigener Völ-ker von grundlegender Bedeutung ist (D AES,2000). Im gleichen Tenor beurteilte RodolfoStavenhagen in seinem ersten Bericht als UN-Sonderberichterstatter für indigene Angelegen-heiten, dass für indigene Völker das Territo-rium und die dort vorhandenen Ressourcen

eine existenzielle, d.h. eine Frage der Men-schenrechte darstellen (INTERNATIONAL CENTRE

FOR HUMAN RIGHTS AND DEMOCRATIC

DEVELOPMENT, 1996; STAVENHAGEN, 2002: Abschnitt II.B).

Der Bericht und die Empfehlungen von Mar-tínez Cobo trugen des weiteren wesentlich zur Ausarbeitung der Konvention 169 der Internati-onalen Arbeitsorganisation (ILO; InternationalLabour Organization) bei. Sie wurde 1989 be-

schlossen und löste die Vorgängerversion ab,die Konvention 107 aus dem Jahr 1957, die imGeiste der nachholenden Entwicklung ausfor-

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Indigene Völker und Landrechte

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muliert worden war und auf die zwangsweiseIntegration (Assimilierung) indigener Völkerzielte. Im Abschnitt II zu Grund und Bodenführt Artikel 13 der Konvention 169 aus, dassRegierungen bei der Durchführung der Be-

stimmungen dieses Teils die besondere Be-deutung zu beachten haben, die der Wechsel-beziehung indigener Völker und ihrer Kulturensowie ihrer geistigen Werte mit dem von ihnenbesiedelten oder genutzten Land inne wohnt.Wenngleich die Konvention 169 nichts darüberbesagt, was rechtsverbindlich ‚Territorium‘bedeutet und lediglich ausführt, dass die Beg-riffe ‚Gebiete‘ oder ‚Ländereien‘ das Konzeptdes Territoriums beinhalten. Aufgrund der -

wenigen - Vorgaben der Konvention und ihrerKommentierungen schlussfolgert RoqueRoldán, dass die Staaten in diesem Kontextverpflichtet sind, indigenen Völkern das unein-geschränkte Landeigentum zu übertragensowie alle Ressourcen anzuerkennen, dietraditionell die Lebensgrundlagen des indige-nen Volkes bilden. Ebenso müsse indigenenVölkern ein vernünftiger, d.h. an der Aufrecht-erhaltung der spezifischen Existenz orientierterGrad an Autonomie für die Verwaltung und

Nutzung der Territorien zugestanden werden(ROLDÁN ORTEGA, 2003:62f). Es liegt auf derHand, dass indigene Organisationen und Re-gierungen um die Interpretation, wie weit dasLandeigentum und die Ressourcenverfügbar-keit reichen, erbittert streiten (vgl. auch FELDT

und ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band).

Schließlich unterstreicht die Präambel des vonder Interamerikanischen Menschenrechts-kommission 1997 vorgelegten Entwurfs für

eine Amerikanische Erklärung zu den RechtenIndigener Völker – den momentan der Stän-dige Rat der Organisation AmerikanischerStaaten (OAS) diskutiert – ebenfalls die be-sondere Beziehung indigener Völker zu ihrenTerritorien sowie den traditionellen kollektivenSystemen zur Kontrolle und zum Nießnutz desLandes. Ähnlich wie bei der ILO-Konvention169 sind bei den beiden Entwürfen der UNOund der OAS zwar keine verbindlichen Erläute-rungen zum Begriff Territorium vorhanden.

Dafür liegt der OAS jedoch eine unüberschau-bare Anzahl an schriftlichen und zu Protokollgegebenen Kommentierungen durch indigene

Völker und Organisationen vor, die diesenengen Verbund von Territorium und Gemein-schaft unterstreichen.

 Alle Normen und Debatten um Landrechte

indigener Völker betonen den generations-übergreifenden Aspekt dieser besonderenBeziehung zum Territorium und weisen dieseals einen wesentlichen Bezugspunkt für Iden-tität und Fortbestand indigener Kulturen aus.Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund einerbeschleunigten Ökonomisierung aller Lebens-bereiche zu werten (Stichwort Globalisierung),die nun den Zugriff auf verwertbar scheinendeTerritorien indigener Völker selbst in entfern-testen Gebieten, die Ausbeutung von Natur-

ressourcen an fast jedem Ort und jederzeitmöglich macht. Sogenannte Strukturanpas-sungsprogramme greifen tief in die rechtlichenGarantieleistungen des Staates ein, die dieseretwa bei der Nutzung der Territorien und derdort befindlichen Ressourcen eingegangenwar. Um so bedeutsamer erweisen sich diebisher schon entwickelten internationalenStandards nicht nur zur Landrechtsfrage.

3. Geschichte und Entwicklung der Land-rechtsfrage für indigene Völker in Latein-amerika

Die Anerkennung indigener Völker als eigen-ständige gesellschaftliche Verbände mit Rech-ten auf ihr traditionelles Land und selbst-verwaltete Territorien waren vor 40 Jahren inkaum einem lateinamerikanischen Land ab-sehbar, abgesehen von Nischenexistenzenwie der Comarca San Blás in Panama. Bis indie 1970er Jahre galten die Kulturen indigenerVölker als rückwärtsgewandt und Hemmnisihrer eigenen Entwicklung. Sie waren überwie-gend Opfer fremdbestimmter politischer Ziel-setzungen nach den Maßstäben einer sichindustriell formierenden, nationalen Gesell-schaft. Indigene Völker mussten in diese natio-nale Gesellschaft integriert werden. Im Zugeder nationalstaatlichen Integration sollte einekulturell homogene Gesellschaft entstehen.Das Aufgehen der indigenen Bevölkerungsteile

in diese Gesellschaft galt als bestmöglicheZukunft für sie. Wie in Bolivien schufen dieStaaten komplexe Rechtssysteme zur Land-

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rechtsfrage, ohne dass sie die ethnische Be-völkerungsverteilung berücksichtigten; dieetwa in Bolivien eine Mehrheit mit indigenerHerkunft ausweist. Entsprechend dem kolonia-len Denken behielten sich die Staaten das

Recht vor, über die Verwertung der von Indi-genen besiedelten oder genutzten Gebieteausschließlich allein zu entscheiden, und etwaden Privatbesitz an Parzellen zu fördern.

Mit der gleichen Denkstruktur gingen die Nati-onalstaaten an die Lösung von Landrechtskon-flikten heran. Bis weit in die 1990er Jahre gal-ten Landbesitznahmen durch Angehörige indi-gener Gemeinschaften als Symbol für dieInfragestellung des gesamten jeweiligen Ge-

sellschaftssystems und wurden entsprechendrepressiv verfolgt. Entsprechend hoch war derBlutzoll auf indigener Seite; insbesondere inden 1970er Jahren, als Landrechtskonfliktenoch nahezu ausschließlich mit Mitteln der Aufstandsbekämpfung unterdrückt wurden.Selbst gegenüber indigenen Gemeinschaften,die ihre Landansprüche nicht im Kontext radi-kaler Landrechtsbewegungen geltend mach-ten.

Landbesetzungen durch indigene Gemein-schaften werden zwar auch heute noch über-wiegend durch den Einsatz staatlicher Sicher-heitskräfte zu regeln versucht, und in Chilebemüht die Regierung sogar Anti-Terrorismus-Gesetze, um radikale Landrechtsbewegungeneinzudämmen. Gleichwohl werden Landbeset-zungen nicht mehr automatisch als ‚marxisti-sche‘ Herausforderung und Unterwanderungder nationalen Gesellschaft interpretiert, son-dern im Kontext der kulturellen Integrität einer

indigenen Gemeinschaft bzw. eines indigenenVolkes. Zum repressiven Konfliktmanagementgesellten sich nach und nach Dialog undRechtsstaat. Dieser Wandel eröffnete nichtzuletzt der EntwicklungszusammenarbeitSpielräume für aktive Beiträge zur Umsetzungvon Landrechten indigener Gemeinschaften(vgl. Abschnitt 5).

Erste Veränderungen in diese Richtung nah-men mit den Agrarreformen in den 1960er

Jahren ihren Anfang, angestoßen durch klein-bäuerlichen Protest und eingebettet in die Alli-anz für den Fortschritt; das damalige Gegen-

programm der USA zur kubanischen Revolu-tion. Im Zuge der kleinbäuerlichen Mobilisie-rung organisierten und mobilisierten sich zu-nächst die im gleichen sozialen Milieu angesie-delten indigenen Völker, vor allem im andinen

Hochland in einem Ausmaß, das bald überkleinbäuerliche Formen der Verfügung undNutzung von Land hinauswies. Ähnlich bekun-deten die Nachfahren der Maya in Guatemalaihr Interesse an genossenschaftlichen Organi-sationen, um darüber wieder eine nach außenlegitimierte, kollektive Verwaltung über ihrLand einzurichten zu können. Alsbald artiku-lierten die Mobilisierten nicht mehr nur den Anspruch auf ihr Land sondern mit dem BegriffTerritorium auch den Anspruch auf lokaleSelbstverwaltung durch eigene, tradierte oderunter eigenen Prämissen entwickelte Instituti-onen. Sie behaupteten sich damit nicht zuletztgegen Vereinnahmungsversuche durch linkeGruppierungen oder Guerilla-Verbände(R ATHGEBER, 1994: Kapitel 4; STAVENHAGEN,1997:17ff und 2002).

Die Diskussion und Formulierung neuer inter-nationaler Rechtsstandards, wie der erwähnteMartínez Cobo-Bericht oder die ILO-Konven-

tion 169, gaben diesen Prozessen die notwen-dige Rückendeckung. Das Einfordern indige-ner Landrechte gegenüber den Nationalstaa-ten war nicht mehr so einfach als illegitim vomTisch zu wischen. Spiegelte sich in der Vor-gängerversion, der ILO-Konvention 107, diesoziale Wirklichkeit lateinamerikanischer Län-der mit ihrem Integrationsansatz wider, so be-einflusste nun umgekehrt die Konvention 169wesentlich die Gestaltung der rechtlichen

Rahmenbedingungen für indigene Völker inLateinamerika. Ein gewichtiger Teil der LänderLateinamerikas hat die ILO-Konvention 169ratifiziert: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Ko-lumbien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala,Honduras, Mexiko, Paraguay, Peru und Vene-zuela. Andere Länder wie Nicaragua und Pa-nama hatten wichtige Verfassungsreformenschon früher durchgeführt, die ähnliche Rechteeinschlossen.

Ein zweiter wesentlicher Schub entsprang denMobilisierungen im Zuge der Gedenkfeiernzum Kolumbusjahr 1992 sowie dem im glei-chen Jahr stattgefundenen Umweltgipfel in Rio

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“Zu den grundlegenden, eingeforderten undanerkannten Rechten durch die Verfassunggehören: Ausbildung in der eigenen Sprache,

Land und Territorium, natürliche Ressourcen,Respekt gegenüber der Identität und Kultur sowie kollektiven Rechten.“

LOURDES TIBAN, CONAIE, Ecuador 

de Janeiro, der indigenen Völkern im Kapitel26 der Agenda 21 eine tragende Rolle beimErhalt des natürlichen Reichtums der Erdezumaß. In diesem zeitlichen Kontext wurdenvon Mexiko bis zum Süden des Subkontinents

neue Verfassungen geschrieben oder beste-hende reformiert, die zum ersten Mal in derlateinamerikanischen Geschichte überhaupteinen politischen Anspruch auf eine plurikultu-relle oder multiethnische Gesellschaftsverfas-sung formulierten. Vor dem Hintergrund der inLateinamerika ausgeprägten Tradition desuniformen Nationalstaates mutierte die dezi-dierte Anerkennung indigener Gemeinschaftenund Völker und ihrer Rechte zu einem Para-

digmenwechsel in der Politik (vgl. auch FELDTzur Staatsmodernisierung in diesem Band).

Schließlich ließ sich beobachten, dass die Ent-würfe zur Internationalen sowie zur Amerikani-schen Erklärung indigener Rechte national wieinternational Diskurs bildend wurden. BeideEntwürfe bauen auf den Normen der ILO-Kon-vention 169 auf, sprechen jedoch statt von‚Verpflichtungen des Staates‘ gegenüber indi-genen Völkern nunmehr von den ‚Rechtenindigener Völker‘‘. Dabei ist zwar in Rechnungzu stellen, dass eine ‚Erklärung‘ keinen bin-denden Charakter besitzt und insofern dieSprachregelung dort im Vergleich zur rechtlichverpflichtenden Konvention immer großzügigerausfällt. Gleichwohl erbrachte die internationa-le Debatte um die Erklärungen und mithin umindigene Landrechte in den meisten Verfas-sungen Lateinamerikas eine Änderung zu-gunsten des eigenständigen Rechtsanspru-ches auf das traditionell besiedelte oder ge-

nutzte Land (KUPPE, 2000 UND 2004).Die Mehrheit der lateinamerikanischen Staatenakzeptiert mittlerweile in Gesetzen und Ver-waltungsvorschriften, dass indigenen Völkerneine Reihe von Sonderrechten zustehen, sodas Recht auf das traditionell bewohnte odergenutzte Land oder Territorium; die Begriffewechseln in einzelnen Ländern. Aufgrund derveränderten internationalen Bedingungen unddes Legitimationsdrucks gegenüber den ‚Op-

fern von 500 Jahren Unterdrückung‘ war esmöglich geworden, indigene Lebensentwürfeund ihre materiellen Bedingungen prinzipiell zuakzeptieren, für ihre historisch begründete,

unterschiedliche Identität sogar eine verfas-sungsrechtliche Garantie abzugeben, ohnedass dadurch die nationale Einheit oder Si-cherheit verletzt oder gefährdet würde.

Im Gegenteil, die neue Beziehung zwischennationalen Gesellschaften und indigenen Völ-kern wird inzwischen sogar in der Kategorieeines grundlegenden Rechts angesiedelt. Sospricht etwa die kolumbianische Verfassungvon 1991 von elementaren Rechten indigenerVölker auf die eigene Existenz als Volk, indi-gene Sprachen als weitere Verkehrssprachen,eine zweisprachige und multikulturelle Ausbil-dung, Schutz der kulturellen Traditionen, ei-gene Rechtsnormen und insbesondere die

Unveräußerbarkeit der traditionellen Landbe-sitze sowie auf kollektive Landrechte (MUYUY

J ACANAMEJOY, 1997). Ein bemerkenswerter,rechtlicher und politischer Durchbruch nachlangen Kämpfen mit vielen Opfern um die Er-haltung indigener Identität und Kultur.

Die heute bestehenden Normen, Ausführungs-gesetze und Verwaltungsmaßnahmen übertra-gen indigenen Völkern in vielen Ländern La-teinamerikas eine weitgehende Zuständigkeitfür ihr Territorium. Fortschritte in der Land-

rechtsfrage – gemessen an den Landforderun-gen indigener Gemeinschaften – lassen sich inLändern wie Peru, Ecuador oder Costa Ricafeststellen. Dort wurden auf der Grundlage derneuen Bestimmungen über 50% der Forderun-gen erfüllt. Bolivien und Paraguay weisen e-benfalls verstärkte Bemühungen dazu auf.Nachbessern müssten Länder wie Brasilien,Kolumbien oder Panama, die bislang lediglich10% der indigenen Forderungen nach ihremTerritorium erfüllten. Dasselbe gilt für Venezu-

ela, wo trotz deutlich verbesserter Anspruchs-grundlagen durch die Regierung Chávezgleichwohl so gut wie kein Landtitel zusätzlich

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übereignet wurde (M ANSUTTI RODRÍGUEZ, 2003;ROLDÁN ORTEGA, 2004: Kapitel III und IV).

Die Verabschiedung neuer oder die Reformbestehender Verfassungen ist das eine, dieUmsetzung der Normen offensichtlich dasandere. Die Unterschiedlichkeit der Politikan-sätze zur Umsetzung der Rechte auf Land undRessourcen sowie die zögerliche Realisierungsind geradezu ein Kennzeichen für die Staatenin Lateinamerika geworden. Dazu kommt eineVielfalt von teilweise sich widersprechendenGesetzen und Verordnungen sowie das häu-fige Fehlen eindeutiger Bestimmungen zumkollektiven Eigentum an Land. Teilweise ste-hen noch alte Normen aus der Zeit der Integra-

tion- und Assimilierungspolitik neben den Ver-ordnungen aus jüngerer Zeit, was insgesamtden verfassungsmäßigen Anspruch destabili-siert und verwässert. So sind in Peru von Indi-genen bewohnte Gebiete vom Staat nicht an-erkannt, weil ihnen das Land in früherer Zeitzwar zur Nutzung überlassen, aber keinRechtstitel vergeben wurde. ROQUE ROLDÁN

ORTEGA  zieht daraus den Schluß, dass dieseMehrdeutigkeit und fehlende juristische Präzi-sierung politisch eher gewollt ist und dem

Staat erlaubt, de facto weiterhin die Entschei-dungsgewalt über indigene Territorien auszu-üben, als handele es sich um staatliches Land(ROLDÁN ORTEGA, 2004:79f; vgl. auch M ARÉS

DE SOUZA FILHO, 2000).

4. Aktuelle Situation indigener Land-rechte in ausgewählten Ländern Latein-amerikas

Wie schon angedeutet, erkennt die Mehrzahl

der lateinamerikanischen Länder durch ihrereformierten oder neuen Verfassungen diemultiethnische Verfasstheit der nationalen Ge-sellschaften an und schafft so die Vorausset-zungen für entsprechende Rechtsformen zuindigenen Territorien. Die bolivianische Verfas-sung von 1994 bricht mit der Politik der Assimi-lierung und gleichzeitigen Ausgrenzung seinerindigenen Mehrheit und postuliert einen multi-ethnischen und plurikulturellen Staat. Ähnlich

verhält es sich in Chile, Ecuador, Kolumbien,Mexiko und Venezuela. Die argentinische Ver-fassung spricht von der originären ethnischen

und kulturellen Existenz indigener Völker. Pa-raguay erklärt sich zum zweisprachigen Viel-völkerstaat und betrachtet andere indigeneSprachen als nationales Kulturerbe. Peru da-gegen erlaubt an der Seite des Spanischen

nur eingeschränkt den offiziellen Gebrauchvon Quechua, Aymara und anderen einheimi-schen Sprachen. Guatemala verabschiedeteinnerhalb der letzten sechs Jahrzehnte vierneue Verfassungen; 1945, 1956, 1965 und1985 in der reformierten Fassung von 1993.Unbeschadet des hohen indigenen Bevölke-rungsanteils erkannten Staat und Gesellschafterst im Zuge der Friedensverhandlungen undmit dem vierten Verfassungstext die Existenzder Gemeinschaften der Maya-Nachfahren an. Angehörige der Garifuna und Xinka kommenallerdings auch jetzt noch nicht in der Verfas-sung vor (MELIÀ & TELESCA, 1997; S AQ NO´J -CUPIL LÓPEZ, 2000).

Im engeren Bereich der Landrechte bestehtallerdings bis heute, unbeschadet aller gesetz-geberischer Aktivitäten, eine immer noch cha-rakteristische Benachteiligung derjenigen indi-genen Völker, die im Tiefland beheimatet sind. Aus verschiedensten Gründen verfügen sie

faktisch zwar über das Land, auf dem sie le-ben, aber im Vergleich zum Hochland überweniger Rechtstitel. Die Agrarreformen in den1960er und 1970er Jahren mit der Umwand-lung des gemeinschaftlichen Landbesitzes inindividuellen Privatbesitz konzentrierten sichauf die kleinbäuerlichen Gebiete im Hochland.Dieser Mangel konnte in den vergangenen 10Jahren zwar vermindert werden, zeitigt abernach wie vor gravierende Konsequenzen;

wenn etwa die unklare Landrechtsfrage zuvermehrten und schneller einsetzbaren Kon-zessionen für Bodenschatzabbau oder Holz-einschlag führen.

Unterschiedlich sind in den verschiedenenLändern auch die Kategorien territorialer Ver-fügungsgewalt. Am eindeutigsten sind die Ver-hältnisse in Kolumbien, Panama oder Nicara-gua. Das Resguardo  (Reservation), die Co-

marca  (eine Art Provinz) oder die Región Au-tónoma sind abschließend definiert und ent-sprechen dem skizzierten umfassenden Begriffdes Territoriums. Wobei die zwei autonomenRegionen an der Atlantikküste Nicaraguas

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nicht per se ethnisch definiert sind. Gleichwohlerlaubt die dortige Bevölkerungsverteilung miteiner Mehrheit von Angehörigen der Miskito,Sumu, Mayagna und Rama eine politischeGestaltung der nördlichen und südlichen auto-

nomen Teilregionen nach den Vorgaben derdortigen indigenen Bewohner. Was zusätzlichbemerkenswert ist, da erst im Zuge der Koloni-sierung das Selbstverständnis der Miskito-oder Sumu-Zugehörigkeit gereift ist. In ande-ren Ländern wie Brasilien gibt es neben denunterschiedlichen Stadien des Verwaltungsver-fahrens auch verschiedene Nutzungsgrade,die unterschiedliche Verfügungsrechte überdas Land bedingen.

Länder wie Peru, Kolumbien und Panama ha-ben insgesamt eine komplexe Gesetzgebungzu indigenen Territorien ausgearbeitet. Kolum-biens juristisches Normgerüst gehört dabei zuden detailliertesten und umfassendsten, ohnedass damit schon etwas über die Realität derLandrechte gesagt wäre. Panama weist einigeBesonderheiten auf. Panama nahm bereits1972 als eines der ersten lateinamerikani-schen Länder kollektive Rechte in seine Ver-fassung auf, darunter das Recht auf das tradi-tionell bewohnte Land. Das panamesischeParlament erließ auf dieser Grundlage einGesetz für indigene Völker, das die Gründungeiner sogenannten Comarca (Provinz) ermög-licht. Bis zum Jahr 2002 wurden fünf solcherComarcas mit einer Gesamtfläche von16.347 km2 gebildet. Das entspricht ungefähr20% des nationalen Territoriums. Die Comarca

ermöglicht Landeigentum mit weitgehenderSelbstverwaltung, die in der Carta Orgánica

(eine Art spezifischer Gründungsurkunde fürdas neu eingerichtete Gebiet) festgelegt wird.Panama hat die ILO-Konvention 169 jedochnicht ratifiziert (vgl. MUYUY J ACANAMEJOY,1997; ALEMANCIA, 2000:43ff; ROLDÁN ORTEGA,2004:71f).

Peru gehörte ebenfalls zu den ersten Ländernin Lateinamerika, das sowohl Verfassungs-normen zur Anerkennung der besonderenRechte indigener Völker entwarf, als auch spe-

zifische Regelungen für die im Tiefland ange-siedelten Gemeinschaften, die Comunidades

Nativas, sowie für die im Hochland lebenden,kleinbäuerlich strukturierten Gemeinschaften,

die Comunidades Campesinas  entwickelte.Frühzeitig setzte auch der brasilianische Staateine neue Verfassung (1988) ein, die Indige-nen ein originäres Recht auf das von ihnenbewohnte Land zusichert (Artikel 231). Aller-

dings erklärt sich Brasilien nicht zum multieth-nischen und plurikulturellen Staat. Im Jahr1996 unterzeichnete der damalige Justizmi-nister Jobim das Dekret 1775, das die Demar-kierung indigener Territorien für Einsprücheheutiger Besitzer zugänglich macht. Ein selbstoffensichtlich widerrechtlich erworbener Besitzkann so gegen die ursprünglichen, indigenenEigentümer geltend gemacht werden(MCDONAGH, 1996).

In Ländern wie Bolivien, Ecuador und CostaRica verteilen sich indigene territoriale Rechteauf eine Vielzahl von Gesetzen und Ausfüh-rungsbestimmungen; etwa zu Naturschutzge-bieten, Bergbau, Erdölförderung oder Konzes-sionen für den Holzeinschlag, die teilweiseuntereinander konkurrieren. Die unkoordinierteVergabe der Landtitel führte in Ecuador dazu,dass die Übertragung von Land rechtlich nichtdefiniert war, soweit sie vor der Verfassungs-reform von 1998 stattfand. Diese Besitztitelbefinden sich in einem juristischen Schwebe-zustand. In der Praxis entstehen darausschwerwiegende Konflikte vor allem in der Amazonasregion. Massive Besiedlung durch Angehörige indigener Gemeinschaften ausdem Hochland, die dort dem Landdruck zuentweichen suchen und die Präsenz von Un-ternehmen, die die natürlichen Ressourcenausbeuten wollen, stellen die Landrechte fak-tisch wieder in Frage. Auch die Situation derje-

nigen Gemeinschaften ist kompliziert, die inSchutzgebieten leben. Die Regierung Ecua-dors weigert sich, diese Gebiete als indigenesEigentum anzuerkennen.

In Costa Rica gründete die Regierung 1973 diesogenannte nationale Kommission für indigene Angelegenheiten. Diese Institution ist An-sprechpartner für die Forderungen der indige-nen Gemeinschaften einschließlich derenLandansprüche. Vier Jahre später legte das

‚Indigenen-Gesetz‘ von Costa Rica fest, dassindigene Gebiete unveräußerlich, nicht über-tragbar und exklusiv für die dort lebenden Ge-meinschaften bestimmt seien. Diese Gebiete

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bzw. Reservationen begründen also ein um-fassendes Recht auf Eigentum am Territorium. Außerdem besagt das Gesetz, dass in denanerkannten Indigenengebieten die Gemein-schaften die volle Rechtsfähigkeit im Sinne

einer Körperschaft des öffentlichen Rechtsbesitzen (ROLDÁN ORTEGA, 2004).

Bolivien, neben Guatemala das Land mit demgrößten Anteil an indigener Bevölkerung aufdem amerikanischen Kontinent unternahmandererseits frühzeitig Schritte, durch Revolu-tion (1952) und Agrarreform (1953) eine neueLandverteilung unter Berücksichtigung indige-ner Gemeinschaften zu erreichen. Im andinenHochland wurde das Land der meisten Groß-

grundbesitzer (Hacienda) an indigene Tage-löhner zurückgegeben, und die Eigentums-rechte auf Quechua- und Aymara-Gemeindenausgedehnt. Die Verteilung berücksichtigte jedoch die kollektive Form des Eigentums nichtund förderte stattdessen die individuelle Par-zellierung. Im Laufe der Jahre begründete undbeschleunigte dies den Kleinstgrundbesitz(Minifundien), der zur Abwanderung in dieStädte oder in das Tiefland führte.

Ebensowenig berücksichtigte damals der Staatdie traditionelle Rechtsprechung der indigenenGemeinden zu ihren Territorien. Während die-se Gemeinden darauf achteten, dass ihre fürdiese Aufgabe bestimmten, traditionellen Amtsinhaber über das Organisationsvehikeleiner kleinbäuerlichen (Campesino-) Gewerk-schaft in diese Funktion kamen. Wobei sichdiese Vereinigungen von klassischen Arbeiter-gewerkschaften grundlegend unterschieden(STRÖBELE-GREGOR, 1997:135f; ROGALSKY,

2003:117ff). In den östlichen Tiefländern Boli-viens resultierte die Agrarreform dagegen ineinem Erweiterungsprozess der Hacienda auf Kosten indigener Territorien. Im gesamtenGebiet des Guaraní-Chaco’ waren es dieGutsbesitzer, die Landrechte zugesprochenbekamen. Weiterhin vergab die RegierungNutzungsrechte an Personen, die keiner indi-genen Gemeinschaft angehörten, selbst inGebieten, die bereits als indigene Territorienanerkannt waren.

Mit der neuen Verfassung von 1994 und derRatifizierung der ILO-Konvention 169 gab sich

der bolivianische Staat den Auftrag, ein neuesBeziehungsmuster mit den indigenen Völkerndes Landes zu entwickeln. Er behielt sich aller-dings das Recht auf Eigentum am Boden undam Untergrund mit seinen reichen natürlichen

Ressourcen vor. Gesetzliche Einschränkungenbei der Verfügung über Ressourcen findensich im übrigen in allen Ländern Lateinameri-kas (vgl. FELDT und ROSSBACH DE OLMOS indiesem Band).

Das 1995 verabschiedete Gesetz Nr. 1615über die Verfassungsreform (Ley de ReformaConstitucional) in Bolivien erkannte indigenenVölkern ihre Rechte insbesondere am ur-sprünglichen gemeinschaftlichen Land an.

Vorausgegangen war u.a. der 1990 organi-sierte 34 Tage dauernde Fußmarsch “Für dasTerritorium und die Würde“ vom Tiefland nachLa Paz. Die Regierung musste nach hartenVerhandlungen das Recht indigener Gemein-schaften auf ihre Territorien anerkennen, unddie Ausarbeitung eines ‚Gesetzes der indige-nen Völker des Ostens und Amazoniens‘ ineiner Frist von 120 Tagen zusagen. Späterunterzeichnete die Regierung die Ausweisungweiterer Territorien, so dass auf dem Papier

insgesamt 15 indigene Gemeinschaften mitinsgesamt 2,9 Mio. ha begünstigt wurden.Fortschritte hatte es bereits bei der Modifizie-rung der Staatsverfassung gegeben, derenNeufassung 1994 abgeschlossen wurde. Unteranderem enthält sie Artikel 171, der wesentli-che Bestandteile des Begriffs “Territorium“anerkennt (C ALVO, 2003:105ff).

Das 1996 verabschiedete Gesetz Nr. 1715(Ley del Servicio Nacional de Reforma Agra-

ria) schuf die Grundlage zur Anerkennungindigener Territorien mit Rechtstiteln (Tierras

Comunitarias de Origen; TCOs).Es handeltsich hier um Räume, in denen indigene Dorf-gemeinschaften traditionell ihre eigenen For-men wirtschaftlicher, sozialer und kulturellerOrganisation pflegen (Art. 41 Paragraph 1, Abschnitt 5). Das Gesetz definiert die TCOsals kollektiven Grundbesitz, der weder ü-berschreibbar, verpfändbar noch veräußerbarist. Innerhalb der TCOs haben die indigenenVölker das Recht, ihre Gebräuche zu betrei-ben, an der Umweltgestaltung mitzuwirken,und das Land unter den beteiligten Dorfge-

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meinschaften und Familien zu verteilen. Biszum Jahr 2003 wurden im Amazonastiefland16 TCOs demarkiert. Die demarkierten TCOsumfassen eine Fläche von ca. 5 Mio. ha. Dassind etwa 11% der Gesamtfläche des bolivia-

nischen Amazonasgebietes; allerdings nur35% der gesamten von den indigenen Völkerneingeforderten Fläche (C ALVO, 2003).

 Abschließend sei Venezuela erwähnt, das sichbei der Umsetzung indigener Landrechte nochim Prozessstadium befindet. Wie in Ecuadorwurde indigenen Völkern in der VergangenheitLand unter Modalitäten zuerkannt, die ihnenkeine juristische Sicherheit über den Landbe-sitz garantierten und keine Möglichkeit ein-

räumten, das Land selbst zu verwalten. Nachder Verfassungsreform von 1999 änderte sichdies grundlegend. Mehrere Artikel und Verfü-gungen schreiben nun das Recht auf die ge-wohnte räumliche Umgebung, eigene Kultur,politische Partizipation, medizinische Versor-gung, Ausbildung sowie Anerkennung derSprachen als Amtssprachen fest. Verabschie-det wurde auch ein Gesetz zur Demarkierungund zur Garantie indigener Siedlungsräume. Allerdings ist fast fünf Jahre nach Verabschie-dung der neuen Verfassung - nicht zuletzt auf-grund der politischen Unruhen - noch keinLand in nennenswertem Maße an indigeneGemeinschaften übereignet worden. Außer-dem setzt sich die staatliche Entwicklungs-und Industriepolitik ungebrochen fort undschätzt etwa die Region Guayana immer nochals unbewohnt und daher günstig für Großpro- jekte ein (M ANSUTTI RODRÍGUEZ, 2003:139ff).

Insgesamt lässt sich der wenig überraschende

Schluss ziehen, dass die rechtlichen Garantienauf Land, Territorium und autonomer Verwal-tung nur teilweise umgesetzt worden sind. Dergeringste Teil davon geht auf staatliche Eigen-initiative zurück. Vielmehr haben die schongenannten Mobilisierungen der indigenen Ge-meinschaften mit der Rückendeckung interna-tionaler Standards im wesentlichen zu denersten praktischen Schritten geführt. Die bis-lang hauptsächlich auf gesetzgeberische Maß-

nahmen beschränkte Aktivität der Staaten er-öffnet gleichzeitig ein weites Feld für die inter-nationale Entwicklungszusammenarbeit.Wenngleich die geringe Umsetzung natürlich

mit politischen und wirtschaftlichen Interessenverknüpft ist, und nicht auf nur technische Ver-fahrenshindernisse zurückzuführen ist.

5. Beispiele der Sicherung von Landrech-ten im Rahmen der Entwicklungszusam-menarbeit

Einen ersten bedeutsamen Beitrag zur Siche-rung indigener Landrechtsansprüche vollzogdie Entwicklungszusammenarbeit der Bundes-republik Deutschland mit der Konzeption, dieUmsetzung der Menschenrechte in den Part-nerländern als grundlegenden Maßstab füreine Zusammenarbeit einzuführen. Auch in diedeutsche Entwicklungspolitik fanden nun dieveränderten Koordinaten Eingang, wie sie zuden Veränderungen bei den internationalenStandards und zu Lateinamerika in den Ab-schnitten 2 und 3 beschrieben wurden. Folge-richtig stellte das Bundesministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung(BMZ) noch unter Minister Spranger Überle-gungen an, wie die Beziehungen zu indigenenVölkern in Lateinamerika unter den nationalwie international veränderten Prämissen neu

gestaltet werden sollten. Das nach außen do-kumentierbare Ergebnis schlug sich vor allemin Form eines Sektorpapiers nieder, das imNovember 1996 unter dem Titel “Konzept zurEntwicklungszusammenarbeit mit indianischenBevölkerungsgruppen in Lateinamerika“ ver-öffentlicht wurde. Das Sektorpapier diente inden folgenden Jahren allerdings eher als Be-zugspunkt für Projekte und Projektkriteriendenn für einen Politikdialog mit den Partnerlän-dern im Rahmen der Entwicklungspolitik.

 Auf der Ebene der Projekte lassen sich einigemessbare Ergebnisse feststellen. Die Gesell-schaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)publizierte im Mai 2000 eine Übersicht über 26ausgewählte Projekte zur Sicherung des Land-eigentums indigener Völker. Die Kooperationumfasste zum einen die direkte Unterstützungindigener Gemeinschaften zur Demarkierungindigener Territorien in Brasilien. Mit Hilfe desim internationalen Vergleich großzügigen Ein-

satzes sowohl finanzieller als auch technischerMittel durch die Kreditanstalt für Wiederaufbauund der GTZ im Rahmen der Sicherung indi-

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gener Territorien im Amazonasgebiet (PPTAL;Projeto Integrado de Proteção às Populaçõese Terras Indígenas da Amazônia Legal), daswiederum in das PPG7-Projekt eingebettet ist

(Pilot Program for Protection of the BrazilianRainforests), konnte ein erheblicher Beitragzur Umsetzung der Landrechte geleistet wer-den.

Foto: Comarca in Ngöbe-Buglé, Panama (Proyecto Agroforestal Ngöbe)

Weitere Beiträge, vor allem im Rahmen derTechnischen Zusammenarbeit, bestehen inder Förderung der indigenen Selbstorganisati-on in Bolivien und Nicaragua, der juristischenund technischen Vorbereitung und Umsetzungder Landrechtsforderung etwa in Peru, der

Mediation, Rechtsberatung und Finanzierungvon Fachanwälten in der Provinz Salta (Argen-tinien), Santa Cruz (Bolivien), Ecuador undGuatemala (Einrichtung eines Katasters), demSchutz der biologischen Vielfalt oder der pro-duktiven Verwertung rechtlich abgesicherterGebiete in Honduras, der Sicherung von Was-serquellen, Wasserzugang und den Schutznatürlicher Ressourcen in der Comarca Ngö-be-Buglé (Panama) und nicht zuletzt in derFinanzierung von Infrastrukturmaßnahmen inBolivien (GTZ, 2000).

Die GTZ lässt sich in diesen Beispielen grund-sätzlich von der Annahme leiten, dass imRahmen des Politikdialogs mit nationalen Re-gierungen und auf der Basis der ‚guten Regie-rungsführung‘ auch heikle Programmpunkteförderungsfähig sind. Auf diese Tendenz zu

mehr Rechtsstaatlichkeit und menschenrechtli-chen Standards, d.h. ein Interesse an einerentsprechenden gesellschaftlichen Ordnungverweist nicht zuletzt der vorliegende Artikel. Indiesem Zusammenhang sind Projekte wie inBrasilien zur Landdemarkierung möglich. Die-ser Bereich unerledigter Aufgaben ist gleich-zeitig der umfangreichste und betrifft nicht nurBrasilien. In Brasilien kann die Zusammenar-beit im Vergleich etwa zu Nicaragua und Beli-ze auf relativ ausgearbeitete und eindeutigeVerfahrensschritte zurückgreifen, die Problemebei der technischen Umsetzung vermeidenhelfen.

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Die direkte Förderung indigener Institutionenim Kontext von Landrechtsfragen findet inForm der Unterstützung für den Antrags- undVerhandlungsprozess, oder die Bereitstellungvon Fachanwälten ebenfalls statt; wie das in

der GTZ-Dokumentation aufgeführte Beispielzur Provinz Salta in Argentinien belegt. Mitdieser Hilfe soll die selbstverwaltete Kontrolleund nachhaltige Nutzung der auf indigenenTerritorien vorfindbaren Ressourcen ausgeübtwerden. Darüber hinaus wäre hier noch aneine muttersprachlich angemessene Beratungzu denken. Ebenso überlegenswert ist die Un-terstützung der Regierungen bei der Ausar-beitung öffentlich-rechtlicher Normen für den

Bereich indigener Völker. Dies betrifft etwa die juristischen Rahmenbedingungen auf Seitendes Staates wie der indigenen Gemeinschaftauszuarbeiten, damit die teilweise in den Ver-fassungen postulierten, indigenen Institutionenauch tatsächlich funktionieren können. Wieausgeführt, fehlen in vielen Staaten die Aus-führungsbestimmungen etwa zum rechtlichenStatus der Territorien und der dort agierendenSelbstverwaltungsorgane. Eine weitere Mög-lichkeit der Zusammenarbeit liegt in der Unter-

stützung von öffentlichen Foren zur Debatteindigener Landforderungen unter dem Aspektmenschenrechtlicher Standards.

Ein nächster Beitrag zur aktiven Beteiligung ander Sicherung indigener Landrechte läge darin,Diskussionen zum Spannungsverhältnis vonvorkonstitutionellem Landrecht indigener Völ-ker und dem Souveränitätsanspruch des Staa-tes anzustoßen. Wenn der Auftrag inter-nationaler Übereinkommen und der möglichen

Erklärungen zu den Rechten indigener Völkerernst genommen wird, ist es unabdingbar, sichdarüber Gedanken zu machen, wie der jewei-lige Staat das Eigentum indigener Staatsbür-gerinnen und Staatsbürger in der gleichenWeise schützt und garantiert; wie das rechts-systematisch für das bürgerliche Recht seitlangem selbstverständlich geworden ist.

Ebenso müssen Fragen nach Typus und Um-fang der Entwicklung sowie den politischen

Rahmenbedingungen für Alternativen zu gän-gigen industriellen Leitbildern geklärt werden.In einigen Ländern können Angehörige indige-ner Gemeinschaften zwar mehr oder weniger

ungehindert traditionellen Tätigkeiten wie Ja-gen oder Fischen nachgehen, ohne jedoch dieMöglichkeit zu haben, Fragen zur Entwicklungihres Gebietes im nationalen Staatsverbandaufwerfen oder gar entscheiden zu können.

Diese Fragestellung reicht bis in den Bereichder Armutsbekämpfung hinein und berührtmittelbar auch die Diskussionen zu Klimafra-gen, der Aufrechterhaltung der biologischenVielfalt, sozialen Standards u.a.

Entsprechend den vorgetragenen Überlegun-gen wäre auch ein organisiertes Nachdenkennotwendig, um die vor allem international bis-lang vereinzelt auftretenden Rechtsbestim-mungen zu kollektiven Rechtsformen zu einem

systematischen Ansatz, einem indigenenRecht sui generis auszubauen. Die Erfahrun-gen des Autors etwa im Rahmen der Men-schenrechtskommission bezeugen, dass hiernoch ein weitgehend unbestellter Acker zubearbeiten ist. Vorleistungen im nationalenRahmen sind durchaus erbracht, wie einigeLänder Lateinamerikas inzwischen belegen.

Im internationalen Bereich sind weitere Bei-träge erforderlich, um indigenen Völkern in

Grenzregionen zu ihren Landrechten zu ver-helfen. Die kolonialen Grenzziehungen etwazwischen Kolumbien und Ecuador, Ecuadorund Peru, Brasilien und seinen Nachbarstaa-ten oder Mexiko und Guatemala folgten seltenden Siedlungsgrenzen der betroffenen indige-nen Völker. Die Vielfalt an gesetzlichen, teil-weise sich widersprechenden Normen ist ineinem Land schon verunsichernd genug.Landrechte, territoriale Integrität und die insti-tutionelle Weiterentwicklung werden für indi-

gene Gemeinschaften vollends unwägbar,wenn die Landrechte für ein und dasselbeTerritorium gleich in mehreren Staaten unter-schiedlich behandelt werden. In gleicher Weisekönnte die entwicklungspolitische Zusammen-arbeit die Gründung eines internationalen Inte-ressenverbandes der betroffenen indigenenGemeinschaften fördern, wie er in spezifischerForm etwa bei den Inuit als Arctic Council in-zwischen existiert, der Inuit aus acht Staaten

organisiert. Für Lateinamerika würde sich dieinstitutionelle Förderung etwa der COICA(Coordinadora de las Organizaciones Indíge-nas de la Cuenca Amazónica) anbieten.

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Schließlich besteht auch innerhalb der indige-nen Landrechtsbewegungen ein großer Dis-kussionsbedarf zur Frage, in welchen zukünfti-gen Rollen Frauen und Männer die Territorienverwalten. In der Regel haben Frauen in glei-

cher Weise wie Männer an den Auseinander-setzungen um das eigene Territorium teilge-nommen, und sind ebenso gleich bei der Zu-teilung familiärer Nutzungsrechte am gemein-schaftlich verwalteten Territorium berücksich-tigt worden. Gleichwohl ist nicht zu übersehen,dass ihnen der Zugang zu den politischen Ämtern nach wie vor nur begrenzt offen steht.Entgegen der faktisch tragenden Rolle vonFrauen bei der Organisation des täglichenÜberlebens und den vielfältigen Initiativen zurOrganisation des Marktes in Form von Genos-senschaften oder Produzentenvereinigungen.Entgegen auch den schon langjährigen Bemü-hungen, sich innerhalb der indigenen Organi-sationen mit Fraueninitiativen Gehör und Mit-wirkungsrechte zu verschaffen. Mit der gebo-tenen Sensibilität eröffnet die Zusammenarbeitmit indigenen Gemeinschaften auch die Mög-lichkeit, die Debatten um die zukünftige Rollevon Frauen anzustoßen und zu begleiten (vgl.

auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band).

6. Schlussbemerkung

Über die auf die entwicklungspolitische Zu-sammenarbeit zentrierten Ausführungen solltegleichwohl nicht vergessen werden, dass Aus-einandersetzungen um indigene Landrechte invielen Ländern recht vehement ausgetragenwerden. In Chile gehen seit mehreren Jahren Angehörige der Mapuche auf die Straße, blo-

ckieren und torpedieren den Holzhandel ineinzelnen Regionen. Ebenso hat es in Boli-vien, Ecuador und Kolumbien bis in die jüngsteZeit große und teilweise robust ausgetrageneDemonstrationen indigener Gemeinschaftengegeben. Außerdem werden im Kontext derskizzierten Globalisierung vormalige Rechte,insbesondere die autonome Verfügung überLand und Ressourcen wieder in Frage gestellt.Es ist also zu vermuten, dass Landrechte zudenjenigen Zielvorstellungen gehören, die

ähnlich wie Autonomie oder Menschenrechtekaum jemals vollständig verwirklicht werden,sondern immer nur Annäherungen an optimale

Verhältnisse zulassen. Ein Grund mehr, in dieFörderung und Umsetzung dieser Rechte mitHuman- und Finanzkapital zu investieren.

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Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker

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Reiche Natur, natürliche Reichtümerund indigene Völker 

DR. LIOBA ROSSBACH DE OLMOS

1. Erneuerbare natürliche Ressourcen:Was man darunter versteht....

“Erneuerbare natürliche Ressourcen“ sindfester Bestandteil heutigen entwicklungspoliti-schen Denkens und Handelns. Dennoch istnicht klar, was im Detail darunter zu verstehenist. Zum einen entstehen immer wieder neue

 Anforderungen an altbekannte Ressourcen.Heute kommt etwa Wäldern bzw. Auffors-tungsmaßnahmen große Bedeutung als Koh-lenstoffspeicher zu, die sie erst im Zuge desinternationalen Klimaschutzes erlangten. Zumanderen verändern sich fortwährend Stellungund Gewichtung der erneuerbaren natürlichenRessourcen in der Entwicklungszusammenar-beit. Wurde etwa “Wasser“ vormals eher unterSchutzaspekten betrachtet, sind heute Fragendes Süßwassers und des Trinkwasserzugangs

ungleich bedeutender geworden. Schließlichergeben sich immer wieder Neuerungen, wieetwa der holistische Ökosystemansatz in derBiodiversitätskonvention, der nicht mehr ein-zelne Ressourcen, sondern das integrierteGanze der biologischen Vielfalt in den Mittel-punkt der (entwicklungspolitischen) Bemühun-gen rückt, einschließlich der Nutzung durchden Menschen. Vor allem aber trifft man, wasdie erneuerbaren natürlichen Ressourcen an-geht, bei den indigenen Völkern Mittel- undSüdamerikas auf eine ganze Reihe gemein-samer Probleme, die u.a. Eigentums-, Nut-zungs- und Verfügungsrechte betreffen. Des-sen ungeachtet hängen die verschiedenenVölker in unterschiedlichem Maße von unter-schiedlichen Ressourcen ab. Nicht immer tref-fen gängige Begriffsbestimmungen und Ab-grenzungen die Bedeutung, die die indigenenGemeinschaften ihren natürlichen Reichtümernbeimessen.

“Erneuerbare natürliche Ressourcen“ sindnach den herkömmlichen Definitionen jeneNaturgüter, d.h. natürliche Stoffe tierischer

oder pflanzlicher Herkunft bzw. andere stoff-liche Substanzen einschließlich ihrer che-misch-physikalischen und biologischen Pro-zesse, die der Mensch bei der Lebensbewälti-gung nutzt. Sie erneuern sich, sind also rege-nerationsfähig. Sie sind aber größtenteils nichtvermehrbar und können durch natürliche Ein-flüsse (z.B. Naturkatastrophen) oder Über-

nutzung in ihrem Bestand bedroht oder ver-nichtet werden. Sie befinden sich vorwiegendoberhalb der Erdoberfläche. Meist werdenauch Luft, Wasser und Boden zu den erneuer-baren natürlichen Ressourcen gezählt.

.... und was man aus indigener Sichtdabei zu beachten hat

Es ist unwahrscheinlich, dass die rund 650indigenen Völker in Lateinamerika (B ARIÉ,

2004) und der Karibik all jene Naturgüter untereinem Begriff zusammenfassen, der dem der“natürlichen Ressourcen“ entspricht. Zudemdürfte der utilitaristische Grundgehalt des Beg-riffs “Ressource“ für die indigene Vorstel-lungswelt unverständlich sein. Zumindest abertreten religiöse und mythologische Motivegleichrangig neben Nutzungserwägungen undkönnen sogar – man denke etwa an Jagdtabus – die uneingeschränkte Ausbeute von Res-

sourcen unterbinden. Ungeachtet ihrer kultur-spezifischen Vorstellungen jedoch sind auchindigene Völker kulturunabhängigen Rahmen-bedingungen ausgesetzt. Die verfügbarenRessourcen hängen von der vorgefundenenUmwelt ab, an die sich die jeweiligen Gemein-schaften in Kultur und Wirtschaftsweise an-passen mussten.

Nutzpflanzen- und tiergenetischeRessourcen

Mit Ausnahme von Völkern, wie den Aché inOstparaguay oder den Ayoré in Ostbolivien

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Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker

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und Paraguay, bei denen traditionell Jagd,Fischfang und Sammeltätigkeiten eine größereRolle spielten als der Feldbau, bestimmen beiden indigenen Völkern Lateinamerikas jeneRessourcen die Lebensgrundlage, die zusam-

menfassend nutzpflanzengenetische Ressour-cen genannt werden. Nahrungspflanzen, dieinzwischen auch für den Markt angebaut wer-den, sind Basis der Ernährung und Wirtschaft.Man erinnere sich, dass die ursprünglichenBewohner der Neuen Welt mit ihren pflanzen-züchterischen Leistungen wichtige Beiträge zurWelternährung beigesteuert haben. Mais, Kar-toffel und Maniok haben globale Verbreitunggefunden und zählen heute zu den weltweitwichtigsten Nahrungspflanzen. Man vermutet,dass Mais vor rund 7000 Jahren in Südmexikoerstmals aus Wildsorten gezüchtet wurde, woMaya-Völker bis heute für die Bewahrung sei-ner Vielfalt Sorge tragen. Gleiches gilt für dieKartoffel im Andenraum, die selbst noch inHöhenlagen zwischen 3.900 m und 4.500 mgedeiht. Von ihr kennen die indigenen Bauernnahezu 5000 verschiedene Sorten und unter-

scheiden eine breite Palette von Konsistenz-und Geschmacksunterschieden. Einzelne Fa-

milien bauen bis zu 31 Sorten an (GRAIN,2000).

Durch den “Internationalen Vertrag über pflan-zengenetische Ressourcen für Ernährung undLandwirtschaft“ der FAO vom November 2001wird den lokalen Bauern der Schutz ihres tra-ditionellen Wissens, die Beteiligung an denGewinnen aus der Vermarktung pflanzengene-tischer Ressourcen und politische Mitsprachezugesichert. Das so genannte “Multilaterale

System“ soll den Zugang zu nutzpflanzen-genetischen Ressourcen sowie eine faire Ge-winnverteilung erleichtern. Es erstreckt sich aufüber 60 wichtige Nutzpflanzen, die nicht zurein kommerziellen Zwecken verwendet oderpatentrechtlich geschützt werden dürfen, ohnedass ein fairer Ausgleich fällig wird. Noch sindnicht alle Details geregelt, und der Internatio-nale Vertrag ist erst am 29. Juni 2004 in Kraftgetreten. Dennoch ist festzuhalten, dass denBauern erstmals international eine verbindliche

 Anerkennung ihrer Züchterleistung und daraussich ergebender Ansprüche zuteil wurde.

Foto: Maniokernte im Hausgarten der Quichua,Ecuador (S. REINHARDT)

Bei vielen indigenen Völkern Lateinamerikas

und der Karibik sind es vor allem die Frauen,die Anbau und Pflege der Nahrungspflanzenübernehmen. Bei den Völkern der östlichen Andenabhänge waren die Männer beim Anle-gen neuer Felder vornehmlich für die Ro-dungsarbeiten und das Abbrennen der Pflan-zenmasse zuständig, während die Frauen dasGros der Feldarbeit übernahmen, also pflanz-ten, jäteten und ernteten. Nicht immer nahmenfrühere Vorstellungen von Entwicklung(spolitik)die Frauen als Inhaber traditioneller Kennt-

nisse und Praktiken wahr.1

  Als Träger religiö-sen oder mythologischen Wissens wurden siezumeist schlicht ignoriert. Dies gilt z.B. für diekulturell verwandten Ethnien der Aguaruna,Shuar und Achuar im Grenzgebiet von Peruund Ecuador. Nach ihrer Mythologie gab dieGottheit Nunkuí den Frauen einst den Maniokund wacht über das Gedeihen der Knollen, die

1  Dies hat sich in den letzten Jahren zu ändernbegonnen vgl. Projekt “Förderung des lokalen Wis-sens zum Erhalt der Biodiversität aus der Gender-Perspektive“, das von 2000 - 2003 vom GTZ Vorha-ben “Umsetzung der Biodiversitätskonvention“ im

 Auftrag des BMZ gefördert wurde.

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besungen und gepflegt werden wollen (MÜNZEL

1985:198ff; H ARNER, 1978:66ff). Bei den Agua-runa aus Peru wurden in den 1970er Jahrenmit Einführung der staatlich geförderten CashCrop-Produktion die Frauen aus der Landwirt-

schaft gedrängt. Dies hatte Folgen für die ge-schlechtliche Arbeitsteilung, aber auch für dashäusliche Leben sowie die Kultur insgesamt.Zudem ersetzten Monokulturen den diversifi-zierten Anbau der traditionellen Pflanzungen,der im Fall der Hausgärten soeben wieder als“Schatzkammer der Vielfalt“ rehabilitiert wird(GTZ, 2004). Selbst in vertraut anmutendenbäuerlichen Kulturen gilt es die Rolle der Fraudifferenziert zu betrachten, um z.B. den weibli-chen Besitz an Land oder Ressourcen in einerFamilie nicht unbesehen dem meist männlichgedachten “Haushaltsvorstand“ zuzuordnen.

Geringere internationale Beachtung finden dietiergenetischen Ressourcen, auch weil sie fürdie Welternährung nicht dieselbe Bedeutunghaben wie die Nahrungspflanzen. Dennochwerden die Kenntnisse und Zuchtpraktikenindigener Hirtenvölker bzw. Pastoralisten heutefür den Erhalt der Biodiversität als wichtig er-achtet. In Lateinamerika ist die Zahl der Hir-

tenvölker im Vergleich zu Afrika oder Asien jedoch gering. Es gibt nur wenige, die, wie dieWayú (Kolumbien und Venezuela), Rinder,Esel, Ziegen und Schafe züchten (FRIEDEMANN

& AROCHA, 1982:308). Wie andere indigeneVölker haben sie domestizierte Tiere europä-ischen Ursprungs übernommen, und zählendiese heute zu ihren Nutztieren. Die heimi-schen Nutztiere, z.B. der Truthahn, das Meer-schweinchen, das Lama, das im Andenraum

Lasten transportiert und Fleisch liefert, sowiedas wegen seiner Wolle geschätzte Alpaka,sind durchweg kleiner als die europäischenTierrassen. Der Bestand der wild lebendenGuanakas und Vikuñas, die wegen ihrer seidi-gen Wolle fast ausgerottet waren, hat sichinzwischen wieder erholt. Weitere Ressourcensind die Wildtiere, insbesondere in den Wäl-dern, sowie die Fischbestände in Flüssen undKüstenregionen. In den an heimischem Groß-wild armen Waldgebieten Lateinamerikas ist

Fisch für die indigenen Völker eine ungleichwichtigere Proteinquelle als Fleisch.

Biologische Vielfalt – TraditionellesWissen

Das “Übereinkommen über die biologischeVielfalt“, das 1992 auf dem Erdgipfel in Rio deJaneiro unterzeichnet wurde, und seit Inkraft-treten im Dezember 1993 188 Ratifikationenverzeichnete, setzt noch andere Akzente. DieBiodiversitätskonvention, wie sie auch genanntwird, will die weltweite Bedrohung der Arten-vielfalt stoppen, dabei aber nicht nur einzelne Arten schützen, sondern die biologische Viel-falt als Ganzes in ihrer Fülle und Differenziert-heit bewahren. Die nachhaltige Nutzung vonBestandteilen dieser Vielfalt ist ebenso vorge-sehen wie Regelungen zum fairen Ausgleich

zwischen dem an Biodiversität reichen Süden,der die genetischen Ressourcen liefert, undden an Biotechnologie reichen Ländern desNordens, die diese Ressourcen verarbeiten(DER BUNDESUMWELTMINISTER, 1992). Da bio-genetische Ressourcen einen großen Markt-wert besitzen – er wird auf 75 bis 150 Mrd. USDollar pro Jahr geschätzt, hoffte man, Bereit-schaft zur Bewahrung dieser Ressourcen mo-bilisieren zu können.

Indigene Gemeinschaften begann man mitanderen Augen zu sehen, als deutlich wurde,

dass Regionen mit einer reichen natürlichen Artenvielfalt auch eine ausgeprägte kulturelleVielfalt aufweisen. Es besteht demnach ein

enger Zusammenhang von kultureller und bio-logischer Vielfalt. Auf dem südamerikanischenKontinent ist dies im Besonderen in Amazo-

nien festzustellen. Knapp 400 unterschiedlicheVölker, die kleinste Gemeinschaften (z.B. dieeinige Hundert Menschen zählenden Zaparo in

Ecuador und Peru) und Völker von mehreren10 000 Menschen (z.B. Aguaruna in Peru oderYanomami in Brasilien) umfassen, zählen zu-

sammen rund 1 Mio. Menschen und machen4,2% der Bewohner der Region aus(TRESIERRA, 2000:4). Sie leben in einem rund7 Mio. km2  umfassenden Regenwaldgebiet, indem man knapp 25% der weltweit vorkom-menden Pflanzenarten vermutet, darunter3000 heimische Baumarten. Die Tatsache,dass indigene Gemeinschaften seit Generatio-nen im Regenwald leben, wirtschaften undseine Ressourcen nachhaltig nutzen, lässt aufKenntnisse und Praktiken schließen, welche

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Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker

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für einen nachhaltigen Umgang mit dem sen-siblen Ökosystem von Bedeutung sind(DURNING, 1992; POSEY & B ALÉE, 1989). Ineiner Zeit, in der die biologische Vielfalt schnel-ler vernichtet wird, als die Wissenschaft sie

erforschen kann, erfährt dieses Wissen neueWertschätzung, obgleich es oft religiöse odermythologische Züge trägt und nicht einfachnaturwissenschaftlich abrufbar ist. Mit Artikel 8jder Biodiversitätskonvention, wird diesem Wis-sen Rechnung getragen. Er zielt darauf ab, die“traditionellen Kenntnisse und Praktiken“ indi-gener und lokaler Gemeinschaften zu schützenund zu fördern, aber auch mit Zustimmung derWissensinhaber der (kommerziellen) Nutzungdurch Dritte zuzuführen, woran die Inhaber(materiell) profitieren sollen. Hierbei ist anHeilpflanzen, Pflanzenwirkstoffe, Schamanen-wissen und -praktiken zu denken, Wissen übergenetische Ressourcen also, das für die phar-mazeutische, kosmetische oder chemischeIndustrie von Interesse sein könnte.

International ist die Biodiversitätskonventionzur wichtigsten umweltpolitischen Bühne derindigenen Völker geworden. Sie berührt The-men, die Bezüge zu Menschenrechtsfragen

aufweisen, und reicht damit über den umwelt-und entwicklungspolitischen Kerngehalt derKonvention hinaus. Gegenwärtig steht die aku-te Bedrohung traditioneller Wissenssysteme(z.B. durch Sprachverlust) auf der Ta-gesordnung, und es ist ein Aktionsplan zumErhalt traditionellen Wissens anvisiert. Darüberhinaus wird nicht vordringlich an Modellen zurkommerziellen Verwertung des traditionellenWissens gearbeitet, auch wenn die Konvention

dieses Ziel formuliert, sondern auf Drängenvon Indigenenvertretern an legalen und ande-ren Mechanismen, die das mit dem traditio-nellen Wissen verbundene geistige Eigentumvor unlauterem Zugriff durch Dritte schützen.Datenbanken und Register, die traditionelleWissensbestände erfassen und in den öffentli-chen Raum stellen, zogen Kritik auf sich.2 EineVeröffentlichung verhindert zwar, dass An-sprüche auf kommerzielle Exklusivnutzung imSinne des Patentrechts geltend gemacht wer-

den können, sie erleichtert aber zugleich den

2  Ein Beispiel wäre die Datenbank „Biozulua“ inVenezuela.

Zugang zu diesen Wissensbeständen. Auchdurch das Internet ist der Zugriff auf Informati-onen über Heilpflanzen und deren traditionelleVerwendung durch indigene Sachkundige ein-facher geworden, so dass eine Forschung vor

Ort zunächst nicht nötig ist. Kritik gibt es aberauch, wenn die Träger des traditionellen Wis-sens bei Einrichtung der Datenbank nicht ein-bezogen werden. Vorschläge für ein Regimeeigener Art zum Schutz geistigen Eigentumsan traditionellem Wissen, das an indigene Ge-wohnheitsrechte anknüpft, beschäftigen so-wohl die Biodiversitätskonvention als auch die“Weltorganisation für geistiges Eigentum“(WIPO). Die heikle Frage, die die Biodiversi-tätskonvention nicht aufgreift, sondern in derKompetenz der Vertragsstaaten belässt, betrifftdie Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsrechteüber die genetischen Ressourcen, an denensich das traditionelle Wissen entwickelt hat.Nach der Konvention üben die Staaten dieOberhoheit über diese Ressourcen aus, undindigene Ansprüche werden in die nationaleGesetzgebung verwiesen. Neben diesem für

sie zentralen Anliegen, erachten die indigenenVertreter Fragen der Partizipation für wichtig,

einschließlich der Mechanismen, die diesesicherstellen. “Full and effective participation“sowie “prior informed consent“3 will das “Inter-nationale Indigenenforum über die biologi-

schen Vielfalt“, ein im Vorfeld der Biodiversi-tätskonferenzen tagender Zusammenschlussvon Indigenenvertreter aller Erdteile, auf inter-

nationaler und nationaler Ebene garantiertsehen.

Wälder 

Spätestens seit die Biodiversitätskonvention im April 2002 ihr 130 Einzelpunkte umfassendes“Arbeitsprogramm zur waldbiologischen Viel-falt“ beschloss, ist sie eine Säule in den inter-nationalen Verhandlungen zum Schutz derWälder geworden. Diese haben eine kohärenteManagement-, Schutz- und Nachhaltigkeitspo-litik für alle Waldarten zum Ziel und fußen aufden 1992 auf dem Erdgipfel in Rio verabschie-deten “Waldprinzipien“ und den Kapiteln 11

3  Mechanismus der vorherigen Zustimmung derbetroffenen indigenen Völker (siehe auch SPEISER indiesem Band).

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Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker

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und 15 der Agenda 21. Es handelt sich umeinen freiwilligen Prozess, da sich die interna-tionale Staatengemeinschaft trotz mehrererVorstöße nicht zu einer verbindlichen Wald-konvention entschließen konnte. Aufbauend

auf einem waldpolitischen Dialog mit relevan-ten gesellschaftlichen Gruppen und über 270 Aktionsvorschlägen wurde 2000 das UN-Waldforum ins Leben gerufen. Es hat dasMandat, bis 2005 eine Kooperation mit allenwaldrelevanten Organisationen und Konventi-onen zu bilden. In den Prozess waren zeit-weise indigene Vertreter involviert. 1999 fandunter Mitwirkung von Indigenenvertretern allerErdteile ein Workshop über die Ursachen derWaldzerstörung in Quito (Ecuador)4 statt. EinePolitik und Rechtslage, die oftmals indigeneBelange der kommerziellen Nutzung der Natur-ressourcen unterordnet, wurde als durchgän-giges Problem identifiziert, neben dem schwerzu unterbindenden illegalen Holzeinschlag.

Die ökologische und sozio-ökonomische Be-deutung der Wälder ist immens und der Bedarfnach Schutz entsprechend groß. Wäldernkommen regulierende Funktionen in der Was-serversorgung, dem Bodenschutz und dem

Klima zu. Sie beherbergen einen Großteil derterrestrischen Biodiversität. Dass ihre geneti-schen Ressourcen noch nicht ausreichenderforscht sind, sollte Anregung für neueSchutzanstrengungen, insbesondere der Pri-märwälder, sein. Wälder liefern zudem zahlrei-che Produkte. Holz (als Bauholz, für Möbel,Papier und Pappe, als Brennholz und zurHolzkohlegewinnung) ist ein wichtiger, abernicht der einzige Rohstoff. Andere Ressour-

cen, nämlich Nichtholzprodukte, wie Kau-tschuk, Harze, Nüsse, Wildfleisch, Honig, wildeFrüchte und Heilpflanzen, kommen hinzu. Siebergen nicht nur ein Vermarktungspotential,sondern tragen auch zur Deckung der Grund-bedürfnisse von indigenen Völkern bei. Dasauf den Wald bezogene traditionelle Wissendieser Völker verdient Beachtung, da es Anre-gungen zum Schutz und der nachhaltigen Nut-zung liefert.

4  Der Workshop war ein indigenes Vorbereitungs-treffen zu einem größeren Workshop in Costa Rica,der Teil der internationalen Waldverhandlungen war(vgl. The Tides Center 1999).

Wie einleitend erwähnt ist die indigene Vor-stellung von Wald nicht durch reine Funktiona-lität bestimmt, sondern es kommen mythischeund religiöse Dimensionen hinzu. Über Bäume,Tiere, Pflanzen und Orte sind symbolische

Sinnmuster gelegt, die Geister, Vorfahren oderdie Urzeit repräsentieren. Dies ist die indigeneForm, mit Natur umzugehen, d.h. Natur in Kul-tur zu überführen, wobei sich diese Umfor-mung weniger physisch als symbolisch voll-zieht (SEELAND, 1997).

Der Boden

Der Boden soll hier nur in seiner Eigenschaftals Ressource vorgestellt werden, obwohl auch

bodenrechtliche Fragen direkt damit verknüpftsind (siehe auch R ATHGEBER in diesem Band).Er ist durch kein internationales Abkommengeregelt, wenngleich ein Vorschlag dazu vor-

liegt (TUTZINGER PROJEKT “ÖKOLOGIE DER ZEIT“,1998). Es gibt jedoch das “UN-Übereinkom-men zur Bekämpfung der Wüstenbildung und

Dürrefolgen insbesondere in Afrika“. In Latein-amerika sind Wüsten und Halbwüsten mit indi-gener Bevölkerung rar. Die wenigen, die zunennen sind, sind die Raramuri im mexikani-schen Bundesstaat Chihuaha, die Atacameñosder chilenischen Atacama-Wüste sowie dieWayú auf der Guajiro-Halbinsel (Kolumbienund Venezuela). Die größere entwicklungspoli-tische Herausforderung stellen Trockengebietedar, die zum Teil von Desertifikation bedrohtsind. In Lateinamerika machen sie rund 25%der Landflächen aus. Hierzu zählen z.B. derbrasilianische Sertao, Teile des westlichenGran Chaco oder Teile der Andenhochtäler

(TOMASINI & PÉREZ-P ARDO, 2002).Was zudem schwer wiegt, sind erodierte unddegradierte Böden. Dies betrifft z.B. die Que-chua- und Aymara-Bauern der dichter besie-

delten Andengebiete, wo kleine Parzellen in-tensiv genutzt bzw. übernutzt werden. Wasser-und Winderosion tragen die kahlen Böden ab,

und die spärliche Vegetation muss nebenBrennholz auch Viehfutter liefern.

Bodendegradation entsteht in irreparablen

 Ausmaß auch als Folge von Entwaldung inTropenwaldgebieten, wo die dünne Humus-schicht ohne den Schutz der Vegetation in

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Reiche Natur, natürliche Reichtümer und indigene Völker

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kurzer Zeit erodiert. Die indigenen Völker A-mazoniens bewiesen also tropenökologischeWeitsicht, als sie die Größe ihrer Felder in derRegel auf ca. 1 ha begrenzten, und die Integ-rität des Regenwaldes nicht verletzten. Dass

der Brandrodungsfeldbau eine angepassteMethode sein kann, wenn die gerodete Flächeund die Bevölkerungsdichte klein und die An-baupausen (Brachen) hingegen groß sind, istmittlerweile bekannt. Außerdem folgt der tradi-tionelle indigene Landbau eigenen verträgli-chen Paradigmen. Während die westlicheLandnutzung die Landschaft in Flächen fürLandwirtschaft, Forstwirtschaft und Schutzge-biete unterteilt, kombinieren und integrieren dieindigenen Gemeinschaften diese räumlich undzeitlich. Sie bedienen sich der natürlichenPflanzensukzessionen, also der Aufeinander-folge der Pflanzengesellschaften, und nutzenin zeitlicher Abfolge die eigenen Anbaupro-dukte (z.B. Maniok, Kochbananen), die natür-lich vorkommenden Pflanzen (z.B. Heilpflan-zen) einschließlich jener Pflanzen, deren Sa-men durch Wind oder Tiere in die Pflanzung

eingebracht werden. Man spricht in diesemZusammenhang auch von einem Sukzessi-

onsmanagement, das einen Beitrag zum Erhaltder biologischen Vielfalt leistet (TRESIERRA,2000:6).

Das Wasser

Wasser ist Grundlage allen Lebens. Sicher hates deshalb als einzige erneuerbare natürlicheRessource direkt in die Millenniumsziele Ein-gang gefunden, nach denen bis 2015 50%mehr Menschen Trinkwasser zur Verfügung

stehen soll als im Jahre 2000. An Wasser lässtsich die Neuorientierung der internationalenEntwicklungsbemühungen ablesen. Währendfrüher Themen, wie Bewässerung, Fischerei,Schutz von Wassereinzugsgebieten im Mittel-punkt standen, ist es heute zudem der Zugangzu Trinkwasser. Diese Entwicklung lässt sichauch an der 1971 unterzeichneten Ramsar-Konvention zu Feuchtgebieten ablesen. Ver-schiedene internationale Wasserkonferenzenim Kontext des Weltgipfels für nachhaltige

Entwicklung (26.8.-8.9.2002) in Johannesburghaben keine Einigung über die richtigen Maß-nahmen erbracht.

 Auch indigene Organisationen haben sich inKyoto am Rande des 3. Weltwasserforums(16.-23.2.2003) zu einer eigenen Konferenzgetroffen. In ihrer “Indigenen Wassererklärung“nahmen sie Stellung zu ihrer Beziehung zu

Wasser, zum Zustand des Wassers, zumRecht auf Wasser und zu indigener Selbstbe-stimmung, zu traditionellem, auf Wasser bezo-genem Wissen, zu Mitsprache und Hand-lungsmöglichkeiten (INDIGENOUS DECLARATION

ON W ATER, 2003).

In Lateinamerika und der Karibik hat Wasserfür indigene Völker viele traditionell religiösewie auch aktuell politische Facetten. GroßeSchlangen, wie die Anakonda, in deren Körper

die ersten Menschen wie in einem Boot denFluss hinauffuhren, sind in den Mythen einigerVölker des nordwestlichen Amazonasgebietesüberliefert. Wasserfälle, die bei Shuar und Aguaruna Lernorte der jungen Männer sind(H ARNER, 1978), helfen in Visionen mit derübernatürlichen Welt in Kontakt zu treten. DerFluss, dessen andere Uferseite das Tor zumJenseits markiert, ist vielerorts Teil der indige-nen Wassersymbolik.

Es gibt aber auch die entzauberte Gegenwart.Der aufgestaute Fluss des Wasserkraftwerks

kann indigene Gemeinschaften um ihr Land,ihre heiligen Stätten, Siedlungen und Ressour-cen bringen. Dieses Schicksal teilen viele indi-

gene Gemeinschaften, die in der Nähe vonWasserkraftwerken leben, wie z.B. die Emberáin Kolumbien im Falle des Wasserkraftwerks

Urrá, die Pehuenche in Chile im Falle von Bio-Bio oder die Kuna Panamas im Falle von Bay-ano. Kein Wasserkraftwerk, das sich nicht

entsprechend der Empfehlungen der “Welt-kommission für Dämme“ der Zustimmung derbetroffenen indigenen Völker versichert hat,

sollte noch gebaut werden dürfen, selbst wennes z.B. aus Klimaschutzgründen als sinnvollerschiene. Lateinamerika und die Karibik sindmit Wasser gut ausgestattet und verfügen überein Drittel des weltweiten Süßwasserreser-voirs. Dennoch kann dauerhafte Trockenheit,die, wie das Beispiel des Cochabamba-Tals inBolivien und der dort lebenden Quechua- und Aymara-Bauern zeigt, eine nicht unwesentlicheUrsache für die Landflucht darstellen.

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Foto: Shuar-Bevölkerung in Ecuador (S. REINHARDT)

 Aber auch im Amazonasgebiet, das einenGroßteil des Süßwassers in Südamerika be-

herbergt, gibt es Probleme mit der Verfügbar-keit von Trinkwasser. Ein Grund ist die stei-gende Zahl von Erdölförderstätten in vielen Anrainerstaaten, in denen übergelaufene Auf-fangbecken, lecke Pipelines und geborstenePumpen zum Austritt von Rohöl und anderengiftigen Förderrückständen in die Umwelt füh-ren (siehe auch FELDT  in diesem Band). Da-durch werden Flüsse vergiftet, die oft die ein-zige Trinkwasserquelle der ansässigen Be-wohner darstellen. Die Vergiftungen stehendenen durch Quecksilber, welches Goldwä-scher zum Scheiden des Edelmetalls vonRückständen verwenden, in nichts nach. Sielassen z.B. das Krebsrisiko um ein Vielfachessteigen.

Konkurrenten

Indigene Völker müssen mit verschiedenen Akteuren um die erneuerbaren natürlichen

Ressourcen konkurrieren und ihre älteren An-sprüche verteidigen. Wenngleich sich die Bo-denrechtssituation in den meisten Ländern

verbessert hat, werden indigene Gemein-schaften weiterhin von ihrem Land in entle-

gene Rückzugsgebiete vertrieben (siehe auchR ATHGEBER  in diesem Band). Der klassischeKonflikt des Landraubs an den indigenen Völ-kern Lateinamerikas findet hier seine Fortset-zung. Militärische Auseinandersetzungen, Bür-gerkriege und bürgerkriegsähnliche Wirrenbegünstigten diese Entwicklung z.B. in Kolum-bien und Guatemala. Außerdem ist der unkon-trollierte Zuzug von landlosen Bauern in Ge-biete der indigenen Gemeinschaften in Län-dern wie Brasilien keineswegs gestoppt.

 Auch mit Privatunternehmen treten Indigeneum die verfügbaren erneuerbaren natürlichenRessourcen in Konkurrenz. Glücklicherweisegehören Verhältnisse wie während des Kau-tschukbooms an der Wende zum20. Jahrhundert der Vergangenheit an. Damalswurden Angehörige des Huitoto-Volkes in derPutumayo-Region Kolumbiens in Schuld-knechtschaft gehalten. Sie mussten Rohgummisammeln und starben zu Tausenden. Heute ist

der Holzeinschlag ein drängendes Problem,vor allem wenn er illegal betrieben wird. Aberauch der staatlich gebilligte Holzeinschlag stellt

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aus indigener Sicht ein Problem dar, wenn sichdie erteilten Holzkonzessionen auf indigeneGebiete erstrecken.

Vorhandene Instrumente, wie die Tropenholz-zertifizierung nach den Kriterien des ForestStewardship Council (FSC), haben bisher kei-ne Kehrtwende einleiten können. Die hohenumwelt- und sozio-ökonomischen FSC-Stan-dards setzen zwar anerkannte Landtitel vorausund garantieren eine nachhaltige Holzwirt-schaft, doch die Marktanbindung ist oft nichtausreichend gesichert (KRUEDENER, 2001),ganz abgesehen davon, dass indigener Forst-besitz noch immer selten ist.

 Auch die Gruppe der pharmazeutischen, che-

mischen und kosmetischen Industrie hat Inte-resse an bestimmten genetischen Ressourcen.Sie sucht Zugang zu Wirkstoffen und Eigen-

schaften von pflanzen- und tiergenetischemMaterial, wobei sich die Produktentwicklungmeist an den Bedürfnissen von Konsumenten

und Patienten der Industrieländer orientiert. Esgibt zudem Forschungsinstitute, die im Auftragsolcher Firmen in der Bioprospektion tätig sind,

zum Teil aber auch ohne kommerzielles Ver-

wertungsinteresse genetische Ressourcenuntersuchen (dazu siehe unten Kapitel 3: “Bio-

prospektion, Biopiraterie“).

Ein wichtiger Akteur ist der Staat. Alle Maß-nahmen auf den unterschiedlichsten Ebenenhaben Folgen für die indigenen Völker. Diesesind der Souveränität des jeweiligen Staatesunterstellt, selbst wenn ihnen, wie im Falle der Atlantikküste Nicaraguas, Autonomie zugesi-chert wurde. Der Staat tritt als mächtiger Ak-teur in der Auseinandersetzung um die Kon-trolle der erneuerbaren natürlichen Ressour-cen auf. Er kann “nationale Interessen“ verfol-gen, die aus wirtschaftlichen Gründen legitimsind, aber eine Bedrohung für die indigenenGemeinschaften bedeuten, wie z.B. der Infra-strukturausbau, die Errichtung von Wasser-kraftwerken zur Deckung des nationalenStrombedarfs etc. Darüber hinaus kann derStaat Schutzinteressen gegenüber den Nut-zerinteressen der indigenen Gemeinschaften

durchsetzen, wenn er Naturschutzgebiete oderNationalparks einrichtet. Er kann sich selbstden Zugriff auf die erneuerbaren natürlichen

Ressourcen sichern, um diese gegen Konzes-sionsgebühren und Lizenzabgaben Dritten zurkommerziellen Nutzung zu überlassen, unddamit in Interessenkonflikte unterschiedlicherNatur einzugreifen, oder solche sogar erst zu

schaffen.

 Auch indigene Völker können untereinanderals Konkurrenten um bestimmte Ressourcenauftreten. So migrierten Aymara und Quechuaaus dem bolivianischen Hochland und denalten Bergbauzentren in den Chapare (Tief-land). Dort sind die Yuracaré bereits infolgedes Kokaanbaus, der Gegenwart von Drogen-händlern und Militärs stark eingrenzt, undmüssen sich nun auch mit den Folgen des Zu-

zugs der Siedler auseinandersetzen. Ein ande-res Beispiel ist das Maya-Volk der Kekchi, daszu einem Drittel – zuletzt aufgrund der Gewaltin den 1980er Jahren – in das Tiefland vonPetén vordrang, wo andere Völker lebten(GRÜNBERG, 2000). Als weitere Konkurrentenum Ressourcen treten gelegentlich auch an-dere ethnische Gruppen auf, z.B. Afroamerika-ner. Im kolumbianischen Chocó etwa teiltensich die schwarzen Nachkommen frühererGoldminensklaven und die an den Flussober-

läufen beheimateten Emberá bestimmte Ge-biete als Jagdrevier und Bezugsgebiet fürFeuerholz. Als mit der Einrichtung indigener

Resguardos5  am Ende der 1980 Jahre diese

Gebiete eindeutig demarkiert und der indige-nen Gemeinschaft zugeordnet werden sollten,kam es zu Spannungen zwischen den beidenlokalen Gruppen.

 Auch innerhalb einer Gemeinschaft entstehenRivalitäten um natürliche Ressourcen: zwi-

schen Lokalgruppen, Familien, unterschiedli-chen Generationen oder auch den Ge-schlechtern. Die Gründe sind vielfältiger Natur:

Es können interne Gründe existieren, wie Ver-änderungen der indigenen Wirtschaftsweiseund Konsumgewohnheiten durch die Anbin-dung an den Markt. Es können aber auch tra-ditionelle Konzepte und Vorstellungen eineRolle spielen. Die Vielfalt der rund 650Sprachgruppen in Lateinamerika und der Kari-

 5  Ein seit der Kolonialzeit existierendes Schutzge-bietsmodell für die indigene Bevölkerung im kolum-bianischen Andenraum (siehe unten Kolumbien).

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bik hat auch eine Vielzahl von indigenen Vor-stellungen über Eigentums-, Nutzungs- undVerfügungsrechte an natürlichen Ressourcenhervorgebracht, einschließlich der damit ver-bundenen Probleme.

Foto: Eine ins Amazonastiefland migrierte Saraguro-Familie aus dem ecuadorianischen Andenhochland(S. REINHARDT)

2. Erneuerbare natürliche Ressourcenund indigene Völker im Spiegel recht-licher Rahmenbedingungen

In Lateinamerika steigt die Bereitschaft, die Ansprüche indigener Gemeinschaften auf ihre

Territorien6 und die natürlichen Ressourcen indiesen Territorien juristisch anzuerkennen(siehe auch R ATHGEBER  in diesem Band). Seitdie Vereinten Nationen in den 1980er Jahrendie Frage des völkerrechtlichen Status und derRechte der indigenen Völker auf die Tages-ordnung setzten, lassen sich bei der “Organi-sation Amerikanischer Staaten“ (OAS) und denNationalstaaten ähnliche Entwicklungen fest-stellen (ORGANISATION OF  AMERICAN STATES,

2003; GROTE, 1999).

Normen und Erklärungen

Ein Meilenstein ist das Übereinkommen derInternationalen Arbeitsorganisation (ILO) 169

6  Die Anerkennung zusammenhängender “Territo-rien“ indigener Völker in Sinn eines “(...) habitatnecessary for their collective life, activities, self-government, and cultural and social reproduction“(ORGANISATION OF AMERICAN STATES,2003:3) ist eine politische Forderung, die keines-wegs in allen Staaten verwirklicht ist. Es gibt ge-meinschaftliche Landtitel unterschiedlichen Charak-ters, die aber durchaus nicht alle genannte Kriterienerfüllen.

über indigene und in Stämmen lebende Völkerin unabhängigen Ländern von 1989. 14 derinsgesamt 17 Unterzeichner sind Staaten ausLateinamerika und der Karibik. Artikel 15 desÜbereinkommens nimmt auf die natürlichen

Ressourcen Bezug, ohne zwischen erneuerba-ren und nicht-erneuerbaren Ressourcen zuunterscheiden. Neben Details zu Bergbauheißt es dort, dass die Rechte indigener Völkeran den natürlichen Ressourcen ihres Landesbesonders zu schützen, und sie an der Nut-zung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieserRessourcen zu beteiligen seien. Die Formulie-rung ist vorsichtig gehalten und spricht nichtvom Recht auf Nutzung, Bewirtschaftung undErhaltung, sondern vom Recht, an der Nut-zung, Bewirtschaftung und Erhaltung beteiligtzu werden.

Die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklungin Rio de Janeiro 1992 stellte die enge Bezie-hung indigener Völker zu ihrer Umwelt herausund regt im Kapitel 26 der Agenda 21 deren Anerkennung, Anpassung, Förderung undStärkung an.

Weitgehender ist die UN-Deklaration über die

Rechte indigener Völker, die seit 1994 alsEntwurf vorliegt. Artikel 26 erkennt den indige-

nen Völkern nicht nur das Recht an, ihr Landund ihre Territorien, einschließlich der gesam-ten Umwelt zu Lande und zu Wasser mit der

Fauna und Flora und anderen Ressourcen zubesitzen, entwickeln, kontrollieren und zu nut-zen, sondern sieht auch die Anerkennung tra-

ditioneller Besitz-, Nutzungs- und Zugangs-rechte vor. Eine Umsetzung auf nationalstaatli-cher Ebene setzte eine weitgehende politische

 Autonomie sowie ein beachtliches Maß anRechtspluralismus voraus.

 Auch der Vorschlag für eine AmerikanischeErklärung über die Rechte indigener Völker derOrganisation Amerikanischer Staaten (OAS)aus dem Jahre 1997 betont die respektvolleBeziehung indigener Völker zu ihrer natürli-chen Umwelt und das Recht auf den Erhalt derRessourcen. Die Erklärung ist pragmatischformuliert. Sie anerkennt nicht das Recht indi-

gener Völker auf ihre natürlichen Ressourcen,sondern das Recht auf eine Anerkennung der-selben, das Recht auf effektive rechtliche

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Rahmenbedingungen, etc. Das Selbstbestim-mungsrecht ist in Bezug auf das Ressourcen-management in der Erklärung enthalten,wenngleich vorsichtiger von “self government“die Rede ist. Nicht alle, aber eine Reihe von

Regierungen in Lateinamerika und der Karibikhaben gesetzliche Änderungen vorgenommen,die sich an dem OAS-Vorschlag orientieren(ORGANISATION OF AMERICAN STATES, 1997).

 Allerdings ist nicht einmal auf der internatio-nalen Ebene Kohärenz zwischen den ver-schiedenen Instrumenten gewährleistet. Be-schlüsse und Regelungen der internationalenMenschenrechts- und der internationalen Um-weltprozesse sind nicht aufeinander abge-

stimmt. Aus der Biodiversitätskonvention, stär-ker aber noch aus der Klimarahmenkonventionsucht man Menschenrechtsfragen herauszu-halten, da andere UN-Organe zuständig sind.Dies führt dazu, dass die Biodiversitätskon-vention den Schutz, die Förderung und Nut-zung traditionellen biodiversitätsbezogenenWissens indigener Gemeinschaften zum Zielhat, sich zu Fragen der Eigentums-, Nutzungs-und Verfügungsrechte der Ressourcen, an diedieses Wissen geknüpft ist, aber nicht festlegt,

sondern diese den nationalen Gesetzgebun-gen anheim stellt. In der Klimarahmenkonven-tion, die Aufforstungen zur Kohlenstoffdioxid-speicherung im Rahmen des “Mechanismusfür saubere Entwicklung“ vorsieht, hat man, umdie Wirtschaftlichkeit der Vorhaben nicht zugefährden, indigene Belange nur marginalberücksichtigt, obwohl die entwaldeten Flä-chen, die für die so genannten “Senkenpro- jekte“ in Frage kommen, oft in indigenen Ge-

bieten liegen.

Verfassungen und Gesetze

In Lateinamerika schreitet die legale Veranke-

rung indigener Rechtsgarantien weiter voran.In vielen Ländern haben indigene Rechte in dieVerfassung Eingang gefunden. Lediglich Be-

lize, Chile, Französisch Guyana, Surinam undUruguay haben keine entsprechenden Normenin ihrer Verfassung verankert, sei es dass sie

eine angelsächsische Rechtstradition mit ver-traglichen Regelungen fortführen, sei es dassdas nachwirkende Ideal vom freien und glei-

chen Bürger kollektiven Rechtsgarantien imWege steht (B ARIÉ, 2004). In Costa Rica, ElSalvador, Guyana und Honduras sind gewisseindigene Grundrechte unter Verfassungsschutzgestellt, während in Argentinien, Bolivien, Bra-

silien, Kolumbien, Ecuador, Guatemala, Me-xiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru undVenezuela elaborierte Verfassungsrechte fürindigene Völker existieren (B ARIÉ, 2004), dar-unter in allen Ländern des Andenraums undMittelamerikas, in denen mit über 90% diegroße Mehrheit der indigenen Völker der Re-gion lebt.

Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank(INTER-AMERICAN DEVELOPMENT B ANK, o.J.)

sieht das Vorrecht der indigenen Gemein-schaften auf Nutzung der natürlichen Ressour-cen in nahezu allen Ländern mit relevanterIndigenenbevölkerung gegeben. Ausnahmensind Guatemala und Paraguay. Abgesehenvon z.B. Chile gewährt nach derselben Quelledie Gesetzgebung in fast allen Ländern denindigenen Gemeinschaften in ihren Territorienunterschiedliche Eigentumsrechte über dienatürlichen Ressourcen. Ähnliches gilt für dasRecht auf Jagd und Fischfang, wobei hier Me-

xiko die Ausnahme bildet.

Hinsichtlich der genetischen Ressourcen imSinne der Biodiversitätskonvention ist dieRechtslage anders. Argentinien, Chile, Para-

guay und Guatemala verfügen über keineNormen zugunsten indigener Völker und desSchutzes ihrer traditionellen Kenntnisse. Die

meisten anderen Länder haben den Schutz dergenetischen Ressourcen rechtlich verankertund erkennen in unterschiedlichem Maße die

Bedeutung des biodiversitätsbezogenen tradi-tionellen Wissens indigener Gemeinschaftenan. Das Recht auf Schutz geistigen Eigentumsüber dieses Wissen ist in Ecuador und Peruexplizit anerkannt. In Venezuela sind Patente,die auf traditionelles Wissen und traditionelleRessourcen rekurrieren, ausdrücklich verbo-ten.

 Allerdings bestehen selbst in Ländern mit fort-geschrittener Indigenengesetzgebung die Tü-

cken der Rechtslage im Zusammenspiel unter-schiedlicher Normen. Nicht immer setzt eineeinfache gesetzliche Norm, etwa das Waldge-

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setz, um, was die Verfassungsbestimmungvorschreibt. Teilweise ist eine ältere Normnicht mit der jüngeren Verfassung kompatibel.Oder es steht für eine Norm das entspre-chende Ausführungsgesetz noch aus. Meist

hat dies negative Folgen für die Rechtssub- jekte. Indigene Gemeinschaften, denen dieVerfassung Selbstverwaltung zusichert, müs-sen sich nach den Bestimmungen des Geset-zes für Naturschutzgebiete beispielsweise denEntscheidungen der Parkverwaltung unter-werfen. In jedem Falle ist die Rechtslage kom-pliziert und schwer durchschaubar.

Eine Bewertung der Rechtslage im indigenenInteresse wird zwei Kriterien zu berücksichti-

gen haben: Zum einen sollten die Rechte anden erneuerbaren natürlichen Ressourcen aufden indigenen Territorien weit gefasst sein(Art. 26 der UN-Erklärung sowie Art XVIII derOAS-Erklärung). Zum anderen sollte einselbstbestimmter Umgang mit diesen Res-sourcen möglich sein (Art. 3 der UN-Erklärungbzw. Art. XV der OAS-Erklärung abgemildertals “Recht auf Selbstregierung“), der auchtraditionelle Werte und Praktiken anerkenntund ihren Einsatz erlaubt. Dazu müssen sinn-

vollerweise Eigentumsrechte, Nutzungsrechteund Verfügungsgewalt geregelt sein (ROLDÁN

ORTEGA, 2004). Etwas eingehender soll diesim folgenden für Bolivien, Ecuador, Kolumbien,Peru und Venezuela betrachtet werden, diealle zu den Ratifiziererstaaten der ILO-Kon-vention 169 zählen und deshalb zu hohenStandards verpflichtet sind.

Bolivien

In Bolivien setzt sich trotz Neoliberalismus inder Wirtschaft und Dezentralisierung in derPolitik eine Tradition fort, die bis zur Verstaatli-chungswelle der bolivianischen Revolution von

1952 zurückreichen dürfte und die staatlichesEigentum bevorzugt: Der Staat sichert sichnämlich das Recht auf die erneuerbaren natür-

lichen Ressourcen auf dem nationalen Territo-rium. Selbst auf dem Besitz Dritter, also derPrivateigentümer, bleibt der Staat Eigentümer

des Wassers und der Tierwelt. Aus dem Wald-gesetz etwa lässt sich nicht einmal ein klarerEigentumsanspruch des Besitzers auf die

Früchte seines Waldes ableiten. Es existiertauch keine Norm, aus der sich explizit ein Ei-gentumsanspruch der indigenen Völker auf dieerneuerbaren natürlichen Ressourcen in ihrenGebieten ergibt. Dies gilt auch für Schutzge-

biete und Nationalparks, in denen sich An-siedlungen indigener Gemeinschaften befin-den. Obschon beide juristische Figuren, d.h.staatliches Schutzgebiet und indianische Ge-meinde, kompatibel sind, steht rechtlich nichteindeutig fest, wer Eigentümer des Landes ist(ROLDÁN ORTEGA, 2004).

Bei Management und Nutzung der erneuerba-ren natürlichen Ressourcen sind die indigenenGemeinschaften dem Staat und der übrigen

Gesellschaft gleichgestellt, d.h. es sind allegehalten, verantwortungsvoll mit den Natur-reichtümern umzugehen, und die Ökosystemezu schützen. Der Staat ist verpflichtet, durchdie zuständigen Verwaltungsinstanzen techni-sche Hilfe zur Verbesserung des indigenenLebensstands zu leisten, die u.a. die Nachhal-tigkeit der Ressourcen sicherstellt. Traditio-nelle Technologien, Arbeitsweisen und Nut-zungsformen, die ihre Nachhaltigkeit unterBeweis gestellt haben, sollen erhalten und

eingesetzt werden, sofern sie nicht gegen nati-onales Umweltrecht verstoßen. In den aner-kannten indigenen Gebieten, den “Tierras co-munitarias de origen“, wird den Gemeinschaf-ten die freie und exklusive Nutzung der erneu-erbaren natürlichen Ressourcen gewährt, so-fern die geltenden Schutz- und Nachhaltig-keitsbestimmungen beachtet werden. Es istdem Staat nicht gestattet, Dritten die Erlaubniszur Ausbeute der natürlichen Ressourcen in

diesen Gebieten zu erteilen.Gesetzlich sind die gemeinschaftlichen “Tier-ras comunitarias de origen“ mit den Schutzge-bieten vereinbar. Indigene Ansiedlungen in denSchutzgebieten sind erlaubt wie auch die Res-sourcennutzung, die aber durch den Staatwieder eingeschränkt werden kann, wennProbleme entstehen, die einst zur Einrichtungdes Schutzgebietes geführt hatten. Die indige-nen Gemeinschaften können auf vertraglicherGrundlage in das Schutzgebietsmanagementeinbezogen werden.

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Die Verfassung ist insofern eindeutig, als sieden indigenen Gemeinschaften eine den Tra-ditionen gemäße Verwaltung ihre Gebiete ges-tattet. Da dies auch für erneuerbare natürlicheRessourcen gilt, darf man annehmen, dass die

Gemeinschaften eine breite Verfügungsgewaltbesitzen. Einfache gesetzliche Normen, wiedas Forstgesetz, tragen aber den Geist derVerfassung nicht mit (vgl. HOEKEMA & ASSIS,o.J.:247ff). Sie beschränken die Nutzung derWaldprodukte, was einer Begrenzung der indi-genen Verfügungsgewalt gleichkommt. Es gibtzudem eine ganze Reihe einschlägiger Ver-ordnungen, in denen zwar von der Pflicht desStaates die Rede ist, die indigenen Ge-meinschaften zu begleiten, nicht aber von denRechten, die diese Gemeinschaften genießen.Die Verfassungsrechte wirken nicht mehr bis indiese Ebene hinein. Es kommen vielmehr diegeltenden Schutzgebietsbestimmungen zumTragen, die die ansässigen indigenen Gemein-schaften der Entscheidungsbefugnis derSchutzgebietsverwaltung unterordnen.

Kolumbien

In Kolumbien übt der Staat keine Exklusiv-rechte über die erneuerbaren natürlichen Res-sourcen auf dem nationalen Territorium aus. Erist Eigentümer des Wassers zum öffentlichenGebrauch, einschließlich der darin vorhande-nen Ressourcen. Ihm gehören zudem die Na-turreichtümer auf den staatseigenen Gebietensowie, mit Einschränkungen, die Tierwelt. An-sonsten sind die Landeigentümer zugleichauch Eigentümer der natürlichen Ressourcen,einschließlich der Gewässer, des Waldes so-

wie des Jagdreviers und der Fischgründe.Dass Kolumbien über keine legalen Normenzur Anerkennung der Ressourcen zugunstender indigene Gemeinschaften verfügt, liegt ander fest verankerten Institution des Resguar-

dos, das von der Kolonialzeit bis in die Ge-genwart überdauert hat. Es beinhaltet einenunveräußerlichen, unpfändbaren und nicht-überschreibbaren Eigentumstitel an Land zu-gunsten einer Gemeinschaft, wobei ange-nommen wird, dass die erneuerbaren natürli-

chen Ressourcen Bestandteil dieses Eigen-tumstitels sind. Dass die Nicht-Überschreib-barkeit der indigenen Gebiete in der neuen

kolumbianischen Verfassung von 1991 veran-kert wurde, brachte all jenen indigenen Völkerndie Anerkennung von Landrechten, die vor-mals über keine anerkannten Resguardos

verfügt hatten. Dies gilt für indigene Gruppen

in entlegenen Landesteilen z.B. des Amazo-nasgebietes, wo durch die geringe staatlichePräsenz keine Abgrenzung indigener Gebieteerfolgt war. Wie bei den alten Resguardos sindauch bei den neuen die vollen Eigentums-rechte über die erneuerbaren natürlichen Res-sourcen eingeschlossen. Eine entsprechendeInterpretation, die vor allem auch auf den Ver-pflichtungen Kolumbiens infolge des Beitrittszur ILO-Konvention 169 fußt, nahmen obersteGerichtsinstanzen vor.

Hinsichtlich der Verwaltung und Nutzung derRessourcen schlägt erneut die Rechtsfigur des

Resguardos zu Buche, die ein großes Maß anSelbstverwaltung einschließt, und zwar sowohlhinsichtlich der Landverteilung als auch dernatürlichen Ressourcen. Seit Inkrafttreten derVerfassung von 1991 sind neue Anerkennun-gen indigener Territorien nur noch in Form des

Resguardos  erfolgt, dessen Befugnisse aus-geweitet wurden. Einbezogen sind auch Be-

fugnisse für die Verwaltung und Bewahrungder natürlichen Ressourcen, die sich mit denender kommunalen Selbstverwaltung vergleichenlassen. Dabei können Verwaltung und Mana-gement traditionellen Regeln und Praktikenfolgen, soweit diese keine nationalen Natur-schutzbestimmungen verletzen. Ungeklärt istallerdings die Frage, wie Verwaltung und Nut-zung zu regeln sind, wenn sich Resguardos

mit Schutzgebieten überlagern.

Das Gesetz akzeptiert die Koexistenz beiderRechtsfiguren, doch gibt es keine Regelungen,die beiden Zielsetzungen gerecht würden, derWahrung indigener Eigentumsrechte und derVerwaltung von Schutzgebieten. Der Vor-schlag indigener Organisationen, die Parkver-waltung in indigene Hände zu legen, wurdenicht angenommen.

Hinsichtlich der Verfügungsgewalt über dienatürlichen Ressourcen gibt es auch in Kolum-

bien Verordnungen, die vor der Verfassungvon 1991 entstanden sind und zu ihr im Wider-spruch stehen. Hierzu, aber auch zu den staat-

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lichen Verpflichtungen, die sich aus der Ratifi-zierung der ILO-Konvention 169 ergeben, stell-te das oberste Verfassungsgericht fest, dassdas Fehlen gesetzlicher Normen den Staatnicht von seinen völkerrechtlichen bzw. verfas-

sungsrechtlichen Verpflichtungen entbindet.Doch ändert dies nichts daran, dass dieGleichzeitigkeit nicht aufeinander abgestimm-ter Normen zu Verwirrung und Konflikten zwi-schen staatlich anerkannten Indigenenvertre-tern und staatlichen Funktionären Anlass gibt.

Ecuador 

Das Staatswesen Ecuadors will die erneuerba-ren natürlichen Ressourcen und die Kontrolle

über sie in den Händen behalten. Daran lassendie Gesetze keinen Zweifel. Die Verfassunghat zwar vorteilhafte Teilaspekte für die indige-nen Gemeinschaften, doch gesteht sie ihnen

kein Eigentum an den erneuerbaren natürli-chen Ressourcen zu. Sie gewährt ihnen dasRecht auf Beteiligung an der Nutzung, Ver-

waltung und Erhaltung der Ressourcen ihresLandes. Das Problem ist aber weitreichender.Denn das geltende Wald- und Naturschutzge-setz will die Schutzgebiete, in denen im östli-chen Landesteil viele indigene Gemeinschaf-ten leben, als “nationales Erbe“ “unverändert“erhalten. Sie sollen weder übertragen, noch fürdie staatliche Agrarreformbehörde verfügbargemacht werden können. Damit sind den indi-genen Gemeinschaften die Eigentumsrechteverwehrt, und ihr Zugang zu den genetischenRessourcen ist erheblich eingeschränkt. AufVerfassungsebene und durch die Ratifizierungder ILO-Konvention 169 hat Ecuador die Ver-

pflichtung, die indigenen Gemeinschaften in-nerhalb ihrer Gebiete mit der Befugnis zurVerwaltung und Nutzung der natürlichen Res-sourcen auszustatten. Der Staat ist zudemverpflichtet, in seiner Umweltpolitik alle gesell-schaftlichen Gruppen zu beteiligen, und aufder Verwaltungsebene Personen und Gemein-den mit Befugnissen auszustatten, um im Ge-fahrenfall öffentlich aktiv zu werden. Dadurchaber, dass der Verfassungsauftrag durch keineGesetze und Verordnungen präzisiert wurde,

fehlt den indigenen Gemeinschaften und ihrenVertretern jede Möglichkeit, die vorhandenenBestimmungen wirksam werden zu lassen.

Bedenklich ist dies besonders im Amazonas-gebiet, wo Umweltprobleme infolge der natürli-chen Ressourcenausbeute durch Privatperso-nen und Unternehmen auf der Tagesordnungstehen.

Die Inkohärenz der gesetzlichen Regelungenund das Fehlen einheitlicher Richtlinien zurLandtitulierung schränken auch die Verfü-gungsgewalt über die natürlichen Ressourcenein, die in einer Vielzahl divergierender Mo-delle koexistieren. Diese sind nicht nur weitvon den traditionellen Verfügungsrechten ent-fernt, sondern stellen auch eher Einschrän-kungen als Befugnisse dar. Die indigenen Ge-meinschaften können nicht einmal einen Sta-

tus als juristische Person erlangen.Die Verfassungsrechte wurden in Ecuadornicht in gesetzliche Normen überführt und Aus-

führungsbestimmungen fehlen. Damit bleibendie verfassungsrechtlichen Garantien bloße Absichtserklärungen. Hinzu kommt, dass sich

auch die staatliche Politik nicht geändert hatund die Kontrolle über Land und Ressourcenbei den zuständigen Behörden verbleiben.

Einige Bestimmungen sind für die indigenen

Gemeinschaften zwar vorteilhaft, etwa mitErlaubnis des Landwirtschaftsministeriums die

Holzbestände zu nutzen, sofern es sich nichtum staatlich bewirtschaftete Forste handelt,oder die Straffreiheit beim Fang geschützter

Tierarten oder der Jagd mit verbotenen Fang-methoden. Sie sind aber nur ein schwacher Ausgleich für nicht gewährte Rechte.

Peru

Wie in vielen Ländern Lateinamerikas sichertsich auch in Peru der Staat die Kontrolle überdie natürlichen Ressourcen. Nach den ein-schlägigen Gesetzen jüngeren Datums könnenWaldflächen, die sich im staatlichen Besitzbefinden, praktisch nicht mehr an Privatperso-nen übertragen werden, wohl aber Drittendurch Konzessionen zur Nutzung überlassenwerden. Für Waldflächen jedoch, die sich in-nerhalb der anerkannten Ländereien von indi-genen Gemeinschaften befinden, können kei-

ne Konzessionen an Nicht-Indianer vergebenwerden. Während frühere gesetzliche Rege-lungen den indigenen Gemeinden des Anden-

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hochlandes und des Amazonastieflandes dieEigentumsrechte auf ihr Land innerhalb vonSchutzgebieten zusprachen, wurden diesespäter durch anders lautende Bestimmungenwieder aufgehoben.

Peru hat nicht, wie meist üblich, das Recht derBürger auf Information und der Teilhabe an derPolitikgestaltung beim Schutz und der nach-haltigen Nutzung der natürlichen Ressourcenin der Verfassung verankert, sondern in einemspeziellen Gesetz geregelt, das auch für dieindigene Bevölkerung und die ihr zuerkanntenLändereien gilt. Durch die geltende Verfassungsowie eine Reihe von Sonderregelungen ausden letzten Jahrzehnten genießen indigene

Hochlandbauern und Amazonasvölker einevergleichsweise große Autonomie bei der Re-gelung ihrer inneren Angelegenheiten, insbe-sondere was ihre Ländereien, aber auch wasdie Nutzung und Verwaltung der natürlichenRessourcen betrifft.

In Peru regelt ein eigenes Gesetz die Belangeder indigenen Amazonasvölker. Danach liegender Erhalt und Schutz sowie die Verbesserung

und rationale Nutzung der erneuerbaren natür-

lichen Ressourcen im öffentlichen Interesse. Allerdings hat sich dieses Interesse weder in

klaren Ausführungsbestimmungen noch ingemeinsamen Managementstrukturen vonindigenen Gemeinschaften und staatlicher

Verwaltung niedergeschlagen. Die Möglich-keiten der indigenen Gemeinschaften hinsicht-lich der Verwaltung, des Schutzes und der

Nutzung der natürlichen Ressourcen werdenim Gegenteil eingeschränkt. So hat die Nut-zung der natürlichen Ressourcen nur in sol-

chen Gebieten zu erfolgen, die das Gesetzdafür ausweist. Zum anderen können indigeneVölker zwar in Nationalparks leben, nicht aberEigentumstitel erwirken.

In Peru gibt es detaillierte Regelungen für viele Aspekte, die den Umgang indigener Völker mitihrer natürlichen Umwelt betreffen. Dabei ist inallgemeiner Form vom Respekt die Rede, dendie indigenen Kulturen verdienen. Aber es gibtkeine Hinweise darauf, dass auch überlieferte

indigene Praktiken und Einrichtungen dieGrundlagen für einen Umgang mit den natürli-chen Ressourcen bilden könnten. Ein entspre-

chendes Anrecht ist nur indirekt durch die Ra-tifizierung der ILO-Konvention 169 seitensPerus gewährleistet. Deutlich ist auch, dassviele Bestimmungen auf eine wirtschaftlicheNutzung abzielen. Peru hat die Markteinbin-

dung der indigenen Gemeinschaften mit grö-ßerem Nachdruck gefördert als andere Länder,und zwar auch was die natürlichen Ressour-cen angeht.

Venezuela

Die venezolanische Verfassung sichert demStaat die Kontrolle über das Wasser, was sich

auch in den Bestimmungen zur Fischerei und Aquakultur niederschlägt. Darüber hinaus ist

die biologische Vielfalt, ganz im Sinne dergleichnamigen Konvention, der nationalenOberhoheit unterstellt. Zum Eigentum an denerneuerbaren natürlichen Ressourcen in staat-

lich anerkannten indigenen Gebieten trifft dieVerfassung keine Aussage, aber sie erkenntdie indigenen Landrechte sowie, ebenfalls im

Verfassungsrang, die kollektiven geistigenEigentumsrechte am indigenen Wissen überdie biologische Vielfalt an. Juristen ziehenhieraus den Schluss, dass der venezolanischeStaat den indigenen Gemeinschaften die Ei-gentumsrechte an den erneuerbaren natürli-chen Ressourcen innerhalb ihrer Gebiete, mit Ausnahme des Wassers, anerkennt.

Da es vor der Verfassungsreform im Jahre1999 kein Rechtsmodell mit klaren Richtlinienfür die den indigenen Gemeinschaften übertra-genen Ländereien gab, lassen sich auch keinerechtlich sanktionierten indigenen Verwal-tungs- und Nutzungsformen konstatieren, die

sich von denen privater Landbesitzer unter-schieden hätten. Da bis heute die indigenenLändereien noch nicht im Sinne der Verfas-sung zugewiesen wurden, hat sich daran bis-

her nichts geändert. Venezuela hat im übrigen – noch bevor die Verfassungsbestimmungen inGesetze gegossen waren – Verordnungen zur

Einrichtung von Biosphärenreservaten erlas-sen, die den indigenen Gemeinschaften zwarkeine Befugnisse zur Verwaltung und Nutzung

der Ressourcen erteilen, wohl aber Schutzgewähren für ihre traditionellen Rechte aufLand, Wald und Wasser, umweltverträgliche

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Wirtschaftsaktivitäten sowie ihr soziales, kultu-relles und sprachliches Erbe.

Die Verfassung sieht neben der Anerkennungder indigenen Ländereien die Verwaltung undNutzung der natürlichen Ressourcen vor; dasentsprechende Gesetz ist in Vorbereitung. Esenthält auch Bestimmungen zur Vereinbarkeitvon indigenen Ländereien und Schutzgebieten.Die in solchen Schutzgebieten lebenden indi-genen Gemeinschaften teilten bisher dasSchicksal indigener Völker in anderen Län-dern, die keine Verfügungsrechte auf die vor-handenen natürlichen Ressourcen besaßen. InVenezuela konnten in Nationalparks früherUmweltbildungsmaßnahmen, Tourismus oder

Forschung durchgeführt werden, Jagd undFang von Tieren oder die Sammlung vonPflanzenspezies waren hingegen verbotenbzw. nur unter bestimmten Bedingungen mitErlaubnis möglich.

3. Indigene Völker und ihre natürlichenReichtümer im Spiegel der Wirklichkeit

Große Teile der modernen Indigenenbewe-gung, die sich seit den 1970er Jahren in La-

teinamerika und der Karibik formierte, führeneinen legalistisch orientierten Kampf um Aner-kennung und Durchsetzung von Rechten.Trotz Schwierigkeiten und Schwächen habensie vieles erreicht. Allerdings sind die rechtli-chen Rahmenbedingungen nur ein Aspekteiner komplexen Realität, die oftmals von Um-ständen beherrscht wird, welche sich geradenicht an Gesetze halten. In Lateinamerika gibtes seit der frühen Kolonialzeit eine Traditiondes Zur-Kenntnis-Nehmens aber Nicht-Befol-

gens von Gesetzen, die bis in die Gegenwartfortwirkt. So spielten etwa bei der Drogenbe-kämpfung in der kolumbianischen Putumayo-Region, wo Kokapflanzungen durch massive

Luftbesprühungen mit dem Unkrautvernich-tungsmittel Glyphosat zerstört und in der Nähelebende indigene Gemeinschaften in Mitlei-

denschaft gezogen wurden, Argumente einesgesetzlich verankerten Ressourcenschutzeskeine Rolle. Die Wirklichkeit ist zwar durch

Gesetze geregelt, zugleich aber werden vor-handene Inkohärenzen und Gesetzeslückensystematisch ausgenutzt oder Normen igno-

riert. Was die erneuerbaren natürlichen Res-sourcen betrifft, lässt sich hierfür beispielhaftder illegale Holzeinschlag anführen, der kaumzu unterbinden ist.

Die Wirklichkeit in den Wäldern

In Lateinamerika, wo sich mit Amazonien das

größte zusammenhängende Regenwaldgebietdieser Erde sowie mehrere Zentren biologi-scher Vielfalt befinden (d.h. über 1.500 ende-

mische Arten, wie z.B. in Bolivien und Mittel-amerika), schreitet der Verlust der Waldflächenungehindert voran. Von 1990 bis zum Jahre

2000 hat Mittelamerika pro Jahr 1,2% seinerWaldbestände verloren und zählt damit zu den

Spitzenreitern. Für Südamerika werden “nur“0,4% Waldverlust jährlich konstatiert, die aller-dings nicht darüber hinweg täuschen, dass dieEntwaldungsrate in Teilen Amazoniens bis zu

4% jährlich beträgt und dass mittlerweile 15%des Amazonasregenwaldes zerstört sind.

Holzeinschlag

Der Holzeinschlag folgt dem Bedarf auf demMarkt, der in der Regel außerhalb des Waldes

entsteht. So sind seine Ursachen oft externerNatur und können nicht nur für die Wälder,sondern auch für die indigenen Waldbewoh-ner, ihre Rechte und Lebensweise eine Bedro-hung darstellen. TRESIERRA  (2000:8) spricht indiesem Zusammenhang von exogenen Fakto-ren. Neben dem Bergbau (siehe auch FELDT indiesem Band) ist die Ausbeutung der Holzbe-stände eine zentrale Ursache für den Wald-verlust. Sie erfolgt zu einem beachtlichen Teil

illegal. Der WWF geht davon aus, dass in Bra-silien, Peru und Ecuador der Anteil an illegalgeschlagenem Holz bis zu 80% des geerntetenHolzes beträgt.

Ein anderer Teil des Holzeinschlages gründetauf der Vergabe staatlicher Konzessionen. Allen Ressourcenschutzbemühungen zumTrotz werden dabei beträchtliche Waldflächenzerstört. Die großen Entwaldungsraten gehenoft auf einflussreiche Holzfirmen zurück. Bei-spielsweise hat eine Holzfirma an der an biolo-gischer Vielfalt reichen kolumbianischen Pazi-fikküste operiert und im Zeitraum von über 30Jahren in Teilen der Region 85% der Wälder

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zerstört. Für die ansässige indigene und afro-amerikanische Bevölkerung haben dieHolzausfuhren viele negative Auswirkungen,so wurde durch Holzeinschlag z.B. das4000 ha große Gebiet der indigenen Ge-

meinde Chageradó zerstört (RÍOS, 1995:97).Dass illegaler Holzeinschlag gelegentlich mitWissen und Billigung staatlicher Stellen ge-schieht, dafür steht der Chocó als Beispiel.Hier mussten sich im Jahre 2002 die Direkto-ren der Regionalen Entwicklungsbehörde “Co-dechocó“ wegen Komplizenschaft beim illega-len Holzeinschlag des Unternehmens “Made-ras del Darien S.A.“ vor Gericht verantworten.7

Foto: „Tag der natürlichen Ressourcen“ in Ngöbe-Buglé, Panama (S. SPOHN)

In einigen Fällen ist die Rechtmäßigkeit derbehördlichen Holzeinschlagkonzessionenzweifelhaft, weil sie zu den anerkannten Rech-ten der ansässigen indigenen Gemeinschaftenim Widerspruch stehen. Zur Durchsetzung derindigenen Rechte braucht es in der Regel juris-tischen Beistand. Im Fall der Mayagna-

Gemeinde Awas Tingni an der AtlantikküsteNicaraguas beschäftigte diese Frage die Inter-amerikanische Menschenrechtskommission,die Nicaragua am 30.10.1997 aufforderte, dieHolzkonzession an das UnternehmenSOLCARSA auszusetzen (ACOSTA, o.J.).

In anderen Fällen tragen auch indigene Ge-meinschaften für den großflächigen Holzein-schlag Verantwortung. So wurden im Darien

7 Internetveröffentlichunghttp://www.procuraduria.gov.co/noticias/2002/dic/30/B_410_%20Diciembre_%2030_2002_CAR_Choco.html

von Panama die vormals homogenen Cativo-Bestände (Prioria copaifera) stark dezimiert.Hier traten die indigenen Gemeinschaftenselbst ihre Verfügungsrechte über die Wald-ressourcen an Holzhändler ab (TRESIERRA,

2000:10).

Realität sind zudem die zum Teil gewalttätigenKonflikte der indigenen Gemeinschaften mitHolzfällern, die in Bolivien und Peru auf derTagesordnung stehen. Nicht einmal Landes-grenzen stellen eine Hemmschwelle dar, wieder Fall der rund 450 Angehörigen der Asha-ninka auf brasilianischem Staatsgebiet belegt.Seit 1999 dringen peruanische Holzfäller in ihrGebiet vor und sollen nach Angaben der As-

haninka 7.000 des insgesamt 87.000 ha um-fassenden indigenen Waldgebietes vernichtethaben.

Verkehrswege

Ob in der Selva Lacandona in Yucatán, an der Atlantikküste von Honduras oder im Amazo-nasregenwald: Waldzerstörung geht meist mitInfrastrukturmaßnahmen einher. Straßen sindzudem Pforten für die Akkulturation und die

unkontrollierte Markteinbindung von indigenenGemeinschaften, z.B. durch Händler. Trotzvieler Negativfolgen wird den Straßenbaupro- jekten nicht immer Widerstand entgegenge-setzt. Die Existenz von Straßen ist noch immerBedingung für Entwicklung, mehr noch in Zei-ten globalisierter Märkte. Auch indigene Ge-meinschaften können nicht umhin, die kürzlicheingeführten Cash-Crop-Produkte auf Lastwa-gen in die nächste Stadt zum Markt zu bringen.

 Aber es kommt immer wieder zu Protestengegen den Straßenbau. Hier bietet sich wie-derum der Chocó als Beispiel an, wo zu Be-ginn der 1990er Jahre große Infrastrukturpro- jekte zur Diskussion standen. Die nach Pa-nama fortgeführte Panamericana, d.h. die ganz Amerika durchziehende Landstraße, sollte miteiner Hafenanlage, Bahnlinie, Landstraße,Pipeline, mit Wasserkraftwerken und einem sogenannten Trockenkanal vernetzt werden(S ÁNCHEZ, 1995). Gebiete der Völker der Em-

berá und Noanamá, die gerade in der neuenVerfassung von 1991 eine Anerkennung erfah-ren hatten, wären von Teilen der Vorhaben

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“Im Rahmen indigener Gemeinschaften vonUmwelt zu sprechen, heißt, die konzeptionelleBedeutung des Landes hervorzuheben. Landist die elementare Grundlage für Subsistenz

und Gesundheit, ist der Lebensraum mit Göt-tern,Geistern, Sonne, Wasser und Luft. Allediese Elemente bilden eine eigene kleine Weltoder Kosmovision. Deshalb sind inidgene Völ-ker die besten und zahlreichsten Verteidiger der Umwelt sowie der biologischen Vielfalt undnicht nur der erneuerbaren Ressourcen gewe-sen.“

G ABRIEL MUYUY J ACANAMEJOY, Abgehöriger desInga-Volkes (Kolumbien) und ehemaliger indi-gener Senator 

betroffen worden. Besorgnis erregten auch diezeitgleich einsetzenden Operationen von pa-ramilitärischen Verbänden, die damals geradeaus jenen Gebieten die afrochocoanische undindigene Bevölkerung zu vertreiben begannen,

in denen einige der Infrastrukturprojekte ent-stehen sollten. Dann aber wurde die Wirt-schaftlichkeit der Maßnahmen in Frage ge-stellt, noch bevor die Planungsphase derMachbarkeitsprüfung erreicht war. Proteste derIndigenenorganisationen, die auch das Aus-land erreichten, haben das Ihre dazu beitra-gen, dass die Pläne nicht zur Ausführung ka-men. Schließlich mögen ökologische Argu-mente den Ausschlag gegeben haben, vorallem die reiche biologische Vielfalt mit vielenendemischen Arten.

Naturschutz

Gut für die Wälder, aber schlecht für die an-sässigen indigenen Völker war die Natur-schutzdoktrin früherer Jahrzehnte, die keine

menschliche Ressourcennutzung in Schutzge-bieten duldete. Sie bedeutete nicht nur einen Angriff auf die Existenzgrundlagen der seitGenerationen im Wald lebenden indigenenGemeinschaften, sondern war auch unver-ständlich aus Sicht einer indigenen Kosmovi-sion, die auf Ausgleich und eine harmonischeBeziehung des Menschen mit seiner Umweltabzielte. So wundert es nicht, dass eine derersten großen internationalen Initiativen des1984 gegründeten Dachverbandes der indige-nen Organisationen des AmazonasbeckensCOICA das “Erste Gipfeltreffen zwischen indi-genen Völkern und Naturschützern“ im Jahre

1990 in der peruanischen AmazonasmetropoleIquitos war. Bei diesem hat die COICA dieanwesenden Organisationen, in der Mehrheitnordamerikanischer Herkunft, auf eine indige-nenverträglichere Haltung in Naturschutzfra-gen verpflichtet (COICA, 2001:196). Aus die-sem Gipfeltreffen ist ein Bündnis entstanden,das bis heute andauert. Im gleichen Zeitraumbegann sich auch die Haltung anderer Nichtre-gierungsorganisationen und der Entwicklungs-organisationen zu ändern. Zurückgreifen konn-

te man auf das Konzept des “Biosphären-reservats“, das die UNESCO 1971 aus derTaufe gehoben hatte und das den Naturschutz

mit einer nachhaltigen Nutzung der Naturdurch den Menschen vereinte, und den Öko-systemansatz der Biodiversitätskonvention, derden Menschen “mitdenkt“. Man darf behaup-ten, dass sich mit Ausnahme bestimmter be-

sonders sensibler Gebiete das Konzept desSchutzes bei gleichzeitiger nachhaltiger Nut-zung durchgesetzt hat. Hat sich damit in ge-wisser Weise nicht eine indigene Grundphilo-sophie behauptet?

Kinder, Dörfer und Konsum

Nach den exogenen seien noch kurz die endo-genen Faktoren der Waldzerstörung ange-sprochen. Dabei kann das indigene Bevölke-rungswachstum nicht unerwähnt bleiben, dasim Zusammenspiel mit den exogenen Faktorenden Druck auf die verfügbaren natürlichenRessourcen erhöht. Es liegt bei vielen indige-

nen Völkern höher als bei anderen Gruppender Gesellschaft, wenngleich auch die Kinder-sterblichkeit ungleich größer ist und kleineVölker immer wieder akut vom Aussterbenbedroht sind. Im peruanischen Amazonasge-biet beträgt etwa die durchschnittliche Gebur-tenzahl 7,9 und damit mehr als das Doppelteüber dem Landesdurchschnitt von 3,4 Gebur-ten (TRESIERRA, 2000:12). Die Bevölkerungs-dichte vor Ort wird allerdings durch Migrationund Abwanderung zumeist in die Städte her-

abgesetzt (siehe auch SPEISER  in diesemBand). Doch schon die von den christlichenMissionaren verschiedener Glaubensrichtun-

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gen betriebene Zusammenführung und An-siedlung indigener Gemeinschaften in Dörfern,die auch dem staatlichen Interesse nach bes-serer Kontrolle und Verwaltung entgegenkam,zeigt negative Wirkung. Sie begünstigt nicht

nur die Übernutzung bei Jagdwild und Fisch-beständen, sondern übt zusätzlichen Druck aufdas zur Verfügung stehende Land aus. DieLandwirtschaft stößt an die Grenzen der gerin-gen Fruchtbarkeit der Tropenwaldböden, die Abstände zwischen den Feldern werden gerin-ger, die herkömmlichen Methoden des diversi-fizierten Anbaus und des Sukzessionsmana-gements werden nicht länger befolgt. DerBrandrodungsfeldbau ist damit nicht längerökologisch tragfähig. Unangepasste landwirt-schaftliche Anbaumethoden kommen hinzu.Eine Hinwendung zur Geldwirtschaft und die Anbindung an den Markt sind damit meist auchschon vollzogen. Gleichzeitig kommt es zueinem Wertewandel. Westliche Konsummusterhalten Einzug und wirtschaftliche Alternativenstehen nicht zur Verfügung.

Bioprospektion, Biopiraterie

Die damit einhergehende Erosion der Biodi-versität aufzuhalten, ist Ziel des Übereinkom-mens über die biologische Vielfalt. Wie bereitsdargelegt sollen traditionelle Kenntnisse undPraktiken indigener Gemeinschaften bewahrt,gefördert und eingesetzt werden, sofern siedem Schutz und der nachhaltigen Nutzung derbiologischen Vielfalt dienlich sind. Sollten indi-gene Gemeinschaften ihr Wissen mit Drittenteilen, die daraus kommerziell verwertbareErgebnisse erzielen, haben sie Anspruch auf

faire Gewinnbeteiligung. Die Biodiversitätskon-vention hoffte, dass eine durch indigenes Wis-sen bereicherte Bioprospektion für alle Betei-ligten vorteilhaft wäre: für die biologische Viel-falt, die, in Wert gesetzt und nachhaltig ge-nutzt, besser geschützt sei; für die indigenenVölker, deren Wissen eine Aufwertung undfinanzielle Anerkennung erführe, und für denmedizinischen und pharmazeutischen Fort-schritt, der, wie schon in der Vergangenheit,neue medizinische Präparate aus den Wirk-

stoffen des Tropenwaldes gewinne. Allerdingshaben sich die Hoffnungen bisher nicht erfüllt.Es hat in den 1990er Jahren einige Vereinba-

rungen zur Bioprospektion mit indigenen Ge-meinschaften gegeben, u.a. in Surinam, Peruund Ecuador. In den meisten Fällen handeltees sich vermutlich um bezahlte Aufträge zurSammlung von Pflanzenmaterial. Bioprospek-

tion wird gerade von den politischen Organisa-tionen der Indigenen oft mit Biopiraterie gleich-gesetzt, d.h. der unlauteren und unrechtmäßi-gen Aneignung biologischer Ressourcen undethnobotanischen Wissens. Für den Dachver-band der Indigenenorganisationen des Ama-zonasbeckens COICA steht hierfür exempla-risch das im Juni 1986 in den USA erteiltePatent auf die Pflanze Ayahuasca oder Yagé(Banisteriopsis caapi ). Viele indigene Völker Amazoniens gewinnen hieraus einen berau-schenden Sud, der den Schamanen die Kon-taktaufnahme mit Geistern ermöglicht undihnen die Ursachen von Krankheiten sowie dieMittel zu ihrer Behandlung erhellt (REINHARDT

ET AL., 2001:23ff; ROSSBACH DE OLMOS,2001:49). Der Inhaber der nordamerikanischen“International Plant Medicine Corporation“,Loren Miller hat die Pflanze von einem Se-

coya-Schamanen im ecuadorianischen Ama-zonasgebiet erhalten und ein Patent auf die

Pflanze erwirkt. Heftige Proteste der COICA,die die Patentierung der vielleicht wichtigstenamazonischen Ritualpflanze als Sakrilegbrandmarkte, führten zu Diskussionen auf in-

ternationaler Ebene. Der Versuch, beim US-amerikanischen Patentamt die Aufhebung desPatents zu erwirken, scheiterte im April 2001.

Ende 2002 ist das Patent zwar ausgelaufen, esschürte dennoch die Angst, dass eine Jahr-hunderte lange Tradition der Ausbeutung na-

türlicher Ressourcen indigener Gemeinschaf-

ten fortgesetzt werden könnte. Aus ähnlichenGründen brachte im November 2001 der “Rat

der traditionellen indigenen Heiler und He-bammen von Chiapas (COMPITCH)“ ein gro-ßes Forschungsprojekt über den medizini-

schen Wert von Heilpflanzen bei den Hoch-land-Maya des Staates Chiapas zu Fall.

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Foto: Interview auf einem Workshop zu traditionel-lem Wissen in Peru (S. REINHARDT)

Die Wirklichkeit auf den Feldern

 Auch in die Wirklichkeit indigener Bauernge-sellschaften dringen verwandte Probleme vor.Biopiraterie ist hier gleichfalls ein Thema. So

hat in Bolivien der “Nationale BolivianischeZusammenschluss der Quinoa-Produzenten“ ANAPQUI die Colorado State University ausden USA gezwungen, das Patent Nr.5.304.718 auf “Apelawa“-Quinoa aufzugeben.Quinoa (Chenopodium quinoa) ist eine Getrei-deart andinen Ursprungs und zeichnet sichdurch ein besonders ausgewogenes Verhältnisan Aminosäuren aus.

 Andere Probleme treten in Gestalt der Gen-technologie in Erscheinung, welche die großenErnährungsfragen der Menschheit zu lösenverheißt und an die sogenannte Grüne Revo-lution der 1960iger Jahre anknüpft. Gegens-tand gentechnischer Manipulation sind diebekannteren Ernährungspflanzen neuweltli-chen Ursprungs. Zu ihnen zählt die Kartoffel,die aufgrund bestimmter Eigenschaften bis

heute ein bevorzugtes Objekt der gentechni-schen Veränderung ist. Federführend ist dasGentechnik-Unternehmen Monsanto, das meh-

rere Patente auf gentechnisch veränderte Kar-toffelsorten hält. In Mexiko, der Wiege desMaises und dem Ort seiner größten geneti-schen Vielfalt, entdeckte man 2001, dass alteeinheimische Maissorten genetisch kontami-

niert waren, vermutlich durch Importe vontransgenem Mais aus den USA. In Mexikoselbst ist der Anbau von gentechnisch verän-dertem Mais seit Jahren verboten.

 Alte erprobte und angepasste Landsorten lau-fen aufgrund der Gentechnologie Gefahr verlo-ren zugehen, und mit ihnen ihre genetischeVielfalt. Es ist in der Tat nach Schätzungen derFAO damit zu rechnen, dass in wenigen Jahr-zehnten bis zu 75% nutzpflanzengenetische

Diversität für die Menschheit verloren seinwird. Zwar lagert heute ein Großteil der ge-nutzten und wilden Sorten von Ernährungs-pflanzen in Genbanken (ex situ ) ein, doch ha-ben sich die im Freiland (in situ ) von Bauernerprobten Anbaukenntnisse und -praktiken alsunverzichtbarer Beitrag zur Bewahrung dernutzpflanzengenetischen Vielfalt erwiesen. Auch deshalb wendet man sich heute wiederverstärkt dem Wissen und den Praktiken derBauern und Bäuerinnen in den Ursprungsge-

bieten dieser Kulturpflanzen zu.

Wie bereits in Kapitel 1 “Der Boden“ erläutert,stellt in einigen Gebieten die Bodenerosion einernsthaftes Problem auf den Feldern dar.

Selbst indigene Bauern aus Bolivien oder Pe-ru, wo vor einigen Jahrzehnten Bodenreformenerfolgten und Großgrundbesitz auf indigene

Pächter umverteilt wurde, sind davon betrof-fen. Zudem hat das Bevölkerungswachstumdie Parzellen für die Nachkommen schrumpfen

lassen. Das vormalige Latifundium wurde inwenigen Generationen vom Minifundium abge-löst und trug neben der Bodenerosion auch zur Abwanderung in die Städte bei. In Boliviengründeten die Bauern ihre Gegenstrategien aufandine gemeinschaftliche Traditionen undschlossen sich in Gemeinden zusammen. Siesind damit flexibler in der Zuteilung der Res-source “Boden“, können andere Ressourcen-probleme, wie z.B. Vernichtung ihres Saatgutsinfolge von Dürre oder die Organisation derBewässerung der Parzellen besser organisie-ren. Auch der auf vorkoloniale Zeiten zurück-gehende terrassierte Anbau bietet Schutz vor

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Bodenerosion und, in gewissem Maße, vorBergrutschen, doch ist seine Wiedereinführungbzw. Instandsetzung aufwendig und zeitinten-siv.

4. Indigene Strategien

 Auf lokaler und regionaler Ebene haben indi-

gene Gemeinschaften eine Vielzahl von Stra-tegien entwickelt, um dem Problem der Zerstö-rung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen

zu begegnen. Einige dieser Strategien fandenbereits Erwähnung, wie z.B. der Widerstandgegen Infrastrukturmaßnahmen als Ursache

für Waldzerstörung, die Proteste gegen Biopi-raterie oder die Wiederbelebung andiner Tra-

ditionen. Übergreifend und unabhängig vonden Widrigkeiten der Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes haben viele indigene Ge-meinschaften dafür optiert, sich für die Aner-

kennung ihrer Landrechte einzusetzen, unddamit Ansprüche auf die überirdischen Res-sourcen geltend zu machen. Wenn Staaten

ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Legalisie-rung indigener Gebiete nicht nachkommenkonnten oder wollten, haben indigene Organi-sationen Mittel und Wege gesucht, Selbstde-markierungen vorzunehmen, um die Anerken-nung der Gebiete zu erzwingen. Mit Unterstüt-zung von NRO oder anderen Partnern gelanges ihnen, ihr Land selbst zu vermessen. Sieschufen so die Voraussetzung für die Ausstel-lung von Landtiteln, die die zuständigen Be-hörden nicht mehr aufgrund politischer Wider-stände oder finanzieller Engpässe verweigernkonnten. Bei der Demarkierung des Gebietesder Waiãpí im brasilianischen Bundesstaat

 Amapá war erstmals die deutsche Entwick-lungszusammenarbeit im Vorlauf des Pilotpro-gramms zur Erhaltung der tropischen Regen-wälder (PPG7) an der Vermessung von India-nergebieten beteiligt und verfolgte in Ab-stimmung mit der staatlichen Behörde FUNAIden partizipativen Ansatz der Selbstdemarkie-rung. Daraus folgten in Zusammenarbeit mitder staatlichen Indianerbehörde FUNAI weiterepartizipative Landregulierungen, die nicht nurdie Vermessungen sondern den gesamten

Prozess, von der Identifizierung der Gebietebis zur Ratifizierung durch den Staatspräsi-denten umfassen. So wurden bisher für rund

65.000 Indianer rund 34 Mio. ha Fläche in denneun Amazonas-Staaten Brasiliens gesichert.Seit 1996 unterstützen GTZ und KfW im Auf-trag des BMZ das DemarkierungsprojektPPTAL.8

Diese Strategie findet sich in vielen politischenForderungen wieder. Sie hat eine lange Vor-geschichte und begann mit der Bekräftigungdes engen Zusammenhangs von natürlichenRessourcen und Landrechten in der ILO-Kon-vention 169 und der UN-Erklärung über dieRechte indigener Völker. Sie setzte sich darinfort, dass international agierende Indigenenor-ganisationen (z.B. COICA, aber auch die “In-ternationale Allianz der indigenen und in

Stämmen lebenden Völker der Regenwälder“)namhafte Umweltorganisationen, wie denWWF und IUCN, auf diese Linie einschworen.So verabschiedete der WWF 1993 sein “Sta-tement of Principles on Indigenous Peoplesand Conservation“, in dem er die indigenenRechte auf das Land, die natürlichen Ressour-cen und die Kontrolle über diese anerkenntund sich in seinen Projekten zur Berücksichti-gung dieser Prinzipien verpflichtet (vgl. COICA,2001:50ff). IUCN hat auf ihrem 1. Weltnatur-

schutzkongress 1996 in Montreal in ihrer Ent-schließung 1.53 “Indigenous Peoples and Pro-tected Areas“ Ähnliches beschlossen (vgl.COICA, 2001:52ff). Seither sind Indigenen-vertreter regelmäßige Teilnehmer an denIUCN-Kongressen, zuletzt 2003 auf dem Welt-park-Kongress in Durban (Südafrika), wo dieindigenen Ansprüche auf Land und die natürli-chen Ressourcen ein weiteres Mal im Rahmender WPC-Empfehlung 5.24 zu “Indigenen Völ-

kern und Schutzgebieten“ bekräftigt wurden.

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Die politischen Interessenvertretungen derindigenen Völker werden stets die Eigentums-

und Verfügungsrechte über die erneuerbarennatürlichen Ressourcen in den Mittelpunkt ihrerStrategie rücken. Dokumente der OAS bestäti-gen, dass das Recht auf die natürlichen Res-sourcen einer der schwierigsten Fragen bei der

8 PPTAL ist das brasilianische Kürzel für das Projekt„Demarkierung von Indianerschutzgebieten in der

 Amazônia Legal“ und ist Teil des PPG7.9 vgl.www.iucn.org/themes/wcpa/wpc2003/pdfs/outputs/r ecommendations/approved/english/pdf/r24.pdf9

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 Anerkennung und Anwendung indigener Rech-te ist und dass das “right to land and the re-cognition of indigenous habitat (must, d.V.)include the indigenous right to all surface re-sources necessary for their survival and for a

sustainable development“ (ORGANISATION OF

 AMERICAN STATES, 2003:9).

Noch einen Schritt weiter geht die Millenni-umskonferenz der indigenen Völker, die im Mai2001 in Panama stattfand. Sie steht nicht mitder UN-Millenniumskonferenz vom September2000 in Zusammenhang, sondern stellt eineFortschrittsanalyse der bis 2004 dauernden“UN-Dekade Indigener Völker“ dar. Dazu hat-ten sich neben indigenen Teilnehmer/innen

aus Lateinamerika und der Karibik auch Ver-treter/innen aus allen Erdteilen in Panamaeingefunden. In ihrer gemeinsamen Erklärungheißt es hinsichtlich der erneuerbaren Res-sourcen:

“Reiterate further that it is time that States rec-

ognize the unique spiritual relationship be-tween Indigenous Peoples and our land andterritories, including submerged lands, waters

and natural resources, and that the right to

these resources is inseparably linked to ourright to self-determination“ (FINAL REPORT,

2001:48).

Was hier zu lesen steht, ist, dass die Rechtean den natürlichen Ressourcen untrennbar mitdem Recht auf Selbstbestimmung verbundensind. Diese Feststellung geht weit über dieGesetzeslage selbst fortschrittlicher Staaten inLateinamerika hinaus, doch sie gibt eine De-batte wieder, die in der “Arbeitsgruppe derVereinten Nationen über indigene Bevölke-rungsgruppen“ zur “Ständigen Souveränitätüber die natürlichen Ressourcen“ geführt wird. Aus der Tatsache, dass die ständige Souverä-nität über die natürlichen Ressourcen nachEnde des Zweiten Weltkrieges zu einem zent-ralen Prinzip der Entkolonisierung und einemfundamentalen Aspekt der Selbstbestimmungwurde, leitet die anerkannte UN-Berichterstat-terin ERICA-IRENE  A. D AES  (COMMISSION ON

HUMAN RIGHTS, 2002) ab, dass man auch indi-

genen Völkern die “ständige Souveränität überdie natürlichen Ressourcen“ zuerkennen müs-se, da auch sie wirtschaftlich, politisch und

geschichtlich Kolonisierte seien. Die Frage der(erneuerbaren) natürlichen Ressourcen wirddadurch mit der Frage der (nachholenden)Entkolonisierung indigener Völker verknüpft,auch wenn dies zu einer Zeit geschieht, die

schon als “postkolonial“ charakterisiert wird.Dass man die erneuerbaren natürlichen Res-sourcen in den Kontext der (völker-)rechtlichen Anerkennung indigener Rechte stellen undnicht nur als technische Frage behandeln soll-te, dafür gibt es neben anderen noch einengewichtigen Grund: Die indigenen Völker hät-ten Anspruch auf die Ressourcen in ihren Ge-bieten, selbst wenn sie einmal nicht (mehr) derVorstellung vom “Edlen Wilden“ als demSchützer und Bewahrer der Umwelt entspre-chen (BENDA-BECKMANN, 1997).

5. Entwicklungszusammenarbeit mitindigenen Völkern

Die Zusammenarbeit mit indigenen Völkernstellt für die Entwicklungspolitik eine beson-

dere Herausforderung dar. Dass die deutscheEntwicklungszusammenarbeit die völkerrecht-lichen Prozesse im Blick hat, belegt ihr von1996 stammendes “Konzept zur Entwicklungs-zusammenarbeit mit indianischen Bevölke-rungsgruppen in Lateinamerika“ (BMZ, 1996).Dies wurde ihr jüngst sogar noch einmal durcheine Nichtregierungsorganisation bestätigt(GRIFFITHS, 2003), die in einer Vergleichsstudievon 27 Geber- und Entwicklungsorganisatio-nen nur drei identifizierte, darunter das BMZ,die in ihren Leitlinien die Frage der indigenenRechte aufgenommen hatten. Dass sich dieseGrundlage durch eine Ratifizierung der ILO-

Konvention 169 seitens der Bundesregierungspürbar verbessern würde, sei noch angefügt. Allerdings haben fast alle nationalen und mul-tilateralen Institutionen der Entwicklungszu-sammenarbeit, die die Studie untersucht, dieFrage des Eigentums an Land und den Zu-gang zu sowie die Nutzung von natürlichenRessourcen in irgendeiner Weise in ihre Poli-tikstandards und Bedingungen integriert(GRIFFITHS, 2003:7).

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Bodenschätze auf indigenem Land

HEIDI FELDT

Obwohl die Auseinandersetzung um nicht-erneuerbare Ressourcen1  wie Erdöl, Erdgasoder Mineralien und deren Nutzung kein neuesThema in der lateinamerikanischen Geschichteist, so hat es doch in den letzten 20 Jahren anBrisanz gewonnen. Dies liegt vor allem an zweiFaktoren:

 Auf der Suche nach neuen Lagerstätten

dringen Unternehmen und Staat immerweiter in die letzten RegenwaldregionenLateinamerikas und auf indigene Territo-

rien vor, und drohen diese zu zerstören.

Erdöl und Erdgas haben sich zu wichtigenFaktoren für die wirtschaftliche Entwick-lung mehrerer lateinamerikanischer Staa-ten entwickelt. Neben Venezuela beruhenauch die Ökonomien von Mexiko und Ecu-ador weitgehend auf der Erdölproduktion.In Bolivien und Peru wird Erdgas in dennächsten Jahren eine immer wichtigereRolle spielen.

Welche Konsequenzen hat der Abbau vonBodenschätzen für indigene Völker? Wie ver-laufen die Konfliktlinien zwischen den unter-schiedlichen Interessensgruppen? Wie ges-talten sich die Konflikte über die Nutzung derRohstoffe? Wie sind die rechtlichen Grundla-gen und deren Umsetzung? Welche Lösungenwerden diskutiert? Gibt es überhaupt gute

Verhandlungsergebnisse? Und welche An-satzmöglichkeiten gibt es in diesem Kontext fürdie Entwicklungszusammenarbeit?

Diesen Fragen soll im folgenden Beitrag nach-gegangen werden, wobei die Großprojekte imBergbau- und Erdölsektor im Vordergrund

1  Im folgenden Text werden die Begriffe nicht-erneuerbare natürliche Ressourcen, Bodenschätzeund nicht-erneuerbare Rohstoffe synonym benutzt.Sie umfassen Erdöl, Erdgas, mineralische Rohstoffewie Erze, Gold, Silber etc. Die Bergbau-, Erdöl- undErdgasindustrie wird auch unter dem Begriff der“extraktiven Industrie“ zusammengefasst.

stehen. Der Kleinbergbau, der oft von einzel-nen Personen oder Kleinbetrieben durchge-führt wird, weist andere Charakteristika undProbleme auf, die hier nicht weiter behandeltwerden können.

1. Nicht-erneuerbare natürliche Ressour-cen auf Territorien indigener Völker

Viele der Erdöl-, Erdgas- und mineralischen

Lagerstätten, die in den letzten zwei Jahr-zehnten in Südamerika gefunden wurden,befinden sich auf indigenen Territorien. Auf

den Websites www.gtz.de/indigenas/deutsch/service/reader.htm oder www.learn-line.de/angebote/chatderwelten können interaktive

Karten eingesehen werden, die diese Entwick-lung für die Erdöl- und Erdgasförderung doku-mentieren.

 Anhand dieser Karten lässt sich deutlich die

Überlagerung von Erdöl-, Erdgas- und Berg-baukonzessionen mit indigenen Territorienablesen. Allerdings ist zu beachten, dass einKonzessionsgebiet größere Flächen umfasstals für den Abbau und Förderung effektiv ge-nutzt werden.

Die Auswirkungen von Bergbau und Erdöl/Erdgas auf indigene Völker sind tief greifend.Vor allem aus dem Amazonastiefland sindschwerwiegende Einschnitte in das Leben der

indigenen Völker beschrieben (KIMERLING,1993; MÜLLER-PLANTENBERG, 2003; ONIC,1999; FOREST PEOPLES PROGRAMMe, 2003):

Durch unsachgemäße Entsorgung von

 Abwässern werden die Flüsse ver-schmutzt, was zur Verseuchung desTrinkwassers der Bevölkerung und zum

Fischsterben führt, aber auch Ursache vie-ler Erkrankungen ist. 2

 2 Das Centro de Derechos Económicos y Sociales(Ecuador) hat 1994 zusammen mit der Fakultät fürPublic Health (Harvard) die Auswirkungen derErdölförderung auf die Gesundheit indigener

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Bodenschätze auf indigenem Land

101

Durch Infrastrukturmaßnahmen wie Stra-ßenbau, Einrichtung von Camps für die Arbeiter, Pipelinebau etc. wird das Öko-system ge- oder zerstört, Tiere wandernz.B. in ungestörte Bereiche des Waldesab. Falls die Bewohner der Region von derJagd oder dem Fischfang leben, verändernsich ihre Ernährungsgrundlagen. Entlangder neugebauten Straßen ziehen neueSiedler in die Region.

In Folge von Bergbau- und Erdölvorhabenkommt es zur Konfrontation von traditio-nellen Wirtschaftsweisen mit der “moder-nen“ Welt. Dabei werden meist existie-rende soziale Beziehungen in den Ge-

meinschaften gestört.Einige dieser negativen Auswirkungen sind beiBergbau- und Erdölvorhaben nicht zu vermei-

den. So zerstört Bergbau fast immer die Ober-fläche im Lagerstättenbereich. Dies ist offen-sichtlich beim Tagebau, aber auch wenn die

Mineralien unter Tage abgebaut werden, wer-den Flächen zur Unterbringung der Arbeiter,für die Infrastruktur und den Abraum benötigt.

Wie Bergbau eine ganze Landschaft zerstören

kann, zeigt sich in der Region Carajas in Brasi-lien. Dort wird das größte Eisenerzlager der

Welt (18 Mrd. Tonnen) seit 1984 im Tagebauabgebaut. Neben Eisenerz gibt es in der Re-gion große Vorkommen an Mangan, Kupfer,

Nickel, Zinn, Gold und Bauxit. In der Nähe hatsich die Aluminiumindustrie angesiedelt, dieihren Strom u.a. aus dem Wasserkraftwerk am

Rio Tocantis bezieht. Für die indigenen Völkerder Region hat nicht nur der Bergbau zu Ver-treibungen aus ihren Gebieten geführt sondern

auch die dazugehörige Infrastruktur, vor allemder Bau der großen Staudämme für die Stro-merzeugung der Aluminiumindustrie. Zur Be-

urteilung der Schäden durch die extraktive In-dustrie sind daher nicht nur die unmittelbarenFörderanlagen zu betrachten, sondern auch

die gesamte Infrastruktur, die für Bergbau undErdöl-/Erdgasförderung eingesetzt wird.

In vielen Fällen kann das Ausmaß der Schä-den und Zerstörungen durch den Einsatz der

ölförderung auf die Gesundheit indigener Gemein-schaften im ecuadorianischen Tiefland untersucht.

“best-möglichen Technologie“ verringert wer-den. Dies gilt auch für die Verschmutzung derGewässer und die Zerstörung durch Infra-strukturmaßnahmen. Natürlich verteuert derEinsatz dieser Technologien die Nutzung dernicht-erneuerbaren Ressourcen erheblich.Zwar gibt es in allen Ländern Umweltgesetzeund Vorgaben zur Verringerung der Schäden,der Staat kontrolliert jedoch die Einhaltungdieser Auflagen nur partiell. Sanktionen gegenUnternehmen, die die Umweltgesetze nichteinhalten, werden nicht verhängt. Viele Firmensetzen daher die billigere Technologie ein.

2. Wirtschaftliche Bedeutung von Erdöl,

Erdgas und BergbauDie Einnahmen aus der Erdöl- und Erdgaspro-

duktion haben mittlerweile eine große Bedeu-tung für die nationalen Ökonomien in mehrerenLändern Lateinamerikas. Die Produktion vonEisenerzen, Silber, Gold etc. hat demgegen-über relativ abgenommen.3 Zwar ist die Erzför-derung in Bolivien nach wie vor ein wesentli-cher Bestandteil der Wirtschaft, doch gewinntdas Erdgas zunehmend an Bedeutung. In Ve-nezuela kommt die Hälfte der Staatseinnah-men aus der Erdölproduktion. Erdöl macht75% des Exports dieses Landes aus, in Ecua-dor sind es 44%. Der Erdölsektor in Mexikoerwirtschaftet ca. 1/3 der Staatseinnahmen. Inden anderen Ländern ist der Erdöl- und Erd-gasbereich weniger bedeutend. In Bolivien undPeru wird der Erdgassektor allerdings zur Zeitstark ausgebaut. In Peru haben sich die öko-nomischen Erwartungen, die sich an das Erdölknüpften, nicht erfüllt. Betrug der Exportanteil

 Anfang der 1980er Jahre noch 20%, so istPeru heute ein Nettoimporteur von Erdöl. Dieaktuelle Produktion und die gesicherten Re-serven für Erdöl und Erdgas sind in der folgen-den Tabelle wiedergegeben.

3  Außer in Peru: hier machten die metallischenBergbauprodukte 2002 44,9% des Exportvolumensaus.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Tabelle 1: Erdöl- und Erdgasproduktion und Reserven in Lateinamerika

Land Erdölproduktion in

10 000 Barrel pro

Tag

Sichere Erdölreser-

ven in 10 Mio. Bar-

rel

Erdgasproduktion

in 10 Mio. m3 pro

Jahr

Erdgasreserven in

10 Mrd. m3

Bolivien 37.4 126 6.261.0 149.5

Brasilien 968.5 7.400 9.769.0 227.6

Ecuador 390.5 4.460 1.520.0 22.0

Kolumbien 616.5 1.750 7.869.0 240.1

Mexico 3.600.0 12.600 6.080.0 485.0

Peru 115.6 323 1.109.0 197.1

Venezuela 3.120.0 77.0714  44.099.0 4.120.8

Quelle: OLADE 1999, EIA 2003, Alexander’s Gas and Oil Connections, 2003

Über die Verteilung der Erdöleinnahmen inden einzelnen Ländern gibt die folgende Ta-belle Aufschluss. Wie aus der Tabelle ersicht-lich, dezentralisieren Kolumbien und Peru ei-nen größeren Teil ihrer Einnahmen aus demErdölgeschäft an die Gebietskörperschaften,in denen nach Erdöl gebohrt wird.

In Kolumbien gehören auch die eigenständigenindigenen Verwaltungsstrukturen (resguardos)

dazu, allerdings ist nach Aussage der OPIACbis 2002 noch kein Geld unmittelbar an die in-digenen regionalen Autoritäten geflossen5.

Tabelle 2: Verteilung der Erdöleinnahmen (prozentual)

Bolivien Kolumbien Ecuador Peru Durchschnitt

Zentralregierung 53,5 32,1 62,14 49,24 49,25

Provinzen 21,2 27,3 1,4 25,9 18,9

Kommunen 1,25 15,4 2,4 18,8 9,45

Fonds 23,1 22,1 3,3 0 12,13

Sozialfonds 0,2 2,55 0 1,06 0,95Andere 0,8 0,6 30,9 5,1 9,35

Quelle: ESMAP 2002

4 Dazu kommen sehr schweres Erdöl und Bitumen5 Interview mit OPIAC, 2002

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Trotz dieses relativen Reichtums an Rohstof-fen in den genannten Ländern lebt die großeMehrheit der Menschen und vor allem derindigenen Völker in Armut. Zum Teil ist diesauf den Verfall der Rohstoffpreise auf demWeltmarkt zurückzuführen. So ist z.B. derPreis für Kupfer zwischen 1970 und 1980 um64% gefallen. Erst seit Ende 2001 beginnendie Rohstoffpreise wieder zusteigen6. Der Ver-fall des Goldpreises hat sogar dazu geführt,dass Placer Dome, ein kanadisches Bergbau-unternehmen, seine Arbeiten auf dem größtenGoldvorkommen des Kontinents, Las Cristinasin Venezuela, vorübergehend aussetzte. Dieinstabilen Rohstoffpreise lassen in den Pro-

duktionsländern nur ungefähre Berechnungenfür die zu erwartenden Einnahmen des Staats-haushaltes zu. Dies ist allerdings nur ein Teilder Erklärung. In Ländern mit großen Vor-kommen an Erdöl-, Erdgas- oder anderen Bo-denschätzen wie in Venezuela oder in Ecuadorlässt sich das sogenannte Paradox of Plenty

beobachten.

Das “Paradox of Plenty”

Das “Paradox of Plenty“7, der relative Rohstoff-reichtum eines Landes bei gleichzeitig geringerwirtschaftlicher Entwicklung, hat in den letztenJahren an Raum in der (entwicklungs-)politi-schen Debatte gewonnen. Im Mittelpunkt stehtdie Frage, inwieweit der Bergbau sowie dieEntwicklung und Förderung von Erdöl- undErdgasvorkommen zur nachhaltigen Entwick-lung und zur Armutsbekämpfung eines Landesbeitragen. Untersuchungen, die im Rahmendes Mining, Minerals and Sustainable Deve-

lopment Projektes des World Council forSustainable Development (2002) und desExtractive Industry Review der Weltbankdurchgeführt wurden, kommen zu unterschied-

 6 Einige Analysten sehen in dem Anstieg der Roh-stoffpreise eine langfristige Tendenz, die vor allemdurch die hohe Nachfrage auf dem asiatischenMarkt begründet ist, während andere in dem An-stieg ein eher kurzfristiges Phänomen, angeheiztdurch spekulative Käufe, sehen (FAZ, 24.02.2004)7 K ARL (1997) hat eine vergleichende Untersuchungder Auswirkungen von Ressourcenreichtum aufunterschiedliche Länder wie Nigeria, Venezuela,Nicaragua und Indonesien durchgeführt und postu-liert für alle das “Paradox of plenty“.

lichen Ergebnissen. So kommt die Evaluierungder Weltbankvorhaben im extraktiven Sektor(2003) zu dem Schluss: “Many resource-richcountries perform worse than resource-poorcountries in key aspects of development, in-cluding economic, social, and governance“(WORLD B ANK 2003).

Nach dem “Paradox of Plenty“ führt die schnel-le Nutzung natürlicher Ressourcen zur Ver-nachlässigung anderer einheimischer Wirt-

schaftszweige, da lokale Ressourcen und Gel-der z.B. aus der Landwirtschaft abgezogenund zur Entwicklung eines einzelnen Industrie-

sektors genutzt werden. Der Staat wird von derPreisentwicklung einer einzigen Ware abhän-

gig. Aufgrund des Rohstoffreichtums erhaltendie Länder relativ leicht große Kredite zum Ausbau der Infrastruktur und zur Befriedigungvon Konsumbedürfnissen. Dies führt innerhalb

kurzer Zeit zu einer Auslandsverschuldung beiprivaten und öffentlichen Banken und Finanz-institutionen. So ist Ecuador heute auf den

 Abbau der Erdölvorkommen angewiesen, umden Schuldendienst zu tätigen.

Rohstoffreichtum ist demzufolge ein zweifel-

hafter Segen für ein Land. Ein Problem sinddabei auch die schwachen staatlichen Instituti-onen und die unzureichenden demokratischenStrukturen (K ARL, 1997; ROSS, 2001; S ACHS &W ARNER, 1995). In der Auseinandersetzungum die Kontrolle über die Ressourcen werdenschwache demokratische Strukturen zusätzlichweiter geschwächt. ROSS  (2001) stellt in sei-nem Beitrag “Does oil hinder democracy“ so-gar die Frage, ob Ressourcenreichtum dieHerausbildung demokratischer Strukturen ineinem Land eher behindert als unterstützt. Erkommt zu dem Ergebnis, dass Erdöl undBergbau einen negativen Effekt auf die Ent-wicklung einer Demokratie haben können – inarmen Staaten stärker als in reichen. So habein Staaten wie Indonesien, Malaysia, Mexiko,und Nigeria die Sicherung der Verfü-gungsgewalt über die Rohstoffe die demokrati-sche Entwicklung verzögert. Regierungen roh-stoffreicher Länder neigen dazu, die Kontrolle

über die Rohstoffe militärisch zu sichern, re-pressiv auf Proteste zu reagieren und die Mo-

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Bodenschätze auf indigenem Land

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dernisierung und Diversifizierung der Wirt-schaft zu vernachlässigen (vgl. FELDT, 2004).

 Auch in den lateinamerikanischen Staaten wieVenezuela und Ecuador wurde versäumt, an-

dere Wirtschaftszweige frühzeitig zu fördern,so dass die wirtschaftliche Entwicklung dieserLänder vom Erdöl abhängt, ohne dass die

Einnahmen den Lebensstandard der breitenBevölkerung verbessern.

3. Die Interessengruppen und ihreStrategien

Im folgenden werden die wichtigsten Akteure(Konzerne, Bergbau- und Energieministerien,indigene Völker) kurz charakterisiert.

Staat

In allen Ländern Lateinamerikas sind es dieEnergie- und Bergbauministerien, die für dieEntwicklung einer nationalen Politik in demBereich Konzessionsvergabe, Kontrolle der Abbau- und Förderaktivitäten und der Energie-versorgung zuständig sind. Im Bergbau habensie eine direkte Kontrollfunktion über die Un-ternehmen. Etwas anders sieht es im Erdöl-

sektor aus. Da dieser Sektor in vielen Staatenin den 1960er und 1970er Jahren verstaatlichtwurde, wurden eigene nationale Erdölunter-nehmen aufgebaut. Einige dieser Unterneh-men wie Petroleos de Venezuela (PdVSA)vereinen sämtliche Bereiche der Erdölproduk-tion und -verarbeitung von der Erdölsuche biszur Petrochemie unter einem Dach. Ähnlichoperiert Petroecuador, obgleich dieser Kon-zern sehr viel kleiner und in der Exploration aufausländische Unternehmen angewiesen ist. Außer in Venezuela werden seit Mitte der1990er Jahre in allen Förderländern die staatli-chen Erdölunternehmen und die Erdölförde-rung reprivatisiert. Das heißt, ausländischeKonzerne können über joint ventures oderKooperationsverträge mit den nationalen Un-ternehmen direkt in den Ländern Erdöl fördern.Die Vergabe von Konzessionen und die Über-wachung der laufenden Aktivitäten im Bergbauund bei der Erdöl- und Erdgasförderung sind

 Angelegenheit des Zentralstaates, die Kom-munen und Provinzregierungen spielen dabeieine untergeordnete Rolle.

Bis in die 1990er Jahre hat der Staat die Re-gelung der Beziehungen mit indigenen Ge-meinschaften oder Siedlern vor Ort weitgehendden Unternehmen überlassen. Interessanter-weise war dies auch dann der Fall, wenn dasUnternehmen vor Ort in staatlicher Hand war.So ist es in Venezuela bisher PdVSA, die dieBeziehungen zu den Kommunen, lokalen Or-ganisationen und indigenen Völkern regelt undnicht das Bergbau- und Energieministerium,das eigentlich die staatliche Politik in dem Feldumsetzen soll. Nun ist das Machtgefälle zwi-schen Ministerium und PdVSA in Venezuelasehr groß, aber auch in den anderen Ländernder Hemisphäre sind es die staatlichen oder

teilstaatlichen Unternehmen, die bisher wiePrivatunternehmen in der Kommunikation mitden indigenen Völkern agieren. Das Hauptinte-resse des Staates besteht in der reibungslosen Abwicklung von Bergbau- und Erdölaktivitäten8

und der Sicherung ausländischer Investitionen.So war die ecuadorianische Regierung vehe-ment dagegen, dass Siedler und Vertreter desindigenen Volker der Secoya im ecuadoriani-schen Tiefland gegen Texaco vor einem USamerikanischen Gericht klagten: “(…) si la

demanda es aceptada por una corte norteame-ricana se pondría en riesgo la soberanía naci-onal y la inversión extranjera“ (zitiert nachWRAY, 2000:39)9.

Mittlerweile verlagert sich der Diskurs von der

Konfrontation oder Negation indigener Interes-sen hin zu einem Diskurs der Konsultation, desDialogs und der Verhandlungen. Damit werdendie Vorgaben in der ILO-Konvention 169, die

8 Der Leiter der Umweltabteilung im Ministerium fürEnergie und Bergbau, Lima, Peru sagte mir 1997 ineinem Interview: “Unsere Aufgabe ist für die rei-bungslose Durchführung der Aktivitäten zu sorgen,und nicht den Unternehmen Steine in den Weg zulegen.“9  Die Klage richtete sich gegen die Umweltver-schmutzungen, die Texaco in Ecuador hinterlassenhatte und die negativen Auswirkungen auf die Cofánund Huaorani. 1995 schloss die ecuadorianischeRegierung einen Vertrag über die Zahlung von Gel-dern für “Umweltreparaturen“ mit Texaco, um dieKlage zu unterlaufen. Einige Führer der regionalenIndigenenorganisationen FOISE und FCUNAE un-terstützten das Vorgehen der Regierung. Sie hattenein Unternehmen (Corpesega) gegründet, das eini-ge der Umweltreparaturen durchführen sollte.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Konsultation, Teilhabe an den Gewinnen unddas Recht auf Entschädigung für die Schädenaus Bergbau- und Erdölvorhaben vorsieht,aufgegriffen. Neue Gesetze bzw. Gesetzent-würfen zur “consulta y participación“ in Peru,Ecuador, Bolivien, Kolumbien und Venezuelasind verabschiedet worden oder werden zurZeit diskutiert (siehe Kap. 4).

Erdöl- und Bergbauindustrie

Der Erdöl- und Bergbausektor Lateinamerikas

wird einerseits von staatlichen Betrieben, dievor allem im Rahmen der Nationalisierungstrategischer Industriebetriebe in den 1960er

Jahren gegründet bzw. ausgebaut wurden,

dominiert. Allerdings ist die ökonomische undgesellschaftliche Bedeutung der Erdölunter-nehmen sehr viel größer als die der Bergbau-betriebe.

 Andererseits sind seit Beginn der Reprivatisie-rung des Rohstoffsektors in allen LändernSüdamerikas Förder- und Abbaukonzessionenan private in- und ausländische Konzerne ver-geben worden. Im Falle der Erdölindustrieschließen meist die staatlichen oder teilstaatli-

chen Unternehmen die Verträge über die För-derbedingungen mit den internationalen Unter-nehmen. Die häufigsten Vertragsarten sindneben joint ventures, Serviceverträge (contra-

tos de prestación de servicios)10, Risiko- undServiceverträge11  und Beteiligungsverträge(contratos de participación).12 Gegenstand der

10 In diesem Fall führt ein privates Unternehmen dieErdölsuche und -produktion durch und für jedenBarrel, der gefördert wird, zahlt der Staat dem Un-ternehmen einen festgesetzten Beitrag. Das Ölselbst bleibt Eigentum des Staates und wird meistvom staatlichen Unternehmen vermarktet.11 Ähnlich den Serviceverträgen, allerdings wird dasRisiko der Erdölsuche zwischen Staat und Unter-nehmen nach einem festgelegten Anteilsverhältnisgeteilt.12 Dies sind Verträge zwischen Staat und Privatun-ternehmen, nach denen der Vertragnehmer (einprivates Unternehmen) in einem vertraglich verein-barten Gebiet Erdöl suchen und fördern kann. Dafürübernimmt er das Risiko für die Investitionen derExploration und Förderung. Wird die Produktionaufgenommen, steht dem Vertragnehmer eine Be-teiligung an dem Erdöl zu. Die Höhe dieser Beteili-gung wird in den Vertragsverhandlungen ausge-handelt, und hängt u.a. von dem zu erwartendenVolumen des Erdölvorkommens ab.

Verträge sind u.a. die Leistungen, die das Un-ternehmen für die Bereitstellung der Infra-struktur und die Nutzung öffentlicher Einrich-tungen zu zahlen hat, ebenso wie Entschädi-gungszahlungen. Von privaten Unternehmenwird bemängelt, dass in den Verträgen keineklaren Vorgaben bezüglich Kommunikationund Partizipation indigener Völker gemachtwerden (EAP, 2003).

Von Seiten der Unternehmen gibt es keine

gemeinsame Strategie gegenüber indigenenVölkern und Gemeinschaften. Trotzdem lassensich bestimmte Entwicklungen und Strategien

beobachten.

Wie sich die Beziehungen zwischen Erdölun-ternehmen und indigenen Völkern veränderthaben, zeigt das Beispiel Ecuador. Es lassensich im wesentlichen folgende Strategien be-schreiben (siehe auch WRAY 2000:45-51):

“Gute Nachbarschaft“Im Sinne einer guten Nachbarschaft ver-suchen Konzerne (wie Texaco in den1970er Jahren), sich mittels Geschenkedie Unterstützung der indigenen Gemein-schaften zu sichern. Die Geschenke wer-den meist individuell oder an einzelneDorfgemeinschaften gegeben, und werdengezielt zur Spaltung von Gemeinschaftennach dem Motto “teile und herrsche“ ein-gesetzt. Dieses Vorgehen der Konzernedominierte in den 1970er bis Ende der1980er Jahre.

“Vom geschenkten Außenbordmotor zumProjekt“Die Phase wurde Mitte der 1980er Jahre

durch die staatliche Firma CEPE (heutePetroecuador) eingeleitet, die auf derGrundlage des neuen Erdölgesetzes einen“Fondo de desarrollo comunal“ auflegte,der mit 0,3 % der Einnahmen von CEPEgespeist wurde. Zu der Zeit gründeten sichdie ersten indigenen Organisationen inEcuador, die von CEPE als Gesprächs-partner für Projekte anerkannt wurden.

“Vom Projekt zur Corporate Social respon-

sibility “Heute setzen die meisten Unternehmen

auf die Entwicklung längerfristiger Bezie-hungen zu den indigenen Gemeinschaften.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Der Diskurs der internationalen Erdölun-ternehmen ist geprägt von der internatio-nalen Debatte um soziale Unternehmens-verantwortung (“Corporate Social Respon-sibility“). In diesem Zusammenhang habensich alle großen internationalen Erdölkon-zerne Verhaltenskodizes für ihre Umwelt-und Sozialpolitik gegeben13. Einige Kon-zerne wie BP, Shell und PdVSA versuchenüber Projekte regionale Entwicklung zu un-terstützen und dadurch “best practice“ Bei-spiele zu geben. Für die Beziehung zu denindigenen Völkern und Gemeinschaftenhaben viele Unternehmen Ethnologen ein-gestellt und zuständige Abteilungen für die

Kommunikation mit der lokalen Bevöl-kerung eingerichtet. So hat Shell ganz be-wusst versucht, in Camisea, dem großenErdgasprojekt in Peru, ein Beispiel guterPraxis durch frühzeitige Verhandlungenmit den indigenen Gemeinschaften überdie Durchführung der Erdgasaktivitätenund begleitende (Entwicklungs-)Projektedurchzuführen, und somit einen Gegenpolzu ihrem negativen Image in Nigeria zusetzen. Da Shell sich jedoch aufgrund ö-

konomischer Überlegungen aus Camiseazurückgezogen hat, wurden die Ansätzenicht umgesetzt.14 Somit steht der Beweisin Lateinamerika noch aus, dass sichextraktive Industrie und nachhaltige Regi-onalentwicklung vereinbaren lassen.

Inwieweit der veränderte Diskurs der Unter-nehmen tatsächlich auch zu einer verändertenPraxis führt, ist noch nicht absehbar. Dies wirdstark von den Rahmenbedingungen, die der

Staat setzen muss, und der Stärkung und Arti-kulationsfähigkeit der indigenen Organisatio-nen sowie der Entwicklung der internationalenDiskussion um sozialverantwortliches Unter-

 13 BP, 2002: Grundsätze der Geschäftspolitik, Shell,2003: There is no alternative, Shell on sustainabledevelopment, Shell: Statement of General Princi-ples, ENI, 1998: Codice di Comportamento, Für denBergbau: United Nations, 2002: Guidelines for min-

ing and sustainable development.14  Die Anteile von Shell wurden von Tripetrol aus

 Argentinien übernommen, die allerdings zu einempaternalistischen Beziehungsstil zurückgekehrt sind.

nehmenshandeln15, abhängen. Es wird jedochauch dann nicht ausreichen, die Beziehungzwischen indigenen Völkern und Unternehmendem (guten) Willen der Unternehmensleitungzu überlassen, sondern man wird die Bezie-hungen verrechtlichen müssen.

Indigene Völker und ihre Organisationen

Es gibt keine einheitliche Position und Strate-gie indigener Völker und ihrer Organisationengegenüber dem Rohstoffabbau. Der Wider-

stand gegen den Abbau und die Bedingungen,unter denen der Abbau erfolgt, ist meist auf diebetroffene Region begrenzt und auch die Ver-

handlungen zwischen indigenem Volk und dem

Unternehmen werden separat pro Region be-ziehungsweise pro Volk geführt. Es hat erst inden letzten Jahren ein reger Erfahrungsaus-tausch über die regionalen und nationalenGrenzen hinweg zur Verständigung und Dis-kussion zwischen den indigenen Organisatio-nen eingesetzt. Eine wichtige Rolle spielt dabeifür das Amazonasbecken die Koordination derindigenen Organisationen des Amazonasbe-ckens, COICA, und deren nationalen Mit-gliedsorganisationen. Dieser Austausch unddie Debatten zur Strategiefindung, Fortbil-dungsmaßnahmen über die rechtliche Situa-tion und die Unterstützung in Verhandlungs-prozessen wurden vor allem durch Organisati-onen wie Oxfam America, Ibis (Dänemark),aber auch durch die Weltbank, InWEnt und in jüngster Zeit auch durch die TZ gefördert. Zwi-schen Mittel- und Südamerika gibt es bisherkaum gemeinsame Foren zur Verständigungüber Strategien im Bereich nicht-erneuerbare

natürliche Ressourcen. Anhand der folgenden Beispiele werden die

Unterschiede in der Herangehensweise unddie Strategie der indigenen Völker und Organi-sationen verdeutlicht. Die Beispiele basieren

weitgehend auf WRAY  (2000) und eigenenUntersuchungen.

15 Von besonderen im Interesse ist im Zusammen-hang die Entwicklung der Aarhus Konvention undder VN Normen zu Business and Human Rights, diein der Menschenrechtskommission der VereintenNationen diskutiert werden.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Die Frente Indígena de Pastaza – ARCO,Pastaza (Ecuador)

Die OPIP, Organisation der indigenen Völker inPastaza, hat sich seit Ende der 1980er Jahre,

als der Erdölkonzern ARCO die Konzession fürden Block 10 übernahm16, gegen die Erdölför-derung ausgesprochen. ARCO reagierte, in-

dem der Konzern mit den indigenen Gemein-schaften im Operationsgebiet Kontakt aufnahmund aktiv die Gründung einer neuen indigenen

Organisation (ASODIRA) betrieb. Mit dieserOrganisation wurde dann ein Vertrag über denBau von Schulen, Gesundheitszentren, Sti-

pendien etc. geschlossen, die OPIP sollte be-wusst isoliert werden. Die OPIP ihrerseits for-

derte eine nachhaltigere Art der Erdölförde-rung, basierend auf dem Respekt der indige-nen Völker und der Umwelt durchzuführen.Ihre Hauptforderungen waren die Realisierung

einer gemeinsamen Evaluation der sozialenund ökologischen Auswirkungen der Erdölakti-vitäten, die Beteiligung indigener Organisatio-

nen an der Erarbeitung eines Umweltmana-gementplans und die Einrichtung eines Sozial-und Umweltfonds. Sie wollten ein ernsthaftes

Dialogforum zwischen dem Unternehmen undden indigenen Organisationen unter Beteili-gung des Staates. Dieses Dialogforum wurde

eingerichtet, wobei der Staat durch Petroecua-dor vertreten wurde. Das Unternehmen zogsich aber bereits kurz darauf wieder zurück.

1994 wurde die Frente Indígena de Pastaza(FIP) aus den indigenen Organisationen OPIPund ASODIRA gegründet, die den Vertrag mit ARCO unterzeichneten. Da die beiden Organi-sationen aber ihre Rivalitäten nicht überwan-

den, blieb der Zusammenschluss ein künstli-ches Gebilde. Nach dem Rückzug von Petroe-cuador und der schleppenden Umsetzung derBeschlüsse durch ARCO kam es zu heftigenReaktionen der indigenen Gemeinschaften:1998 wurden drei Mitarbeiter von ARCO kurz-zeitig entführt. Die FIP forderte die Evaluierungund die Erneuerung des Dialogs, die Ausset-zung aller Erdölaktivitäten bis ein langfristiges

16 Die Konzessionsgebiete in Ecuador sind in soge-nannte Blöcke unterteilt. Ein Block entspricht einemKonzessions-/ Fördergebiet. Block 10 liegt in derProvinz Pastaza.

Übereinkommen geschlossen ist, die Entwick-lung einer nachhaltigen Erdölpolitik und dieBeteiligung der Provinz an den Gewinnen ausder Erdölproduktion. Ende 1998 wurde derDialog wieder aufgenommen, ohne dass je-doch Ergebnisse erzielt wurden.

Heute ist die FIP an ihren internen Widersprü-

chen auseinandergebrochen, ARCO hat sichaus Ecuador zurückgezogen17 und der Dialog-prozess ist ausgesetzt. Trotzdem hat der Pro-

zess eine besondere Bedeutung. Es war dererste institutionalisierte Dialog zwischen indi-genen Organisationen, Unternehmen und

Staat und es gelang den indigenen Organisati-onen, die Forderung nach einer gemeinsamen

Kontrolle der Auswirkungen durchzusetzen.Zum ersten Mal wurden Alternativen zur her-kömmlichen Art und Weise der Erdölförderungdiskutiert und indigene Vorstellungen einer

nachhaltigen Regionalentwicklung wurden inden Dialogprozess eingebracht. Eine genaue Analyse des Prozesses und der Gründe für

das Scheitern liegt meines Wissens nicht vor,könnte aber für indigene Organisation einegute Hilfestellung für andere Dialog- und Ver-

handlungsprozesse sein.

Der Widerstand der Achuar (Pastaza,Ecuador)

Die FINAE vertritt die Achuar im Osten derProvinz Pastaza, wo neun Gemeinschaften imKonzessionsblock 24 leben, der früher von ARCO und heute von Burlington ResourcesLtd., USA betrieben wird. Die Achuar der Re-gion haben 1998 beschlossen, keine Erdölakti-

vitäten zu zulassen. Als Alternative haben sie

eigene ökonomische Projekte aufgebaut. Dazugehören ein Tourismuszentrum, ein Projekt zur

Kommerzialisierung von Agrar- und Waldpro-dukten sowie ein Projekt zur Erforschung undVermarktung von Waldprodukten (außer Holz).

Um ihr Gebiet vor der Erdölförderung zu ver-schonen, hat die FINAE einen Vorschlag erar-beitet, das Gebiet unter dem Clean Develop-

ment Mechanismus des Kyoto Protokolls zuverhandeln (zum Kyoto Protokoll siehe

17  BP hat ARCO aufgekauft und in dem Zuge dieKonzessionen in Ecuador verkauft. Der Block ist andie italienische Firma AGIP gegangen.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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ROSSBACH DE OLMOS in diesem Band). Da dasSchicksal dieses Vorschlags mehr als unge-wiss ist, versucht die FINAE gleichzeitig dierechtlichen Möglichkeiten in Ecuador auszu-nutzen, um die Erdölförderung zu verhindern.

Das Vorgehen der FINAE zeigt wie internatio-nale Konventionen und Vereinbarungen vonindigener Seite zum Schutz ihrer Territoriengenutzt werden können.

Foto: Straßenbau im Amazonasgebiet von Ecuador (S. REINHARDT)

Gold bei den Shuar (Ecuador)

Im Falle der Federación Interprovincial deCentros Shuar, FICSH, stellt der Goldbergbauein großes Problem dar. Auch wenn die FICSHsich gegen den Goldabbau ausgesprochenhat, so war sie aufgrund der Interessenhetero-genität in den Gemeinschaften nicht in der

Lage, den Widerstand aufrecht zu halten. DieFICSH hat daher beschlossen, aktiv an demKonsultationsprozess teilzunehmen und Indi-gene ausbilden zu lassen, die in der Lage sind,die Bergbauaktivitäten und ihre Auswirkungenzu überprüfen. Die FICSH fordert eine Teil-habe an den Einnahmen aus dem Bergbau.Dabei sehen sie sich nicht als Bittsteller son-dern verstehen sich neben dem Konzern unddem Staat als weiterer Besitzer des Unter-

nehmens, da sich das Gold auf ihrem Territo-rium befindet. Sie fordern einen “Fondo dereserva patrimonial de la nacionalidad Shuar“.

Der Verhandlungsprozess ist noch nicht abge-schlossen.

Erdöl im Orinokodelta (Venezuela)

Die Warao im Delta des Orinoko haben keinestarke einheitliche Organisation. Wie in vielenanderen Fällen in Lateinamerika hat auch das

Erdölkonsortium Delta Centro, das von mehre-ren Unternehmen unter der Leitung von Bur-lington Resources für die Erdölförderung ge-gründet wurde, nur mit den einzelnen Gemein-schaften verhandelt. 1999/ 2000 wurden in derbetroffenen Deltaregion Informationsver-sammlungen über die geplanten Erdölpros-pektionen durch das Konsortium mit den Wa-rao abgehalten. Der Staat war nicht präsent.Das Konsortium forderte die Warao auf ihreBedürfnisse zu benennen – als Gegenleistungfür die Durchführung der Erdölaktivitäten in

ihrem Gebiet. Das Ergebnis war eine Wunsch-liste vom Bau einer Schule, über ein Gesund-

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Bodenschätze auf indigenem Land

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heitszentrum bis zum Außenbordmotor. DieWarao hatten nur ihre unmittelbaren Bedürf-nisse formuliert. In einer Region, die zu denärmsten Venezuelas gehört und die seit Jahr-zehnten vom Staat vernachlässigt wird, war esden Konzernen möglich, sich mit Geschenkenden Zugang zu dem potenziellen Fördergebietzu verschaffen. Mittlerweile hat sich das Kon-sortium aufgelöst und seine Installationen imDelta abgebrochen, da nach der ersten Probe-bohrung zu wenig Öl vermutet wurde. Damitsind auch die Projekte des Konsortiums imDelta eingestellt worden.

Der Dialogprozess “Energía - Ambiente -

Población“ (EAP)Der Dialogprozess findet auf Initiative der

Weltbank und der Organisation der lateiname-rikanischen Energieministerien (OLADE) seit1996 zwischen indigenen Organisationen,Teilen der Erdölindustrie und Energieministe-rien in der Amazonasregion statt. Die Erdölin-dustrie ist durch die Vereinigung der latein-amerikanischen Erdölindustrie ARPEL und dieindigenen Organisationen durch die COICAvertreten. Das Ziel ist u.a. die rechtliche Si-cherheit für alle beteiligten Parteien zu verbes-sern (EAP, 2003).

Die Ansprüche der drei Interessengruppenwerden wie folgt gekennzeichnet (EAP,2003:5):

a) “Derechos de los pueblos indígenas, reco-nocidos como el derecho al hábitat ances-tral, a la cultura, a la tradición y a un am-biente protegido;

b) El derecho de la industria petrolera y gasí-fera a que se respeten los términos y con-diciones de los contratos suscritos con losdistintos estados; y

c) El derecho de la sociedad en general aalcanzar un mejor nivel de vida y un mayordesarrollo económico sustentable, comoconsecuencia directa del desarrollo de laactividad hidrocarburífera con el conse-cuente hallazgo de nuevas reservas depetróleo y gas para el pais.“

Für die Erdölindustrie stehen die rechtlicheSicherheit und die Stabilität der einmal getrof-

fenen (vertraglichen) Vereinbarungen an ersterStelle. Sie drängt darauf, dass keine der Inte-ressengruppen ein Vetorecht erhält. Sie wollenklare Richtlinien, wie das Verhältnis von Unter-nehmen zu den indigenen Völkern und Ge-meinschaften in der betroffenen Region zuregeln ist. Da Zeit für Unternehmen ein wichti-ger Faktor ist, drängen sie auf “procesos ex-péditos que en menor tiempo posible puedanconducir al desarrollo de proyectos.“

Für die COICA steht die Anerkennung derVölker mit ihren Kulturen und ihren Territorienim Mittelpunkt. Dazu gehört auch die Anerken-

nung der Indigenen, die in freiwilliger Isolationleben wie z.B. in der Region um Camisea in

Peru.

EAP ist ein Dialogprozess, das heißt es sindweder Verhandlungen noch wird versucht ei-nen regionalen Kompromiss über die Erdölför-derung zwischen den Parteien auszuhandeln.Es ist ein Gesprächsforum, das Themen an-stoßen, Vorschläge erarbeiten und Empfeh-lungen diskutieren will. Auch die COICA stelltklar, dass ihre Teilnahme an dem Dialog nichtso verstanden wird, dass sie die Erdölförde-

rung auf indigenen Territorien billigt.

Nach einer Phase des gegenseitigen Kennen-lernens und des Austauschs von Informationenund Konzepten steht der Dialogprozess jetztan einem Scheidepunkt, an dem sich zeigenmuss ob die realen Probleme in dem Dialogtatsächlich aufgegriffen werden können. Im Augenblick sieht es eher so aus, als wäre eran seine Grenzen gestoßen. So müssen dieDialogparteien sich entscheiden, ob sie die

anstehenden Themen: Verteilung der Einnah-men aus der Erdölförderung, partizipative Mo-nitoringsysteme der sozialen und ökologischen Auswirkungen sowie Empfehlungen für dieRegelung der Beziehungen von Erdölindustrie,Staat und indigenen Völkern vor Ort, und Kon-fliktlösungen konstruktiv im Dialog behandelnwollen und können. Die Zeichen dafür stehenschlecht. So konnten sich die Interessens-gruppen in der Diskussion zu dem letztge-nannten Thema nicht auf gemeinsame Leitli-

nien verständigen. Und auch die Verteilung derErdöleinnahmen in den Ländern konnte nichtweiter vertieft werden, da sich die Vertreter der

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Staaten weigerten, dieses Thema zu diskutie-ren.

Sollte der Dialog scheitern, wäre eine Chancevergeben, wichtige Themen für das Verhältnis

Staat – Industrie – indigene Völker konstruktivzu bearbeiten.

4. Rechtliche Situation undZuständigkeiten

Nicht-erneuerbare natürliche Ressourcen undderen Nutzung sind in allen lateinamerikani-schen Staaten Eigentum des Staates, demauch das alleinige Nutzungsrecht vorbehaltenist. Dies ist in den jeweiligen Verfassungenfestgeschrieben, wobei allerdings unterschied-liche Begrifflichkeiten verwendet werden: “elestado es proprietario del subsuelo y de losrecursos naturales no renovables“ (Kolum-bien), “pleno dominio“ (Bolivien) oder “patrimo-nio de la nación“ (Peru).

Im folgenden ist die rechtliche Situation in Boli-vien, Ecuador, Peru, Kolumbien und Venezu-ela basierend auf den jeweiligen Verfassun-gen, Erdöl- und Erdgasgesetzgebung, Berg-baurecht, Umweltgesetzgebung und Rechte

indigener Völker zusammengefasst. Dies be-zieht sich auf die rechtliche Ausgangslage undnicht auf die Umsetzungsrealität, die in denLändern weit hinter der Rechtssituation zu-rückbleibt. Auf eine detaillierte Darstellung derUmweltgesetzgebung wird hier verzichtet, dadie Bestimmungen für Erdöl, Erdgas undBergbau sich in den genannten Ländern äh-neln.

So sind für alle Vorhaben zur Erschließung der

Ressourcen Umweltverträglichkeitsprüfungen(UVP) und Umweltmanagementpläne bindendvorgeschrieben. Bevor das Unternehmen mit

den Explorationsarbeiten beginnt, muss eseine UVP in Auftrag geben, dessen Ergebnisseöffentlich sind18. Auf den Ergebnissen der UVP

18  In der Praxis wird dieser Informationspflicht sei-tens der Unternehmen und des Staates nur unge-nügend nachgekommen. In Venezuela zum Beispielist die Zeit, in der die UVP eingesehen werden kann

auf 14 Tage beschränkt. Danach wird die UVP inder Hauptstadt Caracas zentral im Umweltministeri-um archiviert. Dort kann man nur mit schriftlicherGenehmigung des Ministeriums die Unterlageneinsehen. Kopien dürfen nicht gemacht werden.

und den zu erwartenden Umweltrisiken mussdas Unternehmen dann einen Umweltmana-gementplan erstellen, um vorausgesagte Um-weltschäden zu verringern. Zuständig für dieGenehmigung der UVP als auch für die Über-wachung der Umweltmanagementpläne istentweder das Umweltministerium oder dieUmweltabteilung im Energie- und Bergbaumi-nisterium, wobei es zwischen beiden häufig zuKompetenzüberschneidungen kommt.

In Kolumbien wurde allerdings die Erdölexplo-ration durch ein Dekret aus dem Jahre 2000ausdrücklich aus dem Umweltgenehmigungs-

verfahren herausgenommen. Die Unterneh-men müssen dort erst im Falle der Erdölpro-

duktion eine Umweltverträglichkeitsprüfungdurchführen.

In einigen Ländern wie Bolivien, Ecuador, Bra-silien und Venezuela sind Standards für Erdöl-und Bergbauaktivitäten festgelegt (z.B. fürEmissionen, Wasserqualität und Bodenver-schmutzung), in anderen Ländern werdenlediglich allgemeine Aussagen zur umweltver-träglichen Erdölförderung und Bergbau ge-macht (ESMAP, 1999).

Grundlage für die Rechte indigener Völker beider Nutzung von nicht-erneuerbaren natürli-chen Ressourcen bildet die ILO-Konvention169. Wichtig sind vor allem drei Aspekte:

1. die frühzeitige Konsultierung indigenerVölker durch den Staat, bevor Vorhabenauf ihren Gebiet genehmigt werden

2. die Beteiligung der betroffenen indigenenVölker an den Gewinnen/ Vorteilen aus derNutzung der Bodenschätze

3. das Recht indigener Völker auf Entschädi-gung

Kolumbien

Bergbau- und Erdölgesetzgebung

In Kolumbien wird die Verwaltung und Nutzungder nicht-erneuerbaren Ressourcen vom Staat

durch das Ministerium für Bergbau und Ener-gie, zu dessen Aufgabe die Überwachung des

Erdölsektors gehört, wahrgenommen. Aller-dings sind die Grenzen zu der Arbeit der staat-lichen Erdölgesellschaft Ecopetrol fließend.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Das Unternehmen Ecopetrol funktioniert einer-seits wie ein privates Unternehmen mit eigen-ständigen wirtschaftlichen Aktivitäten, für diees Steuern an den Staat zahlt. Auf der anderenSeite arbeitet es wie eine staatliche Behörde,d.h. es verhandelt im staatlichen Auftrag mitprivaten in- und ausländischen Firmen über dieNutzung der Ressource Erdöl.

Indigene Rechte

Das Dekret 1320 von 1998 schreibt eine Kon-

sultation der indigenen und afrokolumbiani-schen Gemeinschaften vor dem Abbau dernicht-erneuerbaren natürlichen Rohstoffe auf

ihren Territorien (resguardos19) bindend vor.

 Außerdem haben indigene Völker und Ge-meinschaften Priorität bezüglich der Nutzungvon Bodenschätzen, wenn sich diese auf ihrenTerritorien befinden (ROLDÁN, 2004:132). Diesgilt jedoch nicht für Erdöl.

Bolivien

Bergbau- und Erdöl

Der Staat hat ein umfassendes Eigentums-recht über alle Bodenschätze. Die Verfassung

sieht explizit vor, dass sowohl die minerali-schen Rohstoffe als auch Erdöl und Erdgas imBesitz des Staates sind und diese nicht anDritte veräußert werden können (ROLDÁN,2004:125). Dies gilt für das ganze nationaleTerritorium inklusive der tierras comunitarias

de origen, wie indigene Territorien in Bolivienbezeichnet werden. 1996 wurde in Bolivien einneues Erdölgesetz (Ley de Hidrocarburos Nr.1689) verabschiedet. Das Gesetz bildet dierechtliche Grundlage für die Verträge, die zwi-schen dem Staat und den privaten Unterneh-men geschlossen werden. Es legt die Bedin-gungen fest, unter denen der Staat sein Ei-gentum, Erdöl und Erdgas, an die Unterneh-men verkauft und die Rechte und Pflichten derUnternehmen, um auf bolivianischem BodenErdöl fördern zu können. Es sieht unter ande-rem die Durchführung von Umweltverträglich-keitsprüfungen vor, enthält aber keinerlei kon-krete Bestimmungen über Kompensations-

 19  Zur rechtlichen Figur der resguardos sieheROSSBACH DE OLMOS und FELDT in diesem Band)

zahlungen an die lokale Bevölkerung. DasGesetz regelt lediglich die Verfahren zur Fest-legung von Entschädigungszahlungen beiLandenteignungen. Artikel 63 verweist zwarauf Gebiete, die nicht enteignet werden dürfen,schränkt das Gebiet bezüglich der indigenenVölker jedoch auf den unmittelbaren Siedlung-sort ein. “La expropiación no podrá compren-der a las viviendas y sus dependencias inclu-yendo las de comunidades campesinas y lasde pueblos indígenas, a los cementerios, ca-rreteras, vías férreas, aeropuertos y cualquierotra construcción pública o privada que seaestable y permanente“.20

Es gibt zwei staatliche Institutionen, die für die

Erdölpolitik der Regierung und deren Umset-zung zuständig sind: das Vizeministerium fürEnergie und Erdöl im Wirtschaftsministeriumfür den Bereich Prospektion und Förderung,

und die Superintendencia de Hidrocarburosinnerhalb des Sistema de Regulación Sectorialfür den Bereich Transport und Verteilung. Das

Vizeministerium ist für die Aushandlung derVerträge mit den privaten in- und ausländi-schen Erdölkonzernen zuständig.

Bis 1997 war YPFB (Yacimientos PetroliferosFiscales Bolivianos) ein staatliches Unterneh-men. Mittlerweile wurden die Geschäftsberei-che Erdöl-, Erdgasprospektion und -förderungverkauft. Die Aufgaben von YPFB beschrän-ken sich heute auf das Aushandeln und Über-wachungen von Verträgen, wobei es allerdingsKompetenzüberschneidungen mit dem Vize-ministerium für Energie und Erdöl gibt.

Die Indigenen- und Bauernbewegung hat in

den letzen Jahren, aber vor allem 2003, gegendie Privatisierung im Erdöl- und Erdgassektordemonstriert und fordert eine Überarbeitungdes Ley de Hidrocarburos, in der die Erdölin-dustrie re-nationalisiert werden soll. Im Juli2004 hat die bolivianische Bevölkerung in ei-nem Referendum über die zukünftige Erdgas-und Erdölpolitik abgestimmt. Demnach soll dasUnternehmen YPFB wieder verstaatlicht wer-den. Die bestehenden Konzessionen zur Erd-gasförderung sollen zwar nicht angetastet

20 http://www.superhid.gov.bo/leyes/1996/Ley_Hidrocarburos.pdf

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Bodenschätze auf indigenem Land

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werden, die Konzerne werden aber in Zukunfthöher besteuert.

Indigene Rechte

In der Verfassung von 1994 wird im ersten Artikel der multiethnische und plurikulturelleCharakter des Landes anerkannt. Außerdemwerden die Rechte der indigenen Völker auf

Identität, gemeinschaftlichen Landbesitz undsoziale Entwicklung festgeschrieben.

Das Umweltschutzgesetz (Artikel 78) schreibtvor, das indigene Völker konsultiert werdenmüssen, wenn auf ihren Gebieten Erdöl geför-dert werden soll. Von Seiten der indigenenOrganisationen wird allerdings kritisiert, dassdiese Konsultationen nicht oder nur unzurei-chend stattfinden.

Zur Zeit wird ein Gesetzesvorschlag zu “Regu-lierungen für die Durchführung von Erdölakti-vitäten auf kommunalen Territorien indigenerVölker“ diskutiert. In dem Gesetz soll u.a. defi-niert werden, wie der Konsultationsprozess derindigenen Gemeinschaften zu gestalten ist.

Ecuador 

Bergbau- und Erdölgesetzgebung

Die Verfassung erklärt die Bodenschätze zumStaatseigentum, und das Bergbau- und dasErdölgesetz, dessen Grundlagen aus demJahre 1932 stammen und das seither mehr-mals reformiert wurde, legt das System derKonzessionsvergabe fest. Zuständig für dieDefinition der staatlichen Erdölpolitik ist dasMinisterium für Energie und Bergbau.

Vertragspartner für Erdölkonzerne, die in Ecu-ador arbeiten wollen, ist die staatliche Erdölge-sellschaft Petroecuador. Ähnlich wie Ecopetrolbetreibt Petroecuador eigene Erdölfelder undvertritt außerdem den Staat in den Vertrags-verhandlungen mit den Privatunternehmenüber die Erdölproduktion.

Seit 1992 müssen die Firmen eine Umweltver-

träglichkeitsprüfung vor der Probebohrungerstellen lassen und einen Umweltmanage-

mentplan vorlegen. Seit der siebten Vergabe-runde für neue Konzessionen (1994) verlangt

der Staat die Einhaltung von Umwelt- und So-zialstandards (FELDT, 2003).

Rechte indigener Völker

Die Bergbau- und Erdölunternehmen sind ge-setzlich verpflichtet die Rechte indigener Völ-ker, wie sie im ecuadorianischen Gesetz und inden ratifizierten internationalen Normen fest-

gelegt sind, zu respektieren.

Ecuador hat 2002 das “Reglamento de Con-sulta y Participación para la Realización de Actividades Hidrocarburíferas” (Dekret 3401,2.12.2002) verabschiedet. Diese Umsetzungs-bestimmung zum Recht auf Konsultation in derVerfassung definiert das Konsultationsverfah-ren sowie die Beteiligung der indigenen Völker“en los procesos relacionados con las con-sulta, la elaboración de los estudios de im-pacto ambiental, los planes de manejo am-biental, incluidos los planes de relaciones co-munitarias, y de participación en los beneficiosde las explotaciones” (ROLDÁN, 2004:134).

Peru

Bergbau- und Erdölgesetzgebung

1993 wurde das Erdölgesetz in Peru überar-beitet und mit der Novelle wurde die Privatisie-

rung des staatlichen Erölunternehmens Petro-peru eingeleitet. Nach und nach wurden dieKonzessionen und die Infrastruktur der Erdöl-

felder, die bis zu dem Zeitpunkt von Petroperubetrieben wurden, an private Unternehmenverkauft. Parallel zur Privatisierung gründeteder peruanische Staat Perupetro als staatli-ches Unternehmen, zu dessen Aufgaben die

Verhandlung und Überwachung von Verträgenmit privaten Erdöl- und Erdgasunternehmengehört, das aber keine eigenen Aktivitäten imProduktionsbereich durchführt.

Das Ministerium für Energie und Bergbau istdie oberste Behörde für den Erdöl- und Berg-bausektor. Innerhalb des Ministeriums gibt eseine Generaldirektion für Umwelt, die die Um-weltverträglichkeitsprüfungen und die Mana-gementpläne überprüfen soll.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Rechte indigener Völker

Peru hat Ende 2002 das “Reglamento de con-sulta y participación ciudadana en el procedi-miento de aprobación de los estudios am-

bientales en el sector Energía y Minas” (Re-solución Ministerial No.596-2002, EM/DM, LeyOrgánica del sector Energía y Minas 25962)

verabschiedet, dass das Konsultationsverfah-ren reguliert. Durch die Konsultation soll si-chergestellt werden “que permitan el conoci-

miento más preciso y directo del pensamientode los sectores sociales potencialmente afec-tados con las obras de explotación de recursos

y otras actividades de previsible impacto sobreel ambiente y la vida de los pobladores de las

áreas donde van a realizarse” (ROLDÁN,2004:135). Hierbei wird nicht zwischen Indige-nen und Nicht-Indigenen unterschieden.

Im Gesetz über “Comunidades Campesinas”ist festgelegt, dass der Staat die Gemein-schaften und Dörfer, die die Bodenschätze(wiederum mit Ausnahme von Erdöl) auf ihremeigenen Territorium ausbeuten wollen, unter-stützten muss. Außerdem haben indigene wienicht- indigene Gemeinschaften das Recht, vor

Beginn der Aktivitäten, Kompensationsver-handlungen über zu erwartende Schäden mitden Unternehmen zu führen. Allerdings fehlt esan entsprechenden Umsetzungsbestimmun-gen.

Venezuela

Bergbau- und Erdölgesetzgebung

Nicht-erneuerbare Rohstoffe sind Besitz derRepublik, es sind laut Verfassung von 1999

Werte im öffentlichen Eigentum und als solcheunveräußerbar und nicht übertragbar.

In Venezuela wurde am 13.11.2001 ein neuesErdölgesetz21  verabschiedet, das seit Anfang2002 in Kraft ist. In diesem Gesetz wird diestaatliche Dominanz im Erdölsektor festge-schrieben. Wenn Erdölaktivitäten im BereichFörderung, Transport und Raffinerie nur vonUnternehmen oder von Konsortien durchge-

 21 Für die Gasförderung wurde analog ebenfalls einGesetz beschlossen.

führt werden können, erhält der Staat eineBeteiligung von über 50%.

Darüberhinaus legt das Gesetz die Höhe desFörderzins (Royality) fest, den die Unterneh-

men an den Staat zahlen müssen. Er liegt bei30% des geförderten Volumens, das heißt, derStaat erhält 30% des geförderten Erdöls.22

Die zuständige staatliche Institution ist dasMinisterium für Energie und Bergbau. Zwar istdas Ministerium laut Gesetz für die Politik undPlanung des Staates im Erdölsektor zuständigund soll die Kontrolle über die Erdölaktivitätenund die Steuern ausüben, de facto wird derErdölsektor in Venezuela aber durch den staa-

tlichen Konzern Petroleos de Venezuela S.A.(PdVSA) kontrolliert. PdVSA finanziert dengrößten Teil des Staatshaushaltes und gehörtzu den zehn größten Erdölkonzernen weltweit.Mit über 40 000 Angestellten und Arbeitern inVenezuela ist PdVSA fast ein “Staat im Staat“.

Rechte indigener Völker

Venezuela stellt in der Verfassung (1999) klar,dass Aktivitäten wie die Nutzung natürlicherRessourcen auf indigenen Gebieten23  nur

durchgeführt werden können, wenn die so-ziale, ökonomische und kulturelle Integrität derGemeinschaften nicht verletzt wird und siefrühzeitig informiert und konsultiert werden.

 Allerdings fehlt es in Venezuela an Umset-zungsbestimmungen. Bestimmungen zurDurchführung der Konsultationen befinden sich

zur Zeit in der Diskussion.

Schlußbetrachtung

Die Betrachtung der rechtlichen Situation inden Ländern zeigt, dass sich zumindest formaldie Rechtsgrundlagen für indigene Völker inden letzten zehn Jahren entscheidend verbes-sert haben. Der entscheidende qualitativeSchritt war die Ratifizierung der ILO-Konven-tion 169 durch die Länder. Damit waren die

22  Wenn das Öl nur sehr schwer aufzuarbeiten istwie im Fall des Schweröls im Orinoco Becken, kann

dieser Anteil auf 20% sinken.23  In Venezuela wird für indigene Territorien derBegriff “Habitat“ gewählt, der in anderen lateiname-rikanischen Ländern eher unüblich ist.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Regierungen verpflichtet, die Vorgaben derKonvention zum Konsultations- und Partizipa-tionsrecht und das Recht auf Entschädigungenbei allen Vorhaben, die indigenes Territoriumbetreffen, in nationales Recht umzusetzen. Die

Länder haben in den letzten zwei bis drei Jah-ren begonnen diese Vorgaben durch Gesetzezu konkretisieren. Peru, Ecuador und Kolum-bien haben bereits entsprechende Umset-zungsbestimmungen erlassen.

Foto: Erdölfirma im Amazonasgebiet Ecuadors, Provinz Napo (S. REINHARDT)

 Allerdings wird von indigener Seite die unzu-reichende Information über geplante Vorhabenund der fehlende Zugang zu den Entschei-

dungsebenen beklagt. Es fehlt nach wie vor anklaren Regelungen für ein partizipatives, recht-lich abgesichertes Monitoringsystem der Akti-

vitäten und über Mechanismen der Konfliktlö-

sung sowie der Kompensations- und Entschä-digungszahlungen. In den Gesetzen zur Kon-sultation sind Verträge oder andere Überein-künfte zwischen Unternehmen, und Indigenenoder Unternehmen, Staat und Indigenen nurauf freiwilliger Ebene vorgesehen. Dies dient inerster Linie den Unternehmen. Zu einer wirkli-chen Partizipation, die auf dem Recht der Par-tizipation auf der Entscheidungsebene basiert,ist es noch ein weiter Weg. Es ist daher wich-tig, die bestehenden Ansätze zur Partizipation

weiter zu entwickeln.

5. Ansätze der EZ

Der Extractive Industry Review Prozessder Weltbank

 Aufgrund der massiven Kritik vieler NRO ander Politik der Weltbankgruppe (WBG) bei

Erdöl-, Erdgas- und Bergbauvorhaben (extrak-tive Industrie) und einer internen Evaluation,leitete der Weltbankpräsident Wolfensohneinen Prozess zur Revision der Weltbankpolitikim Bergbau, Erdöl- und Erdgassektor ein. DerExtractive Industry Review (EIR) wurde in ei-nem zweijährigen Konsultationsprozess (2001-2003), der Vertreter der Weltbankgruppe, derRegierungen, der Industrie, der Gewerkschaf-ten, Vertreter indigener Völker und Nichtregie-rungsorganisationen einschloss, erstellt.

Das Ziel der EIR war die Untersuchung desWeltbankengagements im Erdöl-, Erdgas- und

Bergbausektor, wobei die projektspezifischen

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Investitionen und die länderbezogenen Kredit-programme einbezogen wurden. Auf dieserGrundlage sollten Empfehlungen für die Welt-bankgruppe erarbeitet werden, um ihre Arbeitin diesem Sektor mit dem Anspruch der Ar-mutsminderung durch nachhaltige Entwicklungin Übereinstimmung zu bringen.

Der Abschlussbericht beurteilt das bisherigeEngagement der Weltbank im extraktiven Sek-tor sehr kritisch: Das Weltbankengagement hat

in diesem Sektor weder zur Armutsminderungnoch zur nachhaltigen Entwicklung bei-getragen. Bereits zuvor hatte eine weltbankin-

terne Evaluation der Arbeit im extraktiven Be-reich gravierende Probleme in der Integration

des extraktiven Sektors in die Armutsbekämp-fung festgestellt. Der Abschlussbericht emp-fiehlt daher der Weltbank, im Erdöl-, Erdgas-und Bergbausektor “to promote pro-poor public

and corporate governance.“ Dabei sollte derSchwerpunkt auf Transparenz, gute Regie-rungsführung und nachhaltiger Regionalent-

wicklung liegen.24  Für die Weltbank und auchgleichzeitig für die Geberländer ist der EIRProzess und der Abschlussbericht eine Her-

ausforderung, ihre Investitions- und Projektpo-litik bei Erdöl- und Bergbauvorhaben grundle-gend zu überdenken.

Interamerikanische Entwicklungsbank

Die Interamerikanische Entwicklungsbank(IDB) hat eine eigene Kreditlinie in Anlehnungan den EAP Prozess (siehe Kap.3.4) aufge-legt. Mit diesen Krediten, die zu günstigenKonditionen vergeben werden, sollen die Staa-

ten animiert werden, in die “Nachhaltigkeit“ von

Erdölaktivitäten zu investieren.

 Außerdem fördert die IDB mit einem Kredit inHöhe von 50 Mio. US $ den Aufbau von AMAZON GAS. AMAZON GAS ist ein Unter-nehmen der CONFENIAE, der Konföderationder indigenen Organisation im ecuadoriani-schen Amazonasbecken, die von Petroecua-dor das Recht erhalten haben, das Erdgas,das bei der Erdölproduktion anfällt, kommer-

 

24  Angesichts knapper Mittel wird der Weltbank im Abschlussbericht empfohlen, bis 2008 aus Investiti-onen im Bereich fossiler Energieträger auszusteigenund dafür in regenerative Energie zu investieren.

ziell zu nutzen. Die CONFENIAE wird dabeivon der kanadischen Entwicklungszusammen-arbeit unterstützt, die auch die Kontakte zukanadischen indigenen Unternehmen herstell-ten, die bereits über Erfahrungen im Gasge-schäft verfügen. Das Unternehmen AMAZONGAS war und ist innerhalb der Mitgliedsorgani-sationen der CONFENIAE umstritten, so ha-ben sich bereits mehrere indigene Föderatio-nen gegen das Unternehmen ausgesprochen. AMAZON GAS befindet sich noch im Aufbau,so dass keine Aussagen über die ökonomi-schen und sozialen Auswirkungen des Pro- jektes gemacht werden können. DieCONFENIAE erhofft sich von AMAZON GAS

die finanzielle Eigenständigkeit und Unabhän-gigkeit von anderen Geldgebern. Ob dieseHoffnung erfüllt wird, ist offen. Auf jeden Fallwird AMAZON GAS große Auswirkungen aufdie Entwicklung und Politik der CONFENIAEhaben. Zum einen bricht AMAZON GAS mitdem Schema, dass indigene Wirtschaftsunter-nehmen entweder im Agrarsektor, im Kunst-handwerk oder im Tourismus liegen müssen,und das Vorhaben wird die CONFENIAE vorgroße Managementaufgaben stellen. Scheitert

dieses Projekt wird die CONFENIAE hochverschuldet sein. Zum anderen kann vermutetwerden, dass der Einstieg in das Erdgasge-schäft nicht ohne Auswirkungen auf die politi-sche Haltung der CONFENIAE gegenüber derErdöl- und Erdgasförderung bleiben wird.

Ansätze der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit

Nicht-erneuerbare Ressourcen sind bisher

kaum Thema in der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit. Einige Projekte der deut-schen EZ im Bereich Nutzung nicht-erneuerba-rer Rohstoffe werden von der Bundesanstaltfür Geowissenschaften und Rohstoffe in Han-nover durchgeführt und beziehen sich meistauf die Verbesserung des Umweltmanage-ments, so zum Beispiel das Projekt zur Einfüh-rung der ISO 14001 (Umweltmanagement) imBergbausektor Perus.

 Allerdings gibt es im Amazonasbecken meh-rere interessante Projekte und Programme derdeutschen EZ im Bereich Konfliktprävention

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Bodenschätze auf indigenem Land

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und Unterstützung von Dialogansätzen (In-WEnt, GTZ, DED). Die GTZ setzt an der Stär-kung der indigenen Organisationen an undfördert sowohl den Zusammenschluss derindigenen Organisationen des Amazonasbe-ckens COICA als auch die Organisationen derTieflandindianer Perus, vor allem AIDESEP (zuLandrechten und Projekten zur Landdemarkie-rung siehe R ATHGEBER in diesem Band).

InWEnt unterstützt durch Capacity Building seit

1996 die indigenen Organisationen in Peru,Ecuador, Bolivien, Venezuela und Kolumbiensowie die COICA in ihren Dialog- und Ver-

handlungsprozessen mit dem Staat und derErdölindustrie. Im Rahmen des Erdöldialogs

“Energía, Ambiente, Población“ hat InWEnt einTraining zum Dialog mit allen drei beteiligtenInteressengruppen durchgeführt.

6. Schlussfolgerungen undEmpfehlungen

In der Auseinandersetzung um die Nutzungnicht-erneuerbarer natürlicher Ressourcensteht das Verhältnis indigene Völker, Staat undUnternehmen im Zentrum. Es sind vor allem

vier Themenkomplexe, die der Debatte undRegelung bedürfen:

1. Konsultation und Partizipation vor, wäh-rend und nach Beendigung der Förderakti-vitäten von Bodenschätzen

2. Überwachung der Förderaktivitäten undEinhaltung der Managementpläne, Ent-wicklung von partizipativen Monitoring-systemen

3. Faire Entschädigungs- und

Kompensationszahlungen4. Die Entwicklung von wirtschaftlichen Alter-

nativen zu Erdöl-, Erdgas- und Bergbau-

projekten, die indigene Ansätze von Wirt-schaft ernst nehmen und Ansätze für einenachhaltige Regionalentwicklung bieten.

Darüber hinaus geht die Forderung der Indige-nen nach Selbstbestimmung ihrer Entwicklungund das Recht, die Nutzung nicht-erneuerbarerRohstoffe auf ihren Territorien verweigern zu

dürfen. Dieses Recht wird ihnen in keiner Ver-fassung zugestanden, da das postulierte nati-onale Interesse den Interessen indigener Völ-

ker übergeordnet wird. Wollen indigene Völkerund ihre Organisationen die Förderung vonErdöl oder Bergbau auf ihren Territorien ver-hindern, bleibt ihnen nur die offene Auseinan-dersetzung mit dem Staat und den Unterneh-men, wie im Fall der U’wa25 in Kolumbien.

Für die vier oben genannten Themenkomplexe

haben sich in den letzten Jahren die rechtli-chen Rahmenbedingungen verbessert. Dieindigenen Organisationen haben ihre Forde-

rungen an Staat und Unternehmen konkreti-siert, die staatlichen Institutionen beginnen vorOrt in den betroffenen Gebieten präsent zu

sein, und eine aktive Rolle in Dialog- und Ver-handlungsprozessen zu spielen, und zumin-

dest einige Unternehmen stellen sich der De-batte um ihre soziale Unternehmensverant-wortung. Da sich aber Dialog- und Verhand-lungsprozesse nach wie vor in einem Rahmen

bewegen, der vom Staat und den Unterneh-men festgelegt wird, sind die indigenen Völkereindeutig im Nachteil. Sie bestimmen nicht die

“Regeln des Spiels“.

Zur Verbesserung der Verhandlungspositionund der Artikulation von Forderungen und Ge-

genvorschlägen im Bergbau- und Erdölsektorgehört wesentlich die Stärkung der indigenenOrganisationen und die Ausbildung neuer Füh-rungspersönlichkeiten. Die Entwicklungszu-sammenarbeit kann durch Fortbildung über dieRechte indigener Völker, über die Ökonomievon Bergbau und Erdöl, die Ausbildung imMonitoring von sozialen und Umweltschäden,indigene Völker in ihren Dialog- und Verhand-lungspositionen stärken.

 Aber die Entwicklungszusammenarbeit solltesich nicht nur auf Qualifizierungsmaßnahmenbeschränken. Immer häufiger werden soge-nannten Entwicklungsfonds für die regionaleEntwicklung von Gebieten, die von Erdöl- und

25  Die U’wa haben einerseits sämtliche ihnen zurVerfügung stehenden rechtlichen Mittel ausge-schöpft andererseits offenen Widerstand gegen dieErdölförderung geleistet, bis hin zu der Drohungkollektiven Selbstmord zu begehen. Die ErdölfirmaOccidental hat sich mittlerweile aus dem Vorhabenzurückgezogen und die Erdölarbeiten sind ausge-setzt. Eigentümer der Konzession ist jetzt Ecopetrolund es ist noch nicht entschieden, was langfristigpassieren wird.

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Bodenschätze auf indigenem Land

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Bergbauaktivitäten betroffen sind, eingerichtet.Hier könnte die EZ unterstützend in der Erar-beitung von Konzepten für die Umsetzung undHandhabung solcher Fonds und für eine nach-haltige Regionalentwicklung tätig werden.

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Links

Internetseite des Schulprojektes “Chat derWelten – Erdöl im Regenwald” mit interaktiven

Karten zu Indigene und Erdöl im Amazonasbe-cken: www.learnline.nrw.de/angebote/chat-derwelten

Energy Information Administration der US Re-gierung mit regelmäßig aktualisierten Länder-daten: www.eia.doe.gov

Privater Informationsdienst Alexander’s Gasand Oil Connections, Niederlande:www.gasandoil.com

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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung

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Indigene Völker, Bildung und Kultur:Interkulturelle zweisprachige Erziehung

DR. M ATTHIAS ABRAM

“Die Sprache ist die Stimme unserer Vorfahren seit dem Beginn der Zeit. Unsere Sprachen zu

bewahren, zu sichern und zu entwickeln ist äußerst dringend. Die Sprache ist Teil der Seele

unserer Nationen und unseres Seins. Sie ist der Weg in die Zukunft.“

Erklärung von Kimberly, Gipfel der indigenen Völker, Südafrika, August 2002 (ÜbersetzungM. ABRAM).

In den letzten beiden Jahrzehnten haben nichtnur die indigenen sondern auch die nicht-indi-genen Lateinamerikaner verstanden, dass siein multilingualen und multikulturellen Gesell-schaften leben: Diese Wirklichkeit wird nunauch von den meisten Verfassungen aner-kannt. Im täglichen Leben ist der Weg zu einermehrsprachigen, interkulturellen, demokrati-schen Gesellschaft mit gleichen Rechten undgleichen Chancen für alle aber noch weit. Ihr

Funktionieren und ihre Nützlichkeit werden inzunehmendem Maße in ländlichen Zentrenund Vorstadtsiedlungen erprobt, überall dort,wo Mestizen und indigene Bürger zusammen-leben. Dabei wird allen Beteiligten deutlich,dass der Aufbau dieser multikulturellen, demo-kratischen Gesellschaft mit großen Schwierig-keiten verbunden ist. Bildung allgemein undinsbesondere Schulbildung können einenentscheidenden Beitrag dazu leisten.

Die indigenen Bürger Lateinamerikas gehörenüberproportional zu den Armen: ein Grunddafür ist unter anderem der geringere Zugang

zu Bildung und Ausbildung. Weil indigene Kin-der und Jugendliche nur wenige Bildungsan-gebote in der eigenen Sprache erhalten, kön-

nen sie von den bestehenden Schulen oft nurunzureichend profitieren, sie brechen sie vor-zeitig ab und haben nur geringe zusätzliche

Kompetenzen erworben.

“Alle stimmen überein, dass die wirksamsteEinzelmaßnahme für Entwicklung und Armuts-bekämpfung die Bildung ist“ sagte Wolfensohn,Präsident der Weltbank. Die von den UNaufgestellten und bis 2015 zu erreichendenacht Millennium Entwicklungsziele schließenan zweiter Stelle “Grundbildung für alle“ ein:bis zu diesem Jahr sollen alle Jungen undMädchen auf der Welt eine Primarschulbildungvollständig abschließen können. In dem “Be-

richt über die menschliche Entwicklung 2003“der Vereinten Nationen werden dazu dreigroße Problemfelder benannt:

Unzureichende finanzielle Mittel:  Die

Entwicklungsländer geben im Vergleich zuden OECD Ländern wesentlich weniger fürBildung aus. Das heißt in Prozenten des

Bruttosozialproduktes ausgedrückt: Gua-temala ca. 2%, Ecuador 1,6% und Peru3,3%; die EU verausgabt im Schnitt 5% für

Bildung. Auch die Hilfe der Geberländer imBildungsbereich ist in der letzten Dekadeum etwa 30% zurückgegangen und betrug

im Jahre 2000 4,1 Mrd. US$. Nur 1,5 Mrd.waren weltweit für Grundbildung bestimmt(UNDP, 2003:115).

Ungleichheit: Die Reichen in den Entwick-lungsländern sichern sich den Zugang zuden besten Erziehungseinrichtungen desStaates und unterhalten ein paralleles pri-

vates, mit öffentlichen Mitteln subventio-

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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung

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niertes Schulsystem. Die ärmsten 20% derBevölkerung haben einen unzureichendenZugang zur Grundschule. Signifikant weni-ger Mädchen als Jungen können dieGrundschule besuchen. Länder, die annä-

hernd 100% Einschulung erreicht haben(Chile, Kolumbien, Costa Rica), gebendurchschnittlich 1,7% des BIP für Grund-bildung aus.

Ineffizienz:  Der größte Teil der Mittel(meist über 90%) des Erziehungshaus-haltes wird für Lehrergehälter verausgabt.1

Für Investitionen in die Verbesserung derQualität des Unterrichts bleiben kaum Mit-tel übrig. Die hohen Wiederholungsraten

verteuern das System. Kinder in ihrer ei-genen Sprache zu unterrichten, verbesserthingegen die Bildungsergebnisse weltweit(Bericht über die menschliche Entwicklung2003, UNDP, 2003).

Im Folgenden scheint es sinnvoll den gesam-

ten Komplex “Indigene Völker, Bildung undKultur“ in diesem Kapitel anhand der interkultu-rellen, zweisprachigen Erziehung (IZE), an

deren Konzipierung und Verbreitung insbeson-

dere die deutsche Entwicklungszusammenar-beit seit über 25 Jahren beteiligt ist, beispiel-

haft darzustellen.

Foto: Grundschule in Guatemala (A. BEGEMANN)

Es soll die Entstehung der IZE im Kontext der

formalen Bildung, zu der indigene Schü-ler/innen und Student/innen Zugang hatten,nachgezeichnet werden. Es wird auf die ver-

1 SCHIEFELBEIN weist nach, dass eine Erhöhung derLehrergehälter keine Auswirkungen auf die Qualitätdes Unterrichts hat (SCHIEFELBEIN in: N AVARRO ET

 AL., 2000:317ff)

schiedenen Modelle eingegangen und derschwierige Dialog zwischen den indigenen Or-ganisationen und den Staaten beleuchtet.

Vor dem Hintergrund der einsprachigen undmonokulturellen Ausbildungs- und Lernange-bote werden Stärken und Schwächen des IZEModells aufgezeigt und aus den gewonnenenErfahrungen einige Empfehlungen abgeleitet.

1. Zugang der indigenen Völker Latein-amerikas zu Bildung und Ausbildung

In den ersten Jahrzehnten der Kolonialzeit(etwa 1530 bis 1600), als die Kolonialverwal-tungen noch auf die Kollaboration der indige-

nen Adeligen angewiesen waren, die als ein-zige genaue Kenntnisse über die komplizierteVerwaltung der besiegten Reiche der Aztekenund Inkas bewahrten, durften deren Kinder mitden Kindern der Konquistadoren zur Schulegehen. In einigen Hauptstädten wurden gareigene Schulen eingerichtet, so in Cuzco dasColegio de Caziques und in Mexiko eine Arthöhere Schule für indigene Adelige, die bis ins17. Jahrhundert hinein bestanden. Für diegroße Mehrheit der indigenen Kinder aber gab

es unter kolonialen Bedingungen keinerleiZugang zu Schule und formaler Bildung. In den Anden ist die öffentliche Schule erst mit derUnabhängigkeit eingeführt worden, zunächstmeist nur für Jungen und nur in den Haupt-städten und größeren Zentren; auf dem Landefand der einzige Unterricht als religiöse Unter-weisung in den Pfarreien statt. Die wenigenMädchenschulen waren fest in der Handreligiöser Frauenorden.

Den indigenen Jugendlichen blieb als Ersatzfür Schule und formale Bildung neben Kate-chismus und Predigt anlässlich religiöser Festedie Unterweisung durch ihre Gemeinschaft,durch die Ältesten und durch besonders ange-sehene Persönlichkeiten ihres Volkes.

Schon während der frühen Kolonialzeit hattensich die Mönche auf die moralische und religi-

öse Gewinnung der indigenen Gemeinschaftenkonzentriert und zahlreiche Grammatiken,

Wörterbücher (Artes de la Lengua), aber vorallem Beichtspiegel in den indigenen Sprachenerstellt. Wenn die Predigten nicht in indigenerSprache stattfanden, gab es immer einen Jun-

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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung

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gen, der übersetzte. Die Sätze des Katechis-mus, die 10 Gebote und andere Texte wurdenso lange in Spanisch wiederholt, bis sie vonallen auswendig wiederholt werden konnten.

Begabte Jungen wurden von Pfarrern zuSchreibern ausgebildet, manche Missionsstati-onen richteten Schulen ein. Die Quellen fürden Aufstand in den Zentralanden von 1780/81 unter Führung von Túpac Amarú2, lassenerkennen, dass nicht wenige der Anführer desLesens und Schreibens mächtig waren.

Einige Mönchsorden waren dabei demokrati-

scher als andere. Die Franziskaner hatten vonBeginn an (die ersten 12 Mönche kamen 1524nach Mexiko) Wert darauf gelegt, die indige-

nen Gemeinschaften in ihrer eigenen Sprachezu unterweisen. Bernardo de Sahagún hatteum die Mitte des 16. Jahrhundert in Mexiko

eine Schreibakademie eingerichtet und begon-nen, das gesamte Wissen des aztekischenReiches in einem zweisprachigen, illustrierten

Werk aufzuzeichnen (Codex Florentinus). Da-für hat er die jungen Adeligen ausführlich un-terrichtet und ethnologisch vorgebildet, damit

sie in der Lage waren, das Wissen ihrer Vor-

fahren zu erheben und zu erzählen.In den Städten gab es zudem Ausbildungs-möglichkeiten zum Handwerker und Kunst-handwerker. In Mexiko, Guatemala, Quito,Lima und Cuzco gab es blühende Malschulenund Bildhauerwerkstätten, die den Bedarf fürKirchen und Hauskapellen auf dem ganzenKontinent deckten. Viele dieser Künstler undKunsthandwerker waren indigener Herkunft.Die Ausbildung erfolgte im Meister – SchülerVerhältnis. Die meisten indigenen Kunsthand-werker blieben anonym.

Im Amazonastiefland, außerhalb der ehemali-gen großen indigenen Reiche, war (und istzum Teil bis heute) Schule und Ausbildung andie Mission gebunden. Es waren die Missio-nare, die vereinzelt Schulen einrichteten, wiedie Jesuiten in Maynas (Nord-Peru), in Para-

2 José Gabriel Condorcanqui, ein reicher Kaufmannadeliger indigener Abstammung, nahm den Namendes letzten Inka an und führte die Völker der Zent-ralanden in einem Aufstand gegen die spanischeKolonialverwaltung (Belagerung Cuzcos 1781). Erwurde verraten und in Cuzco hingerichtet.

guay und im bolivianischen Tiefland oder dieFranziskaner und Dominikaner in den LlanosKolumbiens. Im 20. Jahrhundert haben sich dieMissionsschulen allgemein eingebürgert; ge-gen Mitte des vergangenen Jahrhunderts wur-

den die ersten Mittelschulen und Lehrerausbil-dungsseminare eröffnet. Viele der praktischenund arbeitsweltbezogenen Ausbildungsange-bote sind den Salesianern zu verdanken, dieseit hundert Jahren in allen Ländern des Sub-kontinents Berufsschulen unterhalten und einebeachtliche Anzahl von Fachkräften ausgebil-det haben, nicht zuletzt in graphischen Berufen(Druckerei).

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, nach Ab-

schaffung der Sklaverei und nach den Massa-kern der Kautschukbarone (Casa Arana im Amazonas), kam im Zuge der zögerndenIndustrialisierung allmählich die Nachfragenach qualifizierter Arbeitskraft auf. DieseNachfrage förderte die Eröffnung von Schulenfür die indigene Bevölkerung. Einige Regie-rungen (unter García Moreno in Ecuador undBalmaceda in Chile beispielsweise) riefen auchLehrerseminare für indigene Lehrkräfte insLeben, zunächst mit der Idee, die Kinder in

ihrer Muttersprache zu unterrichten.

Es setzten sich aber die “Fortschrittsgläubigen“und “Modernisierer“ durch, die verlangten,dass die indigenen Völker Spanisch lernen

sollten, um sich zu “zivilisieren“ und hierfürausschließlich in Spanisch zu unterrichtenseien. Diese Forderungen gewannen immer

mehr Anhänger und entwickelten sich inner-halb der herrschenden sozialen Ausgrenzungzum Kern der Politik der Mestizen gegenüber

den indigenen Völkern, bis weit in die zweiteHälfte des 20. Jahrhunderts hinein.

Die Skepsis und der Widerstand vieler indige-ner Gemeinschaften und Organisationen ge-genüber der staatlichen Schule sind bis heutenicht vollständig ausgeräumt. Aber schon frühim 20. Jahrhundert forderten viele indigeneVertreter, Schulen auch in ihren Dörfern zueröffnen, da sie erkannt hatten, dass dieSchule ein möglicher Weg aus der Armut und

der Diskriminierung sein könnte. So gab es inden 20er Jahren des vergangenen Jahrhun-derts in den Anden Perus einen Aufstand zur

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Verteidigung der von den Adventisten einge-führten zweisprachigen Schulen und in Ecua-dor und Guatemala noch in den 60er Jahrenauf dem Lande Mobilisierungen der indigenenBevölkerung, um Schulen für ihre Landge-

meinden zu erwirken.

Es gibt aber bis heute keinen Konsens dar-über, ob die staatliche Grundschule, wie sie inden meisten Ländern Lateinamerikas üblich ist,der beste Weg für die indigenen Völker ist, Bil-dung zu erwerben und gleichzeitig ihre Kulturund Sprache zu bewahren und zu entwickeln.Für diese Schule, insbesondere wenn sie in-terkulturelle zweisprachige Erziehung (IZE)anbietet, sprechen allerdings eine Reihe von

Gründen: Die Elterngeneration sieht sich nicht mehr

in der Lage, die gesamte Tradition zu ver-

mitteln. Die Informationsmöglichkeiten sindenorm gewachsen und die indigenen Kin-der sind einer ganzen Reihe von Einflüs-

sen und Gesellschaftsmodellen ausge-setzt, was früher so nicht der Fall war. Kin-der und Jugendliche übernehmen die Tra-

dition nicht mehr en bloc und nicht hinter-

fragt. Die Schule kann in diesem Prozessneben den Eltern und der Gemeinschaft

eine Rolle als Vermittlerin der Traditionenspielen.

Die Schule bietet zudem die Möglichkeit,die Überlieferungen zu bearbeiten und zuerklären.

In der Schule ist die systematische Unter-richtung in der indigenen Sprache möglich,so dass sie nicht nur Umgangssprachebleibt und sich der Schrift öffnet. Die

Verschriftlichung ist eine der Vorausset-zungen für den Erhalt der indigenen Spra-chen neben der dominanten Sprache.

Die Sprache hat eine grundlegende Be-deutung in der Bewahrung und Vermittlungder Kultur, der Weisheit, Kenntnisse undGeschichte indigener Völker. Aber auch inder Reproduktion dieses Wissens für dieneue Generation ist die indigene Spracheunerlässlich. Der Verlust der Sprache be-

deutet auch einen Verlust von Wissen, vonTradition und von Werten. Die Schule kann

zum Erhalt und zur Entwicklung der Kulturund der Sprache beitragen.

Darüber hinaus bietet die Schule, insbe-sondere die Grundschule mit IZE eine an-gemessene Vermittlung von Grundtechni-

ken (Lesen, Schreiben, Rechnen) und In-formationen über die Gesamtgesellschaft,führt die Nationalsprache des Landes(spanisch bzw. portugiesisch) ein. Sie istdamit eine der wesentlichen Vorausset-zungen für indigene Völker Ausgrenzungund Diskriminierung zu überwinden.

Schließlich kann die Schule, vor allemwenn sie interkulturell gestaltet ist, dazubeitragen, Aufbauarbeit für die multikultu-

relle und multilinguale Gesellschaft zu leis-ten.

2. Die Situation heute

Das Panorama ist positiver als noch vor 20Jahren.3  Der Zugang zu Schule und Ausbil-dung hat sich auch für indigene Jugendlichesehr erweitert, allerdings bleibt ihre Bildungs-

beteiligung immer noch hinter der der Mestizenzurück und ist in den Städten deutlich höher

als in ländlichen Regionen. IZE gibt es alsanerkannte Modalität der Grundbildung in allenLändern, wenn auch nicht flächendeckend undnicht immer als integrierten Bestandteil des

Schulsystems. In seltenen Fällen funktioniertdie IZE als autonomes (Kolumbien) oderparalleles System (Ecuador). Weiterführende

Schulen werden mehr und mehr als Folge derNachfrage der Abgänger/innen der Grundbil-dung aufgebaut und in einzelnen Fällen führt

IZE bis zum Abitur.

Die berufliche Aus- und Weiterbildung  fürindigene Fachkräfte mit speziell interkulturel-lem oder zweisprachigem Curriculum ist nochspärlich. Vereinzelt bieten indigene Organisati-onen Lehrgänge an, oft in Zusammenarbeit mitNRO. Im Auftrag des BMZ unterstützt die GTZin Quito einen Ausbildungsgang für die Hand-habung ökologischer Ressourcen. In Ecuador,

3  http://topics.developmentgateway.org/ik bringtwöchentlich Nachrichten zu Bildung und Kultur derindigenen Völker Lateinamerikas. Unter anderemgibt es Nachrichten bei www.quechuanetwork.orgund in den Websites der Weltbank und der Inter-amerikanischen Entwicklungsbank.

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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung

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Guatemala, Panama und Costa Rica gibt es Angebote nonformaler Ausbildung für Fach-kräfte im Öko-Tourismus in indigenen Territo-rien, v.a. im Tiefland. Diese Art von Ausbildungnimmt mit der Schaffung von Naturparks und

dem von indigenen Gemeinden aufgebautenÖkotourismus zu. Innerhalb des Kunsthand-werks haben vor allem NRO Frauengenossen-schaften ins Leben gerufen, in denen auch Ausbildung in Verwaltung, Vermarktung undGeschäftsführung in indigenen Sprachenstattfindet.

In einigen Ländern Mittel- und Südamerikas istdie Sekundarschulbildung  für indigeneJugendliche noch oft in den Händen der Kirche

(Guatemala 72%). Es sind kirchliche Institute,die in vielen Ländern Ausbildungsgänge fürindigene Mädchen (Haushaltsschulen, sozialeBerufe, Lehrerinnenausbildung) und Jungen(Handwerk, Kunsthandwerk, technische Be-rufe, Landwirtschaft) anbieten. Dadurch bleibtder Einfluss der Kirche auf die indigenen Elitenweiterhin groß. In Guatemala bestehen alter-nativ dazu auch ca. 20 Sekundarschulen derMayaorganisation ACEM mit Bildungsange-boten in IZE mit berufsorientiertem Abschluss,

vor allem in der Ausbildung von Primarschul-lehrer/innen.

Ein weiteres Bildungsangebot, das sich schonseit Jahrzehnten immer wieder an die ländliche

Bevölkerung und insbesondere an die indigeneBevölkerung richtet, ist die Alphabetisierungvon Erwachsenen. Dabei wird zweisprachiges

Lernen besonders in der Alphabetisierung vonBauersfrauen erprobt. In der Auseinanderset-zung um die ursprünglich nur in spanisch

konzipierte Alphabetisierungskampagne derSandinisten an der Atlantikküste von Nicara-gua, konnten sich die Misquitos 1981/ 82 mitihrer Forderung, in ihrer Sprache unterrichtetzu werden, durchsetzen. Viele andere Alpha-betisierungskampagnen hatten zweisprachigeKomponenten, so in Bolivien (SENALEP), inEcuador und in Guatemala. In diesem letztenLand wurde 1999 mit Unterstützung vonCEPAL eine “Bialphabetisierung“ unter derMayabevölkerung erprobt. Diese Kampagnenfolgten in verschiedener Intensität den Lehrendes brasilianischen BefreiungspädagogenPaolo Freire von einer emanzipatorischen

Bildung. Sie hatten oft eine praktische Seiteund versuchten, die Frauen (und die wenigerzahlreichen Männer) zur Bildung von Genos-senschaften, Arbeitsgemeinschaften undZusammenschlüssen für produktive Unter-

nehmungen zu animieren. Wie in der Grund-schule, ging man bei der eigentlichen Alpha-betisierung zunächst von der Mutterspracheaus und präsentierte dann zu den bekanntenund zentralen indigenen Begriffen (“palabras

generadoras“) die Übersetzung ins Spanischeund das geschriebene Wort. Nicht alle Kam-pagnen waren mit Erfolg gekrönt und die Kritikan den massiven, oft generalstabsmäßigorganisierten Aktionen ist nicht ausgeblieben.Vereinzelt hat es auch weniger spektakuläre Alphabetisierungen in Selbsthilfeorganisationgegeben, wobei die indigenen Organisationenmeist indigene Lehrer und Schüler verpflichte-ten. Leider fehlt es an geeignetem Lesestoff fürNeuleser, insbesondere in indigenen Sprachen

und auf dem Lande, so dass erreichte Lerner-folge nicht dauerhaft gesichert werden können.

Bis vor kurzem waren die überdurchschnittlichhohen Schulabbrecherraten unter der ländli-chen indigenen Bevölkerung in der gesamten

Region einer der Gründe, warum ein leicht zuvermeidender, sekundärer Analphabetismusnicht zurückging. Die Situation bessert sich inden einzelnen Ländern unterschiedlich schnellund ist abhängig von der noch unzureichendenQualität der Grundbildung.

Die Lehrerausbildung wird dort, wo IZE zum

Bestandteil des Bildungssystems geworden ist,als zweisprachige und interkulturelle Vorbe-reitung auf das Lehramt organisiert und immer

mehr universitäre Lehrgänge werden einge-richtet, die mit diesem Schwerpunkt arbeiten.

So gab es beispielsweise 2003 in Brasilien 28Kurse zur Lehrerfortbildung, in 15 Bundes-staaten und in 20 verschiedenen indigenenSprachen.4  In den letzten Jahren entstandenmehr und mehr Lehrerseminare mit dem FokusIZE, um den Bedarf an Lehrkräften für IZE zudecken, insbesondere in Ländern mit einemhohen Anteil indigener Völker und Sprecher

4 SUSANA GRILLO GUIMARAES, 4. Juni 2003, brieflicheMitteilung

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indigener Sprachen, wie Bolivien, Ecuador undGuatemala. Dabei werden vielfach die Fehlerder Vergangenheit korrigiert und dieser Ausbil-dung ein zweisprachiges und interkulturellesCurriculum zu Grunde gelegt. Allerdings sind

die Erfolge der Lehrerausbildung in IZE nochnicht überzeugend. Hierin liegt eine wesentli-che Ursache für die mangelnde Qualität derGrundbildung.

In mehreren Ländern wird über Projekte zurSchaffung von indigenen Universitäten5

beraten, so in Guatemala die UniversidadMaya und in Ecuador die Universidad In-dígena, die bereits ihre Tätigkeit aufgenommenhat. Der Fondo Indígena bereitet mit Unterstüt-

zung der Interamerikanischen Entwicklungs-bank BID und der deutschen EZ eine interkul-turelle Universität vor, die eine Vernetzung vonUniversitätsinstituten innerhalb Lateinamerikasmit spezieller Ausrichtung auf Themen, die fürindigene Völker relevant sind, zum Ziel hat.

Zusammenfassend kann festgehalten werden,dass trotz der nicht völlig ausgeräumten Zwei-fel und des Widerstands gegen die formelle

staatliche Schulbildung von Seiten indigener

Elterngemeinschaften, in vielen LändernLateinamerikas die indigenen Organisationen

ihre Forderungen nach Bildung und Ausbildung – in ihren Sprachen und ausgehend von ihrenKulturen – über die Grundbildung hinaus

ausgedehnt haben. Die Grundbildung, obzweisprachig oder spanisch bzw. portugie-sisch, ist in Lateinamerika im allgemeinen für

indigene Kinder und Jugendlichen zugänglich,Versorgungsengpässe bestehen weiterhin inländlichen Regionen. Es stellt sich zunehmend

die Frage, wie die weitere Schulbildung ges-taltet werden kann. Seitens der indigenenVölker besteht die Nachfrage nach berufsvor-bereitenden Ausbildungsgängen in der Sekun-darstufe als Alternative zu den eher kopflasti-gen Bildungsangeboten der weiterführendenSchulen. In den letzten Jahren wenden sichzunehmend Ausbildungen, Schulen, Fernstu-dien, Universitätskurse und Akademien an

5  vgl. dazu den interessanten Aufsatz von AndreaRepetto über die Benachteiligung indigener Studen-ten: Access barriers for poor indigenous peoples inchilean higher Education, LCSHD papers, Weltbank,2002.

indigene Schüler/innen und Student/innen. Inden meisten dieser Studiengänge spielt dieHerkunftssprache und -kultur eine nur unter-geordnete Rolle. Indigene Organisationenfordern nun verstärkt, auch auf den übrigen

 Ausbildungsstufen den Jugendlichen eineBildung anzubieten, die auf ihren Kulturen undihrer Sprache basiert.

3. Frühere Politiken zum Thema “Bildungfür indigene Völker“

Im dritten und vierten Jahrzehnt des 20. Jahr-hunderts machte sich in den Mestizen-

Gesellschaften Lateinamerikas die Überzeu-gung breit, die Modernisierung der Gesell-

schaften und des Staates setze eine gewisse Anzahl von Schuljahren voraus, um ganzbestimmte, dem Fortschritt und der Entwick-lung dienliche Kenntnisse, Verhaltens- und

Denkweisen einzuüben und zu verinnerlichen.In den Ländern mit starker indigener Bevölke-rung wurde die Schulferne der indigenen

Völker als Erklärung für deren “rückschrittliche“Lage herangezogen. Länder wie Argentinien,das sich 1900 als “frei von Indios“ erklärt hatte,galten als Entwicklungsmodell.6

Die Allianz für den Fortschritt (1961) nahmdiese Vorstellungen in ihre Modernisierungs-ideologie auf. Die Politik gegenüber den indi-genen Völkern hieß nun “Integration“. Gemäßdiesem Modell sollten indigene JugendlicheGrundbildung erhalten, als Arbeitskräfte in dennationalen Entwicklungsprozess eingebundenwerden und somit mithelfen, den Fortschrittherbeizuführen. Dafür war es unerlässlich,dass sie ihre “atavistischen“ Bräuche und

Gepflogenheiten und ihre vielen Sprachenaufgaben und sich in die Mestizen-Gesell-schaft integrierten.

Vorläufer dieser Integrationspolitik waren die Anstrengungen einiger Regierungen, wie derunter Juan José Arévalo in Guatemala (1944bis 1948), Paz Estenssoro in Bolivien nach der

6 Heute versucht Argentinien gegenüber den indige-nen Völkern im Norden (Missiones) und im Südendes Landes (Patagonien), die etwas mehr als 1%der Gesamtbevölkerung ausmachen, eine fairePolitik zu verfolgen, was nicht immer gelingt. Es gibteine eigene Direktion im Erziehungsministerium für“Etnoeducación“.

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Revolution (ab 1952) und Galo Plaza in Ecua-dor (1948-52). Modernisierung bedeutete indieser Politik für die indigenen Völker, ihreIdentität aufzugeben, und sich einzureihen indas Heer der armen Mestizen und billigen

 Arbeitskräfte in den Städten. So ist es be-zeichnend, dass im Auftrag der Allianz für denFortschritt nationale Initiativen (wie etwa Mi-sión Andina in den Anden) die staatlichenspanischsprachigen Schulen aufs Land brach-ten und dafür sorgten, dass die indigenenKinder spanisch lernten. Die indigene Spracheund Kultur sollten als veraltet erkannt undaufgegeben werden, ihre Bedeutung im Lern-prozess endete bei der Einführung der spani-schen Sprache. Die Schule und der jungeMestize als Lehrer sowie die spanische Spra-che wurden somit zum Sinnbild des Zugangszur Gesamtgesellschaft, zu Fortschritt, Moder-nisierung, Technik und Konsum.

Eine Institution, die diese Politik überall sinn-fällig vorgeführt hat, ist die Sekte der “WicliffBible Translaters“, auch Summer Institut forLinguistics genannt (ILV). Ihre Missionare,unterstützt durch etliche sicher wohlmeinendeund zum Teil auch kompetente Linguisten,

drangen in die entlegensten Winkel vor undbegannen, die Bibel in fast alle der in Latein-amerika noch vorhandenen über 500 indige-nen Sprachen zu übersetzen. Anschließendwurden Schulen eingerichtet und Lehrersemi-nare gegründet. Dabei organisierten die Lin-guisten des ILV eine zweisprachige Schule,benutzten ein phonetisches Alphabet und eineihnen eigene Methode des Spracherwerbs. DieSchüler wurden im zweiten Jahr von ihrer

eigenen Sprache, in der sie alphabetisiertworden waren, weg und dem Spanischenzugeführt.

In mehreren Ländern beriet das ILV mit gro-ßem Einfluss die Erziehungsministerien undhatte in der Erziehung indigener Kinder inentlegenen Urwaldgebieten praktisch einMonopol inne. In Lima und in Bogotá besetztees mit seinen Mitarbeitern ganze Stockwerkein den Ministerien. Sein Einfluss ist immernoch groß (z.B. in Peru). Das Modell, welchesdas ILV verbreitete, wird als Übergangs-Zwei-sprachigkeit (bilingüismo de transición, sieheunten) bezeichnet.

Ein Merkmal der Beziehung zwischen denMestizen-Gesellschaften und den indigenenVölkern in den Ländern Lateinamerikas warbislang die auffallende Unkenntnis der Kulturund der Sprache der jeweils anderen Seite.

Die indigenen Lateinamerikaner unternehmengroße Anstrengungen, um Spanisch zu erler-nen und sich im “anderen“ mestizischen La-teinamerika zurechtzufinden, nicht zuletzt, umsich an den Institutionen und an der politischenMachtausübung auf allen Ebenen zu beteili-gen. Das Interesse der Mestizen an den indi-genen Kulturen und Sprachen wächst nur sehrlangsam, selbst in Ländern, mit einer großenbis mehrheitlich indigenen Bevölkerung. Vor-urteile und Rassismus sind noch immer weitverbreitet. Um eine in Frieden miteinanderlebende Gesellschaft aufzubauen, kann eineinterkulturelle Schule bei den Jugendlichenden Weg bereiten helfen.

4. Forderungen und Vorstellungen derindigenen Völker

Im 20. Jahrhundert fand ein Bewusstseins- undOrganisierungsprozess der indigenen Völker inallen Ländern Lateinamerikas statt (siehe auchSTRÖBELE-GREGOR  in diesem Band). Von den Aufständen in Peru in den 1920er Jahren biszu dem Friedensschluss zwischen der Regie-rung und der Guerilla in Guatemala (1996) unddem Aufstand der CONAIE (Confederación deNacionalidades Indígenas del Ecuador) imFebruar 2002 in Ecuador gab es einen langenWeg von Widerstand, politischer Einfluss-nahme und Präzisierung verschiedener indige-ner politischer und sozialer Programme. Dabei

wird ab Mitte des Jahrhunderts ein ausdrückli-ches Interesse an Bildung und Ausbildungdeutlich, das sich zum ersten Mal in Peru alsForderung nach zweisprachiger Erziehungausdrückt und seit den 1980er Jahren desvergangenen Jahrhunderts in den Forderungs-katalogen fast aller indigenen Organisationenwiederkehrt. Im Folgenden sollen einige Bei-spiele diese Entwicklung belegen.

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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung

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Die Forderungen des ersten Aufstandsvon 1990 in Ecuador

Der Aufstand des Inti Raimi   (Sommersonn-wendfest) 1990 hatte die ecuadorianischeMestizen-Gesellschaft überrascht. Die indige-nen Völker aus dem Hoch- und Tiefland hattenmehrere Tage lang das gesamte Land blo-ckiert und eine Liste von 16 Punkten vorgelegt,die u.a. Forderungen nach Land und Landre-form enthielten, nach Durchführung von Infra-strukturmaßnahmen, nach Steuernachlass fürländliche Betriebe sowie die Forderung nachMitteln und Stellen, um die IZE als parallelesindigenes Bildungssystem in den Provinzen zuorganisieren.

Der darauf folgende Erste Kontinentale Kon-gress Indigener Völker (1990) betont in Para-graph 3 in seiner Erklärung von Quito: “Wir

unterstreichen die Entscheidung, unsereKultur, Erziehung und Religion als grundle-gende Basis unserer Identität als Völker zu

verteidigen...“.

Die ecuadorianische Verfassung von 1998 hatviele dieser von den indigenen Organisationenformulierten und von ihnen auf der verfas-

sungsgebenden Versammlung vorgetragenenForderungen aufgenommen und sowohl zu-sammenfassend in Artikel 84 wie auch einzelnin zahlreichen anderen Artikeln festgeschrie-ben. Artikel 84, Absatz 11 stellt fest: “Dieindigenen Völker verfügen über ein eigenesinterkulturelles und zweisprachiges Bildungs-system.“

Der Friedensvertrag von Guatemala

Schon seit der Gründung der Akademie derMaya Sprachen (1990) besteht die Forderung

nach einem eigenen Schulsystem in den 22Maya Sprachen und organisiert nach denWerten und der Weltanschauung (Cosmovi-

sión) der Maya Kultur. Diese Idee wird im Abkommen “Rechte und Identität der Indige-nen Völker“ (Kapitel 3 des Friedensvertrages)

aufgenommen und als ein Recht der MayaBevölkerung festgeschrieben. Der Maya Rat

für Erziehung (CNEM) wird beauftragt, einsolches System vorzubereiten. Das Ministe-rium für Erziehung soll den Maya bei dieser Aufgabe behilflich sein, die zweisprachige

Lehrerausbildung organisieren und die Curri-culumreform auf gesamtstaatlicher Ebenevorbereiten. Für das gesamte System ist eineinterkulturelle Erziehung vorgesehen, dieversucht, Inhalte der Maya Kultur in die mesti-

zischen Schulen zu bringen, um die verschie-denen Bevölkerungsgruppen einander anzu-nähern. Diese interkulturelle Erziehung wirdausdrücklich als Erziehung für den Friedenverstanden.

In einzelnen Artikeln wird auf die Spiritualitätder Maya eingegangen, auf die Gültigkeit ihresGewohnheitsrechtes, auf die Anerkennungihrer traditionellen Führungsstrukturen, auf denkollektiven Landbesitz und auf ihr Recht, die

Verwaltung der heiligen Stätten mit dem Staatzu teilen. Auch wird von einer zukünftigenMaya Universität gesprochen.

Die Erziehungsreform hat ab 1999 die IZElandesweit in allen von Maya besuchten Schu-len gestattet, eine flächendeckende Umset-

zung ist noch lange nicht erreicht. Der MayaRat verfolgt die Einhaltung der Vereinbarungenvon 1996, hat aber gegenüber dem Bildungs-

ministerium nur eingeschränkte Möglichkeiten.

Die Praxis der selbstorganisiertenSchulen

In vielen Ländern haben indigene Organisatio-nen und zum Teil auch einzelne Gemeindenselbst Schulen geschaffen. Die Modelle sindsehr unterschiedlich, ebenso ihr Erfolg. Eshandelt sich um arme Schulen, die oft mit deman sich schon bescheidenen Standard derstaatlichen Landschulen nicht mithalten kön-

nen. Das Curriculum besteht im wesentlichenim Alphabetisierungsprozess, erweitert um dasErlernen der vier Grundrechnungsarten. Dazuwurde versucht, die Kinder auf das Leben inder Gemeinschaft vorzubereiten. Dort, woNRO oder religiöse Organisationen unterstüt-zend eingriffen, war der Lernerfolg größer, weildie Lehrer fortgebildet und Lehr- und Lernma-terialien in den indigenen Sprachen bereitge-stellt werden konnten. Es gibt in Kolumbien,Guatemala und Bolivien einige Beispiele von

erfolgreichen autonomen Schulen, die zurEntwicklung der indigenen Gemeinden beige-tragen haben.

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“Wir werden uns einsetzen, um die öffentlichenund privaten Bildungssysteme zu verändern,auf das sie die kulturelle Vielfalt eines jedenLandes anerkennen und unterrichten. DieCurricula müssen überarbeitet werden, diegeschichtliche Wahrheit muss anerkannt (...)und unsere Sprachen müssen eingeführtwerden.“

 Aktionsplan der indigenen Völker, Johannes-burg, September 2002

Zu Lehrkräften bestanden und bestehen in denindigenen Gemeinden bis heute mehrerePositionen:

Eine Position bevorzugt auf der Grundlageder Ablehnung von Staatsschulen als ak-kulturierend Lehrkräfte aus ihren eigenenReihen (Promotorenmodell). Diese Lehr-kräfte sind Gemeindemitglieder, die überanerkannte Kenntnisse verfügen und ge-eignet scheinen, die Kinder zu unterrich-ten. Oft werden sie von NRO fortgebildet.

Die andere Position bevorzugt jungeindigene Lehrer, die allerdings auf denLehrerseminaren des Staates in spanischund mit einem Curriculum ausgebildet

worden sind, das die indigene Kultur undSprache nicht berücksichtigt. Doch habendiese jungen Lehrer den Vorteil, den Un-terricht so organisieren zu können, wie dieEltern dies in den Staatsschulen beo-bachten; dazu gehört vor allem der Unter-richt des Spanischen. Zudem können auchsie, wenn sie aus der Region stammen,zwar oft mit anfänglichen Schwierigkeiten,in der indigenen Sprache unterrichten.

Eine dritte Position, die weniger unter denOrganisationen als unter der Elternschaftverbreitet ist, besteht auf einem Unterrichtausschließlich in Spanisch, um für ihreKinder den Übergang in die Gesamtgesell-schaft zu erleichtern, und ihre Ausgren-zung zu verringern. Hierfür werden Mesti-zen als Lehrkräfte bevorzugt.

Bezüglich der ersten Gruppe haben die Erfah-rungen gelehrt, dass das Promotoren-Modellden steigenden Anforderungen beispielsweise

für einen Wechsel an weiterführende Schulennicht gerecht wird. So forderten im Jahre 2003auch die Paez in Kolumbien für ihre Schulenstaatlich besoldete, indigene Lehrer unter

 Aufsicht der Organisation.

Die mit der zweiten Gruppe bisher gemachtenErfahrungen sind gespalten. Viele dieser jungen Lehrer trugen zur Öffnung der Gemein-den, zum Einlass der spanischen Sprache undzu einer Entwicklung bei, die zu einer Minde-

rung des Prestiges der indigenen Sprache undKultur bei den Jugendlichen geführt hat.

Bei aktiver Aufsicht und Mitarbeit der indigenenOrganisationen konnten andere Ergebnisseerzielt werden. So in den Schulen der Paez imCauca, Kolumbien; in einigen Maya Schulen inGuatemala; in den Gemeindeschulen in Coto-

paxi, Ecuador und in einigen Schulen in indi-gener Selbstverwaltung der Mapuche in Chile.

Die Mehrheit der Schulen für indigene Kinderentspricht noch immer der dritten Position,auch wenn diese nicht von allen betroffenenDorfgemeinschaften und Stadtteilen geteiltwird. Diese Verteilung zeigt die noch immernicht ausreichende Versorgung mit einem Angebot an IZE in den Schulen.

5. Ansätze der Entwicklungszusammen-arbeit

Die zweisprachige Erziehung, wie sie von denindigenen Organisationen gefordert wird, hat inden letzten zwei Jahrzehnten auch unter denindigenen Gemeinden und in den Bildungsmi-nisterien mehr Anhänger gewonnen. Erst in jüngster Zeit hat sich auch die Interkulturalität

in diesem neuen Schulmodell herausgebildet.Die Schüler sollten nicht nur in zwei Sprachenbeheimatet sein, sondern das Curriculum sollteaus den beiden Kulturen, der herrschendengesamtgesellschaftlichen und der indigenenheraus gedacht und entwickelt werden. Spra-che und Kultur sollten erhalten und, wo not-wendig und möglich, auch entwickelt werden.Ziel ist einerseits die Verbesserung der Be-rufschancen der Schüler und Studierendenund eine bessere Ausgangsposition auf dem

 Arbeitsmarkt, andererseits aber nach wie vordie Festigung der eigenen Identität und dasErlernen und Verinnerlichen der eigenen Her-

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kunftskultur im Kontext und in der Auseinan-dersetzung mit der herrschenden Kultur.

Seit Mitte der 1990er Jahre wurde die Diskus-sion erneut erweitert und in etlichen LändernInterkulturalität als Strukturelement schulischerBildung für alle Kinder einer multiethnischenGesellschaft, d.h. auch für die nicht indigenenSchüler/innen eingeführt und gesetzlich veran-kert, vielleicht am sichtbarsten in der Bildungs-reform in Bolivien. Dahinter steht die Anerken-nung der verschiedenen Kulturen in einerGesellschaft und in einem Nationalstaat alsPotential und Bereicherung. Damit wird eineweitere Bedeutungsebene der IZE deutlich,nämlich der Beitrag, den Schule und Bildung

zum Aufbau offener, multikultureller Gesell-schaften leisten können. Eine besondereBedeutung gewinnt diese Dimension in ehe-maligen Bürgerkriegsländern, wie Nicaraguaund Guatemala.

Die Entwicklungszusammenarbeit, insbeson-

dere die deutsche EZ hat zur Entwicklungzweisprachiger interkultureller Schulmodelle inLateinamerika entscheidend beigetragen.

Das Modell Puno (Peru)In Puno wurde seit 1975 vom peruanischenErziehungsministerium mit Unterstützung derdeutschen EZ ein zweisprachiges Grund-schulmodell für Spanisch-Quechua und Spa-nisch-Aymara entwickelt. In seinen 20 Jahrenhat dieses Projekt eine Vorreiterrolle einge-nommen und Produkte hervorgebracht, die inanderen Projekten in Lateinamerika übernom-men wurden und andere Modelle inspiriert

haben.Wichtig und beispielhaft war die Erarbeitung

von Lehr- und Lernmaterialien für sämtlicheFächer und für die sechs Grundschuljahre.Dabei spielte die schulgerechte Aufbereitung

der Forschungsergebnisse über die Inhalte derbeiden andinen Hauptkulturen eine großeRolle. So gab es Handbücher zur Aymara

Mathematik, zur andinen Naturwissenschaftund Lesestoff, Legenden, Erzählungen und

Sagen in den drei Sprachen. Für die Vermitt-lung von Spanisch als Zweitsprache für indi-gene Kinder wurde eine eigene Methodikentwickelt.

Neue Fachdidaktiken wurden eingeführt undLehrer zweisprachig weitergebildet. Aus dieser Ausbildung entwickelte sich dann ein Postgra-duiertenstudium an der Universität in Puno, indem sich dank eines international zugängli-

chen Stipendiensystems zahlreiche Fachkräfteder IZE aus Bolivien und Ecuador qualifizierthaben.

Ansätze in Ecuador, Guatemala, Bolivien

Das Projekt Educación Bilingüe Intercultural(Ministerio de Educación – GTZ) hat 1985 inden zentralen Hochlandprovinzen in Ecuador mit 75 Versuchsschulen angefangen. Jährlichwurden die Materialien und das Curriculum

fortgeschrieben, zur Erstellung der Textbücherund Lehrerhandreichungen kam die Lehrer-fortbildung, die handwerkliche Produktion vonkonkretem Lehr- und Lernmaterial, die For-

schungsarbeit und die Herausgabe vonGrammatiken und Wörterbüchern in kichwa

7,sowie die Edition einer 13-bändigen Reihe zu

Pädagogik, Schulgeschichte, Didaktik etc.hinzu (vgl. ABRAM, 1991; KÜPER-V ALIENTE,1993). Das Vorhaben entwickelte sich weiterzur Unterstützung des seit 1989 etabliertenparallelen IZE Bildungssystems und wurde2000 abgeschlossen.

In Guatemala begann das Proyecto de Edu-cacion Maya Bilingue Intercultural  (MEC-GTZ), im Jahre 1995, mit einem Einstieg überdie Lehrerausbildung in fünf Maya Lehrersemi-naren. Versuchsschulen und eine Gruppe vonweiteren 25 privaten Lehrerseminaren (ACEM)wurden ebenfalls in dem Vorhaben gefördert.Materialien für die zweisprachige Lehrerausbil-

dung und ein Curriculum für die IZE Leh-rerausbildung wurden in Zusammenarbeit mitmehreren Universitäten erarbeitet. Das Curri-culum wurde an verschiedenen Instituten

erprobt und als Grundlage für die gesamte IZELehrerausbildung des Landes befristet über-nommen.

7  Die Sprache der Inkas, die sie selbst als runashimi   (Sprache der Menschen) bezeichnet haben,wird in Peru Quechua genannt. Die regionaleVariante in Ecuador bedient sich nur der drei Vokalea i und u und wird folglich als Quichua (in der neuenSchreibweise: kichwa) bezeichnet.

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Indigene Völker, Bildung und Kultur: Interkulturelle zweisprachige Erziehung

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In Bolivien  unterstützte die deutsche EZ dieBildungsreform durch ein Projekt zur IZELehrerausbildung. Die Reform ist unter denletzten beiden Regierungen nicht zügig fort-geführt worden. Grundlagen (Methoden, Texte

und die Qualifizierung von Ausbildern) für diegrundständige Ausbildung von Lehrkräften inIZE für Quechua und Aymara wurden in vier Ausbildungszentren erprobt und bei Beendi-gung des Projektes 2004 dem bolivianischenBildungssystem übergeben.

Kurze Charakterisierung des von derdeutschen TZ geförderten IZE Modells

Die Projekte wurden in einer Dreiecksstruktur

zwischen Erziehungsministerien, indigenenOrganisationen und der deutschen Entwick-lungszusammenarbeit organisiert. Absicht wardabei, sowohl in den Ministerialbürokratien wie

in den indigenen Organisationen Fachpersonalauszubilden.

Das im Rahmen der o.g. Projekte entwickelteModell wendet sich vor allem an indigeneKinder und Jugendliche. Es besteht in einerIZE Grundbildung, in der der Unterricht und

das Lernen in den beiden Sprachen und denbeiden Kulturen zu einer koordinierten sprach-lich-kulturellen Kompetenz der Schüler führt,ihre Identität und Selbstachtung stärkt, ihrLernen fördert und sie befähigt, im interkultu-rellen Dialog mit Jugendlichen anderer Kultu-ren und Sprachen ihre Berufschancen undLebensbedingungen zu verbessern.

Dazu werden die Kinder in ihrer eigenenMuttersprache alphabetisiert und erlernen das

Spanische (Portugiesische) als Zweitsprache,zunächst mündlich, dann, ab der zweitenKlasse, auch schriftlich. Ab der dritten und biszur sechsten Klasse werden die einzelnenFächer in beiden Sprachen unterrichtet. DieInhalte der indigenen Kultur sind systematischim Curriculum verankert. Das IZE Modell istohne pädagogische Reform nicht denkbar, esist kindzentriert und nutzt aktive Methoden desentdeckenden Lernens. Das Curriculum sollmöglichst praktisch ausgerichtet werden

(Schule und Arbeit, Schulprojekte, beruflicheHinführung usw.).

Die wissenschaftliche Begleitung durch Fach-institute und Universitäten findet vor allem imBereich der Evaluierung statt, um die Erfolgeder Schüler zu messen.

Andere Modelle

a) Zweisprachige Übergangserziehung  (Bilin-

güismo de transición): Dies war das Modell derfünfziger und sechziger Jahre, vor allem vomILV und anderen Missionen, z.T. auch von

Staaten (Guatemala) favorisiert. Die Spracheder Kinder wird zur Alphabetisierung benutzt,um dann umso schneller und effektiver zur

dominanten Sprache überzuleiten, und dieKinder “der Zivilisation zuzuführen“. Dabei wird

die Herkunftskultur abgewertet. In den Län-dern, in denen die Einführung von IZE grund-sätzlich auf erheblichen Widerstand in derBildungsverwaltung stößt, wird auch weiterhin

dieses Modell als Minimalkonsens umgesetzt.

b) Zweisprachige Erziehung: In diesem Modellwerden die beiden Sprachen benutzt, meistauch bis zum Ende der Grundbildung. DasCurriculum ist aber das allgemeine und dieHerkunftskultur der Kinder spielt keine beson-

dere Rolle. Die Texte und Übungen sind fastimmer Übersetzungen aus der dominantenSprache in die Muttersprache, die somit nichtals Trägerin und Vermittlerin eigener, kulturelldiverser Inhalte auftritt. Die andere Kultur istalso nicht gegenwärtig. Auch dieses Modellfindet als Minimalkonsens Anwendung, u.a.weil es auf der Grundlage einfacher sprachli-cher Übersetzungen von Curricula und Schul-büchern funktioniert und somit kostengünstigerist als das Modell der IZE.

c) Die indigene oder endogene Erziehung: Esist die Schule für indigene Kinder, von denDörfern, Gemeinden und indigenen Organisa-tionen eingerichtet und geführt. Dieses Modellhat viele Namen und mehrere Varianten. Die Ältesten und die Führer spielen eine großeRolle in der Weitergabe des Wissens und derKenntnisse der Kultur. Spiritualität und Tradi-tion sind zentrale Themen. Große Anstrengun-gen werden unternommen, um das traditionelle

Wissen zu erforschen und curricular zu ver-mitteln. Oft werden diese Schulen im Gegen-satz zur akkulturierenden, mestizischen

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Staatsschule gegründet und mit viel Eigeniniti-ative am Leben erhalten. Die Lehrer sind meistpädagogisch befähigte Gemeindemitglieder,die über ein gewisses Wissen verfügen und oftdurch NRO oder indigene Organisationen

fortgebildet werden. Dieses Modell hat eineentscheidende Rolle in dem Prozess derindigenen Völker gespielt, sich gegenüber denMehrheitsgesellschaften zu positionieren(Guatemala, Brasilien, Warisata in Bolivien inden 1950er Jahren, usw.) und ist heute weiter-hin u.a. bei verschiedenen Völkern in Kolum-bien, bei einzelnen Amazonasvölkern, Mayaund Guarani von Bedeutung. Der Gedanke der“autonomen Schule“ wird auch in den Bil-dungssystemen anderer Länder diskutiert. Soübernehmen in Ecuador die indigenen Völkerdie Verantwortung für die staatliche Schule inihren Territorien.

6. Lessons learned

Die IZE hat Erfolge aufzuweisen, die die Be-

hauptung erlauben, dass sie ein besseresModell darstellt als die einsprachige monokul-turelle Land- oder Vorstadtschule für indigeneKinder (KÜPER  & LOPEZ, 2002; ROCKWELL,1989; MOYA, 1996).

Die zentralen Erfolge der IZE sind die Stärkungder kulturellen Identität der Schüler/innen,bessere Lernleistungen und mehr Chancen fürMädchen.8

Die Verwendung der Muttersprache als Unter-richtssprache führt zu höheren Kompetenzenim Lesen, Mathematik, Naturwissenschaftenund in der Zweitsprache (CUMMINS, 2000;

BERGMANN, 1999). Insbesondere in Fächernmit hohem Verbalisierungsgrad wie Spracheund Mathematik führt IZE zu besseren Leis-tungen (ROCKWELL, 1989).

Die IZE Schulen lassen eine Tendenz erken-

nen, die klassischen Differenzen zwischenMädchen und Jungen bezüglich Einschulung,Wiederholung und Schulabbruch zu verringern:

auch Mädchen, die traditionellerweise mitweniger Spanischkenntnissen als Jungen in

die Schule kommen, lernen mit IZE länger underfolgreicher.

8 Vgl. KÜPER & LOPEZ (2002)

Defizite bestehen in Methoden und Materialien.Bislang konzentrieren sich die methodischen Ansätze auf Schüler/innen mit bei Schuleintrittguten mündlichen Kenntnissen in der indige-nen und geringen oder keinen Kenntnissen in

der nationalen Sprache. Mit Kindern, die mitder dominanten Sprache aufwachsen und dieindigene Sprache als Zweitsprache erwerben,gibt es noch wenige Erfahrungen. Ebensowenig bestehen Modelle für IZE in Schulklas-sen mit mehr als zwei Sprachen, beispiels-weise in Vorstadtschulen und mit heterogenenSprachkenntnissen innerhalb einer Gruppe.

Die Rolle der Indigenen Organisationen

Der Unterricht in der Muttersprache ist nochnicht selbstverständlicher Teil der allgemeinenBildungspolitik in Lateinamerika. Zwischendem Fehlen einer geeigneten Sprachpolitik von

Seiten der Regierungen und dem Widerstandvieler Eltern versuchen die indigenen Organi-sationen ihre eigene Politik zur Verbreitung

und flächendeckenden Anwendung der IZEvoranzutreiben. Es hat sich sehr schnell her-ausgestellt, dass IZE Programme und Projekteohne die Mitarbeit und Zusammenarbeit mitden maßgeblichen indigenen Organisationennicht funktionieren. Die indigenen Völkerhaben ihre eigenen Autoritäten, deren aktiveBeteiligung an IZE von großer Bedeutung ist.So ist die gesamte Umfeldarbeit am bestenvon den indigenen Organisationen zu leisten.

Die zeitlichen Rhythmen der Entwicklungspro- jekte und der indigenen Organisationen stim-men nicht überein. Indigene Organisationenbenötigen mehr Zeit für Konsensbildung. Bei

genauerem Eingehen auf die jeweiligen Bedin-gungen und bei partnerschaftlichem Planenerweist sich, dass Nachhaltigkeit in Regionenmit indigener Bevölkerung nur durch die Zu-

sammenarbeit mit ihren Organisationen er-reicht werden kann. Dies gilt nicht nur fürBildungsvorhaben, hier aber in besonderer

Weise, da IZE sowohl in die Bildungsadminist-ration als auch in die Elternschaft vermitteltwerden muss.

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Foto: Schule in Guatemala (A. BEGEMANN)

Die Elternarbeit

IZE fördert die Teilnahme der Gemeinschaft

und versetzt die Schule als den Ort intergene-rationellen Lernens in deren Mittelpunkt. Die Arbeit mit der Gemeinde und mit den Eltern istin der IZE eine wichtige Voraussetzung desErfolgs. Der Lernprozess wird somit zu einemsozialen Ereignis und die Eltern lernen mit.Dies gilt insbesondere in ländlichen Regionen:Die Schule wird zu einer dorfeigenen Institutionund kann weitere Funktionen übernehmen, wie Alphabetisierung der Erwachsenen, Weiterbil-dung, Initiation von Projekten im Kunsthand-werk, in der Landwirtschaft, in der Aufzuchtvon Kleintieren usw.

Notwendige Aus- und Weiterbildung

Eine große Herausforderung an EZ-Projekte istdie Heranbildung, Ausbildung und Fortbildungindigener Führungskräfte und Fachkräfte.Diese sollen in die Lage versetzt werden, alle Aspekte einer Bildungsreform selbst in dieHand zu nehmen. Erst in den letzten Jahrengibt es vereinzelt auch indigene Funktionäre inden Ministerien und indigene Mitarbeiter/innen

in verantwortlichen Positionen in den Projek-ten.

Lesestoff in indigener Sprache

Damit Lesen und Schreiben in indigenenSprachen als sinnvoll erfahren wird, brauchendie Neuleser Lesestoff. Bisher fehlen Texte

und geeignetes Lesematerial in den indigenenSprachen für die höheren Klassen, für dieSekundarstufe sowie für die Freizeit. Literatur

in indigenen Sprache muss gefördert werden.Ob es sich um das bereits traditionelle Sam-

meln von Legenden, Sagen und Erzählungenhandelt, um literarische Texte oder um dieEdition von alten Texten, all dies belebt dieSprache und eröffnet die Möglichkeit, in dereigenen Sprache zu lesen. Auch das vielfältigeWissen indigener Völker, das vor allem für dieNutzung in Schulen noch systematisiert wer-den muss, kann in indigenen Sprachen vorge-legt werden.

Daneben muss das Schreiben in den indige-nen Sprachen allgemein gefördert werden, anZeitschriften ist zu denken, und vielleicht auchan Zeitungen. Seminare zum Schreiben, die anallen Universitäten für das Spanische ab-

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gehalten werden und sich eines großen Inte-resses erfreuen, können auch für indigeneSprachen eingeführt werden.

Erforschung und Adaptation kultureige-ner Lern- und Lehrweisen

Bislang ist es nicht gelungen, Elemente einer

kulturgebundenen Pädagogik in die Modelle fürIZE einzubauen. Meist bleibt es bei den spora-dischen Auftritten von Ältesten und Weisen.

Kultureigene Formen der Wissensvermittlungsind oft unbekannt. Jede Kultur besitzt eine ihreigene Methode, Tradition, Wissen, Weisheit

und Kenntnisse an die nächstfolgende Gene-ration weiterzugeben und zu erreichen, dass

diese die Tradition übernimmt und die in ihrenthaltenen Werte als die eigenen akzeptiert.Dies erfolgt in einem dialektischen Prozessvon Annahme, Anpassung und Neuerfindung.

Diese Methoden sollten erforscht und alspädagogische Ansätze für das Curriculum derIZE weiterentwickelt und umgesetzt werden.

Sprachenpolitik

Ohne eine Sprachenpolitik, die den Gebrauch

der beiden Sprachen auf alle Dimensionen desLebens ausdehnt (soziale Zweisprachigkeit),ist die IZE mittelfristig zum Scheitern verurteilt.Wenn die herrschende Kultur und Sprache alleBereiche des öffentlichen Lebens besetzt unddie indigene Sprache auf die Familie und dashäusliche Leben zurückgedrängt wird, selbst inmehrheitlich von indigenen Bürgern bewohntenDörfern oder Stadtvierteln, kann keine Wieder-belebung der Sprache und keine Angleichung

an das Prestige der dominanten Sprachestattfinden. Die Kinder und ihre Eltern merkenschnell, ob das bewusste Sich-Aneignen dereigenen Kultur und Sprache außerhalb derSchule Bedeutung hat und Prestigegewinneinbringt. Das heißt, IZE ist nicht nur eine Angelegenheit der Bildungspolitik, sondern derallgemeinen Kultur- und Sprachenpolitik einesLandes.

7. Schlussbemerkung

Dieser kurze Überblick über InterkulturelleZweisprachige Bildung soll beispielhaft den

gesamten und überaus reichhaltigen Bereich“Bildung, Kultur und indigene Völker“ vertreten.Dazu wurde der enorme, erst in Teilen er-forschte Reichtum an Sprachen und Kulturender indigenen Völker auf die Bildung der jun-

gen Generationen verengt, auch deshalb, weildie EZ nur über IZE die Thematik bearbeitet.Die deutsche EZ ist in diesem Arbeitsfeld inLateinamerika in einem Schlüsselbereich fürdas Überleben und die Entwicklung der indige-nen Gesellschaften aktiv. Sie hat an der Ent-wicklung des IZE Modells entscheidend mitge-arbeitet und es in verschiedenen Fällen er-reicht, gemeinsam mit den indigenen Organi-sationen den Staat zur Wahrnehmung seinerBildungsverantwortung den indigenen Völkerngegenüber zu bewegen. Dabei sollte auchaufgezeigt werden, dass die IZE zwar nur einTeil des Bildungssystems ist, aber den Kernbe-reich der Bildung für indigene Jugendlichedarstellt, in dem heute die pädagogischen unddidaktischen Erneuerungen stattfinden und Aufbauarbeit für die demokratische, multikultu-relle Gesellschaft von morgen geleistet wird.

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“QA AT TJA QXNAQ´S IK TZAN TQAN Q´IJ NMEQ´SAN QE QWITZIK”

Escuela, el sol que calienta los sueños – Educación autogestionada en Guatemala

Llegar hasta la aldea Cruz Quemada Santa Bárbara no fue fácil, pero una vez que se llegó, la luz que se

abría paso por entre las hojas de los árboles grandes y frondosos iluminó los rostros alegres e inquietos de

niños y niñas quienes sabían que algo novedoso ocurría. Los adultos nos recibieron con un cálido apretón

de manos impregnadas del color de la tierra que durante generaciones han trabajado. Ahí estaban todos,

esperando la llegada de un grupo de desconocidos que les llevan la noticia que por años habían esperado:

pronto podrían tener la escuela que tanto habían soñado.

Más que la mitad de los casi 12 milliones de Guatemaltecos son indígenas. En el país se habla 21 idiomas

mayas, el xinca y el garífuna. Los idiomas mayas mayoritarios son el Kíche´, el Mam, el Kaqchikel y el

Qéqchi´, los cuales reúnen más de 2.7 millones de habitantes. Aproximadamente el 30% de los niños y

niñas en su mayoría indígenas no tenían acceso a la educación básica en 1996 cuando se inició el Progra-

ma Nacional de Autogestión para el Desarrollo Educativo –PRONADE. Es un mecanismo que facilita el

acceso de las comunidades a la educación, especialmente en áreas rurales lejanas y desatendidas. A la

vez promueve modalidades de participación protagónica de las comunidades.

La estrategia del trabajo de PRONADE consiste en organizar “Comités Educativos (COEDUCA)”, quienes

cuentan con respaldo legal para administrar el servicio educativo en las comunidades. Instituciones priva-

das, denominadas Instituciones de Servicios Educativos –ISE– acompañan a los Comités Educativos en las

tareas que desempeñan bajo lineamientos del Ministerio de Educación.

Los logros están a la vista: hasta marzo del 2004, 444,917 niños y niñas son atendidas por 14,575 docentes

en 4,559 comunidades. El 60% de la población atendida es indígena y como política interna del PRONADE

se exige que sean atendidos por maestros y maestras que hablan el idioma de las comunidades. Para su

labor, PRONADE cuenta con el apoyo de KfW y del Banco Mundial.

 A estas alturas del siglo XXI, no todos los niños y niñas son cobijados en una escuela; Guatemala tiene

mayor déficit al respecto. Sin embargo, muchas personas siguen soñando con la diferencia que puede

hacer en sus vidas el sólo tenerla. Quizá don Ramón López, padre de familia de la aldea Cruz Quemada

Santa Bárbara tiene razón cuando dice en su idioma mam que “QA AT TJA QXNAQ´S IK TZAN TQAN Q´IJ

NMEQ´SAN QE QWITZIK” (Tener escuela es como que el sol caliente los sueños). Podemos ayudar a que

esos sueños se tornen realidad.

 ANTJE BEGEMANN, IPC/ KfW, Guatemala

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Indigene Völker und Gesundheit

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Indigene Völker und Gesundheit

KLAS HEISING & SYLVIA REINHARDT

In den letzten Jahrzehnten haben sich dieLebensweise und die Umwelt der indigenenBevölkerung Lateinamerikas stark verändert.Die Gesundheitssituation ist in den meistenindigenen Gemeinden, insbesondere aufgrundder beträchtlichen Armut, als prekär einzustu-fen. Der häufig fehlende oder erschwerte Zu-gang zu Gesundheitsdiensten, soziale Prob-leme, Umweltverschmutzungen, mangelhafte

Nahrungsversorgung, unzureichende Hygie-nepraktiken und fehlender Zugang zu (Trink-)Wasser sind oft der Grund für Krankheiten undEpidemien.

Die heutige Gesundheits- und Hygienesituationder indigenen Bevölkerung wurde durch die jahrhundertelange Abhängigkeit und Marginali-sierung verursacht, wie auch die Panamerika-nische Gesundheitsorganisation PAHO (Pa-

namerican Health Organization) bei ihrer Sit-

zung von Winnipeg im Jahre 1993 feststellte.Traditionelle Praktiken und Kenntnisse zur

Gesundheitsvorsorge und Hygiene sowie zurBehandlung von Krankheiten etc. gehen verlo-ren und werden kaum noch angewendet, weil

sie in der heutigen Lebenssituation als nichtmehr angepasst empfunden werden.

Meist haben indigene Bevölkerungsgruppeneine weit höhere Sterblichkeits- und Anfällig-keitsrate für Krankheiten als die übrige Bevöl-

kerung der jeweiligen Nationalstaaten wasihren im Vergleich niedrigeren Lebensstandardund sozialen Status reflektiert (vgl. PAHO,1993). So liegt die Lebenserwartung der indi-genen Bevölkerung ca. 10 bis 20 Jahre unterder der übrigen Bevölkerung eines Landes(PAHO, 2004a). Bestehende staatliche Ge-sundheitsprogramme tragen den spezifischensoziokulturellen Rahmenbedingungen der indi-genen Bevölkerung bisher kaum Rechnung.Oft fehlt neben den notwendigen ökonomi-

schen Ressourcen auch der politische Wille(vgl. PAHO, 1993).

Säuglings- und Müttersterblichkeit

 Als grober Indikator für die Gesundheitssitua-tion eines Landes eignet sich die Säuglings-sterblichkeit (Anzahl der Säuglinge, die imersten Lebensjahr sterben pro 1000 Neuge-burten), da diese von der Qualität und demZugang zur öffentlichen und privaten Gesund-heitsversorgung, den Hygiene- und Gesund-

heitspraktiken und der allgemeinen Lebens-situation der Bevölkerung abhängt. Tabelle 1zeigt Säuglingssterblichkeitsraten in LändernLateinamerikas, die zwischen 19 und 56 lie-gen, während eine beispielhafte Untersuchungverschiedener indigener Völker in den gleichenLändern Zahlen zwischen 81 und 145 aufweist.

Tabelle 1: Beispiele zur Säuglingssterblichkeit inausgewählten Ländern (eigene Zusammenstellung)

Land Landesdurch-schnitt derSäuglings-sterblichkeit in2003 (von 1000Lebend-geburten)

Durchschnitt derSäuglingssterb-lichkeit derindigenenBevölkerung(von 1000Lebendgeburten)

Deutschland 4

Kolumbien 19 111 (Wayu)

Brasilien 31 106 (Xavante)

Ecuador 30 62 (Quichua,Provinz Cotopaxi)

Bolivien 56 145 (indigeneGruppen im

Chaco)Mexiko 40 81 (Tzotzil)

Peru 43 99 (Ashaninka)

Quelle: Gesundheitsministerien; UNO; PAHO;PIÑEROS-PETERSEN, 1998

Oft ist die Gesundheitssituation indigener Völ-ker noch schlechter, als die auf Provinz-, De-partement- oder nationaler Ebene aggregiertenDaten vermuten lassen. Viele Todesfälle

werden durch die generell unzureichendenDatenerhebungen der staatlichen Gesund-heitsdienste nicht erfasst, da diese in den Ge-

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Indigene Völker und Gesundheit

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bieten der indigenen Bevölkerung wenig prä-sent sind. Eine neuere Studie der PAHO(2004b) belegt, dass die Raten der Säuglings-und Müttersterblichkeit in indigenen Gemein-den zu den höchsten Amerikas gehören. InGuatemala beispielsweise ist die Sterblichkeitindigener Frauen bei der Geburt 300% höherals der Landesdurchschnitt. Ursachen für diestarken intranationalen Differenzen siehtPAHO u.a. in der geringen Sensibilität unddem unzureichenden Verständnis für traditio-nelle Praktiken der Gesundheitsarbeiter, imKommunikationsmangel mit den indigenenPatienten, aber auch darin, dass die Ausdeh-nung der medizinischen Versorgung in indige-

nen Gemeinden keine Priorität in der Gesund-heitspolitik hat.

Ein Beispiel soll die kulturelle Barriere, diezwischen einem westlichen Mediziner undeiner indigenen Frau bestehen kann, verdeutli-

chen: “Undressing during childbirth for us issynonymous with death“ says Gonzáles."When a pregnant woman goes to a health

center, the first instruction she is given, is‘Take off your clothes.' At that moment, a bar-

rier has been erected between the physicianand the Aymara woman, because Aymarawomen believe that at the moment of deliverythere is an opening of the entire body. If our

body has opened, we should cover ourselvesmuch more because the cold can penetrate us.Penetration of the cold will result in illness.

Furthermore there is not only an opening of thephysical body, but of the place where thespiritual body exits and enters, which will re-

quire other care..." (PAHO, 2004b).

Um diesem Problem entgegenzutreten, arbei-tet beispielsweise die PAHO in Bolivien zurVerbesserung der sanitären Verhältnisse wäh-rend der Entbindung und zur Identifizierung

von Risikofällen auf lokaler Ebene mit indige-nen Hebammen zusammen. EntbindendeMütter geben Hebammen den Vorzug vorKrankenhäusern. Ihnen wird von den indige-nen Frauen weit mehr Vertrauen entgegenge-bracht und damit verfügen sie wiederum übermehr Einflussmöglichkeiten. Außerdem soll imRahmen des Projektes gemeinsam von Pro- jektmitarbeitern der PAHO und Hebammeneine Strategie entwickelt werden, traditionelleMedizin und Praktiken in den öffentlichen Ge-sundheitsdienst zu integrieren, um denschwangeren Frauen kulturell angepasste und/oder schulmedizinische Dienste anbieten zukönnen (PAHO, 2004b).

Krankheitsbilder

Es treten eine Vielzahl von Krankheitsbildern

auf, die von der Lebensweise, den klimati-schen Bedingungen und der Verfügbarkeit undQualität der öffentlichen und traditionellen Ge-

sundheitsversorgung bei der indigenen Bevöl-kerung abhängen.

Für einige kleinere Völker, die manchmal erstseit einer oder zwei Generationen Kontakt mit

der “westlichen“ Kultur haben, stellen neueübertragbare Krankheiten wie Virenerkrankun-gen etc. eine existenzielle Gefahr dar. Da sieweder die Möglichkeit hatten, biologisch eineImmunität noch kulturell Therapien gegendiese zu entwickeln, sind sie schutzlos.

Insbesondere aufgrund ihrer sich wandelndenUmwelt, was u.a. die Auflösung sozialerStrukturen, Verarmung, Identitätskrise undLegitimationsverlust der traditionellen Autori-

täten mit sich führt, befinden sich indigeneVölker in einer schwierigen Orientierungssitua-tion, die auch zu psychosomatischen Krank-heitsbildern führen kann.

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Indigene Völker und Gesundheit

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Kasten 1: Beispiele häufig auftretender Erkrankungen indigener Völker in Lateinamerika

(Ausgewählt aus PAHO-Länderprofilen, 1998)

Bolivien: Bei den Indigenen des Chaco und des Oriente tritt Tuberkulose 5- bis 8-mal häufiger auf als im

Landesdurchschnitt.

Magendarmerkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Kindern

Honduras:

95% der unter 14-jährigen Indigenen sind unterernährt.

68% der Todesfälle sind auf ansteckende Infektionskrankheiten zurückzuführen.

Die Lebenserwartung indigener Männer wird auf 36 Jahre, die der Frauen auf 43 Jahre geschätzt.

Panama:

Bei den Kuna in San Blas sind Lungenentzündungen 6-mal, Tuberkulose 80-mal häufiger als imLandesdurchschnitt

Venezuela: Studien des Tropeninstituts “Simon Bolivar“ weisen darauf hin, dass bis zu 84% der Yanomami sich im

Laufe ihres Lebens mit Hepatitis B infizieren.

In einigen Dörfern sind bis zu 74% der Bevölkerung mit Flussblindheit (Onchozerkose) infiziert.

Armutskrankheiten? Ja, aber…

Indigene leiden überproportional an soge-nannten “Armutskrankheiten“ wie Diarrhoe,

Lungenentzündungen, Mangelernährung, Ma-sern, Bronchitis, Tuberkulose, Hauterkrankun-gen oder Parasiten. Im Rahmen einer Basis-

studie im Jahre 2001 eines Umweltgesund-heitsprojektes der GTZ (zusammen mit derPAHO) in zwei Hochland- und einer Amazo-

nastieflandgemeinde Perus, wurde festgestellt,dass zwischen 66% und 94% der untersuchtenIndigenen von einem oder mehreren Darmpa-

rasiten befallen waren.

Die Vermutung liegt nahe, dass Indigene von

diesen Krankheiten betroffen sind, weil siebesonders arm sind. Das ist zwar richtig, je-doch würde die Schlussfolgerung, dass miteinem Armutsbekämpfungsprogramm ebenauch diese Krankheiten verschwinden würden,deutlich zu kurz greifen. Es gibt spezifischeFaktoren, die wesentlich zur schlechten Ge-sundheitssituation der indigenen Bevölkerungbeitragen und eine auf indigene Bevölkerungorientierte Gesundheitspolitik nahe legen.

Dazu gehören u.a.: Veränderungen der Umwelt und der

Lebensweisen der Indigenen: z.B. Ver-

drängung traditioneller Praktiken, verän-derte Ernährungsweisen aufgrund von Än-derungen in der Bewirtschaftung oderdurch Umweltverschmutzungen. Bei-

spielsweise haben Indigene des Amazo-nastieflands ihren Proteinbedarf fast aus-schließlich durch Fischfang gedeckt. Invielen Gemeinden ist das Fischaufkom-men heute durch Übernutzung stark zu-rückgegangen oder die Fische sind durchIndustrie- und Bergbauabwässer so starkbelastet (Quecksilber), dass ihr Verzehrgesundheitsgefährdend geworden ist.

Unzugängliche Lage vieler indigener

Gemeinden, wodurch kein regelmäßigerZugang zu Gesundheitsleistungen möglichist.

Ein anderes Verständnis der indigenenVölker von Gesundheit und Krankheitsowie die Existenz von komplexen traditi-onellen Gesundheitssystemen, die mitder Schulmedizin in Konflikt geraten (sieheunten).

Konzeption staatlicher oder EZgeförderter Gesundheitsprogramme:

Staatliche Programme tragen den spezifi-schen soziokulturellen Rahmenbedingun-

gen oft nicht ausreichend Rechnung; sie

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Indigene Völker und Gesundheit

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sind meist sehr technisch (z.B. Trinkwas-serversorgung) oder ausschließlich auf dieSchulmedizin orientiert. Es gibt keine spe-zifischen, an die Anforderungen der indi-genen Bevölkerung angepassten Ange-bote und Dienstleistungen. Die zentralisti-sche Praxis, Programme in der Hauptstadtzu planen und von dort zu steuern, ver-stärkt diese Tendenz.

Mangelhafte Einbeziehung der indige-nen Bevölkerung, insbesondere derFrauen,  in die Planung und Durchführungvon Gesundheits- und Aufklärungskam-

pagnen behindern die Akzeptanz undNachhaltigkeit von Verbesserungen in den

indigenen Gemeinden. Fehlende kulturell angepasste Gesund-

heitserziehung in den indigenen Gemein-

den sowie unzureichende Ausbildung undfachliche Begleitung der indigenen Ge-sundheitsberater.

... und die Gesundheit indigener Frauen?

Die Gesundheit indigener Frauen steht in Ab-hängigkeit zu ihrem meist noch untergeordne-

ten sozialen Status sowohl in der ehelichen,familiären Beziehung als auch in der jeweiligennationalen Gesellschaft. Aufgrund ihrer ethni-schen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts undmeist ländlichen Herkunft bzw. ihrer Armut sindsie dreifach benachteiligt. Frauen sind in ihrer

sozialen Rolle verantwortlich für die Kinderer-ziehung, die tägliche Haushaltsarbeit und invielen Gemeinschaften auch für den Feldbau.

Die schweren und zeitaufwendigen Arbeitenlassen selten andere Aktivitäten wie Bildung,

Teilnahme an Gemeindeversammlungen oderGesundheitsvorsorge für sie und ihre Kinder zu – was auf ihre Gesundheitssituation große Auswirkungen hat (PAHO, o.J.). Außerdem

verschließt ihnen ihr gesellschaftlicher Statusoft die Beteiligung.

Gesundheitsprobleme von Frauen treten sehroft in Verbindung mit der Reproduktion auf(u.a. frühe Schwangerschaften, Schwanger-schafts- und Geburtskomplikationen, Anämie).

Oft sind Frauen Opfer von Gewalt und sexuel-lem Missbrauch, was zu psychischen Trau-mata, Ängsten führt (PAHO, o.J.).

Viele indigene Frauen bevorzugen bei derGeburt die Betreuung durch traditionelle He-bammen anstelle von Gesundheitsstationenund Krankenhäuser. Einige der ausschlagge-benden Faktoren sind größeres Vertrauen,muttersprachliche Betreuung währendSchwangerschaft und Geburt, Geburt in derHocke (anatomisch sinnvoller), Wahrung derPrivatsphäre sowie die Möglichkeit Zeremo-nien beizubehalten. Zum Beispiel die Ehrer-weisung an die Plazenta im andinen Raum:Der Plazenta wird in einer Zeremonie dafürgedankt, dass sie das Kind ernährt und be-gleitet hat, und sie wird in einigen Fällen rituellbestattet oder verbrannt. Die gängige Praxis

der Gesundheitsstationen, die Plazenta ent-weder wegzuwerfen, oder an die Kosmetikin-dustrie zu verkaufen, ist für viele werdendeMütter ausschlaggebend, sich nicht an diesezu wenden. Außerdem setzen staatliche Pro-gramme und Fördermaßnahmen oft Mitarbeiterein, die ausschließlich spanisch sprechen, undsich aufgrund der meist mangelnden Spa-nischkenntnisse der Frauen, eher an die Män-ner richten. So werden medizinische Behand-lungen von dem technischen Personal oft im

Vorfeld nicht erklärt bzw. das Recht der Pati-entin auf eine Aufklärung nicht respektiert.

Verständnis indigener Völker vonGesundheit und Krankheit und derenBehandlung

Jede Kultur versteht etwas anders unterKrankheit und Gesundheit. Wann einer Miss-befindlichkeit Krankheitswert beigemessenwird, hängt von individuellen und kulturellen

Variablen ab. Unsere westlichen Definitionen,die auf das körperliche, geistige und seelischeWohlbefinden abzielen, gehen von einerchristlichen Konzeption des Menschenbildesaus. Wenn Körper und Seele, entsprechendeines anderen Weltbildes, anders verstandenwerden, passen diese Definitionen nicht mehr.Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)beschreibt Gesundheit als Zustand "of com-plete physical, mental and social well-beingand not merely the absence of disease or in-

firmity” (WHO, 1946).

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Indigene Völker und Gesundheit

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Foto: Behandlung in einer indigenen Gemeinde in Peru (K. HEISING)

Viele indigene Völker sehen in Krankheiten dieFolge eines Ungleichgewichtes des Geistes

und der Seele des Einzelnen oder der Ge-meinschaft, die z.B. durch bösen Zauber,Geister oder Dämonen verursacht werdenkönnen. Bei Krankheiten wird zwischen natürli-chen und übernatürlichen Ursachen unter-schieden, was sehr komplexe und ausdifferen-zierte Behandlungssysteme hervorgebrachthat, die von verschiedenen Personen der Ge-meinschaft wie z.B. Schamanen, Kräuterhei-lern, Pflanzenexperten, Knochenrichtern,Kräuterfrauen oder Heilkundigen praktiziert

werden (siehe Kasten 2). Die Besonderheitender lokalen Heiler liegen in ihrer Kompetenz, Autorität und Berufung. Meist haben sie einelange Initiationszeit bis sie ihre Anerkennungals Heiler erfahren. Die Erklärungsmodelle desHeilers und des Patienten stammen meist ausdemselben kulturellen Umfeld. Heiler behebenGesundheitsstörungen indem sie kulturell ak-zeptierte und erprobte Methoden anwenden.Ihre Funktion ist meist umfassender als die derwestlichen Ärzte, denn auch soziale, psychi-sche, spirituelle Aspekte gehen in die Be-handlung ein. Dabei wird der Heiler oft zum

Mittler zwischen der Gemeinschaft und derübernatürlichen Welt.

Bei Behandlungsmethoden gibt es einen ent-scheidenden und interessanten Unterschied:

Während in der modernen Medizin z.B. beipsychischen Erkrankungen dem Patientenpsychoaktive Substanzen verabreicht werden,

ist es in der traditionellen Medizin meist derHeiler der diese zu sich nimmt, um die Diag-nose zu erstellen, und die weitere Behandlung

zu bestimmen.

Es gibt auch Krankheiten, die in einem Volk so

stark verbreitet sind (endemische Krankhei-ten), dass sie von diesem kaum mehr alsKrankheit wahrgenommen werden. PAHO undGTZ begleiteten ein Programm unter Federfüh-rung des Gesundheitssekretariats von Chiapas(Mexiko), zur Reduzierung des Trachoms1 beiden Tzeltal (Hochchiapas). Hier war viel Über-zeugungsarbeit zu leisten, damit der sehr all-mähliche Krankheitsverlauf von derBevölkerung als behandelbar erkannt wurdeund nicht als natürlicher Lauf der Dinge.

1 eine Bindehautentzündung, die, wenn unbehan-delt, zur Blindheit führt

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Indigene Völker und Gesundheit

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Kasten 2: Beispiele indigener Heilerpersönlichkeiten in verschiedenen Gemeinschaften

Indigene

Gemeinschaft

Protagonisten des traditionellen Gesundheitssystems

Aymara

(Bolivien,

Peru)

Yatiri (bedeutet “der Meister“): Er diagnostiziert die Krankheiten, konsultiert dabei Kokablätter

und behandelt mit Naturheilmitteln. In einigen Fällen wird eine komplizierte Opfergabe an die

Kräfte und Geistwesen, die etwas mit der Krankheit zu tun haben, vorbereitet.

Ch´amakani  (bedeutet “der Herr der Dunkelheit“): Er nutzt die Dunkelheit, die Schatten und die

Nacht, um sich mit den übernatürlichen Wesen in Verbindung zu setzen und mit Ihnen zu spre-

chen. Er ist Vermittler zwischen diesen Wesen und den Patienten, um die Gründe für eine

Krankheit herauszufinden.

Kallawaya oder Naturheiler: Neben der Anwendung von Medizin aus Flora, Fauna und Minera-

lien setzen sie spezifische Rituale für verschiedene Krankheitsbilder ein.

Ngöbe

(Panama)

Sukia: Heiler, Hellseher und Autorität in spirituellen und rituellen Angelegenheiten. Er ruft die

übernatürlichen Kräfte, redet mit ihnen und wendet Naturheilmittel an.

Bicho: Frauen, die in Familiengesundheit kundig sind und ihr Wissen auf Familienebene oder

auch Dorfebene anwenden.

Ashaninka

(Peru)

Sheripari  (Schamane): Er hat Zugang zu Aspekten und Sphären der Wirklichkeit, die anderen

 Ashaninka verborgen bleiben, und kann in Trance die Geistwesen der Natur und Herren der

Tiere besuchen. Er hat außerdem besondere Beziehungen zu weiblichen Geistern bestimmter

Pflanzen, die ihm bei der Anwendung von Naturheilmitteln den Weg weisen.

Tucano

(Kolumbien)

Payés  (Schamanen): Sie sind zuständig für das ökologische und soziale Gleichgewicht der

Gemeinschaft.

Cumus: Heiler, die neben traditionellen Methoden auch Elemente der westlichen Medizin ver-wenden.

Quellen: PAHO, 2002c; AIDESEP/ PSI, 2002; REICHEL-DOLMATOFF, 1997

Traditionelle Medizinsysteme inLateinamerika

Traditionelle Medizin ist das Gegenstück zurSchulmedizin. Die Traditionelle Medizin istanders als die Schulmedizin von Region zu

Region sehr verschieden. Der Begriff “Traditio-nelle Medizin“ bedeutet nicht, dass es zu kei-nen Neuerungen gekommen sei, sondernvielmehr, dass das Medizinsystem Teil derKultur und direkt mit den jeweiligen Wertevor-stellungen, Weltanschauungen, Theorien,Normen etc. verknüpft ist (GREIFELD, 2001:71).Dabei gibt es nicht nur eine Traditionelle Medi-zin, sondern vielmehr viele unterschiedlichesich gegenseitig beeinflussende Systeme.

Medizinsysteme unterscheiden sich in denErklärungskonzepten von Krankheitsursachen,

in den Heilerpersönlichkeiten bzw. Expertenund in den Behandlungen/ Therapien. Indiani-

sche Heilkunst wurde zur Kolonialzeit von denMissionaren und westlichen Wissenschaftlernals Aberglaube bekämpft. Heute wird diesesWissen anders beurteilt: Viele westliche Wis-senschaftler wenden sich Schamanen undihrer Heilkunst mit großem Interesse zu.

Zu den in Lateinamerika sowohl bei der indi-genen als auch mestizischen Bevölkerungbekannten Konzepten in der traditionellen Me-dizin gehört z.B. das Warm-Kalt-System und

Susto (siehe Kasten 3 und 4).

Viele traditionelle Behandlungsweisen verrateneine sehr gute Kenntnis von Anatomie, (Heil-)Botanik und Neurologie. So sind die Tucanos

des kolumbischen Amazonastieflands in derLage geistige Aktivitäten im Gehirn korrekt zuverorten (REICHEL-DOLMATOFF, 1997).

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Indigene Völker und Gesundheit

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Moderne und traditionelle Medizin werden vonden Indigenen weniger als Konflikt empfundensondern als verschiedene Optionen. Auf mo-derne Medizin wird gerne bei akuten Erkran-kungen und Unfällen zurückgegriffen, währendz.B. bei chronischen Erkrankungen eher dietraditionelle Medizin geschätzt wird. Was letzt-lich als effektive Behandlung beurteilt wird,hängt vom Krankheitsverständnis ab. Als Ent-scheidungskriterien treten Vertrauen, Sym-

ptome, räumliche Distanz, erwartete Effektivitätund Geld in den Vordergrund. Die Bedeutungder Kosten für eine Behandlung ist aber alsEntscheidungskriterium zwischen traditionelleroder Schulmedizin eher gering einzuschätzen,da viele traditionelle Heiler mittlerweile mone-täre Honorare verlangen (KNIPPER, 2000,2001) bzw. auch bei nicht monetärer Bezah-lung nicht mehr “billig“ sind.

Kasten 3: Das Warm-Kalt-System in Lateinamerika – ein Konzept der ausgewogenen Elemente

Das Warm-Kalt-System ist ein Konzept innerhalb der traditionellen Medizin, das mit kulturellen und regionalen

Unterschieden in ganz Mittel- und Südamerika zu finden ist. Grundsätzlich kann es als eine Art Harmonielehre

nach dem Prinzip der ausgewogenen Elemente verstanden werden. Die Einteilung in Warm und Kalt ist ein we-

sentliches Merkmal der indigenen Kultur und bezieht sich auf eine Gruppierung verschiedener Substanzen (Nah-

rungsmittel, Pflanzen etc.). Warm und Kalt ist dabei die Benennung einer Energie, deren Komponenten sich ge-

genüberstehen, einander ergänzen bzw. zu einer Ausgewogenheit führen. Diese Lebensenergie muss vom Men-

schen ausgelotet werden, da eine Störung des Gleichgewichts zu Krankheit bzw. Missbefinden führt. Das Warm-

Kalt-System ist Teil einer komplexen Weltanschauung. Als Verursacher kalter Krankheiten gelten u.a. Wasser,

Geburt, Menstruation, Mond oder Regenbogen. Verursacher warmer Krankheiten sind u.a. Sonne, Schadenszau-

ber oder unausgewogene Ernährung.

Kasten 4: “Susto“, der Seelenverlust

Susto ist als Erkrankungskonzept in Süd- und Mittelamerika weit verbreitet und wird mit dem Warm-Kalt-System

in Verbindung gebracht, d.h. es handelt sich ebenfalls um ein Ungleichgewicht. Susto  bedeutet Schreck oder

Erschrecken, was auf die Ursache der Krankheit verweist. Auch der natürliche Schreck als Folge von Unfällen,

 Albträumen und der Schreck nach der Begegnung mit Geistwesen jeglicher Art kann diese Erkrankung bewirken.

Ein Schreck kann zum Seelenverlust bzw. zur Abwesenheit der Seele des Kranken führen. Symptome der Er-

krankung umfassen Schwäche, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Depression, Unruhe, Fieber, epileptische Anfälle.

Susto kann auch zum Tod führen. So vielfältig die Symptome und Auslöser der Krankheit sind, genauso vielfältig

sind die Behandlungsmethoden: z.B. Zurückrufen der Schattenseele, Opfer an die Geister, die die Seele gefan-

gen haben, Massagen, Bestreichen des Körpers mit rituellen Gegenständen und Pflanzen, Schwitzen bis hin zum

erneuten Erschrecken des Kranken. Deutungsversuche im Sinne schulmedizinischer Kategorien sind schwierig.

Die Bedeutung traditionell verwendeterHeilpflanzen

Bei den meisten indigenen Völkern habenHeilpflanzen und das Wissen um ihre Anwen-dung immer noch eine hohe Bedeutung für die

Gesundheitsversorgung. Die traditionell ver-

wendeten Naturheilmittel sind nicht nur billigerals moderne Medikamente sondern stellen inabgelegenen ländlichen Gebieten oft die einzig

verfügbare Medizin dar (GTZ, 2001). In dertraditionellen Medizin der Quichua des Ama-zonasgebietes in Ecuador beispielsweise ha-ben viele Personen Kenntnisse und Fertigkei-ten von der jeweils älteren Generation erlernt,die ihnen ermöglichen allgemeine Krankheitenwie Kopfschmerzen, Fieber und Erbrechen mitHilfe von Medizinalpflanzen zu lindern oder zuheilen. Darüber hinaus gibt es auch noch Spe-zialist/innen mit besonderen Heilpflanzen-

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Indigene Völker und Gesundheit

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kenntnissen, die mehr als 70 Pflanzenspezieseinzusetzen wissen (BORGTOFT ET AL., 1999).Heute werden viele Heilpflanzen bzw. derenInhaltsstoffe, die ihre ursprüngliche Verwen-dung in indigenen Kulturen haben, wie z.B. dasCurare (Strychnos toxifera) oder der Chinarin-denbaum (Cinchona officinalis), weltweit er-folgreich eingesetzt und von der Pharmain-dustrie vermarktet. Insbesondere die überGenerationen gesammelten Pflanzenkennt-nisse indigener Spezialisten (z.B. Schamanen)sind für Ethnobotaniker und die pharmazeuti-sche Industrie interessant und versprecheneine wesentlich höhere Trefferrate bei derEntdeckung neuer Wirkstoffe (vgl. REINHARDT,

2002; siehe auch ROSSBACH DE OLMOS  in die-sem Band).

Foto: Eine Shuar-Frau zeigt eine von ihr verwendeteHeilpflanze (S. REINHARDT)

In Chile hat die GTZ im Auftrag des BMZ einProjekt von Mapuche-Frauen zur Wiederge-winnung und zur Bewahrung des Wissens vonKräuterfrauen (Yerbareras), Hebammen (Par-

teras), Medizinfrauen und -männern (Machi )

über traditionelle Medizin und Heilmittel, dieaufgrund des starken Einflusses westlicherKultur immer weiter verloren geht und immer

weniger angewendet wird, unterstützt. DasProjekt leistet einen Beitrag zur Erhaltung dertraditionellen Kultur und zur Verbesserung dermedizinischen Situation in den indigenen Ge-meinden. Die Wiederbelebung traditionellerHeilmethoden kann die Bevölkerung für dieBehandlung einiger Krankheiten unabhängigvon der staatlichen medizinischen Versorgungmachen. Die chilenische Regierung hat in denletzen Jahren das staatliche Gesundheitsnetzauch in die entlegenen ländlichen Gebiete derMapuche ausgeweitet. Bisher bieten dieseEinrichtungen jedoch den Mapuche selten eineadäquate Behandlung, die ihrer kulturellenDenkweise entspricht. Behandlungen können

oft nicht durchgeführt werden, da viele Mapu-che keine dazu nötige Krankenversicherunghaben bzw. ihnen die finanziellen Mittel fehlen.Diese Situation macht es notwendig, auf lokaleHeilmethoden zurückzugreifen, und eine Ver-bindung und einen Austausch zwischen demstaatlichen Gesundheitswesen und den Kennt-nissen traditioneller Medizin herzustellen. Vieleder Hilfe suchenden Kranken würden keinen Arzt benötigen, wenn sie mit einer verbesser-ten Grundhygiene und mit natürlichen Heilmit-

teln den Krankheiten begegnen könnten.

 Auch im Rahmen des TZ-Projektes “Förderungdes lokalen Wissens zum Erhalt der Biodiver-

sität und zur Ernährungssicherung aus derGender-Perspektive“ in Peru wurde das traditi-onelle Wissen zur Heilung von Krankheiten

durch Pflanzen gestärkt. Ergebnisse des Pro- jektes konnten in die nationale Politik einflie-ßen und tragen sowohl zum Erhalt als auch zur

 Anerkennung des traditionellen Wissens der

lokalen, meist indigenen Bevölkerung der Pro-vinzen Ayacucho und San Martín (Peru) bei

(GTZ, 2002).

Internationale Ansätze zum Themaindigene Gesundheit

Das grundlegende Dokument für die Rechteindigener Völker ist zweifellos die Konvention169 der Internationalen Arbeitsorganisation(ILO) von 1989 (siehe auch SPEISER in diesem

Band). Artikel 24, 25 und 30 nehmen Bezugzum Thema Gesundheit indigener Völker. Die

Unterzeichnerstaaten werden aufgefordert,

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Indigene Völker und Gesundheit

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ihre Gesundheitsdienste progressiv so auszu-richten, dass auch die indigene Bevölkerungerreicht wird. Die Gesundheitsdienste sollenkulturell angemessen und möglichst auf Ge-meindeebene unter partizipativer Einbeziehungder Bevölkerung entwickelt werden, wobeiihrer traditionellen Gesundheitsvorsorge, ihrenHeilverfahren und -mitteln Rechnung getragenwerden soll.

 Auch durch die UN-Dekade für indigene Völker(199-2004) bei der Gesundheit ein Pro-grammschwerpunkt bildete, bekam das Thema Aufschwung.

Die WHO (World Health Organisation der UN)

entwickelt ein Aktionsprogramm “Indigene undGesundheit“, dessen Ziel die Bekämpfung derUngleichbehandlung indigener Völker im Ge-sundheitsbereich ist. Die prekäre Gesund-heitssituation indigener Völker soll in denWHO-Programmen auf nationaler, regionalerund globaler Ebene aufgegriffen werden.2

Weiterhin hat die WHO eine Strategie zu tradi-tioneller Medizin (2002-2005) entwickelt. Zieldieses Dokumentes ist es, u.a. die Bedeutungtraditioneller Medizin in Gesundheitssystemen,

aktuelle Möglichkeiten und Änderungen sowiedie Rolle und Strategie der WHO zu traditio-neller Medizin für die kommenden Jahre zudiskutieren.

 Auch die Panamerikanische Gesundheitsorga-nisation PAHO hat das Thema vertieft und fürden Gesundheitsbereich auf dem lateinameri-kanischen Kontinent ein umfassendes Konzeptfür die besondere Förderung indigener Ge-meinschaften entwickelt. Aufgrund der Emp-

fehlungen der “Sitzung von Winnipeg“, Ka-nada, im Jahre 1993 ist die Initiative “Gesund-heit indigener Völker“ entstanden. Sie orientiertsich an den Prinzipien (PAHO, 1993):

1. Ganzheitliches Gesundheitsverständnis

2. Recht der indigenen Völker auf Selbstbe-stimmung

3. Respekt und Wiederbelebung der indige-nen Kulturen

4. Reziprozität der Beziehung

2  Das Programm ist nicht veröffentlicht, kann aberauf Anfrage bezogen werden (siehe auch unterwww.gtz.de/indigenas).

5. Recht auf systematische Einbeziehung derindigenen Völker

Die aktuelle Umsetzung erfährt diese Politik indem strategischen Arbeitsplan 1999-2002:

"Marco estratégico y plan de trabajo 1999-2002: Salud de los Pueblos Indígenas". DasZiel der PAHO und ihrer Partner ist es, denZugang zu Basisgesundheitsdiensten, und dieVersorgung indigener Völker zu verbessern.Die drei Hauptkomponenten des Aktionspro-gramms sind: a) Entwicklung von Gesund-heitsplänen mit indigenen Gemeinschaften inausgewählten Ländern; b) Entwicklung vonProjekten, um die dringendsten Gesundheits-

probleme besonders gefährdeter indigener

Gruppen anzugehen und c) Unterstützung undStärkung traditioneller Medizin.

 Auch die Erreichung der UN Millennium Deve-lopment Goals (4) "Senkung der Säuglings-sterblichkeit", (5) "Verbesserung der Gesund-heit von Müttern" und (6) "Bekämpfung vonHIV/ Aids, Malaria und anderen Krankheiten"dürfte in einigen Ländern Lateinamerikas wieGuatemala, Bolivien, Peru und Ecuador ohneeine wirkungsvolle und speziell auf Indigene

ausgerichtete Gesundheitspolitik sehr schwie-rig werden.

Staatliche Gesundheitspolitik undGesundheitsdienste

Vom Staat eingerichtete Gesundheitspostengibt es in indigenen Gemeinden eher seltenund wenn sie vorhanden sind, dann oft nur mitspärlicher Ausstattung. Auch das qualifizierteangestellte Personal ist nicht permanent an-

wesend. Viele der eingesetzten Ärzte sindBerufsanfänger, die ihr praktisches Jahr absol-vieren und manche empfinden die Arbeit mitIndigenen als Bestrafung. Oft sind sie nur we-nig oder überhaupt nicht mit der indigenenSprache und den Gebräuchen der Bevölke-rung vertraut und schlimmstenfalls mit starkenVorurteilen behaftet. Im Rahmen von staatli-chen Gesundheitsprojekten werden aber auchspeziell indigene Gemeindemitglieder mitschulmedizinischen Grundkenntnissen ausge-

bildet und praktizieren als Dorfgesundheitsar-beiter.

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In großen, von indigener Bevölkerung be-wohnten Regionen sind traditionelle Heiler undHebammen die einzigen Experten, die Ge-sundheitsdienstleistungen anbieten. Kampag-nen zur Abwertung und Illegalität traditionellerHeilmethoden bei gleichzeitiger unzureichen-der Präsenz und Qualität von staatlichen Ge-sundheitsdiensten tragen zur Verwirrung undzur chronischen Unterversorgung der indige-nen Patienten bei. In Peru z.B. lautet § 290des Strafgesetzbuches: “Derjenige, der nichtüber den entsprechenden (akademischen)Titel verfügt und Diagnosen oder (die Gesund-heit betreffende) Gutachten erstellt und ir-gendwelche Mittel zur Erlangung der Gesund-

heit verschreibt oder verabreicht (und sei eskostenfrei), soll mit bis zu 2 Jahren Freiheits-strafe oder 20 bis 50 Tagen gemeinnütziger Arbeit bestraft werden (…)“ (Übersetzung K.Heising). Dieses Gesetz wird zwar in den Ge-bieten mit mehrheitlich indigener Bevölkerungnicht angewandt, steht aber einer konstrukti-ven indigenen-orientierten Gesundheitspolitikim Weg. Auch in Ecuador ist das traditionelleMedizinsystem rechtlich nicht anerkannt unddamit illegal, es wird jedoch vom Staat gedul-

det (BUÍTRON, 1999).

Teilweise haben auch sehr aggressive Kam-pagnen im Bereich reproduktiver Gesundheit

stattgefunden, die das Vertrauen der indigenenBevölkerung in die staatlichen Gesundheits-dienste gebrochen haben: In einigen Ländern

wurden systematisch Zwangssterilisierungenbei indigenen Frauen durchgeführt (v.a. Peru1995-1998, aber auch Mexiko). Viele Indigene

hatten bei anstehenden Impfkampagnen Angst

vergiftet oder sterilisiert zu werden, so dass siesich und vor allem ihre Kinder versteckten.

Positive Ansätze einer auf die indigene Bevöl-kerung zugeschnittenen staatlichen Gesund-heitspolitik sind u.a. in Panama, Chile undBrasilien sichtbar:

Panama: In den autonomen Indigenen-Ge-bieten (Comarca) von Ngöbe-Bugle arbeitentraditionelle Heiler und Hebammen mit denstaatlichen Gesundheitsdiensten zusammen.

1999 hat das Gesundheitsministerium denBereich "Indigene Gesundheit" gegründet undversucht, Ansätze einer interkulturellen Ge-

sundheitspolitik umzusetzen. Die Verwaltunghat sich zum Ziel gesetzt, die traditionelle undmoderne Medizin zu harmonisieren und zufusionieren. Den traditionellen Heilern undHebammen wird in diesem Rahmen innerhalbihres Aufgabenbereichs das Recht zugestan-den, zu diagnostizieren, zu behandeln undMedizin zu verabreichen. Einer effektiven Zu-sammenarbeit steht allerdings im Wege, dassdie staatlichen Dienste wenig von den Be-handlungs- und Wirkungsweisen, Effektivität,Grenzen und Möglichkeiten der traditionellenMedizin wissen. Umgekehrt fehlt den traditio-nellen Experten wiederum das Wissen über dieSchulmedizin (PAHO, 2002a).

Chile: Seit 1999 steht in der IX. Region dasMakewe-Pelale Hospital erfolgreich unter der

Verwaltung der gleichnamigen indigenen Or-ganisation. Im Einzugsgebiet des Krankenhau-ses leben etwa 16 000 Mapuche. Das gesamte

Personal spricht die Sprache der Mapuche,und beherrscht sowohl die traditionelle alsauch die moderne Medizin. Die Behandlung

orientiert sich an der Tradition der Mapuche:Empfang, Ablauf des Patientengesprächs,

Diagnose, Behandlung mit moderner odertraditioneller Medizin oder komplementär,Überweisung an Fachärzte oder Machi   etc..Die Zusammenarbeit der beiden Behandlungs-

systeme scheint gut zu funktionieren, wenn esauch Barrieren gibt: Den Schulmedizinern fälltes schwer, zu verstehen, dass die Machi   mit

übernatürlichen Kräften in Verbindung stehen,sie gestehen aber ein, dass bei Patienten, dievon den Machi behandelt werden, Erfolge er-

zielt werden, und dass diese heilen können

(PAHO, 2002b).

Brasilien: 1999 wurde die Zuständigkeit für dieGesundheit der indigenen Bevölkerung lan-desweit der Nationalen Stiftung für GesundheitFUNASA (Fundação Nacional de Saúde)übertragen. Das Programm von FUNASA zieltauf die Einrichtung von speziellen indigenenGesundheitsdistrikten (DSEI) und auf die Aus-bildung und Untervertragnahme von Gesund-heitspersonal indigener Herkunft, fördert den

interinstitutionellen und partizipativen Ansatz,und versucht die Vorstellungen von Gesund-heit und Krankheit und Behandlungsmethoden

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Indigene Völker und Gesundheit

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der jeweiligen Völker zu berücksichtigen (FU-NASA, 2004).

Ansätze indigener Organisationen

Obwohl politische Themen wie Landrechte,Menschenrechte und Bürgerrechte bei den

Indigenen-Organisationen klare Priorität ha-ben, haben einige Organisationen in den1990er Jahren angefangen, sich für das

Thema Gesundheit in den indigenen Gemein-den einzusetzen. Die Organisationen des Amazonastieflandes AIDESEP (Asociación

Interétnica de Desarrollo de la Selva Peruana)in Peru, OPIAC (Organización de los peublosindígenas de la Amazonia Colombiana) in

Kolumbien und COIAB (Coordenação dasOrganizações Indígenas da Amazônia) in Bra-silien haben eigene Gesundheitsprogramme

entwickelt und beziehen konstruktiv Stellung.Ihnen ist gemeinsam, dass sie eine Reform derstaatlichen Gesundheitsdienste und die Zu-

sammenarbeit mit ihnen vorschlagen. DasProgramm Indigene Gesundheit (PSI) von AIDESEP (2004) umfasst:

1. “Wiederherstellung und Weiterentwicklung

der indigenen Medizin als eine der Grund-komponenten der Kultur und menschlicherund materieller Ressourcen sowie spiritu-eller, magischer und anthropologischer Aspekte

2. Annäherung der wirkungsvollen Beiträgeder westlichen Medizin an die indigenenGesundheitssysteme

3. Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsmi-nisterium um Epidemienkontrolle, Impf-

und andere Gesundheitskampagnen zuunterstützen

4. Vorschlag an das Gesundheitsministeriumzur Einrichtung eines interkulturellen ama-zonischen Gesundheitsinstitutes“

Schlussbemerkung

Respekt für die kulturelle Diversität und ein

tiefes Verständnis der unterschiedlichen Be-dürfnisse, sind nach Ansicht der PAHO3

Schlüsselelemente um die Gesundheitssitua-

3 Internetveröffentlichung.http://www.paho.org/English/DD/PIN/pr040809.htm

tion der indigenen Bevölkerung nachhaltig zuverbessern. Insbesondere EZ-Vorhaben dieeine Zusammenarbeit der lokalen Bevölke-rung, traditionellen Heilern, Hebammen mitden staatlichen Gesundheitsdiensten fördernund somit dazu beitragen eine indigenen-ori-entierte Gesundheitspolitik in den jeweiligenStaaten zu verankern und umzusetzen, sind indiesem Kontext von besonderer Wichtigkeit.Dabei sollte auch an der Schaffung von (ge-setzlichen) Rahmenbedingungen mitgewirktwerden, die eine Zusammenarbeit von indige-nen Gesundheitssystemen und der Schulme-dizin fördern. Meist werden indigene Gesund-heitssysteme und Schulmedizin als schwer

kompatibel betrachtet. Es gibt jedoch Beispieledafür, dass durch eine komplementäre Be-handlung bessere Heilerfolge erzielt werdenkönnen. Dabei ist es unverzichtbar, dasssowohl die traditionellen Heiler als auch dasstaatliche Personal die Grundzüge, Methoden,Behandlungsweisen, Möglichkeiten und Gren-zen des jeweils anderen Systems kennen unddieses respektieren. Es sollte im Rahmen derbilateralen EZ auf beiden Seiten (Staat – Indi-gene) angesetzt werden. Zur Durchführung

spezifischer Gesundheitsprojekte in der EZsind sehr gute Kenntnisse der lokalen Ziel-gruppe und ihres Gesundheitssystems unab-dingbar. Es wäre wünschenswert, dass dieseInformationen und Daten zunehmend zurVerfügung stehen bzw. erhoben werden undinsbesondere auch weitere Methodenkompe-tenz geschaffen und vermittelt werden.

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Indigene Völker und Gesundheit

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

K ARIN M ARITA N AASE, HEIDI FELDT & SILKE SPOHN

Indigene Völker in Lateinamerika haben ange-passt an ihre jeweilige Umwelt vielfältige Pro-duktions- und Reproduktionsmuster entwickelt.Ihre Integration in die nationalen Wirtschafts-systeme ist unterschiedlich stark ausgeprägt.Ihre wirtschaftlichen Aktivitäten reichen vomBrandrodungsfeldbau in (tropischen) Waldge-bieten und Viehzucht in den Hochplateaus der Anden, über kleinbäuerliche Landwirtschaft bis

zu Lohnarbeit und Handel in den Städten. Auf-grund dieser Vielfalt gibt es nicht die Wirtschaftindigener Völker in Lateinamerika und es mussstatt im Singular im Plural von Wirtschaftengesprochen werden.

Wirtschaftsethnologen unterschieden zwischenindigener oder ethnischer Wirtschaft und denmarktorientierten Wirtschaftsformen und –akti-

vitäten einer eher unternehmerischen indige-nen Bevölkerung. Für die Wirtschaftsethnolo-

gen ist indigene Wirtschaft ein kulturelles Re-gelsystem, das weitgehend unabhängig vonMarktprinzipien funktioniert. Indigene Wirt-schaft existiert heutzutage in den wenigsten

Fällen in Reinform. Ihre Aktivitäten sind in so-ziale und politische Beziehungen und Interakti-onen eingebettet und es gibt keine ausge-

prägten eigenen wirtschaftlichen Institutionenund Einheiten (POLANYI, 1979; PLATTNER,1989; N AASE, 1998). Außerdem gibt es keinemonetäre Lohnarbeit innerhalb dieses Systemsund die Akkumulierung von Besitz in den Hän-den einiger weniger ist weitgehend ausge-schlossen. Besitzunterschiede innerhalb einerGruppe kann es zwar geben, doch existierenzahlreiche Mechanismen, die diese Unter-schiede nivellieren. Von den Personen, dieüber größeren Besitz als die Mehrheit verfü-gen, wird Großzügigkeit gegenüber den ande-ren Gruppenmitgliedern erwartet.

Die Sozialeinheiten wie der Haushalt oder die

erweiterte Familie sind in ein Netzwerk vonverwandtschaftlichen Beziehungen eingebun-den, das die Mitglieder dieses Beziehungsnet-

zes unterstützt. Zur Aufrechterhaltung diesesNetzes ist der konstante Austausch von Güternund Leistungen notwendig. Der wechselseitige Austausch von Gütern und die Beantwortungvon Leistungen wird als Reziprozität bezeich-net, da es sich um Transaktionen handelt, dieauf Gegenseitigkeit basieren.

Die mehr oder weniger intensive Integration in

den Markt und in die jeweilige Nationalgesell-schaft hat bei den indigenen Völkern zu einerReihe von Anpassungsproblemen geführt. Die

Marktmechanismen stellen die vorhandenemoralische Ordnung der indigenen Gruppeinfrage. So funktionieren zum Beispiel die

 Austauschregeln nicht mehr in vollem Masseund torpedieren das gute Funktionieren derGemeinschaft (ENSMINGER, 1990; N AASE,

2001). Fortschreitende Integration in den Marktführt zum Widerspruch zwischen Werten und

Normen der indigenen, vorrangig auf Sub-sistenz orientierten Wirtschaft und den Werten,Normen und Regeln der Marktwirtschaft. Diesführt zum Beispiel in Amazonien zu einer ge-

wissen Orientierungslosigkeit bei der indigenenBevölkerung (COICA, 1996)1. Andere indigeneVölker, z.B. in Zentralamerika, scheinen die

unterschiedlichen Logiken besser miteinanderkombinieren zu können (Z ARATE, 2002).

In diesem Beitrag wird – beispielhaft – die ak-

tuelle wirtschaftliche Situation der indigenenVölker, ihre Wirtschaftweisen und Vorstellun-gen sowie die nationale Wirtschaftspolitik ein-zelner Staaten und ihre Beachtung der Indige-nen dargestellt. Daran schließt sich die Fragean, was die multi- und bi-laterale Entwick-lungszusammenarbeit in diesem Zusammen-hang leisten kann und ob eine gezielte Unter-

 1  Eigentlich: Coordinadora de las OrganizacionesIndígenas de la Cuenca Amazónica (COICA) &OXFAM América (1996) Amazonía: Economíaindígena y mercado. Los desafíos del desarrolloautónomo, Quito. Um die Zitierung zu vereinfachenin Zukunft immer unter COICA 1996 aufgeführt.

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

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stützung indigener Wirtschaftsprojekte sinnvollist. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf derSituation der indigenen Gemeinschaften, die in

ländlichen Regionen leben (zur Situation derstädtischen indigenen Bevölkerung siehe auchSPEISER in diesem Band).

Foto: Bearbeitung des Rohkaffees in Panama (S. SPOHN)

Die wirtschaftliche Situation derindigenen Völker in Lateinamerika

Indigene Völker in Lateinamerika leben in Re-gionen mit sehr unterschiedlichen Ökosyste-men, die ihre Wirtschaftsweisen maßgeblichbestimmen.

 Amazonien

Es ist für die indigenen Völker der Amazonas-region charakteristisch, dass sie relativ egalitäraufgebaut sind, solange sie nur marginal in dieNationalgesellschaft und in den Markt integriertsind. Produktion, Verteilung und Konsum sinddezentralisiert und es bestehen keine formalen(Wirtschafts-) Institutionen.

Ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zur Sub-

sistenzsicherung setzen sich aus mehrerenTätigkeitsfeldern zusammen: Die wichtigste

Grundlage für die Nahrungssicherung bildetbei den meisten Völkern der Brandrodungs-feldbau. Weitere Tätigkeitsbereiche sind Jagd,

Sammeln und der Fischfang, wobei Jagd weit-gehend von Männern und Sammlertätigkeitenvon Frauen betrieben werden. Was gesammelt

wird (Früchte, Wurzeln, Insekten, Larven)richtet sich nach den jeweiligen Umweltgege-benheiten. Einige Völker sammeln Honig, der

mittlerweile sowohl national als auch internati-onal nachgefragt ist. Die indigene Landwirt-schaft Amazoniens nutzt eine große Vielfaltvon Pflanzen. In den Hausgärten wurden biszu 50 verschiedene Sorten vorgefunden. Auchist die Variantenbreite bei ein und derselbenPflanzenart sehr groß. Auf einer einzigenPflanzung indigener Produzenten in Acre

(Bundesstaat in Amazonien, Brasilien) hat manrund 40 verschiedene Maniok-Arten vorgefun-

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

den (SCHRÖDER, 2003:35-41). Dieser Arten-reichtum ist jedoch durch zunehmende Markt-orientierung bedroht.

Die meisten Amazonasvölker erwirtschaften

nur sehr geringe Überschüsse für die Ver-marktung, können aber mit ihren Wirtschafts-weisen ihre Nahrungsgrundlage sichern, so-lange ihnen ein ausreichendes Territorium2 zu

Verfügung steht. Nachhaltige Reproduktions-zyklen sind in der Amazonasregion in größe-rem Umfang erhalten geblieben als in anderen

Regionen. Das Ziel der Ökonomien der indige-nen Völker im Amazonas definiert SMITH  (inCOICA 1996:154) wie folgt:

Befriedigung der Bedürfnisse des täglichenLebens der lokalen Gemeinschaften wieErnährung, Kleidung, Werkzeuge und kul-turell bedingte Bedürfnisse,

Reproduktion der (erweiterten) Familie,

Durch den Tausch von Waren Solidaritäts-beziehungen innerhalb der (Dorf-) Ge-meinschaft und mit anderen Ansiedlungenzu knüpfen und zu festigen.

In den meisten Regionen des Amazonas be-

steht heute eine Verflechtung zwischen Sub-sistenz- und Marktwirtschaft, wobei der Zu-gang zu den Märkten oft über Zwischenhändler

erfolgt. Diese bestimmen Preis und Abnah-memenge der Produkte.

Der ökonomische Druck, der von außen aufdie Amazonasregion ausgeübt wird, hat sich inden letzten 50 Jahren enorm verstärkt. Holz-einschlag, Bergbau und Erdölförderung über-lagern die indigenen Wirtschaftsweisen undverursachen einen Bruch mit den traditionellenFormen der Ernährungs- und Lebenssiche-rung. Möglichkeiten eigene Alternativen zuentwickeln, die ihren Kulturen und Wirt-schaftsweisen entsprechen, bestehen kaum.Die extraktive Industrie zerstört die Jagd-,Fisch- und Sammelgebiete, schafft aber an-derseits kaum alternative Beschäftigungs- undEinkommensmöglichkeiten für Indigene3.

 2  Zur Bedeutung der Territorialfrage für indigene

Völker siehe R ATHGEBER in diesem Band3 Zu den Auswirkungen der extraktiven Industrie aufindigene Völker siehe FELDT in diesem Band

Ein anderes gravierendes Problem, mit demdie indigenen Völker konfrontiert sind, ist die Ausweitung des Drogenanbaus (vor allemKoka und Schlafmohn). Dieser hat zu weitrei-chenden sozialen, wirtschaftlichen und kultu-

rellen Veränderungen in der Regionen geführt.In Bolivien sind zum Beispiel arbeitslose Mi-nenarbeiter und verarmte Bauern aus der An-denregion in das Amazonastiefland abgewan-dert und haben dort Beschäftigung im Anbauvon Koka und deren Verarbeitung gefunden(LEHM, 2002:10). Die Migranten stehen in di-rekter Konkurrenz zu der lokalen Bevölkerungund die einseitige Ausrichtung auf Drogenan-bau führt zur Vernachlässigung des Anbaus

von Nahrungsmitteln, was zu Engpässen beider Eigenversorgung führt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,ob die indigenen Völker in Amazonien durchMarktintegration verlieren. Im Prinzip bejahtSCHRÖDER diese Frage für Brasilien. Er kommtzu dem Ergebnis, dass bis jetzt noch kein Fallfür Amazonien einer erfolgreichen und nach-haltigen Marktintegration dokumentiert ist.(SCHRÖDER, 2003:76f). Die Koordination derindigenen Organisationen des Amazonasbe-ckens (COICA) hat in einer Studie über “indi-gene Ökonomien und Markt“ zehn Projekteindigener Völker in Brasilien, Bolivien, Peru,Ecuador und Kolumbien untersucht (COICA,1996) und kommt zu dem Schluss, dass die Amazonasvölker sich sehr schnell auf eineverstärkte Marktintegration hinbewegen undaber kaum eine wirkliche Vorstellung habenwie die Marktmechanismen funktionieren. Dieuntersuchten Projekte zeigten kaum langfris-

tige Entwicklungsperspektiven und schienendem Wunsch zu entsprechen “de lograr ac-ceso a los regalos  de generosas  agenciasextranjeras de financiamiento, antes que a unintento de encontrar una relación viable y du-radera con el mercado“ (COICA, 1996:225)

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

Die Andenregion

Ungefähr 20 Mio. Indigene4, die mehrheitlich

den Aymara und Quechua angehören, leben inden Anden. Sie sind meist Kleinbauern oder

landwirtschaftliche Lohnarbeiter, wobei diemeisten nur saisonal beschäftigt sind. IhreWirtschaftstruktur unterscheidet sich kaum vonder anderer Kleinbauern im Hochland Latein-

amerikas. Im Gegensatz zu den Tieflandvöl-kern sind sie bereits seit langem ein Teil desnationalen Wirtschaftssystems - allerdings

unter schlechten Bedingungen. Die meistenIndigenen in der zentralandinen Region lebenvon dem, was die kargen Böden bis auf über

4000 m Höhe hervorbringen. Aus den fruchtba-

ren Tälern wurden sie bereits in der Kolonial-zeit verdrängt. Wichtigstes Grundnahrungs-mittel ist die Kartoffel, die es dort in 650 Va-rietäten gibt. Laut MÜNZEL  betreiben diezentralandinen Indigenen eine Landwirtschaft,die an “Diversifikation und Produktivität deraller anderen amerikanischen Ureinwohnerüberlegen ist“. (MÜNZEL, 1985:92). Doch trotzdieser ausdifferenzierten Subsistenzwirtschaftist die materielle Lage der indigenen Bauern inden Zentralanden schlecht. Gründe dafür sindunter anderem:

Ungenügender Zugang zu landwirtschaft-lich nutzbarem Land;

Bodenerosion und Versteppung weiterFlächen aufgrund der Übernutzung derBöden, schwer zu bewirtschaffende Flä-chen können nicht weiter bearbeitet wer-den;

Schlechte Marktanbindung und Transport-infrastruktur, Probleme der Lagerhaltung,niedrige Preise für landwirtschaftliche Pro-dukte;

Zu wenig alternative Einkommensmöglich-keiten außerhalb der Landwirtschaft.

Um das Überleben der Familien zu sichern,

migrieren einzelne Familienmitglieder in dieStädte, in andere landwirtschaftliche Regionenoder in die Nachbarländer, zum Beispiel im

4  Es gibt unterschiedliche Angaben zum Anteil derindigenen Bevölkerung in den einzelnen Ländern.Siehe dazu die Tabelle im Anhang.

Falle der Bolivianer nach Argentinien. Frauenund Mädchen arbeiten meist als Hauspersonaloder in anderen Bereichen des informellenSektors in den Städten, Männer suchen eherauf den Plantagen oder auf dem Bau nach

einer Beschäftigung. In der Andenregion selbersind Einkommensmöglichkeiten außerhalb derLandwirtschaft sehr gering.

Das Beispiel Bolivien

Die Mehrheit der bolivianischen Bevölkerungist indigen. Trotzdem ist dieser Bevölkerungder Zugang zu wirtschaftlichem und sozialem Aufstieg meist verwehrt. 45% der indigenenBevölkerung lebt in Städten, 55% in ländlichen

Regionen. Die ärmsten Provinzen sindzugleich die Regionen mit dem höchsten Anteilindigener Bevölkerung. Ein Grund für die Ar-mut ist die ungleiche Landverteilung, die denkleinbäuerlichen Familienbetrieben kaum dieSubsistenz ermöglicht. 27% der landwirtschaft-lichen Einheiten umfassen weniger als 0,66 haund 43% sind nicht größer als zwei ha. Nur26% der landwirtschaftlichen (Klein-) Betriebehaben Zugang zu Krediten. Der Staat hat sichaus der Vergabe von (Agrar-) Krediten weitge-

hend zurückgezogen und überlässt Kreditin-stituten, die von NROs betrieben werden, die Aufgabe Kleinkreditprogramme durchzuführen.

Das Beispiel Ecuador

Wie in Bolivien ist auch in Ecuador die indi-gene Hochlandbevölkerung vor allem landwirt-schaftlich tätig und der Zugang zu der Res-source Land bleibt auch in absehbarer Zukunftein wichtiger Faktor für die ökonomische Ent-

wicklung. Allerdings haben die wenigsten Fa-milien genügend Land zur Verfügung, da auchin Ecuador die indigenen campesinos an dieerosionsbedrohten Hanglagen der Anden ver-drängt wurden. Außerdem werden die kleinenFelder wegen des hohen Bevölkerungsdruckes(Erbteilung) immer weiter geteilt. 1998 lebten85,8% der indigenen ländlichen Bevölkerungunter der Armutsgrenze5 (WELTBANK, 2004).

5 Armutsgrenze ist hier definiert als ein monatliches

Pro Kopf Einkommen von 48,30 US$ bzw. unter 243$ pro Haushalt und dem mangelhaften Zugang zusozialen Dienstleistungen.

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

 Arbeitsweise und Strategien zur Überlebenssi-cherung der indigenen Hochlandbauern inEcuador sind ähnlich wie in Bolivien. Unterdiesen Rahmenbedingungen gibt es wenigMöglichkeiten für die (indigenen) Kleinbauern

ihre Produktion und Produktivität zu erhöhen.Der Zugang zu mehr und fruchtbarerem Landund zu einer besseren Markteinbindung sindwichtige Voraussetzungen, um die Armut zuüberwinden. Allerdings ist das Entwicklungs-potenzial in der Landwirtschaft auch bei besse-ren Voraussetzungen begrenzt.

Beispiele für eine erfolgreiche Markteinbindungsind bisher eher rar. Das Volk der Otavaleñoshat ein eigenes erfolgreiches Produktions- undVermarktungssystem für indigene Textilien undKunsthandwerk aufgebaut. Dieses Beispiel

lässt sich nicht beliebig reproduzieren, da derMarkt für indigenes Kunsthandwerk ein Ni-schenmarkt ist und die Voraussetzungen inanderen Regionen bei anderen indigenen Völ-kern unterschiedlich sind.

Foto: Verkauf von Chacaras (traditionellen Netztaschen aus Naturfasern) in Panama (K. LECKEBUSCH)

Zentralamerika und Mexiko

In Zentralamerika leben in den Staaten Gua-temala und Nicaragua die meisten Angehöri-gen indigener Völker. Mexiko hat mit ca. 12Mio. in absoluten Zahlen die größte indigeneBevölkerung Lateinamerikas. Der heutige Ein-druck von relativem sozialen Gleichgewicht

indigener Gemeinden in Mexiko resultiert inerster Linie aus den wirtschaftlichen Möglich-

keiten der Migration in die USA und der damiteinhergehenden finanziellen Unterstützung vonFamilienmitgliedern, die in Mexiko geblieben

sind. Die “traditionelle“, d.h. zumeist subsisten-zorientierte Landwirtschaft überlebt durchTransfers des Staats und durch Zahlungen derMigranten in den Städten und in den USA(Z ARATE, 2002:10ff).

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

Das Beispiel Guatemala

Die Wirtschaft Guatemalas basiert auf der

 Agrarproduktion für den Export und den Ei-genbedarf. Hauptprodukte sind Kaffee, Zucker-

rohr, Bananen, Baumwolle und seit den 1980erJahren sogenannte ‚nicht-traditionelle’ Agrar-produkte wie Blumen, Gemüse und Früchte. Auf der Basis dieser nicht-traditionellen Agrar-

produkte hat sich eine Agrarindustrie heraus-gebildet, die für Verarbeitung, Vermarktungund Export der Produkte zuständig ist. Die

kleinen und mittleren Bauern profitieren aller-dings kaum davon.

Die Landbevölkerung und vor allem die indi-gene Bevölkerung ist arm. Fast 60% allerGuatemalteken sind arm. 80% der indigenenBevölkerung Guatemalas leben in Armut und60% in extremer Armut (STEELE, 1994; TOVAR,1999). Der Zugang zu Land ist für die indigeneBevölkerung nach wie vor lebenswichtig undder Landverteilungskonflikt hält an. 1950 wa-ren 17% der Landbevölkerung ohne Land. ImJahre 2000 ist dieser Anteil auf 29% gestiegen(LOPEZ  R AQUEQ & CRISÓSTOMO, 2004). Nachwie vor besitzen 96% der Bauern nur 20% des

Bodens während 4% über 80% des nutzbarenLandes verfügen (STAVENHAGEN, 2003). Indi-gene und andere arme Bauern haben nur Zu-gang zu den schlechtesten Böden, auf denensie vor allem Bohnen und Mais für den Eigen-bedarf, sowie Reis, Sorghum, Kartoffeln undauch Kaffee für den Markt anbauen. Die Kom-merzialisierung der Produkte findet auf denregionalen Marktplätzen statt. In 44 von 331Municipios ist die Ernährung nicht gesichert

(TOVAR, 1999). Zusätzlich zur Subsistenz in

der Landwirtschaft sind indigene und nicht-indigene arme Bauern gezwungen als Wan-

derarbeiter auf Plantagen zu arbeiten oder indie Städte zu gehen, wo sie im informellenSektor arbeiten und ihre Familien auf dem

Land unterstützten. TOVAR  (1999) weist auchnach, dass Indigene bei Arbeiten auf denPlantagen, als Dienstmädchen oder bei ande-

ren Tätigkeiten, nur ein Drittel des üblichenLohnes erhalten.

Erschwerend ist für die indigenen und nicht-indigenen Kleinbauern, die nicht nur für die

Subsistenz anbauen, dass sie kaum Zugangzu Krediten haben. Eine einzige Bank, dieBanrural, vergibt Kredite an Klein- und mittlereProduzenten. Darüber hinaus gibt es kaumZugang zu kommerziellen Krediten für Indi-

gene. Um diesen Mangel zu überwinden, sindin den letzten Jahren in den Gemeinden kleine

bancos comunales  entstanden, die Rotations-fonds aufbauen.

Trotz der Verschmelzung mit anderen Wirt-schaftsformen seit der Kolonialisierung haben

die Maya Teile ihres Weltbildes und ihrer Soli-daritäts- und Austauschbeziehungen unterein-ander erhalten. Letztendlich sind es diese Be-

ziehungen und Netzwerke, die die indigene

Bevölkerung davor bewahren, in die endgültige Armut abzusinken.

Zusammenfassung 

Die indigenen Völker im Amazonasgebiet sindmarginal in die Marktwirtschaft integriert und

üben viele ihrer traditionellen Wirtschaftsprak-tiken (noch) aus. Sie unterscheiden sich in derSicherung ihrer Ernährungsgrundlage deutlich

von den Siedlern, die aus dem Hochland ins

Tiefland abgewandert sind. Demgegenübersind sich die Wirtschaftsweisen und Lebens-

bedingungen der indigenen und nicht-indige-nen armen Landbevölkerung in den Anden undZentralamerikas sehr ähnlich. Zwar leben die

 Aymara, Quichua, Maya und andere indigenenVölker (Teile) ihre Kultur. Ihre Wirtschaftsprak-tiken weisen aber strukturelle Gemeinsamkei-

ten mit denen anderer Kleinbauern in anderenRegionen der Welt auf.

Bei der Frage nach Förderungsmöglichkeitenzur Verbesserung der wirtschaftlichen Situationder indigenen Völker sollte daher unterschie-den werden zwischen dem traditionellen Ma-nagement natürlicher Ressourcen und derTeilnahme der indigenen Bevölkerung an derVolkswirtschaft. Während im Tiefland die Si-cherung der Territorien und ihr Managementsowie der Erhalt der natürlichen Umwelt le-benswichtig sind für die (wirtschaftliche) Ent-wicklung der dort lebenden Völker (PLANT,

2002; siehe auch R ATHGEBER in diesem Band),müssen im Hochland, wo Indigene nicht über

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

ausgedehnte Territorien verfügen, andereMaßnahmen entwickelt werden, um die wirt-

schaftliche Marginalisierung der indigenen undländlichen Bevölkerung zu überwinden.

Wirtschaftliche Entwicklungskonzepte

Konzepte des Staates

Die Institutionen des Staates sind in den länd-lichen Regionen Lateinamerikas meist nurschwach vertreten und in den staatlichen Kon-zepten regionaler Entwicklung haben indigeneVölker bisher kaum eine Rolle gespielt. Diesscheint sich zu ändern.

Beispiele dafür sind das Entwicklungsprojekt

PRODEPINE (Proyecto de Desarrollo de losPueblos Indígenas y Afroecuadorianos), dasder ecuadorianische Staat mit Unterstützungder Weltbank und dem Internationalen Fondsfür landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) zu-sammen mit indigenen und afro-ecuadoriani-schen Organisationen durchführt. Dies ist daserste große Projekt der ecuadorianischen Re-gierung, dass sich gezielt an die indigene Be-völkerung richtet und mit ihnen gemeinsamentwickelt wurde (s.u.).

Ein weiteres Beispiel ist Bolivien. Bolivien hatin den letzten Jahren zusammen mit den inter-

nationalen Verhandlungen zum Schuldener-lass (HIPIC) eine Armutsreduzierungsstrategieentwickelt. In dieser Strategie werden gezielt

Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaft-lichen Situation indigener Völker aufgegriffen.Das bolivianische Armutsreduzierungsstrate-giepapier wird im Folgenden kurz vorgestellt.

 Armutsreduzierungsstrategie in Bolivien

Die Armutsreduzierungsstrategie des Landes

wurde bereits 2001 erstellt. Kernstück sind viermiteinander verknüpfte Sektorstrategien:

Beschäftigungs- und Einkommenspolitik:die Produktionskapazität von Kleinbauernund Kleinunternehmern soll vor allemdurch Investitionen in die Infrastruktur er-höht werden;

Verbesserung der sozialen Dienstleistun-

gen: das Grundbildungssystem, die Basis-gesundheitsversorgung sowie die Trink-

wasserversorgung und Abwasserentsor-gung sollen verbessert werden;

Schutz besonders gefährdeter Gruppen:für Bevölkerungsgruppen, die besonderenRisiken ausgesetzt sind, sollen Schutzpro-

gramme entwickelt werden. Dazu gehörendie Definition von Besitzrechten wie auchMaßnahmen zur Vorbeugung von Natur-katastrophen;

Soziale Integration und Partizipation: durchTrainingsmaßnahmen soll die Teilhabe derBevölkerung an politischen Entscheidun-gen werden. Die Dezentralisierung derVerwaltung soll intensiviert werden.

 Als Querschnittsaufgaben werden die Ver-

besserung der Möglichkeiten ethnischerGruppen und indigener Völker, Schutz derFrauenrechte und Umweltmanagementund nachhaltige Nutzung natürlicher Res-sourcen genannt. (Armutsreduzierungs-strategie Bolivien, 2001: 58)

Die wirtschaftliche Entwicklung der indigenenVölker Boliviens soll im Rahmen eines „natio-nalen indigenen Entwicklungsplans“ gefördertwerden. Dieser Plan ist noch zu erstellen. Essollen u.a. “culturally based micro-enterprises“(Armutsreduzierungsstrategie Bolivien,2001:119) aufgebaut und unterstützt werden,um zu zeigen, dass Kleinbauern und indigeneProduzenten von Waren und DienstleistungenEinkommen schaffen und Armut reduzierenkönnen, wenn sie Zugang zu Finanzdienst-leistungen, technischer Beratung und Trainingerhalten.

Die Armutsreduzierungsstrategien in den la-

teinamerikanischen Ländern sind wichtige

 Ansatzpunkte für die Förderung indigener Völ-ker im staatlichen Kontext. In Bolivien zeigen

sich Ansätze dafür, in anderen Ländern wieNicaragua und Honduras wurde die man-gelnde Partizipation der indigenen Organisati-

onen an der Erstellung der Armutsreduzie-rungsstrategie bemängelt (siehe www.prsp-watch.de, 2004).

Indigene Konzepte

Die Frage nach einem indigenen Konzept zurwirtschaftlichen Entwicklung ist schwer zu

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

beantworten. So wie es keine einheitliche indi-gene Wirtschaftsweise gibt, so gibt es auchkein einheitliches Konzept, das die unter-schiedlichen Weltanschauungen, Lebensum-stände und –umwelten der Völker zusammen-

fassen könnte. Nach VITERI  (2004) gibt es beiden indigenen Völker des Amazonastieflandesnicht die Vorstellung von Entwicklung als ei-nem linearen Prozess: “En la cosmovision delas sociedades indígenas, en la comprensióndel sentido que tiene y debe tener la vida delas personas no existe el concepto de desarro-llo. Es decir, no existe la concepción de unproceso lineal de la vida que establezca unestado anterior o posterior, a saber, de sub-

desarrollo y desarrollo; dicotomía por los quedeben transitar las personas para la consecu-ción de bienestar, como ocurre en el mundooccidental. Tampoco existen conceptos deriqueza y pobreza determinado por la acumu-lación y carencia de bienes materiales.”(VITERI, 2004).

Dem linearen Entwicklungskonzept setzt erdaher einen ganzheitlichen Ansatz entgegen:

“Mas existe una visión holística a cerca de lo

que debe ser el objetivo o la misión de todoesfuerzo humano, que consiste en buscar ycrear las condiciones materiales y espiritualespara construir y mantener el ‘buen vivir’, quese define también como ‘vida armónica’, queen idiomas como el runa shimi (quichua) sedefine como el ‘alli káusai’ o ‘súmac káusai’.”

(VITERI, 2004)

Viteri kritisiert, dass sowohl Nichtregierungsor-ganisationen als auch die indigenen Organisa-

tionen selbst mit der Durchführung von soge-nannten integrierten Entwicklungsprojektenden ‚Entwicklungsdiskurs’ übernommen habenund so dazu beitragen, dass die Fähigkeitenund das Wissen der Indigenen Völker, ihreProbleme autonom zu lösen, untergraben wer-den.

Man muss hier allerdings anmerken, dass fürviele Völker im Tiefland und für alle im süd-

amerikanischen Hochland und in Zentralame-rika die traditionellen „Entwicklungsoptionen“nicht mehr greifen, weil durch Kolonialisierung

und Marginalisierung die Bedingungen dafür

zerstört wurden und weil sich andere Bedürf-nisse durch den Kontakt mit der Mehrheitsge-sellschaft herausgebildet haben. Es gibt aberauch Beispiele, wo indigene Gemeinschaftenund Organisationen den Spagat zwischen der

Weiterentwicklung eigener Wirtschaftsweisenund den sich verändernden äußeren Bedin-gungen versuchen. Im Folgenden werden ei-nige kurz skizziert.

Die Schwefelmine Puracé (Cauca)

In Kolumbien leiden die indigenen Völker unterder politischen und wirtschaftlichen Ausgren-zung und dem seit Jahrzehnten dauerndenBürgerkrieg, der Gewalt der Drogenmafia und

der Paramilitärs. Trotzdem haben indigeneVölker eigene wirtschaftliche Alternativen ent-wickelt.

Seit dem Jahre 2000 gibt es die Empresa Mi-nera Indígena del Cauca. Der cabildo (Dorfrat)des resguardo  (Gebiet unter indigener Ver-

waltung) hat die Schwefelmine im Cauca über-nommen, nach dem der bisherige BetreiberKonkurs beantragte und damit über 300 Fami-

lien (von 1129 in dem Dorf) Einkommensver-

lust drohte.R ATHGEBER  (2002) hebt drei positive Effekteder Minenrettung hervor:

Ein neues Nachhaltigkeitskonzept soll dieBetriebsrenten und die Arbeitsplätze si-

chern und die sozialen Beziehungen unddie kulturelle Eigenständigkeit der Ge-meinschaft garantieren.

Die Umweltschäden werden reduziert unddie Altschäden sollen nach und nach be-

seitigt werden. Der Betrieb soll so organisiert werden,

dass “eine gemeinsame Schnittstelle vonbetriebswirtschaftlicher Notwendigkeitenund kulturell abgestimmter Arbeitsrhythmik

gefunden wird, die gewinnorientiertes Pro-duzieren zulässt.“ (R ATHGEBER, 2002:176)

Nach Übernahme der Mine hat sich der Pro-duktionsablauf verändert, Arbeitsrhythmus undProduktausstoß wurden verlangsamt. Die Pro-

duktion soll so gestaltet werden, dass einelängerfristige Existenz der Mine und ein scho-

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

nender Abbau der Ressource möglich ist. FürRathgeber ist es ein Beispiel “vom Vermögen

der Indígenas, Strategien zur Bewältigungeiner sozialen und wirtschaftlichen Krise imKontext ihrer kulturellen Leitbilder zu bewerk-

stelligen.“ (2002:176). Es wäre interessant zubeobachten, ob dies gelingt und sich eine indi-gene Vorstellung von Unternehmertum her-

ausbilden kann oder ob diese Beispiel nur einweiteres von mehr oder minder erfolgreichenBetriebsübernahmen, wie sie in vielen Teilen

der Welt durch die Beschäftigten stattfinden,sein wird.

 Amazon Gas

Die Frage nach einem indigenen Unterneh-mertum wirft auch das Beispiel Amazon Gasauf, das sich noch in der Planungsphase be-findet. Amazon Gas ist ein gemeinsames Un-ternehmen von der ecuadorianischen Konföde-ration der indigenen Völker des Tieflandes,CONFENIAE, und einem indigenen kanadi-schen Unternehmen. Ziel des Unternehmensist die Nutzung und der Verkauf von Erdgas,das auf mehreren Erdölfeldern von Petroecua-dor als Nebenprodukt anfällt und bisher ledig-

lich abgefackelt wurde. Amazon Gas ist mo-mentan im Entstehungsprozess, so dass überErfolg oder Misserfolg noch keine Bilanz gezo-gen werden kann. Es ist allerdings ein Experi-ment, das großen Einfluss auf die wirtschaftli-che Situation der indigenen OrganisationCONFENIAE und der nutznießenden indige-

nen Dörfer haben wird.

Weitere Beispiele

Es gibt mehrer Beispiele über die Nutzung undVermarktung von Waldprodukten, die überNischenmärkte in den Ländern aber auch inden USA und Europa abgesetzt werden. Sokauft die Kosmetikkette “Body Shop“ mitHauptsitz in England Paranussöl direkt vonden Kayapó Dörfern A-Ukre und Pukanuv inBrasilien für die Herstellung von Cremes undvon den Nahnu aus Mexiko Sisalmassage-handschuh zum Verkauf in den Läden. Diesedirekten Handelsbeziehungen laufen in der

 Außendarstellung von Body Shop unter demSchlagwort “Hilfe durch Handel“: den Dörfern

soll dadurch der Zugang zum Markt und zum Aufbau weiterer Geschäftsbeziehungen er-

leichtert werden. Allerdings wird von dem Un-ternehmen kritisch angemerkt, dass man dasInteresse der Kundinnen an „Hilfe durch Han-

del“ Produkten überschätzt hat.6

  Direkt ver-marktete Produkte indigener Völker aus La-teinamerika bedienen in Europa nur einen sehr

kleinen Markt.

 Andere Beispiele für indigene Wirtschaftsun-ternehmen sind lokale und regionale Touris-musprojekten, oder die Entwicklung von eige-nen, zum Teil lokalen Kreditsystemen. PLANT

(2002) kommt zu dem Schluss, dass in ganzLateinamerika sich ein “indigenes“ Unterneh-

mertum auszubilden beginnt. Damit ist in ersterLinie die Herausbildung von eigenen Ver-marktungsstrukturen wie bei den K’iche inGuatemala, der Aufbau von eigenen bancos

communales  in mehreren Ländern oder der Aufbau von eigenen kleinen Tourismusunter-nehmen in Ecuador gemeint. Der Aufbau eige-ner wirtschaftlicher Unternehmen in Latein-amerika hat weder das Ausmaß der indigenenUnternehmen in Kanada, Australien oder Neu-seeland angenommen noch hat es die Unter-

stützung erfahren, die zum Beispiel die indige-nen Unternehmen in Kanada durch die Regie-rung erhalten haben.

 Ansätze der EZ

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeitwurde von Seiten der Weltbank aber auch vonder Interamerikanischen Entwicklungsbank dasKonzept des “Ethnodevelopment“ oder auch“Development with identity“ zum Leitbild für die

Zusammenarbeit mit indigenen Völkern erho-ben. Dieses Konzept wurde ursprünglich vonder UNESCO entwickelt und beinhaltet dieVerbesserung der Lebensqualität indigenerVölker durch folgende Elemente zu erreichen(P ARTRIDGE & UQUILLAS, 1996).

(1) Verbesserung des Zugangs zu sozialenDienstleistungen und natürlichen Ressour-cen unter besonderer Berücksichtigung in-

digener Formen der Landnutzung und desLandbesitzes,

6 Siehe www.the-body-shop.de.

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

(2) Stärkung indigener Kulturen, Gemein-schaften und sozialen Organisationen,

(3) Stärkung indigener Kapazitäten, ihre eige-nen Entwicklungsprojekte zu entwerfenund zu managen.

Die Weltbank

Im Rahmen dieses Ethnodevelopmentkon-

zeptes hat die Weltbank bisher einige wenigeProjekte durchgeführt, die sich ausschließlichan die indigene Bevölkerung richten. Eines

davon ist, PRODEPINE7  (Proyecto de Desar-rollo de los Pueblos Indígenas y Afroecuadori-anos in Ecuador), dessen erste Phase mittler-

weile abgeschlossen ist. Inhalt des Projektes

waren

Maßnahmen zur Stärkung der indigenenOrganisationen und der staatlichen Institu-tion für indigene Völker, dem Consejo deDesarrollo de las Nacionalidades yPueblos Indígenas de Ecuador CO-DENPE;

Management natürlicher Ressourcen, vorallem Boden- und Wasserschutz, Wieder-aufforstungen, Management der Mangro-

vengebiete, Sicherung von Landrechten.Im Hochland erfolgte die Sicherung vonLandrechten durch den Kauf von Parzel-len;

Investitionen in ländliche Vorhaben, hierwurden unterschiedliche Kleinmaßnahmensowie Vorstudien für langfristige Vorhabenfinanziert.

Das Projektmanagement lag in der Hand einesSteuerungsgremiums, dass sich aus Vertre-

ter/innen der Regierung und der indigenen undafroecuadorianischen Organisationen zusam-mensetzte. Dies hat zwar den Planungs- undUmsetzungsprozess verlangsamt, aber ent-scheidend zur Nachhaltigkeit des Projektesbeigetragen (UQUILLAS  & NIEUWKOOP, 2003).Die indigenen Gemeinschaften und ihre Orga-nisationen waren nicht nur die Zielgruppe son-dern die zentralen Akteure des Projektes. DasProjekt ist von der Weltbank positiv als Beitrag

7 PRODEPINE wird von dem International Fund for Agricultural Development und der Inter- AmericanFoundation kofinanziert.

zur Armutsreduzierung von Indigenen beurteiltworden8  und soll in einer zweiten Phaseweitergeführt werden.

Die deutsche EZ

Die Zusammenarbeit der deutschen EZ mitindigenen Völkern ist nicht auf die direkte För-derung von Wirtschaftsprojekte ausgerichtet.Die Unterstützung von angepassten Wirt-schaftsweisen ist jedoch integraler Bestandteilmehrerer Projekte. Im Folgenden werden bei-spielhaft einzelne Projekte erwähnt:

Pilotprogramm zur Bewahrung der tropi-

schen Regenwälder Brasiliens (PPG 7)

Das Pilotprogramms, das noch bis 2008 läuft,ist der Versuch, die wirtschaftlichen Interessenan der Entwicklung der brasilianischen Re-genwaldregion mit dem Schutz des Waldes in

Einklang zu bringen. In dem Programm werdenFörder- und Schutzprogramme durchgeführt,die von der Demarkierung indigener Territo-

rien, über die Förderung indigener wirtschaftli-cher Kleinprojekte bis zu Initiativen zur Ver-marktung organischer Produkte reicht.

Foto: Vorbereitung des Kaffees für den Verkauf inPanama (S. SPOHN)

Ngöbe Buglé

Das Projekt „Management der natürlichenRessourcen im Gebiet Ngöbe“ der Nationalen

Umweltbehörde (ANAM) mit technischer undfinanzieller Unterstützung der GTZ arbeitetevon 1993 bis 2004 in der Comarca Ngöbe-

Buglé. Ziel des Projektes war es, einen Beitrag

8 Zur weiteren Information über das Projekt sieheUquillas & Nieuwkoop (2003) und Griffiths (2000)

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

zur Verbesserung der Lebensbedingungen derBevölkerung zu leisten und die Bevölkerung zu

unterstützen, sich in die politische und wirt-schaftliche Entwicklung des Landes unter Er-halt ihrer Identität zu integrieren.

Über die Förderung von nachhaltigen Produk-tionssystemen, Qualitätsverbesserung derProduktion (hauptsächlich Kaffee und Kunst-handwerk), Unterstützung bei der Organisationin Erzeugergemeinschaften und bei der Suchenach Vermarktungsmöglichkeiten, wurdenkurze Vermarktungsketten aufgebaut, die denindigenen Bauern und Bäuerinnen eine deutli-che Einkommenssteigerung erbrachte. DieVermarktung von Kaffee und Kunsthandwerk

auf dem regionalen Markt und der Export vonBio-Kaffee sichern die Abnahme der Produk-tion. Neben den wirtschaftlichen Erfolgen istdas sichtbar gesteigerte Selbstbewusstseinund die verbesserte Verhandlungsfähigkeit derNgöbe-Bevölkerung ein weiteres Ergebnis.

Die kanadische EZ

Zum Schluss sei noch kurz auf die kanadischeEntwicklungszusammenarbeit hingewiesen.Das spezifische der kanadischen EZ ist, dass

sie im Rahmen des Indigenous Peoples Part-nership Programme gezielt gemeinsame Vor-haben von indigenen kanadischen Organisati-onen und Unternehmen mit ihren lateinameri-kanischen indigenen Partnern fördert. IndigeneOrganisationen in Lateinamerika sollen direktvon den Erfahrungen der indigenen Völker inKanada profitieren und in ihre eigene Praxisumsetzen können. Es hat auf der einen SeiteElemente einer „Auslandsförderung“ kanadi-

scher indigener Unternehmen, zum Beispielvon Beraterfirmen. Andererseits haben indi-gene Organisationen in Lateinamerika dadurchdie Möglichkeit, Erfahrungen anderer indigenerOrganisationen im Aufbau von Unternehmenkennen zu lernen und eventuell produktiv fürihre Arbeit zu nutzen. So stellt sich die Frage,ob nicht die gezielte Förderung kanadischerindigener Betriebe durch die Regierung unddie Unterstützung bei der (Auslands-)Ver-marktung durch die Organisierung von Messen

u.ä. nicht auch gangbare Maßnahmen in La-teinamerika wären.

Schlussbetrachtung

Zur Verbesserung der Chancen indigener Völ-ker ist der erste Schritt, der notwendigerweisedurch die Nationalstaaten erfolgen muss, dierechtlichen Rahmenbedingungen zur Siche-

rung der Menschenrechte der indigenen Be-völkerung zu schaffen. Darüber hinaus mussdas Eigentum an indigenem Land und seinernatürlichen Ressourcen eindeutig durch Ge-setze und deren Umsetzung abgesichert sein.Das Vorhandensein von eindeutigen Grenzenund Landtiteln ist jedoch im Umkehrschlusskeine ausreichende Voraussetzung für ökono-mische Entwicklung. Der Staat ist die Institu-tion, die die rechtlichen Mechanismen und die

physische Infrastruktur bereitstellen muss, dienotwendig sind, damit dauerhafte selbstbe-stimmte Entwicklung stattfinden kann.

 Auch wenn es vordringlich die Aufgabe des jeweiligen Staates ist, die indigene Rechteabzusichern und Voraussetzungen zu schaf-fen, um die (ökonomische) Benachteiligungindigener Völker zu überwinden, so kann dieEZ – in bescheidenem Maße - dazu beitragen,die Marginalisierung der indigenen Völker zuverringern durch:

Unterstützung der indigenen Völker undihrer Organisationen bei der Erarbeitungvon strategischen Entwicklungsplänen, umVisionen und Wirtschaftsalternativen fürihre Regionen zu entwickeln; Schaffungvon Foren für indigene und nicht-indigeneBewohner einer Region, auf denen überalternative Entwicklungsmöglichkeitennachgedacht und debattiert werden kann.

Gezielte Förderung indigener Unterneh-men, Kooperativen und Erzeugergemein-schaften. Dazu kann die Qualitätsverbes-serung der Produktion und der Zugang zueiner verbesserten nationalen und interna-tionalen Vermarktung genauso gehörenwie die Weiterqualifizierung im Manage-mentbereich zur Leitung von Unterneh-men;

Beitrag zur verbesserten Bildung – nebender Grundbildung vor allem im Bereich der

beruflichen Weiterbildung und universitä-

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Indigene Völker und Wirtschaftsentwicklung

ren Ausbildung (z.B. Stipendienpro-gramme);

Eine gezielte Förderung indigener wirtschaftli-cher Projekte ist dann sinnvoll, wenn sie die

 Anstrengungen zur Sicherung der Eigenver-sorgung unterstützen. Sie sind in marginalenRegionen sinnvoll, die mit besonders schwieri-gen Ausgangsbedingungen konfrontiert sind.

Ferner sollten die indigene Völker privilegiertunterstützt werden, die nur über geringe Erfah-rungen im Umgang mit dem Markt und seinen

Mechanismen verfügen. Sie müssen bei ihrenVersuchen sich in diese Mechanismen einzu-finden begleitet werden. So bedarf es beson-

deren Wissens um indigene Produkte, wie

Webtextilien und Keramiken auf dem Markt zuetablieren. Bei diesen Fördertypen stellen sichauch Fragen zum Schutz von indigenem intel-lektuellem, materiellem und nicht-materiellemEigentum. Zahlreiche andere Maßnahmen, wiedie Gewährung von speziellen Krediten oderBeratungsleistungen, die im Rahmen von Res-sourcenschutzprogrammen oder im Rahmenvon Kleinbauernförderung durchgeführt wer-den, sollten sensibel auf den Beratungsbedarfindigener (Dorf-) Gemeinschaften eingehenund mit deren besonderen Bedingungen be-denken. Gleichzeitig sollte das Empowerment 

und die Schulung von indigenen Organisatio-nen gestärkt werden, damit sie in die Lageversetzt werden, selbst langfristig Maßnahmenzu steuern und zu begleiten.

Im Andenhochland, wo die Lebenssituation derindigenen und nicht-indigenen Bevölkerungsich kaum voneinander unterscheidet, er-

scheint ein regionaler Ansatz erfolgverspre-

chender als ein ethnisch begründeter. Aberauch in der Amazonasregion sollten Ansätze

unterstützt werden, in denen indigene undnicht-indigene Bevölkerung gemeinsam Kon-zepte für die Entwicklung ihrer Region ent-

werfen.

Wirtschaftsförderungsprojekte und Staatsmo-dernisierungsprogramme, die an sozial ge-rechteren Rahmenbedingungen arbeiten, soll-ten indigene Völker als zentrale Akteure wahr-

nehmen und in ihrer Planung und Umsetzung

angepasste Aktivitäten für die indigene Bevöl-kerung berücksichtigen.

Bleibt noch anzumerken, dass Projekte mitindigener Bevölkerung nicht kurzfristig nach-

haltig sind, selbst dann nicht, wenn sie gutentworfen sind. Sie verlangen ein Engage-ment, das zumeist über den Zeit- und Pla-nungshorizont von Entwicklungsprojekten hi-

nausgeht.

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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos

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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social:Desencuentros, herejías y otros éxitos

RENÉ RODRIGUEZ HEREDIA

La devolución de responsabilidades a losPueblos Indígenas es un acto de justiciahistórica

Desde hace poco menos de seis años la Co-operación Financiera Oficial Alemana, a travésdel Grupo KfW, Banco Alemán de Desarrollo, juntamente con sus contrapartes nacionales,

han iniciado en América Central el diseño y laejecución de programas de desarrollo comu-nitario cuya característica principal es poner alas comunidades y a sus autoridades locales almando de su propio desarrollo. Es lo que ac-tualmente se está denominando la metodolo-gía participativa promotora del Desarrollo Lo-cal con Enfoque Indígena. Esta metodologíatiene como pivote central la aplicación delprincipio de subsidiariedad y el respeto de la

diversidad étnica, es decir, que los nivelessuperiores del gobierno no deben realizaraquello que los niveles inferiores pueden hacersi son convenientemente apoyados para asu-mir tal responsabilidad. Esta metodología,cuando se trata de trabajar con Pueblos Indí-genas1, es más pertinente aún, pues se tratade promover el desarrollo pero un desarrollocon identidad.

En la promoción del Desarrollo Local el lugarprivilegiado de transferencia de los recursos yresponsabilidades son las autoridades locales

y las comunidades, y, cuando se trata de co-munidades indígenas, incluyendo a sus autori-dades cuya legitimidad se sustenta en las

tradiciones y prácticas ancestrales de estos(jus gentium o derecho consuetudinario).

El Desarrollo Local es fundamentalmente unproceso que devuelve a las comunidades y

1  Pueblo Indígena es el conjunto de familias ycomunidades que se autoreconocen comodiferentes a los demás por razones de idioma ycultura y que desde el comienzo de su historiahabitan un territorio por ellos poseído.

sus autoridades todo el poder de decisiónsobre los temas que directamente les concier-nen y les afectan, con la menor intervenciónposible de las autoridades de los niveles cen-trales o intermedios.

Con esta metodología los indígenas no sonsimples objetos de las intervenciones, ni tan

siquiera sujetos de las mismas, sino los acto-res protagónicos y al mando de su desarrollo.De ahí que las principales herramientas deaplicación del Desarrollo Local sean: la planifi-cación participativa, democrática e incluyentede cada pueblo indígena; la transferencia derecursos financieros y técnicos para que cadapueblo ejecute los programas y proyectos queimplica su plan de desarrollo2; y el fortaleci-miento organizativo tanto de las comunidades

como de sus estructuras de gobierno tradicio-nal.

Estas tres herramientas tienen como objetivo

devolver de manera sistemática aquellas ca-pacidades que los colonizadores, sus descen-dientes criollos y las democracias formales de

manera igualmente sistemática expoliaron ycasi siempre a golpe de látigo y fusil. La de-volución preconizada por la Cooperación Fi-

nanciera Oficial Alemana a través KfW Ban-kengruppe (Banco Alemán de Desarrollo),mayormente limitada a lo que se refiere la

gerencia del propio desarrollo y del ciclo deproyectos, lo cual es un elemento primordial,pero no el único, de lo que debe ser un pro-

ceso integral de devolución histórica de todoaquello que los pueblos indígenas necesitan

2  Estos Programas están poniendo en práctica laejecución de los proyectos por las comunidades enorgánica relación con sus autoridades. Es lo que seha dado en llamar Desarrollo Guiado por laComunidad y conocido por su sigla en Inglés comoCDD (Community Driven Development), que se estáejecutando en nueve Programas financiados por elKfW y Banco Mundial en América Central.

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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos

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su resolución encuentran la contundencia de lavida cotidiana, al menos a nivel local.

El capital social es el conjunto de tradiciones,instituciones y costumbres que facilitan el tra-

bajo solidario para el bien común de una de-terminada comunidad o conjunto de comuni-dades y también de un Pueblo Indígena,cuando de indígenas se trata. No es cierto queel único capital de los pobres sean sus hijos ysu fuerza de trabajo, sino que también es ca-pital de los pobres, principalmente a nivel ruraly periurbano, su capacidad de trabajar por elbien común. La Mita, Minka, Minya, Faina, sonalgunas de las modalidades de trabajo por elbien común y colectivo y que las sociedades

modernas, las democracias formales y susaparatos militares pretendieron debilitar, feliz-mente con éxito muy limitado.

Todos aquellos que trabajan en el campo

práctico del desarrollo local saben que lospobres tienen una gran riqueza y que ellosmejor que nadie la utilizan a su favor. Capital

social es trabajo en común, pero es tambiénnegociación, parlamentarismo y llegada a so-luciones concretas a problemas concretos. El

capital social les permite a las comunidades yconjuntos de comunidades identificar sus pro-blemas, priorizarlos, dilucidar soluciones y

llevarlas a la práctica, todo ello de manerasolidaria y disciplinada.

Los ejercicios de planificación democráticalocal, la ejecución de los proyectos por laspropias comunidades, la prestación colectivade servicios sociales, la creación de comitésespecializados, los mecanismos de manteni-

miento, etc. no son sino aplicaciones concre-tas del capital social de los pobres.

Por ello es que se afirma que la prevención ysolución de conflictos encuentra un caldo decultivo de primer orden para la solidariedad yla paz, al menos a nivel local, en los Progra-mas que sustentan su metodología en el fo-mento del capital social y el desarrollo local.

La trampa de la igualdad

En países como Guatemala y Honduras toda-vía es frecuente escuchar en discusiones ypublicaciones que no es necesario diseñar

Programas ni Proyectos especialmente dirigi-dos a los indígenas aduciendo que ello esatentar contra la igualdad de todos los ciuda-danos y, peor aún, que es fomentar el divisio-nismo entre los ciudadanos.

La peligrosidad de una falacia consiste preci-samente en que utiliza las verdades a medias,los lugares comunes y los argumentos delsentido común (que en otras circunstanciasserían totalmente válidos) para justificar loinjustificable. Pero cuando se trata de generarprecisamente condiciones de igualdad y degeneración de oportunidades en sociedadesaltamente marginadoras y con vestigios racis-tas, esos argumentos tienen que ser rechaza-

dos clara y fundamentadamente y a la vezproponer alternativas concretas, incluyendo la“discriminación positiva” y el fomento de lainterculturalidad y el multilingüismo. Si el obje-tivo de las personas de buena voluntad escrear una sociedad verdaderamente creadorade oportunidades para todos y no solamentepara los “iguales a nosotros” entonces laigualdad es una trampa, pues la igualdad noes un punto de partida sino de llegada en unasociedad signada por la democracia, la partici-pación ciudadana y la equidad. Es pues nece-sario diseñar y poner en práctica medidas bienconcretas que lleven el péndulo de la acepta-ción ciudadana a su nivel y ello solamente selogra con medidas de “discriminación positiva”de inmediato y largo plazo.

Bajo esa aparente igualdad de que “todossomos iguales y no hay que estar dividiendo alpueblo”, se esconde la peor de las discrimina-ciones al ignorar la existencia de aquellos que

son “diferentes” a nosotros; ignorar esto esdeclarar su muerte en cuanto ciudadanos concultura, valores e instituciones diferentes.

Esta es una de las lecciones que más ha cos-tado aprender a los organismos nacionalespromotores del desarrollo local y financiados –entre otros- por la Cooperación Alemana através del KfW. Particularmente los Fondos deInversión Social fueron reacios a entender quehay una estrecha y consubstancial relación

entre lo que se pretende lograr (objetivo) y lasnormas y procedimientos utilizados (metodolo-gía). No se puede pretender fomentar la de-

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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos

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mocracia y la gobernanza, utilizando metodo-logías autoritarias y poco transparentes; no sepuede pretender la sustentabilidad de unaactividad o servicio, empleando métodos deejecución paternalistas y poco “apropiantes”

por los beneficiarios; por último, no se puedebuscar el autodesarrollo y la práctica de laautogestión local, imponiendo ejecutores ale- jados de la realidad local.

Los proyectos como medio y no como fin

En los programas de fomento del DesarrolloLocal, el papel de los proyectos es más deinstrumento que de fin en sí, pues de lo que se

trata es de utilizar a la obra de infraestructura

como un medio para prestar un servicio y a lavez generar capacidades económicas, socia-les, políticas y de gobernabilidad entre lospobladores y sus autoridades formales y tradi-cionales. Considerar que las obras de ingenie-ría son el objetivo es desconocer el papeltransformador que tiene una actividad con-creta, bien diseñada y mejor ejecutada por suspropios actores y beneficiarios. No hay puesque confundir la obra física con el proyecto,

pues mientras la primera es una herramienta(de alta calidad por cierto), el proyecto es elservicio que se desea brindar y el fortaleci-miento de las organizaciones locales, respon-sables de operarlo sustentablemente es el fin. Aquí radica precisamente la gran ventaja com-parativa de la Cooperación Financiera Oficial Alemana a través del KfW cuando promueve elDesarrollo Local: las ideas y los planes sonllevados inmediatamente a la práctica por lospropios interesados, siendo su principal valor

agregado el empoderamiento y el incrementodel capital social de los pobres y no solamentela satisfacción de una necesidad inmediata.

Los Fondos Sociales de Centroamérica ysu proceso de trabajo con los PueblosIndígenas

Los Fondos de Inversión Social de tercerageneración3 así lo han entendido y en Hondu-

 3  Los Fondos de Inversión Social son organismosque han venido evolucionando de simplescompensadores a los efectos de los ajustes(Fondos de primera generación) a máquinas

ras, Nicaragua y Guatemala se han vuelto losabanderados, entre los demás organismosestatales, del fomento del desarrollo local y dela opción preferencial por los pueblos indíge-nas. Por lo anterior es que en la Cooperación

Financiera y el KfW se afirma que el DesarrolloLocal en América Latina y el Caribe es a la vezun objetivo a lograr pero también una estrate-gia para lograrlo.

La Cooperación Financiera (KfW) en AméricaCentral financia actualmente Programas conclara opción por la interculturalidad y el desa-rrollo con identidad. El FIS y el PRONADE deGuatemala, el FISE de Nicaragua y el FHIS deHonduras son los responsables de llevar a la

práctica los principios mencionados y es preci-samente sobre este último que a continuaciónse ejemplifica la opción del KfW por la devolu-ción a los Pueblos Indígenas las riendas de supropio desarrollo, de una manera práctica y deinmediata ejecución. No es que los nueveProgramas sean todos igualmente exitosos, nique en todos se haya logrado con altos nivelesde apropiación institucional la puesta en prác-tica los conceptos de Desarrollo Local y Fo-mento de la Interculturalidad, sino que loséxitos y fracasos realizados por los Fondosdemuestran que por ahí va el camino.

Los pueblos indígenas representan poco másde la mitad de la población de Guatemala,entre el 10 y el 20 por ciento en Honduras yNicaragua y menos del 10 de por ciento enPanamá y El Salvador. Desgraciadamente, serindígena y extremadamente pobres en estaparte del continente son casi sinónimos. Enninguno de los países existe una política na-

cional de alto nivel de tratamiento de la Cues-tión Indígena, si bien en Guatemala y Hondu-ras existen sendas instituciones oficiales res-ponsables. Una vez reinstalados los gobiernosdemocráticos y habiéndose terminados losprocesos de guerra interna, en todos los paí-ses, en unos más en otros menos, el tema de

contratistas de pequeñas y medianas obras deinfraestructura social (Fondos de segundageneración). Finalmente, y como reacción a laslimitaciones y deficiencias de las dos anterioresgeneraciones, los Fondos de tercera generación, sehan convertido en instituciones fomentadoras deldesarrollo local.

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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos

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los Pueblos Indígenas ha sido puesto sobre lamesa y este artículo precisamente quiere po-ner a conocimiento de cómo la CooperaciónFinanciera Oficial Alemana y el KfW, en estre-cha colaboración con el Banco Mundial, han

contribuido con relativo éxito en el tema.

Foto: Wahltag in der Comarca Ngöbe-Buglé(Proyecto Agroforestal Ngöbe)

Los Fondos de Inversión Social de Honduras,Guatemala y de Nicaragua han sido los ins-trumentos para tal fin, pues en tales países

fueron las únicas organizaciones que respon-dieron con reticencia al comienzo y con entu-

siasmo finalmente al reto de acomodar susestructuras, normas y procedimientos a untrabajo sistemático y adecuado con los Pue-blos Indígenas.

Los Fondos de Inversión Social (FIS) son or-ganizaciones estatales que nacieron a fines delos años 80 y hoy operan en 21 países lati-noamericanos, si bien también existen en África, Asia y Europa del Este. Son institucio-nes que han sido modeladas como instru-

mentos modernos y eficientes para transferirfondos a las comunidades y gobiernos locales,con el fin de financiar procesos de autodes-arrollo y a la vez pequeños y medianos pro-yectos de diferente naturaleza. Son institucio-nes/ instrumento de ejecución de las políticassociales de los gobiernos y, desde hace unosaños, también de las políticas de descentrali-zación y modernización de las administracio-nes públicas. En sus más de 15 años de estaroperando en América Central, muchos son los

errores cometidos, muchos los éxitos, perosobre todos destaca su tremenda capacidadde adecuarse a los nuevos retos y situaciones.

Por ello es que fueron escogidos por sus go-biernos y los bancos de desarrollo, para llevara cabo Programas especialmente diseñadospara trabajar con los Pueblos Indígenas.

El FHIS de Honduras, un caso de “herejíametodológica” hecho Programa

Los pueblos indígenas en Honduras son

nueve: Xicaques, Pech, Miskitos, Lencas, Ta-wahkas Chortíes, Nahoas, Garífuna y Negrosde Habla Inglesa. El pueblo mayoritario es el

Lenca (60% de los indígenas) y el minoritarioel Tawahka (0.5%). El 86% de los indígenashondureños está en el peor quintil de pobreza.

Poco menos del 80% de las comunidades no

tienen ni servicio de agua potable ni de dispo-sición adecuada de excretas. Más de 85% delas mujeres mayores de 25 años son analfa-betas. La mortalidad materna es de lejos lamás alta de Honduras.

Durante las dos décadas de guerra civil en América Central –años 75 a 95–, los PueblosIndígenas no encontraron mejor modo paradefenderse colectivamente de los embates delas fuerzas armadas y de su infaltable secuela

de expoliaciones de tierras por parte de losmilitares y sus aliados, que optar por formasmodernas de organización. Esta especial ca-racterística de los indígenas hondureños hizodel trabajo del Fondo Hondureño de InversiónSocial (FHIS) una tarea exigente para la crea-tividad en el trabajo conjunto, la equidad social

y el fomento del desarrollo con identidad.

 A pesar de su importancia numérica en la po-blación de Honduras (12%) y de su condición

de vivir en la extrema pobreza –es común laalta correlación entre extrema pobreza y serindígena–, los pueblos indígenas no recibieronde las autoridades nacionales, casi siempredictadores bananeros, más respuesta a susreclamos que represión, expoliación de tierrasy muchas veces la muerte de sus autoridades.

Inclusive, ya bien entrada la democracia, la“cuestión indígena” no era reconocida ni por la

sociedad ni por muchas autoridades hondure-

ñas, y por ello es que en los comienzos de losaños 80 los pueblos indígenas (ocho nativos yuno de migración forzada: los afro descen-

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Pueblos Indígenas y Fondos de Inversión Social: Descuentros, herejías y otros éxitos

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dientes) tomaron una decisión de defensacolectiva, cuyas consecuencias aún no hansido convenientemente evaluadas al haberseorganizado bajo la modalidad de federacionescampesinas de corte sindical reivindicativo.

Los indígenas llegaron a la conclusión que susorganizaciones tradicionales, tales como loscaciques, ancianos, consejos de tribus o fra-ternidades de pueblos, no eran los instrumen-tos más idóneos para defender sus interesesante las autoridades estatales. Por ello es quese empiezan a formar las Federaciones Indí-genas, las cuales asumen una estructura,reglamentos, virtudes y defectos propios de losorganismos gremiales campesinos común-

mente conocidos en América Latina, casisiempre a la sombra de partidos políticos deizquierda. No es objetivo de este artículo reali-zar un balance de tal decisión, sino exponer

sus consecuencias cuando el Fondo Hondu-reño de Inversión Social (FHIS) decide al fintrabajar de manera sistemática y con una es-

trategia de genuino indigenismo y no con unindigenismo folklórico y paternalista, convir-tiéndose así en el primer, y hasta el momento

único, organismo estatal hondureño en tomar

tal decisión.

La gran decisión

Para empezar, el año 2002 el FHIS hace unesfuerzo por asumir que lo indígena es unproblema desde que los españoles llegaron aHonduras y que el tema debe ser, de una vezpor todas, abordado de la manera más profe-sional posible y siguiendo los mejores cánonesexistentes. Por ello hecha mano al Convenio

Nº 169 de las Naciones Unidas sobre “PueblosIndígenas y Tribales”, hecho ley en Hondurasel año 1996.

Después de muchas discusiones se tomarondos decisiones vitales: por un lado diseñar y

poner en marcha un Programa especial a favorde los Pueblos Indígenas y por otro, que dichoPrograma sea diseñado y ejecutado siguiendo

los cánones del Convenio Nº 169, cuandonorma la forma cómo los gobiernos deben

trabajar con éstos y que fueron asimilados porel FHIS bajo los siguientes términos:

”El FHIS debe ser la punta de lanza deentre las instituciones estatales y privadassobre la forma de trabajar solidariamentecon los Pueblos Indígenas”.

”Los indígenas tienen derecho a un Desa-

rrollo con Identidad, es decir que sus ca-racterísticas ancestrales y diferencias de-ben ser potenciados en su propio beneficioy de todo Honduras”.

”Es necesario impulsar la DiscriminaciónPositiva, con el fin de asegurar que lasventajas del FHIS se dirijan exclusiva-mente a ellos. Otros hablan de compensa-ción histórica”.

”Se tiene que reconocer que los pueblos

indígenas existen, son numerosos y tienenmucho que aportar al desarrollo de Hondu-ras, es decir que los pueblos indígenastienen una Importancia Cuantitativa y Cua-litativa en el país”.

”Las políticas, programas y proyectos quetengan directa o indirectamente que vercon los pueblos indígenas deben ser dis-cutidos, ejecutados y evaluados con laparticipación ilustrada de las representa-ciones de estos pueblos”.

Democracia en pañales

Fue precisamente este último principio, el de laparticipación democrática de los indígenas ensu propio desarrollo, el que más costó cumplir,sin menospreciar la dificultad de los otros. ElFHIS era una institución poco consciente quelos indígenas hondureños son tan ciudadanoscomo los otros, como los más pobres, con

iguales derechos, pero a la vez con culturas,valores y principios todos derivados de cos-mogonías muy diferentes a las occidentales.Tales diferencias habían sido melladas pormás de 500 años de intentos de culturización yexitosos esfuerzos de expoliación y represión,pero fundamentalmente habían quedado in-cólumes. “Cómo es que vamos a discutir conellos el Programa si los indios son ignorantes”,preguntaba un funcionario; “si nosotros quesomos profesionales universitarios no sabe-

mos bien cómo sacar a Honduras de su sub-desarrollo, menos lo va a saber esa genteignorante.”

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“Si el FHIS quiere trabajar con los pueblosindígenas está muy bien, pero esta vez novamos a permitirle que venga con espejitos ycollares y mucho menos con engaños, comolo ha venido haciendo. Si el FHIS acepta que

el nuevo Programa sea trabajado desde el co-mienzo con plena participación de las Federa-ciones Indígenas, y, si ahora de trata de ver-daderos proyectos y no solamente deregalitos, entonces estamos dispuestos aautorizar a nuestras bases para queparticipen. De otra manera no lo aceptamos, ymás aún, denunciaremos ante los organismosinternacionales que el FHIS y todo el gobiernode Honduras, están despreciando ymarginando a los pueblos indígenas eincumpliendo el Convenio 169 que enHonduras es una ley muerta.”

SILVESTRE GONZÁLEZ, Presidente de unaFederación Lenca

 Así se preguntaban los funcionarios del Fondo,reflejando de esta manera la mala relacióninterétnica existente en su país. Por ello es

que el Ministro/ Director del FHIS tomó la deci-sión de convocar a tres representantes decada una de las nueve Federaciones Campe-

sinas para discutir abiertamente cómo trabajar

 juntos bajo la égida de los principios del Con-venio 169. Fue una decisión difícil de aceptar

por una Institución que en los pasados diezaños había recorrido todo el país, como nin-guna en Honduras, construyendo proyectos de

infraestructura, pero ignorando que el desarro-llo es mucho más que obras, y, que en el casode los indígenas, éstos son ciudadanos dife-

rentes y que no hay peor discriminación quetratar a los diferentes de manera igual.

El primer taller de trabajo

Finalmente, después de casi cuatro meses dedudas y desconfianzas de todas las partes ycon más de diez años de estrategias equivo-cadas, se llevó a cabo el 4 de febrero de 2003un primer taller de trabajo, contándose con laparticipación de la totalidad de las Federacio-nes Indígenas y Negras de Honduras (27 diri-gentes) y seis funcionarios del FHIS. Fue untotal de 33 personas, la una más diferente dela otra, todos unidos por el temor y la descon-fianza. No fue fácil iniciar las conversaciones,pues algunos dirigentes venían llenos de una

mezcla de ira contenida y timidez; otros no sa-bían bien de qué se trataba, otros hasta temortenían (no están muy lejos los años en que losdirigentes indígenas eran citados o persegui-dos por las autoridades militares y funcionarios

gubernamentales y siempre para nada bueno;ahora no tenía por qué ser diferente). A partirde ese momento conjuntamente se comenzó adiseñar un Programa de Desarrollo Indígena aser implementado también conjuntamente.

País pequeño, distancias grandes

 Algunos dirigentes, los con más suerte, veníande tan solo ocho horas de viaje en los ya co-

nocidos ”autoabuses” (abuso y autobús son

casi sinónimos en el interior de Honduras), ylos más alejados, por ejemplo las autoridadesKawakas habían invertido más de 30 horas enllegar entre tramos a caballo, otros en canoapor los ríos fronterizos con Nicaragua, cami-natas y siempre en los infaltables y desvenci- jados camiones rurales. Pero la democracia yla participación tienen otros costos y a vecesmuy grandes y esos costos tienen que serpagados en aras de la eficacia y la justicia.

En primer lugar fue necesario asegurarse quetodos los participantes se entendieran entre sí.Fue necesario buscar dos intérpretes para elespañol, que felizmente se encontraron entrelos asistentes, pues algunos de ellos, a em-pujones de una vida en lengua dominante, sehabían profesionalizado en tal menester. Otro

problema fue trabajar con dos tipos de diri-gentes, los Federativos y los Ancestrales. LosFederativos  con su calidad de luchadores so-

ciales de la más prístina izquierda de las diri-gencias campesinas y los  Ancestrales, ancia-nos indígenas que jamás aceptan las voces en

alto, el lenguaje altisonante de sus socios fe-derativos y mucho menos que se les contra-diga en público. Es menester decir que sola-

mente una mujer participó en el primer taller, lahija de un jefe de tribu Pech quien debía ayu-dar a su padre con el idioma. Por su lado los

funcionarios del FHIS estaban deslumbradospor la solemnidad que los ancianos impusieron

al acto de inauguración y sin saber qué hacer,pues nunca habían participado en eventos congente tan diferente y tan digna en su pobreza.

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“Qué tanto temor tienen que nosotrosmanejemos esos dineritos de gobierno y quenos los robemos, si mucho más dinero seroban los políticos y sus amigotes empresariosy no les pasa nada. Además los controles quenosotros tenemos son mucho más duros y loscastigos son terribles”.

S ANTIAGO C ARPINCHE, dirigente Lenca

”Es cierto que mi señorita hija no es dirigente,pero solicito a los señores presentes laautoricen a que les diga lo que yo desee decir,pues ella honra la presencia de todas lasmujeres que aseguran la vida de nuestrasfamilias y nuestras tierras; además, ella haestudiado mucho en la escuela y sin ella yo nopodría ser un buen dirigente ante ustedes.”

C ACIQUE TEODORO LUJXA, Miskito Hondureño/Nicaragüense

“Nos parece muy bien que el dinero seaentregado a las comunidades y no a lasgrandes empresas constructoras. Nosotroscontrataremos a los técnicos que necesitemos

y vamos a hacer las obras de mejor calidad ymás baratas”.

DIÓMEDES S ÁNCHEZ, dirigente Tawaka

Obviamente, pasada la primera impresión antelo desconocido, en el taller se optó por dar laprioridad en la palabra y en la razón a los diri-gentes Ancestrales, pues aquí no se trataba

de ganar ninguna batalla política o sindical,sino de “diseñar conjuntamente un Programade Desarrollo Indígena, en el que los propiosindígenas debían participar sustantivamente

en las tomas de decisión, en el manejo deldinero y en la organización de la ejecución delos proyectos y actividades”, como dijo el Mi-

nistro Director del FHIS al momento de la in-auguración. Los dirigentes Federativos enten-dieron y aceptaron pasar a un segundo plano,

como debe ser en los tiempos de paz y demo-

cracia.

Todo el dinero del Programa a lascomunidades indígenas

En segundo lugar fue necesario establecerclaramente que la forma de ejecución del pro-grama no solamente implicaba una codireccióndel mismo entre el FHIS y los dirigentes, sinoque la democratización tenía que llegar hastael fondo. Por ello es que se optó por una me-

todología de administración de los recursosfinancieros y técnicos en los que las comuni-dades y sus autoridades son los responsablesy depositarios del poder de decisión.

Los proyectos ejecutados por las propias co-

munidades son una nueva forma de procesarel ciclo de proyectos que están implementandolos denominados Fondos Sociales de Tercera

Generación. Esta modalidad consiste en en-tregar a las comunidades organizadas o en

proceso de organización todos los recursosfinancieros y técnicos que ellas requieran paraque ellas mismas planifiquen, formulen, eje-

cuten, operen y den mantenimiento a sus pro-yectos. Esta modalidad se basa en el principiobásico que los pobres saben mejor que nadiecómo solucionar sus problemas, si es que seles dota de los recursos técnicos y financieros

necesarios. La autogestión comunitaria estáprobando, principalmente en el caso de lospueblos indígenas, que el desarrollo con iden-tidad y cuentadancia es un poderoso instru-mento de desarrollo social y económico enmanos de los pobres.

Es también condición básica que los proyectosejecutados por las comunidades sean proce-

sados en orgánica relación con los respectivosgobiernos municipales y a la vez con la enti-dad representante de los Pueblos. Los pro-

yectos mismos tenían que ser identificados,formulados, administrados y ejecutados por laspropias tribus.

En consecuencia, se acordó que todos losproyectos fueran ejecutados bajo la modalidadde ejecución comunitaria, es decir por la co-munidad y sus representantes. Se acordótambién facilitarles los recursos para que con-traten los consultores que consideren de suagrado. Se puso una sola condición: el FHISserá el responsable de supervisar la calidad de

los proyectos y la corrección en el uso deldinero. La condición fue aceptada.

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El manual de operaciones y la herejíasistemática

Por último, para dar cuerpo y seriedad a unPrograma de 15 millones de dólares, la tarea

principal fue elaborar un Manual de Operacio-nes, específico para el Programa, a ser traba- jado hasta en los más mínimos detalles entreel FHIS y las representaciones indígenas ypara tal fin se organizó una comisión paritaria. A los encargados de asesorar el proceso co-rrespondió asegurar que el manual indígenaestuviera en concordancia con las normas delKfW y del Banco Mundial4, sabiendo bien quetales normas no fueron diseñadas teniendo enmente a los indígenas y sus particularidades.

La indicación principal que recibieron fue que“el manual debía adecuarse a los principiosgenerales de los bancos y que se fuera lo máscreativo posible”. Sabia instrucción, pues setrataba de crear algo nuevo, que no fuera unarepetición moderna de esa colonización cultu-ral de más de quinientos años de “amaestra-miento civilizador” e inventar de la nada unmanual de inversiones a ser ejecutadas por lospropios indígenas y a su manera. Por ello, unafría noche del mes de mayo de 2003, en elpueblo de Intibucá, ubicado en las montañasnor-orientales de Honduras en la frontera conEl Salvador, ante los vítores y danzas de losindígenas asistentes, se hizo una hoguera conel actual manual de operaciones del FHIS: dealguna manera había que simbolizar el deseode emprender un esfuerzo creativo y manco-munado, jugándose por un manual íntegra-mente consensuado con las dirigencias indí-genas, hecho a la medida de los indígenas

“aunque nos quede lleno de herejías y aposta-sías” afirmó el Ministro/ Director del FHIS. Elprincipio metodológico adoptado consistió enque la imaginación prevalezca sobre los ma-nuales y normas antiguos, con tal de haceralgo totalmente nuevo y en consenso con losindígenas y después veremos qué dicen en elKfW y en el Banco Mundial. Felizmente, unavez terminado el manual al cabo de casi seismeses de trabajo conjunto, el documento fueenviado a los dos Bancos para el famoso dic-

 4  En América Central el Banco Mundial y el KfWtrabajan de manera coordinada sus programas deinversión social y fomento del desarrollo local.

tamen de conformidad. Después de muchaspreguntas y repreguntas, las herejías fueronaceptadas y el manual entró en plena vigencia.Se tienen ya más de 200 proyectos en ejecu-ción al calor de este tipo de manual. La mayor

parte está siendo ejecutada con altos nivelesde calidad y se sabe perfectamente dóndeestá el dinero. Contra las pruebas no valen losargumentos, decían los antiguos.

Lecciones metodológicas aprendidas

Del proceso vivido con el FIS de Honduras sepueden sacar algunas conclusiones que po-drían ser útiles para los profesionales quedeben trabajar en Programas en los que de

manera directa o indirecta tengan que verpoblaciones indígenas. No se trata solamentede instituciones como los Fondos Sociales,sino también de instituciones especializadasen dotación de agua y saneamiento rurales, eneducación, en salud, en fomento de la produc-ción y en general en todos aquellos programasen los que la comunidad indígena es o deberíaser el sujeto principal de la acción. De maneramás o menos esquemáticas las leccionesaprendidas serían las siguientes:

En los ejercicios de microplanificación deinversiones, cuando se trate de comunida-des o municipalidades mixtas (indígenas yno indígenas), se deben hacer dos planesparalelos y, posteriormente, unificarlos enuno solo, respetando la proporcionalidadpor población (indígena y no indígena),para efectos de asignación de los recursosy de priorización de proyectos.

Se requiere ser particularmente exigente

en el respeto a los mapas de pobreza, conel fin de asegurar la equidad (sino la dis-criminación positiva) en la distribución delos recursos financieros y promotores de laentidad ejecutora.

No es conveniente priorizar y financiar

solamente proyectos comunitarios, sinotambién proyectos que beneficien al pue-blo indígena en su conjunto, con el fin de

fortalecerlo y contribuir a su desarrollo

como pueblo y no solamente como con- junto de comunidades. Proyectos que sir-van a todo el Pueblo y no solamente a una

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comunidad (p.ej.: diccionario y gramáticadel idioma, historia y tradiciones del pue-blo, protección legal ante expoliaciones detierra, etc.).

Es mejor que los comités y diferentes ins-

tancias de dirección sean conformadostanto por miembros de la organización tra-dicional (p.ej.: los ancianos), como pormiembros de la organización reivindicativa(dirigentes modernos). En el caso de co-munidades mixtas, es mejor tener dos co-mités (uno indígena y otro no indígena) yaplicar posteriormente técnicas de codi-rección paritaria para el caso del comitéúnico que siempre se deberá formar.

No se deben crear comités o instancias adhoc para los proyectos, sino utilizar las or-ganizaciones existentes y fortalecerlas.Menos aún imponer formas de organiza-ción solamente para poder cumplir con re-quisitos legales de detalle y que perfecta-mente pueden ser suplidas por las organi-zaciones tradicionales.

En el caso en que algún o alguna indígenano domine la lecto/ escritura o las opera-ciones aritméticas básicas, ello no debeimpedir que sean elegido a los puestos dedirección, pues éste puede ser apoyadopor algún hijo o hija mayor de 12 años ymenor de 18 que sea alfabetizado.

La ejecución de los proyectos debe ser,por lo general, bajo la modalidad de auto-gestión, es decir la comunidad organizadadebe ser la responsable de manejar losfondos y de organizar la ejecución del pro-yecto y del servicio, obviamente, contando

con el apoyo técnico contratado por lapropia comunidad.

Hay que asegurar que los Facilitadores oPromotores de la entidad ejecutora domi-nen el idioma propio de la comunidad conla que se quiere trabajar.

En el material de apoyo a la capacitación,además de estar en el idioma de la comu-nidad, los dibujos y fotografías deben co-rresponder al grupo indígena.

Incluir en los módulos de capacitacióncomunitaria, un módulo sobre la historia,

valores y cosmogonía correspondientes alrespectivo pueblo indígena.

Los diseños, materiales y técnicas cons-tructivas de los proyectos de infraestruc-tura deben ser modernizaciones y adecua-

ciones de las usadas tradicionalmente porla comunidad o pueblo.

Cuando una comunidad no desea tenerrelaciones estrechas y continuas con lasautoridades municipales, no se les debeobligar, si bien se les debe informar de lasventajas de tenerlas.

Por último, es necesario concientizar a losalcaldes municipales y demás autoridadeslocales para que los indígenas de su terri-

torio reciban el tratamiento especial quecompense las discriminaciones del pa-sado.

Son lecciones que quizás no se apliquen atodos los países que tengan la suerte de teneruna riqueza multicultural, pluriétnica y multilin-güe, como es el caso de Guatemala, Hondurasy Nicaragua, pero aún así son derroterosaprendidos en la fatiga de la práctica y que engeneral pueden aplicarse en los programas delucha contra la pobreza y en sociedades rura-les y urbano marginales altamente conflictivas.

 Al menos en Centro América, el trabajo con losindígenas está pasando del ámbito de losbuenos deseos y floridos discursos al campode los hechos; de las tesis académicas a lasprácticas cotidianas; de los proyectos paterna-listas, a los programas de desarrollo con iden-tidad. Por ello bien vale la pena recordar aque-lla frase que pronunció esa gran mujer indí-gena guatemalteca, Premio Nóbel de la Paz,

Rigoberta Menchú, cuando afirmó no hacemucho tiempo que “si los pueblos mayas noson capaces de fortalecer sus valores y cos-mogonías con programas y proyectos técni-camente diseñados y ejecutados, son puebloscondenados a desaparecer”.

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nichtwahrgenommen

DR. S ABINE SPEISER

Städte bestimmen zunehmend den Lebens-raum der Menschen in allen Ländern. Die Ent-wicklung zu weiterer Verstädterung ist nichtaufzuhalten: Bis zum Jahr 2025 werden mehrals 60% der Weltbevölkerung in Städten leben.Neun von zehn dieser stark bevölkerten Städtewerden in Entwicklungsländern liegen. In dennächsten zwanzig Jahren werden 2 Mrd. Men-schen in die ohnehin schon extrem belastetenStädte der Entwicklungsländer ziehen (BMZ,2002). Für Lateinamerika liegen diese Anteilehöher, in einigen Ländern, wie beispielsweisePeru, leben bereits 70% der Bevölkerung inStädten. Weltweit leben bisher 30% der Armenin Städten, die Armut in ländlichen Regionenist wesentlich ausgeprägter.

Die Situation indigener Völker in Städten ge-winnt vor diesem Hintergrund auch an Gewicht

in der internationalen Diskussion. Die indige-nen Siedlungsräume und deren Nutzung ver-ändern sich ebenso wie die Zahlenverhältnissezwischen ländlichen und städtischen Indige-nen. Die Indigenen selbst machen auf dieseProblematik aufmerksam, wie im Jahr 2003 inder Session des Ständigen Forums für indi-gene Fragen: “The Forum notes that indige-nous peoples are increasingly confronted withissues and problems related to more urban

characteristics such as access to adequatehousing, services and infrastructure in humansettlements” (STÄNDIGES FORUM FÜR INDIGENE

FRAGEN, 2003:7).

Land – Stadt Migrationen sind ein Massenphä-nomen der letzten 50 Jahre und haben sowohldie ländlichen Herkunftsregionen als auch die

aufnehmenden Städte von ruralen Unterzent-ren bis zu den Megastädten verändert. Diesgilt auch für indigene Migrationen vom Land in

die Städte, die generell ähnlichen Musternfolgen. Diese Wanderungsbewegungen habensowohl ihre Auswirkungen auf indigene Völker

in den ländlichen Herkunftsregionen selbst als

auch auf die Städte, in die sie migrieren, unddie sie trotz Anpassung auch mitgestalten (“in-digenisieren“). LESTAIGE  (zitiert in BENGOA,2000:53) beschreibt das für den Sonderfallindigener Migranten aus Mexiko in den USAfolgendermaßen: “A miles de kilómetros de suregión de procedencia, los migrantes (...) si-guen percibiéndose como miembros de sugrupo regional o étnico de origen y al mismotiempo se adaptan a la sociedad que los recibey recrean una comunidad parecida a la quedejaron.“ Ohne das Konzept der multiplen I-dentitäten lassen sich diese Prozesse nichtadäquat interpretieren (siehe auch STRÖBELE-GREGOR in diesem Band).

Trotz dieser Veränderungen des städtischenRaums hält sich hartnäckig das Bild der Stadtals Hort der Moderne, des schnellen Wandels

und – in der jüngsten Diskussion – des An-schlusses an die Globalisierung. Mit diesemBild scheint das bis heute ebenso hartnäckigeBild Indigener als traditioneller, eher rückwärtsorientierter, und in jedem Fall ländlicher Bevöl-kerungsgruppen in Widerspruch zu stehen. Mitdiesen vermeintlichen Widersprüchen be-schäftigt sich dieses Kapitel in drei Schritten:(1) einer quantitativen Annäherung, (2) denWegen in und aus den Städten und (3) den

ggf. dort, bzw. im Migrationsprozess entste-henden neuen Identitäten. Diese Reflektionenwerden (4) mit einer Durchsicht entsprechen-der Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit(EZ) und (5) den daraus entstehenden Emp-fehlungen ergänzt.

1. Indigene in Städten – eine quantitativeAnnäherung

Gemeinhin assoziieren die meisten Menschenund Institutionen beim Stichwort “Indigene“

einen ländlichen, meist noch ökologisch sen-siblen Kontext, häufig Tropenwald. Dies istkeine Assoziation, die im “Wesen“ indigener

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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”(...) la mirada de las principales políticas pú-blicas de Chile como de otros estadoslatinoamericanos contiene un fuerte sesgoruralista... dejando de lado a una importantecantidad de personas y familias indígenas quehabitan los espacios urbanos de nuestra

 América mestiza y particularmente las

ciudades capitales.”CLAUDIO S AAVEDRA (CONADI) Chile

Völker begründet ist oder sich historisch bele-gen ließe, insbesondere nicht angesichts derindigenen Hochkulturen und ihrer wenn auchheute weitgehend unbekannten urbanen Struk-turen1. Auch in den Städten der Kolonialzeit

stellten indigene Siedler häufig die Bevölke-rungsmehrheit. Vielmehr handelt es sich umeine Assoziation mit den Bildern und Vorstel-lungen gängiger Diskurse zu indigenen Völ-kern. Nach einer ersten Anerkennung indi-gener Völker und ihrer Ansprüche auf dasLand, das sie bearbeiteten (1950er Jahre)kamen diese in jüngerer Zeit verstärkt mit der“Ökologiediskussion“  und insbesondere derDiskussion um Ressourcen- und Klimaschutz

in den internationalen Blick. Dabei verselbst-ständigte sich u.a. das Bild der Indigenen alsSchützer tropischer Regenwälder. Die indige-nen Völker der Regenwälder, insbesondere im Amazonastiefland, stellen zwar die größteVielzahl der Völker, aber gegenüber den we-sentlich größeren indigenen Hochlandvölkerneine quantitative Minderheit dar. Die folgendebereits in der ersten Hälfte der 1990er Jahrevorgelegte Einschätzung (PÉREZ S AINZ,1994:335) hat auch heute noch Gültigkeit und

würde jetzt, 10 Jahre später mit dem Stichwortder Globalisierung verknüpft: “(...) una cómodaasociación entre indígena/ campesino(a) que,en el fondo, remite a una concepción de estemundo étnico en términos de tradicionalidad einmovilidad. La otra cara de esa misma mo-neda es que los contextos urbanos, especial-

mente los metropolitanos, han sido caracteri-zados (...) como escenarios de modernizacióny donde, se ha pensado que identidades uni-

versalizantes, ligadas a procesos de abstrac-ción y de mercantilización generalizada, aca-barían diluyendo referentes concretos de iden-

tidad, como el de etnicidad.“

Viele Ethnolog/innen aber auch indigene Or-ganisationen – einschließlich das bereits zi-tierte Ständige Forum – haben eine deutlicheTendenz, die Migration in die Städte als Ver-lust von Traditionalität, Kultur und Werten zuinterpretieren, und damit eine Bedrohung zu

1 Die Veröffentlichung der GTZ zur Armutsbekämp-fung in Städten (GTZ, 2003a:8) weist auf dieseurbane Vorgeschichte für Lateinamerika hin.

verbinden. Dahinter steht das beständige, em-pirisch allerdings nicht haltbare Bild von Kulturals monolithischer Einheit, die tradiert undbewahrt wird, wobei Veränderung negativ kon-notiert ist (siehe auch STRÖBELE-GREGOR  in

diesem Band). Übersehen wird dabei nichtselten, dass auch die aktuell in ländlichen Ge-meinschaften vorherrschende Kultur selbst dasProdukt historischer Prozesse und auch ohneMigration ständigen Veränderungsprozessenausgesetzt ist. Richtig dagegen ist der Hinweisauf die massive Ausgrenzung und den vor-herrschenden Rassismus in den meisten la-teinamerikanischen Städten, der eine nichtidentifizierbare Anzahl indigener Migrant/innen

dazu bringt oder zwingt, ihre Identität als Indi-gene zumindest in der Öffentlichkeit auf-zugeben. Aber auch dann ist die nicht indigeneÖffentlichkeit häufig nicht bereit, indigeneMigrant/innen als Mestiz/innen gleichberechtigtanzuerkennen.

 Auch die eigenen Organisationsstrukturenindigener Völker reflektieren die enge Bezie-hung indigener Völker mit ländlichen Regio-nen, wenn beispielsweise die Hochlandindige-nen (Aymara und Quechua) Boliviens in derBauerngewerkschaft organisiert sind und sichmit campesinos  durchaus angesprochen füh-len.

Die Institutionen der Entwicklungszusammen-arbeit, die “ihre Indigenen“ im Zuge des Res-sourcenschutzes entdeckten, gehen zum Teilso weit, die Definition von “indigen“ im Sinneder eigenen Institution nur auf Indigene zubeziehen, die nicht in urbane Ballungszentren

migriert sind (vgl. das Weltbankkonzept OD4.20; WELTBANK, 1991). Dagegen widmet sichdas Indigenenkonzept des Bundesministeri-

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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ums für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung (BMZ) den Indigenen in Latein-amerika und der Karibik in größerer Breite undschließt explizit indigene Stadtbevölkerung ein.

Will man sich nun dem Thema der indigenenBevölkerung in der Stadt nähern, ist man zu-nächst mit zwei schwierigen Definitionsaufga-ben konfrontiert:

Wer sind Indigene?

Und was ist Stadt?

Die erste Frage wird mit Verweis auf die Defi-nition von M ARTÍNEZ COBO  (1987:379-381) derVereinten Nationen beantwortet (siehe auchSPEISER  und STRÖBELE-GREGOR  in diesem

Band): Indigen ist eine soziale Kategorie aufder Grundlage von Eigen- und Fremdzuschrei-bung, wobei der Selbstidentifikation im Zu-sammenhang mit öffentlichen Erhebungenbesondere Bedeutung zukommt. Bei dem Ver-such, sich einen quantitativen Überblick zuverschaffen, ist die Frage, wer Indigene sind,gekoppelt an die Fragestellung der nationalenStatistikämter und ihrer Volkszählungen. Wenn jedoch schon insgesamt die Datenlage zu indi-genen Völkern in Lateinamerika zu höchstunterschiedlichen Zahlen führt2, so gilt dasumso mehr für die Indigenen in Städten (vgl.MEENTZEN, 2001:49).

Die zweite Frage nach der Stadt kann eben-

falls im Rückgriff auf entsprechende internatio-nale Diskussionen nur näherungsweise be-antwortet werden: Eine allgemein anerkannte

Definition für den Begriff ”Stadt“ gibt es auchim UN Kontext von Habitat noch nicht: “As theauthoritative global agency on sustainable

urban development, UN–HABITAT should firsttake the lead in ensuring that the definition ofcity is not limited by formalistic legal or ge-

ographical approaches, but captures the dy-namic functional reality of the urbanisationprocess and places the city in its regional con-

text.” (UN HABITAT, 2003, Internetveröffentli-

 2 Auf der Seite http://www.gtz.de/indigenas werdendie Schätzungen des Instituto Interamericano Indi-genista (III, Mexiko), der Weltbank und der Inter-amerikanischen Entwicklungsbank (IDB) vorgestellt.Neueste Vergleiche vorliegenden Datenmaterialsvgl. B ARIÉ, 2004. Ein Überblick bietet die Tabelle im

 Anhang 1.

chung).3  Die Entwicklungszusammenarbeitgreift diese komplexe Diskussion auf: “Die Ab-grenzung urban  – im Sinne von Mindestein-wohnerzahl – wird in den einzelnen Ländernauf recht verschiedene Weise vorgenommen.

Unabhängig von diesem quantitativen Krite-rium beinhaltet urban  weitere Merkmale wieSiedlungsdichte, hoher Grad an Marktattrakti-onen und möglicherweise einige Verwaltungs-eigenschaften. Dabei deckt der Begriff urban

ein Spektrum von Einheiten ab: von kleinenStädten zu mittelgroßen Städten über Groß-städte bis hin zu den Megastädten, die sich jeweils unterschiedlichen Problemen gegen-über sehen und unterschiedliche institutionelle

Kapazitäten aufweisen“ (GTZ, 2003b:33).Städte enden nicht einfach an der administrativgezogenen Stadtgrenze, sondern setzen sichweit ins Hinterland fort. Die Zersiedlung desUmlandes, v.a. durch Zuordnung ländlicherGebiete in städtische Verwaltungseinheitenund die damit einhergehende “Urbanisierung“,beeinflusst die Entwicklung ländlicher Regio-nen. Umgekehrt wirken ländliche Zusammen-hänge auf Städte, wie sich beispielsweise anurban-ruralen Wirtschaftskreisläufen sowie an

kulturellen und religiösen Darbietungen undVerhaltensweisen zeigen lässt.

Im Rückgriff auf nationale Statistiken wird imFolgenden dieses differenzierte Bild von Stadtnicht aufrecht zu erhalten sein, vielmehr wirdpositivistisch da von Städten gesprochen wer-den, wo die jeweiligen Quellen von Städtensprechen, und das ist meist dann der Fall,wenn in Siedlungen mehr als 2000 Einwoh-ner/innen leben. Die Uneinheitlichkeit dieser

Definition erschwert quantitative Vergleiche.CELADE4  hat 1992 einen Überblick über dieVolkszählungen ausgewählter lateinamerikani-

scher Länder erstellt und die jeweiligen Frag-stellungen, mit denen die indigene Bevölke-rung differenziert erhoben werden sollte, un-

 3

www.unhabitat.org/campaigns/tenure/articles/vision _strategic%20vision_1.asp; vgl. auch die Zusam-menstellung von Stadtdefinitionen unter www.ifs.tu-

darmstadt.de/club/global/stadtbegriff.htm4 Centro Latinoamericano y Caribeño de Demogra-fía, Teilinstitution von CEPAL (Comisión Económicapara América Latina y el Caribe).

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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haushaltsgestützte Untersuchung dar(FERNÁNDEZ, G ARCÍA & ÁVILA, 2002:171ff): DieMitglieder eines Haushalts, in dem zumindesteine Person indigene Charakteristika hat, gel-ten als indigen. Damit kommt die Schätzung zu

2,55 Mio. indigenen Haushalten mit 12,4 Mio.Mitgliedern. Ausgenommen sind dabei dieHaushalte mit indigenen Hausangestellten.

In Paraguay (DIRECCIÓN GENERAL DE

ESTADÍSTICA, ENCUESTAS Y CENSOS, 2003a:35)wird indigen definiert als: “Persona originariadel país. Se dice de la persona que se declaraperteneciente a una etnia o pueblo originario yse manifiesta miembro de una comunidad,núcleo de familias o barrio indígena, indepen-

dientemente de que siga hablando o no lalengua de origen.” Auf der Grundlage dieserDefinition und der entsprechenden Selbstiden-tifikation gelangt das statistische Amt(DIRECCIÓN GENERAL DE ESTADÍSTICA,ENCUESTAS Y CENSOS, 2003b:563f) zu einemVerhältnis 1:10 zwischen der indigenen Bevöl-kerung in Stadt (7 407) und Land (79 692). AufGrund der offiziellen Zweisprachigkeit in Para-guay (Guaraní und Spanisch) war es nötiggeworden, ein von der Sprachkompetenz un-abhängiges Kriterium zu identifizieren.

Für  Bolivien  stellt VELASCO  (2001:6)7  fest,dass nur 15% der städtischen Bevölkerunggegenüber 63% der ländlichen Bevölkerung

gemäß dem Kriterium Sprachbeherrschungindigen ist. Sie schränkt dieses Ergebnis abergleichzeitig mit dem Verweis ein, dass das

Sprachenkriterium eine nicht definierbare Zahlvon Indigenen insbesondere in Städten aus-schießt, da die Migration in urbane Kontexte

oftmals den Verlust der indigenen Sprachenach sich zieht. Die Schätzung des NationalenStatistikinstituts beträgt 77,73% für die ländli-

che und 53,45% für die städtische Bevölke-rung. Insgesamt spricht das INE/ Bolivien(2003:27) von 50% indigenem Bevölkerungs-

anteil, der zu 45% in Städten lebt. Das InstitutoInteramericano Indigenista und ALBÓ & ANAYA

(2004:71) geben mehr als 60% an.

7  Auf der Grundlage einer Befragung des InstitutoNacional de Estadística (Encuesta Mecovi, 1999).

Für  Peru lässt sich im Vergleich der Volks-zählung von 1993 und der Encuesta Nacionalde Hogares von 2000 zeigen, dass die abso-luten Zahlen erheblich ansteigen, sobald an-statt der Muttersprache ein offeneres Kriterium

benutzt wird, in diesem Fall: “Por sus antepa-sados y de acuerdo a sus costumbres, Ustedse considera (...)?“. Mit dieser Fragestellunghaben sich 38% der Gesamtbevölkerung und31% der urbanen Bevölkerung als zugehörigzu “origen aymara“, “origen quechua“ oder“indígena de la Amazonía“ identifiziert, wäh-rend die Volkszählung 1993 (Kriterium Spra-che) nur 20% und 15% bezogen jeweils auf dieGesamt- bzw. Stadtbevölkerung erbrachte

(GRADE, 2002:19-22). Diese Untersuchungensind für Peru auch insofern besonders rele-vant, weil die peruanische Bevölkerung zumehr als 70% bereits in Städten lebt. Aufwelch unsicherem Boden man sich mit denquantitativen Annäherungen bewegt, zeigt derVerweis auf ALBÓ  (zitiert nach BENGOA,2000:56), der 1993 eine Gesamtzahl von11 Mio. urbaner Indigener in Peru, doppelt soviele wie in den ländlichen Gemeinden schätz-te. Gemäß der 2002 von GRADE im Auftrag

der Weltbank vorgelegte Studie der QuechuaBevölkerung (85% der peruanischen Indige-nen) in Lima (15% indigene Bevölkerung) undCuzco (zwei Drittel indigene Bevölkerung)leben 30% der indigenen Bevölkerung mittler-weile in Städten, mehrheitlich in Lima. Aller-dings sind die Zahlen vorsichtig zu inter-

pretieren, da sich die Studie auf der Grundlageder Volkszählung von 1993 auf das aus-schließliche Kriterium “indigene Sprache“ be-

zieht und damit von einer indigenen Gesamt-bevölkerung von nur 3,5 Mio. ausgeht.

 Aber diese Unsicherheiten haben Tradition:B ARRIG  (2001:101) dokumentiert die Tendenzzur “Entindigenisierung“ unter vergleichendemVerweis auf die Volkszählungen seit 1908,insbesondere für die Städte Lima und Cuzco(Peru) sowie Quito (Ecuador). Dieser Prozesserklärt sich über die Bedeutung der Selbst-identifizierung. Diese reagiert besonders immultiethnischen Umfeld von Städten auf Aus-

grenzung und Rassismus entweder über dieNegation des eigenen ethnischen Bezugs unddamit eine öffentlich sichtbare Assimilation an

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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das Umfeld oder über indigene Selbstbehaup-tung. Häufig reagiert das gesellschaftlicheUmfeld nicht erwartungskonform, d.h. vieleIndigene, die sich nicht mehr als Indigene be-haupten, sondern als Mestizen darstellen,

werden weiterhin als Indigene wahrgenommenund ausgegrenzt.

2. Wege in und aus den Städten

Migration

Die Gründe für die Migration Indigener sindkeine anderen als die, die auch nicht indigeneBevölkerung zur Migration vom Land in dieStadt bewegen. BELLO & R ANGEL  (2002:41)

fassen die “Push-Faktoren“ wie folgt zusam-men: ”El deterioro de las economías campesi-nas, la pérdida y disminución de las tierrascomunitarias, la carencia general de recursosproductivos, el crecimiento de la población, la‚salarización’, la pobreza.“ Dem gegenüberwird mit dem Leben in Städten die Möglichkeitbesserer Lebensbedingungen, insbesondere Arbeit und Einkommen und für Kinder und Ju-gendliche die Suche nach besseren (Aus-) Bil-dungsmöglichkeiten verbunden. Vertreibung

als Folge von gewaltsamen Auseinanderset-zungen (v.a. in Kolumbien, Guatemala undPeru) und von eklatanten Umweltzerstörungen(v.a. in der Amazonasregion) sind Sonderfälle.Die Migrationsbewegungen haben sich seitMitte des vergangenen Jahrhunderts intensi-viert.

Es gibt vielerlei Formen der Migration, dieStadt und Land, neuen Lebensmittelpunkt undHerkunft nachhaltig miteinander verknüpfen.

Dies nimmt BENGOA (2000:76-81) vor allem fürindigene Migrant/innen in Anspruch. IndigeneMigrant/innen entwickeln eine Zugehörigkeit zumehreren Wohnorten und damit auch mit ei-nem städtisch-ländlichen Selbstverständnis.Dabei entstehen neue Wirtschaftszweige in derVerbindung von informeller Wirtschaft undHandel in Städten mit erweiterter Subsistenz-landwirtschaft der Herkunftsgemeinden. AnStelle einer eindeutigen Verortung entwickeltsich ein Kontinuum zwischen Stadt und Land,das unterschiedlich ausgestaltet sein kann:Migration findet statt in Pendlermodellen mitRückkehr in bestimmten Rhythmen, als Projekt

für einen Lebensabschnitt, zum Beispiel der Ausbildung, als vorübergehende Überlebens-strategie oder als endgültige Abwanderung.Die Option der Rückkehr ist dabei v.a. vonsozialer und psychischer Bedeutung und wird

weitgehend aufrechterhalten.

Migration verläuft meist in Etappen aus derländlichen Gemeinde über ländliche Unterzent-ren in die (Haupt-)städte der Provinzen oderDepartamente und ggf. anschließend in dieMegastädte des Landes, oder in ausländischeStädte (v.a. USA). Für Lima zeigt die Studievon GRADE (2002:18) diese Etappen derMigrationsverläufe, da die Mehrheit der Que-chuabevölkerung in Lima nicht direkt aus den

Dörfern sondern aus kleineren Städten desHochlandes nach Lima kam. Im Falle von Ver-triebenen8  ist die Orientierung abhängig vonder Sicherheitslage und von spezifischen Auf-nahmeprogrammen.

 Am Beispiel von drei Städten kann die spezifi-

sche und sehr unterschiedliche Verarbeitungder Migration Indigener in Lateinamerika kurzdargestellt werden:

El Alto (Bolivien), ursprünglich die Vorstadt-region von La Paz auf dem Altiplano, 1987 zureigenen Stadt erklärt, ist in spezifischer Weiseeine “Aymarastadt“, da sie vor allem die Migra-tionsströme aus dem Altiplano, d.h. dem rura-len Siedlungsgebiet der Aymara aufnimmt. El Alto ist in seinem Stadtbild geprägt von Ayma-ras, die selbstbewusst ihre Kultur (z.B. Klei-dung und Sprache) ausdrücken, und in dieserForm und Größe sicher einmalig (vgl.STRÖBELE-GREGOR, 1990).

Santiago de Chile ist eine auf den ersten Blickganz “un-indigene“ Stadt, in der jedoch – nachder Volkszählung von 1992 – die Mehrheit derIndigenen des Landes lebt. Auch als Spiegeldes nationalen Umgangs mit dem “indigenenThema“ wurde hier immer die Anpassung alleran eine europäisch orientierte Metropole ge-fordert, was häufig ethnischem Rassismusgleich kam. In Vergessenheit geraten ist die

8 GRADE (2002:31) weist beispielsweise nach, dass70% der Vertriebenen in Peru Indigene sind. Auchin Kolumbien stellt die indigene Bevölkerung einenüberproportional großen Anteil an den Vertriebenen.

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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vorkoloniale Mapuchevergangenheit des aktu-ellen Santiago de Chile. Nur der Süden desLandes, wo die Mapuchebevölkerung bis 1883erfolgreich gegen die Kolonialisierung Wider-stand leistete, gilt gemeinhin als “traditionelles

Mapucheterritorium“. Nachdem die MapucheMigrant/innen aus dem Süden sich zunächst jahrzehntelang in Santiago anzupassen ver-suchten, dennoch aber von der nicht indigenenMehrheit der Stadt ausgegrenzt und diskrimi-niert wurden, sind in jüngster Zeit interessantesozio-organisative Entwicklungen zu beo-bachten. Vor allem jugendliche indigene Stu-dierende, Migrant/innen der zweiten oder drit-ten Generation, befassen sich explizit mit der

neuen Realität “urbaner Mapuche“ und entwi-ckeln eine neue urbane indigene Identität. Auch ohne quantitative Untersuchungen dazu,ist zu vermuten, dass diese Dynamik eine Min-derheit betrifft. Dagegen scheint sich die eher“angepasste Mehrheit“ der Mapuche in Santi-ago in der Volkszählung 2002 gegen eine indi-gene Zuordnung ausgesprochen zu haben.

Das Indigenengesetz von 1993 definiert seinenGeltungsbereich explizit auch für den städti-schen Raum. Die im Gesetz vorgesehenenadministrativen Strukturen wie das Büro fürindigene Angelegenheiten finden sich ebenfallsin Santiago mit einem an den städtischenRaum angepassten Angebot an Maßnahmen,wie beispielsweise der Förderung von indige-nen Verbänden und Kleinunternehmer/innen(vgl. INSTITUTO DE ESTUDIOS INDÍGENAS,2003:381ff).

Lima (Peru) ist die lateinamerikanische Metro-pole, die am schnellsten von Migration aus

dem ländlichen Andenraum “überrollt“ wurdeund sich “ruralisierte“, teilweise auch “indigeni-sierte“. Die massiven Migrationen und die Stra-

tegien der Landnahmen führten zur Ent-wicklung eines neuen kollektiven Bewusstseinsals “Städter“ und entsprechenden politischen

Organisationsformen, die weniger an der Her-kunft als an der aktuellen Situation in der Stadtund den damit verbundenen Forderungen und

Erwartungen anknüpfen. Die Migrant/innen

legen ihre indigene Identität ab, werden jedochvon den nicht indigenen Städtern weiterhindiskriminiert. Diese Veränderungsprozesse

lassen sich in Lima sowohl in den Siedlungs-modellen der Migrant/innen in den Armutsgür-teln der Stadt als auch in ihrer Selbstdarstel-lung beobachten. Die Mehrheit derMigrant/innen findet nur im informellen Sektor

eine meist prekäre Beschäftigung. Dies giltauch für indigene Migrant/innen. In Lima ist derinformelle Sektor besonders stark differenziert.Mittlerweile haben sich – wie auch in La Paz,El Alto und Santiago de Chile – indigene Mit-telschichten aus der informellen Wirtschaftentwickelt und z.T. organisiert.

Foto: Kinder in Guatemala (A. BEGEMANN)

Urbanisierung

Eine andere und unfreiwilligere Weise zumStädter zu werden ist die Dynamik, mit der sichStädte zunehmend in ihr ländliches Umlandausdehnen und dieses administrativ oder inf-rastrukturell eingemeinden. Indigene Gruppen,die eigentlich in der Nähe von Städten ländlichsiedeln, finden sich dann unfreiwillig innerhalbder urbanen Parameter wieder. SCHRÖDER

9

stellt dies für einige Orte in Brasilien fest, zumBeispiel für das Volk der Fulni-ô im SertãoPernambucos, die ihr Dorf nicht verlassen ha-

ben, sich aber aktuell bereits in einem Stadtteilvon Aguas Belas wiederfinden.

Wege zurück aus der Stadt

 Auch unter indigenen Migrant/innen haben sichvielfältige Weisen, Stadt und Land zu ver-knüpfen, entwickelt. Diese Dynamik ist abhän-

gig von den Entfernungen, dem Wegenetz undder Verkehrsanbindung und lässt sich für dieindigenen ruralen Siedlungen im Umfeld von

9 Persönliche Kommunikation

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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Städten, beispielsweise für La Paz, El Alto,Quito, Cuzco und viele andere nachweisen.

 Auch die Rückkehr in die Gemeinden zu kultu-rell relevanten Festen mit den entsprechenden

ökonomischen Verpflichtungen ist ein wichtigerFaktor in der kulturellen Reproduktion derMigrant/innen, aber auch im sich wandelndenKonsumverhalten ländlicher Bevölkerungen.

Teil von Rückkehr und Beziehungspflege zwi-schen Herkunftsgemeinde und neuem urbanenUmfeld sind wirtschaftliche Interessen undÜberlebensstrategien, beispielsweise in derVermarktung landwirtschaftlicher Produkte derHerkunftsgemeinden in den Städten. Darin

sehen einige Ethnologen eine aktuelle Varianteder Strategie der Risikominimierung, die Hoch-landindigene in der andinen Landwirtschaft mitder Verteilung ihrer Produktion auf verschiede-

ne Höhenstufen praktizierten (z.B. Altiplano –Yungas in Bolivien). Auch PSACHADOPOULOS &P ATRINOS (1994:217) verweisen in ihrer Studie

für die Weltbank für die urbanen IndigenenBoliviens auf alte Muster wirtschaftlicher Rati-onalität. Die Herkunftsgemeinden sind abhän-

gig von den Zuwendungen ihrer Migrant/innen

und werden ebenso wie ländliche Gemeindennicht indigener Bevölkerung durch diese Dy-

namik an die Wirtschaftsentwicklung urbanerZentren, insbesondere ländlicher Unterzentrenangeschlossen. Umgekehrt tragen sie durch

die landwirtschaftliche Produktion zum Überle-ben der Städter bei. Mitglieder der Herkunfts-gemeinde oder Verwandte in der Stadt sind

darüber hinaus die erste Anlaufstelle für neueMigrant/innen.

Trotz dieser verschiedenen Formen des Aus-tausches pflegen zahlreiche Migrant/innenkeinen Kontakt mehr zu ihrer Herkunftsge-meinde, bzw. reduzieren diesen auf die Unter-stützung neu Ankommender in der Stadt. Diesist umso mehr der Fall, wenn sich ihre Erwar-tungen an den Erfolg der Migration nicht erfül-len, bzw. wenn sie sich von der indigenen Her-kunft “losgesagt“ haben.

Das Bild des Landes aus Sicht der Städte

Wenig verlässliche Auskunft gibt es über dieVerschiebung von Deutungen der ländlichenHerkunftsregion aus der städtischen Perspek-

tive der Migrant/innen. Abhängig sind dieseBilder immer von der konkreten Situation ausder heraus sie entwickelt werden, beispiels-weise vom Erfolg der eigenen Migration. Ge-meinsam mit nicht indigenen Migrant/innen

haben auch indigene die Tendenz der “rosa-roten Brille“ für den Blick zurück und denTraum von der idealisierten Heimkehr, wohinsie zwar zu Besuch gehen, aber sehr wahr-scheinlich nicht mehr zurücksiedeln. Die Fik-tion der Rückkehr in diese “bessere, reinereWelt“ wird aufrecht erhalten, auch als Gegen-gewicht gegenüber der Härte der Ausgrenzungin einer urbanen nicht indigenen Gesellschaft,selbst dann, wenn die Besuche in der Her-

kunftsgemeinde bereits unregelmäßig gewor-den sind. Diese Dynamik wurde in der Migrati-onssoziologie eingehend untersucht; indigeneMigrant/innen stellen keinen Sonderfall dar.10

Wenn die Rückkehr nicht oder selten möglichist und das Umfeld sich erheblich von der Her-kunftssituation unterscheidet, wie beispiels-weise für die Indigenen des Hochlandes inLima, ist die Vorstellung der Herkunftsgemein-den ein Agglutinationspunkt für lokale Organi-sationen und spiegelt sich zusammen mit Ver-wandtschaft in der Siedlungsweise in den Vor-städten der Metropolen. Der Bezug auf dieHerkunft verbindet die Migrant/innen unterein-ander (vgl. für Peru GRADE, 2002:48f.).MÉNDEZ DOMÍNGUEZ  (1994:351f.) weist dasanhand der vorherrschenden indigenen Spra-chen in einzelnen Stadtteilen von GuatemalaStadt nach. Diese Dynamik reagiert teilweiseauf ethnische Segregation in den Städten imSinne der Selbstorganisation und Selbstbe-

hauptung “in der Fremde".Dagegen ist es in Städten im indigenen Um-land wie Cuzco noch möglich, die Beziehun-

gen zu den Herkunftsgemeinden konkret undreal aufrecht zu erhalten durch häufigere Rei-sen, Teilnahme an Festen, etc., und damit die

Reproduktion kultureller Strukturen aus demHerkunftsumfeld wieder zu aktualisieren. AufGrund des realen Austausches mit den Her-

 10 Vgl. die Diskussionsbeiträge zur ADLAF (Arbeits-gemeinschaft Deutsche Lateinamerikaforschung)Jahrestagung 2003 zum Thema Migration in Frei-burg (im Druck) und G ABBERT ET AL., 1999.

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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kunftsgemeinden ist die symbolische Bedeu-tung der Herkunftsgemeinde als Strukturprinzipvon Organisationen und Ansiedlung wenigerrelevant.

3. Neue Identitäten – Urbane Indigeneoder Mestizen

Die Diskussion der schwierigen quantitativenBestimmung Indigener in urbanen Zentrenerbrachte schon Verweise auf Prozesse der Anpassung und Mestizisierung, die in unter-schiedlichem Maße wahrscheinlich die Mehr-heit der Migrationsverläufe kennzeichnen, aberfür weitere Veränderungen offen bleiben. Dieeigene Identifizierung und “performance“ (die

öffentlich sichtbare Form dieser Identifizierung)sind Reaktionen auf die Umfeldsituation, diemeist bestimmt ist von Armut und Ausgren-zung. Weitere wesentliche Faktoren für dieeigene Positionierung, die in dieser Form erstgefordert ist, wenn die Indigenen ihre dörfli-chen Strukturen verlassen bzw. mit dem nichtindigenen Umfeld konfrontiert sind, sind dieZugehörigkeit zu einer lokal vertretenen Min-derheit oder Mehrheit, die gesellschaftlicheStellung Indigener im Allgemeinen, sowie dierelevanten gesellschaftlichen Strömungen.Diese Reaktionen können grundsätzlich als Anpassung an das Umfeld oder als gegenläu-fige Selbstbehauptung erfolgen. Sie wirkensich unterschiedlich für Frauen, für Jugendli-che und für Organisationen und ihre Leitungs-kader aus.

Wirtschaftliche Optionen, Unterschich-tung und Marginalisierung

 Arbeitsplätze sind vor allem in Städten, die vielMigration anziehen und aufnehmen, eine Sel-tenheit. Wirtschaftlich findet sich die Mehrheitindigener Migrant/innen im informellen Sektor,wie ausgeführt z.T. unter Nutzung von Poten-zialen aus den Herkunftsgemeinden wider. Ihrgeringer Bildungsstand ist einer der Gründe fürdie ökonomische Ausgrenzung. Spezifischefamiliäre und soziale Strukturen der Zusam-menarbeit, wie beispielsweise Familienmikro-unternehmen haben sich dabei herausgebildet.Migrant/innen, die bereits länger in Städtenleben, haben spezifische indigene Mittel-schichten gebildet, beispielsweise erfolgreiche

 Aymara Händlerinnen in El Alto und La Paz(Bolivien; vgl. STRÖBELE-GREGOR, 1990). Inte-ressant ist auch das Phänomen professionellerMapuche-Vereinigungen in Santiago de Chile,in denen sich Migrant/innen der Mittelschicht

nach einer Phase der Anpassung nun im Sinneder Re-Ethnisierung öffentlich als Indigeneorganisieren. Diese gelungenen Migrations-verläufe stellen unter der indigenen Bevölke-rung noch immer eine Minderheit dar, sindaber Teil der Motivation für vor allem jungeIndigene.

Der Anteil indigener Armer in Städten ist vorallem in den Städten der Andenländer höherals der nicht-indigenen Bevölkerung. Für Lima-

und die Quechua-Migranten in der Stadt lässtsich das Phänomen der Unterschichtung quan-titativ nachweisen (GRADE, 2002:7): dreimalso viele Indigene als nicht Indigene leben inextremer Armut. Sowohl quantitative Analysenals auch Einzel- und Gruppeninterviews bele-gen repräsentativ für Lima und Cuzco dengrößeren Grad an Exklusion, dem die indigeneBevölkerungsgruppe unterliegt, eine verschärf-te Armut, und einen geringeren Zugang zustaatlichen Dienstleistungen, allen voran Ge-sundheit und Bildung (vgl. GRADE, 2002:33ff).Bestätigt wird die größere indigene Armut auchdurch die qualitativen Studien der Weltbank“Voces de los Pobres“ (DFID/ WELTBANK,2003) in Peru an Hand von Untersuchungenaus Juliaca auf dem Altiplano. Die befragtenIndigenen beider Untersuchungen stellten je-doch keinen expliziten Bezug zwischen Armutund Ethnizität her, sondern verwiesen auf Pro-xyindikatoren wie Sprache, Aussehen, traditio-

nelle Kleidung oder die Wohngegend, die einesozio-ökonomische Zuordnung erlauben. Ähn-liche Verhältnisse lassen sich für andere Städ-te in anderen lateinamerikanischen Ländernvermuten.

GRADE kommt zu dem Schluss, dass die

schlechtere Position indigener Migranten inLima gegenüber nicht indigenen hinsichtlich Arbeitsplätzen, Einkommen, Armut in einem

Mangel an in der Stadt relevantem Sozialka-

pital begründet ist. Quechua-Migranten in Limaknüpfen an die Verwandtschaftsstrukturen ausden Herkunftsregionen, d.h. wieder bei Que-

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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chua, an und nehmen an den Angeboten desStaates zur Minderung der Auswirkungen ex-tremer Armut (Suppenküchen etc.) teil. Beidesist nicht geeignet, die Platzierung im Arbeits-markt oder für einkommensschaffende Selbst-

ständigkeit zu verbessern. Erschwerendkommt dabei noch ihre signifikant geringereBildung hinzu, auch weil Bildungseinrichtun-gen, v.a. Sekundarstufe II und Universität häu-fig der Ursprung professionell relevanter Netz-werke sind.

Bereits 1994 analysierten WOOD & P ATRINOS

das urbane Bolivien und stellten auf derGrundlage der zensalen Daten von 1989 einendirekten Bezug zwischen Ethnizität und Armut

her. Teilursachen für eine sehr eingeschränkteTeilhabe an gesellschaftlichen und wirtschaftli-chen Möglichkeiten wurden in unzureichendenSpanischkenntnissen und Bildung identifiziert,insbesondere für indigene Frauen. Danebenwird festgestellt (1994:94): “Even after control-ling for schooling attainment, indigenous indi-viduals have a 16 percentage point greaterprobability of being poor than non-indigenousindividuals.“

Die Ausgrenzung Indigener ist seitens dernicht indigenen Gesellschaft, der Mehrheitsge-

sellschaft in den meisten Städten, ethnischmotiviert und begründet. Indigene ihrerseitswollen diese Bezüge nicht öffentlich machen,

wenn sie sich selbst bereits im Prozess der“Entindigenisierung“ befinden und um Aner-kennung als “Gleiche“ bemüht sind. Sprache,

Kleidung, etc. lassen sich ändern, damit abernicht immer die erhoffte Teilhabe erwirken.

Entindigenisierung und Mestizisierung

Hinsichtlich der unterschiedlichen Anpas-sungsleistungen indigener Migrant/innen un-terscheiden sich bestimmte Städte ganz grund-legend: in El Alto, La Paz (Bolivien), auchQuetzaltenango (Guatemala), Otavalo undteilweise auch Quito (Ecuador), das heißt inStädten im Umland indigener Siedlungen undTraditionen, bewahren indigene Migrant/innenauch äußerlich sichtbare Anzeichen ihrer Posi-

tionierung als Indigene. In Städten wie Lima(Peru), Santa Cruz (Bolivien), Guayaquil (Ecu-ador) und den meisten mittelamerikanischen

Hauptstädten mit Ausnahme von GuatemalaStadt wird diese Positionierung unsichtbarer,die Anpassung scheinbar intensiver. DieseDifferenzierungen lassen sich auch für unter-schiedliche Stadtteile in diesen und anderen

lateinamerikanischen Städten beobachten. ImFolgenden werden nur einige untersuchte Bei-spiele kurz skizziert:

Quechua in Lima (Peru) – und hierin ist dieStudie nicht auf die Nachbarländer übertragbar – identifizieren sich weder als Quechua, nochals Indigene, sondern bevorzugen für sich denrelativ neuen Sprachgebrauch provinciano,erkennen sich jedoch auch wieder in dem ei-gentlich pejorativ verwandten cholo (GRADE,

2002:73-79). Damit wird eine deutliche Orien-tierung hin zu regionalen statt ethnischen Be-zügen zum Ausdruck gebracht. Der Begriff descholo ist, v.a. unter den peruanischen Indige-nen, insbesondere in Lima gebräuchlich, fasstdiese Komplexität von (unvollständiger) An-passung, verweigerter Anerkennung undRückgriff auf die eigene Herkunft zusammen(BENGOA, 2000:55f): “Acholarse tiene dos sen-tidos, uno transformarse en “misti“, en blanco.Cambiarse la vestimenta y tratar de hablar enespañol. Como los blancos se dan cuenta deque la transformación ha sido parcial, se lesdenomina “cholos“. Término racial y despec-tivo. Pero “acholarse“ también tiene el sentidode ”timidez“, de retraimiento, de incapacidadde expresarse en forma decidida.“

Mit dieser Selbstidentifizierung kann die Que-

chua Migrantenbevölkerung in Lima als Bei-spiel für Anpassungsbestrebungen angeführtwerden. Bestätigt wird dies im Vergleich mit

der Selbstidentifizierung in Cuzco. GRADE(2002:67) stellt mit Blick auf den Urbanisie-rungsprozess Perus seit den 1950er Jahren

einen Identitätswandel vom “indígena“ zum“poblador urbano“ fest, bei dem sich in den Armutsgürteln der Hauptstadt ein neues

Selbstverständnis im Sinne der “cholificación“als Vorstufe zu einer offeneren nationalen I-dentität bereits seit den 1980er Jahren entwi-

ckelt hat. Gegenüber GRADE stellen die Que-

chua in Lima und Cuzco ihre Wahrnehmungvon Diskrimination und Ausschluss dar undbegründen sie im wesentlichen mit Sprache,

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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Herkunft, Aussehen und sozio-ökonomischerSchichtzugehörigkeit. Drei der vier Kriterienweisen einen deutlichen Bezug zu ethnischenFaktoren auf, der aber in der Interviewsituationverschwiegen wird. Die Konsequenzen aus

dieser Wahrnehmung sind entweder eine ver-stärkte Anpassung oder eine bewusste Identi-fizierung mit den Kriterien, die den Ausschlussmarkieren und positiv für die Selbstbehauptungund -wahrnehmung umgedeutet werden kön-nen.

Dieser Prozess zeigt umgekehrt auch einespezifische Beeinflussung der sich entwickeln-den urbanen Kulturen in den Armenvierteln,die im Falle von Lima mit cholo  bzw. andin

charakterisiert werden. Damit wird der indige-nen Bevölkerung – möglicherweise gegen ihreeigene Verortung – ein kultureller Beitrag zu-gewiesen. Eines der kulturellen Elemente, diebesonders stark unter Anpassungsdruck ste-hen, ist die indigene Sprache, die sich im all-gemeinen in den Städten auch auf Grund desSchulsystems schneller verliert als in den länd-lichen Kommunen, womit das KriteriumSprachkompetenz in Volkszählungen kritischhinterfragt werden muss.

P ATRINOS  (1994:18) stellte für Guatemala  die

Bedeutung der Migration und des intensiveren“Kulturkontaktes” für Veränderungsprozesseunter der Mayabevölkerung fest: “(...) identifi-

cation becomes a matter of social class ratherthan indigenous origins. The factors identifiedin the study that relate to change are: family

structure, work/ economics, government poli-cies, telecommunications and travel, educationand religion.” Diese Faktoren spielen im urba-

nen Kontext eine gewichtigere Rolle als aufdem Land. Aus ihnen wird in Abhängigkeit vomErfolg oder Misserfolg der Migration gewählt

und damit die neue Selbstverortung erklärt:Mestize,  poblador/a urbano/a provinciano/a

oder auf der anderen Seite Indigene/r.

In Bolivien dagegen haben sich gemäß ALBÓ,1995 in den Städten des Hochlandes indigeneurbane Kulturen neu entwickelt, die sich vorallem in La Paz und El Alto beobachten lassen.

Indigene Selbstbehauptung ist hier verbundenmit einer erfolgreichen Anpassung an urbaneStrukturen und ihre wirtschaftlichen Möglich-

keiten, vor allem im Handel. Die Kulturen der Aymara und Quechua in den Städten sindnicht die Konservierung der Kulturen ihresHerkunftsumfeldes, sondern vielmehr das Pro-dukt einer Weiterentwicklung, d.h. neue urbane

indigene Kulturen, die die Städte prägen undzurückwirken auf die ländlichen Herkunftsregi-onen.

Ethnisierung und Politisierung

Eine Gegenbewegung zur anhaltenden Dis-kriminierung und Ausgrenzung als Indigenesind Prozesse der Re-Ethnisierung, wie sieinteressanterweise insbesondere in der zwei-ten und dritten Generation von Migrant/innen

zu beobachten sind.

In Chile, vor allem im Großraum Santiago undangesichts der insgesamt wesentlich geringe-ren politischen und rechtlichen Anerkennung

indigener Völker, lässt sich ein doppelter Pro-zess beobachten: Wie ausgeführt, lebt einGroßteil der Mapuche, der größten indigenen

Bevölkerungsgruppe des Landes, bereits inStädten und bewegt sich dort “unauffällig“, d.h.positioniert sich nicht als indigen, sondern ist

um Anpassung an “chilenische Standards“bemüht. Erst in jüngster Zeit haben sich inSantiago ethnische Bewegungen insbesondere

unter den Mapuche etabliert, in denen sichMigranten/innen als Mapuche “wiederentde-cken“ und sich zu ethnisch strukturierten Or-ganisationen zusammen finden. Diese Organi-sationen haben ein kulturelles, wirtschaftlichesoder zur Selbsthilfe orientiertes Selbstver-ständnis. Eine von mehreren tausend ethnischorientierten Organisationen in Santiago ist

Kaxawaiñ, die auf ihrer Website11  stellvertre-tend für andere formulieren: “(...) nos reunimosbuscando y luchando por la recuperación denuestras tradiciones, sistematización de nues-tros diálogos y reflexiones, nuestros ritos ymemorias, teniendo la esperanza que la teoríay práctica abrirán un sendero para el respetode la sabiduría del sistema cultural mapuche,(...)“ In diesem Prozess intensivierten sie auchdie Beziehungen zu ihren Herkunftsregionenim Süden des Landes.

11 Vgl. beispielsweise eine Sammelseitehttp://mapuches-urbanos.tripod.com/

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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Das unabhängige Centro de Documentación yEstudios Mapuche in Temuco ist ein weiteresBeispiel für diese Re-Ethnisierungsprozesse,in diesem Fall gekoppelt mit der Rückkehr indas historische Mapucheterritorium: Ihre Grün-

der kehrten aus Santiago de Chile zurück,nach eigenen Angaben nach einer persönli-chen Identifizierung als Mapuche und bautendieses Zentrum mit einer Gruppe Gleichge-sinnter auf. Andere aus Santiago nach Temucozurückkehrende Mapuche verfolgen eine an-dere Strategie und arbeiten in den staatlichenStrukturen indigener Vertretung (CONADI,Corporación Nacional de Desarollo Indígenabzw. Nationale Gesellschaft für indigene Ent-

wicklung). Dies ist gleichzeitig ein Beispiel fürdie Gestaltung von Rückkehr, nicht eine Rück-kehr auf das Land, sondern eine (Teil-) Rück-kehr in Provinzstädte.

Ein weiteres Beispiel für eine Re-Ethnisierungnach gelungener Anpassung an urbane Kon-texte und eher von nationalen Parameternbestimmte Kulturen sind die politischen Orga-nisationen in El Alto (Bolivien), die sich aller-dings im Unterschied zu Santiago de Chile ineinem mehrheitlich indigenen Umfeld etablier-ten. Insbesondere die 1994 durch den “Com-padre Palenque“ gegründete Partei CONDEPA(Conciencia de Patria) griff auf die Symboleder Aymarakultur zurück und positionierte sichals Partei der städtischen Aymara. Sie ist somitin besonderer Weise ein Produkt der Ausei-nandersetzung der Aymarabevölkerung mitihrem nationalen Umfeld unter den spezifi-schen Bedingungen des städtischen Lebens. Auf Grund der geografisch begünstigten und

intensiven Austauschbeziehungen zwischender Aymarabevölkerung in El Alto und denDörfern des umliegenden Altiplano übernahmdie Partei auch die Vertretung der ländlichen Aymara. CONDEPA konnte aus dem Stand einerhebliches Wählerpotenzial speziell unter der Aymarabevölkerung mobilisieren und war unterPräsident Banzer einige Jahre an der Regie-rung beteiligt, ist jedoch mittlerweile politischbedeutungslos.12

 12 STRÖBELE-GREGOR hat dazu zahlreiche Veröffent-lichungen vorgelegt, auf die sie im Einleitungskapitelverweist.

Die indigenen Händler und Händlerinnen ausOtavalo (Ecuador ) sind dagegen ein interes-santes Beispiel, wie die öffentlich sichtbarePositionierung über die Kleider- und Haar-tracht, d.h. die eigene Folklorisierung, ökono-

misch erfolgreich eingesetzt wird. Sie hat nati-onal und international zum Erfolg des ecuado-rianischen Kunsthandwerkshandels beigetra-gen und unterstützt den Wiedererkennungs-wert der entsprechenden Waren, die jedochmeist nicht aus der Kultur und Produktion derHändler/innen, sondern von Indigenen ausdem ganzen Land stammen, die möglicher-weise wesentlich unsichtbarer und in jedemFall im Handel weniger erfolgreich sind. Sicht-

bar indigene Händler/innen aus Otavalo bewe-gen sich dagegen auch außerhalb ihrer Klein-stadt erfolgreich bis in die Fußgängerzonenwesteuropäischer Städte.

 Auch wo Phänomene der (Re-) Ethnisierungnicht deutlich beobachtbar oder noch nichtuntersucht sind, wird ein gewisses Substrat an“kulturellen Werten“ aufrecht erhalten, das sichauf die Strukturen in der Herkunftsgesellschaftbezieht. Besonders hervorgehoben werdendabei Verwandtschaft und damit begründeteSozialbeziehungen, Feste, insbesondere reli-giöser Natur, und einige konkrete Manifestati-onen wie Küche und Musik. Dass diese kultu-rellen Werte und – in Abhängigkeit von denMehrheitsverhältnissen – auch die indigeneSprache eine wichtige Rolle spielen können,zeigt ALBÓ, 1995 in seiner Mikroanalyse derStadtteile bolivianischer Städte.

Die indigene Kultur in den Städten unterschei-det sich von den Kulturen in den Herkunftsge-

meinden und ist das sich ständig weiter wan-delnde Produkt eines kontinuierlichen Prozes-ses der Re-Interpretationen bekannter und

mitgebrachter Traditionen in Auseinanderset-zung mit dem neuen Umfeld. Aktuell scheinendie Wiederbelebungen “alter Traditionen“ stär-

ker dokumentiert zu werden, so stellt BENGOA

(2000:58) ein Anwachsen von prehispanischenreligiösen Phänomenen in lateinamerikani-

schen Städten fest. RÖSING (1987) untersuchte

in den 1980er Jahren Manifestationen vonEthnomedizin in La Paz (Bolivien) und die Rol-

le traditioneller Callawaya-Heiler. Sie stellte ein

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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wachsendes Interesse an diesen rituellenDienstleistungen, aber auch eine Gefährdungihrer Komplexität im urbanen Raum fest undreflektierte ihre kulturelle und soziale Funktio-nalität. Ethnische oder ethnisch-professionelle

Organisationsgründungen sind ein weiterer Ausdruck dieses kulturellen “Wiedererwa-chens“ und veränderter Wahrnehmung.

Diese Prozesse der (Re-) Ethnisierung sindebenso wenig abgeschlossen wie die kulturelleWeiterbearbeitung und Weiterentwicklung inden ländlichen Herkunftsgemeinden. Sie ver-

laufen allerdings in den Städten in einem urbanangepassten Tempo. Sie setzen sich, unter-stützt durch die breiter zugänglichen elektroni-schen Medien, zunehmend mit den Tendenzender Globalisierung auseinander. Für die Ent-

wicklungszusammenarbeit werden indigeneStädter ebenfalls zunehmend relevant, da dieVertreter/innen indigener Völker und damitGesprächspartner von EZ Institutionen ihreBüros in den lateinamerikanischen Haupt-städten unterhalten.

Foto: Näherin in Panama (K. LECKEBUSCH)

Neue Rolle für indigene Frauen

“On the whole, women migrate more than men,and non-indigenous people more than indige-nous people. Migrants are more likely to beyoung, female and non-indigenous” (P ATRINOS,1994:18). Diese allgemeine Aussage ist nochimmer gültig. Indigene Frauen migrieren je-doch weniger als indigene Männer in die Städ-

te der Provinzen oder die Metropolen. Eine Ausnahme stellen die gewaltsamen Ver-treibungen dar, in denen Frauen und Kinder

auch unter Indigenen die Mehrheit bilden.B ARRIG (2001:102-115) reflektiert diese Faktenmit dem Geschlechterverhältnis andiner indi-gener Gesellschaften und sieht in der Begren-zung von Frauen auf die dörfliche Gemein-schaft und die eigene traditionelle Kultur (bei-spielsweise die Nutzung von Trachten) einenHinweis auf das Geschlechterungleichgewicht

und eine deutliche Einschränkung von Frauen.Diese Ungleichheit zwischen den Geschlech-tern wird häufig mit der Komplementarität an-

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diner Kulturen erklärt und legitimiert. Damitübernehmen indigene Frauen jedoch gleich-zeitig eine funktionale Rolle für die Möglichkeitdes Rückbezugs, als Bild des Eigenen, desReinen, “der Kultur“.

 Auch im urbanen Kontext geben sich mit weni-gen Ausnahmen die Frauen durch die Trachtöffentlich als Indigene zu erkennen: “Las muje-res son más indias“ (DE LA C ADENA  in B ARRIG,2001:108). Indigene Migrantinnen werden häu-fig in ihrem besonderen Beitrag zum Erhalt derKultur auch unter den erschwerten Bedin-gungen der Stadt gewürdigt.

Einen anderen Aspekt beleuchtet PÉREZ S AINZ

(1994:338): In einem Vergleich indigener undnicht indigener Frauen in Guatemala Stadtkonstatiert er die intensivere Beteiligung indi-gener Frauen im Vergleich zu nicht indigenen

an Erwerbsarbeit bei gleichzeitig schlechteren Arbeitsbedingungen und geringerem Einkom-men. Es gibt in diesem Zusammenhang auch

 Anzeichen, dass sich indigene Frauen überMigration eine intrakulturelle und intrafamiliäreUnabhängigkeit erwirken, vor allem in indige-

nen Kulturen mit einem stark patriarchalen

Charakter. Die spezifische Problematik derHausangestellten in noch häufig sklavenähnli-

chen Arbeitsverhältnissen, in denen vor allem junge Mädchen aus ländlichen Regionen, unddamit auch junge indigene Mädchen und Frau-

en ausgebeutet werden, kann hier nicht imEinzelnen beleuchtet werden.

Migration bringt sowohl für die Frauen in denHerkunftsgemeinden als auch für die migrier-ten Frauen in den Städten Veränderungen mit

sich, da sie in beiden Kontexten neue Aufga-ben übernehmen und dabei neue Rollenmusterentwickeln. In diesem Prozess ändert sichsowohl ihr Selbstbild als auch das Bild derindigenen Frau allmählich in Richtung auf einegrößere und öffentlich sichtbare Gleichberech-tigung.

Indigene Jugendliche – eine neue Sub-gruppe

Jugendliche sind entweder eigenständigeMigrant/innen – meist motiviert durch bessereBildungsmöglichkeiten in den Städten, insbe-sondere nach abgeschlossener Grundbildung

 – Vertriebene oder bereits Migrant/innen derzweiten und dritten Generation. Sie vollziehendie genannten Optionen der Anpassung undEigenständigkeit ebenfalls nach, kennen je-doch die ländliche Herkunftsregion, in der die

indigene Kultur verbürgt ist, teilweise nur mit-telbar.

Jugend als Lebensabschnitt kommt verstärktim städtischen Umfeld zum Tragen. Durchverbesserte und verlängerte Ausbildungszeitengewinnt diese Etappe des Lebens einen ei-genständigeren Charakter als in den Her-kunftsgemeinden, wo Jugendliche schon frühgeschlechtsspezifische Arbeiten übernehmenund schnell in die Rolle junger Erwachsener

hineinwachsen. Allgemein ist der gesamteJugend relevante Diskurs im wesentlichenstädtisch. Die entsprechenden Instanzen so-wohl staatlicher Jugendpolitik als auch nichtstaatlicher Jugendarbeit und Jugendorganisa-tion beginnen erst langsam die Wirklichkeitländlicher Jugendlicher wahrzunehmen undeinzubeziehen. Die Wahrnehmung indigenerJugendlicher erfolgt verzögert und analog zudem allgemein verbreiteten Bild von Indigenenv.a. bezogen auf den ländlichen Kontext.13

Die Migrationsrealität gewinnt für jugendliche

Indigene eine spezifische Relevanz. Daraufverweist auch das Ständige Forum in seinerSession vom Mai 2003 (vgl. STÄNDIGES FORUM

FÜR INDIGENE FRAGEN, 2003) und interpretiertdie Situation jugendlicher Migrant/innen vorallem unter der Perspektive des Kultur- und

Identitätsverlustes und der erzwungenen An-passung an eine neue und fremde Umwelt.Mittlerweile hat UNICEF (2003) eine vertie-

fende Studie zur Thematik indigener Kinderund Jugendliche durchgeführt.

B ARRIG (2001:102) zitiert eine Befragung unter jugendlichen Sekundarschüler/innen in Lima,die Kinder und Enkel andiner Migrant/innensind. Mit großer Mehrheit beantworteten sie dieFrage: “Wen hasst du?“ Mit: “Meine Großmut-

 13 Das GTZ-Vorhaben zur Beratung der Jugendpoli-tik in Kolumbien hat in Zusammenarbeit mit dem

kolumbianischen Partner Colombia Jovén und derlandesweiten Organisation indigener Völker ONIC(Organización Nacional Indígena de Colombia)2004 eine interessante Maßnahme hierzu eingelei-tet.

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ter“ und begründeten ihre Wahl mit der Ableh-nung gegenüber den indigenen Attributen, diedie Großmutter noch verkörperte und die ihreEnkel noch immer zum Gespött der Mitschü-ler/innen werden lassen. Konsequent sagten

90% der Befragten, sie hätten keinerlei Kennt-nisse zur Herkunftsregion der Familie. Hierwurde “der Zopf abgeschnitten“.

Neue Rollen und Organisationsformen

Im bolivianischen “Erdgasaufstand“ im Jahr2003 waren neben El Alto mit seinen indigenenOrganisationsstrukturen auch Kleinstädte wie Achacachi mit indigener Führung der Stadt-verwaltung Zentren der Organisation von stra-

tegischer Bedeutung. Sie konnten diese Funk-tion übernehmen, weil sie die Kommunikationmit den Aymaras der umliegenden Hochebeneaufrechterhielten. Diese Kombination zwischenStadt und Land wurde im legendären “levan-tamiento indígena“ 1990 in Ecuador auch be-sonders deutlich, als zeitgleich mit der Beset-zung der ländlichen Zufahrtsstraßen und Tei-len der Panamericana die Kirche Santo Do-mingo in Quito besetzt wurde (vgl. ALMEIDA ET

 AL., 1991).

Die Erfahrung von Migration und Integration inurbanen “modernen“ Zusammenhängen hat

ebenfalls Auswirkungen auf indigene Füh-rungspersönlichkeiten und Organisations-strukturen. Die Initiatoren und Präsidenten

indigener Organisationen sind vermehrt keineBauern mehr sondern Städter, die Realität derländlichen Gemeinden jedoch ist noch immerHauptgegenstand von Forderungen und Ver-handlungen mit staatlichen Instanzen. Diese

ländliche Realität kennen die Sprecher oft nurvermittelt, umgekehrt kennen sie jedoch dasUmfeld und die Parameter ihrer nicht-indige-nen Gesprächspartner. Sowohl indigene Ge-meinden und Völker als auch ihre nicht-indige-nen Gesprächspartner sind für ihren Dialoghäufig auf Personen angewiesen, die dieseÜbersetzungs- und Vermittlungsarbeit leistenkönnen. “(...) la fuerza política de este nuevodirigente está en ser capaz de manejar todoslos códigos occidentales y al mismo tiempomanejar la distinción, el hecho de ser indígena,(...)“ (BENGOA, 2000:83). In diesem Zusam-menhang wird die Frage wichtig, wie sehr die

Vertreter und seltener Vertreterinnen der indi-genen Völker tatsächlich diese und ihre mehr-heitlichen Interessen vertreten, insbesonderein den Ländern, in denen die Mehrheit derIndigenen noch im ländlichen Raum lebt, bzw.

in Themenbereichen, die direkt die ländlicheBevölkerung betreffen. Dies betrifft auch dieEntwicklungszusammenarbeit, denn die Orga-nisationsführer sind auch die Gesprächspart-ner im Planungsprozess von EZ Programmenund Projekten. Umgekehrt sind die Anforde-rungen der Kommunikation mit indigenen Ver-treter/innen so, dass sie praktisch nur aus demstädtischen Umfeld mit funktionierender Tele-kommunikation und angeschlossen an Infra-

struktur und Verkehrsbetriebe zu leisten sind.Diese neuen Erfahrungen und Herausforde-rungen haben auch den Diskurs indigenerOrganisationen geprägt: Neue Themen wurdenin die Diskurse der indigenen Organisationenaufgenommen. Forderungen nach Anerken-nung von Differenz, Eigenständigkeit und Re-spekt, sowie die Überlegungen zu multiethni-schen Gesellschaften (“unidad en la diversi-dad“) gewinnen zunehmend an Gewicht. Siestellen gegenüber den Forderungen frühererDekaden nach Entwicklungsteilhabe v.a. imländlichen Raum eine Weiterentwicklung dar,die auch deshalb möglich wurde, weil indigeneVertreter die Diskussionen auf nationaler undinternationaler Ebene wahrnehmen und daranpartizipieren. Migration und ihre Präsenz inStädten war eine Voraussetzung dafür.

BENGOA  (2000:129) fasst das folgendermaßenzusammen: “La característica principal de laemergencia indígena es la existencia de un

nuevo discurso identitario, esto es, una ‘culturaindígena reinventada’. Se trata de una ‘lecturaurbana’ de la tradición indígena, realizada por

los propios indígenas, en función de los intere-ses y objetivos indígenas. (...) discurso deidentidad étnica arraigado profundamente en

la tradición, pero con capacidad de salir de ellay dialogar con la modernidad.“ Dies führt nichtzu dem bekannten Diskurs des “mestizaje“

sondern vielmehr zu einer ethnischen Selbst-

behauptung, einer Behauptung der Differenzunter Kenntnis “des anderen“ und im Dialog

mit “den anderen“. Mit den neuen Parametern

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der Differenz und den Beiträgen zum Aufbaumultiethnischer und plurikultureller Gesell-schaft knüpfen indigene Organisationen imDialog an ähnlichen Phänomenen in anderenTeilen der Welt an. Im Zuge der Globalisie-

rung, auf Grund intensivierter Migrationsbewe-gungen und kürzer werdender Entfernungen,entstehen an zahlreichen Orten diese undähnliche Forderungen und Modelle. In ihremZentrum steht die Anerkennung der Differenzund der respektvolle Dialog mit “Anderen“.

4. EZ Ansätze

Das BMZ-Konzept für die EZ mit indianischenBevölkerungsgruppen notiert die unterschiedli-

chen Faktoren, die Indigene aus ihren ange-stammten Siedlungsgebieten verdrängen unddamit die Migration verstärken und schließtmigrierte Indigene explizit in die Zielgruppe ein(BMZ, 1996:11): “Dabei sollte auch der beson-deren Situation der indianischen Bevölkerungin den urbanen Ballungsräumen ausreichendRechnung getragen werden“. Zu diesen Fakto-ren zählen neben Gewalt und Krieg auch dieProblematik von Landrecht und Landnutzung(siehe R ATHGEBER  in diesem Band) und dieVerdrängung durch extraktive Industrie undRessourcenkonflikte (siehe FELDT  undROSSBACH DE OLMOS  in diesem Band). DieEvaluierung des BMZ-Konzepts zur Zusam-menarbeit mit indigenen Völkern kommt zudem Schluss, dass indigene Völker nicht über-all dort, wo sie leben und von spezifischenProblemen betroffen sind, in den Vorhabenund dem entsprechenden Politikdialog der EZBerücksichtigung finden. Dies gilt umso mehr

für die indigene Bevölkerung außerhalb ländli-cher Gebiete, insbesondere außerhalb desRegenwaldes. Denn Vorhaben der EZ mit In-digenen als explizit aufgeführter Zielgruppefinden noch immer fast ausschließlich in ländli-chen Regionen statt.

Ansätze der Stadtentwicklung und Ar-mutsminderung

Vorhaben der Stadtentwicklung der EZ sindzum einen auf Infrastrukturmaßnahmen undStadtteilsanierung orientiert, zum anderen aufdie Verbesserung der städtischen Organisationund die Stärkung der Stadtverwaltung zur

Erbringung verbesserter Dienstleistungen.Dabei konzentriert sich die deutsche TZ aufMittelstädte und ländliche Unterzentren nacheiner anfänglichen Konzentration auf die Lega-lisierung urbaner Landnahme durch

Migrant/innen. Die “Leitlinie Kommunal- undStadtentwicklung“ der GTZ (2002:4) führt ex-plizit die Vorgaben Menschenrechte, demokra-tische Teilhabe, sozial-politisch orientiertesHandeln und die Orientierung auf Gender-, Armuts- und Umweltprobleme auf. Zunehmendorientieren sich auch Stadtentwicklungsvorha-ben der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) aufdie Partizipation der lokalen Bevölkerung, wiein Medellín und Bogotá. Erfahrungen mit der

Beteiligung indigener Stadtbevölkerung, die alssolche reflektiert wurden, sind nicht greifbar,sollten aber in Städten mit indigenenMigrant/innen, die sich als solche verstehenund organisieren, im Sinne der Zielgruppen-differenzierung Gegenstand der KomponentenBürgerbeteiligung und Dialog mit Organisatio-nen der Zivilgesellschaft sein. Ohne die spezi-fische Fokussierung können Indigene nur alsStädter und Bürger/innen bestimmter Stadtteileund sofern sie nicht sozial ausgegrenzt sind an

den Wirkungen der Vorhaben partizipieren.

Ansätze der Dezentralisierung

Vor allem in Ländern bzw. Regionen mit einemhohen indigenen Bevölkerungsanteil bot dieDezentralisierung und insbesondere die neueRolle, die dabei Kommunen als bürgernähesterEbene zukommt, indigenen Völkern eineChance, die eigene Entwicklung in die Hand zunehmen, “ethnodesarrollo“ (siehe auch

STRÖBELE-GREGOR  in diesem Band) mit regio-naler Entwicklung zu verknüpfen, in staatlichenFunktionen präsent zu sein, und damit auchZugang zu den Strukturen der Macht zu erlan-gen. Dies realisiert sich von wenigen Ausnah-men wie Quetzaltenango abgesehen, vor allemin kleineren Kommunen mit noch ländlichemZuschnitt. Bolivien und Ecuador weisen zahl-reiche Beispiele auf, die im Rahmen der dortumgesetzten Vorhaben zur Förderung derDezentralisierung und Kommunalentwicklung

auch unterstützt wurden. Unter der Perspektivevon Partizipation und Good Governance wer-den diese Ansätze bei FELDT  in diesem Band

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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“La participación, la coordinación interinstitu-cional, la capacitación y la instalación decapacidades en nuestros propios PueblosIndígenas debe ser el horizonte de todacooperación técnica para el desarrollo, ytambién constituye una necesidad pragmáti-ca para garantizar la sustentabilidad de laexperiencia en el tiempo.”

CLAUDIO S AAVEDRA (CONADI) Chile

beleuchtet. Die Option der Mitgestaltung vonPolitik und lokal-regionaler Entwicklung “convisión indígena“ birgt jedoch auch die Gefahr,kooptiert zu werden, und damit die Anerken-nung und Legitimität als Vertreter/in indigener

Bevölkerungsgruppen zu verlieren. Es ist da-von auszugehen, dass diese Entwicklungenvor allem in Mittelstädten und ländlichen Un-terzentren relevant werden.

Andere Ansätze in lateinamerikanischenStädten

In Chile  wurde 2002 und 2003 eine Eigen-maßnahme der GTZ umgesetzt, die u.a. dieindigene Stadtbevölkerung des Großraums

Santiago explizit als Zielgruppe definierte, undsich die Förderung einer interkulturellen Ver-ständigung zwischen (1) verschiedenen indi-genen, (2) indigenen und nicht-indigenen Be-völkerungsgruppen sowie (3) zwischen indige-ner Bevölkerung und den öffentlichen Instituti-onen zum Ziel setzte. Das Vorhaben arbeitetezu drei zentralen Bereichen: Gender, Jugendund Förderung produktiver Maßnahmen miteinem durchgehend interkulturellen Fokus.

WENTZEL  (2003:9) weist aus dem Kontext derPDPI Projekte (Projetos Demonstrativos dosPovos Indígenas) in Brasilien  mit Fokus auf

indigene Völker der Amazonasregion (RioNegro) auf eine weitere interessante und för-derungswürdige Fragestellung hin: “Como

melhor aproveitar as experiências e os recur-sos destes migrantes para os desenvolvimen-tos das Terras Indígenas? Como fortalecer aarticulacão entre os indígenas nas cidades eos que vivem nas aldeias?“ Darin kann sich die

Berücksichtigung städtischer Indigener und dieBearbeitung ihrer spezifischen Probleme nichterschöpfen, aber damit können die bestehen-den oder erloschenen Beziehungen zwischenStädtern und Landbevölkerung aktiviert undgestärkt sowie eine gemeinsame Orientierunggefördert werden.

CLICHE & G ARCÍA (O.J.) verweisen für Ecuadordarauf, wie Ansätze – in diesem Fall der zwei-sprachigen interkulturellen Bildung – für die

indigenen Zielgruppen in den Städten weiterhinGültigkeit besitzen, aber angepasst und ent-sprechend abgewandelt werden müssen.

5. Empfehlungen

Horizont der folgenden Empfehlungen ist dieNotwendigkeit auch für die EZ im urbanenKontext Gleichberechtigung in den Gesell-

schaften der Partnerländer zu fördern, undDiskriminierung und Ausgrenzung abzubauen.Damit kann ein Beitrag dazu geleistet werden,dass diese Gesellschaften selbst sich in Rich-tung auf ihre in den Verfassungen häufigschon verbrieften Modelle multiethnischer undplurikultureller Gesellschaften hin entwickeln,in denen Differenz einschließlich der ethni-schen, kulturellen und sprachlichen als Berei-cherung und nicht als Bedrohung oder Min-derwertigkeit wahrgenommen wird. Dieser

Paradigmenwechsel ist eine aktuell weltweiteHerausforderung und betrifft nicht nur Latein-amerika.

Das BMZ Konzept nennt Indigene in der Stadtund spricht sich explizit gegen eine Einengungauf ländliche Regionen und Wald aus. DieBerücksichtigung indigener Völker im urbanenRaum öffnet gleichzeitig den Blick der EZ auf

indigene Völker im Allgemeinen: Wenn Indi-gene nicht mehr vorrangig “auf der Scholle“und “unter dem Baum“ gesehen werden, wer-den sie differenzierter und in ihren realen Le-bensbedingungen wahrgenommen. Somit istzu vermuten, dass diese Wahrnehmung sichauch positiv auf die Vorhaben der EZ mit indi-genen Völkern in ländlichen Regionen auswir-ken kann. Bei der konzeptionellen Verknüp-fung zwischen Förderung indigener Völker undEntwicklung in Städten können die folgenden

Empfehlungen zum Tragen kommen:

1. Indigene Völker sind wesentlich städti-scher als ihr Bild. Die EZ sollte (1) dies in

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Indigene Völker in Städten: präsent und doch nicht wahrgenommen

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ihren entsprechenden Grundsatzpapierendeutlicher einbeziehen, (2) zum Thema in-digene Völker nicht ausschließlich ihre Ko-operationen mit Indigenen im ländlichenRaum darstellen und (3) in ihren Vorhaben

im urbanen Raum auf die ggf. dort lebendeindigene Bevölkerung reagieren, und fürihre Beteiligung an den Vorhaben in Städ-ten und damit an den städtischen Struktu-ren der Verwaltung und Politik Sorge tra-gen.

2. Urbane Zentren haben in ihren Länderndie Rolle von Modellen für Moderne undEntwicklung. In diesem Sinne ist es wich-tig, dass insbesondere in den Städten die

Entwicklung von multiethnischen Gesell-schaften, wie verfassungsgemäß veran-kert, sichtbar wird. Stadtentwicklungspro- jekte können hierzu durch eine sensible Auswahl der Zielgruppen (einschließlichMaßnahmen im Sinne von affirmative ac-tion) beitragen.

3. Indigene Völker in Städten sind trotz Dis-kriminierung und Segregation Teil der loka-len Gesellschaften. Es bestehen in denStädten wenige partikulare “indigeneRäume“. Daher ist zu empfehlen, die Be-teiligung indigener Vertreter/innen zusam-men mit anderen Zielgruppenvertre-ter/innen in den im Projekt vorgesehenenBeteiligungsstrukturen zu integrieren. Da-mit können EZ Maßnahmen dazu beitra-gen, dass sich Indigene nicht zur Unsicht-barkeit gezwungen sehen und Ausgren-zung und Rassismus der Partnergesell-schaften aufgebrochen wird.

4. Eigene Beteiligungsstrukturen für Indigenesind nur dort sinnvoll, wo ihre Beteiligungin den allgemeinen Strukturen unterzuge-hen droht bzw. wo es sich ausschließlichum die Vertretung ihrer spezifischen Inte-ressen handelt. Die EZ soll vermeiden,selbst Re-Ethnisierungsprozesse in Gangzu setzen, indem sie Indigene identifiziertund explizit fördert, die sich nicht mehr alssolche verstehen, sondern an einer Integ-ration und Assimilierung an die urbane na-

tionale Gesellschaft interessiert sind. Indiesen Situationen ist davon auszugehen,dass die Beteiligung “ehemals Indigener“

durch die Konzentration auf Arme weitge-hend sicher gestellt werden kann.

5. In Vorhaben der Kommunalentwicklung inindigen besiedelten Regionen und mit be-stehenden indigenen Organisationen sindMaßnahmen der Qualifizierung und Orga-nisationsförderung zur Beteiligung an denpolitischen Strukturen sinnvoll. IndigeneOrganisationen, die erst jüngst auf dieserBühne des demokratischen Wettbewerbsagieren, haben ggf. mehr Förderbedarf alsandere bereits parteipolitisch orientierteund organisierte gesellschaftliche Grup-pen.

6. Die zu Grunde liegenden Fragen: wer und

wie viele Menschen als indigen gelten undwo sie leben, können im Rahmen der EZnicht beantwortet werden. Die entspre-chende wissenschaftliche Diskussion sollte jedoch beobachtet und wenn möglich beiSchlüsselfragen auch gefördert werden.Sie wird in fast allen Ländern und durcheinige renommierte überregionale Instituti-onen wie FLACSO (Facultad Latinoameri-cana de Ciencias Sociales) oder CLACSO(Consejo Latinoamericano de CienciasSociales) geführt. Dasselbe gilt für die Dis-kussion internationaler Foren unter maß-geblicher Beteiligung indigener Repräsen-tant/innen, die stärker in den Vorhaben derEZ wahrgenommen werden sollten.

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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika

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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mitindigenen Völkern in Lateinamerika¹

DR

. EDGAR

KÖPSELL

Vorbemerkung

In den vorangegangenen Kapiteln wurdenbereits Empfehlungen1 für die Entwicklungszu-sammenarbeit mit indigenen Völkern gegeben,sie lassen sich auch aus den Ausarbeitungenselbst ableiten. Im Folgenden und abschlie-ßend sollen noch kurz einige Hinweise für die

EZ-Praxis aufgeführt werden, die sich aus der Arbeit der “Koordinationsstelle Indigene Völkerin Lateinamerika und der Karibik (KIVLAK)“ergeben haben. Diese Hinweise folgen (noch)2

keiner umfassenden Systematik, es sei dennder, dass sie sich im Rahmen der Arbeit vonKIVLAK dem Autor besonders eingeprägt ha-ben. Ein Teil dieser Hinweise stammt aus derintensiven Unterstützungsarbeit, die die Koor-dinationsstelle für das BMZ leistet. Hier istinsbesondere die Fallstudie

“Erfahrungsauswertung der Zusammenarbeitmit indigenen Bevölkerungsgruppen undOrganisationen in Bolivien, Ecuador undGuatemala“ zu nennen, bei deren KonzeptionKIVLAK das BMZ unterstützt, darananschließend die Studie im Auftrag desMinisteriums ausgeschrieben und in derDurchführung sehr intensiv betreut hat.3  Die

1  Für diesen Artikel werden wesentliche Teile auseinem Gutachten von Frau DR. JULIANA STRÖBELE-

GREGOR, dass im Auftrag von KIVLAK erstelltwurde, verwendet bzw. übernommen. Die Ver-antwortung für etwaige Fehler u.ä. trägt jedoch nurder Autor.2 Eine umfassende und systematische Ausarbeitungvon Empfehlungen ist von KIVLAK geplant.3  Die Studie ist Basis für die zukünftigenÜberlegungen des BMZ für die Zusammenarbeit mitden indigenen Völkern in Lateinamerika und derKaribik. Auch soll, so die weiterführende Planungdes Ministeriums, das BMZ-Konzept für dieZusammenarbeit mit indigenen Völkern überarbeitetund aktualisiert werden. Es ist geplant, die Studieallen Interessenten zugänglich zu machen und auch

auf der Webseite von KIVLAKhttp://www.gtz.de/indigenas/ zu veröffentlichen.

Studie, deren Fertigstellung sich mit derHerausgabe dieses Readers überschnitten hat,ist die zur Zeit aktuellste Aufarbeitung derdeutschen Entwicklungszusammenarbeit mitindigenen Völkern in Lateinamerika und kanndeshalb, begleitend zu diesem Buch, alsLektüre sehr empfohlen werden.

Der andere Teil der Hinweise geht auf die EZ- Arbeit in Projekten bzw. Programmen zurück,wobei nicht nur “good practices“ genannt, son-dern auch auf mögliche Fehlerquellen auf-merksam gemacht werden soll.

Empfehlungen und Hinweise, mögen sie auchnoch so umfassend und detailliert sein, können

keine Blaupause sein, die unabhängig von der jeweiligen Situation schematisch anzuwendenist. Allgemein lässt sich sagen, dass mit der

konsequenten Anwendung des aktuellen underprobten EZ-Instrumentariums (z.B. Zielgrup-pen- und Akteursanalyse, partizipative Vorge-

hensweise usw.) kaum etwas falsch gemachtwerden kann. Wichtig ist, dass man sich dabeiauf der Höhe der Zeit befindet, denn die Vor-

gehensweisen und Methoden der EZ unterlie-gen Wandlungen, meist nicht nur sprachlicher Art. Um ein Beispiel zu nennen: War mit der

zielorientierten Projektplanung (ZOPP) u.a.untrennbar der Begriff der Zielgruppenanalyse

verbunden, so hat aktuell diese Methodik anStellenwert verloren und zu der Zielgruppen-analyse ist heute verstärkt die Akteursanalysehinzugetreten. In diesem Zusammenhang sei

erwähnt, dass verschiedentlich die Vertre-ter/innen von indigenen Organisationen daraufhinweisen, dass sie sich nicht als Zielgruppe,

sondern als eigenständige Akteure und damitals vollwertige Partner der Internationalen Zu-sammenarbeit verstehen.

Von daher unterliegen auch die folgendenHinweise der Gefahr, durch neue Erkenntnisse

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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern

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und Entwicklungen überholt zu werden. Siemüssen deshalb fortgeschrieben, aktualisiertund immer wieder auf Relevanz und Anwend-barkeit geprüft werden. Letztlich können sie

auch nur Anregungen geben und Themenanreißen, die konkrete Vorgehensweise wirdimmer auf die jeweilige Situation zugeschnittensein müssen.

Foto: Kundgebung in der Comarca Ngöbe-Buglé (Proyecto Agroforestal Ngöbe)

1. Konfliktvermeidung und –entschärfung

Bei der EZ mit indigenen Völkern ist es wichtig,sich immer vor Augen zu führen, dass dieEmanzipation der indigenen Bevölkerung inden lateinamerikanischen Staaten ein sehrkonfliktreiches Thema ist. Denn mit dieserEmanzipation verschieben sich – extrem ver-

kürzt gesagt - die Machtverhältnisse innerhalbder jeweiligen Gesellschaft und damit letztlichauch der Zugang zu Ressourcen, seien sienun materiell oder immateriell. Bei den davonbetroffenen Gesellschaftsgruppen werden Ängste ausgelöst und Spannungen aufgebaut,die in Konflikte münden können. Dieser Sach-verhalt ist deshalb bei der Zusammenarbeit mitindigenen Völkern generell zu beachten.

Um diese, auch ethnisch begründeten,

Konflikte nicht (unbeabsichtigt) zu schüren,müssen die EZ-Projekte die Konfliktrisikenverstehen, beobachten und präventiv

bearbeiten können. Es muß also daraufgeachtet werden, dass (unwillentlich) negative,gewaltverschärfende Wirkungen vermiedenund die Ursachen für gewaltsame Konfliktedurch das Projekt zumindest nicht verstärktwerden. Dabei geht es letztlich um die Frage,wie vermieden werden kann, dass ein latentvorhandener Konflikt, der u.a. ethnischbegründet wird, durch die EZ verschärft wirdbzw. wie bereits zu einem frühen ZeitpunktKonfliktrisiken erkannt und ein Beitrag zurPrävention und friedlichen Konflikttrans-formation geleistet werden kann.

Interethnischen Konflikten liegen oft Landkon-flikte zugrunde. Dazu gehören Invasionen vonBauern-Migranten, indigener wie nicht-indige-ner Herkunft, in Territorien, die von anderenethnischen Gemeinschaften genutzt werden.

Oftmals spielen auch historisch begründeteinterethnische Spannungen, unterschiedlichepolitische und ökonomische Strategien, Pro-

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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern

duktionsweisen und kulturell geprägte Bezie-hungen zur jeweiligen natürlichen Umwelt eineRolle.

Von daher ist eine positive Erweiterung des Aktionsfeldes der EZ die Konfliktmoderation.Sie kann dazu beitragen, gewalttätige Aus-einandersetzungen zu entschärfen. Obwohleigentlich selbstverständlich, soll aber nocheinmal ausdrücklich darauf hingewiesen wer-den, dass aufgrund der Brisanz von KonfliktenModeration nur von entsprechend qualifiziertenund erfahrenen Personen bzw. Institutionengeleistet werden kann.

Die Erfahrung der EZ zeigt sehr deutlich, dasses Indizien dafür gibt, dass die Kanalisierung

von Ressourcen in ein Konfliktgebiet Konflikteschüren kann. Deshalb muss unbedingt bei derPlanung von Vorhaben potentielles, durchaus

auch interethnisches Konfliktpotential genaudurch unabhängige kompetente Expert/innenuntersucht werden, um nicht aufgrund fehlen-

der Kenntnisse Konflikte anzuheizen. Einesolche Untersuchung darf sich nicht auf dieProjektregion beschränken, sondern muss

auch die angrenzenden Gebiete einbeziehen.

2. Stärkung der Verhandlungsmachtindigener Organisationen innerhalb vonDialogstrukturen

Bei diesem Sachverhalt ist zu prüfen, ob diePartizipation indigener Repräsentant/innen auflokaler und nationaler Ebene nicht unterstütztwerden kann. Wenn der Auftrag dies abdeckt,sollte die EZ entsprechende Initiativen fördern.Instrumente der formalen Partizipation sindhäufig Konsultationen oder “runde Tische”, an

denen sämtliche zivilgesellschaftliche Organi-sationen vertreten sind. Weitere Instrumentewären zu prüfen. In jedem Fall sollte der Aus-gleich von Interessensdifferenzen zwischen

sozialen Gruppen sowie die Stärkung der Ver-handlungsmacht von sozial schwachen Akteu-ren (Kleinbauern, indigene Gemeinschaften,

Frauen) besonders berücksichtigt werden.Diese Gruppen sollten bei Bedarf unterstütztwerden, z.B. durch Beratungspersonal und die

Bereitstellung von notwendigen Informationen.

3. Berücksichtigung des Genderaspektes

In bestehende oder geplante Vorhaben ist derGenderansatz umfassend verankert. Diesbe-züglich bietet es sich an, mit Frauenorganisati-onen und Gruppen, die auf das Thema indi-gene Frauen spezialisiert sind sowie mit ei-genständigen indigenen Frauen-Initiativenzusammenzuarbeiten.

 Aus der EZ-Praxis ist bekannt, dass indigene

Frauen oftmals über keine eigenen Ausweis-dokumente verfügen. Dadurch sind sie häufigan der Wahrnehmung ihrer Bürgerrechte, aber

auch im Zugang zu Krediten und Investitionengehindert. Projekte und Programme, die dazudie Möglichkeit haben, sollten deshalb auf

 jeden Fall indigene Frauen unterstützen, Aus-weisdokumente zu erhalten.

 Anschließend an diese Empfehlung muss dar-auf hingewiesen werden, dass Vorhaben4, diebei der Eintragung individueller Landtitel inindigenen Gemeinden unterstützend tätig sind,darauf achten müssen(!), dass Frauen ihreLandrechte nicht verlieren. In vielen Regionengibt es “traditionell” ein Erbrecht, dass FrauenEigentum an Land sichert. Frauen verlieren

 jedoch häufig ihre Ansprüche, wenn sich beider Individual-Titulierung nur der Mann eintra-gen lässt. Nicht selten rechtfertigen Männer dieEintragung auf ihren Namen damit, dass sie jatraditionell die Familie nach außen vertreten(Familienoberhaupt). Tatsächlich sichern siedamit nur ihren Vorteil.

Indigene Frauen sollten auch unterstützt wer-den, wenn sie sich in Interessensgruppen or-ganisieren. Wo dies bereits geschehen, kön-

nen existierende Zusammenschlüsse gefördertund institutionell gestärkt werden. CapacityDevelopment und Empowerment sind dazu dieStichworte. Auch dabei gilt wieder, dass vorder Unterstützungsleistung die nötige fachlicheExpertise, in diesem Falle über die Organisati-onen, ihre Repräsentativität und Legitimität,einzuholen ist.

4  Die überwältigende Mehrzahl der Vorhaben wirdnicht auf diesem, sehr politischen, Gebiet arbeiten.

Wenn aber doch, ist der genannte Sacherhalt unbe-dingt zu beachten, damit eine eigentlich erfolgreicheMaßnahme sich für indigene Frauen nicht in dasGegenteil verkehrt. Stattdessen gilt “Land auch inindigene Frauenhand“.

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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern

4. Aus- und Fortbildung ........ von indigenen Fachkräften

Im Dialog mit indigenen Repräsentant/innenzeigt sich immer wieder, dass Ausbildung,insbesondere die formale und Hochschulaus-bildung, einen hohen Stellenwert hat, denndaran ist die Hoffnung und Erwartung ver-knüpft, dass diese in eine entsprechend quali-fizierte Arbeitsstelle und auch gesellschaftlicheTeilhabe mündet.

Zurückhaltender werden dagegen Seminare,Workshops und dergleichen bewertet. Diese

mögen zwar der Fortbildung dienlich sein,vermitteln aber schlussendlich keine nationalbzw. international anerkannte Qualifikation.

Die Schlussfolgerung für die Vorhaben kanndeshalb nur sein, dass indigene Mitarbei-tern/innen zur Teilnahme an Fort- und Weiter-bildung und (Postgraduierten-) Studium er-muntert und bei der Suche nach Stipendien,der geeigneten Ausbildungsstätte u.ä. unter-stützt werden sollten5.

Eine solche Förderung von Seiten der EZ-Vor-haben setzt natürlich voraus, dass überhauptindigene Fachkräfte beschäftigt werden. Diezusätzliche, klare Empfehlung lautet deshalb,in Regionen mit indigener Bevölkerung gezieltindigene Fachkräfte zu suchen und einzustel-len. Diese sollten auch für Verantwortungs-bzw. Führungspositionen unter Vertrag ge-nommen werden um keine ethnischen Hierar-chien entstehen zu lassen. Indigene Frauensollten diesbezüglich besonders gefördert wer-den.

Eine weitere Schlussfolgerung und Empfeh-

lung ist, in Ländern mit einem relevanten Anteil

5 Oftmals gibt es durchaus Möglichkeiten innerhalbder deutschen EZ bzw. IZ. Erwähnenswert ist, daßdie Hanns-Seidel-Stiftung in Ecuador seit Anfangder 90er Jahre ein Stipendienprogramm aufgebauthat, das sich ganz bewußt an junge indigeneFrauen und Männer richtet, um ihnen einHochschulstudium zu ermöglichen.

 Auch die GTZ führt im Auftrag des BMZMaßnahmen durch, um die Hochschulausbildungvon indigenen Frauen und Männern zu fördern.

 Aktuell ist das Vorhaben “Indigene InterkulturelleUniversität“ zu nennen, das mit dem Fondo para elDesarrollo de los Pueblos Indígenas de AméricaLatina y el Caribe als Träger durchgeführt werdensoll.

indigener Bevölkerung als Beitrag zur gesell-schaftlichen Integration der indigenen Bevölke-rung, qualifizierte indigene Fachkräfte auch fürProjekte einzustellen, die sich nicht direkt andie indigene Bevölkerung richten.

.... von Projektpersonal

In Fortsetzung des vorhergehenden Punktesist auch zu prüfen, ob nicht in geeigneter Formbeim Personal der Projekte und den Trägerneine Fortbildung zum Thema indigene Bevöl-kerung, gesellschaftliche Partizipation undInterkulturalität angebracht wäre. Ein entspre-chendes Ausbildungskonzept sollte partizipativmit erfahrenen Durchführungsorganisationen/

Fachkräften und/ oder eigenen Mitarbeiternerstellt werden, denn der Prozess der Ausar-beitung des Planes bedeutet bereits für dieMitarbeiter/innen einen Aneignungs- und Lern-prozess.

.... von neuausreisenden EZ-Mitarbeiter/innen

Die Einführung von EZ-Mitarbeiter/innen in dieindigene Thematik Lateinamerikas – wennrelevant - wird vor der Ausreise in derVorbereitungszeit geleistet. Wenn allerdingsmit indigenen Völkern gearbeitet wird, kann dieSituation so speziell sein, dass dies in der Vor-bereitungszeit nur bedingt machbar ist. In sol-chen Fällen muss dann die Vorbereitung imProjekt für den/ die neu ausgereiste EZ-Mitar-beiter/in fortgesetzt werden.

Es wird oftmals darauf hingewiesen, dass indas Curriculum der Vorbereitungskurse für

ausreisende Mitarbeiter/innen in Vorhaben, die

einen direkten oder indirekten Bezug zu indi-gener Bevölkerung haben, die Themen indi-

gene Völker und Interkulturalität noch besserund systematischer integriert werden können.Dies ist sicherlich zutreffend, in diesem Zu-

sammenhang darf aber auch daran erinnertwerden, dass Vorgesetzte mit für die Ausbil-dungsinhalte in der Vorbereitungszeit verant-

wortlich sind und diese von ihnen auch mitfestgelegt werden (können).

KIVLAK sieht es als wünschenswert an, wennin die Vorbereitung – je nach Ausrichtung desVorhabens – Themen wie Rechtssituation,

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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern

Bodenrecht, Nutzungsrechte natürlicher Res-sourcen und Rechtspraxis; politische Teilhabe,indigene Organisationen und ihre Forderungenim jeweiligen Land, Verhältnis Indigene – nati-onale Gesellschaft, indigene Kulturen und ak-

tuelle kulturelle Ausdrucksformen, Gender undindigene Kultur – kulturell definierte Gender-Rollen und ihre Auswirkung auf politische Be-teiligung, Wirtschaft und Ausbildung einbe-zogen werden. Desweiteren sollten Kenntnisseüber internationale Konventionen, die indigeneVölker betreffen – in diesem Buch werden diewichtigsten genannt – sowie wichtige theo-retische und methodische Ansätze und goodpractices, welche die kulturelle und Ge-schlechterdimension berücksichtigen, in derVorbereitung beinhaltet sein.

 Auch Mitarbeiter/innen von Vorhaben zur De-mokratieförderung, Menschenrechte, Staats-modernisierung und Dezentralisierung, die inLändern mit einem relevanten indigenen Be-völkerungsanteil eingesetzt werden, sollten inder Vorbereitung mit der Indigenen-Thematikausreichend vertraut gemacht werden. Stär-kung von Demokratie und Dezentralisierungverlangt notwendigerweise, die Berücksichti-

gung kultureller und ethnischer Bedingungen,der darin enthaltenen Schwächen, Potentialeund möglicher Interessenskonflikte.

5. Wenn immer möglich: DirekteZusammenarbeit mit der indigenenBevölkerung, ihren Organisationen undihren Repräsentant/innen

Die indigenen Bewegungen und Organisatio-nen sind – insbesondere auch von Europa und

den USA – unterstützt worden. Nicht nur vonder bilateralen und der multilateralen EZ, son-dern in einem ganz bedeutenden Ausmaßauch von NROs. Dabei wurde von den NROsBeachtliches geleistet, wenn auch manchmaleine Tendenz zu einer kulturalistischen undpaternalistischen Vorgehensweise festzustel-len war.

Mittlerweile sind viele indigene Organisationenerstarkt, sie treten selbstbewusst auf und wün-

schen, dass sie ohne Mittler und unmittelbarals Akteure angesprochen werden. Auf pater-nalistische oder assistenzialistische Konzepte

reagieren die indigenen Organisationen ableh-nend. Wie bereits eingangs festgestellt, weisenmanche Vertreter/innen von indigenen Organi-sationen darauf hin, dass sie sich nicht alsZielgruppe, sondern als eigenständige Akteure

und als vollwertige Partner der InternationalenZusammenarbeit verstehen, die an den Ent-wicklungsprozessen in ihrem Land beteiligtsein wollen.6

Die Schlußfolgerung kann deshalb nur sein,daß in den Vorhaben der bilateralen EZ (undnicht nur in diesen) direkt mit indigenen Ge-meinschaften und Organisationen zusammen-zuarbeiten ist, ohne die Zwischenschaltungvon Mittlern und sonstigen, nicht indigenen

Organisationen, bzw. das Gegenteil sorgfältigüberlegt und begründet sein sollte. Noch ak-zentuierter vertritt diese Ansicht Frau HEIDI

FELDT, sie kommt in ihrem Artikel “IndigeneVölker und Staat“ im Abschnitt “Legitimität vonRepräsentant/innen“ kurz und bündig zu der Aussage: “Von indigener Seite wird die Ver-mittlung oder Vertretung indigener Belangedurch nicht-indigene NRO abgelehnt.“

6. Detaillierte und umfassende

Datenerhebung/ Kenntnisse derInnenansicht indigener Gemeinschaftenund Organisationen

Wird direkt mit indigener Bevölkerung zusam-mengearbeitet, wie zum Beispiel in Vorhabender ländlichen Entwicklung und der Armutsbe-kämpfung, ist es unabdingbar, detaillierte undumfassende Kenntnisse über die Innenansichtvon indigenen Gemeinden, ihre Wertvorstel-lungen und Eigenbewertung von Potentialen

einzuholen. Die entsprechenden Daten sind zuerheben. Indikatoren, seien sie von dem jewei-ligen Staat oder multilateralen Institutionen,sind nicht immer vollständig zutreffend für die jeweilige indigene Bevölkerung in einem Ge-biet, auch nicht immer deckungsgleich mit derPerspektive indigener Gemeinschaften. Fach-kräfte, die mit der jeweiligen Kultur, Sprache

6 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass indi-gene Repräsentant/innen oftmals ihre Beteiligung

an den bilateralen Regierungsverhandlungen for-dern, wenn es um indigenen-relevante Vorhabengeht. Dies dürfte aber nicht einfach zu erfüllen sein,geht auch über die Möglichkeiten der EZ-Vorhabenhinaus.

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Hinweise für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern

und den lokalen Bedingungen vertraut sindund Erfahrungen in partizipativen Methodenunter Einbeziehung des Genderaspektes ha-ben, sollten diese Erhebungen vornehmen.

Im Rahmen der Planung von Vorhaben mitindigener Bevölkerung sind bei den damit ver-bundenen Vorstudien, u.a. genderdifferenziert,folgende Aspekte zu erheben: Soziale Arbeits-organisation, Weltbild, soziale Normen undWerte, Zugang zu Bildung und Ausbildung,Formen und Folgen der Zeitmigration, welcheFolgen hat dies für Haushalt, Produktion, Teil-nahme an lokalen Entscheidungsprozessen,lokale Ämter. Auch hier gilt, dass die Datener-hebung mit partizipativen Methoden lokal er-

fahrenen (Kurzzeit-) Expert/innen anzuver-trauen ist.

7. Wissens- und Erfahrungstransfer,Öffentlichkeitsarbeit

Vorausgesetzt, dass das Mandat dazu legiti-miert, sollten entsprechende EZ-Vorhaben den

Wissens- und Erfahrungstransfer zwischenindigenen Organisationen in einem Land undländerübergreifend fördern.

Dazu gehört, den Zugang von lokalen, regio-nalen und nationalen indigenen Organisatio-nen zu verschiedenen Informationspools undzu anderen Projekten zu fördern (z.B. Wis-senspools in der GTZ, im Fondo Indígena, derILO, Weltbank, BID). Indigenen Organisatio-nen, obgleich zum Teil mit neuer Technologieausgestattet, fehlt vielfach (noch) die Kenntnisüber die Existenz von Informationspools. Esgenügt auch nicht, sich auf die Unterstützungeines Dachverbandes – oder auf nationale

Dachverbände – zu konzentrieren, da dereninterne Strukturen oftmals die Weiterleitungvon Informationsmaterial an die “Basis” nichtleisten (kann). Der Mangel an Informationen

schränkt dann die Erarbeitung konkreter,machbarer alternativer Strategien ein.

Bei Wissens- und Erfahrungstransfer ist auchder themenbezogene Besucheraustausch vonGruppen indigener Repräsentant/innen undFachkräften von Bedeutung. Die Reise in ein

Projekt oder Programm, in die Region, diedirekte Anschauung, Gespräche und Erfah-rungsaustausch vor Ort sind bisweilen wir-

kungsvoller und vermitteln mehr Kenntnisseals Workshops und Kongresse.

Zu prüfen ist auch, ob im Rahmen der Öffent-lichkeitsarbeit nicht gesellschaftliche Bewusst-werdungsprozesse unterstützt werden können,in bezug auf die Bedeutung der Partizipationindigener Bevölkerung in verschiedenen ge-sellschaftsrelevanten Bereichen, wie Men-schenrechte, Recht, Demokratisierung, Regio-nalentwicklung, Naturschutz und Biodiversitätu.a. Dazu gehört auch das Bewusstsein überdie Rolle der lokalen indigenen Bevölkerungbei der nachhaltigen Nutzung und beim Schutznatürlicher Ressourcen insbesondere derBiodiversität.

Ausblick

Die in diesem Kapitel genannten Hinweisewollen einen (kleinen) Beitrag dazu leisten, die

indigene Bevölkerung Lateinamerikas in denentsprechenden Vorhaben der deutschen EZ,sei es in der Durchführung oder auch in der

Phase der Vorbereitung, wo die entscheiden-den Weichen gestellt werden, noch adäquaterwahrzunehmen, zu berücksichtigen und einzu-beziehen. Eine umfassende Berücksichtigungsollte eigentlich immer gegeben sein, die Er-fahrung von KIVLAK ist aber, dass es diesbe-züglich durchaus noch Verbesserungspotentialgibt, die eingangs genannte Fallstudie bestätigtdies ebenfalls. Die Möglichkeiten zur Verbes-serung zu nutzen, gebietet die Professionalität,damit wird man auch dem zunehmenden Stel-lenwert der indigenen Bevölkerung in Latein-amerika gerecht.

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Anhang

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   A  n   h  a  n

  g   1  :

    Ü   b  e  r   b

   l   i  c   k  -   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v

   ö   l   k  e  r  u  n  g   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   D  r .   S   A   B   I   N   E

   S   P   E   I   S   E   R   &   C   H   R   I   S   T   O   P   H   K   O   H   L

   L  a  n   d

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  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

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  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   % 

   S   t   ä   d   t   i  s  c   h  e

   i  n   d   i  g  e  n  e

   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   L   ä  n   d   l   i  c   h  e

   i  n   d   i  g  e  n  e

   B  e  v

   ö   l   k  e  r  u  n  g

   D  e   f   i  n   i   t   i  o  n  v  o  n

   “   i  n   d   i  g  e  n   “   i  n

   Z   ä   h   l  u  n  g  e  n

   Q  u  e   l   l  e

   I  n   t  e  r  n  e   t  a   d  r  e  s  s  e

   2   0   0   2

 

   8   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   2   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   2   0   0   1

   3   6 .   2   6   0 .   1   3   0

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   l   i  e  g   t  n  o  c   h  n   i  c

   h   t

  v  o  r

 

   Z  u  g  e   h   ö  r   i  g   k  e   i   t  z  u

  e   i  n  e  m  v  o  n   1   7

  a  u   f  g  e   l   i  s   t  e   t  e  n

   i  n   d   i  g  e  n  e  n   V   ö   l   k  e  r  n

   (   “   E  x   i  s   t  e  e  n  e  s   t  e

   h  o  g  a  r  a   l  g  u  n  a

  p  e  r  s  o  n  a  q  u  e  s  e

  r  e  c  o  n  o  z  c  a

   d  e  s  c  e  n   d   i  e  n   t  e  o

  p  e  r   t  e  n  e  c   i  e  n   t  e  a  u  n

  p  u  e   b   l  o   i  n   d   í  g  e  n  a   ?   "   )

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  y

   C  e  n  s  o  s   (   I   N   D   E   C   ) ,   A  r  g  e  n   t   i  n   i  e  n

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n   d  e  c .  m  e  c  o  n .  a  r   /

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n   d  e  c .  m  e  c  o  n .  a  r   /   G  a

  c  e   t   i   l   l  a_

   P  u  e   b   l  o  s_

   i  n   d   i  g  e  n  a  s .  p   d   f

   A  r  g  e  n   t   i  n   i  e  n

   1   9   9   3

 

   3   7   2 .   9   9   6

   (   Z  e  n  s  u  s   )

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   2   0   0   3

 

   3   7 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   1   5   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   2   0   0   0

   2   3   2 .   1   1   1

   2   4 .   5   0   1

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   1   0 ,   6   %

   2 .   3   9   4

   2   2 .   1

   0   7

 

   C  e  n   t  r  a   l   S   t  a   t   i  s   t   i  c  a   l   O   f   f   i  c  e   (   C   S   O   ) ,

   B  e   l   i  z  e

  ;  z .   T .  e   i  g  e  n  e   B  e  r  e  c   h  n  u  n  g  e  n

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  s  o .  g  o  v .   b  z   /  p  u   b   l   i  c  a   t   i

  o  n  s   /   M   F

   2   0   0   0 .  p   d   f

   B  e   l   i  z  e

   1   9   9   1

   1   8   4 .   7   2   2

   2   0 .   4   1   0

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   1   1 ,   1   %

   1 .   9   0   0

   1   8 .   5

   1   0

 

   C  e  n   t  r  a   l   S   t  a   t   i  s   t   i  c  a   l   O   f   f   i  c  e   (   C   S   O   ) ,

   B  e   l   i  z  e

  ;  z .   T .  e   i  g  e  n  e   B  e  r  e  c   h  n  u  n  g  e  n

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  s  o .  g  o  v .   b  z   /  p  u   b   l   i  c  a   t   i

  o  n  s   /   M   F

   2   0   0   0 .  p   d   f

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  w  w .  u  w   i  c   h   i   l   l .  e   d  u .   b   b   /   b  n  c

  c   d  e   /   b  e   l   i  z  e   /  c  o  n   f  e  r  e  n  c  e   /  p  a  p  e  r  s   /

   B  a  r  n  e   t   t .   h   t  m   l   #   t  a   b   l  e   5

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   2   0   0   3

 

   4 .   1   3   3 .   1   3   8

   5   0   %

   4   4 ,   9   4   %   (   A  n   t  e   i   l

  a  n   d  e  r

   i  n   d   i  g  e  n  e  n

   G  e  s  a  m   t   b  e  v   ö   l  -

   k  e  r  u  n  g   )   b  z  w .

   7   7 ,   7   3   %

   (   A  n   t  e   i   l  a  n   d  e  r

  s   t   ä   d   t   i  s  c   h  e  n

   G  e  s  a  m   t   b  e  -

  v   ö   l   k  e  r  u  n  g   )

   5   5 ,   0

   6   %   (   A  n   t  e   i   l

  a  n   d

  e  r

   i  n   d   i  g

  e  n  e  n

   G  e  s  a  m   t   b  e  v   ö   l  -

   k  e  r  u

  n  g   )   b  z  w .

   5   3 ,   4

   3   %

   (   A  n   t  e   i   l  a  n   d  e  r

   l   ä  n   d

   l   i  c   h  e  n

   G  e  s  a  m   t   b  e  -

  v   ö   l   k  e  r  u  n  g   )

 

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a   d  e

   B  o   l   i  v   i  a   (   I   N   E   ) ,   B  o   l   i  v   i  e  n ,   2   0   0   4  :

   C  a  r  a  c

   t  e  r   í  s   t   i  c  a  s  s  o  c   i  o   d  e  m  o  g  r   á   f   i  c  a  s   d  e

   l  a  p  o   b

   l  a  c   i   ó  n   i  n   d   í  g  e  n  a ,   2   7 .   L  a   P  a  z

   2   0   0   1

   8 .   2   7   4 .   3   2   5

   3 .   1   4   2 .   6   3   7

   (  a   b   1   5   J  a   h  r  e  ;

   Z  e  n  s  u  s   )

   3   7 ,   9   8   %

   1 .   7   4   6 .   3   0   5

   (  a   b   1   5   J  a   h  r  e   )

   1 .   3   9

   6 .   1   9   8

   (  a   b   1   5   J  a   h  r  e   )

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

   (  a   b   1   5   J  a   h  r  e   )

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a   d  e

   B  o   l   i  v   i  a   (   I   N   E   ) ,   B  o   l   i  v   i  e  n  ;  z .   T .  e   i  g  e  n  e

   B  e  r  e  c

   h  n  u  n  g  e  n  ;

   B   A   R   I    É

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e .  g  o  v .   b  o   /  c  g   i  -

   b   i  n   /  p   i  w

   d   i  e   1  x  x .  e  x  e   /   T   I   P   O

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e .  g  o  v .   b  o   /   b   d   /   A  n  u  a

  r   i  o   9   8   /  p

  c   2   0   3   1   3 .   X   L   S

   2   0   0   1

 

   5 .   8   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   5   5  -   7   0   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   9

   8 .   0   0   0 .   7   9   8

   3 .   6   6   0 .   6   6   3

   4   5 ,   8   %

   7   8   9 .   2   9   4

   1 .   8   8

   5 .   0   6   0

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   V   E   L   A   S

   C   O ,   L . ,   2   0   0   1  :   A  r  e  a  s   d  e

   D  e  s  a  r  r  o   l   l  o   I  n   d   í  g  e  n  a  y   D   i  s   t  r   i   t  o  s

   M  u  n   i  c

   i  p  a   l  e  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s .   E   l   D  e  s  a  r  r  o   l   l  o

   I  n   d   í  g  e  n  a   d  e  s   d  e   l  a  s   P  o   l   í   t   i  c  a  s   d  e   C   h   i   l  e

  y   B  o   l   i  v   i  a .   I  n  :   R  e  v   i  s   t  a   M  a   d ,   4  :   6 .

   h   t   t  p  :   /   /  c  s  o  c   i  a   l  e  s .  u  c   h   i   l  e .  c   l   /  p  u   b   l   i  c

  a  c   i  o  n  e  s   /  m  a   d   /   0   4   /  p  a  p  e  r   0   5 .  p   d   f .   h

   t  m

   1   9   9   2

 

   3 .   0   5   8 .   2   0   8

   (   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

  a   b   6   J  a   h  r  e  ;

   Z  e  n  s  u  s   )

   5   9   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   2

 

   5 .   6   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   8   1 ,   2   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   B  o   l   i  v   i  e  n

   1   9   7   6   /

   1   9   8   8

 

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   2   0   0   0

   1   6   9 .   8   7   2 .   8   5   6

   7   3   4 .   1   2   7

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   0 ,   4   3   %

   3   8   3 .   2   9   8

   3   5   0 .   8   2   9

 

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   B  r  a  s   i   l  e   i  r  o   d  e   G  e  o  g  r  a   f   i  a  e

   E  s   t  a   t   í  s   t   i  c  a   (   I   B   G   E   ) ,   B  r  a  s   i   l   i  e  n  ;  e   i  g  e  n  e

   P  r  o  z  e

  n   t  s  a   t  z  -   B  e  r  e  c   h  n  u  n  g

   f   t  p  :   /   /   f   t  p

 .   i   b  g  e .  g  o  v .   b  r   /   C  e  n  s  o  s   /   C  e

  n  s  o_   D  e  m  o  g  r  a   f   i  c  o_

   2   0   0   0   /  p  o  p  u   l

  a  c  a  o   /   B

  r  a  s   i   l   /

   2   0   0   0

 

   3   4   7 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   0 ,   2   2   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   B  r  a  s   i   l   i  e  n

   1   9   9   2

 

   1 .   5   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   1 ,   0   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   2   0   0   2

   1   5 .   1   1   6 .   4   3   5

   6   9   2 .   1   9   2

   4 ,   5   8   %

 

   Z  u  g  e   h   ö  r   i  g   k  e   i   t

   (   "   P  e  r   t  e  n  e  c  e   U   d  a

  a   l  g  u  n  o   d  e   l  o  s

  s   i  g  u   i  e  n   t  e  s  p  u  e   b   l  o  s

  o  r   i  g   i  n  a  r   i  o  s  o

   i  n   d   í  g  e  n  a  s   ?   "   )

   I   N   E ,   2   0   0   2  ;  z .   T .  e   i  g  e  n  e   B  e  r  e  c   h  n  u  n  g  e  n  ;

   H   E   S   S  -   K   A   L   C   H   E   R ,   S . ,   2   0   0   4  :

   S   t  a  a   t  s  m  o   d  e  r  n   i  s   i  e  r  u  n  g  –   P  u   b   l   i  c

   M  a  n  a

  g  e  m  e  n   t  –   P  a  r   t   i  z   i  p  a   t   i  o  n  :   Z  u  r

   S   i   t  u  a   t   i  o  n   d  e  r   i  n   d   i  g  e  n  e  n   V   ö   l   k  e  r   i  n

   C   h   i   l  e ,  o   h  n  e   Q  u  e   l   l  e ,   M  a  n  u  s   k  r   i  p   t

   2   0   0   0

 

   1 .   7   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   7  -   1   3   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   C   h   i   l  e

   1   9   9   2

 

   9   9   8 .   3   8   5

   (   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

  a   b   1   4   J  a   h  r  e  ;

   Z  e  n  s  u  s   )

   1   0   %

   7   9   4 .   7   1   4

   2   0   3 .   6   7   1

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

   (   "   S   i   U   d  e  s  c   h   i   l  e  n  o ,

  s  e  c  o  n  s   i   d  e  r  a

  p  e  r   t  e  n  e  c   i  e  n   t  e  a  u  n  a

   d  e   l  a  s  s   i  g  u   i  e  n   t  e  s

  c  u   l   t  u  r  a  s  :   M  a  p  u  c   h  e ,

   A  y  m  a  r  a ,   R  a  p  a   N  u   i ,

  n   i  n  g  u  n  a   ?   "   )

   V   E   L   A   S

   C   O ,   L . ,   2   0   0   1  :   A  r  e  a  s   d  e

   D  e  s  a  r  r  o   l   l  o   I  n   d   í  g  e  n  a  y   D   i  s   t  r   i   t  o  s

   M  u  n   i  c

   i  p  a   l  e  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s .   E   l   D  e  s  a  r  r  o   l   l  o

   I  n   d   í  g  e  n  a   d  e  s   d  e   l  a  s   P  o   l   í   t   i  c  a  s   d  e   C   h   i   l  e

  y   B  o   l   i  v   i  a .   I  n  :   R  e  v   i  s   t  a   M  a   d ,   4  :   6  ;  v  g   l .

   B   A   R   I    É

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z  ;   H   E   S   S  -   K   A   L   C   H   E   R ,   S . ,

   2   0   0   4  :   S   t  a  a   t  s  m  o   d  e  r  n   i  s   i  e  r  u  n  g  –   P  u   b   l   i  c

   M  a  n  a

  g  e  m  e  n   t  –   P  a  r   t   i  z   i  p  a   t   i  o  n  :   Z  u  r

   S   i   t  u  a   t   i  o  n   d  e  r   i  n   d   i  g  e  n  e  n   V   ö   l   k  e  r   i  n

   C   h   i   l  e ,  o   h  n  e   Q  u  e   l   l  e ,   M  a  n  u  s   k  r   i  p   t

   h   t   t  p  :   /   /  c  s  o  c   i  a   l  e  s .  u  c   h   i   l  e .  c   l   /  p  u   b   l   i  c

  a  c   i  o  n  e  s   /  m  a   d   /   0   4   /  p  a  p  e  r   0   5 .  p   d   f

   C  o  s   t  a   R   i  c  a

   2   0   0   0

   3 .   8   1   0 .   1   7   9

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   6   3 .   8   7   6

   1 ,   7   %

   4   6 ,   5   %   d  e  r

   i  n   d   i  g  e  n  e  n

   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   l  e   b   t   i  n   S   t   ä   d   t  e  n

 

   Z  u  g  e   h   ö  r   i  g   k  e   i   t

   (   "   P  e  r   t  e  n  e  c  e   ( . . .   )  a   l  a

  c  u   l   t  u  r  a   i  n   d   í  g  e  n  a ,

  a   f  r  o  c  o  s   t  a  r  r   i  c  e  n  s  e  o

  n  e  g  r  a ,  c   h   i  n  a   ?   "   )

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  y

   C  e  n  s  o  s   (   I   N   E   C   ) ,   C  o  s   t  a   R   i  c  a  ;   S   O   L   A   N   O

   S   A   L   A   Z

   A   R ,   E . ,   2   0   0   0  :   L  a  p  o   b   l  a  c   i   ó  n

   i  n   d   í  g  e

  n  a  e  n   C  o  s   t  a   R   i  c  a  s  e  g   ú  n  e   l

  c  e  n  s  o

   2   0   0   2 .   I  n  :   R  o  s  e  r  o  -   B   i  x   b  y ,   L .

   (   H  g .   )  :   C  o  s   t  a   R   i  c  a  a   l  a   l  u  z   d  e   l   C  e  n  s  o

   d  e   l   2   0

   0   0 .   S  a  n   J  o  s   é ,   3   4   1  -   3   7   3  ;  v  g   l .

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e  c .  g  o .  c  r   /   #

   h   t   t  p  :   /   /  c  c  p .  u  c  r .  a  c .  c  r   /   b  v  p   /  p   d   f   /  c  e  n

  s  o   2   0   0   0

   /   l   i   b  r  o  -  c  e  n  s  o   /   4 .   1  -

   S  o   l  a  n  o

  -   2 .   d  o  c .  p   d   f

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   2   0   0   3

   1   3 .   9   0   9 .   3   8   4

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

 

   C   I   A   W

  o  r   l   d   F  a  c   t   b  o  o   k

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c   i  a .  g  o  v   /  c   i  a   /  p  u   b   l   i  c  a   t   i

  o  n  s   /   f  a  c

   t   b  o  o   k   /  g  e  o  s   /  g   t .   h   t  m   l

   1   9   9   4

 

   4 .   9   4   5 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   4   8 ,   0   1   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   4

 

   3 .   4   7   6 .   6   8   4

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   4   2 ,   8   %

 

   Z  w  e   i  s   t  u   f   i  g  e  s

   V  o  r  g  e   h  e  n  :

   Z  u  g  e   h   ö  r   i  g   k  e   i   t  u  n   d

   S  p  r  a  c   h  e .   F  r  a  g  e  n  a  n

   d  e  n   H  a  u  s   h  a   l   t  s  v  o  r  s   t  a  n   d ,

   d  e  r  s   t  e   l   l  v  e  r   t  r  e   t  e  n   d

   f   ü  r  a   l   l  e   M   i   t  g   l   i  e   d  e  r

  a  n   t  w  o  r   t  e   t  :   1 .   "   A  q  u   é

  g  r  u  p  o   é   t  n   i  c  o

  p  e  r   t  e  n  e  c  e   ?   "  u  n   d   2 .

   "   H  a   b   l  a   U   d  a   l  g   ú  n

   i   d   i  o  m  a   i  n   d   í  g  e  n  a   ?   "

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z  ;  p  e  r  s   ö  n   l   i  c   h  e

   K  o  m  m

  u  n   i   k  a   t   i  o  n

   1   9   9   4

   8 .   3   3   1 .   8   7   4

   (   Z  e  n  s  u  s   )

 

   S  e  c  r  e

   t  a  r   i  a   d  e   P   l  a  n   i   f   i  c  a  c   i   ó  n  y

   P  r  o  g  r  a  m  a  c   i   ó  n   (   S   E   G   E   P   L   A   N   ) ,  a  u   f   d  e  r

   G  r  u  n   d   l  a  g  e  v  o  n   D  a   t  e  n   d  e  s   I  n  s   t   i   t  u   t  o

   N  a  c   i  o

  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a   (   I   N   E   ) ,

   G  u  a   t  e

  m  a   l  a

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  s  e  g  e  p   l  a  n .  g  o   b .  g   t   /  s  p

  a  n   i  s   h   /  g

  u  a   t  e  m  a   l  a   /   I  n   d   i  c  a   d  o  r  e  s   %

   2   0   D  e  m

  o  g  r   á   f   i  c  o  s   /   D  e  m  o  g  r  a   f   í  a   %

   2   0   N  a  c   i  o  n  a   l   /   P   A   I   S .  x   l  s

   1   9   9   2

 

   4 .   6   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   4   9 ,   9   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   G  u  a   t  e  m  a   l  a

   1   9   8   0   /

   1   9   8   1

   6 .   0   3   9 .   3   6   2

   2 .   5   3   6 .   5   3   2

   4   2 ,   0   %

 

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

   2   0   0   3

   7   7   9 .   4   1   7

   5   5 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

 

   G  o  v  e  r  n  m  e  n   t   I  n   f  o  r  m  a   t   i  o  n   A  g  e  n  c  y

   (   G   I   N   A

   ) ,   G  u  y  a  n  a

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  g   i  n  a .  g  o  v .  g  y   /  n  a   t  p  r  o   f   i

   l  e   /  g  e  n   i  n   f  o  a  p .   h   t  m   l  ;

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  g   i  n  a .  g  o  v .  g  y   /  n  a   t  p  r  o   f   i

   l  e   /  g  n  p  r

  o   f .   h   t  m   l

   G  u  y  a  n  a

   1   9   9   1

 

   4   9 .   2   9   3

   6 ,   8   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

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8/19/2019 Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   2   0   0   1

   6 .   3   4   0 .   0   0   9

 

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a   (   I   N   E   ) ,

   H  o  n   d  u  r  a  s

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e  -

   h  n .  o  r  g   /  s  o  c   i  a   l  e  s   %   2   0  y   %   2   0   d  e  m  o

  g  r  a   f   i  c  a  s   /   d  e  m  o  g  r  a   f   i  a .   h   t  m

   1   9   9   9

 

   5   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   1   2 ,   8   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   H  o  n   d  u  r  a  s

   1   9   8   8   /

   1   9   8   6

 

   4   8 .   7   8   9

   (   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

  a   b   5   J  a   h  r  e   )

   1 ,   3   %

 

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z  ;   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

   2   0   0   3

   4   1 .   6   6   2 .   0   7   3

 

   C   I   A   W

  o  r   l   d   F  a  c   t   b  o  o   k

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c   i  a .  g  o  v   /  c   i  a   /  p  u   b   l   i  c  a   t   i

  o  n  s   /   f  a  c

   t   b  o  o   k   /  g  e  o  s   /  c  o .   h   t  m   l

   1   9   9   8

 

   7   8   5 .   3   5   6

   1 ,   9   %

 

   D  e  p  a  r   t  a  m  e  n   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e

   P   l  a  n  e

  a  c   i   ó  n ,   K  o   l  u  m   b   i  e  n

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   d  n  p .  g  o  v .  c  o   /   A  r  c   h   i  v  o

  s   W  e   b   /   D   i  r  e  c  c   i  o  n_

   D  e  s  a  r  r  o   l   l  o_

   T

  e  r  r   i   t  o  r   i  a   l   /   d   i  v  e  r  s_  e   t  n   i  c  a   /   i  n   d   i  g  e  n

  a  s   /   d  o  c_

   i  n   t  e  r  e  s   /   P  u  e   b   l  o  s_

   I  n   d   i  g  e

  n  a  s   /   C  a

  p   i   t  u   l  o_

   4 .  p   d   f

   1   9   9   7

 

   7   0   1 .   8   6   0

   1 ,   5   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   3

 

   7   4   4 .   0   4   8

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   2 ,   2   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   3

   3   3 .   1   0   9 .   8   4   0

   1 .   1   0   6 .   4   9   9

   (   "   P  o   b   l  a  c   i   ó  n

   i  n   d   í  g  e  n  a  y

  n  e  g  r  a   "  ;

   Z  e  n  s  u  s   )

 

   D  e  p  a  r   t  a  m  e  n   t  o   A   d  m   i  n   i  s   t  r  a   t   i  v  o   N  a  c   i  o  n  a   l

   d  e   E  s

   t  a   d   í  s   t   i  c  a   (   D   A   N   E   ) ,   K  o   l  u  m   b   i  e  n

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   d  a  n  e .  g  o  v .  c  o   /   i  n   f_  e  s   t

   /  e  s   t  r  a   t   i   f   i  c  a  c   i  o  n .   h   t  m

   K  o   l  u  m   b   i  e  n

   1   9   7   3   /

   1   9   8   5

 

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

  u  n   d  g  e  o  g  r  a  p   h   i  s  c   h  e

   A  n  s   i  e   d   l  u  n  g

   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

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8/19/2019 Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   2   0   0   2

   9   7 .   4   8   3 .   4   1   2

   1   0 .   2   5   3 .   6   2   7

   (  =   6 .   0   4   4 .   5   4   7

   S  p  r  e  c   h  e  r

   i  n   d   i  g  e  n  e  r

   S  p  r  a  c   h  e  n   +

   4 .   2   0   9 .   0   8   0

   N   i  c   h   t  -   S  p  r  e  c   h  e  r

   i  n   d   i  g  e  n  e  r

   S  p  r  a  c   h  e  n ,   d   i  e

  s   i  c   h  a   l  s

   I  n   d   i  g  e  n  e

   i   d  e  n   t   i   f   i  z   i  e  r  e  n   )

   1   0 ,   5   %

 

   I  n   d   i  g  e  n  e

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e  u  n   d   /

  o   d  e  r

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

   C  o  m   i  s   i   ó  n   N  a  c   i  o  n  a   l  p  a  r  a  e   l   D  e  s  a  r  r  o   l   l  o

   d  e   l  o  s

   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s   (   C   D   I   ) ,

   M  e  x   i   k

  o

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c   d   i .  g  o   b .  m  x   /  c  o  n  a   d  e

  p   i   /   i  n   d  e  x .  p   h  p   ?  o  p   t   i  o  n  =  a  r   t   i  c   l  e  s   &   t

  a  s   k  =  v   i  e  w  a  r   t   i  c   l  e   &  a  r   t   i   d  =   4   7   3   &   I   t  e

  m   i   d  =   3   #

   2   0   0   0

   9   7 .   4   8   3 .   4   1   2

   6 .   0   4   4 .   5   4   7

   (   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

  a   b   5   J  a   h  r  e ,   d

   i  e

   i  n   d   i  g  e  n  e

   S  p  r  a  c   h  e  n

  s  p  r   i  c   h   t  ;

   Z  e  n  s  u  s   )

   6 ,   2   %

 

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a ,

   G  e  o  g  r  a   f   í  a  e   I  n   f  o  r  m   á   t   i  c  a   (   I   N   E   G   I   ) ,

   M  e  x   i   k

  o  ;  z .   T .  e   i  g  e  n  e   B  e  r  e  c   h  n  u  n  g  e  n

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  s  e  p .  g  o   b .  m  x   /  w  o  r   k   /  r  e

  s  o  u  r  c  e  s   /   L  o  c  a   l   C  o  n   t  e  n   t   /   1   5   1   0   5   /   2

   /   2   0   0   3   %

   2   0  p   O   B   L   A   C   I   O   N .  p   d   f

   2   0   0   0

 

   1   2 .   7   0   0 .   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   1   3   %

 

   M   i   t  g   l   i  e   d  e  r  v  o  n

   H  a  u  s   h  a   l   t  e  n  m   i   t

  m   i  n   d  e  s   t  e  n  s  e   i  n  e  r

   P  e  r  s  o  n ,   d   i  e   i  n   d   i  g  e  n  e

   C   h  a  r  a   k   t  e  r   i  s   t   i   k  a   t  r   ä  g   t ,

  g  e   l   t  e  n  a   l  s   i  n   d   i  g  e  n

   F   E   R   N    Á   N   D   E   Z ,   P . ,   G   A   R   C   I   A ,   J .   &   A   V   I   L   A ,

   D .   E . ,

   2   0   0   2  :   E  s   t   i  m  a  c   i  o  n  e  s   d  e   l  a

  p  o   b   l  a  c   i   ó  n   i  n   d   í  g  e  n  a  e  n   M   é  x   i  c  o .   I  n  :

   C  o  n  s  e   j  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   P  o   b   l  a  c   i   ó  n

   (   C   O   N

   A   P   O   )  :   S   i   t  u  a  c   i   ó  n   D  e  m  o  g  r   á   f   i  c  a   d  e

   M   é  x   i  c

  o ,   2   0   0   2 ,   1   6   9  -   1   8   2 .   C   i  u   d  a   d   d  e

   M   é  x   i  c

  o

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  o  n  a  p  o .  g  o   b .  m  x   /  p  u   b

   l   i  c  a  c   i  o  n

  e  s   /   2   0   0   2   /   1   3 .  p   d   f

   2   0   0   0

 

   1   0 .   1   4   3 .   6   0   0   (   i  n

   i  n   d   i  g  e  n  e  n

   H  a  u  s   h  a   l   t  e  n  ;

   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   1   1 ,   0   %

 

   F   E   R   N    Á   N   D   E   Z ,   P . ,   G   A   R   C   I   A ,   J .   &   A   V   I   L   A ,

   D .   E . ,

   2   0   0   2  :   E  s   t   i  m  a  c   i  o  n  e  s   d  e   l  a

  p  o   b   l  a  c   i   ó  n   i  n   d   í  g  e  n  a  e  n   M   é  x   i  c  o .   I  n  :

   C  o  n  s  e   j  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   P  o   b   l  a  c   i   ó  n

   (   C   O   N

   A   P   O   )  :   S   i   t  u  a  c   i   ó  n   D  e  m  o  g  r   á   f   i  c  a   d  e

   M   é  x   i  c

  o ,   2   0   0   2 ,   1   6   9  -   1   8   2 .   C   i  u   d  a   d   d  e

   M   é  x   i  c

  o

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  o  n  a  p  o .  g  o   b .  m  x   /  p  u   b

   l   i  c  a  c   i  o  n

  e  s   /   2   0   0   2   /   1   3 .  p   d   f

   1   9   9   2

 

   1   0 .   9   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   1   2 ,   6   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   M  e  x   i   k  o

   1   9   9   0

 

   5 .   2   8   2 .   3   4   7

   (   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

  a   b   5   J  a   h  r  e   )

   7 ,   4   %

 

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z  ;   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

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8/19/2019 Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   2   0   0   3

   5 .   4   8   2 .   3   4   0

 

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  s  y

   C  e  n  s  o  s   (   I   N   E   C   ) ,   N   i  c  a  r  a  g  u  a  ;   P  r  o   j  e   k   t   i  o  n

   2   0   0   3

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e  c .  g  o   b .  n   i   /  e  s   t  a   d   i  s   t   i

  c  a  s   /  p  r  o

  y  e  c  c   i  o  n   2   0   0   3 .   h   t  m

   1   9   9   9

 

   4   1   4 .   7   5   7

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   9 ,   5   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   5

   4 .   3   5   7 .   0   9   9

 

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  s  y

   C  e  n  s  o  s   (   I   N   E   C   ) ,   N   i  c  a  r  a  g  u  a  ;   Z  e  n  s  u  s

   1   9   9   5

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e  c .  g  o   b .  n   i   /  e  s   t  a   d   i  s   t   i

  c  a  s   /  c  p   9   5   /  v  o   l   1   0   1  p .  p   d   f

   N   i  c  a  r  a  g  u  a

   1   9   9   5

 

   6   7 .   0   1   0

   (   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

  a   b   5   J  a   h  r  e   )

   1 ,   8   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   2   0   0   0

   2 .   8   3   9 .   1   7   7

   2   8   5 .   2   3   1

   1   0   %

    5   2 .   1   8   7

   2   3   3 .   0   4   4

 

   D   i  r  e  c  c   i   ó  n   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  y   C  e  n  s  o ,

   P  a  n  a  m  a  ;  v  g   l .   B   A   R   I    É ,   2   0   0   4

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  o  n   t  r  a   l  o  r   i  a .  g  o   b .  p  a   /

   d  e  c   /   T  e

  m  a  s   /   5   0   /   1   0   /   1 .  p   d   f  ;

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  o  n   t  r  a   l  o  r   i  a .  g  o   b .  p  a   /

   d  e  c   /   P  u

   b   l   i  c  a  c   i  o  n  e  s   /   0   1  -

   0   6   /   2   6 .  p

   d   f  ;

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  o  n   t  r  a   l  o  r   i  a .  g  o   b .  p  a   /

   d  e  c   /   P  u

   b   l   i  c  a  c   i  o  n  e  s   /   0   1  -   0   6   /   1 .  p   d   f

   P  a  n  a  m  a

   1   9   9   0

 

   1   9   4 .   2   6   9

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   8 ,   3   %

 

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z  ;   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

   P  a  r  a  g  u  a  y

   2   0   0   2

   5 .   1   8   3 .   0   8   0

   8   7 .   0   9   9

   1 ,   7   %

   7 .   4   0   7

   7   9 .   6

   9   2

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n ,

  u  n  a   b   h   ä  n  g   i  g  v  o  n   d  e  r

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   (   "   P  e  r  s  o  n  a  o  r   i  g   i  n  a  r   i  a

   d  e   l  p  a   í  s .   S  e   d   i  c  e   d  e

   l  a  p  e  r  s  o  n  a  q  u  e  s  e

   d  e  c   l  a  r  a

  p  e  r   t  e  n  e  c   i  e  n   t  e  a  u  n  a

  e   t  n   i  a  o  p  u  e   b   l  o

  o  r   i  g   i  n  a  r   i  o  y  s  e

  m  a  n   i   f   i  e  s   t  a  m   i  e  m   b  r  o

   d  e  u  n  a  c  o  m  u  n   i   d  a   d ,

  n   ú  c   l  e  o   d  e   f  a  m   i   l   i  a  s  o

   b  a  r  r   i  o   i  n   d   í  g  e  n  a ,

   i  n   d  e  p  e  n   d   i  e  n   t  e  m  e  n   t  e

   d  e  q  u  e  s   i  g  a

   h  a   b   l  a  n   d  o  o  n  o   l  a

   l  e  n  g  u  a   d  e  o  r   i  g  e  n .   "   )

   D   i  r  e  c  c   i   ó  n   G  e  n  e  r  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a ,

   E  n  c  u  e  s   t  a  s  y   C  e  n  s  o  s ,   P  a  r  a  g  u  a  y

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   d  g  e  e  c .  g  o  v .  p  y   /   P  u   b   l   i

  c  a  c   i  o  n  e  s   /   B   i   b   l   i  o   t  e  c  a   /  c  e  n  s  o_

   i  n   d   i

  g  e  n  a   /   P

  o   b   l  a  c   i  o  n   %   2   0   1   2 .  p   d   f

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   d  g  e  e  c .  g  o  v .  p  y   /   P  u   b   l   i

  c  a  c   i  o  n  e  s   /   B   i   b   l   i  o   t  e  c  a   /  c  e  n  s  o_

   i  n   d   i

  g  e  n  a   /   C

  a  p   i   t  u   l  o   %   2   0   2 .  p   d   f

Page 211: Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

8/19/2019 Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   2   0   0   1

 

   8   5 .   6   7   4

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   2 ,   0   6   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   2

 

   2   9 .   4   8   2

   0 ,   7   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   8   1   /

   1   9   8   2

 

   G  e  o  g  r  a  p   h   i  s  c   h  e

   A  n  s   i  e   d   l  u  n  g  u  n   d

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

   2   0   0   0

   2   5 .   6   6   2 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   3 .   5   1   1 .   4   3   1   (  n  u  r

   S  p  r  a  c   h  e   )

   3   8   %   (  n  u  r

   S  p  r  a  c   h  e  :

   1   5   %   )

   3   1   %   d  e  r

  s   t   ä   d   t   i  s  c   h  e  n

   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g  ;

   3   0 ,   8   %   (  n  u  r

   S  p  r  a  c   h  e   )   d  e  r

   i  n   d   i  g  e  n  e  n

   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   5   0   %

   d  e  r

   l   ä  n   d

   l   i  c   h  e  n

   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g  ;

   6   9 ,   3

   %   (  n  u  r

   S  p  r  a

  c   h  e   )   d  e  r

   i  n   d   i  g

  e  n  e  n

   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n  :

   "   P  o  r  s  u  s

  a  n   t  e  p  a  s  a   d  o  s  y   d  e

  a  c  u  e  r   d  o  a  s  u  s

  c  o  s   t  u  m   b  r  e  s ,   U  s   t  e   d

  s  e  c  o  n  s   i   d  e  r  a   ( . . .   )   ?   "

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  e

   I  n   f  o  r  m

   á   t   i  c  a   (   I   N   E   I   ) ,   P  e  r  u  ;   G   R   A   D   E ,

   2   0   0   2  ;  z .   T .  e   i  g  e  n  e   B  e  r  e  c   h  n  u  n  g  e  n

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e   i .  g  o   b .  p  e   /   b   i   b   l   i  o   i  n

  e   i  p  u   b   /   b

  a  n  c  o  p  u   b   /   E  s   t   /   L   i   b   0   4   6   6   /   L   i

   b  r  o .  p   d   f  ;

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e   i .  g  o   b .  p  e   /   b   i   b   l   i  o   i  n

  e   i  p  u   b   /   b

  a  n  c  o  p  u   b   /   E  s   t   /   L   i   b   0   3   6   3   /   i  n

   d   i  c  e .   h   t  m

   2   0   0   0

 

   9 .   3   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   4   7   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   3

   1   9 .   1   9   0 .   6   2   3

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   3 .   7   4   2 .   1   7   1

   (   S  p  r  e  c   h  e  r

   i  n   d   i  g  e  n  e  r

   S  p  r  a  c   h  e  n  a   b

   5

   J  a   h  r  e  ;   Z  e  n  s  u

  s   )

   1   9 ,   5   /   2   0   %

   1   5   %

 

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  e

   I  n   f  o  r  m

   á   t   i  c  a   (   I   N   E   I   ) ,   P  e  r  u  ;   G   R   A   D   E ,

   2   0   0   2

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e   i .  g  o   b .  p  e   /   b   i   b   l   i  o   i  n

  e   i  p  u   b   /   b

  a  n  c  o  p  u   b   /   E  s   t   /   L   i   b   0   0   0   7   /  c

  a   P   0   2   0   9 .   h   t  m

   1   9   9   3

 

   2   3   9 .   6   7   4

   (   B  e  w  o   h  n  e  r

   i  n   d   i  g  e  n  e  r

    c    o    m    u    n     i     d    a     d    e    s

   A  m  a  z  o  n   i  e  n  s  ;

   Z  e  n  s  u  s   )

 

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a  e

   I  n   f  o  r  m

   á   t   i  c  a   (   I   N   E   I   ) ,   P  e  r  u

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e   i .  g  o   b .  p  e   /   b   i   b   l   i  o   i  n

  e   i  p  u   b   /   b

  a  n  c  o  p  u   b   /   E  s   t   /   L   i   b   0   0   0   1   /   I

  n   d   i  c  e .   h

   t  m

   P  e  r  u

   1   9   9   2

 

   9 .   0   0   0 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   4   0 ,   2   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

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8/19/2019 Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   1   9   8   1

 

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

   1   9   7   2

 

   M  u   t   t  e  r  s  p  r  a  c   h  e

   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

   P  u  e  r   t  o   R   i  c  o

   2   0   0   0

   3 .   8   0   8 .   6   1   0

   1   3 .   3   3   6   (   "  o  n  e

  r  a  c  e   "   )   b  z  w .

   2   6 .   8   7   1   (   "   i  n

  c  o  m   b   i  n  a   t   i  o  n   "   )

   0 ,   4   %   b  z  w .

   0 ,   7   %

 

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

   O   f   i  c   i  n

  a   d  e   l   C  e  n  s  o   d  e   l  a   J  u  n   t  a   d  e

   P   l  a  n   i   f   i  c  a  c   i   ó  n   (   J   P   ) ,   P  u  e  r   t  o   R   i  c  o

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  e  n  s  o .  g  o   b   i  e  r  n  o .  p  r   /

   C  e  n  s  o_

   P  o   b   l  a  c   i  o  n_

   V   i  v   i  e  n   d  a   /   P  e

  r   f   i   l_   D  e  m  o  g  r  a   f   i  c  o_

   C  e  n  s  o_

   2   0   0   0

   /   P  u  e  r   t  o

_   R   i  c  o .  p   d   f

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c  e  n  s  o .  g  o   b   i  e  r  n  o .  p  r   /

   C  e  n  s  o_

   P  o   b   l  a  c   i  o  n_

   V   i  v   i  e  n   d  a   /   P  e

  r   f   i   l_   D  e  m  o  g  r  a   f   i  c  o_

   C  e  n  s  o_

   2   0   0   0

   /   A   b  o  u   t_

   t   h  e_  p  r  o   f   i   l  e .  p   d   f

   2   0   0   1

   1   5   7 .   7   7   5

 

   G  o  v  e  r  n  m  e  n   t   S   t  a   t   i  s   t   i  c  s   D  e  p  a  r   t  m  e  n   t ,   S   t .

   L  u  c   i  a

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  s   t  a   t  s .  g  o  v .   l  c   /  p  o  p   2   1 .

   h   t  m

   S  a   i  n   t   L  u  c   i  a

   1   9   9   1

   1   3   3 .   1   0   0

   3   6   6

   0 ,   2   7   %

 

   P  o  p  u   l  a   t   i  o  n  a  n   d   H  o  u  s   i  n  g   C  e  n  s  u  s   f  o  r

   D  o  m   i  n   i  c  a ,   S   t .   L  u  c   i  a ,  a  n   d   S   t .   V   i  n  c  e  n   t

   (   1   9   9   1

   )

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  s  a   i  n   t  m  a  r  y  s .  e   d  u   /  ~   j  m

  c  e   l  r  o  y   /   N  e  w   %   2   0   P  e  r   t   b   l  s .   h   t  m   l

   2   0   0   3

   1   1   6 .   8   1   2

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

 

   2   %

 

   C   I   A   W

  o  r   l   d   F  a  c   t   b  o  o   k

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c   i  a .  g  o  v   /  c   i  a   /  p  u   b   l   i  c  a   t   i

  o  n  s   /   f  a  c

   t   b  o  o   k   /  g  e  o  s   /  v  c .   h   t  m   l

   S  a   i  n   t

   V   i  n  c  e  n   t  u  n   d

   d   i  e   G  r  e  n  a   d   i  n  e  n

   1   9   9   1

   1   0   3 .   0   3   3

   3 .   3   4   7

   3 ,   1   6   %

 

   P  o  p  u   l  a   t   i  o  n  a  n   d   H  o  u  s   i  n  g   C  e  n  s  u  s   f  o  r

   D  o  m   i  n   i  c  a ,   S   t .   L  u  c   i  a ,  a  n   d   S   t .   V   i  n  c  e  n   t

   (   1   9   9   1

   )

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  s  a   i  n   t  m  a  r  y  s .  e   d  u   /  ~   j  m

  c  e   l  r  o  y   /   N  e  w   %   2   0   P  e  r   t   b   l  s .   h   t  m   l

   2   0   0   3

   4   3   5 .   4   4   9

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

 

   1   0   %

 

   C   I   A   W

  o  r   l   d   F  a  c   t   b  o  o   k

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .  c   i  a .  g  o  v   /  c   i  a   /  p  u   b   l   i  c  a   t   i

  o  n  s   /   f  a  c

   t   b  o  o   k   /  g  e  o  s   /  n  s .   h   t  m   l

   S  u  r   i  n  a  m

   1   9   9   9

 

   2   5 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   6   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

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8/19/2019 Matthías Abram Indigene Völker in Lateinamerika Und Entwicklungszusammenarbeit

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   A  n   h  a  n  g   1  :

    Ü   b  e  r   b   l   i  c   k  –   I  n   d   i  g  e  n  e   B  e  v   ö   l   k  e  r  u  n  g

   i  n   d  e  n   S   t  a  a   t  e  n   L  a   t  e   i  n  a  m  e  r   i   k  a  s  u  n   d

   d  e  r   K  a  r   i   b   i   k

   1   9   9   6   /

   1   9   9   7

   3 .   1   6   3 .   7   6   3

   (   Z  e  n  s  u  s   )

   1   2 .   1   0   0

   0 ,   4   %

 

   "  e  x  p   l   i  z   i   t  e   E  r   k   l   ä  r  u  n  g   "

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a   (   I   N   E   ) ,

   U  r  u  g  u

  a  y

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e .  g  u   b .  u  y   /   b  a  n  c  o   %

   2   0   d  e   %

   2   0   d  a   t  o  s   /  s  o  c_  p  o   b   h  o  g  y  v   i

  v   /   C  e  n  s

  o  s_

   T   4 .  x   l  s

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e .  g  u   b .  u  y   /   b   i   b   l   i  o   t  e  c

  a   /  r  a  z  a   /

   M   O   D   U   L   O_

   R   A   Z   A .  p   d   f

   U  r  u  g  u  a  y

 

  n   i  c   h   t  e  x   i  s   t  e  n   t

  o   d  e  r  m   i  n   i  m  a   l

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   2   0   0   1

   2   3 .   0   5   4 .   2   1   0

   5   3   2 .   7   4   3

   (   3   5   4 .   4   0   0  a  u  s

  a   l   l  g  e  m  e   i  n  e  m

   Z  e  n  s  u  s  u  n   d

   1   7   8 .   3   4   3  a  u  s

   Z   ä   h   l  u  n  g   i  n   d  e

  n

   "  c  o  m  u  n   i   d  a   d  e

  s

   i  n   d   í  g  e  n  a  s   "   )

   2 ,   3   %

   3   5   4 .   4   0   0

   (  a  u   ß  e  r   h  a   l   b   d  e  r

   "  c  o  m  u  n   i   d  a   d  e  s

   i  n   d   í  g  e  n  a  s   "   )

   1   7   8 .   3   4   3

   (   i  n  n  e  r   h  a   l   b   d  e  r

   "  c  o  m

  u  n   i   d  a   d  e  s

   i  n   d   í  g

  e  n  a  s   "   )

   "  e  r   k   l   ä  r   t  e

   Z  u  g  e   h   ö  r   i  g   k  e   i   t   "

   I  n  s   t   i   t  u

   t  o   N  a  c   i  o  n  a   l   d  e   E  s   t  a   d   í  s   t   i  c  a   (   I   N   E   ) ,

   V  e  n  e  z  u  e   l  a

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e .  g  o  v .  v  e   /   i  n  e   /  c  e  n  s

  o   /   f   i  c   h  a  s  c  e  n  s  o   /   f   i  c   h  a  c  e  n  s  o .  a  s  p

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i  n  e .  g  o  v .  v  e   /   i  n  e   /   i  n   d  e

  x   i  n  e .  a  s

  p

   1   9   9   2

 

   3   1   6 .   0   0   0

   (   S  c   h   ä   t  z  u  n  g   )

   1 ,   8   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   1   9   9   2

 

   3   1   4 .   7   7   2

   (   i  n   d   i  g  e  n  e

   Z   ä   h   l  u  n  g   )

   0 ,   9   %

 

   B   A   R   I   E

 ,   G . ,   2   0   0   4  :   P  u  e   b   l  o  s   I  n   d   í  g  e  n  a  s  y

   d  e  r  e  c

   h  o  s  c  o  n  s   t   i   t  u  c   i  o  n  a   l  e  s  e  n   A  m   é  r   i  c  a

   L  a   t   i  n  a

  :  u  n  p  a  n  o  r  a  m  a .   C   D  -   R   O   M .   2 .

   A  u   f   l .   L  a   P  a  z

   V  e  n  e  z  u  e   l  a

   1   9   8   1   /

   1   9   8   2

 

   G  e  o  g  r  a  p   h   i  s  c   h  e

   A  n  s   i  e   d   l  u  n  g  u  n   d

   S  e   l   b  s   t   i   d  e  n   t   i   f   i   k  a   t   i  o  n

   T   O   R   R   E   S  -   R   I   V   A   S ,   E . ,   O .   J .  :

   C  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s  p  e  r  s  o  n  a   l  e  s  s  o   b  r  e   l  a

   C  o  n   d   i  c   i   ó  n   I  n   d   í  g  e  n  a  e  n   A  m   é  r   i  c  a   L  a   t   i  n  a

  y   l  o  s   D  e  r  e  c   h  o  s   H  u  m  a  n  o  s .

   h   t   t  p  :   /   /  w

  w  w .   i   i   d   h .  e   d .  c  r   /  c  o  m  u  n   i   d  a

   d  e  s   /   d   i  v

  e  r  s   i   d  a   d  e  s   /   d  o  c  s   /   d   i  v_

   d  o  c

  p  u   b   l   i  c  a

  c   i  o  n  e  s   /  c  o  n  s   i   d  e  r  a  c   i  o  n  e  s

   %   2   0  s  o

   b  r  e   %   2   0   l  a   %   2   0  c  o  n   d   i  c   i  o  n

   %   2   0   i  n   d

   i  g  e  n  a   %   2   0  e  n   %   2   0  a  m  e  r   i

  c  a   %   2   0

   l  a   t   i  n  a .  p   d   f

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl

Anhang 2:Organisationen indigener Völker - eine Auswahl

CHRISTOPH

KOHL

Die folgende Tabelle versucht einen Überblick über die indigenen Organisationen in Lateinamerika zugeben. Sie erhebt dabei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, die angesichts der Vielfalt der Organi-

sationen schwer zu erreichen wäre. Die Angaben zu den Organisationen entsprechen dem Stand Au-gust 2004.

Land/ Gebiet Organisationen Kontakt/ Sitz

Argentinien  Asociación Indígena de laRepública de Argentina (AIRA)

Balbastro No. 179C.P. 1406Buenos Aires Argentina

E-Mail: [email protected]

Confederación Sindical Únicade Trabajadores campesinosde Bolivia (CSUTCB)

C.C. 11589La PazBolivia

E-Mail: [email protected]:http://www.puebloindio.org/CSUTCB3.html

Organización de Mujeres Aymaras del Kollasuyo(OMAK)

C.P. 13195El AltoBolivia

E-Mail: [email protected]: http://www.aymaranet.org/OMAK.html

   H  o  c   h   l  a  n   d

Centro de Comunicación yDesarrollo Andino (CENDA)

C.C. 3226Tadeo Haenke No. 2231La PazBolivia

E-Mail: [email protected]: http://secrur.ls.net/cenda.htmConfederación de los PueblosIndígenas de Bolivia (CIDOB)

*Mitglied der COICA

Villa 1ero. de Mayo, Barrio San JuanCasilla No. 6135Santa Cruz de la SierraBolivia

E-mail: [email protected]: http://www.cidob-bo.org/

Mitglieder der CIDOB

Bolivien

   T   i  e   f   l  a  n   d

 Asamblea del Pueblo Guaraní(APG)

Calle AVAROA esq. ComercioMacharetí - Provincia Luis Calvo / ChuquisacaBolivia

E-Mail: [email protected]

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl

Coordinadora de los Pueblosetnicos de Santa Cruz(CPESC)

Santa Cruz

Central de Pueblos Indígenasdel Beni (CPIB)Central Indígena de la Región

 Amazónica de Bolivia (CIRA-BO)Central Indigena de PueblosOriginarios de la Amazonia dePando (CIPOAP)

 Av. Circunvalación s/n (Barrio Mapajo)Casilla 99Cobija – PandoBolivia

E-Mail: [email protected]:http://www.laneta.apc.org/rci/organinteg/cipoap.html

Central de Pueblos indígenasde La Paz (CPILAP)

La Paz

E-Mail: [email protected]  [email protected]

Coordinadora de Pueblos In-dígenas del Tropico de Co-chabamba (CPITCO)

Cochabamba

Organización de la CapitaniaWeehnayek y Tapiete (OR-CAWETA)

Villamontes – TarijaBolivia

E-Mail: [email protected]ão das OrganizaçõesIndígenas da Amazônia Brasileira(COIAB)

*Mitglied der COICA

 Avenida Ayrão 235Bairro: Presidente Vargas69025-290 Manaus – AmazonasBrasil

E-mail: [email protected]@ax.ibase.org.br

Webseite: http://www.coiab.com.br/

Brasilien

Conselho de Articulaçâo dos Po-vos e Organizaçôes Indígenas doBrasil(CAPOIB)

SDS – Ed. Venâncio III - 1º andar – sala 10770393-900 Brasília – DFBrasil

E-Mail: [email protected] Coordinadora Nacional Indianista

(CONACIN)Nataniel Cox No.185-BCasilla 154Correo 22 de Santiago de Chile

ChileE-Mail: [email protected]: http://www.olca.cl/conacin/

Costa Rica  Asociación Indígena de Costa Ri-ca (AICR)

C.C. 6979-1000San JoséCosta Rica

Ecuador  Confederación de NacionalidadesIndígenas del Ecuador (CONAIE)

 Av. Granados 2553 y 6 de DiciembreCasilla 17-17-1235QuitoEcuador

E-Mail:[email protected]

[email protected]: http://www.conaie.org/

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl

Mitglieder der CONAIE:Federación de OrganizacionesIndígenas del Napo (FOIN)Federación de Comunas U-nión de Nativos de la Amazo-

nía Ecuatoriana (FCUNAE)

Prof. Luciano MamallactaMalecón y Padre Miguel Torrano s/n.

OrellanaEcuador

E-Mail: [email protected]: http://fcunae.nativeweb.org/

Jatun Comuna Aguarico (JCA) Asociación de Centros Sionas-SecoyasNacionalidad (HUAO) HuaoNacionalidad (Cofán) A'I Comunidad Cofan Zabalo

Casilla 17 11 06089Quito

EcuadorPastaza Runaguna Tandana-cui/ Organización de PueblosIndígenas de Pastaza (OPIP)

Tnte Ortíz y Gral VillamilApartado 16-01-790Puyo – PastazaEcuador

Webseite: http://www.unii.net/opip/intro.htmlFederación de Centros Shuar- Achuar

SucuáDomingo Comín 17-38Morona Santiago, Región amazónicaEcuador

 Asociación Independiente delPueblo Shuar Ecuatoriano(AIPSE)

   A  m  a  z  o  n  a  s  -   T   i  e   f   l  a

  n   d

Confederación de Nacionali-dades Indígenas de la Ama-zonia Ecuatoriana (CONFE-NIAE)

*Mitglied der COICA

 Av. 6 de Diciembre 159 y Hermanos Pazmiño,Edif.Parlamento 4to. PisoCasilla 17-1-4180QuitoEcuador

E-Mail: [email protected]@ecuanex.net.ec

Webseite: http://www.ecuanex.net.ec/confeniae/Imbabura Runacunapac JatunTantanacui-INRUJTA-FICI

(Federación Indígena y Cam-pesina de Imbabura)

Jaramillo 608 y MoralesCasilla 65

OtavaloEcuador

E-Mail: [email protected]: http://fici.nativeweb.org/

Pichincha RiccharimuiUnión de Comunidades Indí-genas de Calderón (UCIC)El Movimiento Indígena deCotopaxi (MIC)

 Av. 2 de Mayo y Félix ValenciaLatacunga - CotopaxiEcuador

   H  o  c   h   l  a  n   d

Movimiento Indígena de Tun-gurahua (MIT)

Calle Olmedo 246 entre Benigno Velay Cevallos

Casilla 1193 Ambaro -TungurahuaEcuador

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl

Unión de Indígenas Salasacas(UNIS)Movimiento Indígena deChimborazo (MICH)

Casa IndígenaCalle Guayaquil y Juan de VelascoQuitoEcuador

Federación Campesina de Bo-lívar-Bolivarmanta Runacuna-pac Riccharimui (IECAB-BRUNARI)Fundación Runacunapac Ya-chana Huasi (FRYH)Unión Provincial de Comuni-dades y Cooperativas del Ca-ñar Unión de Campesinos del Azuay (UNASAY)

Calle Larga # 7-35Cuenca – AzuayEcuador

Organización de Indígenas de

SaraguroEcuador Runacunapac Ric-charimui / Confederación dePueblos de la NacionalidadKichwa del Ecuador (ECUA-RUNARI)

Julio Matovelle 128 entre Vargas y Pasaje SanLuis - Edif. El Conquistador, 1er piso Apartado 17-15-96CQuitoEcuador

E-Mail: [email protected]  [email protected]: http://ecuarunari.nativeweb.org

Federación de Centros AwaFederación de Centros Cha-chis

   K

   ü  s   t  e

Gobernación TsáchiEl Salvador  Asociación Coordinadora de Co-

munidades Indígenas de El Salva-dor (ACCIES)

1ª. Ave. Norte No.5-4 ABarrio Mejicanos, Consonate Apartado Postal 23, Correos de SonsonateSan SalvadorEl Salvador

E-Mail: [email protected]@nasvegante.com.sv

FranzösischGuyana

Fédération des Organisations Au-tochtones de Guyane (FOAG)

*Mitglied der COICA

Village amerindien97310 KourouGuyane Française

E-Mail: [email protected]@nplus.gf

Consejo de Organizaciones Ma-yas de Guatemala (COMG)

2 Calle No. 3-40, Zona 3ChimaltenangoGuatemala

E-Mail: [email protected]

Guatemala

Defensoría Maya 32 Avenida 1-56 zona 7Colonia Utatlan IGuatemala

E-Mail: [email protected]

Webseite: http://www.laneta.apc.org/rci/defmay/

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl

Consejo Nacional de EducaciónMaya (CNEM)

4ta Calle 1-57 Zona 10.Guatemala

E-Mail: [email protected]: http://www.guate.net/cnem/

Guyana  Amerindian Peoples' Association

of Guyana (APA)

*Mitglied der COICA

163 Crown Street, Queenstown

GeorgetownGuyana

E-mail: [email protected]: http://www.sdnp.org.gy/apa/

Honduras Confederacion de Pueblos Autoc-tonos de Honduras (CONPAH)

La Granja, 2a Ave. entre 1 y 2 calle, # 3327 Apartado 220-585ComayaguelaHonduras

E-Mail: [email protected]

NationalOrganización Nacional de In-dígenas de Colombia (ONIC)

Calle 13 No. 4 - 38BogotáKolombien

E-Mail: [email protected]: http://www.onic.org.co/

Cabildo Mayor de San Andrésde Sotavento Córdoba y SucreConsejo Regional Indígena delCauca (CRIC)

Calle 1ª. No. 4-50Popayán, CaucaColombia

E-Mail [email protected] regional Indígena delGuainía (CRIGUA I)

Casa IndígenaPuerto Inírida, GuainíaColombia

Consejo Regional Indígena delGuaviare (CRIGUA II)

Oficina de Asuntos IndígenasSan José del Guaviare, GuaviarColombia

Consejo Regional Indígena deCaldas (CRIDEC)

Carrera 8 No. 8-10Riosucio, CaldasColombia

Consejo Regional Indígena delTolima (CRIT)

Calle 17 A No. 7-112 piso 2Ibagué, TolimaColombia

E-Mail: [email protected] Regional Indígenadel Vaupés (CRIVA)

 Autoridades indígenas VaupésMitú, VaupésColombia

Consejo Regional Indígena delVichada (CRIVI)

Secretaría de Asuntos IndígenasPedro Carreño, VichadaColombia

Kolumbien

   R  e  g   i  o

  n  a   l  e   O   N   I   C  -   A   f   f   i   l   i  e  r   t  e

Organización Indígena de An-tioquia (OIA)

C.C. 53433 Carrera 49 No. 63-57Medellín, AntioquiaColombia

E-Mail: [email protected]

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl

 AsoU´waOrganización Regional Em-bera Wounaan (OREWA)

C.C. 285 Calle 19 No. 5-14Quibdó, ChocóColombia

E-Mail: [email protected]ón de Trabajo por la De-fensa de la Vida (UNUMA)Organización Regional Indí-gena del Valle del Cauca (O-RIVAC)

Carrera 23 No. 7 A-08Cali, Valle del CaucaColombia

Consejo Regional Indígena deRisaralda (CRIR)

E-Mail: [email protected]

Consejo Regional Indígena de Arauca (CRIA)Consejo Regional Indígena delHuila (CRIHU)Organización Regional Indí-gena del Quindío (ORIQUIN)Organización Regional Indí-gena del Casanare (ORIC)

Jetsemani, CasanareColombia

Amazonas-TieflandOrganización de los PueblosIndígenas de la Amazonía Co-lombiana (OPIAC)

*Mitglied der COICA

Carrera 8 No. 19-34 Edificio las NievesOficina 501 - 502 412BogotáKolombien

E-Mail: [email protected]@opiac.org

Webseite: http://www.opiac.org/

Consejo Regional Indígenadel Medio Amazonas (CRIMA)  Araracuará, Caquetá

Confederación Indígena del Alto Amazonas (COIDAM)Cabildo Indígena Mayor deTarapacá (CIMTAR)

Tarapacá, Amazonas

 Autoridades Indígenas de laPedrera Amazónica (AIPEA)

La Pedrera

 Asociación de Cabildos Indí-genas del Trapecio Amazóni-co (ACITAM)

Leticia

Consejo Regional Indígenadel Orteguaza, medio Caquetá

(CRIOMC)

Calle 18 No 8-10Florencia, Caquetá

ColombiaOrganización Uitoto del Ca-quetá y Putumayo (ORUCA-PU)

Florencia, Caquetá

Organización Puinave delGuainía (OPDEGUA) Asociación de AutoridadesTradicionales Indígena Curri-paco del río Guainía (AICU-RIGUA)

San José, río Guainía

   O   P   I   A   C  -   A   f   f   i   l   i  e  r   t  e

Consejo Regional Indígenadel Guaviare (CRIGUA II)

Oficina de Asuntos IndígenasSan José del Guaviare, GuaviarColombia

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl

Organización Zonal Indígenadel Putumayo (OZIP)

Barrio JardínMocoa, PutumayoColombia

E-Mail: [email protected] Regional Indígena

del Vaupés (CRIVA)

 Autoridades indígenas Vaupés

Mitú, VaupésColombiaConsejo Regional Indígena de Arauca (CRIA)

GobernaciónSaravena, AraucaColombia

Consejo Regional Indígenadel Casanare (ORIC)

Yopal

   K  o  o  p  e  r  a   t   i  o  n  s  p  a  r   t  n  e  r

 Asociación de Cabildos y Au-toridades Indígenas de la Sel-va Mataven (ACATISEMA)

Secretaría de Asuntos IndígenasPedro Carreño, VichadaColombia

Nicaragua  Asociación de Mujeres Indígenade la Costa Atlántica (AMICA)

E-mail: [email protected]@nicarao.org.ni

Congreso General de la CulturaKuna Calle Florida Dr. Edificio 15-12 Apartado Postal: 6-8299El DoradoPanamá

E-Mail: [email protected]: http://onmaked.nativeweb.org/

Panama

 Asociación Napguana Avenida Justo Arosemena y calle 41°Casa 3-38CalidoniaPanamá

E-Mail: [email protected]

Webseite:http://www.geocities.com/TheTropics/Shores/4852/casa.html

 Asociación de parcialidades Indí-genas (API)

Casilla de correo 3242Calle Don Bosco 745 AsunciónParaguay

Coordinadora de Pueblos Nativosde la Cuenca del Río Pilcomayo

E-Mail: [email protected]

Paraguay

Coordinadora Nacional de la Pa-storal Indígena (CONAPI)

 Alberdi 782 AsunciónParaguay

E-Mail: conapi@conexión.com.pyPeru Conferencia Permanente de los

Pueblos Indígenas del Perú(COPPIP)

 Av. San Eugenio 981Urbanización Santa Catalina, La VictoriaLima 13Perú

E-Mail: [email protected]: http://www.rcp.net.pe/coppip/

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl

Mitglieder der COPPIPConfederación Nacional Agra-ria (CNA)

Mariscal Miller 932Jesús MaríaLimaPerú

E-Mail: [email protected]:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CN A1.html

Confederación Campesina delPerú (CCP)

Plaza Bolognesi 588Lima 5Perú

E-Mail: [email protected]:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CCP1.html

Unión Nacional de Comunida-des Aymaras (UNCA)

Jr. Arequipa N° 1185PunoPerú

E-Mail: [email protected]:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/UNCA1.html

Coordinadora Nacional deComunidades Campesinas eIndígenas del Perú (CONAC-CIP)

Comunidad Campesina San Pedro de PircaHuaralLimaPeru

Webseite:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CONACCIP1.html

 Asociación de Defensa y De-sarrollo de las Comunidades Andinas del Perú (ADECAP)

Gral. Santa Cruz 470Jesús MaríaLimaPerú

Consejo Aguaruna Huambisa Av. San Eugenio Nº 981Urbanización Sta. CatalinaLa VictoriaLima 13Perú

Webseite:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CAH1.html

Comisión de Emergencia As-háninkaTaller Permanente de MujeresIndígenas Andinas y Amazó-nicas - Chirapaq

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – eine Auswahl

Federación Puquina Calle Mariscal Benavides 309Parque de Selva AlegreCercado ArequipaLima

 Av. Salaverry 2023LinceLimaPerú

Webseite:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/F_ PUQUINA1.html

Organización de Comunida-des Aymaras, Amazonenses yQuechuas (OBAAQ)Comunidad Indígena Ashánin-ka Marankiari Bajo (CIAMB)

 Av. José Gálvez 1346Lince

Lima 14Perú

E-Mail: [email protected]:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/CNMBsintesis.htmhttp://www.rcp.net.pe/ashaninka

Federación Provincial de Co-munidades Campesinas deHuaralFederación Departamental de

Comunidades Campesinas dePasco – Frente Ecológico Alto Andino (Pasco - Junín)

 Av. Los Próceres N°100 San Juan

Cerro de PascoPerú

 Av. San Juan 661San LuisLimaPerú

E-Mail: [email protected]:http://webserver.rcp.net.pe/convenios/coppip/F_ PASCO.htm

Coordinadora Nacional de

Comunidades Afectadas por laMinería. Asociación Interétnica de De-sarrollo de la Selva Peruana(AIDESEP)

*Mitglied der COICA

 Av. San Eugenio 981Urb. Santa CatalinaDistrito de La VictoriaLimaPerú

E-mail: [email protected]: http://www.aidesep.org.pe/

Confederación de Nacionali-dades Amazónicas del Perú(CONAP)

Jr. Brigadier Puchmacahua No 974 Jesús MaríaLima 11Perú

E-Mail: [email protected]@terra.com.pe

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Anhang 2: Organisationen indigener Völker – Eine Auswahl

Suriname Organisatie van Inheemsen in Su-riname (OIS)

*Mitglied der COICA

Johannes Kingstraat 7, RainvilleParamariboSuriname

E-mail: [email protected]@hotmail.com

Venezuela Consejo Nacional Indio de Vene-zuela (CONIVE)

*Mitglied der COICA

Oficina junto a laDirección de Asuntos IndígenasEdif.Ministerio de Educación, Piso 14CaracasVenezuela

E-Mail: [email protected][email protected]@latinmail.com

Überregional Organisation Kontakt

Amazonien Coordinadora de las Organizacio-nes Indígenas de la Cuenca Ama-zónica (COICA)

Calle Luis Beethoven No. 47-65 y Capitán Rafa-el RamosQuitoEcuador

E-Mail: [email protected]: http://www.coica.org/

Caribbean Organization of Indige-nous People (COIP)

P.O. Box 229Belize CityBelize

Karibik

The United Confederation of TaínoPeople (UCTP)

United Confederation of Taíno PeopleU.S. Regional Coordinating Office

PO Box 4515New York, NY 10163USA

E-Mail: [email protected]: http://www.uctp.org/index.html

Mittelamerika Consejo Indígena de Centro Amé-rica (CICA)

11 Avq. 14-86, zona 10Guatemala

E-Mail: [email protected]

Weitere indigene Organisationen und Interessensvertretungen sind u.a. aufgelistet unter:http://www.cdi.gob.mx/conadepi/iii/organizaciones.html

(Stand: 1. August 2004)

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Abkürzungsverzeichnis

ACEM   Asociación de Centros Mayas del nivel medio

ACP  Africa, Caribbean, Pacific (AKP-Staaten)

ADLAF  Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerikaforschung

AIDESEP  Asociación Interétnica para el Desarrollo de la Selva Peruana

ANAPQUI  Asociación Nacional de Productores de Quinoa (Bolivien)

ASODIRA  Asociación de Desarrollo Indígena, Región Amazónica (Ecuador)

BID  Interamerikanische Entwicklungsbank

BMZ  Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

CBD  Convention of Biological Diversity (Konvention über die biologische Vielfalt)

CEH Comisión de Esclarecimiento Histórico (Guatemala)

CEDAW  Un-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von Frauen

CELADE  Centro Latinoamericano y Caribeño de Demografía

CEPAL  Comisión Económica para América Latina y el Caribe (Economic Commission forLatin America and the Caribbean, ECLAC)

CIA   Central Intelligence Agency

CLACSO  Consejo Latinoamericano de Ciencias Sociales

CNEM Consejo Nacional de Educacion Maya

CODENPE Consejo de Desarrollo de las Nacionalidades y Pueblos Indígenas de Ecuador

COEDUCA  Comités Educativos (Guatemala)

COIAB Coordenação das Organizações Indígenas da Amazônia

COICA   Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica

COMPITCH Consejo de Organizaciones de Médicos y Parteras Indígenas Tradicionales deChiapas (Mexiko)

CONADI  Corporación Nacional de Desarollo Indígena (Nationale Gesellschaft für indigeneEntwicklung, Chile)

CONAIE  Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador

CONAP  Confederación de Nacionalidades Amazónicas del Perú

CONAPO  Consejo Nacional de Población (Mexiko)

CONDEPA   Conciencia de Patria (Bolivien)

CONFENIAE Confederación de Nacionalidades Indígenas de la Amazonía Ecuatoriana

CONIVE Consejo Nacional Indio de Venezuela

CRIC  Consejo Regional Indígena del Cauca (Kolumbien)

CSUTCB  Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia

DED   Deutscher Entwicklungsdienst

DFID Department for International Development (U.K.)

DINEIB Dirección Nacional de Educación Intercultural Bilingüe (Ecuador)

EAP  Energía–Ambiente–Población (Dialogprozess im lateinamerikanischen Erdölsektor)

ECOSOC  Economic and Social Council (Wirtschafts- und Sozialrat der UN)

EIA Energy Information Administration (USA)

EIR Extractive Industry Review

ESMAP Energy Sector Management Assistance Programme

EU  Europäische Union

EZ  Entwicklungszusammenarbeit

EZLN  Ejercito Zapatista de Liberación Nacional

FANPE  Proyecto Fortalecimiento de Areas Nacionales Protegidas del Perú

FAO Food and Acriculture Organisation of the UN

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FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung

FCUNAE Federación de Comunas Unión de Nativos de la Amazonía Ecuatoriana

FHIS Fondo Hondureño de Inversión Social

FI  Fondo de Desarrollo de los Pueblos Indígenas de América Latina y el Caribe – FondoIndígena

FICSH Federación Interprovincial de Centros Shuar (Ecuador)FINAE Federación Interprovincial de Nacionalidad Achuar (Ecuador)

FIP  Frente Indígena de Pastaza (Ecuador)

FIS Fondo de Inversión Social (Guatemala)

FISE   Fondo de Inversión Social de Emergencia (Nicaragua)

FLACSO  Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales

FONDI  Apoyo al Fondo Indígena

FOISE Federación de Organizaciones Indígenas de Sucumbíos

FSC  Forest Stewardship Council

FUNASA Fundação Nacional de Saúde

FZ  Finanzielle Zusammenarbeit

GfbV Gesellschaft für bedrohte Völker 

GRADE  Grupo de Análisis para el Desarrollo

GTZ   Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH

IDB Inter-American Development Bank (Interamerikanische Entwicklungsbank)

III  Instituto Interamericano Indigenista (Mexiko)

ILA Institute of Latin American Studies

ILO  International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation)

ILV  Instituto Lingüístico de Verano (Wiclif Bible Translaters)

INE  Instituto Nacional de Estadísticas (Chile)

InWEnt  Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH

ISO International Organization of Standardization

IUCN International Union for Conservation of Nature and Natural Resources

IZ Internationale Zusammenarbeit

IZE  Interkulturelle zweisprachige Erziehung

KfW  KfW Entwicklungsbank

KIVLAK Koordinationsstelle Indigene Völker Lateinamerika und Karibik

LASR Latin American Special Report

MAIPO Ministerio de Asuntos Indígenas y Pueblos Originarios

MDG  Millennium Development Goals (Millennium Entwicklungsziele)

MEC   Ministerio de Educación y Cultura (Ecuador)

MINUGUA  United Nations Verification mission on Guatemala

MIP Movimiento Indígena Pachakutik (Ecuador)

MJDDHH Ministerio de Justicia y Derechos Humanos (Bolivia)

MRTA Movimiento Revolucionario Tapac Amaru (Peru)

NRO  Nichtregierungsorganisation (Non-governmental Organization, NGO)

OAS   Organization of American States (Organisation Amerikanischer Staaten)

ODAHG  Oficina de Derechos Humanos del Arzobispado (Guatemala)

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development

OEI  Organización de Educación Interamericana

OEI  Organización de Estados Iberoamericanos (Organisation IberoamerikanischerStaaten)

OIA Organización Indígena de Antioquia (Kolumbien)

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OLADE  Organización Latinoamericana de Energía

ONIC  Organización Nacional Indígena de Colombia

OPIAC  Organización de los Pueblos Indígenas de la Amazonia Colombiana

OPIP  Organización de los Pueblos Indígenas de Pastaza (Ecuador)

OREALC  Organización Regional de Educación para América Latina y el Caribe

PADEP  Programa de Apoyo a la Gestión Pública Descentralizada y Lucha contra la Pobreza

PAHO  Pan-American Health Organization (Organización Panamericana de Salud, DPS;Panamerikanische Gesundheitsorganisation)

PAPICA  Programa de Apoyo al Desarrollo de los Pueblos Indígenas de Centro America (EU)

PDPI  Projetos Demonstrativos dos Povos Indígenas (GTZ/ Brasilien)

PdVSA  Petroleos de Venezuela S.A.

PEMBI   Proyecto de Educación Maya Bilingüe Intercultural (GTZ/ Guatemala)

PPG7 Pilotprogramm zur Erhaltung der brasilianischen Regenwälder (Programa Piloto paraa Proteção das Florestas Tropicais do Brasil)

PRONADE  Programa Nacional de Autogestión de la Educación (Guatemala)

PRSP Poverty Reduction Strategy Paper PPTAL  Projeto Integrado de Proteção às Populações e Terras Indígenas da Amazônia Legal

(GTZ/ Brasilien)

SENALEP  Servicio Nacional de Alfabetización y Educación Profesional (Bolivien)

TCO   Tierras Comunitarias de Origen (Bolivien)

TRIPS  Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights (Abkommen überhandelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum)

TZ Technische Zusammenarbeit

UN/ UNO  United Nations Organisation (Vereinte Nationen)

UNCED United Nations Conference on Environment and Development

UNDP  United Nations Development Programme (Entwicklungsprogramm der VereintenNationen)

UNEP   United Nations Environment Programme (Umweltprogramm der Vereinten Nationen)

UNESCO  United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation (Organisation derVereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur)

UNHCHR  Office of the High Commissioner for Human Rights (Amt des Hohen Kommissars fürMenschenrechte)

UNICEF  United Nations Children's Fund (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen)

UVP  Umweltverträglichkeitsprüfung

WB/ WBG  Weltbank/ Weltbankgruppe

WGDD  Open Ended Working Group on the Draft Declaration the Rights of IndigenousPeoples

WHO  World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)

WIPO  World Intellectual Property Organization (Weltorganisation für geistiges Eigentum)

WPC World Park Congress

WWF World Wide Fund for Nature

 YPFB  Yacimientos Petroliferos Fiscales Bolivianos

ZE  Zweisprachige Erziehung

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

ABRAM, Matthias, Dr.; Philosoph, seit Mitte der siebziger Jahre in der Internationalen Zusammenarbeittätig, zunächst mit dem DED, dann mit TERRA NUOVA, Rom und seit 1985 mit der GTZ, vorwiegend inLateinamerika. In Ecuador und Guatemala Mitarbeit beim Aufbau zweisprachiger, interkultureller Schul-systeme für die indigenen Völker. Lebt in Quito und Bolzano/ Bozen.

FELDT, Heidi, MSc in Ressourcenmanagement und Umweltpolitik Universität London, freiberufliche ent-wicklungspolitische Beraterin, arbeitet seit über zehn Jahren zu Themen der Entwicklungszusammen-arbeit mit indigenen Völkern, Schwerpunkt Konflikte um Ressourcennutzung.

HEISING, Klas; Diplom-Volkswirt  und Auslandsmitarbeiter der GTZ; seit 1999 in Peru ansässig undderzeit Ansprechpartner eines zusammen mit der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO)durchgeführten Projektes zur Verbesserung der Umweltgesundheit (Trinkwasser, Hygiene, Innenraumluftetc.) der indigenen Bevölkerung in Lateinamerika.

KÖPSELL, EDGAR, DR.; Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft, Aufbaustudium an der TU Berlin. NachTätigkeit an der Universität Frankfurt für die GTZ seit 25 Jahren im In- und Ausland tätig, u.a. im Sudan,Pakistan und Costa Rica. Desweiteren zahlreiche Aufenthalte in Nord- und Ostafrika, Asien und insbe-sondere Lateinamerika. Seit 2002 in der Andengruppe der GTZ beschäftigt und auch zuständig für den

 Aufbau der “Koordinationsstelle Indigene Völker in Lateinamerika und der Karibik (KIVLAK)“.

KOHL, Christoph, M.A.; Ethnologe und Politikwissenschaftler. Arbeitsgebiete: Entwicklungsethnologie,Ethnizität und Nationalismus; Staat, Gesellschaft und Kolonialismus; Bildung und Wissen. Z.Zt. Mitarbeiterbei einer im EZ-Bereich tätigen Consulting. Zahlreiche Aufenthalte und Forschungen im südlichen undwestlichen Afrika.

NAASE, Karin Marita, Dr. phil.  in Ethnologie (FU Berlin), Regionalkenntnisse: Andenraum, Amazonien.Feldforschung zu wirtschaftlicher Handlungsrationalität indigener Kleinbauern (Bolivien); Feldforschung inSiedlung der Agrarreform in Brasilien, Amazonien. Berufserfahrung in der EZ sowohl TZ als auch FZ undinternationale Zusammenarbeit. Zur Zeit als Gastwissenschaftlerin am Museu Paraense Emílio Goeldi(MPEG), Belém, Brasilien. Interessensgebiete: Migration, kultureller Wandel, Stadt-Land-Beziehungen,Globalisierung, Entwicklungsethnologie.

RATHGEBER, Theodor, Dr. rer. pol.; Politologe, freiberuflich als wissenschaftlicher Autor sowie Berater fürdie Bereiche Entwicklungspolitik, Menschenrechte, Minderheiten und indigene Völker tätig. Lehrbeauf-tragter an der Universität Kassel (Fachbereich 05). Arbeitete 12 Jahre im Bundesbüro der Gesellschaft fürbedrohte Völker (Göttingen). Koordiniert zur Zeit die Bemühungen um eine Ratifizierung der ILO-Konven-tion 169 durch die Bundesregierung und ist im Vorstand der Adivasi-Koordination in Deutschland e.V.

REINHARDT

, S YLVIA

; Dipl.-Geographin; seit 2003 freiberufliche Mitarbeiterin in der GTZ im Konventions-projekt “Umsetzung der Biodiversitätskonvention“ und bei der Koordinationsstelle Indigene Völker in La-teinamerika & der Karibik (KIVLAK). Arbeitsschwerpunkte: Ethnobotanik, Traditionelles Wissen indigenerVölker, nachhaltige Umweltnutzungs- und Bewirtschaftungspraktiken, Biodiversitätskonvention.

RODRIGUEZ, René, M.A.; Soziologe und Experte für Kommunal- und Stadtentwicklung, seit 2003 in Gua-temala als Sektorkoordinator der KfW Entwicklungsbank für Mittelamerika und Mexiko tätig. Bis 1998 ar-beitete er in Peru als Dozent und Berater für ländliche Entwicklung und Präsident des Instituto de Desar-rollo de la Autogestión (INDA). Für PNUD bearbeite er anschließend die Neustrukturierung der Sozial-fonds in Honduras und Guatemala und beriet Entwicklungsvorhaben der KfW, Weltbank und GTZ.

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ROSSBACH DE OLMOS, Lioba, Dr.; Studium der Völkerkunde, Soziologie und Pädagogik an UniversitätFrankfurt am Main, 1998 Promotion an Universität Mainz, Forschungen zur Atlantikküste Nicaraguas undFeldforschung im Chocó/ Kolumbien, zahlreiche Aufenthalte in Lateinamerika, Lehrbeauftragte für dasFach Völkerkunde an der Philipps-Universität Marburg, seit 1995 tätig bei "Klima-Bündnis/ Alianza del

Clima" e.V. in Frankfurt a.M., zuständig für die Zusammenarbeit mit indigenen Völkern, Teilnahme aninternationalen UN-Umweltkonferenzen, zahlreiche Veröffentlichungen zu indigenen Völkern Lateinameri-kas und Afroamerikanern.

SPEISER, Sabine, Dr. phil., studierte in Regensburg, Rom und Berlin Sozialwissenschaften und promo-vierte mit einer Feldforschung über afroecuadorianische Kultur. Sie arbeitete als Dozentin an Universitä-ten in Ecuador und Deutschland und ist seit 1993 in der Entwicklungszusammenarbeit, seit 1999 freibe-ruflich tätig (http://www.interculture-management.de). Inhaltliche Schwerpunkte ihrer entwicklungspoliti-schen Beratung sind Bildung, Gender und Minoritäten. Als Organisationsberaterin begleitet sie Prozesseinterkultureller Verständigung.

SPOHN, Silke, Dipl-Ing., Studium der Landschaftsplanung an der TU Berlin, seit 1998 in der Entwick-lungszusammenarbeit tätig. Zuletzt Ansprechpartnerin der GTZ im Projekt "Management der natürlichenRessourcen in der Region Ngoebe" in Panama von 2002-2004. Seit kurzem Koordinatorin der GTZ fürindigene Völker in Lateinamerika und der Karibik.

STRÖBELE-GREGOR, Juliana, Dr. phil., Altamerikanistin, Ethnologin und Pädagogin, Freien UniversitätBerlin; 1989-1995 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lateinamerika-Institut Berlin, Lehrtätigkeit an denUniversitäten Frankfurt a.M., Costa Rica und Cuenca (Ecuador). Spezialgebiete: Ethnologie der Anden-länder und Guatemala; Religionsethnologie; Politische Anthropologie; Geschlechterforschung. ZahlreicheFeldforschungen. Freie Gutachterin in der EZ. Mitherausgeberin des “Jahrbuches Lateinamerika- Analy-sen und Berichte“. Beteiligt am Forschungsprojekt der EU “Mulikulturelle Autonomien in Lateinamerika“.

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