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Medikamentöse Therapie der Arthrose

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Page 1: Medikamentöse Therapie der Arthrose

Zum Thema: Arthrose

| Der Orthopäde 11•2001856

Zusammenfassung

Arthrosen gehören zu den häufigsten und

volkswirtschaftlich bedeutendsten chroni-

schen Krankheiten von Erwachsenen, insbe-

sondere im höheren Alter. Es gibt heute eine

Reihe wirksamer Medikamente, die alleine

oder in Kombination die Symptome der Er-

krankung lindern und die Lebensqualität

verbessern können. Da diese Medikamente

nicht immer ausreichend wirksam sind und

nicht selten wegen Nebenwirkungen abge-

setzt werden müssen, ist ein größeres Arse-

nal an Wirkstoffen notwendig.

Schmerzlinderung und Entzündungs-

hemmung stehen im Vordergrund einer

Pharmakotherapie, wobei eine aktivierte

oder eine passager schmerzhafte, dekom-

pensierte Arthrose wieder in den latenten

(stummen, schmerzfreien) Zustand über-

führt werden soll. Dieses therapeutische Ziel

lässt sich fast immer gut durch den Einsatz

von Analgetika, nichtsteroidalen Antiphlogi-

stika (NSAR) oder i.a. applizierte Glukokorti-

koiden erreichen.

Das Hauptproblem bei der Gabe von

NSAR ist deren gastrointestinale Toxizität, für

die, insbesondere bei Risikogruppen, eine

prophylaktische Medikation (z. B. gleichzeiti-

ge Gabe von Misoprostol oder Wechsel zu ei-

nem COX-2-selektiven NSAR) in Erwägung

zu ziehen ist. Die neu entwickelten COX-2-se-

lektiven NSAR stellen eine Bereicherung un-

serer Behandlungsmöglichkeiten dar. Der In-

dikationsbereich der COX-2-selektiven NSAR

dürfte in Zukunft, sofern keine, bisher uner-

kannt gebliebene gravierende Nebenwir-

kungen noch festgestellt werden, dem Indi-

kationsspektrum der älteren NSAR-Präparate

entsprechen.

Die Arthrose ist die häufigste Erkran-kung des Bewegungsapparates (Volks-krankheit), wobei vornehmlich die sta-tisch belasteten Gelenke wie Knie-,Hüft-und Großzehengrundgelenk,seltener dieEllenbogen-,Schulter- und Handgelenkegefährdet sind.Die Bezeichnung Arthro-se (Synonyme: Arthrosis deformans,Osteoarthrose, Osteoarthritis) kenn-

zeichnet eine letztlich in ihrer Ätiologieungeklärte, langsam progrediente,nicht-entzündliche,degenerative Veränderungder Knorpel- und Knochenstruktur ei-nes oder mehrerer Gelenke mit zuneh-mender Gelenkdeformierung.Die im an-gloamerikanischen Sprachgebrauch gän-gige Bezeichnung Osteoarthritis ist phä-nomenologisch geprägt und beschreibtdie Erfahrung,dass ein arthrotisches Ge-lenk, das den Patienten zum Arzt führt,i.Allg. auch eine, in der Regel sporadischauftretende, entzündliche Symptomatikzeigt.Man spricht im deutschen vom Sta-dium der aktivierten Arthrose.

Die unterschiedlichen Stadien derArthrose, wie die klinisch stumme, dieaktivierte („entzündete“) oder die kli-nisch manifeste, dekompensierte Ar-throse mit Dauerschmerz erfordern einunterschiedliches therapeutisches Vor-gehen. Die Behandlung orientiert sichsomit am aktuellen klinischen Erschei-nungsbild, wobei individuell das Alter,die Komorbidität und die Anspruchshal-tung in Bezug auf die körperliche Lei-stungsfähigkeit zu berücksichtigen sind.Schmerzen und Behinderungen gehörenzu den häufigsten Anlässen einer anal-getischen und/oder antiphlogistischenTherapie. Obwohl 25% der über 50-Jäh-rigen und mehr als 80% der über 75-Jäh-rigen radiologisch nachweisbare Ge-

Zum Thema: ArthroseOrthopäde2001 · 30:856-865 © Springer-Verlag 2001

J. Steinmeyer · Orthopädische Universitätsklinik Gießen

Medikamentöse Therapie der Arthrose

Priv.-Doz. Dr. J. SteinmeyerOrthopädische Klinik,

Universitätsklinikum Gießen,

Paul-Meimberg-Straße 3, 35385 Gießen,

E-Mail: juergen.steinmeyer@

ortho.med.uni-giessen.de

Die bis heute vorliegenden pharmako-

logischen Ergebnisse rechtfertigen die Aus-

sage, dass bei den SYSADOAs (SYmptomatic

Slow Acting Drugs in OsteoArthritis) eine kli-

nisch relevante analgetische und/oder an-

tiphlogistische Wirkung vorliegt. Gegenwär-

tig existieren keine klinischen Studien, in de-

nen nachweislich gezeigt werden konnte,

dass einzelne Arzneistoffe beim Menschen

morphologisch erkennbare Knorpeldefekte

verhindern, die fortschreitende Zerstörung

des Gelenkknorpels zumindest verlangsa-

men und/oder rückgängig machen.Weder

Nutzen noch Risiken, pharmazeutische Qua-

lität oder die Zusammensetzung von Ortho-

kin® sind bekannt, weswegen die Anwen-

dung nicht empfohlen werden kann. Die me-

dikamentöse Therapie darf nur als eine der

drei Säulen betrachtet werden, auf denen

die langfristige, stadiengerechte und indivi-

duelle Behandlung beruhen, nämlich nicht-

medikamentöse Maßnahmen, medikamen-

töse und operative Therapie.

Schlüsselwörter

Arthrose · Pharmakotherapie · Arzneimittel

Page 2: Medikamentöse Therapie der Arthrose

Der Orthopäde 11•2001 | 857

J. Steinmeyer

Pharmacotherapy of osteoarthritis

Abstract

Osteoarthritis is one of the most common and

economically important chronic diseases

amongst adults,especially those of a senior age.

There now exists a range of effective medica-

tions,which either alone or in combination can

alleviate the symptoms of the disease and im-

prove the quality of life.Because these medica-

tions are not always sufficiently effective and

must sometimes be interrupted due to side ef-

fects,a large arsenal of active agents is neces-

sary.Alleviation of pain and inhibition of inflam-

mation are the primary goals of pharmacother-

apy,whereby the objective is to return an active

or transiently painful,decompensated osteoar-

thritis to a latent (silent,pain-free) condition.

This therapeutic goal can almost always

be accomplished by using analgesics,nonstero-

idal anti-inflammatory drugs (NSAIDs),or intra-

articular injection of glucocorticoids.The main

problem in administering NSAIDs is their gas-

trointestinal toxicity, for which a prophylactic

medication (e.g.,simultaneous application of

misoprostol or switching to a COX-2 selective

NSAID) should be considered especially with

risk groups.The newly developed COX-2 selec-

tive NSAIDs represent a true enrichment of our

therapeutic options.

The spectrum of indications for COX-2 se-

lective NSAIDs should in the future correspond

to that of older NSAID preparations,providing

that no as yet unknown and serious side effects

come to light from their use.Pharmacological

results published until now confirm that a clini-

cally relevant analgesic and/or anti-inflamma-

tory effect is associated with the use of SYSA-

DOAs (symptomatic slow acting drugs in osteo-

arthritis).However,no clinical studies exist

which can positively confirm prevention of mor-

phologically recognizable cartilage defects in

man,or a slowing down or reversal of any pro-

gressively developing joint cartilage destruction

by any individual medication.Neither the bene-

fits,risks,pharmaceutical quality,nor composi-

tion of Orthokin® are known,and for this reason

its use can not be recommended.Pharmaco-

therapy should only be considered as one of the

three pillars of a long-term,stage-adjusted,and

individually customized therapy,the other two

of which are represented by nonpharmacologi-

cal measures and surgical treatment.

Keywords

Osteoarthritis · Pharmacotherapy · Drugs

lenkveränderungen aufweisen, hat nurein geringer Teil der Betroffenen(10–30%) Beschwerden. Sekundäre Ent-zündung („Aktivierung“ der Arthrose),Reizzustände in periartikulären Seh-nen- und Bandansätzen („Dekompensa-tion“ der Arthrose), Dehnung der Ge-lenkkapsel, Reizergüsse, Druckerhö-hung im subchondralen Knochen sowieevtl. Mikrofrakturen werden ursächlichfür die Entstehung des Arthroseschmer-zes verantwortlich gemacht.

Ein generelles Problem bei der Be-wertung publizierter klinischer Studienfür Empfehlungen stellt der „publica-tion bias“ dar. Zu einem „publicationbias“ kommt es, wenn Negativstudiennicht veröffentlicht und somit Metaana-lysen verfälscht werden. VeröffentlichteStudien reflektieren daher nicht immerdie tatsächlich vorhandenen Erkennt-nisse über ein therapeutisches Verfah-ren. Besonders kritisch ist dies für densensiblen Bereich der Risikoabschät-zung und -abwehr zu sehen.

Chard et al. [7] untersuchten 930wissenschaftliche Publikationen über dieBehandlung von gonarthrotischen Pati-enten und fanden, dass in 94% dieserStudien die Behandlung positiv bewertetwurde, obwohl diese Aussagen nicht im-mer durch statistisch signifikante Unter-suchungsergebnisse gesichert waren. In-teressanterweise war die positive Bewer-tung besonders häufig in pharmakologi-schen Studien, wobei eine hohe Korrela-tion zwischen einem positiven Studien-ergebnis und der Finanzierung durch ei-ne Firma gefunden wurde [7].

Ein „publication bias“ findet sichnicht nur in der orthopädisch-rheuma-tologischen Literatur, sondern auch inanderen Disziplinen. In der Mehrzahlder Fälle entscheidet sich nicht der Her-ausgeber eines Journals gegen die Publi-kation einer Negativstudie, sondern derUntersucher dieser Studie selber [8].Ego,Einkommen, finanzielle Unterstützungdurch eine Firma und die populäre, aberanscheinend häufig falsche Vermutung,dass ein Negativergebnis nicht publizier-bar ist, können für diese selbst durchge-führte Zensur verantwortlich sein.

Therapeutische Ziele

Das therapeutische Ziel der Arthrosebe-handlung besteht primär in einerSchmerzbeseitigung, einer Verbesse-rung der Beweglichkeit und einer Verzö-

gerung des Fortschreitens der Arthrose.Die langfristige, stadiengerechte und in-dividuelle Behandlung beruht hierbeiauf 3 Säulen: nichtmedikamentöse Maß-nahmen (z. B. allgemeine Maßnahmenmit sekundärpräventivem Charakter,physikalische Therapie, orthopädie-technische Maßnahmen), medikamen-töse und operative Therapie. Diese Be-handlungsformen kommen entwedereinzeln oder in Kombination zur An-wendung, wobei die Pharmakotherapiebesonders effektiv zu sein scheint inKombination mit nichtpharmakologi-schen Maßnahmen [1, 2, 23, 29].

Schmerzlinderung und Entzün-dungshemmung stehen im Vordergrundder Pharmakotherapie. Das Ziel der me-dikamentösen Behandlung besteht dar-in, eine aktivierte oder eine passagerschmerzhafte, dekompensierte Arthro-se wieder in den latenten (stummen,schmerzfreien) Zustand zu überführen.Sie soll gleichzeitig die schmerzarmeoder -freie Bewegung unterstützen, daBewegung und gezielte Krankengymna-stik die Ernährung des Knorpels verbes-sern.

Einteilung der derzeit verfügbaren Arzneistoffe

Zur medikamentös-symptomatischenBehandlung der Arthrose stehen nebenden Analgetika die schnell wirksamennichtsteroidalen Antiphlogistika undGlukokortikoide zur Verfügung. Dane-ben werden auch einige Präparate ein-gesetzt, die auf Vorschlag der „Osteoar-thritis Research Society International“(OARSI) als „Medikamente mit verzö-gertem Wirkungseintritt [slow actingdrugs in osteoarthritis (OA), SADOA]“bezeichnet werden [28].

Auch Phytopharmaka (z. B. Teufels-kralle, Weidenrinde) werden aufgrundihrer antiphlogistischen/analgetischenWirksamkeit gelegentlich zur unterstüt-zenden Behandlung degenerativer Er-krankungen des Bewegungsapparatesverwendet [18]. Der Einsatz der Phyto-pharmaka soll v. a. dazu beitragen, denVerbrauch der chemisch definierten An-algetika und NSAR einzusparen und so-mit deren Nebenwirkungen so geringwie möglich zu halten.

Die Wirksamkeit von hochdosier-tem Vitamin E (1200 mg/Tag) bei rheu-matischen Erkrankungen soll auf sei-nem Effekt als Antioxydans beruhen. In

Orthopäde2001 · 30:856-865 © Springer-Verlag 2001

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einer 1998 veröffentlichten Stellungnah-me der Deutschen Gesellschaft fürRheumatologie zur Anwendung von Vit-amin E bei rheumatischen Erkrankun-gen kommt diese zum Schluss, dass dievorliegenden klinischen Studien, diesich mit der Behandlung der aktiviertenArthrose, der rheumatoiden Arthritisund der Spondylitis ankylosans befass-ten, nicht geeignet sind, die klinischeWirksamkeit zu belegen und die vorge-sehene hohe Dosierung sowie eineLangzeitanwendung von Vitamin E aus-reichend zu begründen [15]. Auch dieAufbereitungskommission „Rheumato-logie“ des früheren Bundesgesundheits-amtes hat das Nutzen/Risiko-Verhältniseiner Anwendung von Vitamin E 1994nicht positiv bewertet.

Der Einsatz von Zytokinantagoni-sten-haltigen Präparaten (Orthokin®,Hox alpha®) bei der Arthrose ist umstrit-ten. Die Zytokine Interleukin-(IL-)1βund Tumornekrosefaktor- (TNF-)αspielen zwar eine wesentliche Rolle inder Pathogenese der Arthrose, dennochsteht die klinische Forschung über denEinsatz von Zytokinantagonisten bei derArthrose – im Gegensatz zur rheumatoi-den Arthritis – noch am Beginn.

Bei Orthokin® handelt es sich umein aus Eigenblut hergestelltes Rezeptur-arzneimittel, für das keine Zulassung er-forderlich ist, weswegen weder die phar-mazeutische Qualität noch die Nutzenund Risiken durch staatliche Überwa-chungsstellen geprüft werden. Bei Hoxalpha® handelt es sich um das Nach-folgepräparat zu Rheuma-Hek®, einbrennesselextrakthaltiges Altarzneimit-tel, dessen Qualität, Wirksamkeit undUnbedenklichkeit bisher nicht im Rah-men eines Nachzulassungsverfahrensgeprüft wurden.

In-vitro- und tierexperimentelleArbeiten über den Einsatz von Ortho-kin® und Hox alpha® sind kein Beleg fürdie erhoffte Wirkung und Unbedenk-

lichkeit beim Menschen. So ist z. B. nichtbekannt,ob die durch TNF gewährleiste-te Tumorabwehr durch TNF-Blocker ge-schwächt wird. Derzeit werden mit er-heblichem Werbeaufwand nur Anwen-dungsbeobachtungen vorgestellt. Es lie-gen jedoch keine randomisierten undkontrollierten klinischen Studien zuNutzen und Risiken vor, weswegen derEinsatz nicht empfohlen werden kann.

Daneben existieren diverse Arznei-mittel, deren antiarthrotische Wirksam-keit nur postuliert wird und die kein de-finiertes Wirkprinzip besitzen (z. B. Ho-möopathika, Gelatine, Murmeltierfett,diverse Mischpräparate mit Organex-trakten bzw. -lysaten).

Die Tabelle 1 gibt einen Überblicküber das derzeit eingesetzte Arsenal anArzneimitteln in der Reihenfolge ihrerBesprechung. Am häufigsten werdenAnalgetika und nichtsteroidale Antiph-logistika (nichtsteroidale Antirheumati-ka, NSAR) verwendet.

Analgetika

Paracetamol (ben-u-ron® u. a.) ist dasorale Analgetikum der ersten Wahl und,wenn erfolgreich, der bevorzugte Arz-neistoff zur langfristigen analgetischenTherapie der Arthrose [1, 23]. Paraceta-mol wird insbesondere zur Behandlungder schmerzhaft „dekompensierten“ Ar-throse eingesetzt, einer Indikation, beider auch NSAR gleich wirksam sind [2].Jedoch wird Paracetamol den NSAR auf-grund der geringeren Rate an uner-wünschten Wirkungen vorgezogen. ImGegensatz zu den NSAR mit gut aufge-klärtem Wirkungsmechanismus ist beidem reinen NichtopioidanalgetikumParacetamol die Wirkweise nicht ganzgeklärt. Paracetamol erwies sich in derPeripherie nur als schwacher Inhibitorder Cyclooxygenasen, während eine In-terferenz mit der Prostaglandinsynthe-se im Zentralnervensystem nachgewie-sen wurde [29].

Die Frage, inwiefern die orale Gabevon Paracetamol zu gleichwertigen Er-gebnissen führt wie die Applikation vonIbuprofen (Brufen® u. a.) und Naproxen(Proxen® u. a.), wurde in 2 Vergleichsstu-dien an Patienten mit einer Gonarthroseuntersucht [6, 32]. Bei der von Bradley etal. [6] publizierten, randomisierten unddoppelblind durchgeführten Studie er-hielten insgesamt 184 Arthrosepatientenmit chronischen Knieschmerzen Ibu-

profen in hoher (3-mal 800 mg) oderniedriger, vorwiegend analgetisch wirk-samer Tagesdosierung (3-mal 400 mg)bzw. die relativ hohe Dosierung von4000 mg Paracetamol/Tag für einen Zeit-raum von 4 Wochen.Es konnte kein stati-stisch signifikanter Unterschied zwischenden 3 unterschiedlich therapierten Grup-pen hinsichtlich der medikamentösenBeeinflussung des Belastungsschmerzes,der schmerzfreien Gehstrecke und derGesamtbeurteilung festgestellt werden.

Zu einem im Wesentlichen ähnli-chen Ergebnis kommen Williams et al.[32] bei ihrem Vergleich von Naproxenund Paracetamol. An dieser prospektiv,doppelblind und randomisiert durchge-führten Multicenterstudie nahmen176 Patienten mit einer Gonarthrose teil,von denen 62 tatsächlich 2 Jahre behan-delt wurden. Die Dosis betrug für Na-proxen 375 mg 2-mal täglich und 4-mal325 mg Paracetamol.

Das Behandlungsergebnis für Na-proxen hinsichtlich Belastungsschmerzund der Gesamtbeurteilung war gering-fügig besser, während die Rate an uner-wünschten Wirkungen bei Paracetamoletwas niedriger war. Die radiologisch ge-messene Progression der Arthrose schrittinnerhalb von 2 Jahren unter Naproxenebenso fort wie unter Paracetamol.Die inbeiden Studienarmen gleich häufigenAbbrüche werden in der mit Paracetamolbehandelten Gruppe meist mit unzurei-chender Wirksamkeit und unter Napro-xen eher mit Unverträglichkeiten im Ma-gen-Darm-Trakt begründet.

Auch Patienten, die über viele JahreNSAR erhalten haben,kommen teilweisegut mit einem Nichtopioidanalgetikumaus. So berichten Swift und Rhodes [30],dass von 38 randomisiert ausgewähltenund mit einem NSAR behandelte Patien-ten mit Arthrosen großer Gelenke,22 aufein reines Analgetikum umgestellt wer-den konnten, während 4 die NSAR-Do-sis reduzierten. Sogar 6 Patienten nah-men nach einem Monat das Analgeti-kum nicht mehr regelmäßig ein.

Opioidanalgetika sind in der Regelnicht indiziert bei der Arthrose. In Aus-nahmefällen kann jedoch die Applikati-on eines Opioids z. B. Tramadol (Tra-mal® u. a.) v. a. bei Patienten in Betrachtgezogen werden, bei denen infolge deshohen Alters oder interner Kontraindi-kationen ein operativer Gelenkersatznicht mehr möglich ist, die Kontraindi-kationen für die Verabreichung von

Tabelle 1Einteilung der derzeit verfügbarenPharmaka

AnalgetikaNichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR)Glukokortikoide (Kortikosteroide, Kortikoide)SADOA

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nicht-selektiven und COX-2-spezifi-schen NSAR haben, eine eingeschränkteNierenfunktion aufweisen oder für dieeine vorangegangene orale Therapienicht ausreichend war [1]. Jedoch wirddiese Form der Therapie von vielen Pa-tienten aufgrund unerwünschter Wir-kungen wie z. B. Übelkeit, Erbrechen,Schwindel und Obstipation schlecht ver-tragen; die Abbruchquote ist hoch [3].

Nichtsteroidale Antiphlogistika(NSAR)

NSAR gehörten im Jahr 1999 mit639 Mio. verordneter Tagesdosen zu denam häufigsten eingesetzten Arzneimit-teln, wobei 65% der Verordnungen aufDiclofenac entfielen. Rund 30 verschie-dene NSAR sind in Deutschland zugelas-sen, weniger als 10 davon werden aller-dings häufiger verwendet. In der Praxiswerden 5-mal mehr NSAR bei der Ar-throse als z. B. bei einer rheumatoidenArthritis eingesetzt. Populationsstudienhaben gezeigt,dass 10–20% aller über 65-Jährigen gerade oder erst kürzlich einNSAR verschrieben bekommen haben.

NSAR sind bei Patienten in Betrachtzu ziehen, die auf Paracetamol nicht an-sprechen [1, 2, 23]. Im Falle der aktivier-ten Arthrose sind NSAR dem Paraceta-mol vorzuziehen, denn die Hemmungder Entzündung ist auch eine Form desKnorpelschutzes [2, 23]. Bei einem Reiz-erguss einer Gonarthrose ist ihr Einsatzsogar unumgänglich [2, 23]. Die Dosie-rung kann dabei in Abhängigkeit vomSchmerzmaximum vorgenommen wer-den, wobei eine auf die Schmerzperi-oden beschränkte Kurzzeittherapie an-gestrebt wird. Jedoch sollte bei aktivier-

ter Arthrose die Behandlung mit NSARüber mehrere Tage konsequent durchge-führt werden, um ein Rezidiv der Ent-zündung zu vermeiden [2].

Das individuelle Ansprechen deseinzelnen Patienten auf die verschiede-nen NSAR ist unterschiedlich. Gegebe-nenfalls müssen bei Nichtansprechenauf eine Substanz – immerhin liegt dieRate von Non-Respondern bei ca. 15% –verschiedene andere verabreicht wer-den, um die bestwirksame zu finden. Ei-ne Kombination von NSAR ist zu ver-meiden, da dies die Wahrscheinlichkeitvon Nebenwirkungen deutlich erhöht,die nicht in Relation zum Therapiege-winn steht.

Da es sich bei den Arthrosepatientenmeistens um Individuen im höheren Le-bensalter handelt, sind die mit dem Altereintretende Funktionsminderung derverschiedenen Organsysteme und diehäufig bestehende Multimorbidität zuberücksichtigen.So kann z.B.die Nieren-

funktion im Alter bis auf 50% derjenigeneines etwa 30-jährigen Menschen abneh-men; NSAR werden im wesentlichen überdie Niere ausgeschieden und können re-nale Nebenwirkungen entfalten.

Wirkungsmechanismus der NSAR

Obwohl Acetylsalicylsäure (Aspirin®

u. a.) als erstes NSAR bereits seit 1898 imklinischen Einsatz ist, konnte der Wir-kungsmechanismus, die Hemmung derProstaglandinsynthese, erst 1971 durchden Nobelpreisträger Vane und seineMitarbeiter aufgeklärt werden [29].Vanewies nach, dass die analgetischen, anti-pyretischen und entzündungshemmen-den Eigenschaften von Acetylsalicylsäu-re auf einer Hemmung der Cyclooxyge-nase (COX) und somit der Prostaglan-dinsynthese beruhen. Die COX kataly-siert die Umwandlung der aus Mem-branphospholipiden freigesetzten Ara-chidonsäure in die Prostaglandinend-operoxide PGG2 und PGH2. Prostaglan-din H2 ist die Vorstufe der Prostaglandi-ne sowie von Thromboxan A2 undProstacyclin [29].

1990 wurde von der Gruppe um P.Needleman der erste Hinweis auf dieExistenz einer induzierbaren Isoformder COX beschrieben, wobei die Isoen-zyme COX-1 und COX-2 eine 60%igeHomologie in ihrer Aminosäuresequenzaufweisen [29]. Allerdings unterschei-den sich die von unterschiedlichen Ge-nen kodierten Isoformen hinsichtlichihrer Gewebeverteilung und hinsichtlichder Regulation ihrer Genexpression.

COX-1 wird konstitutiv von fast al-len Zelltypen gebildet und sorgt als so-genanntes „house-keeping-enzyme“ da-

Abb. 1 � Regulation der Prostaglandinsynthese durch Cyclooxygenase-1 und –2 (nach [31])

Abb. 2 � Funktionen der Cyclooxygenase-2

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Zum Thema: Arthrose

| Der Orthopäde 11•2001860

für, dass Prostaglandine für physiologi-sche Vorgänge synthetisiert werden(Abb. 1).COX-2 hingegen wird erst unterpathophysiologischen Bedingungen in-duziert, beispielsweise bei Gewebeschä-digungen oder bei einer Entzündung.COX-2 ist daher für die Produktion vonEntzündungsmediatoren verantwortlich.Erhöhte Konzentrationen an COX-2 wur-den im Synovialgewebe von Patientengemessen,die an einer rheumatoiden Ar-thritis bzw. an Arthrose litten.

Neuesten Studien zufolge hat daseinfache Konzept, dass COX-2 ein reinentzündungsförderndes Enzym ist, kei-ne Gültigkeit mehr [29]. So wird COX-2auch konstitutiv u.a. im Gehirn,Rücken-mark, Niere und Uterus gebildet(Abb. 2). Beispielsweise wurde, wie beiden älteren NSAR-Präparaten auch,nach Gabe selektiver COX-2-InhibitorenWasser- und Elektrolytretentionen(Ödeme, Flüssigkeitseinlagerungen) be-obachtet.Die Vorbehalte im Hinblick aufdie Niere, die bei herkömmlichen COX-1/COX-2-Hemmern zu beachten sind,müssen daher auch für die beiden neue-ren,COX-2-selektiven NSAR gelten.Die-se sind insbesondere bei Patienten mitanamnestisch bekannter Herzinsuffizi-enz, Linksherzdysfunktion, Hypertoniesowie bestehenden Ödemen anderer Ur-sache mit Vorsicht einzusetzen [13].

Zudem wird die COX-2 währendder Wundheilung gebildet und wurdeam Wundgrund von Ulzera gefunden.Eine ungeklärte Frage ist daher, ob spe-zifische COX-2-Hemmer die Ulkushei-lung beim Menschen verzögern und da-her evtl. für Patienten mit bereits beste-hendem Ulkus ungeeignet sind. Tierver-suche belegen eine verzögerte Wundhei-lung nach Gabe von COX-2-Inhibitoren.Möglicherweise führt die Inhibition der

COX-2-induzierenden Wirkung aufWachstumsfaktoren zu einer Hemmungder Angiogenese. Von möglicher klini-scher Bedeutung könnte hier der Einsatzselektiver COX-2-Hemmer zur Behand-lung postoperativer Schmerzen sein.

Die Anfang der 90er Jahre erhobe-nen Erkenntnisse führten zu der Hypo-these (s. Abb. 1), dass Pharmaka, die se-lektiv COX-2 inhibieren ohne gleichzei-tig die COX-1 zu beeinflussen, die Ent-zündung und den Schmerz hemmen,ohne die durch Blockade der COX-1 be-dingten unerwünschten Wirkungen z. B.auf den Gastrointestinaltrakt zu entfal-ten [31]. Diese Hypothese führte zu einerintensiven weltweiten Suche nach selek-tiven COX-2 Inhibitoren; seit 1999 bzw.2000 sind Rofecoxib (Vioxx®) und Cel-ecoxib (Celebrex®) auf dem bundesdeut-schen Markt erhältlich. Bei diesen mo-dernen NSAR ist nur neu, dass sie nichtgleichzeitig die COX-1 hemmen und da-her eine geringere gastrointestinale To-xizität aufweisen als die älteren Präpa-rate [5, 27]; die COX-2 wird jedoch inderselben Größenordnung wie z. B.durch Diclofenac inhibiert. Dagegenspiegeln sich gewisse Unterschiede in

der COX-2-Selektivität älterer NSAR,diegerne für Werbezwecke hervorgehobenwerden, nicht unbedingt in der Häufig-keit schwerwiegender gastrointestinalerNebenwirkungen wieder, sodass für dieBeurteilung einer Substanz ausschließ-lich die in klinischen Studien ermittelteToxizität auf den Gastrointestinaltraktvon Bedeutung ist [29].

Nicht alle Wirkungen der NSARkönnen jedoch auf eine Hemmung derProstaglandinsynthese zurückgeführtwerden. Dieser Wirkungsmechanismusist nur ein, wenn auch sehr bedeutsamerTeilaspekt. Derzeit wird angenommen,dass an den Wirkungen der NSAR auchderen Effekte auf andere Mediatoren,Enzymsysteme, Immunreaktionen undauf die Bildung von aktiven Sauerstoff-spezies beteiligt sind. Daneben weiseneinzelne NSAR noch gewisse substanz-typische Wirkungen auf.

Gastrointestinale Nebenwirkungender NSAR

Das Hauptproblem bei der Gabe vonNSAR ist deren Wirkung auf denGastrointestinaltrakt. COX-2-selektiveNSAR wurden in der Absicht entwickelt,die unerwünschten Wirkungen insbe-sondere die Inzidenz gastrointestinalerNebenwirkungen zu senken. Patienten,die ein nichtselektives NSAR einneh-men, haben ein ca. 4fach höheres Risiko,eine schwerwiegende, treffenderweiseals NSAR-Gastropathie bezeichnete Er-krankung zu erleiden als Personen ohneNSAR. Das Ausmaß dieser unerwünsch-ten Wirkung variiert beträchtlich: vonasymptomatischen, nur endoskopischnachweisbaren Mukosaschäden, Magen-schmerzen, Sodbrennen, Dyspepsie biszu bedrohlich blutenden Magen- oderDuodenalgeschwüren.

Tabelle 2Klassisches und NSAR-Ulkus

Klassisches Ulkus NSAR-Ulkus

Ätiologie Multifaktoriell NSARH. pylori +++ ?Bevorzugte Lokalisation Bulbus duodeni MagenHäufigkeit Meist solitär Oft multipelSymptome Nüchternschmerz 40% ohne SchmerzenAlter <60 Jahre >60 JahrePrognose Geringes Risiko Hohes Blutungs- und

Perforationsrisiko

Tabelle 3Risikofaktoren für die Entwicklung einer NSAR-Gastropathie

Höheres Lebensalter (>60 Jahre)Ulkusanamnese innerhalb der letzten 5 JahreGleichzeitige GlukokortikoidtherapieKomedikation mit AntikoagulantienHohe Dosierung und lange Dauer der NSAR-TherapieKombination verschiedener NSARBesonders toxische NSARStressAlkoholismus

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Die Tabelle 2 zeigt,dass der NSAR-in-duzierte Ulkus sich vom klassischen Ul-kus unterscheidet. Unter kontinuierlicherNSAR-Einnahme bekommen 15–20% derBehandelten einen Ulkus und 1–3% müs-sen bei einer Dauertherapie wegen einergastrointestinalen Blutung oder Perfora-tion im Krankenhaus behandelt werden.

Schätzungen zufolge verursachen dieNSAR pro Jahr bundesweit 157.000 Kran-kenhaustage bzw. Kosten in Höhe von125 Mio. DM, wobei ca. 11.000 Patientenbehandelt werden [4]. Auch wird derzeitdavon ausgegangen, dass in Deutschlandbis zu 2000 Patienten/Jahr an den Folgeneiner NSAR-Therapie verbluten. Im Ver-gleich dazu starben 1997 bundesweit814 Patienten an den Folgen einer HIV-In-fektion oder 1512 Personen durch Autoun-fälle. Floride Magen-Darm-Ulzera sowiehämorrhagische Diathesen stellen auf-grund dieser z. T. lebensgefährlichengastrointestinalen Toxizität eine Kontra-indikation dar.

In diesem Kontext sei auch an die vonA.Herxheimer veröffentlichte Feststellungerinnert, dass Patienten, denen ein NSARverschrieben wurde, nicht adäquat überdie Symptome einer möglichen gastroin-testinalen Komplikation (unter anderemOberbauchschmerzen, Teerstuhl) infor-miert werden. Wenn solche Symptomeauftreten,versäumen es die Patienten häu-fig, die Therapie rechtzeitig abzubrechenoder sie suchen zu spät einen Arzt auf [12].

Den Ergebnissen verschiedener Stu-dien zufolge nimmt das Potential vonNSAR,gastrointestinale Nebenwirkungenzu verursachen in der Reihenfolge Ro-fecoxib = Celecoxib < Ibuprofen < Melo-xicam < Diclofenac-Na < Naproxen < Pi-roxicam < Indomethacin < Ketoprofen zu[29]. In Anbetracht der niedrigen Dosen,die diesem Vergleich zugrunde liegen,wirkt Ibuprofen vornehmlich analgetisch.Die Ergebnisse mehrerer Studien belegenaußerdem, dass Meloxicam ein wenigergastrotoxisches NSAR ist. Dies ist vor al-lem bei der niedrigen Dosis von 7,5 mg derFall. In vielen Fällen werden jedoch höhe-re Dosen benötigt, wobei mit steigendenDosierungen dann wieder gehäuft gastro-intestinale Komplikationen auftreten kön-nen.

Prophylaxe der NSAR-Gastropathie

Die Tabelle 3 fasst die in verschiedenenStudien ermittelten Risikofaktoren fürdie Entwicklung einer NSAR-Gastropa-

thie zusammen. Hervorzuheben ist, dassPatienten,die mit Helicobacter pylori in-fiziert sind, keine Risikogruppe darstel-len, und dass eine Eradikation demnachkeine sichere Prophylaxe darstellt.Wenndie in der Tabelle 3 genannten Risikofak-toren vorliegen, muss die Indikation füreine NSAR-Therapie sorgfältig geprüftund eine prophylaktische Medikation inErwägung gezogen werden.

Zuerst kann versucht werden, dietherapeutischen Ziele mit Paracetamoloder mit einer niedrigeren Dosis anNSAR zu erreichen. Der Einsatz vonCOX-2-selektiven NSAR wie Rofecoxib(Vioxx®) oder Celecoxib (Celebrex®)stellt bei diesen Risikogruppen eine si-chere Option dar, wobei dem so behan-delten Patienten auch die potenziellenNebenwirkungen der Prophylaktika(s. unten) erspart werden. Beachtet wer-den muss jedoch, dass auch bei den bei-den modernen COX-2-selektiven NSARein Ulkus, jedoch wesentlich seltener,auftreten kann [5, 27]. Bestimmte Appli-kationsformen, wie Retardzubereitun-gen oder dünndarmlösliche Tablettenvermindern nur die Häufigkeit von Dys-pepsien. Auch können die gastrointesti-nalen Nebenwirkungen von NSAR nichtvermieden werden, in dem sie als Sup-positorien, i.m.oder i.v.gegeben werden,da die Hemmung der Prostaglandinsyn-these im Magen überwiegend syste-misch erfolgt.

Antazida und H2-Rezeptor-Antago-nisten (z. B. Sostril® u. a.) können zwarsubjektive Beschwerden recht gut lin-dern, senken jedoch die Komplikations-rate nicht. Sie vermindern die dyspepti-schen Beschwerden und täuschen so ei-ne gute Verträglichkeit vor. Auf der an-deren Seite können gastrointestinaleKomplikationen mit dem Protonen-pumpenhemmer Omeprazol (Antra®u. a.) oftmals verhindert werden.

Hohe Dosen an Omeprazol sindnicht notwendigerweise effektiver. Fürdie langfristige NSAR-Ulkusprophylaxeist Omeprazol bisher jedoch nicht zuge-lassen. Das Ulkusrisiko im Magen undDuodenum konnte durch die Einfüh-rung der Komedikation mit dem Prosta-glandin-E1-Analogon Misoprostol (u. a.Cytotec® 2- bis 4-mal 200 µg/Tag) ge-mindert werden. Allerdings scheint dieApplikation von Misoprostol infolge vonDiarrhö, abdominellen Schmerzen,Kopfschmerzen, Schwindel und Benom-menheit häufig nur schlecht vertragen

zu werden; die Abbruchquote ist hoch.Grundsätzlich gilt, dass bei blutendenUlcera wie bisher das NSAR (auch dieCOX-2-selektiven Inhibitoren) abgesetztwerden muss. Wie lange dies erforder-lich ist, wurde bisher noch nicht syste-matisch untersucht.

Perkutane Applikation von NSAR

In großer Zahl werden äußerlich anzu-wendende NSAR in Form von Salben,Cremes, Spray, Gelen, Linimenten, Ölenund alkoholischen Lösungen angeboten.Das beträchtliche Marktsegment diesertopischen Anwendungsform hat mehre-re Gründe. So werden diese Lokal-therapeutika unter der Vorstellung ein-gesetzt, dass die potentiell gefährlichenNebenwirkungen auf Magen, Nierenund Bronchien durch die lokale Appli-kation vermindert werden können.Wei-terhin finden es viele Patienten viel ein-leuchtender, eine „Rheumasalbe“ in un-mittelbarer Nähe des schmerzenden Ge-lenks aufzutragen als den Umweg überden Magen-Darm-Trakt zu wählen. Al-lerdings ist in Einzelfällen auch bei lo-kaler Anwendung der NSAR mit syste-mischen Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Ulkus oder Nierenschäden zurechnen, da ein großer Prozentsatz desNSAR über den Blutkreislauf systemischverteilt wird.

Das Ausmaß der perkutanen Re-sorption ist gering und abhängig vonder Größe der behandelten Fläche undnicht von der Dicke der aufgetragenenSchicht. NSAR enthaltende Topika errei-chen in großen Gelenken keine thera-peutisch wirksamen Konzentrationen,während sie aber in periartikuläreSchichten penetrieren können. Da dieperiartikulären Strukturen häufig ur-sächlich für den Arthroseschmerz undgelegentlich auch mitentzündet sind,kann die perkutane Applikation vonNSAR sinnvoll sein, insbesondere, wennsie dazu beiträgt, die orale Applikationvon Analgetika oder NSAR zu reduzie-ren [2, 21, 23].

Der Placeboeffekt ist, u. a. bedingtdurch den Massageeffekt bei der Einrei-bung, auffällig hoch und kann in Berei-chen von 40–60% liegen. Auch die invielen Zubereitungen enthaltenen Kom-ponenten, die entweder einen kühlen-den Effekt (z. B. Menthol in Gelen) odereinen Überwärmungseffekt (z. B. Niko-tinsäureester in Salben) hervorrufen,

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Zum Thema: Arthrose

| Der Orthopäde 11•2001862

können zur Schmerzlinderung beitra-gen und Unterschiede in der individuel-len Akzeptanz beim Patienten begrün-den. Derzeit existieren keine publizier-ten Studien, in denen die Wirksamkeiteines NSAR bei topischer und oraler Ap-plikation miteinander verglichen wird.Ebenso fehlen placebokontrollierteDoppelblindstudien für die IndikationKoxarthrose. Der topische Einsatz derNSAR ist in den USA nicht zugelassen.

Glukokortikoide

Intraartikuläre (i.a.) Glukokortikoidin-jektionen sind weit verbreitet. Sie kön-nen indiziert sein bei akuter Schmerze-xazerbation, insbesondere bei gleichzei-tigem Gelenkerguss [1, 23]. Der zeitlicheAbstand sollte 4 Wochen nicht unter-und die Häufigkeit von 4 i.a.-Applikatio-nen/Jahr nicht überschreiten.Selten sindaber mehr als 2 Injektionen/Gelenk undJahr notwendig. Injektionen in das Hüft-gelenk werden wegen der Gefahr vonKnochennekrosen nicht durchgeführt[2]. Die unter strenger Asepsis durchzu-führende i.a. Injektion sollte nur von ei-nem in dieser Technik erfahrenen Arztdurchgeführt werden, wobei das Glu-kokortikoid die begleitende Synovialitisund damit indirekt auch die Schmerzenreduziert.

Die i.a.-Applikation bringt auchtherapeutische Vorteile: So kann ein Er-guss abpunktiert werden, was für dasGelenk eine Entlastung und für die ge-lenkführenden Strukturen eine Scho-nung bedeutet. Gleichzeitig wird die pa-thologisch veränderte, katabole Enzymeund Zytokine enthaltende Synovia ent-fernt. Deren Analyse (Nachweis von Kri-stallen, Erreger,„Rheumafaktors“) kanndiagnostisch wertvoll sein.Eine systemi-sche Gabe von Glukokortikoiden ist we-gen des hohen Nebenwirkungspotenti-als ebensowenig indiziert wie eine Dau-ertherapie, die den Gelenkknorpel, ins-besondere bei höherer Dosierung, schä-digen kann.

Die i.a.-Dosierung erfolgt in Abhän-gigkeit von der Gelenkgröße und demverwendeten Glukokortikoid. Hierbeisollten Glukokortikoide mit möglichstgeringer Kristallgröße und langer i.a.-Halbwertszeit (geringe Wasserlöslich-keit) wie z. B. Triamcinolonhexacetonid(Lederlon®) verwendet werden. Allge-mein wird angenommen, dass zwar dergrößte Teil des injizierten Glukokorti-

koids innerhalb von wenigen Stundenaus der Synovialflüssigkeit eliminiertwird, jedoch die Metaboliten mehrereWochen lang in den Synovialisdeckzel-len verbleiben. Die Wirkung bei Injek-tionen in die großen Gelenke ist meistnur kurzfristig, während dagegen beider aktivierten Polyarthrose der kleinenGelenke Injektionsmaßnahmen oft überlängere Zeit erfolgreich sind.

Die Wirksamkeit i.a. injizierter Glukokortikoide

Eine Reihe von Studien weisen eine v. a.schmerzlindernde Wirkung von i.a. in-jizierten Glukokortikoiden nach [11, 14,24]. Diese ist allerdings von kurzer Dau-er, wobei eine Wirkungsdauer von1–4 Wochen angegeben wird. Interessan-terweise wurde auch bei den mit einemi.a. injizierten Placebo (physiologischeKochsalzlösung) behandelten Patienteneine deutliche Schmerzlinderung beob-achtet, wobei jedoch eine stärkere Ab-nahme der Schmerzen in der mit Gluko-kortikoiden behandelten Gruppe beob-achtet wurde. Ravaud et al. [24] berich-ten, dass selbst die Gelenklavage signifi-kant die Schmerzen bis zu 24 Wochenlang lindert. Dabei sollen die i.a.-Spü-lungen durch Auswaschen von Knorpel-detritus die Beschwerden günstig beein-flussen.

Gelegentlich wird in der Praxis je-doch eine länger anhaltende, gute Wir-kung nach i.a.-Applikation von Gluko-kortikoiden beobachtet. Dies deutet dar-auf hin, dass noch andere Faktoren wiefunktionelle, psychosoziale und krank-heitsbezogene Symptome das Anspre-chen beeinflussen. In der Studie vonJones et al. [14] ließ allerdings keines vonihnen eindeutig die Reaktion nach 3 Wo-chen vorhersagen, während andererseitsGaffney et al. [11] berichten, dass ein be-stehender Erguss für einen größerenNutzen von Glukokortikoiden spricht.

In-vitro-Untersuchungen an Chon-drozytenzellkulturen sowie Studien antierexperimentellen Arthrosemodellenergaben Hinweise auf eine möglichekrankheitsmodifizierende Wirkung nie-drigdosierter Glukokortikoide [22, 26].Dagegen inhibieren höhere Konzentra-tionen an Glukokortikoiden die Pro-teoglykan- und Kollagensynthese undkönnen somit das Gelenk schädigen. In-wiefern i.a. applizierte Glukokortikoidebeim Menschen die Progression der Ar-

throse beeinflussen, ist bisher nicht hin-reichend untersucht worden. Es liegenjedoch Berichte über Arthropathiennach wiederholter Glukokortikoidinjek-tionen vor [19].

SADOA

Als Alternative zu den NSAR und Pa-racetamol stehen zur medikamentös-symptomatischen Behandlung der Ar-throse einige Präparate zur Verfügung,die nach dem Vorschlag der OARSI als„slow acting drugs in osteoarthritis“(SADOA) bezeichnet werden. Die ame-rikanische Gesundheitsbehörde FDA hatdie i.a.-Injektion von 2 Hyaluronsäure-präparate zugelassen und zwar nur beiPatienten mit einer Gonarthrose, die aufeine nichtpharmakologische Therapieund Gabe von Paracetamol ungenügendansprechen. Die i.a.-Injektion einesHyaluronsäurepräparats kann vorteil-haft sein bei Patienten,bei denen die Ap-plikation eines nicht-selektiven NSARund COX-2-selektiven NSAR kontrain-diziert ist, oder bei denen diese NSARentweder unwirksam sind oder gravie-rende Nebenwirkungen hervorrufen [1].

Obwohl die ACR Evidenzen für eineschmerzlindernde Wirkung von Glucos-amin bei der Gonarthrose sieht, hält siees aufgrund von Qualitätsmängeln imDesign diverser Studien gemäß ihrerneuesten Richtlinie zur Therapie derKox- und Gonarthrose für verfrüht, spe-zifische Empfehlungen über den Einsatzvon Glucosamin abzugeben [1, 20]. Der-zeit wird in den USA eine firmenunab-hängige, vom „National Institute ofHealth“ (NIH) finanzierte große klini-sche Studie mit dem Ziel gestartet, unteranderem die Rolle von D-Glucosamin-sulfat in der Behandlung von Patientenmit einer Gonarthrose zu definieren.

Hinsichtlich ihrer Wirksamkeitwerden die SADOA weitgehend entspre-chend folgender Qualitäten unterschie-den [28]:

◗ Symptomatisch wirksame Präparate(symptomatic slow acting drugs inOA, SYSADOA). Hierzu zählen z. B.Ademetionin (Gumbaral®), D-Glu-cosaminsulfat (Dona® 200 S) undHyaluronsäure(derivate) (Hyalart®,Ostenil®, Synvisc® u. a.).

◗ Arthrosemodifizierende Substanzen(disease modifying OA drugs,DMOAD), die gemäß Definition

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morphologisch erkennbare Knorpel-defekte beim Menschen klinischnachweisbar verhindern, die fort-schreitende Zerstörung des Gelenk-knorpels zumindest verlangsamenoder sogar rückgängig machen. Fürdiese Wirkqualität – mit ihrer aufden hyalinen Knorpel ausgerichtetenAktivität – ist derzeit der klinischeNachweis aufgrund unzureichenderValidierung von z. B. biochemi-schen/immunologischen Parameter,bildgebenden Verfahren und ande-ren noch schwierig zu erbringen.

Empfehlungen einer internationalen wis-senschaftlichen Arbeitsgruppe (GREES)hinsichtlich einheitlicher Überprüfungs-und Zulassungsanforderungen an Arthro-semedikamente führten 1996 zur Untertei-lung in 1.„symptommodifizierende“ (sym-ptom modifying osteoarthritis drug) und2.„strukturmodifizierende“ Arzneimittel(structure modifying osteoarthritis drug,STMOAD) mit oder ohne zusätzliche sym-ptombeeinflussende Wirksamkeit [9].

Der Begriff „Chondroprotektion“wurde 1983 eingeführt, um den Effekteinzelner nichtsteroidaler Antiphlogisti-ka auf ultrastrukturelle Veränderungenin Rattenchondrozyten nach Gabe mas-siver Glukokortikoiddosen zu beschrei-ben. Dieser Begriff, der auch der Be-schreibung einer möglichen struktur-bzw.krankheitsmodifizierende Wirkungeinzelner Arzneistoffe diente, wird heu-te nur noch selten verwendet. WelcheUnterteilung sich durchsetzen wird, istungeklärt und wird kontrovers disku-tiert; letztendlich ist sie von untergeord-neter Bedeutung, da ausschließlich dieklinische Wirksamkeit von Interesse ist.

Klinische Studien zur symptomatischen Wirkung

Klinische Studien, die als Wirksamkeits-nachweis vorgelegt werden, führenmeist subjektive Beobachtungen wieSchmerzfreiheit und Rückkehr zur nor-malen Beweglichkeit als Bewertungskri-terium an [28]. Diese Parameter sind je-doch kein Beleg, dass eine im Rahmender Arthrose auftretende progressiveKnorpelschädigung verlangsamt, aufge-halten und/oder rückgängig gemachtwurde. Derzeit liegen eine Reihe vonrandomisierten und durch ein Placebooder NSAR kontrollierte Doppelblind-studien vor, bei denen die Wirkung der

SYSADOA anhand des Lequesne-Inde-xes oder eines anderen, ähnlichen, dieBeschwerden beschreibenden Maßsta-bes erfasst wurde [23, 28]. Für die ge-nannten 3 SYSADOA wurde eine Ver-minderung des Lequesne-Indexes odereines anderen ähnlichen Beschwerde-Indexes gefunden, also eine die Sympto-me Schmerz reduzierende und die Mo-bilität verbessernde Wirkung ermittelt.Interessanterweise kann diese Be-schwerdeminderung bzw.-freiheit 6 Mo-nate und länger nach Absetzen der The-rapie anhalten. Der Wirkungsmechanis-mus für die bis zu mehrere Monate nachBeendigung der Therapie noch anhal-tende analgetische/antiphlogistischeWirkung gilt derzeit als unzureichendaufgeklärt,da die Halbwertszeit der Sub-stanzen in der Synovialflüssigkeit nurkurz ist.

Die vorliegenden Studien zeigen,dass die SYSADOA gut verträglich sind,was u. a. auch auf die fehlende Hem-mung der Cyclooxygenasen zurückzu-führen ist. Ein gewisses Risiko bestehtjedoch bei der Anwendung von Hyalu-ronsäure-(derivate) dadurch bedingt,dass dieser i.a. injiziert werden muss. Sowird derzeit das Risiko einer Gelenkin-fektion auf 1:10.000 bis 1:30.000 ge-schätzt und die Häufigkeit entzündli-cher Reaktionen nach i.a.-Applikationmit bis zu 10% angegeben. Inwieferndiese auf eine ungenügende Aufreini-gung bei der Gewinnung der Hyaluron-säure(derivate) beruhen, wird kontro-vers diskutiert; selbst die Injektion ein-facher Kochsalzlösungen kann eine Ent-zündung auslösen.

Die verschiedenen Hyaluronsäure-präparate unterscheiden sich hinsicht-lich des Molekulargewichtes (0,5–6,0 Mio. Da) und der damit verbunde-nen Viskosität, der Häufigkeit der emp-fohlenen Injektionen (1–5 Injektionenim Abstand von 7–10 Tagen) und hin-sichtlich des Herstellungsverfahrens.Beispielsweise unterscheidet sich Syn-visc® von dem seit 1993 als Arzneimittelangebotenen Hyalart® nur durch dieQuervernetzung der Hyaluronsäure unddamit höheren Viskosität. Ostenil® wirdfermentativ aus bestimmten Bakterien-stämmen gewonnen, während Hyalart®

aus Hahnenkämmen extrahiert wird.Klinische Studien, in denen Hyaluron-säurepräparate mit einem hohen bzw.niedrigen Molekulargewicht miteinan-der verglichen werden oder in denen die

Wirksamkeit in Abhängigkeit von derInjektionshäufigkeit untersucht wurde,fehlen derzeit. Auch liegen keine Unter-suchungen zur Wirksamkeit einer i.a.-Injektion eines Hyaluronsäurepräparatsbei der Koxarthrose vor.

Klinische Studien zur arthrose-modifizierenden Wirkung

Die klinische Beurteilung von Intensitätund Progression degenerativer Gelenk-erkrankungen ist derzeit noch sehrschwierig, da sowohl der Beginn alsauch die frühe symptomlose Phase derDegenerationsprozesse nicht exakt er-fasst werden können, und auch diequantitative objektive Bewertung fort-geschrittener Arthrosen noch sehrschwierig ist. Derzeit liegen 3 klinischeStudien vor, in denen versucht wurde,ei-ne krankheitsmodifizierende Wirkungvon D-Glucosaminsulfat und Hyaluron-säure zu erfassen.

So wurde Anfang 2001 in The Lanceteine prospektive,randomisierte und dop-pelblind kontrollierte Langzeitstudie mitD-Glucosaminsulfat zur Behandlung derGonarthrose publiziert [25],wobei die Er-gebnisse dahingehend interpretiert wur-den,dass D-Glucosaminsulfat möglicher-weise ein „disease modifying drug“ ist.An dieser vom Hersteller finanziertenStudie nahmen 212 Patienten mit einemdurchschnittlichen Alter von 66 Jahrenteil, die an einer Gonarthrose litten. Siebekamen einmal täglich 1500 mg D-Glu-cosaminsulfat peroral oder Placebo über3 Jahre.Ein Drittel der Patienten brachendie Studie vorzeitig ab.

Als primärer Wirksamkeitsparame-ter für die Progression der Arthrose dien-te die radiologisch gemessene durch-schnittliche mediale Gelenkspaltveren-gung.Hierzu wurde zu Beginn der Studiesowie nach 1 und 3 Jahren a.-p.-Röntgen-aufnahmen von den Knien der Patientengemacht, während sie im Stehen mit vollausgestrecktem Bein ein Gewicht hoben.Bei den mit Placebo behandelten Patien-ten nahm die Höhe des Gelenkspalts umdurchschnittlich 0,31 mm ab,während beiden mit D-Glucosaminsulfat behandel-ten Patienten keine Verringerung festge-stellt wurde (95%-Konfidenzintervall0,01–0,48 mm; p=0,043). Die Schmerzenund die Beweglichkeit wurden mit Hilfedes WOMAC-Score beurteilt, wobei D-Glucosaminsulfat statistisch signifikantbesser abschnitt als Placebo.

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Bei der im The Lancet publiziertenund mit erheblichem Werbeaufwand be-kanntgemachten Studie handelt es sichum eine erste explorative Studie (Pilot-studie, die der Hypothesengewinnungdient) mit kleinen Patientenzahlen. DieFallzahl von 71/68 Patienten, die tatsäch-lich 3 Jahre lang behandelt wurden, ist zuklein, um den Beweis einer Wirksamkeitzu führen. In einer Langzeituntersu-chung müsste auch geprüft werden, in-wiefern für die Mehrzahl der vielen Ar-throsepatienten diese gering ausgepräg-te Wirkung auf den Gelenkspalt klinischrelevant ist, sprich eine Behinderungund/oder die Indikation für einen ope-rativen Eingriff zu einem deutlich spä-teren Zeitpunkt erfolgt.Ferner muss un-bedingt ein systematischer Messfehlerbei der Bestimmung der Höhe des Ge-lenkspaltes ausgeschlossen werden: Soist es denkbar, dass durch die milde an-tiphlogistische Wirkung von D-Glucos-aminsulfat, die in dieser Studie mit Hil-fe des WOMAC-Score erfasst wurde, diePatienten nach 3 Jahren das Kniegelenkbesser ausstrecken konnten; durch dieveränderte Gelenkstellung wäre jedochdann radiologisch eine andere Bild-ebene des Kniegelenks am Ende der Stu-die aufgenommen worden als zu Thera-piebeginn.

Für die Hyaluronsäure liegen 2 Pi-lotstudien vor, die auf eine möglichekrankheitsmodifizierende Wirkung hin-deuten. In der von Listrat et al. [17] pu-blizierten 12-monatigen,randomisiertenund kontrollierten Studie mit 39 gonar-throtischen Patienten zeigte sich, dassbei den 19 Patienten, die tatsächlich ins-gesamt 9 i.a.-Hyaluronsäureinjektionen(Hyalgan®) erhielten (3 Zyklen mit je 3,in wöchentlichem Abstand erfolgte In-jektionen alle 3 Monate; Beginn 1 Monatnach der 1.Arthroskopie), die Progressi-on arthroskopisch sichtbarer Knorpel-defekte verzögerte.

Auch die von Frizziero et al. [10]vorgelegte offene 6-monatige Studiedeutet auf eine mögliche, das Krank-heitsbild Arthrose beeinflussende Wir-kung hin. An dieser Untersuchung nah-men 40 gonarthrotische Patienten teil,die 5, in wöchentlichem Abstand appli-zierte i.a.-Hyaluronsäureinjektionen(Hyalgan®) 15–30 Tage nach der erstenarthroskopischen Untersuchung erhiel-ten. Die nach 6 Monaten durchgeführtemikroarthroskopische Auswertung(150fache Vergrößerung) ergab, dass bei

32,5% der Patienten der zugrundegeleg-te modifizierte Outerbridge-Score unddas Ausmaß der Knorpelläsionen sichverbesserte, während bei 60% der Pati-enten keine und bei 7,5% der Patientensogar eine Verschlechterung der Knor-pelläsionen festgestellt wurde.

Die Ergebnisse der hier vorgestell-ten ersten explorativen Studien sind er-mutigend, müssen jedoch erst nochdurch umfangreichere, mit einer allge-mein anerkannten standardisierten Me-thodik durchgeführten und als konfir-matorisch zu wertende Untersuchungenbestätigt werden.

Fazit für die Praxis

Die derzeit durchgeführte Pharmakothera-pie der Arthrose ist primär auf die sympto-matische Behandlung der mit dieser Er-krankung verbundenen Beschwerden ge-richtet, wobei eine aktivierte oder einepassager schmerzhafte, dekompensierteArthrose wieder in den latenten (stum-men, schmerzfreien) Zustand überführtwerden soll. Dieses therapeutische Ziellässt sich fast immer gut durch den Einsatzvon Analgetika, nichtsteroidalen Antiphlo-gistika oder i.a. applizierte Glukokortikoi-den erreichen. Das Hauptproblem bei derGabe von NSAR ist deren gastrointestinaleToxizität, für die, insbesondere bei Risiko-gruppen, eine prophylaktische Medikation(z. B. gleichzeitige Gabe von Misoprostoloder Wechsel zu einem COX-2-selektivenNSAR) in Erwägung zu ziehen ist.Die bis heute vorliegenden pharmakologi-schen Ergebnisse rechtfertigen die Aussa-ge, dass bei den SYSADOA eine klinisch re-levante analgetische und/oder antiphlogi-stische Wirkung vorliegt. Gegenwärtig exi-stieren keine klinischen Studien, in denennachweislich gezeigt werden konnte, dasseinzelne Arzneistoffe beim Menschen mor-phologisch erkennbare Knorpeldefekteverhindern, die fortschreitende Zerstörungdes Gelenkknorpels zumindest verlangsa-men und/oder rückgängig machen.Weder Nutzen noch Risiken, pharmazeuti-sche Qualität oder die Zusammensetzungvon Orthokin® sind bekannt, weswegen dieAnwendung nicht empfohlen werden kann.Die medikamentöse Therapie darf nur alseine der 3 Säulen betrachtet werden, aufdenen die langfristige, stadiengerechte undindividuelle Behandlung beruhen, nämlichnichtmedikamentöse Maßnahmen, medi-kamentöse und operative Therapie.

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