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medium gas 2010.3
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medium gasDas Magazin für die Kunden und Partner der VNG-Gruppe | 19. Jahrgang | 3. Ausgabe | Oktober 2010
Energie mit Zukunft – Zukunft mit EnergieInterview„Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass jeder Haushalt ein Mikro-BHKW im Keller stehen hat“Seite 26
Trendforschung 2020So leben wir in der ZukunftSeite 38
Inhalt
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Impressum
medium gas Das Magazin für die Kunden und Partner der VNG-Gruppe | VNG – Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347 Leipzig | Postfach 24 12 63 04332 Leipzig | Tel. 0341 443 - 0 | Fax 0341 443 - 2057 | www.vng.de | Redaktion Unternehmenskommunikation | Verantwortliche Redakteurin Mandy Nickel Tel. 0341 443 - 2045 | [email protected] | Redaktionsbeirat Winfried Becker, Mike Diekmann, Christian Dubiel, Tino Falley, Carina Fiedler, Madlen Geyer, Bernhard Kaltefleiter, Siegbert Ketelhut, Kerstin Kietzke, Dr. Stephan Krein, Heinz Möller, Olaf Schneider, Jan Schuster, Lydia Schuster, Susann Surma Redaktionsschluss für diese Ausgabe 16.10.2010 | für die nächste Ausgabe 22.11.2010 | Auflage 4 200 | Gestaltung, Herstellung | Militzer & Kollegen GmbH Reproduktion und Druck Scan Color Leipzig GmbH | Fotos wenn nicht anders angegeben VNG | Foto Titelseite Dirk Brzoska.
Aktuell
Markt
Schwerpunkt
AKTUELL
4 Aktuelle Nachrichten
aus der Energiewirtschaft
und Energiepolitik
6 Führungswechsel bei VNG vollzogen
8 Interview: „Es ist für uns wichtig,
unsere Produktion langfristig und
nachhaltig aufzubauen“
MARKT
12 Ardagh Glass
Ein Werk mit glasklaren Aussichten Germersheimer Firma ist größter
Hersteller von Verpackungsglas in
Europa.
18 Erdgastechnik
Zwei in einem Mit den Wärmepumpen von Buderus
steht neue Erdgastechnik in den
Startlöchern.
22 VNG bündelt
Trainingsprogramme
22 Referenzobjekte gesucht
für Feldtestversuche
mit Gaswärmepumpen
23 Termine
SCHWERPUNKT: ENERGIE MIT ZUKUNFT – ZUKUNFT MIT ENERGIE
26 Interview
„Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass jeder
Haushalt ein Mikro-BHKW im Keller stehen hat“ Diesen Wunschgedanken
hegt Robert Scheler vom
VNG-Technologie-Center.
32 Zukunftsenergie
Von der Vision zur Wirklichkeit Bioerdgas ist Brückentechnologie
für die Energiewende – wird aber
noch eingebremst.
36 Nachgefragt
Mit Gas die wirtschaftlichen Effekte deutlich steigern und gleichzeitig die Umwelt schonen
VNG-Vorstand Uwe Barthel weiß um die
Vorteile von Erdgas und Bioerdgas.
38 Trendforschung 2020
So leben wir in der Zukunft! Der Ausblick auf die kommenden
Jahre ist technologisch – nicht nur für
die Energieversorgung.
41 Illustration
42 Innovation
Erdgas als Schiffstreibstoff – Experten erwarten LNG-Zeitalter auf Hoher See LNG soll bald auch in der Frachtschiff-
fahrt zum Standardkraftstoff für die
Schiffsmotoren werden.
UMSCHAU
44 WEC-Kongress
Energiebranche und Politik diskutieren über Versorgungssicherheit
und weltweiten Klimaschutz In Montreal ging es um die
zukünftigen Herausforderungen
der Energieversorgung.
Unser Titelmotiv:
Dipl.-Ing. Marcus Reger ist der „Chefkonstrukteur“ für
das Kirsch HomeEnergy microBHKW L 4.12. Das Gerät
wurde von VNG und der Firma Kirsch gemeinsam ent-
wickelt und in Trier auch auf Herz und Nieren geprüft.
Das neuartige Mini-BHKW wird ein Baustein in der
Energieversorgung der Zukunft sein – so zumindest
propagiert es auch die Bundesregierung. Foto: Dirk Brzoska
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3 medium gas | 2010.3Editorial
Bernhard Kaltefleiter,
Leiter Unternehmenskommunikation
47 EU-Energiepolitik
Die neue Erdgasversorgungs- sicherheits-Verordnung – Ergebnis der Verhandlungen auf EU-Ebene und Ausblick Neue Verordnung soll zukünftig
Gaslieferengpässen in Europa
vorbeugen.
50 Nachgefragt
Ein Fall für Charlotte Honigbiene Charlotte –
das Maskottchen der VNG Norge –
beantwortet Ihre Fragen zum
E&P-Geschäft.
52 Russland
2009 – das Jahr der Heraus- forderungen und Möglichkeiten Gazprom stellt Geschäftszahlen
vor und gibt Ausblick.
FEATURE
54 10 Gründe, die ukrainische Haupt-
stadt Kiew zu besuchen
56 Olympiastützpunkte im sportlichen
Wettstreit
57 Berliner Band und Feuerwehr-
kapelle rockten in Leipzig
58 Painted in Cracow – Junge polnische
Malerei aus Krakau
Umschau
Feature
Ihr Bernhard Kaltefleiter
Erdgas und die Zukunft
Liebe Leserinnen und Leser,
welche Rolle wird Erdgas in den kommenden
Jahrzehnten spielen? Hellseherei bringt uns der
Antwort nicht näher, ein Blick auf das im Sep-
tember veröffentlichte Energiekonzept schon
eher. Ehrgeizige Ziele sind darin festgeschrie-
ben: Ausbau der erneuerbaren Energien, Energieeinsparung sowie Minderung
der Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahre 2050. Das deutliche Bekenntnis zu
Solar, Biomasse und Co. ist deshalb eine folgerichtige Entscheidung.
Allerdings lässt das Konzept noch wichtige Fragen zum Einsatz von Erdgas offen.
So bleiben marktgerechte und effiziente Technologien wie Kraft-Wärme-Kopplung
im Energiekonzept ebenso unberücksichtigt wie die Vorzüge von Erdgas im
Hinblick auf seine niedrigen Schadstoffemissionen.
Es ist unverkennbar, dass die politischen Rahmenbedingungen – wenn sie so
bleiben – für den Energieträger Erdgas eine große Herausforderung darstellen.
Umso wichtiger ist es, Politikern und Verbrauchern weiterhin die Vorzüge von
Erdgas zu zeigen, gemeinsam mit anderen Erdgasunternehmen und Marktpart-
nern das Produkt konsequent zu fördern, aber auch die bisherigen Aktivitäten
in Richtung zukunftsweisende Energieversorgung fortzuführen.
VNG hat sich schon lange auf diesen Weg begeben. Bioerdgas ist längst ein
Thema, ebenso neue Technologien bei der Speicherung. Zusätzlich unterstützt
VNG den Einsatz von KWK mit einem eigenen Anreizprogramm, führt Feldtest-
studien durch und entwickelt gemeinsam mit Herstellern neue Heizgeräte. Seit
vielen Jahren gehen wir diese Schritte nicht alleine, sondern zusammen, auch
mit unseren kommunalen Partnern.
Für uns sind die Aktivitäten jenseits vom eigentlichen Verkaufsgeschäft in
zweierlei Hinsicht bedeutungsvoll. Zum einen ist es wichtig, die Innovations-
fähigkeit unseres Produktes ständig auszubauen. Zum anderen wollen wir
damit natürlich auch deutlich machen, welches Potenzial im Energieträger
Erdgas steckt. Erdgas ist leistungsstark und flexibel, es bietet vielfältige und
effiziente Anwendungsmöglichkeiten und es lässt sich ideal mit erneuerbaren
Energien kombinieren.
4 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature
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Azubis füllen SchultütenZum 20. AG-Jubiläum von VNG hatten die VNG-Azubis eine
besondere caritative Idee. Sie veranstalteten einen Kuchen-
basar, um mit den Erlösen die Aktion „Zuckertüte“ der Stiftung
„Bürger für Leipzig“ zu unterstützen. Knapp 700 Euro kamen
an einem Nachmittag zusammen – ausreichend für 30 mit
Schulmaterial und Stiften gefüllte Zuckertüten.
Weitere Informationen: www.buerger-fuer-leipzig.de
VNG handelt Erdgas in GroßbritannienSeit September dieses Jahres ist VNG als Händler am National
Balancing Point (NBP) des britischen Netzbetreibers National
Grid registriert. Damit weitet VNG seinen Spot- und Terminhan-
del auf den bedeutendsten Handelsmarkt für Erdgas in Europa
aus. „Die Registrierung ist ein weiterer wichtiger Schritt in der
Intensivierung der Gashandelsaktivitäten von VNG in Europa“,
sagte Michael Ludwig, Vorstand Gasbeschaffung von VNG.
Das Leipziger Unternehmen war bisher an den kontinental-
europäischen Gashandelsmärkten in Deutschland (GASPOOL
und NCG), Belgien (Zeebrugge Hub), den Niederlanden (TTF),
Frankreich (PEG Nord, PEG Sud), Österreich (Baumgarten Hub)
und diversen europäischen Im- und Exportpunkten aktiv. 2009
bezog VNG 22 Prozent des Erdgases über den europäischen
Spot- und Terminhandel, doppelt so viel wie 2008.
In Birkenwerder fließen 20 % Bioerdgas in den Tank
Die VNG-Erdgastankstellen
GmbH erhöhte im Septem-
ber an ihrer Erdgasstation
in Birkenwerder die Bioerd-
gas-Beimischung von 10 auf
20 Prozent. Die in unmittel-
barer Hauptstadtnähe gele-
gene Tankstelle ging 2008
in Betrieb. Der monatliche
Absatz ist seitdem von 3 000
auf über 15 000 Kilogramm
Erdgas im Juli dieses Jahres gestiegen. Derzeit baut die VNG-T
in Berlin an der TOTAL-Tankstelle in der Chausseestraße eine
weitere Erdgastankstelle. Im Herbst 2010 soll die Zapfsäule
ebenfalls mit einem Bioerdgas-Anteil von 20 Prozent in Be-
trieb gehen.
Friedeburg/Etzel
Jemgum
VNG baut Kapazitäten zur Erdgas-speicherung aus
VNG erweitert ihre Aktivitäten zur Erdgasspeicherung und
engagiert sich erstmals mit dem Ausbau der Untergrundgas-
speicher in Etzel und Jemgum auch bei Projekten im Nordwesten
Deutschlands. VNG wird dazu eine dreistellige Millionensumme
in die Speicherausbauprojekte investieren. Aktuell ist VNG mit
vier Speichern im mitteldeutschen Raum und einer Gesamt-
kapazität von rund 2,6 Milliarden Kubikmetern der drittgrößte
Speicherbetreiber in Deutschland.
Weitere Informationen zu den Speicherstandorten von VNG unter www.speicherportal.vng.de
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Angela Merkel (re.) und Toralf Michaelsen, Director Market Supervision bei der EEX.
VNG erhält IT-Sicher-heitszertifizierungDas Prozessinformationszentrum von VNG erfüllt die Anforde-
rungen an die ISO 27001-Norm. Das wurde dem Unternehmen
jetzt auch von offizieller Seite durch den TÜViT bestätigt. Die
Zertifizierung setzt voraus, dass ein Informationssicherheits-
management-System existiert, welches die Voraussetzungen
für eine umfassende, unternehmensweite Informations- und
Datensicherheit schafft.
Einigkeit über Verordnung zur GasversorgungssicherheitDas EU-Parlament und die EU-Mitgliedstaaten konnten eine
Einigung über die Ausgestaltung der Verordnung zur Gewähr-
leistung der sicheren Erdgasversorgung erzielen. Für Bundes-
wirtschaftsminister Rainer Brüderle ist die neue Regelung ein
klares Signal, dass man in der EU bei zukünftigen Lieferunter-
brechungen gemeinsam und solidarisch handeln werde. „Die
Verordnung wird wesentlich zur Vorsorge und Bewältigung
möglicher Gasversorgungskrisen beitragen“, so Brüderle.
Lesen Sie dazu auch einen Beitrag auf Seite 47 in dieser Ausgabe.
Zunehmend Erdgasautos in Ostdeutschland unterwegs
Auf den Straßen im Freistaat Sachsen und Sach-
sen-Anhalt fahren immer mehr Erdgasautos. Die
Zulassungszahlen würden von Jahr zu Jahr stei-
gen. Das gab der Initiativkreis Erdgasfahrzeuge
Sachsen/Sachsen-Anhalt bekannt. So seien derzeit jeweils
in Sachsen und Sachsen-Anhalt etwa 2600 Erdgasfahrzeuge
angemeldet, in ganz Deutschland seien es knapp 90 000. Ende
2004, als sich der Initiativkreis in Mitteldeutschland gründete,
seien im Freistaat nur 860 Erdgasfahrzeuge zugelassen gewe-
sen, in Sachsen-Anhalt 850 und deutschlandweit etwa 27000.
Bundesregierung stellt Gesetz zur CO2-Speicherung vorZur Erreichung der Klimaschutzziele will die Bundesregierung
in den nächsten Jahren die unterirdische Speicherung von
Kohlendioxid vorantreiben. Das Bundeswirtschaftsministerium
und das Bundesumweltministerium verständigten sich auf
Eckpunkte, die die Erprobung der sogenannten CCS-Technologie
in den nächsten Jahren ermöglichen sollen. Sie sehen unter
anderem vor, dass die jährliche Speichermenge an CO2 bundes-
weit acht Mio. Tonnen nicht überschreiten darf. Jeder Speicher
darf maximal drei Tonnen CO2 pro Jahr aufnehmen. Betroffene
Kommunen sollen einen finanziellen Ausgleich erhalten.
Merkel will Leipzig als EU-Handelsplatz für EnergieBundeskanzlerin Angela Merkel setzt sich dafür ein, dass die
Europäische Energiebörse (EEX) in Leipzig zur zentralen Platt-
form für den Energiehandel in der Europäischen Union wird.
Sowohl beim Strom-, Gas- und Zertifikatehandel für Treibhaus-
gase sei der Standort sehr gut platziert, betonte Merkel bei
ihrem Besuch in der Messestadt. „Es ist wünschenswert, dass
Leipzig eine sehr dominante Rolle hat.“ Beim Strom helfe die
enge Zusammenarbeit mit Frankreich dabei, dass Leipzig einen
wesentlichen Beitrag für die Energiepolitik in Europa leiste.
Sach n/Sach
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AG
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Führungswechsel bei VNG vollzogen
Von Thomas Stein, freier Journalist
Wenn nach zwanzig Jahren der Vorstandsvorsit-
zende eines renommierten Unternehmens sei-
nem Nachfolger Platz macht, interessiert das
nicht nur Gesellschafter, Kunden und Mitarbeiter,
sondern eine breite Öffentlichkeit. Mit entspre-
chender medialer Aufmerksamkeit ist deshalb
Anfang September die Staffelstabübergabe von
Prof. e. h. Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst an Dr. Karsten
Heuchert registriert worden. Es war ein Wechsel,
der lange und gründlich vorbereitet worden war.
Die Mühe hat sich gelohnt, der Übergang wurde
mit Kontinuität vollzogen.
Dr. Karsten Heuchert ist VNG seit langem eng
verbunden. Er verweist darauf, dass er sich be-
reits im Jahr 1990 zu ersten Gesprächen mit
Dr. Karsten Heuchert (li.) übernahm Anfang September die Amtsgeschäfte von seinem langjährigen Vorgänger Dr. Klaus-Ewald Holst. Foto: Dirk Brzoska
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seinem späteren Nachfolger getroffen habe. Der
promovierte Jurist war zunächst Mitarbeiter, dann
Leiter der Rechtsabteilung in der Wintershall.
1994 entsandte Wintershall ihn zum ersten Mal
in den Aufsichtsrat von VNG. Das Mandat nahm
er zunächst bis 1997 und dann wieder von 2001
bis 2009 wahr. In der Zeit zwischen Mai 2007
und September 2009 war er Vorsitzender des
Aufsichtsrats und stand VNG beim Erhalt der Ei-
genständigkeit zur Seite. Damals waren es nicht
zuletzt die kommunalen Anteilseigner, die sich
in dieser Auseinandersetzung engagiert hatten.
Heute kann Dr. Heuchert sagen: „Die kommunale
Verankerung von VNG durch die ostdeutschen
Städte und Gemeinden, die inzwischen wieder
gewährleistet ist, trägt dazu bei, dass Ruhe in
das Unternehmen einkehrt.“
Der neue Vorstandsvorsitzende hat gleich in sei-
ner ersten öffentlichen Stellungnahme deutlich
gemacht, welche Schwerpunkte er setzen will. In
einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“
stellte Dr. Heuchert klar: „Unser Kernmarkt ist und
bleibt Ostdeutschland.“ Zudem habe sich VNG in
den zurückliegenden Jahren international aufge-
stellt und sei in die Exploration und Förderung
von Erdgas und Erdöl eingestiegen. „Auf dieser
Strategie möchte ich aufbauen und möchte sie auch
ausbauen“, erklärte Dr. Heuchert. Es gehe nicht um
einen Expansionskurs, sondern um „profitables
Wachstum“. „Umsatz ist keine Zielgröße – schon
wegen der Preisbindung an das Erdöl. Wir schauen
mehr auf den Absatz.“
VNG sei zwar ein Unternehmen, das wie jedes
andere nach den Gesetzen des Marktes handele.
Für ihn spiele aber auch die emotionale Seite eine
wichtige Rolle: „VNG und Leipzig sind immer eine
Herzensangelegenheit für mich gewesen.“ Die
vielen Glückwünsche, die er aus dem Haus und von
außerhalb zu seinem Amtsantritt entgegennehmen
konnte, werden den neuen VNG-Chef darin bestärkt
haben, mit Leipzig den richtigen Ort und mit VNG
das passende Unternehmen gewählt zu haben.
Nach den Worten von Dr. Heuchert ist VNG ein
„hervorragend aufgestelltes Unternehmen“, das
für ihn eine große Herausforderung bedeute. Sei-
Thomas Stein ist seit Jahrzehnten als Journalist für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten
tätig. Seine Schwerpunkte sind Politik und Wirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern.
Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bearbeitet er auch regelmäßig energie-
wirtschaftliche Themen.
Unser Autor
nen Dank sprach Dr. Heuchert vor allem seinem
Vorgänger Prof. e. h. Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst
aus, der großen Anteil daran habe, dass VNG so
gut im Markt positioniert ist.
Dessen Verabschiedung in den Ruhestand, nach
20 Jahren an der Spitze des Konzerns, war so-
gleich auch Anlass für manche Erinnerung an
bewegte Zeiten, an sein couragiertes Handeln
und seinen offenbar nie versiegenden Humor
auch in schwierigen Situationen. Ein besonderes
Lob erteilte aus der Ferne Dr. Klaus Liesen, 1990
Vorstandsvorsitzender der Ruhrgas AG und bis
heute einer der legendären Wirtschaftsführer
in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Sein
Unternehmen wurde mit 35 Prozent der erste
Großaktionär von VNG. Man habe damals kurzzei-
tig daran gedacht, selbst die Führung bei VNG zu
übernehmen, erzählt Dr. Liesen in der Erinnerung.
Dann aber habe man sich dafür entschieden,
VNG als eigenständiges Unternehmen am Markt
agieren zu lassen.
Bei der offiziellen Verabschiedung von Dr. Holst
drückte der Aufsichtsratsvorsitzende von VNG,
Dr. Rainer Seele, aus, was viele noch aus eigener
Anschauung miterlebt hatten: Klaus-Ewald Holst ist
einer, „der Geschichte geschrieben hat“. Dr. Seele
ordnete dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden
drei zentrale Eigenschaften zu, die sein Denken
und Handeln bestimmt hätten: „Courage, Kom-
petenz, Kollegialität“. Alle, die ihn auf seinem
erfolgreichen Weg begleiteten, wissen, dass diese
Beschreibung absolut zutreffend ist – aber kei-
neswegs vollständig.
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Interview
„Es ist für uns wichtig, unsere Produktion langfristig und nachhaltig aufzubauen“
Herr Ludwig, 2006 ist VNG mit einer eigenen
E&P-Gesellschaft in Norwegen gestartet, 2009
wurde die Endeavour Energy Norge AS (EEN)
übernommen, damit der Einstieg als Produzent
besiegelt. Auf der ONS 2010 hat das Unternehmen
nun das nächste Upstream-Kapitel eingeläutet –
einen Lizenzerwerb auf dem Dänischen Kontinen-
talschelf. Was bedeutet dieser Schritt für VNG?
Zunächst ist die Gründung der VNG Danmark ApS
(VNG Danmark) mit Sitz in Kopenhagen und der
Erwerb von Lizenzanteilen auf dem Dänischen
Kontinentalschelf ein weiterer Meilenstein für
unser angestrebtes Wachstum im E&P-Geschäft.
Der Schritt, die Suche nach Kohlenwasserstoffen
nun auch auf den Dänischen Kontinentalschelf
auszuweiten, lag nahe, da sich das bisherige
Fokusgebiet der VNG Norge AS (VNG Norge) in
unmittelbarer Nähe befindet. Wir ergreifen damit
die Chance zu einer ersten geografischen Diver-
sifizierung unseres E&P-Geschäftes. Das erhöht
unsere Erfolgschancen und vermindert gleichzeitig
die strategischen Risiken.
Zwei Projekte verfolgt die Tochter der VNG Norge
bereits. Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten ein?
Hierbei handelt es sich um unsere Anteile an den
Lizenzen DK 4/98 und DK 3/09 mit der Svane-
Gasentdeckung und dem Solsort-Ölprospekt,
die für uns geologisch und wirtschaftlich sehr
attraktiv sind. Beide Lizenzen liegen im Zentrum
eines hochprospektiven, aussichtsreichen Be-
Ende August fand in Stavanger die weltweit zweitgrößte Messe für Öl und Gas – die Offshore Northern Seas (ONS) – statt. Anlässlich dessen verkündete VNG die Gründung der VNG Danmark ApS und den neuesten Lizenzerwerb im Nachbarland Dänemark. medium gas sprach mit Beschaffungsvorstand Michael Ludwig über die Upstream-Geschäfte von VNG.
Michael Ludwig,
Vorstand Gasbeschaffung bei VNG
Foto
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reiches der Dänischen Nordsee mit zahlreichen
Gas- und Ölentdeckungen. Wir gehen von einem
großen Potenzial für weitere Untersuchungen und
mögliche Funde aus.
In Norwegen haben sich die Explorationskosten
für VNG im vergangenen Jahr stark erhöht. Das
Lizenzportfolio der VNG Norge ist von acht auf
25 Lizenzen gestiegen und es wurden sieben
Bohrungen abgeteuft. Auch in Dänemark werden
weitere Kosten entstehen. Kann Deutschlands
Top-3-Importeur diese Kosten stemmen?
Der Aufbau eines E&P-Geschäfts ist immer mit
hohen Anfangsinvestitionen verbunden, die sich
erst nach einiger Zeit auszahlen. Unternehmen
brauchen hier den sprichwörtlich langen Atem.
Im Erfolgsfall lassen sich aber hohe Erlöse er-
zielen. Damit lohnen sich auch die anfänglichen
Investitionen wieder.
Die Herausforderung besteht darin, die richtigen
Entscheidungen zu treffen und die vorhandenen
finanziellen Mittel klug und bedachtsam einzu-
setzen. Der oberste Grundsatz ist aber: Wir
müssen uns die Investitionen immer auch leisten
können.
Wie hat es die VNG Norge geschafft, in den ver-
gangenen vier Jahren so schnell und doch so
strukturiert und nachhaltig zu wachsen? Dafür
braucht es ja nicht nur den finanziellen Zuschuss
aus Leipzig, sondern auch qualifizierte Mitarbei-
ter vor Ort.
Das kann ich mit Stolz betonen: Grundlage für
unser erfolgreiches und nachhaltiges Wachstum
bilden unsere Mitarbeiter. Ohne ihr ausgezeichne-
tes Know-how, ihre Kreativität und ihren Einsatz
wäre die positive Entwicklung in den letzten Jahren
nicht möglich gewesen.
Im Durchschnitt hat jeder der heute rund 50 VNG-
Norge-Mitarbeiter 16 Jahre Berufserfahrung. Damit
sind wir in Norwegen gut aufgestellt. Weiterhin
haben wir in Leipzig ein erfahrenes Team von
Upstream-Experten, das sehr eng mit den norwe-
gischen Kollegen zusammenarbeitet. Der große
Erfahrungsschatz aller Mitarbeiter kommt uns bei
unseren E&P-Aktivitäten sehr zugute – und hat
uns schon jetzt weit vorangebracht. VNG Norge
ist bereits heute ein anerkanntes, wenn auch
kleines Unternehmen der E&P-Branche auf dem
Norwegischen Kontinentalschelf.
2009 war für VNG in Norwegen ein positives Jahr,
immerhin konnte ein großer Fund im Agat-Feld
gefeiert werden. Ist schon sicher, ob die Funde
wirtschaftlich sind, um ausgebaut zu werden?
Ende letzten Jahres konnten wir im Agat-Feld mit
der Cyclops-Bohrung einen Fund nachweisen, der
Hoffnung macht. Nach vorläufigen Berechnungen
weist das Agat-Feld mittlere, bedingte Gasreserven
in Höhe von rund 8 Mrd. Sm³ auf.1 Gegenwärtig
laufen die Auswertungen der Bohrung. Die gestal-
ten sich jedoch zeitaufwändiger als wir zu Beginn
angenommen haben, sind aber notwendig, um
fundierte Aussagen über die geologischen Ge-
gebenheiten treffen zu können und die Lage für
eine Erweiterungsbohrung zu bestimmen. Erst mit
dieser weiteren Bohrung werden wir genau sagen
können, wie aussichtsreich eine wirtschaftliche
Entwicklung des Feldes ist.
In einer norwegischen Zeitung war zu lesen, dass
VNG Norge ihre Anteile am Agat-Feld teilweise
veräußern will. Warum dieser Schritt, wenn das
Feld so erfolgversprechend ist?
Es ist üblich im E&P-Geschäft, Anteile von ge-
ringerer Höhe an Produktionslizenzen zu halten.
Dies, um geologische und finanzielle Risiken zu
verringern. Der derzeitige mit 85 % verhältnismäßig
hohe Anteil der VNG Norge an der PL 270 ist auf
den Erwerb der EEN in 2009 zurückzuführen. VNG
Norge ist daher bestrebt, einen Teil der Anteile zu
veräußern. Der Veräußerungsprozess soll noch in
diesem Jahr starten.
1 Anmerkung der Redaktion:
Auf VNG Norge entfallen derzeit 85 % dieser Mengen
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Was geschieht mit den anderen Lizenzen in Nor-
wegen und Dänemark, bei denen Entdeckungen
gemacht wurden?
Neben dem Gasfund im Agat-Feld ist VNG Norge
an zwei weiteren Entdeckungen auf dem Norwe-
gischen Kontinentalschelf beteiligt, allerdings
nur mit geringen Anteilshöhen. Hierbei handelt
es sich um die Gasentdeckung Noatun C in der
PL 107 und die Ölentdeckung Gygrid in der
PL 348. Auf dem Dänischen Kontinentalschelf
ist VNG Danmark mit 15 % an der bedeutenden
Gasentdeckung Svane beteiligt. Eine Erweite-
rungsbohrung ist in den nächsten anderthalb
Jahren geplant. Erst dieses Ergebnis wird uns
fundierte Aussagen über die Größe des Gas-
fundes liefern.
In der Vergangenheit wurde von 1,5 Milliar-
den Sm3 Erdgas, die VNG ab dem Jahr 2017 aus
dem Upstream-Geschäft gewinnen möchte,
gesprochen. Bleibt es bei diesem ehrgeizigen
Ziel?
Mengenvorgaben und bestimmte Produktions-
erwartungen dienen der Orientierung. Vor einer
Bohrung weiß man allerdings nie genau, ob und
wie viel Erdgas oder Öl sich im Gestein darunter
befindet und ab welchem Zeitraum wie viel da-
von zu wirtschaftlichen Bedingungen gefördert
werden kann. Das von Ihnen genannte Produk-
tionsziel könnten wir relativ schnell erreichen,
wenn wir bereits entwickelte Reserven oder
produzierende Felder kaufen würden. Das ist
jedoch nicht in unserem Interesse, weil dieses
anorganische Wachstum in der Regel kaum
Wertschöpfung bietet und man die schnellen
Erfolge und Erlöse womöglich sogar teuer be-
zahlen muss.
Das heißt im Umkehrschluss: VNG setzt eher auf
ein langsames und konstantes Wachstum?
Richtig. Es ist für uns wichtig, unsere Produktion
langfristig und nachhaltig aufzubauen und über den
Erwerb von Produktionslizenzen zu wachsen, die
sich in einem Explorations- bzw. Pre-PDO2-Stadium,
kurz in einem frühen Stadium, befinden. Dabei
streben wir ein ausgewogenes Lizenzportfolio an,
um die Produktionsrate konstant halten zu können.
Unser vorrangiges Ziel ist es, unsere Upstream-
Aktivitäten als einen stabilen Geschäftsbereich
innerhalb der VNG-Gruppe aufzubauen. Dieser soll
sich langfristig selbst tragen und nicht dauerhaft
von der finanziellen Unterstützung der VNG abhän-
gig sein, sondern einen wesentlichen Beitrag zum
Unternehmensergebnis leisten.
Angesichts eines Überangebotes an Erdgas im
europäischen Markt stellt sich die Frage: Lohnt
die Eigenproduktion heute überhaupt noch?
Wir sagen ganz klar Ja zur Eigenproduktion, da
eigene Produktionsmengen unser klassisches
Handelsgeschäft absichern und zur Portfolioop-
timierung beitragen können. Natürlich standen
Angebot und Nachfrage nach Erdgas im ver-
gangenen Jahr in keinem Verhältnis; die Preise
waren entsprechend niedrig. Wir sehen die Ur-
sachen in den Auswirkungen der Wirtschafts-
krise und einem Überangebot an LNG. Auch in
dieser Situation haben wir mit unserer laufenden
Produktion aus den Feldern Njord und Brage
Geld verdient. Das macht deutlich, wie wichtig
kluge und bedachtsame Investitionsentschei-
dungen sind. Dessen ungeachtet zeigen die
Preise an den Spot- und Terminmärkten derzeit
aber auch wieder nach oben, der Markt regelt
sich ständig neu.
Fortsetzung von Seite 9
„Es ist für uns wichtig, unsere Produktion langfristig und nachhaltig aufzubauen“
2 PDO = Plan of Development
and Operations
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4036 3735 38 39 41 42 43 44 45 47 4846 50 5149 5234333231 53 55 5654 58 5957 60
Mit der Suche und Förderung von Erdgas verfolgt VNG seit dem Jahr 2006 ein zentrales Vor-
haben der weiteren Diversifizierung des Bezugsportfolios. Sie ist ein wichtiger Eckpfeiler
für die Versorgungssicherheit unserer Kunden in Deutschland und Europa. VNG besitzt über
die in Stavanger und Oslo ansässige VNG Norge AS (VNG Norge) Anteile an vierundzwanzig
Produktionslizenzen (Stand: 31. August 2010) zur weiteren Exploration und Entwicklung bis
hin zur Förderung von Gas und Öl und agiert als Betriebsführer auf dem Norwegischen Kon-
tinentalschelf. Im Bereich des Dänischen Kontinentalschelfs ist VNG über die VNG Danmark
ApS an zwei Lizenzen beteiligt.
Die rund fünfzig Mitarbeiter der VNG Norge verfügen über besondere Qualifikationen in den
Bereichen Exploration, Gaslagerstättenevaluierung, Bohrvorbereitung und -durchführung
sowie Produktion. Dabei werden sie von E&P-Spezialisten der VNG fachlich unterstützt.
Exploration und Produktion ist für VNG ein Eckpfeiler der Versorgungssicherheit
www.vng.de | www.vng.no
VNG ist im Sommer 2006 mit der Gründung der E&P-Tochtergesellschaft VNG Norge AS (VNG
Norge) in das Upstream-Geschäft auf dem Norwegischen Kontinentalschelf eingestiegen.
Wenig später hatte das norwegische Öl- und Energieministerium der VNG eine Präqualifi-
zierung erteilt, die zum Erwerb von Förderlizenzen berechtigt. Nur ein Jahr später, im Juli
2007 erhielt die VNG Norge die ersten Lizenzen vom norwegischen Staat.
Ein erster Meilenstein im Upstream-Geschäft wurde im April 2009 besiegelt, als VNG die
Endeavour Energy Norge AS (EEN) erwarb. Die VNG Norge vergrößerte damit ihr Lizenz-
portfolio auf über 20 Lizenzen, wurde Betriebsführer in einigen dieser Lizenzen und
erhielt erstmals Anteile an produzierenden Feldern (Brage und Njord). Die Integration
und Verschmelzung von VNG Norge und EEN zur heutigen VNG Norge mit den Standorten
Stavanger und Oslo verlief erfolgreich.
Ein weiterer Meilenstein ist die Gründung der VNG Danmark ApS (VNG Danmark) als
100%-ige Tochtergesellschaft der VNG Norge. VNG Danmark wird für die E&P-Aktivitäten
der VNG im dänischen Teil der Nordsee zuständig sein. Die Gesellschaft hat vorläufig kein
eigenes Personal, da die geologischen und operativen Arbeiten von der VNG Norge auf
Grundlage entsprechender Dienstleistungsverträge durchgeführt werden.
VNG Norge AS und VNG Danmark ApS
Grundsätzlich gilt: Erdgas ist und bleibt eine wich-
tige Säule im Energiemix. Da Erdgas als fossiler
Energieträger der Menschheit nur in begrenztem
Maße zur Verfügung steht, gleichzeitig aber der
weltweite Energiebedarf ansteigt, gehen wir lang-
fristig von einem steigenden Preis aus.
Eine letzte Frage nach dem Ausblick: Wie geht
es in den kommenden Jahren weiter? Wird VNG
in naher Zukunft den Lizenzerwerb in Russland
verkünden oder sogar ins Upstream-Geschäft im
Nahen Osten einsteigen?
Unternehmen sind im E&P-Geschäft langfristig
nur erfolgreich, wenn sie sich auch auf Länder
bezogen breit aufstellen. So können regionale
Risiken vermindert und Abhängigkeiten verhin-
dert werden. Wir werden aber einen Schritt nach
dem anderen machen. In den kommenden Jahren
werden wir uns darauf konzentrieren, die begon-
nenen Aktivitäten auszubauen und die VNG Norge
in Norwegen sowie den angrenzenden Gebieten
der Nordsee weiter zu stärken. Ein erster großer
Erfolg war hier zweifelsohne die Gründung der
VNG Danmark und die Erweiterung des Lizenz-
portfolios durch Lizenzen auf den Dänischen
Kontinentalschelf. Soweit es den Britischen und
den Niederländischen Kontinentalschelf betrifft,
beobachten wir diese und prüfen Optionen, von
denen wir ausgehen, dass sie in unser Portfo-
lio und zu unserer Strategie passen könnten.
Dabei können wir uns auch Kooperationen mit
interessierten Partnern aus der Energiebranche
vorstellen. Verschiedene Gespräche wurden
bereits geführt.
Was die Upstream-Aktivitäten in anderen geo-
logisch attraktiven Regionen wie Russland, Nord-
afrika oder dem Mittleren Osten anbelangt, liegen
diese aus den von mir genannten Gründen noch in
einiger Ferne. Das darf uns aber nicht davon ab-
halten, auch diese Regionen genauer zu beobach-
ten, denn das E&P-Geschäft ist ein langfristiges
Geschäft, welches auch einer nicht unerheblich
langen Anlaufzeit bedarf.
Herr Ludwig, vielen Dank für das Gespräch.
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Ardagh Glass-Niederlassung in Germersheim
Ein Werk mit glasklaren AussichtenDer Auftrag, erneut einen Industriekunden von VNG vorzustellen, machte den Fotografen Christian Schneider und mich von
Anfang an doppelt neugierig. Ein großer Glasproduzent und noch dazu etwa 500 Kilometer vom Leipziger VNG-Stammsitz
entfernt. Unser Ziel: Die Ardagh Glass-Niederlassung in Germersheim im Bundesland Rheinland-Pfalz. In unmittelbarer
Katzensprung-Nähe befinden sich die bekannte Domstadt Speyer und Ludwigshafen, nur ein wenig weiter das französische
Strasbourg.
Von Helmut Rosan, freier Redakteur (Text)
und Christian Schneider (Fotos)
Unsere Visite gründlich vorbereitet hat Björn Bode,
der für den Industriebereich des Düsseldorfer
VNG-Büros zuständig ist. Der 38-jährige Bode ist
ledig, ein sportlich agiler Typ. Seit Beginn der Libe-
ralisierung des Gasmarktes ist er in verschiedenen
Positionen und Regionen im Verkaufsbereich des
Gasgeschäfts tätig, seit dem 1. November 2009
bei VNG. Hier hat er über 300 potenzielle Kunden
zu betreuen. Ein weites Feld, das keine Zeit lässt,
körperlich und geistig Fett anzusetzen. In der
knappen Freizeit kocht er gern für Freunde und
betreibt Fitness-Training.
Zu Gast bei Ardagh Glass
Gemeinsam fahren wir zur Ardagh Glass-Produkti-
onsstätte am Rand von Germersheim. Hier werden
wir von Dirk Rademacher, dem Operations- Mana-
ger, erwartet. Rademacher zählt 43 Jahre, ist von
Ardagh Glass aus der Vogelperspektive.
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freundlich zupackender Art und lässiger Eloquenz.
Er stellt uns mit kurzen und bündigen Sätzen das
Unternehmen vor.
Seit der Gründung als „Irish Glass Bottle Company“
1932 hat sich die jetzige Firma Ardagh Glass zu
einem der größten Hersteller von Verpackungsglas
in Europa entwickelt. Rund 6 500 Mitarbeiter
sind in diesen Betrieben beschäftigt und mehr
als 13 Milliarden Glasbehälter werden jährlich
hergestellt. Der Gesamtumsatz betrug im Vorjahr
ca. 1,35 Mrd. Euro.
Die deutsche Tochtergesellschaft ist Ardagh Glass
GmbH mit Stammsitz in Nienburg (Niedersach-
sen). Das Unternehmen bietet seinen Kunden ein
vielfältiges Behälterglas-Sortiment: vom Marme-
ladenglas über Bier- und Weinflaschen bis hin
zu Glasverpackungen für die Pharmaindustrie.
Darüber hinaus ist Ardagh Glass ein Spezialist
bei der Produktion von Leichtglasbehältern, die
bereits über 50 Prozent der Produktion ausmachen.
Zur Ardagh Glass gehört auch HEYE International
GmbH, ein Anbieter von Maschinen und Ausrüs-
tungen für die Behälterglasindustrie mit Sitz in
Obernkirchen. Hier hat auch die Schaumburger
Formenbau GmbH ihren Sitz, die Zubehör für die
Glasindustrie liefert.
Ergänzt wird die Produktpalette durch ein umfang-
reiches Dienstleistungsprogramm in Europa. Es
um fasst Glasveredelungen, Beschichtungen sowie
verschiedene Dekorationstechniken.
Ardagh Glass GmbH produziert an acht Standorten
mit ca. 2 000 Mitarbeitern. Dazu zählen die Werke
in Nienburg, Obernkirchen, Bad Münder (jeweils in
Niedersachsen), Lünen (Nordrhein-Westfalen), Ger-
mersheim (Rheinland-Pfalz), Wahlstedt (Schleswig-
Holstein) sowie in Drebkau und Neuenhagen in Bran-
denburg. Dirk Rademacher betont mit sichtlichem
Stolz: „Ardagh Glass ist wegen der ausgezeichneten
Qualität bei der Glasherstellung weltweit bekannt
und deshalb für viele der international bedeutenden
Lebensmittel- und Getränkemarken der bevorzugte
Lieferant.“ Rademacher ist seit 24 Jahren bei Ardagh
Glass beschäftigt und seit anderthalb Jahren in
leitender Position hier in Germersheim, wo seit
1970 Glas hergestellt wird. Am hiesigen Standort
sind 245 Mitarbeiter tätig. Pro Jahr werden für die
Produktion 550 Mio. kWh Erdgas benötigt. Seit dem
1. Oktober 2010 wird dieser umweltfreundliche
Energieträger von der Leipziger VNG geliefert.
Besichtigung vor Ort
Dirk Rademacher bittet uns zum Betriebsrundgang.
Vorher werden wir gemäß den strengen Arbeits-
schutzbestimmungen mit einem Helm, Schutzbrille,
einem Paar Ohrstöpsel und Arbeitsjacke ausgerüs-
tet. Auf dem Weg vom Verwaltungsgebäude zur rie-
sigen Produktionshalle sind auf einem großflächigen
Foto, das die ganze rechte Wandseite einnimmt, die
fröhlich lächelnden Gesichter etlicher Mitarbeiter
abgelichtet. Starke Unternehmenskultur wird bild-
lich demonstriert. Dass dem hier tatsächlich so
ist, erleben wir wenig später auf Schritt und Tritt.
Überall werden wir freundlich lächelnd gegrüßt,
Rademacher wird häufig mit festem Handschlag
empfangen. Kein abgehobenes Boss-Gehabe, der
Mann gehört spürbar fest zur Mannschaft.
Auf einer Produktionsstrecke von etlichen hun-
dert Metern, die ein wenig an ein kurvenreiches,
überdimensionales Fließband erinnert, werden
aus den Ausgangsstoffen über die verschiedenen
Bearbeitungsstufen (z. B. die Schmelzwanne) so-
zusagen an einem Stück und bis zum so genannten
„Kalten Ende“ die Glasprodukte gefertigt. Dirk Rademacher (re.) und Björn Bode im Gespräch.
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Fortsetzung von Seite 13
Ein Werk mit glasklaren Aussichten
Draußen erfreuen uns hochsommerliche Tempera-
turen, hier drinnen ist es für uns Ungeübte nun nicht
gerade höllenheiß, aber zumindest empfinden wir
die Hitze als tropisch. Moderne Technik inklusive
Computersteuerung und Bildschirmüberwachung
verbietet zwar Höllenlärm, aber recht lautstark
geht es dennoch zu. Die Ohrstöpsel sind also
vollkommen berechtigt, die akustische Verstän-
digung etwas kompliziert.
An unserem Besuchstag sehen wir Tausende
Flaschen jedweder Größe. Vor allem Wein- und
Champagnerflaschen werden produziert.
Die übergroße Anzahl der 245 Beschäftigten
arbeitet ohne Produktionsstopp rund um die
Uhr. Tag für Tag. Monat um Monat. Jahr für Jahr.
Das ist schon eine sehr beeindruckende Leistung
und für uns Laien ein überwältigendes Erlebnis.
Hut – pardon: Schutzhelm – ab! Wir sehen bei
unserem Rundgang nur eine junge Frau. Sie ist
klein und zierlich, macht aber dennoch einen
resoluten Eindruck. Sie arbeitet ausschließlich
in der Tagschicht. Außer ihr sind hier nur weitere
drei Damen in der Verwaltung beschäftigt. Wohl
nicht nur Dirk Rademacher findet diesen Umstand
sehr bedauerlich, zeigt aber Verständnis. Schicht-
arbeit ist mal eben – trotz aller organisatorischen
Möglichkeiten – nicht besonders frauen- und
familienfreundlich.
Der Fotograf ist rundum fasziniert und bienen-
fleißig auf Motivsuche, Björn Bode verabschiedet
sich zu seinem nächsten Termin und ich ziehe
mich in ein ruhiges Zimmer im Verwaltungstrakt
zurück und mache mir beim Genuss eines ange-
nehm kühlen Mineralwassers erste Notizen über
das eben Erlebte. Eine gute halbe Stunde später
Die Glasschmelze wird per Computer überwacht. Die Produktionsstrecke erinnert an ein überdimensionales Fließband.
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kommen mit erhitzten Gesichtern Rademacher
und der Fotograf zurück. Nach kurzer Absprache
verabschieden wir uns voller Dankbarkeit für
die Gastfreundschaft von Dirk Rademacher und
seiner Mannschaft. Wir geben am Einlass unsere
Besucherkarten ab, stehen am Parkplatz vor dem
Werkstor und sind bereit für eine Entdeckungstour
durch Germersheim.
Ein Blick in die Geschichte von Germersheim
Die Stadt liegt direkt am linken Rheinufer (in der
Rheinebene), zwischen Ludwigshafen/Mann-
heim und Wörth am Rhein, ca. 15 km südlich
von Speyer. Auf der anderen Rheinseite liegt
Philippsburg. Die Gemarkung erstreckt sich auf
die rechtsrheinische Insel Elisabethenwörth. Im
Gegensatz zu den meis ten Städten, die an einem
Grenzfluss liegen, ist die Stadtgebietsgrenze,
die in diesem Fall auch die rheinland-pfälzische
Grenze zu Baden-Württemberg ist, nicht in der
Flussmitte, sondern erstreckt sich auf das rechts-
rheinische Ufer. In Germersheim leben derzeit
knapp 22 000 Einwohner.
Zur Zeit der Eroberung Galliens durch Gaius Julius
Caesar lebten in der Region Germersheim die
Volksstämme der Triboker oder Wangionen. Nach
der Eroberung bildet die Provinz Germania Superior
mit dem Rhein die Grenze des römischen Reiches
gegen Germanien. Später wurden noch kleinere
Teile östlich des Rheins erobert und zur römischen
Provinz Agri decumates. Nachdem fränkische und
alemannische Stämme diese Provinz bedrängten,
wurde sie im Jahr 276 aufgegeben und der Limes
an den Rhein zurückverlegt. Die Römer errichteten
am Ort des heutigen Germersheims ein befestigtes
Soldatenlager zur Sicherung dieser Grenze. Nach-
dem im Jahre 405 die Ostgoten in Italien eingefallen
waren, wurden 406 die römischen Truppen aus
der Pfalz abgezogen.
Kaiser Konrad II. ließ am Hochufer des Rheins an
der Stelle des heutigen Germersheims eine Burg
bzw. ein Schloss errichten. Der Name Germers-
heim wird das erste Mal 1090 in der Sinsheimer
Chronik als „Germaresheim“ („Heim des Speer-
mächtigen“) urkundlich erwähnt. Der Ort erhielt am
18. August 1276 durch König Rudolf von Habsburg
die Stadtrechte verliehen. Mit diesem Akt wurde
die Geschichte der Stadt nachhaltig beeinflusst.
Nach den großen Katastrophen des ausgehenden
Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, nach
Pest und Dreißigjährigem Krieg, war die Bevölke-
rung auf wenige Familien geschrumpft. Weitere
Zerstörungen erfuhr die Stadt im Rahmen des
Französisch-Niederländischen Krieges durch fran-
zösische Truppen im Jahre 1674, die auch das von
Konrad II. errichtete Königsschloss zerstörten.
Lediglich die Krypta und die Grundmauern der
katholischen Kirche widerstanden dem Feuer. 1699
siedelten sich die Franziskaner in Germersheim
an und blieben bis 1793. Bei Germersheim fand
am 5. Juli 1793 eine Schlacht des französischen
Revolutionskrieges statt. Die österreichischen
Truppen schlugen dabei das französische Heer
zurück und vereitelten damit den Entsatz von Mainz.
In den Jahren 1921 und 1922 wurde die Festung,
wie im Versailler Vertrag festgelegt, geschleift. Le-
diglich kleine Teile der eigentlichen Festungsanlage
blieben erhalten. Bis 1930 die Siegermächte des
Ersten Weltkrieges ihre Besatzungstruppen aus
Deutschland zurückzogen waren in Germersheim
französische Truppen stationiert. Glasbruch, der wieder verwendet wird.
Vitrine mit Produkten von
Ardagh Glass.
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Schon 1936 wurde Germersheim erneut Garni-
sonsstadt. Im Zweiten Weltkrieg waren Teile der
berüchtigten Strafdivision 999 hier stationiert.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden wieder
Truppen stationiert, zuerst amerikanische, später
auch deutsche Einheiten. In Germersheim gab es
fünf Kasernen der Bundeswehr. Heute beherbergt
Germersheim ein Bataillon der Luftwaffe. Das Ende
des Warschauer Pakts führte zu einer merklichen
Reduzierung der amerikanischen und deutschen
Truppen in Deutschland und besonders in der
Pfalz, die auch Germersheim betraf.
Germersheim bietet Interessantes
mit perfekter Gastfreundschaft
Die Stadt beherbergt das Deutsche Straßenmu-
seum. Das Stadt- und Festungsmuseum Germers-
heim dokumentiert vor allem die Geschichte der
Stadt, aber auch die der ehemaligen Festung
und Garnison. Neben der Geschichte des Militärs
in Germersheim werden ebenfalls zivile Aktivi-
täten dargestellt, wie z. B. Ziegelindustrie, Rhein-
fischerei, Tabakverarbeitung, Schnapsbrennen,
Schuhmacherei, Druckerei und Buchbinden sowie
Emailschilder-Fabrikation.
Auf der Insel Grün betreibt die Daimler AG mit dem
Global Logistics Center das weltweit größte Lager
der Automobilbranche.
Germersheim ist Hauptsitz der Nolte-Gruppe.
Die Nolte-Möbel GmbH & Co. KG ist einer der be-
deutendsten Hersteller von Schrank- und Schlaf-
zimmerprogrammen. Auch ansässig ist die Nolte
Holzwerkstoff GmbH & Co. KG. Hier befindet sich
des Weiteren ein Produktionsstandort der Smurfit
Kappa, das Wellpappenwerk Germersheim, der
Zentralversand der Kosmetik-Firma Yves Rocher
für Deutschland und etliches mehr.
Das Stadthaus ist eines der ältesten noch bestehen-
den Gebäude der Stadt. Es wurde 1740 errichtet.
Ab 1815 war es Garnisonskommandantur, wurde
Fortsetzung von Seite 15
Ein Werk mit glasklaren Aussichten
Eingang zur ehemaligen Festung.
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jedoch 1892 zum Offizierskasino umfunktioniert.
1972 wurde es zum Rathaus, behielt jedoch, wohl
aus Unterscheidungsgründen zum Alten Rathaus
in der Marktstraße den Namen Stadthaus. Noch
heute kann man Teile der alten Festung Germers-
heim besichtigen.
Entlang einiger ehemaliger Festungsanlagen be-
finden sich öffentlich zugängliche Grünflächen,
denen die Stadt ihr insgesamt sehr grünes Er-
scheinungsbild verdankt.
Auf den Straßen, Plätzen und Parks sind auffällig
viele Mitbürger mit Migrationshintergrund sowie
Ausländer zu sehen. Viele davon studieren am
hiesigen Fachbereich Angewandte Sprach- und
Kulturwissenschaft der Johannes-Gutenberg-
Universität Mainz.
Nach Werksbesichtigung, Verschnaufpause am
Strand des hier herrlich breiten Rheins mit starker
Strömung und einem Stadtrundgang sind wir
rechtschaffen erlebnissatt, leicht fußmüde und
ob der Hitze auch durstig. Also pausieren wir im
Gartenlokal unseres Hotels. Es ist ziemlich ruhig.
Außer uns nur zwei US-amerikanische Monteure
und zwei Paare mit verdächtig sächsischem Idiom,
die zu Abend essen. Wir kommen schnell und
herrlich unkompliziert mit unserem Wirtspaar,
Herrn und Frau Schleicher, ins Gespräch. Er schon
67 Jahre, ein gelernter Koch, trotz der örtlichen
Militärtraditionen sei er keineswegs mit dem
berüchtigten, erzkonservativen General von
Schleicher verwandt, eher schon mit „Schmidt-
chen Schleicher“. Sie um etliches jünger, eine
ehemalige Krankenschwester, quicklebendig.
Lebhafte Gespräche mit rheinischem Frohsinn
und sächsischem Optimismus über Gott und die
Welt, die deutsche Einheit und wie wir sie erleben.
Sie geben eine Runde, wir geben eine Runde. Wir
verstehen uns prächtig. Die Zeit vergeht und bevor
die Fußball-Weltmeisterschaft an den riesigen
Flachbildschirm ruft, ist der Fotograf Christian
Schneider so begeistert, dass er die Schleichers
spontan zum Besuch Leipzigs einlädt. Dieser
Einladung schließe ich mich an. Sie wollen es sich
überlegen. Auch das sind glasklare Aussichten.
Der Rhein bei Germersheim.
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Erdgastechnik
Zwei in einemDie Nachfrage nach effizienten Wärmeerzeugern wächst. Die Ursachen
sind ein größeres Umwelt bewusstsein sowie langfristig deutlich
steigende Energiekosten. Vor allem Wärmepumpen profitieren von
dieser Entwicklung – mit der Gas-Wärmepumpe steht eine innovative
Lösung in den Startlöchern.
Von Peter Kuhl, Buderus
Ein Grund für den Boom von elektrisch betriebenen Wärmepumpen:
ihre hohen Arbeitszahlen von etwa drei bis vier. Je nach Wärmequelle
stellen sie drei- bis viermal so viel Heizwärme bereit, wie sie elek-
trische Arbeit zu deren Gewinnung benötigen. Der Wirkungsgrad bei
der Herstellung von Strom beträgt etwa 36 Prozent. Bei einer mittleren
Jahresarbeitszahl der Elektro-Wärmepumpe von 3,5 ergibt das im Mittel
einen Wirkungsgrad von 125 Prozent. Die Wärmepumpentechnik lässt
sich jedoch hinter noch effizientere Energieträger schalten.
Beispiel Gas-Wärmepumpe: Sie ist zwar noch im Entwicklungsstadium,
nutzt aber – wie auch die Elektro-Wärmepumpe – durch Verdampfen und
Kondensieren die Aggregatzustandsänderung eines Stoffes zur Anhebung
des Temperaturniveaus. Der Verdichter wird bei der Gas-Wärmepumpe je-
doch nicht elektrisch angetrieben, sondern thermisch mittels Gasbrenner.
Außer dem Kondensator dient auch der Gasantrieb als Wärmequelle und
ermöglicht ein relativ hohes Temperaturniveau. Die aktuellen Geräte sind
160 Kilogramm schwer, so groß wie ein Kühlschrank (520 x 520 x 2000 mm,
L x B x H) und produzieren stufenlos modulierend 4 bis 10 kW Wärme
beziehungsweise Warmwasser. Der Clou: Das System funktioniert
ohne bewegte Teile. Deshalb ist diese Technik besonders wartungs-
arm, wirtschaftlich und langlebig. Darüber hinaus arbeiten die Gas-
Wärmepumpen äußerst geräuscharm und eignen sich besonders für
die Aufstellung im Wohnbereich.
Die Gaswärmepumpe von
Buderus soll Ende 2011 auf
den Markt kommen.
Effizienzvergleich unterschiedlicher Wärmeerzeugungsmöglichkeiten.
Heizung mit Primär-energie-einsatz
Primärenergie (kWh/a) bei Jahresheiz-
energiebedarf von 10 500 kWh/a
Spezifische CO2-Emissionen
(kg CO2/kWh Primärenergie)
CO2-Emissionen (kg CO2/a)
Strom 278 % 29 190 0,20 5 838
Heizöl EL 117 % 12 285 0,26 3 194
Erdgas 109 % 11 445 0,20 2 289
Strom-WP 84 % 8 820 0,20 1 764
Gasabsorptions-WP 84 % 8 400 0,20 1 680
Gasmotor-WP 67 % 7 035 0,20 1 407
19 medium gas | 2010.3
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Wirkungsgrad von bis zu 135 Prozent
Das größte Plus von Gas-Wärmepumpen ist ihre
hohe Energieeffizienz. Gut ausgelegte Anlagen re-
duzieren mit ihrem deutlich höheren Wirkungsgrad
von bis zu 135 Prozent den Erdgasverbrauch – und
damit auch die Kosten – um bis zu 30 Prozent ge-
genüber einem modernen Gas-Brennwertkessel.
Gleichzeitig reduzieren Gas-Wärmepumpen den
CO2-Ausstoß und erfüllen so klimapolitische An-
forderungen. Durch Kombination mit erneuerbaren
Energien, beispielsweise Solarwärme, lässt sich
die Energieeffizienz in Verbindung mit Gas-Wär-
mepumpen weiter verbessern.
Konstruktionsbedingt haben Gas-Wärmepumpen
geringere Arbeitszahlen als Elektro-Wärmepum-
pen – rund 1,5. Für 10 kW Wärme muss der
Gasbrenner also gut 6 kW leisten. Allerdings
ist die Wärmeerzeugung mit Gas wesentlich
effizienter als mit Strom. Damit ist der Wirkungs-
grad der Gas-Wärmepumpe unterm Strich einige
Prozentpunkte höher als beim Elektro-Pendant.
Durch den hohen Anteil des Gasbrenners an der
Wärmeerzeugung lassen sich Vorlauftempera-
turen von bis zu 70 Grad Celsius wirtschaftlich
realisieren. Dadurch kann man in viel mehr Fällen
außer einem hohen Warmwasserkomfort auch
das vorhandene Wärmeverteilsystem inklusive
herkömmlicher Heizflächen im Bestand beibehal-
ten. Mit Luft als Wärmequelle sind so selbst im
Winter bei niedrigen Außentemperaturen noch
hohe Wirkungsgrade und eine effiziente Heiz-
lastabdeckung möglich. Das ist wichtig, wenn
beispielsweise Grundwasser und Erdreich im Be-
stand als Wärmequelle nur schwer anzapfbar sind.
Im Falle einer Bohrung bieten Gas-Wärmepum-
pen ebenfalls Vorteile, denn die Sondenlängen
Schematische Darstellung der Funktionsweise einer Wärmepumpe
Die CO2-Emissionen im Vergleich: Gas-Wärmepumpen schneiden
am besten ab.
CO2-Emissionen Normnutzungsgrad in %
Quelle: www.asue.de
Umstellbrand-und Wechsel-brandkessel
70
Gas-Wärmepumpe
190
Brennwert-kessel
110
Nieder-temperatur-
kessel
95
Öl-/Gas-Spezialkessel
(Konstant-temperatur-
Kessel)
85
Grundlage: Enquete-Kommission | Quelle: www.erdgas.ch
200
150
100
50
0
400
300
200
100
0
Steinkohle-Ofen
392
Öl-brennwert
304
Gas-brennwert
219
Gas-Wärmepumpe
150
Wärmezufuhr von Wärmequelle,z. B. Erde
75 %
Antriebsenergie(Strom)
25 %
Wärmeabgabean Heizungsanlage
100 %
+ 2 °C Verdampfer – 2 °C Kompressor + 27 °C Kondensator + 35 °C
0 °C (2,8 bar) 88 °C (23,5 bar)
– 4,5 °C (2,8 bar) 50 °C (23,5 bar)
Expansionsventil
20 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature
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Eine Buderus Gas-Wärmepum-
pe bei geöffneter Verkleidung.
können um rund 50 Prozent geringer ausfallen
als bei Elektro-Wärmepumpen.
Bei Gas-Wärmepumpen – wie bei jeder anderen
Wärmepumpenanlage auch – ist die Energieeffi-
zienz von der jeweiligen Quelle für Umweltenergie
abhängig. Erdwärmesonden oder Erdkollektoren
erreichen die höchste Effizienz. Diese nimmt über
Solarkollektoren bis hin zur Energiequelle Luft
stetig ab. Allerdings sind die Unterschiede auf-
grund des geringeren Anteils von Umweltenergie
an der Gesamtleistung kleiner als bei der Elektro-
Wärmepumpe. Aus diesem Grund und wegen
ihrer durchschnittlichen Leistung von bis zu 9 kW
modulierend eignen sich Gas-Wärmepumpen
ebenso für den Einsatz im energetisch moderni-
sierten Altbau.
Zuverlässig und betriebssicher
Mit mehr als 15 000 Betriebsstunden im Feld
und 40 000 Betriebsstunden unter praxisnahen
Bedingungen im Labor konnte die Zuverlässigkeit
und Betriebssicherheit der Gas-Wärmepumpe der
1. Generation nachgewiesen werden. Es ist keine
nennenswerte Verringerung der energetischen
Effizienz im Langzeittest aufgetreten. Über alle
Anlagen hinweg wurde eine mittlere Jahresarbeits-
zahl von 1,16 im reinen Heizbetrieb gemessen.
Unter Einbindung einer solarthermischen Anlage
konnte bereits mit diesen Vorseriengeräten (Ab-
sorptionswärmepumpe mit Blasenpumpe) der
Grenzwert des EEWärmeG (Jahresarbeitszahl von
1,2) eingehalten werden.
Zweite Generation erreicht Jahresarbeitszahl
von mehr als 1,2
Unter Federführung der Anfang 2008 gegründeten
Initiative Gas-Wärmepumpe (IGWP) – einer Verei-
nigung der führenden deutschen Energieversorger
und Heiztechnik-Hersteller – läuft die Entwicklung
der zweiten Gerätegeneration. Ziel ist die Erhöhung
der Anlageneffizienz, speziell die Verbesserung
Fortsetzung von Seite 19
Zwei in einem
21 medium gas | 2010.3
4036 3735 38 39 41 42 43 44 45 47 4846 50 5149 5234333231 53 55 5654 58 5957 60
Peter Kuhl ist Produkt-
manager Wärmepumpen
bei Buderus Deutschland
Bosch Thermotechnik in
Wetzlar.
Unser Autor
des Wirkungsgrades der Warmwasserbereitung.
Denn mit sinkenden spezifischen Heizlasten
schlägt dieser überproportional zu Buche. Die
neue Generation unterscheidet sich von der ersten
Generation durch einen zusätzlichen integrierten
Kondensator zur Anhebung der Heizleistung,
eine Speichererhöhung von 120 auf 200 Liter
und die Einführung der Schichtenladespeicher-
Technologie für Gas-Wärmepumpen. Die Geräte
der 2. Generation erreichen die geforderten Werte
des EEWärmeG (Jahresarbeitszahl von 1,2) auch
ohne zusätzliche Maßnahmen wie die Einbindung
einer solarthermischen Anlage.
Integrierter Brennwert-Heizkessel
nicht nötig
Deshalb entfiel bei der neuen Gerätegeneration von
Buderus, die zur ISH 2009 vorgestellt wurde, der in-
tegrierte Brennwert-Heizkessel. Er ist nicht mehr nö-
tig, weil die Gas-Wärmepumpe seine Funktionen –
modulierender Betrieb, Trinkwassererwärmung und
Abdeckung der Spitzenheizlast – übernimmt. Vor
allem bei der Erwärmung des Trinkwassers arbeitet
die neue Gas-Wärmepumpe damit wirtschaftlicher
als die 1. Generation. Diese Fortschritte in Sachen
Leistung und Anlageneffizienz ermöglichen auch
den Einsatz von Gas-Wärmepumpen im Bestand.
Das bietet sich insbesondere wegen der zu errei-
chenden Vorlauftemperaturen von bis zu 70 Grad
Celsius an.
Derzeit laufen weitere umfangreiche Feld- und
Labortests. Die Technologie kann sich zu einer
echten Alternative für Ein- und Zweifamilienge-
bäude entwickeln. Denn sie stellt eine Symbi-
ose aus effizienter Gas-Brennwerttechnik des
Brenners der Gasabsorptions-Wärmepumpe und
aktueller Wärmepumpentechnik mit all ihren
Vorteilen dar.
Die Energie aus dem Boden kann über einen Erdwärmekollektor oder eine Erdwärmesonde gewonnen werden.
22 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature
24 2523 2615 16 172 3 21129 10 11 18 19 204 5 6 7 81 13 14 22 27 28 3029
VNG bündelt TrainingsprogrammeVNG bündelt ab sofort seine Trainingsprogramme für Führungskräfte, Energieverkäufer und Marketing-
mitarbeiter in Energieversorgungsunternehmen unter dem neuen Label „ENERGIE.training“. Damit führt
das Unternehmen die bisherigen Veranstaltungen von ERDGAS.training und Vertrieb.Consult zusammen.
Die ersten Veranstaltungen 2010/2011 stehen bereits fest:
Referenzobjekte gesucht für Feldtestversuche mit Gas-Wärmepumpen
VNG sucht im Rahmen von umfassenden Feldtest-
versuchen Referenzobjekte für den Einsatz von
Gas-Wärmepumpen. EVUs und ihre Endverbrau-
cher erhalten somit die Möglichkeit, moderne und
hocheffiziente Heiztechnologie als erste zu nutzen
und entsprechende Erfahrungen zu sammeln.
Die Gebäude sollten im erdgasversorgten Gebiet
liegen und möglichst ein Neubau sein bzw. einen
niedrigen Energiestandard aufweisen. Das heißt,
der Wärmebedarf des Objektes sollte bei etwa
10 kW(therm) liegen. Optimal wäre ein monova-
lenter Heizbetrieb mit überwiegender Fußboden-
oder Flächenheizung.
Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie unter www.verbundnetzplus.de
(Produktkommunikation › Kampagnen)
EVUs wenden sich bei Interesse bitte an Herrn Sandro Pautz, Telefon 0341 443-2370 | E-Mail [email protected].
Endverbraucher sollten direkt auf ihren Versorger zugehen.
Für Fragen und Anmeldungen zu den Veranstaltungen wenden Sie sich bitte an:
Kerstin Tümmler, Leiterin Dienstleistungsvertrieb bei VNG, Telefon: 0341 443-2998 | E-Mail: [email protected]
oder Ulrike Otto, Hauptreferentin Marketingkommunikation, Strategisches Marketing, Telefon: 0341 443-2832
E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen auch unter: www.verbundnetzplus.de
Führungskräfte und Mitarbeiter Energiewirtschaft/Technik
ENERGIE.training „Smart Metering “
30.11.2010 Leipzig, VNG
Führungskräfte und Mitarbeiter Energiewirtschaft/Technik
ENERGIE.training „Erdgas + Erneuerbare Energien – Modelle für die Zukunft“
01.03.2011 Leipzig, VNG
Führungskräfte (GF/Leiter Marketing und Vertrieb)
ENERGIE.training „Social Media“
17.03.2011 Berlin, Zentrum
23 medium gas | 2010.3
4036 3735 38 39 41 42 43 44 45 47 4846 50 5149 5234333231 53 55 5654 58 5957 60
Handelsblatt Jahrestagung EnergiewirtschaftDie 18. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirt-
schaft 2011 findet vom 18. bis 20. Januar 2011
in Berlin statt.
Die Veranstaltung richtet sich an energiewirtschaft-
liche und energiepolitische Entscheidungsträger
in Deutschland.
26. bis 28. Oktober 2010erdgas 2010 – 16. EUROFORUM-JahrestagungBerlinwww.erdgas-forum.com
26. bis 27. Oktober 20106. ICG Branchentreffen NetzeBerlin
28. Oktober 2010Vertrieb.Consult „Die Wohnungswirtschaft“Leipzigwww.vertrieb-consult.de
04. November 2010Absolventenmesse LeipzigLeipzig
04. bis 05. November 2010Kommunikationstreffen der PR- und Marketing-verantwortlichen der VNG-KundenLeipzigwww.vng.de
05. bis 06. November 2010Azubi- und Studententage Leipzig
14. bis 16. November 2010Erdgas Marketing TreffLeipzig
23. bis 24. November 201011. ICG-Stadtwerkekongress Multitalent StadtwerkMünchen
25. November 2010Vertrieb.Consult „Interaktives Intensivtraining“Leipzigwww.vertrieb-consult.de
30. November bis 01. Dezember 2010gat 2010 – Gasfachliche AussprachetagungStuttgartwww.gat-dvgw.de 30. November bis 02. Dezember 20107. Oldenburger GastageOldenburgwww.oldenburger-gastage.de
11. bis 13. Januar 2011Biogas-FachmesseLeipzigwww.biogastagung.de
17. bis 22. Januar 2011Bau 2011Münchenwww.bau-muenchen.de
18. bis 20. Januar 201118. Handelsblatt JahrestagungEnergiewirtschaft 2011Berlinwww.euroforum.de
21. bis 30. Januar 2011Internationale Grüne Woche BerlinBerlinwww.gruenewoche.de
25. bis 27. Januar 2011TerraTec – Internationale Fachmesse für Umwelttechnik und -dienstleistungenLeipzigwww.terratec-leipzig.de
25. bis 27. Januar 2011enertec 2011 – Internationale Fachmesse für EnergieLeipzigwww.enertec-leipzig.de
8. bis 10. Februar 2011E-world energy & water 2011Essenwww.e-world-essen.de
24. bis 27. Februar 2011Haus 2011Dresdenwww.baumesse-haus.de
Aktuelle Termine im nächsten Quartal
Die gat 2010 findet vom 30. November bis 1. De-
zember in Stuttgart statt.
Die Messe ist die wichtigste Veranstaltung der
Erdgasbranche in Deutschland. Sie bildet jedes
Jahr ein erstklassiges Forum zum brancheninternen
Austausch über alle technik- und innovations-
bezogenen Themen.
VNG auf der gat 2010:
Halle 4
Stand 4C51
Energie mit Zukunft – Zukunft mit EnergieWie sieht die Zukunft der Energieversorgung aus? Wie lange reichen die fossilen Energie träger
noch, wann wird es nur noch Strom und Wärme vom Acker geben? Wie muss ein heutiger Energie-
versorger im Jahr 2050 aufgestellt sein? Fragen über Fragen, die wir in dieser Ausgabe von
medium gas sicher nicht gänzlich beantworten können. Aber lassen Sie uns doch mal träumen –
und ein Bild von der Energiewelt schaffen, wie sie in 30 oder 40 Jahren aussehen könnte.
24 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature
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„Zukunft fängt mit Engagement an.“ Das müssen sich VNG und die Firma Kirsch gedacht haben, als
sie vor rund einem Jahr mit der Entwicklung eines neuartigen Mikro-BHKWs begonnen haben. Kirsch
arbeitet eigentlich vorrangig in der Entwicklung, der Fertigung und dem Vertrieb von Stromerzeu-
gern, mit dem Bau des Mikro-BHKWs betritt das Trierer Traditionsunternehmen aber nicht unbedingt
Neuland. Denn ein BHKW ist nichts anderes als ein Stromerzeuger, bei dem die Abwärme für die
Heizung und Warmwasserbereitung genutzt wird. Mittlerweile wurden übrigens die ersten Geräte auf
Herz und Nieren geprüft und der Bau der ersten 150 Feldtestgeräte gestartet. Noch in diesem Jahr
werden sie in der gesamten Republik eingebaut, ab kommendem Frühjahr soll es die Mikro-BHKWs
auch für Jedermann zu kaufen geben. Foto: Dirk Brzoska
25 medium gas | 2010.3
4036 3735 38 39 41 42 43 44 45 47 4846 50 5149 5234333231 53 55 5654 58 5957 60
„Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass jeder Haushalt ein Mikro-BHKW im Keller stehen hat“
Interview
Bei VNG beschäftigt sich ein ganzes Team an Experten mit der Forschung und Entwicklung von
innovativen Lösungskonzepten für neue, effiziente und umweltfreundliche Technologien auf dem
Gebiet der Erdgastechnik sowie der Energieumwandlung und -anwendung. medium gas sprach mit
Robert Scheler, Leiter Technologie Center bei VNG, über das, was uns zukünftig in der Energie-
versorgung alles erwarten könnte.
Herr Scheler, sind neue innovative Technologien
wirklich der Schlüssel zur Energieversorgung
der Zukunft?
Ich denke schon. Sie sind aus meiner Sicht eine
wichtige Möglichkeit, das Streben der Menschheit
nach immer mehr Luxus mit Bezahlbarkeit oder
Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Wir brauchen
Technologien, um zum Beispiel die Effizienz der
Anwendungen zu verbessern, um neue Energie-
quellen zu erschließen oder das Energiesystem in
Teilen von fossilen Energieträgern auf eine neue
Basis umzustellen. Energietechnologien sind damit
ein wichtiger Baustein für die Zukunft.
Aber längst nicht der einzige?
Nein. Ein anderer Schlüssel wäre zum Beispiel der
intelligentere Umgang mit Energie. Gedanklich
und argumentativ sind die Menschen schon im
Wasserstoffzeitalter, aber im Alltag verschwen-
den wir Energie an jeder Ecke. Nehmen wir das
Beispiel Tanken: Wenn man nicht krampfhaft
versuchen würde, noch mühsam einen halben
Liter „dazuzuklickern“, erspart man der Pumpe
in der Zapfsäule den hohen Anlaufstrom, den sie
für jeden Neustart braucht. Das ist ganz einfach
umsetzbar und spart Energie.
Kein schlechtes Beispiel, auch wenn es nicht
Ihrer Arbeitswelt entspringt. Ihr Technologie
Center beschäftigt sich ja eher mit innovativen
Erdgasprojekten.
Ja und nein. Natürlich arbeiten wir an Innovations-
projekten – angefangen bei neuer Wärmetechnik
über CO2-Speicherung bis hin zu Kraftwerkstech-
nologien. Aber das macht nur einen Teil unserer
Arbeit aus. Hauptsächlich beschäftigen wir uns
mit Themen wie Untergrundspeichern, der Zu-
standserfassung des Transportnetzes, Gasche-
mie, Biogaseinspeiseanlagen und allgemeinem
Projektmanagement für die VNG-Gruppe.
Aber gerade diese Mischung aus Praxis und For-
schung macht das Besondere bei uns aus; daraus
ergeben sich oft interessante Ansätze und Ideen,
die nicht vollkommen losgelöst von der Realität
sind.
Warum engagiert sich VNG so stark für Forschung
und Entwicklung und überlässt die Arbeit nicht
einfach den Spezialisten?
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen wollen wir
nicht auf die Lösungen anderer warten, wenn wir
ein technisches Problem sehen oder eine eigene
Idee haben. Das dauert uns oftmals viel zu lange
oder kommt gar nicht. Da formulieren wir den
Lösungsvorschlag und die Projektskizze lieber
selber und suchen uns dann einen kompetenten
Spezialisten. Zum anderen glaube ich, dass die
Praxistauglichkeit eines Energieunternehmens
in den sich schnell ändernden Märkten zukünftig
stärker von seiner Technologiefähigkeit abhängen
wird. Außerdem – das darf man auch nicht ver-
nachlässigen – haben Wirtschaftsunternehmen
eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung.
Gerade weil Forschungseinrichtungen und Uni-
versitäten über immer weniger Mittel verfügen,
sollte sich die Wirtschaft auf dem Forschungs- und
Entwicklungsfeld stärker einbringen.
Dieses Forschungsfeld ist durchaus sehr groß.
Allein die Bundesregierung weist sechs Themen-
schwerpunkte1 der nicht-nuklearen Energiefor-
schung aus. Wo sehen Sie derzeit den größten
Handlungsbedarf?
Ich würde jetzt nicht ein Thema gegen das andere
aufwiegen. Alle sind wichtig. Persönlich sehe ich
aber bei der effizienteren und emissionsärmeren
Stromerzeugung und der Energiespeicherung den
größten Handlungsbedarf.
Warum?
Effiziente Stromerzeugung heißt für mich emis-
sionsärmere Stromerzeugung. Wenn man mal
konzentriert den Stern-Report 2 liest, bekommt
diese diffuse Angst vor Klimawandel eine durchaus
erschreckende und reale Komponente, die sich
sogar in Euro beziffern lässt. Wir müssen wirklich
aufpassen, dass wir unseren Kindern nicht große
Probleme hinterlassen.
Energiespeicherung sehe ich dagegen als wich-
tig an, weil wir immer mehr erneuerbare Energie
einsetzen. Je mehr ich auf volatile Energie aus
Wind und Sonne setze, desto mehr muss ich für
den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage
sorgen. Die Speichertechnik ist sozusagen ein
strategisches Schlüsselelement, es sei denn, ich
schaffe große Überkapazitäten, was diese Energien
unnötig verteuern würde. Die Unternehmen der
Erdgaswirtschaften haben bei der Speicherung
von Energie großes Know-how, das kann zukünftig
ein großer Vorteil sein.
Das Technologie Center ist der zentrale Bereich für die strategische und techno-
logische Weiterentwicklung der Anlagen- und Verfahrenstechnik bei VNG sowie
in Dienstleistung für Dritte. Der Bereich tritt beratend und projektbegleitend für
die Unternehmensgruppe sowie für externe Unternehmen auf und erstellt und
bewertet Analysen, Konzepte und Machbarkeitsstudien zu neuen Vorhaben.
Diese Projekte werden derzeit unter anderem im Technologie-Center bearbeitet:
– Koordinierung von 23 F&E-Projekten der VNG AG
– CCS-Aktivitäten der VNG
– Koordinierung Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit VNG/GAZPROM
– Mitarbeit bei der Initiative Gaswärmepumpen (IGWP)
– Mitarbeiter am Callux-Programm (Brennstoffzellen)
– Entwicklung von Mikro-BHKW sowie Begleitung der Demophase
– Technische Begleitung von Kraftwerksprojekten
– Projektmanagement im Bereich von Bioerdgasanschlüssen sowie deren
technische Prüfung
– Untersuchung und Zustandsermittlung von Rohrleitungen
– Prüfung neuer Speicherprojekte
– Unterstützung Speicherausbau- und Reparaturprojekte
1 1. Moderne Kraftwerkstechnologien, 2. Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme 3. Brennstoffzelle, Wasserstoff 4. Effiziente Stromnutzung, Speicher 5. Energieoptimiertes Bauen 6. Energieeffizienz in Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen
2 Der Stern-Report (englisch Stern Review on the Economics of Climate Change) ist ein am 30. Oktober 2006 veröffentlichter
Bericht des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen und jetzigen Leiters des volkswirtschaftlichen Dienstes der britischen Regierung
Nicholas Stern. Der im Auftrag der britischen Regierung erstellte rund 650 Seiten starke Bericht untersucht insbesondere die
wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung.
Fortsetzung von Seite 27
„Wenn ich mir etwas wünschen könnte ...“
Beim Einsatz fossiler Energieträger wie Erdgas
dominiert derzeit das Thema Mini-Blockheiz-
kraftwerk. Eine ausgereifte Technik, die jeder in
seinem Haus stehen haben sollte?
Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass
jeder Haushalt ein solches Gerät im Keller stehen
hat. Warum soll eine Heizung nicht auch als „Abfall-
produkt“ Strom produzieren? Wirtschaftlicher und
effizienter kann man Erdgas doch nicht einsetzen.
Und ja – die Technik ist ausgereift. Das Prinzip kennt
man schon so lange wie es Verbrennungsmotoren
gibt. Letztlich ist ein BHKW nichts anderes als
ein Auto ohne Räder – durch Verbrennung eines
Brennstoffs wird mechanische Energie und Wärme
für Heizzwecke gewonnen.
Warum klaffen Wunsch und Wirklichkeit beim
BHKW im Haushalt dann noch so weit auseinander?
Weil die Geräte derzeit noch zu teuer gegen-
über herkömmlichen Heizungssystemen sind. Für
Gaswirtschaft und Gerätehersteller geht es jetzt
darum, die Lösung so preisgünstig wie möglich
zu produzieren. Hier bin ich besonders stolz auf
die Eigenentwicklung von VNG, die den Zielen mit
intelligenten Lösungen Rechnung trägt. Wir haben
in den vergangenen 10 Jahren einen Geräteprototyp
entwickelt und getestet, den die Firma Kirsch in
weniger als zwei Jahren zum Seriengerät gemacht
hat. Das neue Mikro-BHKW verwendet Industrie-
komponenten, ist damit auch deutlich preiswerter
als andere Geräte. Außerdem spart unser Mikro-
BHKW in einem Einfamilienhaus ungefähr 5 Tonnen
CO2 pro Jahr im Vergleich zu einer herkömmlichen
Heizung. Das kann sich sehen lassen.
Ein anderes Thema sind Brennstoffzellen. Die wer-
den als Energiequellen der Zukunft angepriesen,
weil sie mit Wasserstoff statt Erdgas laufen und
Wirkungsgrade jenseits der 95-Prozent-Marke
haben sollen. Sind solche Geräte noch ein weiter
Traum – oder werden sie bald zur Wirklichkeit?
Sie sind bereits Wirklichkeit – und laufen über einen
Reformprozess auch mit Erdgas. Im Rahmen des
Projektes Callux beteiligt sich VNG mit anderen
Energieversorgern und Geräteherstellern an einem
groß angelegten Feldtest. Wir haben erst kürzlich
in Weißenfels in Sachsen-Anhalt zusammen mit
den dortigen Stadtwerken eine Brennstoffzelle
in einem Einfamilienhaus eingebaut. Das Gerät
nutzt den Brennstoff Erdgas zu mehr als 90 % aus.
Das microBHKW L 4.12 ist ein autonomes stromerzeugendes Gas-Heizungs-
system. Schon das sehr kompakte Format und das niedrige Gewicht setzen neue
Maßstäbe. Es ist konzipiert für den Einsatz in Ein- oder Zweifamilienhäusern
mit einem Gesamtjahreswärmebedarf von 25 000 bis 30 000 kWh – und richtet
sich dabei explizit an ältere Gebäude mit technischem Sanierungsbedarf. Auch
Neubausiedlungen mit mehreren Niedrigenergiehäusern können zentral mit
einem microBHKW L 4.12 effektiv und kostengünstig versorgt werden.
www.kirsch-homeenergy.de
Das Kirsch HomeEnergy microBHKW L 4.12
Das klingt ja optimistisch. Trotzdem hört man von
vielen Problemen beim Brennstoffzellen-Projekt.
Es gibt derzeit aus meiner Sicht zwei große, noch
zu lösende Probleme. Zum einen sind die Pro-
duktionskosten für die Brennstoffzelle noch viel
zu hoch. Zum anderen können die benötigten
Mengen Wasserstoff noch nicht wirtschaftlich
hergestellt werden. Man bräuchte alleine 130 000
Windräder mit 1 MW, um über Elektrolyse die En-
ergiemenge an Wasserstoff zu erzeugen, die VNG
jährlich als Erdgas absetzt. In ganz Deutschland
ist gegenwärtig noch nicht mal ein Viertel dieser
Menge installiert.
Lassen Sie uns den Blick in die weitere Zukunft
werfen: Gibt es in zwanzig Jahren noch den Brenn-
wertkessel oder stehen in jedem Haus Mini-BHKWs
und Brennstoffzellen?
Ich denke, es gibt Brennwertthermen gekoppelt
mit Solaranlagen, BHKWs, Brennstoffzellen und
Wärmepumpen. Es wird ein Mix von Systemen
sein. Ich glaube aber, dass die Abrechnung in
Echtzeit laufen wird, dass die Systeme im Haus
intelligent verknüpft sind und viele Wohngebäude
klimatisiert sind. Außerdem werden die stromer-
zeugenden Heizungen zusammengeschaltet, so
dass die ersten virtuellen Kraftwerke existieren.
Und in 50 Jahren – wird es dann ganz andere,
heute noch nicht bekannte Technologien geben?
Das ist schwer zu beantworten. Es wird sicher
Entwicklungen geben, die wir heute noch nicht
voraussehen. Wer hätte 1960 schon den Mobilfunk
und die damit verbundenen Entwicklungen voraus-
gesagt? Selbst Gottlieb Daimler meinte, dass die
weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen nie die
Grenze von einer Million überschreiten würde –
schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.
Dann müssen wir uns wohl überraschen lassen.
Herr Scheler, ein anderes Stichwort sind Kraft-
werke der Zukunft. Schon heute haben moderne
GuD-Kraftwerke einen Wirkungsgrad von 58–59 %.
Im Vergleich zu Kohlekraftwerken mit nur knapp
40 % Wirkungsgrad ist das zwar eine deutliche
Steigerung, trotzdem muss doch auch hier noch
eine deutliche Verbesserung möglich sein?
Gas- und Dampf-Kombikraftwerke gehören heute
zu den effizientesten konventionellen Kraftwerken.
Noch dazu wenn man bedenkt, dass sie nur 37 %
der CO2-Emissionen eines Braunkohlekraftwerkes
erzeugen. Trotzdem lassen sich auch GuDs noch
verbessern.
Steigerungsmöglichkeiten sehe ich vor allem
im materialtechnischen Bereich. Je heißer der
Dampfprozess ist, desto höher die Energieaus-
beute. Einziger Wermutstropfen: Die verbauten
Materialien müssen diese Temperaturbelastungen
auch aushalten können. Werkstoffe mit hohem
Nickelanteil werden aber einiges möglich machen.
Callux ist der bundesweit größte Praxistest von Brennstoffzellen-Heizgeräten für das Eigenheim. Das Projekt wird gemeinsam von Partnern aus der Energiewirtschaft und Heizgeräteindustrie mit Unterstützung des Bundesminis teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) verfolgt. VNG ist Praxispartner im Feldtest. www.callux.net
Callux
Fortsetzung von Seite 29
„Wenn ich mir etwas wünschen könnte ...“
Sie haben das Thema CCS – die CO2-Abscheidung
in kohlebefeuerten Kraftwerken – gerade ange-
sprochen. Wie weit ist der Stand der Technik?
CO2-Transport und -Speicherung sind erprobte
Techniken. In Norwegen, Algerien und Kanada wird
das Gas seit Jahren in den Untergrund gepumpt,
in den USA existiert seit Anfang der 1970er Jahre
sogar ein über 5000 km langes CO2-Pipelinenetz.
Auch Vattenfall betreibt in Schwarze Pumpe schon
erfolgreich eine 30-MW-Demoanlage mit Oxyfuel-
Verfahren. In der EU werden 6 Projekte mit ins-
gesamt 1 Mrd. Euro gefördert, die ersten werden
ab 2015 die Gesamtkette von Abscheidung bis
Speicherung abbilden.
Die Technik ist vielversprechend und praxiser-
probt. Warum tut man sich in Europa trotzdem
so schwer damit?
Das hat viele Gründe. In den USA wird CO2 nicht
aus Klimaschutzgründen eingepresst, sondern zur
Erhöhung der Ölausbeute. Das Verfahren nennt
man Enhanced Oil Recovery.
Durch das Einpressen sinkt die Viskosität des
Erdöls, es kann mehr aus der Lagerstätte gefördert
werden. Eine gewisse Ironie besteht darin, dass
zum Einpressen Kohlendioxid aus überwiegend
natürlichen Quellen eingesetzt wird, um mehr Öl
zu fördern, welches dann wiederum für neue
Emissionen sorgt. Das CO2-Einspeiseprojekt auf
der Norwegischen Plattform Sleipner liegt offshore
und auch die Region in Salah in der algerischen
Wüste ist relativ unbewohnt. Europa ist dagegen
sehr dicht besiedelt. Das erhöht natürlich das
Konfliktpotenzial. Außerdem darf man nicht die
volkswirtschaftliche Komponente vergessen. Die
CO2 -Speicherung ist mit hohen Kosten verbunden.
Wenn aber nur die Unternehmen in Europa ihre
Emissionen reduzieren müssen, es jedoch keine
weltweiten Ziele für alle gibt, wandern energiein-
tensive Industrien und damit Arbeitsplätze einfach
ab. Die Gefahr besteht, dass wir unsere Emissionen
letztlich nur in andere Länder „exportieren“ und
in Europa gleichzeitig noch die höheren Preise
für nachhaltige Energien bezahlen. Das macht
für mich wenig Sinn.
In vielen Zeitungen und Zeitschriften liest man
derzeit vom „Smart Grid“ – dem intelligenten
Stromnetz, das Erzeugung, Speicherung und
Verbrauch miteinander vernetzt und steuert. Ist
das Modell auch auf die Gasnetze übertragbar?
Partiell sicherlich. Vor allem die vielen dezentralen
Einspeisepunkte zum Beispiel für Bioerdgas werden
zu Veränderungen führen. Auch die Rückspeisung
bei Überangebot an Bioerdgas in lokalen Netzen
in die Fernverteilerstufe wird zu prüfen sein.
Vielleicht wird es in Zukunft auch vollkommen
neue Produkte geben, die dem Kunden den Abruf
selbst erworbener Gasmengen zu jedem Zeitpunkt
ermöglichen. Unsere Gasinfrastruktur muss und
kann solche Visionen in Zukunft bewerkstelligen.
Die intelligente Speicherung von großen Strom-
mengen ist derzeit noch nicht wirklich möglich,
beim Erdgas aber schon. Kann die Gaswirtschaft
den „Stromern“ hier Hilfe anbieten?
Auf jeden Fall. Die Gasinfrastruktur ist schon
jetzt einer der größten Energiespeicher. Allein in
Deutschland sind es 217 Terawattstunden, das
Stromnetz kann gegenwärtig nur 0,07 Terawatt-
stunden (hauptsächlich mittels Pumpspeicher-
werken) speichern. Mit ihr könnten theoretisch
Schwankungen ausgeglichen werden, die bei
der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien
– Gottlieb Daimler war der festen Überzeugung, dass die weltweite
Nachfrage nach Kraftfahrzeugen nie die Grenze von einer Million
überschreiten würde – schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.
2007 gab es weltweit rund 918 Millionen Fahrzeuge*.
– Erstmals 1927 erscheint in einem Katalog der Firma Junghans eine Arm-
banduhr. In Fachkreisen beurteilt man es als „Modenarrheit, die Uhr an
der unruhigsten und den größten Temperaturschwankungen ausgesetz-
ten Körperstelle zu tragen.“ Die Experten prophezeien, dass die Armband-
uhr nur eine kurzfristige Modeerscheinung sei.“* Quelle: Wikipedia
Zwei markante Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass es schwierig
ist mit Prognosen für die Zukunft:
Berufsausbildung Bohrfacharbeiter mit Abitur, VEB Erdöl Erdgas
Grimmen | Studium Bohrtechnik & Fluidbergbau, TU Bergaka-
demie Freiberg | 1996–2004 Projektingenieur/Testingenieur
Untertagespeicher, UGS GmbH Mittenwalde | 2004–2006 Fach-
verantwortlicher Speichertechnik, VNG AG | seit 2006 Leiter
Technologie Center | seit 2009 Geschäftsführer Erdgasspeicher
Peissen GmbH
Unser Gesprächspartner
zwangsläufig entstehen. Ohne eine Lösung für das
Speicherproblem können erneuerbare Energien
auch bei intelligenter Netz- und Verbrauchersteue-
rung einen gewissen Anteil an der Stromerzeugung
nicht überschreiten.
Der langfristige Ersatz fossiler Energieträger
durch erneuerbare Energien steht außer Frage,
wenngleich der Zeitpunkt noch vage ist. Welche
Perspektiven und welches Potenzial sehen Sie
bis 2050?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Die Prognosen
für Deutschland reichen – zumindest bei der Strom-
erzeugung – von 100 % Erneuerbaren in 2050 bis
30 % Marktanteil. Ich tippe auf 60 % Erneuerbare,
der Rest wird durch fossile Energieträger gedeckt.
Energieforschung heißt eigentlich nicht nur, nach
neuen Erzeugungs- und Nutzungspfaden für Ener-
gie zu suchen, sondern auch die Energieeffizienz
zu fördern. Was tut sich hier aktuell am Markt?
Die Effizienz der Anwendungen hat sich in den
vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich erhöht
und wird es auch weiterhin tun. Die Entwicklungen
werden aber teilweise wieder konterkariert – vom
Streben nach Komfort und Luxus.
Wie meinen Sie das?
Nehmen wir das Beispiel Kraftfahrzeugsektor.
Was hier mittlerweile bei geringen Hubräumen
und Verbrauch an Fahrleistungen möglich ist,
wäre vor 30 Jahren noch unvorstellbar gewesen.
Die eigentliche Einsparung wird aber durch neue
Anwendungen wieder verbraucht, etwa durch
Klimaanlage oder Fensterheber. Beides gab es
früher nur vereinzelt, heute gehören sie zum
Standard. Anderes Beispiel ist die Erhöhung der
Motorleistung. Der Golf 1 mit 50 PS wurde längst
durch das Einsteigermodell mit 80 PS ersetzt,
bei vielen anderen Autos gilt das gleiche Prinzip.
Und was lernen wir daraus? Dass wir auf Luxusgut
verzichten sollten – der Umwelt zuliebe?
Ganz so drastisch würde ich es nicht formulieren.
Wir haben nun mal einen Lebensstandard, den
wir auch nicht wieder verlieren und sogar erhö-
hen wollen. Das geht mir nicht anders. Ich setze
persönlich aber stärker auf eine nachhaltigere
Energieerzeugung und einen bewussteren Um-
gang mit diesem Gut Energie. Immerhin können
wir als Anwender und Nutzer selbst die Effizienz
beeinflussen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Smart Grid
32 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature
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Zukunftsenergie
Von der Vision zur Wirklichkeit
Von Mandy Nickel, Redaktion
3 Kühe pro Haushalt – und die Wohnung
ist warm
Eine Kuh erzeugt täglich 80 Liter Gülle und rund
fünf Kilo organische Trockensubstanz. Das ent-
spricht dem Energiegehalt von 0,9 m3 Erdgas.
Nach diesem Rechenbeispiel vom Deutschen
Institut für Landmaschinentechnik und Regene-
rative Energien bräuchte ein durchschnittlicher
Haushalt mit 90 m2 Wohnfläche und 3 m3 Erdgas-
verbrauch drei Kühe, um den täglichen Heizungs-
und Warmwasser bedarf aus „100 Prozent Bio“
zu decken.
Die Vorstellung, dass jeder – oder zumindest
fast jeder – Haushalt sein eigenes Bioerdgas aus
Kuhmist produzieren kann, klingt witzig. Aber
erstens wird Bioerdgas nur zu einem kleinen Teil
aus Gülle erzeugt; der größere Anteil stammt
von nachwachsenden Rohstoffen. Und zweitens
sind wir von dieser Vision generell noch zu weit
entfernt.
Vision und Wirklichkeit klaffen noch
auseinander
In Deutschland waren nach Angaben des Bun-
desverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft
(BDEW) und des Deutschen Bauernverbandes
(DBV) im vergangenen Jahr 35 Biogasanlagen an
das Erdgasnetz angeschlossen. Rund 190 Millio-
nen Normkubikmeter Bioerdgas (ca. 2 Mrd. kWh)
hätten sie zwischen Januar und Dezember 2009
eingespeist. Im Vergleich zu den 891 Mrd. kWh,
die die Deutschen im vergangenen Jahr an Erdgas
verbraucht haben, scheint diese Zahl noch ver-
schwindend gering. Allerdings prognostizieren
Bioerdgas ist zwar keine Vision mehr, sondern längst Realität geworden. Um die Zielvorgaben der Bundesregierung bis 2030 zu erfüllen, müssen aber noch einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden.
+ + = ?
33 medium gas | 2010.3
4036 3735 38 39 41 42 43 44 45 47 4846 50 5149 5234333231 53 55 5654 58 5957 60
beide Verbände, dass 2010 weitere 30 Anlagen
hinzukommen und sich die gesamte Einspeise-
kapazität auf rund 380 Millionen Normkubikmeter
jährlich verdoppeln würde. Tendenz in den nächsten
Jahren weiter steigend.
Dem Ziel der Bundesregierung kommt die Branche
damit zwar näher, wenn auch nur in kleinen Schrit-
ten. In der kürzlich novellierten Gasnetzzugangs-
verordnung (GasNZV) fordert die Bundesregierung
eine Einspeisung von sechs Milliarden Kubikmeter
Bioerdgas bis 2020 und zehn Milliarden bis 2030
von der Energiewirtschaft. Bisher sind drei Prozent
der Menge erreicht.
Die Frage nach dem Warum steht damit zwangsläufig
im Raum. Wurden die Ziele unrealistisch aufgestellt?
Scheitert es am Willen der Energiebranche oder an
den Landwirten? Oder ist das Produkt einfach nicht
wettbewerbsfähig, weil gesetzliche Regelungen zu
komplex sind und Fördergelder nur eingeschränkt
vorhanden sind?
Politische Rahmenbedingungen
sind Hemmnis
Fakt ist: Der Großteil der rund 4 500 Biogasanlagen
in Deutschland erzeugt heute Ökostrom, ohne die
dabei anfallende Wärme zu nutzen. Dabei wären
die zentrale Nutzung in Form der Kraft-Wärme-
Kopplung oder die dezentrale Nutzung durch die
Einspeisung von Bioerdgas ins Leitungsnetz um
ein Vielfaches effizienter.
Andreas Jung, Geschäftsführer der Deutschen
Energie-Agentur (dena), ist sich sicher, dass vor
allem die gesetzlichen Regelungen auf Bundes-
ebene ein Hemmnis für den Anschluss der Anlagen
an das Erdgasnetz darstellen. In einem Interview,
das er dem Energie-Informationsdienst im Mai
dieses Jahres gegeben hat, nannte er zwei Faktoren:
Zum einen könne Bioerdgas nur in Verbindung mit
KWK zur Erfüllung der Gesetzespflicht geltend
gemacht werden, zum anderen beziehe sich das
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG)
nur auf den Neubausektor. Allenfalls in Baden-
Württemberg sieht die gesetzliche Landschaft
biogasfreundlicher aus, da auch im Wohnungs-
bestand eine Nutzungspflicht für zehn Prozent
erneuerbare Energien vorgeschrieben sei.
Bioerdgas für den Wärmemarkt
Nicht nur Jung kritisiert damit einen Tatbestand,
der das eigentlich große Potenzial von Bioerdgas
derzeit noch auf Sparflamme köcheln lässt. Auch
die Erdgasbranche macht seit Langem deutlich,
dass Bioerdgas mehr könne als ausschließlich
in KWK-Anlagen genutzt zu werden. Unter allen
erneuerbaren Energien ist es am vielseitigsten
verwendbar, beständig verfügbar und damit auch
grundlastfähig. Ein weiterer Vorteil: es kann ins
Erdgasnetz eingespeist, transportiert und wie
normales Erdgas unabhängig vom Produktions-
ort verwendet werden. Damit lässt Bioerdgas
viele Pfade offen: Es eignet sich für die Strom-
und Wärmeerzeugung in Blockheizkraftwerken,
kann zur reinen Wärmeerzeugung für Industrie-,
Gewerbe- und kommunale Betriebe sowie für
Privatkunden genutzt werden oder auch als Kraft-
stoff in Erdgasfahrzeugen dienen. Besser kann
man Energie nicht einsetzen, so das einheitliche
Credo der Branche.
Bioerdgas muss für vielseitige
Nutzungspfade offen sein
Umso deutlicher unterstreichen Unternehmen und
Branchenexperten ihre Forderungen, die tech-
nologischen Einsatzmöglichkeiten auszuweiten
und die Nutzungspfade für Bioerdgas zu öffnen.
Grünes Erdgas brauche einen Nachfragemarkt
und der könne – wie im Fall von erneuerbarem
Strom – ausschließlich durch politische Anreize
geschaffen werden. So müsse die Nutzung von
aufbereitetem Biogas in der Kraft-Wärme-Kälte-
Kopplung ebenso gefördert werden wie der Ein-
satz im Verkehrsbereich und in effizienten Heiz-
kesseln.
Ohne die Belebung des Wärmemarktes für Bio-
erdgas sieht sich die Erdgasbranche kaum in die
Lage versetzt, die politischen Mengenvorgaben der
Bundesregierung umzusetzen. Das betonte der
Branchenverband BDEW jüngst. „Aufgrund der
stagnierenden Nachfrage kommt es derzeit
zu keinem signifikanten Zubau von Bioerdgas-
Einspeiseanlagen. Wenn die politischen und recht-
lichen Rahmenbedingungen in der derzeitigen
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Form bestehen bleiben, werden die Mengenziele
nicht erreicht!“, hieß es in einem Positionspapier
an die Politik.
Baden-Württemberg geht mit
gutem Beispiel voran
Bisher hat die Branche nur Gehör in Baden-Würt-
temberg gefunden. Dort gilt sowohl im Neubau
also auch bei der Modernisierung im Bestand
eine Nutzungspflicht für erneuerbare Energien.
Im Bestand ist die Beimischung für Bioerdgas
bei Erdgasbrenngeräten und der Einsatz in KWK-
Anlagen erlaubt, im Neubau darf Bioerdgas in
KWK-Anlagen genutzt werden. Seit der Einführung
des regionalen Wärmegesetzes betont Baden-
Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner
immer wieder, dass es ein Erfolgsmodell sei. Es
ermögliche Landwirten, ein zweites Standbein
aufzubauen und trage dazu bei, dass erneuerbare
Energien marktfähig würden.
Dass die gesetzlichen Bestimmungen im Land
der „Häuslebauer“ durchaus greifen, zeigt allein
schon ein Blick auf die Entwicklung der Biogas-
branche. Aufgrund der Technologieoffenheit und
der klaren Förderpolitik sprießen die Anlagen
sprichwörtlich wie Pilze aus dem Boden. Auch
die Versorger spüren das deutliche Anziehen des
Nachfragemarktes. Eine Vielzahl von ihnen hatte
bereits im vergangenen Jahr eigene Vermarktungs-
offensiven für Bioerdgas gestartet, mittlerweile
bieten fast alle Versorger ein „grünes“ Produkt
für ihre Kunden an.
Bundespolitik ist uneinig
Nachdem das Gesetzesmodell in Baden-Würt-
temberg so erfolgreich verläuft, diskutiert man
auch in Berlin, Bremen und im Saarland über
vergleichbare regionale Wärmegesetze. Bisher
aber weitgehend ergebnisoffen. Die Meinungen in
der Bundespolitik gehen derweil auseinander. Es
wird eine Biomethan-Quote diskutiert, aber auch
eine bundesweite Regelung des Gebäudebestands
im EEWärmeG. Der wirtschaftspolitische Sprecher
der CDU/CSU, Dr. Joachim Pfeiffer, schlug sogar
vor, das Landes-Wärmegesetz Baden-Württemberg
für den Bund weiterzuentwickeln. Im Entwurf zum
neuen Energiekonzept der Bundesregierung sichert
die Bundesregierung hingegen lediglich eine
erneute Prüfung einer technologieoffenen Neu-
regelung des EEWärmeG zu. Gleichzeitig werden
die Vorzüge von Bioerdgas explizit erwähnt und
vor allem der Kraftstoffbereich als Nutzungspfad
hervorgehoben.
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ermöglicht
Marktperspektive für Bioerdgas
Obwohl man in Berlin noch Diskussionen über die
Veränderung der gesetzlichen Regelungen führt
und sich die Branche mit neuen Anschlussprojekten
zurückhält, können und wollen die Unternehmen
der Gaswirtschaft die Vermarktung von Bioerdgas
nicht gänzlich ausschließen. Immerhin sei der En-
ergieträger sehr umweltfreundlich – und deshalb
schon ausbaufähig. Bestes Beispiel ist VNG. Das
Unternehmen beschafft Bioerdgas unter anderem
im Rahmen einer langfristigen Liefervereinbarung
mit dem weltgrößten Produzenten NAWARO Bio-
Energie Park „Güstrow“ GmbH. Auch über die
Biogastochter BALANCE VNG Bioenergie GmbH
(BALANCE) ist der Leipziger Erdgasimporteur im
Biogasgeschäft aktiv.
Bei VNG ist man überzeugt: Bioerdgas mag viel-
leicht aufgrund seiner Produktionskosten preislich
höher sein als herkömmliches Erdgas. Wenn man
allerdings die Wirtschaftlichkeit für seine Anlagen
richtig berechnet und die Förderpolitik ausnutzt,
lohnt sich der Einsatz. Das Erneuerbare Energien
Gesetz (EEG) ermöglicht BHKW-Betreibern bei der
Nutzung von Bioerdgas höhere Erlöse als bei der
Stromeinspeisung. Gerade bei Bestandsanlagen,
deren Förderung nach KWK-Gesetz (KWKG) ausläuft
oder bereits ausgelaufen ist, stellt die Umstellung
Fortsetzung von Seite 33
Von der Vision zur Wirklichkeit
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auf Bioerdgas häufig eine lohnende Alternative
dar. Dies betrifft „neue Bestandsanlagen“, wel-
che bereits seit Ende 2009 nicht mehr gefördert
werden sowie „modernisierte“ und „neue kleine
Anlagen“, die noch bis Ende 2010 eine Förderung
nach KWKG erhalten.
Herkunftsnachweis soll Förderanträge und
Handel vereinfachen
Pauschalisieren lasse sich diese Förderfähigkeit
allerdings nicht. Denn um die Fördergelder für
Biogas oder Bioerdgas in Anspruch zu nehmen,
die unter anderem im EEG, im EEWärmeG oder im
Biokraftstoffquotengesetz verankert sind, müs-
sen die Eigenschaften des Gases dokumentiert
werden. Bei der Verwendung von Bioerdgas im
Blockheizkraftwerk muss der Anlagenbetreiber
dem Stromnetzbetreiber etwa nachweisen, dass
er tatsächlich eine wärmeäquivalente Menge Bio-
erdgas mit den entsprechenden Eigenschaften
eingespeist hat. Zu allem Überfluss regeln die
Gesetze und Verordnungen diese Nachweispflicht
nur in geringem Maße. Einheitliche Standards
fehlen.
Abhilfe soll ein neues bundesweites Biogasre-
gister schaffen, das die dena gemeinsam mit
Unternehmen der Biogasbranche aufgebaut hat.
Auf der internetbasierten Plattform sollen die
Produzenten von Biogas und Bioerdgas noch ab
diesem Jahr einen Herkunfts- und Eigenschafts-
nachweis führen können.
Branche hofft auf positive Signale
Bei der dena zeigt man sich zwar überzeugt davon,
dass das neue Biogasregister die Vermarktung von
Bioerdgas erleichtern werde. Gänzlich verbessert
werden könne sie aber nur durch eine gesetzliche
Gleichstellung von Bioerdgas mit anderen erneu-
erbaren Energien. „Mit gezielten Maßnahmen
kann die Bundesregierung dem Biomethan-Markt
wieder neuen Schwung geben“, betonte Stephan
Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung.
„Das Ziel, bis ins Jahr 2020 sechs Milliarden
Kubikmeter Erdgas durch Biogas zu ersetzen,
wäre dann wieder realistisch. Biogas gehört zu
den Multitalenten unter den erneuerbaren Ener-
gien und ist ein wichtiger Faktor im Energiemix
der Zukunft. Der Ausbau muss daher eine hohe
Priorität haben.“
Die Gaswirtschaft steht als Marktpartner für Bio-
erdgas in den Startlöchern. Sie hofft derzeit auf
positive Signale aus der Politik. „Bioerdgas muss
auch in Brennwertkesseln zum Einsatz kommen
dürfen und nicht nur, wie derzeit im Erneuer-
bare-Energien-Wärmegesetz festgelegt, bei der
Kraft-Wärme-Kopplung. Wir brauchen hier mehr
Technologieoffenheit im Sinne der Verbraucher“,
fordert auch die BDEW-Vorsitzende Hildegard
Müller für ihre Branche.
Bleibt also nur noch abzuwarten, wie – und vor
allem wann – die Regierung in Berlin eine Neuaus-
richtung der Bioerdgasförderung vornehmen wird.
Zwischen Biogas und Bioerdgas-Gasen besteht ein erheb-
licher Unterschied. Biogas ist aus anaerober Vergärung
von Biomasse erzeugtes Gas, Bioerdgas ist dagegen auf
Erdgas-Qualität aufbereitetes Biogas. Dazu wird Biogas in
einer Aufbereitungsanlage von Kohlendioxid, Wasser und
Schwefelwasserstoff gereinigt und somit der Methangehalt
angehoben. Im aufbereiteten Zustand erfüllt das Biogas die
Anforderungen des DVGW Regelwerks, v. a. die Vorgaben
der G 260 und G 262 sind hier als relevante Punkte zu
nennen und kann somit in das Netz der allgemeinen Ver-
sorgung eingespeist werden. Eines eint Biogas und seinen
veredelten Verwandten allerdings: Sie sind weitgehend
CO2-neutral. Denn bei ihrer Verbrennung wird nur so viel
Kohlendioxid freigesetzt, wie die Energiepflanzen zuvor
während ihres Wachstums aus der Atmosphäre entnommen
und gespeichert haben.
Biogas und Bioerdgas
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Nachgefragt
Mit Gas die wirtschaftlichen Effekte deutlich steigern und gleichzeitig die Umwelt schonen
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Herr Barthel, welche Chancen sehen Sie für Erdgas
und Bioerdgas am Markt?
Erdgas und sein grünes Pendant Bioerdgas
sind Grundpfeiler der Energieversorgung und
bleiben es auf längere Sicht. Die Gründe dafür
„Handelsplattform
für Bioerdgas soll Schwung
in den Markt bringen“
sind evident: Erdgas ist umweltfreundlich und
ein leistungsstarker Energieträger mit hohem
Wirkungsgrad. Es kann sowohl im Wärmemarkt
als auch in der Stromerzeugung und im Kraft-
stoffsektor genutzt werden. Eine erst kürzlich
erschienene Studie von Greenpeace bescheinigt
Uwe Barthel,
Vorstand Gasverkauf/Technik bei VNG
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unserem Produkt Erdgas, dass es eine wichtige
Brückenfunktion auf dem Weg zur Versorgung
mit erneuerbaren Energien einnimmt. Zugleich
gewinnt Bioerdgas an Boden. Es hat den großen
Vorteil, dass es die hervorragenden energetischen
Eigenschaften von konventionellem Erdgas be-
sitzt und obendrein nahezu CO2-neutral ist. Wir
können es gut speichern. Es ist grundlastfähig,
plan- und regelbar, im bestehenden Erdgasnetz
transportierbar und problemlos mit der vorhan-
denen Anwendungstechnik zu nutzen. Keine
andere erneuerbare Energie vereint in dieser
Komplexität so viele Vorteile.
2007 hat sich VNG dem „Bio-Stempel“ verpflichtet
und nachhaltige Projekte eingeleitet. Wie sehen
die Ergebnisse jetzt, drei Jahre später, aus?
Die Leistungen können sich sehen lassen. VNG
ist im Biogasgeschäft außerordentlich aktiv. Zum
einen beschafft VNG Bioerdgas, vor allem im
Rahmen einer langfristigen Liefervereinbarung
mit einem der weltgrößten Produzenten, der
NAWARO BioEnergie Park „Güstrow“ GmbH. Zum
anderen konzentriert sich unser Tochterunter-
nehmen BALANCE VNG Bioenergie GmbH auf die
Produktion von Biogas für die erzeugungsnahe
Verstromung sowie die eigene Bioerdgasproduk-
tion und -einspeisung.
Erfolgsbeispiele sind etwa die 2009 errichtete
Biogasanlage Hof/Saale und die Biogasanlage
Popperode, die im August dieses Jahres in Betrieb
gegangen ist und in Kürze den Volllastbetrieb er-
reichen wird. Die Entscheidung zur Aufnahme der
Aktivitäten hat sich als richtig erwiesen.
Dem Entwurf des Energiekonzeptes der Bundes-
regierung zufolge soll Biogas bzw. Bioerdgas
insbesondere bei der Stromversorgung verstärkt
angewendet werden. Außerdem soll geprüft wer-
den, ob das EEWärmeG klarer technologieoffen
gestaltet und Bioerdgas somit als erneuerbare
Energie im Wärmemarkt anerkannt wird. Wenn ja,
resultiert daraus logischerweise eine steigende
Nachfrage nach Bioerdgas.
Wie bezieht VNG Kunden in eine grüne Energie-
versorgung ein?
Ganz klassisch bieten wir Bioerdgas in verschie-
denen Beimischungsstufen an. So können unsere
Kunden das gute Produkt Erdgas weiter veredeln
und ihrerseits ein nachhaltiges Produkt weiterver-
kaufen. Dabei nutzt VNG ihre Speicher zur Struktu-
rierung von Bioerdgas. Mit mehreren Stadtwerken
und Regionalversorgern führen wir auch konkrete
Biogasprojekte – von der Anlagenerrichtung bis
hin zur Vermarktung der Mengen durch.
Unlängst haben wir eine Aktion ins Leben gerufen,
um Stadtwerke, die ein BHKW betreiben, über
wirtschaftliche Vorteile durch den Einsatz von
Bioerdgas zu informieren. Sowohl beim Neubau
als auch bei bestehenden Anlagen eröffnet sich
mit Bioerdgas eine vielversprechende Alternative.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ermöglicht es
BHKW-Betreibern, bei der Nutzung von Bioerdgas
für die Stromeinspeisung bis zum Vierfachen
der bisherigen Erlöse zu erzielen. Wir haben ein
Berechnungsmodell entwickelt, mit dem sich
anhand einer individuellen Wirtschaftlichkeits-
betrachtung die mögliche Kosteneinsparung
ermitteln lässt.
Vor kurzem hat VNG unter Mitwirkung der MITGAS
die erste deutschlandweite Biogashandelsplatt-
form eröffnet. Was hat es damit auf sich?
Wir schaffen einen Online-Marktplatz für Bio-
erdgas. Das ist eine herausragende Innovation
für ganz Deutschland. Auf der Handelsplattform
können registrierte Marktteilnehmer virtuell zu-
sammenkommen und Bioerdgas in beliebigen
Mengen kaufen und verkaufen – und zwar an
allen virtuellen Handelspunkten in den deutschen
Gasmarktgebieten. Grundlage der Geschäfte zwi-
schen den Handelspartnern ist ein standardisierter
Liefervertrag. Wir wollen auf diesem neuen Weg
starke Impulse geben, damit der marktorientierte
Handel mit Bioerdgas in Schwung kommt. Das tun
wir, obwohl die gesetzlichen Regelungen das grü-
ne Gas bislang gegenüber anderen erneuerbaren
Energien leider noch benachteiligen.
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„Deutschlands innovativster Trendforscher“ skizziert, wie die Zukunft der Energie auch unsere Wohnungen des Jahres 2020 prägen wird.
Von Sven Gábor Jánszky
Der Morgen des 1. September 2020 wird kein
besonderer sein. Von der Sonne ist noch nichts
zu sehen, als Peter Seedorf ins Bad schlurft. Ein
kurzer Blick in den Spiegel sagt ihm, dass es kurz
nach 6 Uhr ist. Während Peter den Rasierer ansetzt,
schaltet er den Badspiegel an. Sofort erscheinen die
üblichen Programme: Die wichtigen Börsenkurse,
das Wetter in Leipzig. Auch sein Energieassistent
meldet sich mit einem gelben, blinkenden Punkt
im Spiegel.
Bei seinem Umzug vor ein paar Wochen hat Peter
festgestellt, dass Wohnungen in seiner Preisklasse
nur noch mit diesen „Smart Mirrors“ angeboten
werden. Wie in Schrankwänden, Betten und Kühl-
schränken sind auch in Badspiegeln verschiedene
Monitore integriert, die über WLAN vom Zentral-
computer der Wohnung versorgt werden. Auch
die alten, weißen Rauhfasertapeten gibt es nicht
mehr in den neuen Wohnungen. Stattdessen
hängt hier jetzt eine neuartige Lichttapete, die
aus Textilfasern besteht. Diese Textilien kann man
zum Leuchten bringen, wenn man sie elektronisch
ansteuert. Damit werden nicht nur Helligkeit und
Raumatmosphäre gesteuert, sondern auch der
TV-Screen ist in der Tapete integriert.
Noch bevor Peter mit dem Rasieren fertig ist, fes-
selt ihn die Übertragung des Tokio-Marathons, die
ihm jemand, anstelle des normalen Nachrichten-
zusammenschnitts, in den Hauptmonitor seines
Spiegels gebracht hat. Präsentiert von GilletteTV!
Woher weiß sein Spiegel, dass er Marathon mag?
„Manchmal übertrifft Rob sich selbst“, denkt Peter
dankbar über die Aufmunterung.
2020:
So leben wir in der
Zukunft!
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Rob ist nichts weiter als eine Software. Vor ein
paar Jahren haben sich die Fernsehsender und
die Betreiber der Electronic Program Guides (EPG)
mit den Internet-Technologen der Behavioral-
Targeting-Anbieter zusammengesetzt und Rob
entwickelt. Rob beobachtet und analysiert über
Wochen und Monate hinweg die Gewohnheiten
seines Besitzers. Nach einer kurzen Zeit kennt er
dessen Bedürfnisse und stellt ihm aus den Millio-
nen Text-, Audio- und Video-Angeboten im Internet
sein persönliches Fernsehprogramm zusammen,
sowohl zuhause in Wohnzimmer, Bad und Küche,
unterwegs in Auto und Sonnenbrille oder im Büro
und Konferenzraum.
Lebenswelten 2020: Virtuelle Welten
Weiterhin bestimmt die Technologie das Schrittmaß
der Entwicklungen. Wenn Chiphersteller heute
davon sprechen, jeden Chip mit einer Antenne
auszustatten, wenn eine flächendeckende Breit-
bandverbreitung realisiert wird, wenn Computer
kleiner und in Alltagsgegenstände eingebaut
werden, dann bekommt jeder Gegenstand eine
IP-Adresse und ist individuell ansteuerbar. Schritt
für Schritt wird in den kommenden Jahren die
heute bereits bestehende Internetlogik auf alle
Bereiche des gesellschaftlichen Lebens überge-
stülpt. Das ganze Leben in Form von iPhone-Apps
und doch ist das iPhone nur ein Zwischenschritt.
Bildanalyse, Bilderkennung und beobachtende
Interfaces sorgen dafür, dass Alltagsgegenstän-
de das Verhalten ihrer Benutzer beobachten, die
Realwelt-Daten mit virtuellen Daten kombinieren
und bedürfnisgerechte Angebote in den Alltag der
Nutzer einspielen. Wir werden 2020 nicht nur die
physischen Gegenstände als Teil unserer Wohnung
empfinden, sondern ebenso alle virtuellen Infor-
mationen und Bilder, die über die verschiedensten
Geräte in unser Heim eingespielt werden. Grenzen
zwischen Realität und Virtualität verschwinden.
Die Devaluation des Expertentums
Für die Lebenswelten der Menschen steigt damit
die Komplexität ins Unbeherrschbare. Wir werden
von Informationsfluten umgeben sein, die kein
Mensch verwalten kann und will. Wesentliche Ge-
schäftsmodelle der Zukunft werden Aggregatoren
und intelligente Filter sein, die die Überfülle der
Informationen nach individuellen Vorlieben und
situativen Bedürfnissen vorfiltern. Augmented
Reality Applikationen werden zum Filtern und zum
Ein- und Ausschalten von Informationen genutzt.
Dies ist nichts Ungewöhnliches, denn Filtersysteme
kennen wir in unserem Leben bereits. Auch heute
verlassen wir uns schon auf Informationsfilter,
unsere so genannten Experten: Lehrer, Redak-
tionen, Makler, Trainer, Einkäufer, Reiseführer,
Marken und Berater. Deren Geschäfte basieren auf
der asymmetrischen Verteilung von Informationen.
Das heißt: Sie haben exklusivere Informationen
als ihre Kunden oder sie haben die Informationen
eher als ihre Kunden – also einen Informations-
vorsprung. Doch mit diesem Expertentum könnte
es 2020 vorbei sein.
Zukunft
elektronischer Energieassistenten
Facebooks, Twitters & Co
individueller Energietarif
smart metering
symmetrische Informationsverteilung
Aggregatoren
Informationsfluten
Realwelt
iPhone-Apps
Internetlogik
Electronic Program Guides
SoftwareLichttapete
Zentralcomputer
WLANSmart Mirrors
Zukunft
Zukunft
2020
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2020: So leben wir in der Zukunft!
Sven Gábor Jánszky (37) ist Trendforscher und Leiter
des 2b AHEAD ThinkTanks. Auf seine Einladung treffen
sich bereits seit neun Jahren jährlich 250 CEOs und
Innovations-Chefs der deutschen Wirtschaft zum
innovativsten Business-ThinkTank Deutschlands.
Unter Jánszkys Leitung entwerfen sie ein Szenario
für das Leben in 10 Jahren und entwickeln Ideen für
die Geschäftsmodelle der Zukunft. Als Berater und
Trainer coacht Jánszky Manager und Unternehmen in
Prozessen des Trend- und Innovationsmanagements,
führt und moderiert Kreativprozesse zu Produktent-
wicklung und Geschäftsmodellen der Zukunft.
Unser Autor
Auf dem Weg zur ‚Profigesellschaft‘
Die symmetrische Informationsverteilung in den
Lebenswelten des Jahres 2020 versetzt jedermann
in die Lage, zu jeder Zeit auf alle Informationen
zugreifen zu können. Denn diese werden durch
intelligente Assistenten situationsgerecht in den
Alltag eingespielt: Jeder Amateursportler trainiert
mit Profimethoden, jeder Kunde hat das Wissen
des Fachberaters und jeder Fernsehzuschauer
bekommt sein individuelles Programm. Menschen
und Kunden werden sich Schritt für Schritt daran
gewöhnen, dass sie ihre Alltagsdinge künftig mit
einer Professionalität tun, die bislang nur Profis
nutzen konnten. Ob das der Hobbysportler ist, der
per Herzfrequenz, aerober Zone und intelligentem
Assistenten in jeder Sekunde seines Joggings
gecoacht wird oder der Hausbesitzer, der mittels
Smart Metering und intelligentem Assistenten
seinen Stromverbrauch nicht nur steuern kann,
sondern sekundengenau kaufen und verkaufen,
wie früher nur die Trader an der Strombörse. Doch
wie verhalten sich Energieversorger, wenn ihre
Kunden zu Energieprofis geworden sind?
Aus Flexibilität wird Adaptivität
Der Energie-Profi-Kunde der Zukunft wird daran
gewöhnt sein, dass er in allen Bereichen seines
Lebens seine Produkte selbst gestalten kann. Es
wird selbstverständlich für viele von uns sein,
dass unser individueller Energietarif nach der
persönlichen Nutzung gestaltet ist und durch
den elektronischen Energieassistenten täglich
unseren Nutzungsänderungen angepasst wird.
Die Herausforderung für Produkte der Zukunft
heißt also nicht mehr Flexibilität, sondern Adap-
tivität! Der Unterschied ist einfach: Flexibel sind
Produkte, die innerhalb eines bei der Produktion
vorgedachten Rahmens veränderbar sind. Adap-
tiv dagegen sind Produkte, die neue Nutzungs-
szenarien adaptieren können, auch wenn diese
nicht vorhergesehen und vorhergeplant wurden.
Energieversorger werden überlegen müssen, wie
sie ihre Produkte adaptiv machen.
Ihre Aufgabe: Schneller als Echtzeit!
Strategisch bringt diese Entwicklung für Ener-
gieunternehmen einen neuerlichen Paradigmen-
wechsel mit sich: Kaum haben wir uns an den
Gedanken gewöhnt, dass mit dem Web2.0 und
seinen Facebooks, Twitters & Co. die Echtzeitkom-
munikation mit dem Kunden zum Standard wird,
steht nun ein neuerliches Umdenken bevor. Denn
Echtzeit ist nicht mehr schnell genug! Wir werden
erleben, dass die Energieversorger der Zukunft
als neues Paradigma ausrufen, schneller zu sein
als Echtzeit. Dies bedeutet: Wenn der Kunde per
elektronischem Energieassistenten Kontakt auf-
nimmt, dann werden die Energieversorger künftig
bereits wissen, was der Kunde von ihnen will. Wenn
Peter am Morgen des 1. September 2020 auf den
kleinen gelben Punkt des Energieassistenten im
Badezimmerspiegel tippt, wird er sich sicher sein,
dass dieser Assistent seine persönliche Energie-
situation analysiert hat und ihm empfiehlt, was er
tun soll: Etwas Energie aus dem Wohnungsspei-
cher verkaufen, weil der Verkaufspreis günstig
ist! Etwas zukaufen, weil der Marktpreis gering
ist! Den Stromtarif für die nächsten 6 Stunden
wechseln, weil ein neues Sonderangebot eines
Versorgers vorliegt!
Wenn Peter mit dem Rasieren fertig ist, wird er
den Energieassistenten auf ‚Automatik‘ stellen.
Er hat heute keine Lust, sich mit Strompreisen
zu beschäftigen. Er vertraut seinem Energie-
assistenten. Doch die entscheidende Frage ist:
Wessen Energieassistent wird Peter nutzen? Wem
wird er vertrauen? Dem von Google, SAP, den
Stadtwerken, oder, oder, oder? Die Frage über
die Energie in der Wohnung der Zukunft ist eine
Vertrauensfrage!
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Innovation
90 Prozent der globalen Warenströme werden über die Weltmeere transportiert. Angetrieben werden die Schiffsmotoren
von Dieselkraftstoff oder Schweröl. Schon in fünf Jahren könnte die Frachtschifffahrt nach Expertenschätzungen auf eine
umweltfreundlichere Alternative zurückgreifen: LNG (Liquefied Natural Gas).
Volle Fahrt voraus – ab 2015 sollen mit
LNG betriebene Schiffe auch über die
Weltmeere schippern. Davon geht
zumindest das Unternehmen
Germanischer Lloyd aus.
Von Ralph Müller, freier Journalist
Die Motoren dazu sind längst in der Praxis erprobt:
Seit dem Jahr 2000 werden in Norwegen Fähren mit
reinem LNG-Antrieb eingesetzt. Der norwegische
Staat unterstützt die
umweltfreundliche
Alternative mit staat-
licher Förderung und
macht den LNG-An-
trieb zur Bedingung für die Erteilung von Konzes-
sionen an die Fjordfähren-Betreiber. Doch nicht
nur Fähren auf dem Fjord, auch LNG-Tankschiffe
auf den Weltmeeren nutzen das saubere Flüssig-
gas für den Antrieb und die Stromerzeugung zu-
sätzlich zu den konventionellen Kraftstoffen.
Als die „Glutra“ im Jahr 2000 vom Stapel lief,
schrieb sie Seefahrtsgeschichte. Die Fähre ist
das Pionierschiff für den reinen LNG-Antrieb und
gehört der Fährreederei Fjord 1 MRF AS, eine
der größten regionalen Verkehrsgesellschaften
in Norwegen. Das 95 Meter lange und 16 Meter
breite Schiff kann 300 Passagiere transportieren
und in seinen Spezialtanks rund 32 000 Liter LNG
aufnehmen. Mittlerweile fahren weitere Fähren in
norwegischen Umweltschutzgebieten mit dieser
LNG (auch verflüssigtes Erdgas oder Flüssigerdgas genannt)
wird auf –164 bis –161 ̊ C abgekühlt. Es weist lediglich 1/600stel
des Volumens von Erdgas auf.
LNG (Liquefied Natural Gas)
Erdgas als Schiffstreibstoff – Experten erwarten LNG-Zeitalter auf Hoher See
Foto: aboutpixel.de/Reiner Pflamminger
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Technologie. Vom Fjord geht es jetzt in großem Maß-
stab auf die Weltmeere. Bis einschließlich Mai 2010
durften nur LNG-Tanker Gas als Schiffsbrennstoff
nutzen. Doch seit dem 1. Juni gilt eine Interims-
Richtlinie der Weltschifffahrtsorganisation IMO
(International Maritime Organization), nach der
auch andere Handelsschiffe mit dem LNG-Antrieb
auf internationale Fahrt gehen dürfen.
Damit sind die Weichen für eine Erfolgsgeschichte
des Liquefied Natural Gas in der Seefahrt ge-
stellt. Hilfreich für den Durchbruch von LNG ist
die Beschränkung der NOx (Stickstoffoxid) und
SO2 (Schwefeldioxid)-Emissionen durch die
UN-Schifffahrtsorganisation IMO und die Dis-
kussion über die Reduktion des CO2-Ausstoßes.
Gute Zeiten für verflüssigtes Erdgas: Denn LNG
als primärer Kraftstoff für Seeschiffe reduziert
den CO2-, NOx- und Partikel-Ausstoß und beseitigt
die SO2-Emissionen fast ganz.
Auf einer Expertentagung in Hamburg mit dem Titel
„Erdgas als Schiffstreibstoff – Status und Trends“
erklärte Håkan Werner, dass LNG langfristig die ent-
scheidende Alternative zu Schweröl oder Schiffs-
dieseltreibstoff sei. Werner ist der Vice-President
der norwegischen Reederei I.M.Skaugen SE, die
sich auf den Gas-Transport spezialisiert hat. LNG
überzeuge mit optimalen Emissionswerten, so der
Vice-President. Das ist auch wichtig, weil Werner
damit rechnet, dass künftig auch die Schifffahrt mit
einer Art von Klimaschutzabgabe belastet werde.
Ein sauberer Treibstoff wie LNG würde dann nur
entsprechend gering taxiert werden. Die Antriebs-
technik stehe bereits zur Verfügung, erklärte der
Vice-President. Für die Zukunft sei der Ausbau
einer weltweiten Infrastruktur zur Versorgung mit
dem Flüssiggas eine große Herausforderung. Hier
seien Investitionen in Höhe von Milliarden Euro
nötig, sagte Werner.
Ort der Tagung, auf der Spezialisten aus dem
In- und Ausland 130 Zuhörern einen Überblick
über das bereits Erreichte gaben
und in die Zukunft blickten, war
die Unternehmenszentrale der
Schiffsklassifizierungsgesell-
schaft Germanischer Lloyd (GL).
Dessen Leiter Strategische For-
schung, Pierre Sames, rechnet
damit, dass LNG in der kom-
Das Fährschiff fährt auf der Route Seivika–Tømmervåg. Es
ist knapp 95 Meter lang und 16 Meter breit und hat Platz
für 300 Passagiere und 100 Fahrzeuge. Im Jahr ihrer Fertig-
stellung wurde die M/F Glutra zum Schiff des Jahres gewählt.
Angetrieben wird es durch einen Gasmotor, Treibstoff bilden
die rund 32 000 Liter LNG in den Spezialtanks.
Die M/F Glutra
Foto: Fjord1/Harald M. Valderhaug
merziellen Frachtschifffahrt in gut fünf Jahren in
größerem Stil als alternativer Schiffstreibstoff zum
Schweröl oder Diesel eingesetzt werde.
50 Millionen Euro für LNG-Terminal
Für den schwedischen Hafen Göteborg beginnt das
LNG-Zeitalter für die Schifffahrt voraussichtlich
ab 2013. Bis dahin will der örtliche Energiean-
bieter Göteborg Energi ein eigenes LNG-Terminal
errichten. Die Investitionen belaufen sich auf
rund 50 Millionen Euro. Linda Sahlén, Projektmit-
arbeiterin bei Göteborg Energi, erklärte zu dem
stadtnahen Terminal, dass die „Akzeptanz in der
Bevölkerung für das Projekt vorhanden“ sei. Nicht
nur für das Land, auch für die Hohe See laufen
intensive Planungen für das LNG-Zeitalter. Die
Schiffsbau- und die Schiffszulieferer-Industrie
sind längst auf das Thema eingestiegen. So ent-
stehen Entwürfe für Containerschiffe mit 1200 TEU.
TEU bedeutet „Twenty feet Equivalent Unit“ und
ist ein Maß für die Lade- oder Transportkapazität
von Containerschiffen. Gemeint sind damit 20-Fuß-
Container, die 6,10 Meter lang, 2,60 Meter hoch
und 2,44 Meter breit sind. Aber auch RoPax-Fähren
(Roll On/Roll Off-Schiffe mit Passagierkabinen),
Mega-Yachten (Lürssen-Werft) und Passagierfäh-
ren (Meyer Werft) sind in Planung.
Dabei wird sich nach Meinung von Experten für
einen Übergangszeitraum zunächst ein Kombina-
tionsantrieb aus herkömmlichem Diesel und LNG
durchsetzen. Denn noch seien einige wichtige
technische Details für den Großeinsatz zu lösen
und die Arbeiten an international gültigen und
verbindlichen Vorschriften seien nicht abgeschlos-
sen. Doch für die Zukunft spricht noch aus einem
zusätzlichen Grund alles für LNG. Denn während
Öl vom „Peak Oil“ und damit von Verknappung
bedroht ist, kann Erdgas noch über Jahrzehnte
den absehbaren Bedarf decken.
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WEC-Kongress
Energiebranche und Politik diskutieren über Versorgungssicherheit und weltweiten KlimaschutzMehr als 7000 Delegierte diskutierten beim 21. Weltenergiekongress die Heraus-forderungen des Energiesektors. Sandra Biesel war live dabei und berichtet über die fünftägige Tagung in Montreal.
Von Sandra Biesel, VNG
„Responding now to global challenges“ lautete das
Motto des 21. Weltenergiekongresses, der vom
12. bis 16. September 2010 in Montreal, Kanada,
stattfand. Im Rahmen des weltweit größten Forums
zum Thema Energie diskutierten mehr als 7000
Teilnehmer aus 137 Ländern die vier brisantesten
Energiethemen – die vier A’s: Accessability (Zu-
gang), Availability (Verfügbarkeit), Acceptability
(Akzeptanz) und Accountability (Verantwortung).
Der Kongress findet turnusmäßig aller drei Jahre
statt.
In seiner Eröffnungsrede betonte Pierre Gadonneix,
Vorsitzender des Weltenergierates, dass wir bei
der Bewältigung der vor uns liegenden Heraus-
forderungen zusammenarbeiten sowie Vielfältig-
keit, Austausch und innovatives Denken fördern
müssen. Gleichfalls hob er die Einzigartigkeit
des Kongresses hervor. Er biete die Möglichkeit,
Visionen, Ideen und Best-Practice-Beispiele mit-
einander zu teilen und Optionen zu diskutieren,
wie Markt und Regulierung ins Gleichgewicht
gebracht werden können. Gadonneix sprach sich
dafür aus, dass die Erarbeitung eines sinnvollen
regulatorischen Rahmens auf der Agenda ganz
oben stehen sollte, um nachhaltiges Wachstum
zu ermöglichen.
Der Zeitpunkt des 21. Weltenergiekongresses
ist mehr als passend: Neun Monate nach dem
Scheitern der 15. UN-Klimakonferenz in Kopen-
hagen und nur wenige Monate vor dem nächsten
G8-Gipfel in Kanada. Die Energiewirtschaft sucht
nach Lösungen, um angemessen und nachhaltig
auf die internationalen Herausforderungen der
nächsten Jahre reagieren zu können. Dabei fordert
die augenblickliche Lage ein noch nie da gewesenes
Maß an Kooperation zwischen Energieunternehmen
und Staaten, vor allem auch vor dem Hintergrund
der Energienachfragen in den Entwicklungs- und
Schwellenländern.
Langfristig angelegte Rahmenbedingungen
fördern Investitionen und unterstützen Wachstum
Um die Herausforderungen des Nachfragewachs-
tums zu bewältigen, bedarf es weiterhin ein Mehr
an Investitionen. Grundvoraussetzungen dafür
sind langfristig angelegte Rahmenbedingungen.
Insbesondere Industrienationen haben Bedenken
und fürchten die fehlende Erholung nach der
Sandra Biesel arbeitet bei
VNG im Bereich Gasbeschaf-
fung. Von Juli 2009 bis März
2011 ist sie vom Unternehmen
zum World Energy Council
(WEC) nach London entsandt
worden. Dort ist sie im Stu-
dienbereich tätig, auch den
Kongress in Montreal hat sie
mit vorbereitet.
Unsere Autorin
MO N T R E A L
45 medium gas | 2010.3
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Wirtschaftskrise, steigende Arbeitslosenzahlen
und das Risiko einer Double-Dip Rezession.
Dadurch agieren die Entscheidungsträger noch
immer vorsichtig, wenn es um langfristige Inves-
titionen geht.
Während staatliche Anreizprogramme rechtmäßig
und notwendig waren, stellen die entstandenen
öffentlichen Defizite nun die Kraft nationaler
Politiken infrage, vor allem die, die saubere
Technologien auf nationaler und internationaler
Ebene unterstützen. Die Folge: Man distanziert
sich von langfristigen Strategien, greift zu kurz-
fristigen und eher kostengünstigen Lösungen
und lässt die umweltfreundlichen Alternativen
dadurch vielleicht außen vor. Eine verheerende
Entwicklung, insbesondere in einer Zeit, in der
Investitionen in die Zukunft zwingend notwendig
sind.
Das einheitliche Credo aus Montreal lautete da-
her: Die Balance zwischen Markt und Regulierung
muss jetzt hergestellt werden und langfristige
politische Maßnahmen müssen zeitnah entwickelt
und implementiert werden. Und man müsse die
notwendigen Investitionsentscheidungen unter-
stützen, die eine nachhaltige Energieversorgung
gewährleisten.
Klimawandel weiterhin auf
der Energieagenda
Im Dezember 2009 verpflichteten sich die Teil-
nehmerstaaten in der Kopenhagen-Vereinbarung
(„Copenhagen Accord“), die globale Erwärmung
auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Diese konkreten Reduktionsziele, die zum da-
maligen Zeitpunkt noch nicht genannt wurden,
haben fast 80 Länder bis April 2010 als Selbst-
verpflichtungen verbindlich eingereicht. Diese
Länder verursachen immerhin rund 80 Prozent
der weltweiten Emissionen. In Montreal ist man
sich jedoch sicher: Das Zwei-Grad-Ziel durch die
CO2-Reduktion wird nicht erreicht. Stattdessen
wird ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur
um mehr als drei Grad Celsius noch in diesem
Jahrhundert prognostiziert.
Warum diese krasse Diskrepanz? Weil nach wie
vor die – mitunter legitimen – Bedenken über
die Kosten beim Übergang in eine CO2-arme
Wirtschaft, der Einfluss dieser Kosten auf das
Wirtschaftswachstum und die Zusammenfüh-
rung von Wachstum und Umweltschutz überwie-
gen. Die Diskussionen in Montreal zeigen, dass
nach Auffassung der Energiewirtschaft Gesetze
Vom 12. bis 16. September 2010 war er zentraler Treffpunkt der weltweiten Energieexperten: der Palais des Congrès de Montréal.
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benötigt werden, die die verschiedenen, bereits
vorhandenen Technologien berücksichtigen, die
Potenziale sowie Vor- und Nachteile selbiger
bewerten und die Kosten unter verschiedensten
Rahmenbedingungen bedenken.
Energiewandel akzeptabel und
verantwortlich gestalten
Nichtzuletzt wurden in Montreal auch die exis-
tierenden sozialen Bedenken bestätigt. Der En-
ergiewandel müsse akzeptabel für alle sein, hieß
es von den Teilnehmern. Sonst würde der Wandel
gar nicht stattfinden. Und es dürfe auch niemand
außen vor gelassen werden. Immer mehr Menschen,
insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenlän-
dern, ziehen vom Land in die Stadt, um von den
Vorteilen der bestehenden Infrastrukturen zu profi-
tieren. Hier müsse sich der gesamte Energiesektor
mit seinen Investitionen und Dienstleistungen
anpassen. In Montreal ging man sogar noch einen
Schritt weiter: In zahlreichen Diskussionsrunden
forderten die Teilnehmer, dass die Akzeptanz ge-
genüber den Infrastrukturen in der Bevölkerung
erhöht werden müsse. Keine Technologie sei
fehlersicher und jeder Unfall könne uns betreffen.
Fortsetzung von Seite 45
Energiebranche und Politik diskutieren über Versorgungssicherheit und weltweiten Klimaschutz
Der Weltenergierat (World Energy Council – WEC) wurde 1923 mit Sitz in London gegründet.
Ihm gehören heute beinahe 100 nationale Komitees an, darunter staatliche Einrichtungen,
Energie- und Industrieunternehmen sowie zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen. Als
nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation bildet er ein weltweites Kompetenznetz, das
in Industrieländern, Schwellenländern und Entwicklungsländern aller Regionen vertreten
ist. Als einziges energieträger-übergreifendes globales Netzwerk dieser Art verfolgt er das
Ziel, die nachhaltige Nutzung aller Energieformen voranzutreiben. Dabei umfassen seine
Aktivitäten das gesamte Spektrum der Energieträger – Kohle, Öl, Erdgas, Kernenergie
und erneuerbare Energien – sowie die damit verbundenen Umwelt- und Klimafragen. Der
nächste Weltenergiekongress findet 2013 in Deagu, Korea statt.
Weltenergierat: www.worldenergy.org
Weltenergierat – Deutschland: www.worldenergy.org/dnk
Weltenergiekongress 2010: www.wecmontreal2010.ca
Deshalb müsse der Dialog zwischen Energiewirt-
schaft und Öffentlichkeit dauerhaft gefördert
werden. Energieinfrastrukturen, deren Sicherheit
sowie deren Einfluss auf die Umwelt müssen
mit der Zivilgesellschaft öffentlich diskutiert
werden. Die Energieunternehmen zeigen sich
dafür verantwortlich, zuzuhören, zu informieren,
zu erklären und wo notwendig anzupassen und
nachzubessern.
Bild oben: Der Chefökonom der Internationalen Energieagentur
(IEA), Fatih Birol, sprach sich auf dem Weltenergiekongress
für den Ausbau von alternativen Energien aus. | Bild unten:
Pierre Gadonneix, Vorsitzender des Weltenergierates, fordert
Vielfältigkeit, Austausch und innovatives Denken.
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EU-Energiepolitik
Die neue Erdgasversorgungssicherheits-Verordnung – Ergebnis der Verhandlungen auf EU-Ebene und Ausblick
In Reaktion auf die Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine im Winter 2008/2009 schlug die Europäische Kommission am 16. Juli 2009 eine neue Verordnung vor. Sie soll zukünftig Gas-Lieferengpässen in Europa vorbeugen.
Von Dr. Ralf Pastleitner, VNG-Büro Brüssel
Am 18. März 2010 stimmte der im EU-Parlament
zuständige Industrieausschuss – das EU-Parla-
ment ist bei diesem Gesetzesvorschlag neben
dem Rat der EU mitentscheidungsberechtigt –
seinen Bericht zum Kommissionsvorschlag
mit zahlreichen Änderungen ab. Unmittelbar
darauf begannen die informellen Trilogver-
handlungen zwischen EU-Kommission, Rat
der EU sowie EU-Parlament, um – nicht zuletzt
aufgrund der Dringlichkeit des Gesetzesvorha-
bens – einen tragfähigen Kompromiss noch vor
der ersten Lesung im Plenum des EU-Parlaments
zu erzielen.
Die EU-Institutionen konnten sich nach zähem
Ringen schließlich Ende Juni 2010 auf eine ge-
meinsame Formulierung einigen. Der gefundene
Kompromisstext wurde am 21. September vom
Plenum des EU-Parlaments bestätigt und wird
aller Voraussicht nach noch im November 2010
auch vom Rat der EU endgültig beschlossen.
Abhängig von der Einhaltung dieser provisorischen
Zeitschiene könnte die neue Verordnung dann
Ende 2010 in Kraft treten.
Aus Sicht von Gaswirtschaft und VNG sind eini-
ge Punkte im neuen Gesetzeswerk besonders
bedeutsam.
1. Einrichtung von strategischen Speichern
Die Verpflichtung zur Einrichtung von strategischen
Speichern findet sich im Kompromiss nicht wieder.
Nur im Anhang zur Verordnung wird für den Notfall
die Nutzung strategischer Speicher als mögliche
nicht-marktbasierte Maßnahme aufgelistet. Somit
ist klar, dass auch weiterhin der kommerzielle Spei-
chermarkt grundsätzlich
nicht angetastet wird. Es liegt letztlich
beim einzelnen Mitgliedstaat, ob er auf seinem
Gebiet die Errichtung strategischer Speicher für
Versorgungsengpässe als notwendig oder sinnvoll
erachtet. Deutschland zeigt sich bisher skeptisch
gegenüber der Errichtung strategischer Speicher.
2. Reverse flow
Reverse flow, also die Möglichkeit, Erdgas in
einer Pipeline in beide Richtungen zu transpor-
tieren, soll nach dem vorliegenden Kompromiss
durch die nationalen Fernleitungsnetzbetreiber
eingerichtet werden. Längstens binnen 3 Jah-
ren ab Inkrafttreten der Verordnung sollen sie
an allen grenzüberschreitenden Interkonnek-
toren zwischen den Mitgliedstaaten eingerichtet
werden.
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nicht angetastet wird. Es liegt letztlich
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Interkonnektoren zu Produktionsstätten, LNG-
Einrichtungen sowie zu Verteilernetzen sind von
der Regelung explizit ausgenommen.
Weitere Ausnahmen können unter bestimmten
Umständen und auf Antrag eines Fernleitungs-
netzbetreibers gewährt werden: Etwa wenn eine
Verbesserung der Versorgungssicherheit durch
Reverse flow nachweislich nicht gegeben ist oder
die Kosten den Nutzen deutlich übersteigen wür-
den. Damit wurde der Forderung betroffener In-
dustrien Rechnung getragen, die um Prüfung der
wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit einzelner Reverse-
flow-Verbindungen vor deren Einrichtung gebeten
hatten.
Der Verordnungstext bestimmt auch, wie die betei-
ligten Mitgliedstaaten die Kostentragung bei der
Einrichtung von Reverse flow regeln sollen. Zum
einen werden die nationalen Regulierungsbehör-
den in der Verordnung verpflichtet, die bei den
Unternehmen durch die Einrichtung von Reverse
flow anfallenden Kosten bei der Genehmigung
der Tarife angemessen zu berücksichtigen.
Zum anderen kommt es bei der Einrichtung
von Reverse-flow-Kapazitäten, die nicht durch
die Marktsituation bedingt sind, und die Investiti-
onen in mehreren Ländern oder in einem Land zum
Vorteil eines anderen erfordern, darauf an, welcher
Mitgliedstaat wie stark von einer solchen Reverse-
flow-Verbindung profitiert. In einem solchen Fall
müssen vor einer Investitionsentscheidung zu-
nächst die nationalen Regulierungsbehörden der
beteiligten Mitgliedstaaten eine Einigung über die
Kostentragung erzielen. Damit wurde einer auch von
den betroffenen Industrien unterstützten Forderung
nach Prüfung der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit
einzelner Reverse-flow-Verbindungen vor deren
Einrichtung Rechnung getragen
3. Grenze für die Ausrufung des EU-Notfalls
Die ursprünglich im Verordnungstext vorgese-
hene Aussage über die Grenze für die Ausru-
fung des EU-Notfalls (20 % Ausfall der gesamten
EU-Gasimporte) ist gänzlich gestrichen worden.
Stattdessen kann die Kommission auf Antrag
einer Regulierungsbehörde, welche den nati-
onalen Notfall ausgerufen hat, den EU-Notfall
oder einen regional begrenzten Notfall ausrufen.
Fortsetzung von Seite 47
Die neue Erdgasversorgungssicherheits-Verordnung ...
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Sollten zumindest zwei Regulierungsbehörden
den nationalen Notfall ausgerufen haben und
diese Notfälle miteinander in Verbindung stehen,
so muss die Kommission den EU-weiten Notfall
oder einen regionalen Notfall ausrufen.
Wann ein nationaler Notfall ausgerufen wird,
hängt vom Eintreten bestimmter, in der Ver-
ordnung definierter Krisenstufen ab, auf denen
die Notfallpläne der einzelnen Mitgliedstaaten
aufbauen müssen.
4. „Geschützte Kunden“-Begriff
Der Kompromiss enthält grundsätzlich einen en-
gen, auf reine Haushaltskunden beschränkten
„geschützte Kunden“-Begriff. Dabei handelt
es sich um jene Kunden, deren Versorgung mit
Erdgas im Notfall für eine bestimmte Zeitspanne
sichergestellt werden muss. Allerdings kann dieser
Begriff durch die Mitgliedstaaten bei Bedarf
erweitert werden, und zwar auf bestimmte
„notwendige soziale Einrichtungen“ (z. B.
Krankenhäuser) sowie auf kleine und
mittlere Unternehmen (KMU), die an ein
Gasverteilernetz angeschlossen sind.
Der Gesamtverbrauch dieser zusätzlichen
geschützten Kunden darf aber nicht mehr als 20 %
am gesamten Gasendverbrauch ausmachen. Die
Begrenzung soll gewährleisten, dass es nicht zu
einer Erweiterung des Kreises der in einem Mit-
gliedstaat geschützten Kunden auf ein nicht mehr
zu versorgendes Maß kommt.
Ebenfalls als geschützte Kunden können Fernwär-
meeinrichtungen vorgesehen werden, sofern sie
Haushaltskunden, KMUs oder „notwendige soziale
Einrichtungen“ versorgen.
5. Dreistufigkeit der Verantwortlichkeiten
im Notfall
Es bleibt bei der seitens der Industrie geforderten
klaren Dreistufigkeit der Verantwortlichkeiten
im Notfall. Das bedeutet, dass bei einem Versor-
gungsengpass zunächst die Erdgasunternehmen
mit ihrer ausgewiesenen Expertise bei der Sicher-
stellung der Erdgasversorgung tätig werden, dann
die Mitgliedstaaten und erst als letzte Option die
Europäischen Institutionen.
6. Stärkung der Stellung der
Gas Coordination Group
Es bleibt überdies bei einer Stärkung der Stel-
lung der Gas Coordination Group im Rahmen
der Verordnung. Dieser Gruppe gehören unter
anderem Vertreter der Mitgliedstaaten, der na-
tionalen Regulierungsbehörden, der betroffenen
Industrieverbände sowie von ACER und ENTSO-G
an. Sie wird bei wesentlichen Entscheidungen
im Rahmen der Verordnung beratend hinzu-
gezogen.
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gezogen.
7. Marktbasierte und nicht-marktbasierte
Maßnahmen
Generell findet sich an mehreren Stellen im vor-
liegenden Kompromiss das seitens der Industrie
geforderte klare Bekenntnis zum Vorrang markt-
basierter Maßnahmen zur Lösung eines Versor-
gungsengpasses vor nicht-marktbasierten, also
reinen Solidaritätsmaßnahmen.
Eine endgültige Bewertung des Verordnungsvor-
schlages kann derzeit aufgrund des darin vorgese-
henen Gestaltungsspielraumes der Mitgliedstaaten
noch nicht abschließend getroffen werden. Es
bleibt abzuwarten, wie die einzelnen Mitglied-
staaten – und hier insbesondere Deutschland –
ihre Spielräume, etwa in Bezug auf die Definition
der „geschützten Kunden“ ausnutzen werden.
Dr. Ralf Pastleitner arbeitet
als Leiter im Brüsseler Büro
von VNG. Der aus Österreich
stammende Jurist war zuvor
bereits Leiter eines Abgeord-
netenbüros im Europäischen
Parlament und als Senior
Consultant bei einem Brüs-
seler Beratungsunternehmen
beschäftigt.
Unser Autor
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Nachgefragt
Ein Fall für CharlotteDas Explorations- und Produktionsgeschäft von Erdöl und Erdgas ist in jeder Hinsicht ein komplexes
Unterfangen, egal ob es um seismische Messungen und Interpretationen oder technische Raffinessen
einer Tiefseebohrung geht.
Charlotte, die fleißige Honigbiene der VNG Norge, beantwortet in jeder Ausgabe von medium gas
Fragen zum norwegischen E&P-Geschäft.
Wo liegen die Unterschiede zwischen einer Bohr-
plattform und einer Förderplattform?
In der Offshore-Industrie unterscheidet man
zwischen Bohr- und Förderplattformen. Eine Bohr-
plattform dient dazu, Bohrungen abzuteufen und
damit vermutete Erdöl- oder Erdgasvorkommen
nachzuweisen. Wenn die Bohrungsphase erfolg-
reich beendet werden konnte – sprich technisch
und wirtschaftlich förderbare Kohlenwasserstoffe
nachgewiesen wurden – wird die Bohrplattform
entfernt und eine Förderplattform über dem
Bohrloch platziert. Bei größeren Entdeckungen
kann die Förderplattform eine Bohrvorrichtung
enthalten, da während der Entwicklung und
Ausbeutung solcher Lagerstätten weitere Ab-
grenzungs- bzw. Förderbohrungen abgeteuft
werden müssen.
Wie werden Plattformen „verankert“?
Bohr- und Förderplattformen können
fest auf dem Meeresboden stehen,
mit einem Sockel aus Beton oder
Stahl. Sie werden an Land gebaut
und später mit Schleppern zum
Feld transportiert. Eine weitere
Bauart ist die Hubbohrinsel
(Jack-up rig). Diese Plattformart steht auf
Gerüstbeinen auf dem Meeresboden und
kann vertikal bewegt werden. Beide Platt-
formen sind auf Grund ihrer Konstruktion
in Tiefwassergebieten nicht einsetz-
bar. Dagegen können Halbtaucherplattformen
(semi-submersible rig), die auf Pontons im Meer
schwimmen und eine der mobilsten Arten von
Bohrinseln darstellen, auch in großen Wasser-
tiefen eingesetzt werden. VNG Norge hat bei ihrer
ersten Bohrung als Betriebsführer im vergangenen
Jahr diese Art von Bohrinsel eingesetzt (Bredford
Dolphin). Daneben gibt es noch die so genannte
TLP (Tension leg platform), bei der eine Halbtau-
cherinsel mit vertikal verlaufenden Stahltrossen
über das Bohrloch gehalten wird. Diese Form der
Bohrplattform wird häufig als Produktionsplatt-
form verwendet. Nicht zuletzt können auch mit
Hilfe von Bohrschiffen Bohrungen niedergebracht
werden – vorzugsweise in sehr großen Tiefen.
Wem gehören die Plattformen?
Bohrinseln werden üblicherweise im Rahmen eines
Bohrkonsortiums, in dem mehrere operierende
Firmen vereinigt sein können, für eine gewisse
Zeitspanne gemietet (sog. Rig slot). Kommt es
zur Feldentwicklung, gibt der Betriebsführer des
jeweiligen Feldes den Bau einer Förderplattform
in Auftrag.
Stimmt es, dass die größten noch nicht gefundenen
Felder im Offshore-Tiefwasser liegen?
Einer gängigen Meinung folgend liegt das größte
Potenzial für Neufunde im Offshore-Tiefwasser-
Bereich der großen Ozeane, wie die gigantischen
Ölentdeckungen der letzten Jahre vor der Küste
werden müsüsüsüssesesesen.
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Sie wollen wissen, wie Kohlenwasserstoffe in der Erdkruste entstehen, wie viel Zeit zwischen Fund und Förderung vergeht oder wie eine
Bohrplattform auf hoher See arbeitet? Schreiben Sie Ihre Frage per E-Mail an [email protected] oder per Post an VNG – Verbundnetz Gas AG,
Öffentlichkeitsarbeit/Interne Kommunikation, Braunstraße 7, 04347 Leipzig.
Brasiliens gezeigt haben. Die Auffindung und
Entwicklung solcher Lagerstätten ist allerdings
mit völlig neuen Herausforderungen an Mensch
und Technik verbunden.
Wie groß ist eigentlich ein Bohrloch im Gestein,
aus dem letztlich Öl und Gas gefördert wird?
Nicht besonders groß. Der Durchmesser ist ver-
gleichbar dem einer Flasche oder eines kleinen
Kochtopfes, oft zwischen 10 und 20 cm. Klingt
leider ziemlich unbeeindruckend. Interessanter
wird es, wenn man sich einmal anschaut, wie
das „Loch“ aufgebaut ist; es ist nämlich kein
einfaches Loch, so wie wir es mit einem Bohrer
in die Wand bohren würden, sondern es besteht
aus mehreren Elementen.
Welche Elemente sind das?
Zum einen ist da das eigentliche Bohrloch, das der
Bohrer im Untergrund hinterlässt. Dieses Loch hat
keinen konstanten Durchmesser, sondern sieht
ähnlich aus wie ein Teleskop. An der Erdoberfläche
beginnt es mit einem recht großen Durchmesser
(ca. 75 bis 90 cm), um dann ab einer bestimmten
Tiefe enger zu werden. Warum? Weil das offene
Bohrloch in Abständen gesichert werden muss,
ähnlich wie eine Baugrube mit Spundwänden
gegen das drückende Gestein außerhalb der
Grube gesichert wird. Im Falle einer Tiefbohrung
werden keine Wände eingezogen, sondern Rohre
in das Bohrloch eingeführt, die dann mit Hilfe
von Zement fest mit dem umgebenden Gestein
verbunden werden. Dieser Vorgang wird als
„Verrohren“ bezeichnet. Um jetzt aber in die-
sem verrohrten Loch weiter in die Tiefe bohren
zu können, muss der nächste Bohrer (genauer:
der Kopf des Bohrers) einen kleineren Durch-
messer haben als der erste, weil er ansonsten
nicht mehr in das verrohrte Loch passen würde.
Dieser Vorgang wiederholt sich einige Male, bis
die Bohrung in dem Bereich angekommen ist, in
welchem (hoffentlich) Erdgas oder Öl im Gestein
gespeichert ist. Auch dort wird die Bohrung in
der Regel verrohrt und zementiert.
Wenn es verrohrt ist, kann doch kein Öl oder Gas
mehr nach oben strömen?
Richtig. Durch das Zementieren hat man das, was
man eigentlich produzieren möchte, ausgesperrt.
Um die Produktion von Öl oder Gas zu ermöglichen,
sind jetzt noch mindestens zwei Schritte notwen-
dig. Zuerst muss ein Zugang geschaffen werden,
durch den Öl oder Gas die Bohrung wieder
erreichen können. Dafür wird das zementierte
Rohr in genau festgelegten Positionen (dort,
wo Öl oder Gas im Speichergestein vorhanden
sind) „perforiert“, also gelocht. Danach wird ein
spezielles Rohr in die Bohrung eingeführt und mit
so genannten „Packern“ gegen die eigentliche
Verrohrung abgetrennt. Bei dieser Bohrung sind
wir endlich bei den 10 –20 cm Durchmessern
angekommen. Das Rohr, auf deutsch „Steigrohr“,
auf englisch „tubing“ genannt, bringt letztendlich
das Gas oder Öl vorbei an den verschiedenen
Sicherheitsventilen bis an die Oberfläche. Der
Sinn hinter diesem zusätzlichen Rohr ist im We-
sentlichen, den Inhalt des Öl- oder Gasspeichers
kontrolliert und sicher produzieren zu können.
Wenn der Durchmesser des Loches jetzt nicht
beeindruckender klingt als zu Beginn, dann kann
man versuchen, sich vorzustellen, dass das Loch
eine Länge von bis zu über 7 km haben kann.
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Russland
2009 – das Jahr der Herausforderungen und MöglichkeitenUnter diesem Motto stand die diesjährige Jahreshauptver-
sammlung der Aktionäre der OAO „Gazprom“. Unsere Autorin
war live dabei – und berichtet über die Geschäftsaktivitäten
und zukünftigen Pläne des russischen Erdgaslieferanten.
Von Dr. Tatjana Bandlowa
In seinem Bericht betonte der Vorstandsvorsitzende
Alexej Miller, wie der Konzern den veränderten
Bedingungen der Finanz- und Wirtschaftskrise,
vor allem dem verminderten Erdgasabsatz und
damit den verminderten Einnahmen entgegen-
wirkte. Noch im Jahre 2008 ist eine Antikrisen-
Strategie ausgearbeitet worden. So wurden 2009
die Finanzinvestitionen um 17 %, die materiellen
Investitionen um 30 % gekürzt, wobei von der
Reduzierung die Vorrang-Projekte und auch die
Sozialleistungen unberührt geblieben sind.
Im Ergebnis konnte die Erdgasvorratsbasis (Ka-
tegorie A+B+C1) auf 33,6 Bill. m³, was 20 % der
Welterdgasvorräte entspricht, erhöht werden.
Neben der aktiven Erkundungstätigkeit in Russland
hat Gazprom in Usbekistan eine Erdgaslagerstätte
und auf dem Schelf Vietnams eine Erdgaskondensat-
lagerstätte entdeckt. Gazprom erkundet Erdöl- und
Erdgas-Lagerstätten in Indien, Venezuela, Kuba,
Libyen, Algerien, Kirgistan und Tadshikistan sowie
Erdöllagerstätten in Ecuador, Guinea und Irak.
Die Erdgasförderung von OAO „Gazprom“ lag 2009
mit 461,5 Mrd. m³ um 16 % unter dem Niveau
von 2008. Die Lieferungen nach Europa sanken
gegenüber 2008 um 8,8 % auf 152,8 Mrd. m³. In
der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2009 stieg die
Förderleistung wieder über das Vorjahresniveau.
Im Jahre 2013 wird mit einer Erdgasförderung in
Höhe von 565,5 Mrd. m³ gerechnet.
Alexej Miller sprach die Überzeugung aus, dass die
Nachfrage nach russischem Erdgas zukünftig weiter
steigen wird. Deshalb konzentriert sich Gazprom
auf eine Reihe vorrangiger Projekte, insbesondere
auf das Megaprojekt JAMAL. Begonnen wurde mit
dem Aufschluss der gigantischen Lagerstätte
BOWANENKOWO. Aktiv wird der Ferne Osten
(Halbinsel Kamtschatka) und der Arktische Schelf
(Lagerstätte STOCKMAN) erschlossen. Die Erdgas-
förderung aus den tiefer liegenden und geologisch
äußerst kompliziert gebauten Atschimow-Schich-
ten in Urengoi ist bereits aufgenommen worden.
Im weltgrößten Erdgastransportsystem mit mehr
als 160 Tkm wurden 2009 589,7 Mrd. m³ Erdgas
transportiert. Das waren 100 Mrd. m³ weniger als
im Vorjahr. Bis zum Jahre 2030 wird neben der Mo-
dernisierung des vorhandenen Transportsystems
ein Transportsystem der neuen Generation für
die Bedingungen des Hohen Nordens (Klima und
Baugrund) errichtet. Die Pipeline wird für einen
Betriebsdruck von 120 bar und einen jährlichen
Durchsatz von 300 Mrd. m³ ausgelegt. Das erste
Jamal-Erdgas wird im Jahre 2013 fließen.
Gazprom hält an der Diversifizierung der Erd-
gastrassen fest. Im April 2010 ist die erste Un-
Tatjana Bandlowa absolvierte
die Moskauer Gubkin-Hoch-
schule für Erdölchemie und
Gasproduktion als Diplom-
Geologin. An der gleichen
Hochschule promovierte sie
in der Fachrichtung Erdgas-
geologie zum Dr. rer. nat.
Frau Dr. Bandlowa arbeitete
mehr als 30 Jahre als Wissen-
schaftlerin im Zentralen Geo-
logischen Institut zu Berlin
und nach der Wiederverei-
nigung in der Bundesanstalt
für Geowissenschaften und
Rohstoffe Hannover, Außen-
stelle Berlin.
Sie ist seit 1998 für die VNG
beratend tätig.
Unsere Autorin
Ende Juni fand in Moskau die jährliche Hauptversammlung von
Gazprom statt. Im Bild unten: Alexej Miller, Vorstandsvorsit-
zender von Gazprom (li.) und Viktor Subkow, Vorsitzender des
Direktorenrates der OAO „Gazprom“ und erster stellvertretender
Vorsitzender des Ministerrates Russlands. Fotos: Gazprom
53 medium gas | 2010.3
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terwasser-Schweißnaht für die Ostseeleitung
„Nord Stream“ gelegt worden. Zur Realisierung der
Erdgasleitung „South Stream“ sind Verträge mit
Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Serbien, Slowe-
nien, Kroatien und Österreich abgeschlossen und
inzwischen vier Projekt-Organisationen gebildet
worden. Der Bau von „South Stream“ soll 2013
beginnen und das erste Erdgas im Jahre 2015 Rich-
tung Europa fließen. Über „Nord Stream“ werden
auch 4 Mrd. m³, d. h. 7 % der Leitungskapazität,
nach Großbritannien transportiert.
Generell bleibt Gazprom beim Prinzip „erst das
Gas verkaufen, dann fördern und transportieren“.
Perspektivisch verbindet Gazprom die Erhöhung
des Erdgasexportes u. a. auch mit dem Einsatz von
„Erdgas als Treibstoff“ in Europa, wozu allerdings
standardisierte Ausrüstungen unabdingbar sind.
Zielstrebig erhöht Gazprom die UGS-Kapazitäten
im eigenen Land, aber auch gemeinsam mit den
führenden europäischen Erdgasunternehmen
in den ost- und westeuropäischen Ländern. In
Russland befinden sich 25 Objekte mit einem Ak-
tivgasvolumen von 65,2 Mrd. m³ in Betrieb. Neue
Objekte werden auch in Salzkavernen errichtet.
Im Ausland ist Gazprom an UGS in Deutschland,
Österreich, Großbritannien und Frankreich betei ligt.
Geplant sind weitere gemeinsame UGS-Projekte in
Deutschland, Serbien, Ungarn, den Niederlanden,
Großbritannien, Italien, Rumänien, der Türkei,
Tschechien, der Slowakei und anderen Ländern.
Bis zum Jahre 2016 soll das Aktivgasvolumen im
Ausland auf 6,5 Mrd. m³, die Ausspeiseleistung
auf 80 Mio. m³ pro Tag gesteigert werden.
Zur Diversifizierung der Exporterlöse richtet Gaz-
prom seine Tätigkeit auf die Lieferung von Erdgas
und LNG in die Staaten der Region Asien–Stiller
Ozean aus. Mitte 2009 begannen der Bau der
Erdgasleitung Sachalin–Chabarowsk–Wladiwostok
und auch die LNG-Lieferungen aus dem Projekt
„Sachalin-2“. Die Verträge laufen bis 2028.
Die Verhandlungen über Erdgaslieferungen nach
China werden aktiv geführt. Unverändert führt
Gazprom seine Politik fort, weitestgehend alles
Erdgas aus den zentralasiatischen Ländern auf-
zukaufen.
Gearbeitet wird an einer Vereinigung von OAO „Gaz-
prom“ und NAK „Naftogaz Ukraina“. Konkret betrifft
das die Schaffung eines gemeinsamen Betriebs,
in den Gazprom bis 1 Bill. m³ Erdgasvorräte ein-
bringen will.
Der Binnenmarkt bleibt für Gazprom künftig der
wichtigste Markt, der durch die Realisierung der
Regierungsprogramme der Gasifizierung (derzei-
tiger Stand 61 %) ständig erweitert wird. Angestrebt
ist ein Angleichen der Binnen- und Exportpreise
(Export minus Transitgebühr). Dennoch wird diese
Phase noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Mit der Zielstellung, einer der größten vertikal
integrierten Energiekonzerne der Welt zu wer-
den, entwickelt OAO „Gazprom“ aktiv seinen
Erdöl- und Energiebereich. Angestrebt wird eine
Erdölförderung von 100 Mio. t im Jahre 2020. In der
Elektroenergie-Erzeugung zählt Gazprom bereits
heute zu den Top-10-Unternehmen der Welt.
Hochinteressant war die anschließende Presse-
konferenz. Die wichtigsten Aussagen waren:
Strategische Schwerpunktgebiete der künftigen
Tätigkeit von Gazprom sind die Halbinsel Jamal,
der Arktische Schelf und der Ferne Osten Russ-
lands.
Geprüft wird eine Zusammenarbeit mit den USA
bei Förder- und Transportprojekten auf Alaska, da
Russland über reiche Erfahrungen der Tätigkeit
im Hohen Norden verfügt.
Gazprom ist wichtiger Player auf dem globalen
Energiemarkt und will eine führende Position
erreichen.
VNG importiert seit 1973 russisches
Erdgas auf Grundlage langfristiger
Verträge. Zwei Transportrouten
stehen für das russische Erdgas zur
Verfügung: die Importpipeline über
Tschechien und die Jamal-Europa-Trasse über Polen. Wegweisend für die Versorgungs-
sicherheit der VNG-Kunden ist der im Jahr 2006 mit dem deutsch-russischen Vertragspartner
Wintershall Erdgas Handelshaus GmbH (WIEH) abgeschlossene langfristige Importvertrag.
Er sieht die Lieferung von 90 Milliarden Kubikmetern Erdgas zwischen dem Jahr 2014 und
dem 1. Januar 2031 vor. VNG kooperiert seit 1998 mit Gazprom und ihren Tochtergesell-
schaften auf dem wissenschaftlich-technischen Gebiet. Beide Unternehmen zielen vor
allem auf den zuverlässigen, wirtschaftlichen und umweltgerechten Betrieb, die Wartung,
Instandhaltung und Rekonstruktion von Gastransportsystemen und Untergrundgasspeichern.
Zusätzlich engagieren sich VNG, Gazprom export, GAZPROM Germania und die langjährigen
Hochschulpartner von VNG und Gazprom im Deutsch-Russischen Rohstoff-Forum für ein
nachhaltiges Rohstoffmanagement. Über sein Tochterunternehmen Gazprom Germania
hält Gazprom 10,52 Prozent der Anteile an VNG.
VNG und Gazprom
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10 Gründe, die ukrainische Hauptstadt Kiew zu besuchen
Seit 1973 transportiert das ukrainische Unternehmen Ukrtransgas zuverlässig
russische Erdgasmengen nach Westeuropa, darunter auch die Gasmengen für
VNG. An der Ferngastrasse und ihrer Infrastruktur haben deutsche Monteure mit-
gearbeitet. Seit 1995 arbeiten die Dispatcherorganisationen von Ukrtransgas
und VNG auf vertraglicher Basis eng zusammen – ein besonderer Grund, sich mal
in Kiew umzusehen. Die Hauptstadt der Ukraine liegt am Ende der Verlängerung
der alten Via Regia (Frankfurt–Leipzig–Breslau–Kiew).
2012 wird die Drei-Millionen-Metropole einer der Austragungsorte der Fußball-
europameisterschaft sein – und hoffentlich unserer Nationalauswahl ein weiteres
„Sommermärchen“ erleben lassen.
1. Kirchen und Klöster
Die Skyline der Stadt wird durch die vielen Türme und Zwiebelkuppeln der
Kirchen und Klöster bestimmt. Das erklärt auch den Beinamen der Stadt,
Jerusalem des Nordens. Alle christlichen Konfessionen sind hier zu Hause.
Die prägnantesten Bauwerke sind das Höhlenkloster Kijewo Petscherska
Lawra und die St. Andreas Kirche im alten Stadtteil Podil. Podil wird seit
einigen Jahren behutsam saniert und beherbergt mittlerweile eine bedeu-
tende Künstlerszene. Die Sophienkathedrale ist der älteste ostslawische
Kathedralbau und hat in der Hagia Sophia (Heilige Weisheit) in Byzanz/
Istanbul sein Vorbild. Die Klosterkirche St. Michael wurde unter Stalin
abgerissen, um einen Paradeplatz zu schaffen, zu Beginn des neuen
Jahrtausends wiederaufgebaut, präsentiert sich die Klosterkirche heute
in den Nationalfarben der Ukraine, gold und blau.
Stadtansichten
Von Dr. Reinhard Böhm
2. Chreschtschatyk Boulevard und Majdan Nesaleschnosti
Mitten im Zentrum der Stadt befindet sich der Pracht-
boulevard Chreschtschatyk mit seinen Zuckerbäcker -
bauten der Nachkriegszeit. Er entstand aus den Ruinen des
Krieges. Als die deutsche Wehrmacht Kiew 1941 besetz-
te, zündete die Rote Armee Fernsprengsätze und die alte
Innenstadt brannte großflächig ab. Nach dem Krieg wurde
dieser Boulevard mit deutschen Kriegsgefangenen aufge-
baut und um 2000 restauriert. Die Kastanienbäume geben
dem Boulevard eine besondere Atmosphäre und machen
ihn zum Festplatz für Stadtfeierlichkeiten an den letzten
Maiwochenenden. Dann
stehen die Kastanien in
voller Blüte. Der Majdan
(Unabhängigkeitsplatz)
bildet den Mittelpunkt
des Boulevards, dort
fanden auch die macht-
vollen Demonstrationen
der orangenen Revolu-
tion statt.
3. Folklore
Zu Feiertagen ist es nach wie vor
üblich, dass landestypische Kleidung
getragen wird. Junge Mädchen prä-
sentieren sich ganz stolz, insbeson-
dere, wenn eine Kamera zuschaut.
4. Besarabischer Markt
An einem Ende des Chreschtschatyk befindet sich der
Bes arabische Markt. In der Markthalle können allerlei
Lebensmittel gekauft werden, unter anderem der viel-
gerühmte ukrainische Speck, roter und schwarzer Kaviar,
Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse und Gewürze aller Art. Es ist
auf regend, hier zu schauen, zu probieren und um den Preis
zu feilschen – wie auf einem echten orientalischen Basar.
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Kiew
5. Dnepr und Hydropark auf der Dneprinsel
Der dem Schwarzen Meer entgegen strömende Dnepr
mit seinen Brücken und Inseln prägt die Stadt. An
seinen Ufern, in den grünen Hügeln und auf der Insel
im Hydropark kann man sich wunderbar von der Groß-
stadt erholen und in Restaurants und auf Restaurant-
schiffen ukrainische Köstlichkeiten genießen.
6. Architektur
Trotz der Kriegs-
zerstörungen und
der Zeit des Sozi-
alismus sind noch
viele Baudenkmale
aus vergangenen
Jahrhunderten vor-
handen, prächtige
Paläste des Adels,
reiche Bürgerhäuser
und Wirtschafts-
bauten. Zwei Bauten sind besonders prachtvoll: Das Gebäude
der Ukrainischen Nationalbank aus dem frühen 20. Jahrhundert
mit orientalischen Stilelementen und das Haus der Chimären
unweit des Präsidentenpalastes.
7. Mutter Heimat
Nach dem 2. Weltkrieg wurden
auf einem Hügel der Stadt, auf
dem Gelände einer alten Zaren-
festung, ein mächtiges Denkmal
(Frau mit Schwert), ein See der
Tränen und eine ewige Flamme sowie ein Militärmuseum
errichtet. Das Denkmal symbolisiert den Ruf der Mutter Heimat
und erinnert an die Schlacht um Kiew. Die begehbare Statue
ist 62 m hoch und steht auf einem 40 m hohen Granitsockel.
Sie wurde in den 1980er Jahren noch unter Breschnew ein-
geweiht. Die Stadt erhielt den Ehrentitel Heldenstadt.
Ein weiterer Memorial für die Opfer des 2. Weltkrieges und der
stalinistischen Gewaltherrschaft befindet sich in dem grünen
Hügel neben dem Petschera Lawra Kloster.
8. Gastlichkeit und Restaurants
In der Nähe des
Denkmals „Mutter
Heimat“ befindet
sich ein gemüt-
liches Nationali-
tätenrestaurant,
das in keinem
Stadtführer fehlt.
Ob nun in diesem
oder einem der
zahlreichen ande-
ren Restaurants – die ukrainische Küche bietet eine Vielzahl
an Köstlichkeiten. Dazu zählen beispielsweise marinierter
Knoblauch, frisches knackiges Gemüse, Kaviar, verschie-
dene Sorten (grünen und roten) Borschtsch, Schaschlyk und
Fisch- und Fleischgerichte aller Art. Übrigens können die
Ukrainer auch gutes Bier brauen und keltern hervorragende
Weine (zum Beispiel aus dem Tokaier Weinanbaugebiet).
Auch der Krimsekt braucht keinen weiteren Kommentar.
9. Bogen der Verbundenheit des ukrainischen mit dem russischen Volk
In den grünen Hügeln über
dem Dnepr wurde in der
Breschnew-Ära ein Bogen
von 50 Metern Durchmesser
aus Titan errichtet. Dieser
Bogen der Superlative, der
an die vertraglichen Ver-
bindungen durch Bogdan
Chmelnitzki mit Russland
und die „ewige Verbundenheit“ auch nach dem 2. Weltkrieg
erinnern soll, wird heute Breschnews „letzte Rache“ genannt
und ist mittlerweile von beträchtlichem Schrottwert.
Die Kiewer haben zur „Verschönerung“ vor einigen Jahren
Neonbeleuchtung installiert, damit das Bauwerk nachts
wie ein Regenbogen strahlt.
10. Universität Taras Schevtschenko
Neben dieser bedeutenden Universität mit
Tradition hat Kiew weitere Hoch- und Fach-
schulen zu bieten. Zum Elektrotechnischen
Institut hat die HTWK Leipzig schon jahrzehnte-
lange partnerschaftliche Verbindungen.
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5. Erdgas-Challenge Day
Olympiastützpunkte im sportlichen WettstreitAbseits vom Wettkampfstress und Trainingsalltag trafen sich am 4. Juni Athleten aus den acht ostdeutschen Olympiastützpunkten zum Erdgas-Challenge Day in Oberhof.
Von Marcus Kunath, VNG
Dieser besondere Wettstreit, der jedes Jahr im
Rahmen des „Verbundnetz für den Sport“ von
einem anderen Olympiastützpunkt ausgerichtet
wird, fand im thüringischen Oberhof statt und
stand ganz im Zeichen der Winterspiele. Acht
gemischte Mannschaften aus geförderten Nach-
wuchstalenten, Trainern und den prominenten
Projektpaten – unter ihnen Jens Weißflog, Frank-
Peter Rötsch und Sven Ottke – wetteiferten bei
strahlend blauem Himmel und sommerlichen
25 Grad in der minus 4 Grad kalten Skisporthalle
um den Sieg. Die Mannschaften stellten ihr Können
unter anderem beim Rodeln, Bob-Anschieben und
einer Pendelstaffel auf Sprungski unter Beweis.
„Bei den Wettbewerben steht vor allem der gemein-
same Spaß und das Kennenlernen untereinander
im Vordergrund“, sagte Dr. Bernd Neudert, Leiter
vom Olympiastützpunkt Thüringen.
Der Ehrgeiz, der bei Leistungssportlern nie ausge-
schaltet werden kann, sorgte für lustige Zwischen-
fälle in teilweise sehr fantasievollen Disziplinen.
„Dass vor dem Startschuss die Konkurrenz mit
Siegesparolen verunsichert wird und die Teams
auch sonst mit allen Mitteln kämpfen, gehört hier
zum guten Ton“, erklärte Projektleiter Bernhard
Bock. Nach einem harten Zweikampf mit der
Mannschaft aus Thüringen siegte das Team aus
Sachsen-Anhalt um OSP-Leiter Helmut Kurrat,
Frank-Peter Rötsch und Turnstar Matthias Fahrig.
„Wir freuen uns, dass wir bereits zum zweiten Mal
gewinnen konnten und hoffen, dass wir nächstes
Jahr in Berlin wieder genauso erfolgreich sind“,
sagte Helmut Kurrat.
Abschließender Höhepunkt des Tages war traditi-
onell das Fußballspiel, bei dem sich die „Verbund-
netz-Kicker“ knapp mit 6:3 den „Oberhof-Allstars“
geschlagen geben mussten.
Das Verbundnetz für den
Sport ist eine 2004 ge-
gründete Initiative der
VNG – Verbundnetz Gas
Aktiengesellschaft mit
dem Ziel, junge sport-
liche Talente auf ihrem
Weg an die Weltspitze zu
begleiten.
Verbundnetz für den Sport
Weitere Informationen:
www.verbundnetz-fuer-den-sport.de
Team des Olympiastützpunktes Sachsen-Anhalt (v. l. n. r.): Matthias Fahrig, Helmut Kurrat,
Matthias Grünewald, Frank-Peter Rötsch, Florian Jeglinski, Max Thape, Erik Neudert.
Teams der Olympiastützpunkte vor der Skihalle in Oberhof.
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Verbundnetz für Demokratie und Toleranz
Berliner Band und Feuerwehr-kapelle rockten in Leipzig
Rock trifft Feuerwehr
Über ein Jahr vor dem eigentlichen Auftritt
startet das durchaus sehr ungewöhnliche Projekt.
In Leipzig, so das ehrgeizige Ziel, sollten die
Berliner Band THE ROOVERS und die Feuerwehr-
Schalmeienkapelle Malchin zusammen auftreten.
Motto des Auftrittes: „Rock für Demokratie und
Toleranz“. Dafür schrieben die Berliner und Mal-
chiner einen gemeinsamen Song für Freiheit und
Toleranz, probten an vielen Wochenenden inten-
siv – und stimmten dabei ihre unterschiedlichen
Musikinstrumente aufeinander ab.
Musik für Demokratie
Warum aber die Mischung aus Rockband und
Feuerwehrkapelle? Die Idee stammt von der
VNG-Initiative Verbundnetz für Demokratie und
Toleranz. „Demokratie und Toleranz wird er-
lebbar und verbreitet sich durch gemeinsames
Musizieren“, erklärte es Heino Kalkschies. Der
Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes
Mecklenburg-Vorpommern und Kooperations-
partner der Initiative Verbundnetz für Demokratie
und Toleranz in diesem Bundesland präzisierte
die Aussage sogleich: „Der Landesfeuerwehrver-
band möchte dem erklärten Bestreben der NPD in
Mecklenburg-Vorpommern, in zivilgesellschaft-
lichen Organisationen und Vereinen, und damit
auch in den Freiwilligen Feuerwehren, ihr Gedan-
kengut zu verbreiten, etwas entgegensetzen.
Den jungen Leuten in den Jugendfeuerwehren
soll durch die Projektangebote die Gelegenheit
gegeben werden, sich mit den demokratischen
Grundwerten unserer Gesellschaft sowie Tole-
ranz, Freiheit und Menschenwürde auseinan-
derzusetzen.“
Premiere in Leipzig
KOMMT ZUSAMMEN – so lautete der Titel des ge-
meinsam komponierten und einstudierten Songs.
Zusammen kamen dann auch wirklich alle – und
lauschten dem Duett bei der großen Festveranstal-
tung zum Abschluss der Feuerwehrwoche. Auf der
großen Aktionsbühne in der Leipziger Innenstadt
spielten die Berliner Rocker und die Malchiner
Schalmeienkapelle vor einem begeisterten Pub-
likum zum ersten Mal öffentlich. Der Auftakt des
Band-Projektes war, da sind sich alle Projektpartner
einig, ein riesiger Erfolg.
Zum Abschluss entstehen eine CD mit dem Mit-
schnitt des Auftritts sowie eine Foto-CD zum
Projekt. Das ungewöhnliche Duett aus Rockband
und Feuerwehrkapelle soll im Übrigen nicht ihren
ersten und einzigen gemeinsamen Auftritt in
Leipzig gehabt haben. Sie planen schon damit,
auf weiteren Anlässen im Rahmen der Initiative
Jugendfeuerwehren für Demokratie und Toleranz
gemeinsam aufzutreten.
www.the-roovers.com | www.verbundnetz-fuer-demokratie-und-toleranz.de
Mehr als 150 000 Menschen lockte der 28. Deutsche Feuerwehrtag und die parallel
stattfindende Weltleitmesse „Interschutz – Der Rote Hahn“ nach Leipzig.
Das Verbundnetz für Demokratie und Toleranz war mit einem Auftritt der besonderen Art dabei.
Gemeinsamer Auftritt in Leipzig: THE ROOVERS und die Feuerwehr-Schalmeien-
kapelle Malchin.
Sie wollen die CD mit dem Mitschnitt des Auftrittes bestellen? Bitte schreiben
Sie eine E-Mail an [email protected], Kennwort
Mitschnitt Feuerwehrtag.
Foto: Sebastian Höhn
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Kunst
Painted in Cracow – Junge polnische Malerei aus Krakau
Michal MISIAK „S-29“, Öl auf Leinwand
Im November und Dezember gastiert eine Ausstellung unter dem Motto „Painted in Cracow – Junge polnische Malerei
aus Krakau“ in der Firmenzentrale von VNG in Leipzig. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Berliner Galerie von
Dorota Kabiesz organisiert.
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Werke dieser jungen polnischen
Künstler werden in der Ausstellung
zu sehen sein:
Rafal Borcz
Mikolaj Malek
Michal Misiak
Julita Malinowska
Kinga Nowak
Marta Sala
Katarzyna Skrobiszewska
Malgorzata Wielek-Mandrela
Die Künstler
Oben: Marta SALA „Kasia 1“, Öl auf Leinwand | Unten: Rafal BORCZ „Schlangenbucht“. Öl auf Leinwand
Von Krzysztof Stanislawski,
Kunstkritiker, freier Kurator
Projektzyklus seit 2008 auf Tour durch Europa
Das Projekt „Junge polnische Malerei“ wurde 2008
als Zyklus gestartet. Jährlich werden seither zwei
Präsentationen von jungen Absolventen jeweils
aus einer Region in Polen vorgestellt. Die Idee
des Zyklus stammt von Dorota Kabiesz, einer
Galeristin, Kulturmanagerin und unermüdlicher
Promoterin der polnischen Kunst. Sie hat auch
das Kuratorium des Projektes übernommen. In den
Jahren 2008 und 2009 wurden die ersten drei Teile
des Zyklus („Junge polnische Malerei– Kunst aus
Schlesien“, „Junge polnische Malerei– Kunst aus
Großpolen“ und „Junge polnische Malerei– Kunst
aus Niederschlesien“) präsentiert. In diesem Jahr
sind zwei weitere Präsentationen geplant: „Painted
in Cracow“ (Junge Künstler aus und um die Kunst-
akademie Krakow) und „Farben der Vorkarpaten“
(Junge Künstler aus der Region Vorkarpaten).
Weltberühmte polnische Kunstakademie
„Painted in Cracow“ stellt – so deutet es bereits
der Titel an – die Malerei von jungen Künstlern aus
Krakau vor. Sie alle sind Absolventen der Krakauer
Kunstakademie. Die Hochschule ist die älteste
polnische Kunstakademie (gegründet 1818) und
gehört heute zu den wichtigsten Kulturzentren in
Polen. In ihrer 180-jährigen Geschichte hat sie viele
polnische Künstler hervorgebracht, unter ihnen so
bekannte Namen wie Jan Matejko (1838–1893),
Mojzesz Kisling, Andrzej Wroblewski und Tadeusz
Kantor. Auch die jüngsten Weltberühmtheiten –
Wilhelm Sasnal und Rafal Bujnowski – genossen
ihre Ausbildung an jener Kunstakademie in Krakau
und haben damit die Entwicklung der Bildenden
Kunst in Polen entscheidend beeinflusst.
Krakow selbst ist künstlerisch eine sublimierte,
selbstbewusste, aber auch sehr differenzierte
und traditionelle Stadt. Sie ist allerdings nicht
nur eine Stadt, die Erinnerungen an eigenen Ruhm
und Gloria pflegt. Krakow ist ein sehr lebendiges
und faszinierendes Kunstzentrum. Hier stöbern
Kuratoren seit eh und je nach neuen Tendenzen
und Individualitäten. Und das besonders im Be-
reich Malerei, den man als Krakauer Spezialgebiet
betrachten kann.
„Das Morgen“ von jungen Künstlern
Acht junge Künstler, alle nicht älter als 35 Jahre –
stehen im Fokus der Ausstellung. Teilweise sind es
schon anerkannte Künstler, teilweise Assistenten
von der Kunstakademie, teilweise sind es aber auch
frische Absolventen, die ihr Diplom gerade erst
in der Tasche haben und deren Karrieren gerade
erst beginnen. Gerade letztere haben bisher nur
einige wenige Ausstellungen und Auszeichnungen
auf dem Konto, sie repräsentieren aber das, was
man als „das Morgen in der Kunst aus Krakow“
nennen kann. Soweit nämlich die Leistungen der
„Älteren“ schon verifiziert sind, warten die Arbeiten
der „Jüngeren“ auf ihre Beurteilung.
Es trifft sich daher gut, dass diese Bewertung auch
mit Hilfe des europäischen Publikums während den
Ausstellungen in Deutschland stattfinden kann.
medium gas | 19. Jahrgang | 3. Ausgabe | Oktober 2010
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