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DOI: 10.1007 /s00350-006-1761-0 Medizinische Forschung an Kindern. Rechtliche, ethische und rechtsvergleichende Aspekte der Arz- neimittelforschung an Kindern. Von Dorothea Magnus. (Studien zum ausländischen und in- ternationalen Privatrecht, Bd. 170). Mohr Siebeck, Tübingen 2006, XXI u. 321 S., 54,– Bekanntlich befriedigt die Arzneimittelsicherheit auf dem Gebiet der Kinderheilkunde keineswegs. Der verbreitete Gebrauch von Medi- kamenten über die Zulassung hinaus (off-label use) zeigt dies an. In der Pädiatrie fehlen kinder- und altersspezifische Normwerte, weil die klinische Prüfung pädiatrischer Medikamente hinter den Be- dürfnissen zurückbleibt. Das hat verschiedene Gründe, nicht zuletzt den des begrenzten Marktes. Die ebenso umsichtige wie ausgewo- gene Monographie, eine von Michael Köhler angeregte und beglei- tete Hamburger rechtswissenschaftliche Dissertation, erörtert „das Grundproblem, ob und wie medizinische Forschung an Kindern durchgeführt werden kann und sollte, ohne die Kinder in klinischen Studien unvertretbar zu belasten, aber andererseits die Gruppe der Kinder nicht vom medizinischen Fortschritt auszuschließen, der not- wendig auf klinischen Prüfungen beruht“. Die Autorin behandelt nach einem Blick auf die medizinische Praxis eingehend die Rechtslage in Deutschland nach dem jüngst gemäß europäischen Vorgaben novellierten AMG. Dann beleuch- tet sie Geschichte, internationale Regelwerke und ethische Lehren. Breiteren Raum beanspruchen die wenig übersichtliche, im Fluß befindliche Rechtslage in den USA und der Rechtsvergleich. Das Werk mündet in kritische Schlußfolgerungen und Verbesserungs- vorschläge. Ein umfänglicher Anhang bietet eine Dokumentation der Rechtsquellen. Die Verfasserin schlägt vor, „auch in Deutschland nach ameri- kanischem Vorbild mehr Anreize für Arzneimittelhersteller zu schaffen“. Außerdem erwägt sie die „Einführung eines alternativen Pflichtprogramms zum Testen von Arzneimitteln an Kindern“, fer- ner plädiert sie für die „Einführung einer Frist zur Nachprüfung“ der Wirkungen der die Forschungsmöglichkeiten erweiternden Novelle zum AMG nach amerikanischem Beispiel. – Wolle man im Allge- meininteresse mehr Arzneimittelsicherheit durch mehr klinische Versuche erreichen, so werde es „auch umso wichtiger, Kinder da- vor zu schützen, daß sie zum bloßen Objekt von Forschung werden“. Weil die Autorin die Rechte Minderjähriger zu Recht hoch achtet und zum Ausgangspunkt die freiwillige Zustimmung des aufge- klärten Kindes nimmt, hätte sie besser von Forschung „mit“ statt „an“ Kindern geschrieben. Mit Grund folgt sie dem amerikanischen Stufenmodell nicht, nach dem bei ansteigendem Nutzen auch die Risiken erhöht werden können. Denn der Schutz des Kindes vor Instrumentalisierung für fremde Zwecke läßt sich nur erreichen, wenn wenn fremdnützige Versuche mit mehr als minimalen Risiken unzulässig bleiben. Das europäisierte AMG hat das Feld für rein wissenschaftliche Forschung mit Kindern vorsichtig und begrenzt geöffnet. Die Verfasserin bewertet die Novelle positiv, denn es sei „unerläßlich, auch Versuche an Minderjährigen durchzuführen, die über die eigene Therapie hinausgehen“. Freilich muß die Einwilli- gung des gesetzlichen Vertreters an das personen- und privatrecht- lich ausgelegte Wohl des Kindes gebunden bleiben. Das Erfordernis des Gruppenbezugs, so zeigt sich, ist kein geeignetes Kriterium, um einen zumindest potenziellen Nutzen des Versuchsteilnehmers zu gewährleisten. Zu Recht bezeichnet die Schrift die Risiko/Nutzen-Abwägung als eine der Kernvoraussetzungen klinischer Prüfungen: der wohl- bedachte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt. Noch grundlegender: Fremdnützige Forschung bedarf zu ihrer Legitimation unverzichtbar der Einwilligung als Ausdruck der Autonomie der Person. Nutzen- gesichtspunkte bilden gewiß ein Element der Rechtfertigung, „ha- ben aber im Verhältnis zur Autonomie eine lediglich assistierende Funktion“. Die Monographie macht der angesehenen wissenschaftlichen Rei- he Ehre, in der sie Platz fand. Sie wird ihrem anspruchsvollen, aktu- ellen Gegenstand gerecht. Musterberufsordnung für die Psychologischen Psy- chotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsy- chotherapeuten. Text und Kommentierung. Von Martin H. Stellpflug und Inge Berns. Psychotherapeutenver- lag, Heidelberg 2006, X u. 283 S., kart., 29,– Das gut lesbare, übersichtliche Buch spiegelt die professionelle Kom- petenz seiner Autoren: sie arbeitet als Kinder- und Jugendlichenpsy- chotherapeutin, er als Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht; beide haben als Mitglieder der Lenkungsgruppe die vom 7. Deutschen Psy- chotherapeutentag 2006 verabschiedete „Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten“ (MBO – PP /KJP) maßgeblich mitgestaltet. Das Buch bietet den Text dieser neuen Ordnung, die selbst nicht unmittelbar rechtlich bindet, vielmehr den Zweck ver- folgt, „die Landesberufsordnungen zu harmonisieren“ und „für die Darstellung des Berufs nach außen“ zu sorgen. Die MBO umfaßt dreißig Paragraphen nach einer Präambel und gliedert sich in „Grund- sätze“, „Regeln der Berufsausübung“, „Formen der Berufsausübung“ und „Schlußbestimmungen“. Der Kommentar dazu liefert zu jedem Paragraphen eingangs eine Bibliographie, dann allgemeine Hinweise und die Erläuterungen im einzelnen mit Fußnoten, schließlich zu- meist eine Dokumentation von Richtersprüchen in Leitsätzen. Das Werk druckt im Anhang ab das Psychotherapeutengesetz (von 1998, zuletzt geändert 2004), die Musterfortbildungsordnung der Bundes- psychotherapeutenkammer, die Musterweiterbildungsordnung, die Psychotherapie-Richtlinien und die Psychotherapie-Vereinbarung. Ein knappes Stichwortverzeichnis beschließt den Band. „Psychotherapeuten üben die Heilkunde unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Standards aus mit dem Ziel, Krank- heiten vorzubeugen und zu heilen, Gesundheit zu fördern und zu erhalten sowie Leiden zu lindern“ (§ 1 Abs. 1 MuBO). Ihr Dienst gleicht also grundsätzlich dem der ärzte, und darum nehmen die neue Berufsordnung und der Kommentar wesentliche Elemente des eingeführten Arztrechts in sich auf. Dabei ließen sich Entwick- lungsstufen überspringen und die aktuellen Maßgaben der Judika- tur unmittelbar einsetzen, etwa die problematische Erlaubtheit der Werbung. An anderen Stellen, etwa zum Thema der psychotherapeu- tischen Forschung, werden die Berufsordnung – und ihr folgend der Kommentar – ihren Gegenstand noch weiter auszuarbeiten haben. Die Kommentatoren tragen den Besonderheiten der psychotherapeu- tischen Behandlung je und je Rechnung, so bei der Aufklärung oder bei der differenziert und kritisch behandelten Grenze des Rechts auf Einsicht in Behandlungsdokumentationen. Die Auskünfte erweisen sich darum als nützlich nicht nur für Psychotherapeuten und deren Patienten und Rechtsberater, sondern darüber hinaus auch für das Arztrecht im allgemeinen. Das Werk trägt zur Profilierung eines neuen Heilberufes bei. Den Autoren bleibt zu wünschen, sie mögen die Möglichkeit haben, mit ihrem Buch der künftigen Entwicklung zu folgen und den Stoff wei- ter auszuformen. Die Rechtsstellung des Kassenpatienten im Rahmen der Abrechnung seiner stationären Krankenhaus- behandlung. Von Mathias Maria Knorr. Verlag uni-edition, Berlin 2006, 237 S., kart., 29,90 Rechtsanwalt und Notar Dr. iur. Franz-Josef Dahm, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Verwaltungs- recht, Essen MedR (2007) 25: 381 Buchbesprechungen Prof. Dr. iur. Dr. h. c. Adolf Laufs, Heidelberg Prof. Dr. iur. Dr. h. c. Adolf Laufs, Heidelberg 381–382

Medizinische Forschung an Kindern. Rechtliche, ethische und rechtsvergleichende Aspekte der Arzneimittelforschung an Kindern

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DOI: 10.1007 /s00350-006-1761-0

Medizinische Forschung an Kindern. Rechtliche, ethische und rechtsvergleichende Aspekte der Arz-neimittelforschung an Kindern.

Von Dorothea Magnus. (Studien zum ausländischen und in-ternationalen Privatrecht, Bd. 170). Mohr Siebeck, Tübingen 2006, XXI u. 321 S., € 54,–

Bekanntlich befriedigt die Arzneimittelsicherheit auf dem Gebiet der Kinderheilkunde keineswegs. Der verbreitete Gebrauch von Medi­kamenten über die zulassung hinaus (off­label use) zeigt dies an. In der Pädiatrie fehlen kinder­ und altersspezifische Normwerte, weil die klinische Prüfung pädiatrischer Medikamente hinter den Be­dürfnissen zurückbleibt. Das hat verschiedene Gründe, nicht zuletzt den des begrenzten Marktes. Die ebenso umsichtige wie ausgewo­gene Monographie, eine von Michael Köhler angeregte und beglei­tete Hamburger rechtswissenschaftliche Dissertation, erörtert „das Grundproblem, ob und wie medizinische Forschung an Kindern durchgeführt werden kann und sollte, ohne die Kinder in klinischen studien unvertretbar zu belasten, aber andererseits die Gruppe der Kinder nicht vom medizinischen Fortschritt auszuschließen, der not­wendig auf klinischen Prüfungen beruht“.

Die Autorin behandelt nach einem Blick auf die medizinische Praxis eingehend die Rechtslage in Deutschland nach dem jüngst gemäß europäischen Vorgaben novellierten AMG. Dann beleuch­tet sie Geschichte, internationale Regelwerke und ethische Lehren. Breiteren Raum beanspruchen die wenig übersichtliche, im Fluß befindliche Rechtslage in den usA und der Rechtsvergleich. Das Werk mündet in kritische schlußfolgerungen und Verbesserungs­vorschläge. Ein umfänglicher Anhang bietet eine Dokumentation der Rechtsquellen.

Die Verfasserin schlägt vor, „auch in Deutschland nach ameri­kanischem Vorbild mehr Anreize für Arzneimittelhersteller zu schaffen“. Außerdem erwägt sie die „Einführung eines alternativen Pflichtprogramms zum Testen von Arzneimitteln an Kindern“, fer­ner plädiert sie für die „Einführung einer Frist zur Nachprüfung“ der Wirkungen der die Forschungsmöglichkeiten erweiternden Novelle zum AMG nach amerikanischem Beispiel. – Wolle man im Allge­meininteresse mehr Arzneimittelsicherheit durch mehr klinische Versuche erreichen, so werde es „auch umso wichtiger, Kinder da­vor zu schützen, daß sie zum bloßen objekt von Forschung werden“. Weil die Autorin die Rechte Minderjähriger zu Recht hoch achtet und zum Ausgangspunkt die freiwillige zustimmung des aufge­klärten Kindes nimmt, hätte sie besser von Forschung „mit“ statt „an“ Kindern geschrieben. Mit Grund folgt sie dem amerikanischen stufenmodell nicht, nach dem bei ansteigendem Nutzen auch die Risiken erhöht werden können. Denn der schutz des Kindes vor Instrumentalisierung für fremde zwecke läßt sich nur erreichen, wenn wenn fremdnützige Versuche mit mehr als minimalen Risiken unzulässig bleiben. Das europäisierte AMG hat das Feld für rein wissenschaftliche Forschung mit Kindern vorsichtig und begrenzt geöffnet. Die Verfasserin bewertet die Novelle positiv, denn es sei „unerläßlich, auch Versuche an Minderjährigen durchzuführen, die über die eigene Therapie hinausgehen“. Freilich muß die Einwilli­gung des gesetzlichen Vertreters an das personen­ und privatrecht­lich ausgelegte Wohl des Kindes gebunden bleiben. Das Erfordernis des Gruppenbezugs, so zeigt sich, ist kein geeignetes Kriterium, um einen zumindest potenziellen Nutzen des Versuchsteilnehmers zu gewährleisten.

zu Recht bezeichnet die schrift die Risiko/Nutzen­Abwägung als eine der Kernvoraussetzungen klinischer Prüfungen: der wohl­bedachte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt. Noch grundlegender: Fremdnützige Forschung bedarf zu ihrer Legitimation unverzichtbar der Einwilligung als Ausdruck der Autonomie der Person. Nutzen­gesichtspunkte bilden gewiß ein Element der Rechtfertigung, „ha­ben aber im Verhältnis zur Autonomie eine lediglich assistierende Funktion“.

Die Monographie macht der angesehenen wissenschaftlichen Rei­he Ehre, in der sie Platz fand. sie wird ihrem anspruchsvollen, aktu­ellen Gegenstand gerecht.

Musterberufsordnung für die Psychologischen Psy-chotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsy-chotherapeuten. Text und Kommentierung.

Von Martin H. Stellpflug und Inge Berns. Psychotherapeutenver-lag, Heidelberg 2006, X u. 283 S., kart., € 29,–

Das gut lesbare, übersichtliche Buch spiegelt die professionelle Kom­petenz seiner Autoren: sie arbeitet als Kinder­ und Jugendlichenpsy­chotherapeutin, er als Fachanwalt für Medizin­ und sozialrecht; beide haben als Mitglieder der Lenkungsgruppe die vom 7. Deutschen Psy­chotherapeutentag 2006 verabschiedete „Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder­ und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder­ und Jugendlichenpsychotherapeuten“ (MBo – PP /KJP) maßgeblich mitgestaltet. Das Buch bietet den Text dieser neuen ordnung, die selbst nicht unmittelbar rechtlich bindet, vielmehr den zweck ver­folgt, „die Landesberufsordnungen zu harmonisieren“ und „für die Darstellung des Berufs nach außen“ zu sorgen. Die MBo umfaßt dreißig Paragraphen nach einer Präambel und gliedert sich in „Grund­sätze“, „Regeln der Berufsausübung“, „Formen der Berufsausübung“ und „schlußbestimmungen“. Der Kommentar dazu liefert zu jedem Paragraphen eingangs eine Bibliographie, dann allgemeine Hinweise und die Erläuterungen im einzelnen mit Fußnoten, schließlich zu­meist eine Dokumentation von Richtersprüchen in Leitsätzen. Das Werk druckt im Anhang ab das Psychotherapeutengesetz (von 1998, zuletzt geändert 2004), die Musterfortbildungsordnung der Bundes­psychotherapeutenkammer, die Musterweiterbildungsordnung, die Psychotherapie­Richtlinien und die Psychotherapie­Vereinbarung. Ein knappes stichwortverzeichnis beschließt den Band.

„Psychotherapeuten üben die Heilkunde unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen standards aus mit dem ziel, Krank­heiten vorzubeugen und zu heilen, Gesundheit zu fördern und zu erhalten sowie Leiden zu lindern“ (§ 1 Abs. 1 MuBo). Ihr Dienst gleicht also grundsätzlich dem der ärzte, und darum nehmen die neue Berufsordnung und der Kommentar wesentliche Elemente des eingeführten Arztrechts in sich auf. Dabei ließen sich Entwick­lungsstufen überspringen und die aktuellen Maßgaben der Judika­tur unmittelbar einsetzen, etwa die problematische Erlaubtheit der Werbung. An anderen stellen, etwa zum Thema der psychotherapeu­tischen Forschung, werden die Berufsordnung – und ihr folgend der Kommentar – ihren Gegenstand noch weiter auszuarbeiten haben. Die Kommentatoren tragen den Besonderheiten der psychotherapeu­tischen Behandlung je und je Rechnung, so bei der Aufklärung oder bei der differenziert und kritisch behandelten Grenze des Rechts auf Einsicht in Behandlungsdokumentationen. Die Auskünfte erweisen sich darum als nützlich nicht nur für Psychotherapeuten und deren Patienten und Rechtsberater, sondern darüber hinaus auch für das Arztrecht im allgemeinen.

Das Werk trägt zur Profilierung eines neuen Heilberufes bei. Den Autoren bleibt zu wünschen, sie mögen die Möglichkeit haben, mit ihrem Buch der künftigen Entwicklung zu folgen und den stoff wei­ter auszuformen.

Die Rechtsstellung des Kassenpatienten im Rahmen der Abrechnung seiner stationären Krankenhaus-behandlung.

Von Mathias Maria Knorr. Verlag uni-edition, Berlin 2006, 237 S., kart., € 29,90

Rechtsanwalt und Notar Dr. iur. Franz­Josef Dahm, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Verwaltungs­recht, Essen

MedR (2007) 25: 381Buchbesprechungen

Prof. Dr. iur. Dr. h. c. Adolf Laufs, Heidelberg

Prof. Dr. iur. Dr. h. c. Adolf Laufs, Heidelberg

381–382