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1 3 ANGEWANDTE GEOGRAPHIE Passau im äußersten Südosten der Republik, wo die Donau bayerisches Territorium verlässt und damit den niedrigsten Punkt des deutschen Einzugsgebiets der Donau markiert, zählt zu den wichtigsten Destinationen des Städtetourismus in Deutschland – jedenfalls wenn man die Tourismusin- tensität, also einen auf die Bevölkerungsgröße bezogenen Kennwert, heranzieht. Doch ist diese bundesweit herausra- gende Position auch ein Hinweis darauf, dass das touristi- sche Potenzial der Stadt bereits ausgeschöpft ist? Sind mit der intensiven Nachfrage auf dem Tourismusmarkt schon Phänomene der Übernutzung der Infrastruktur und Überbe- anspruchung der städtischen Kulturlandschaft verbunden? Passaus Spitzenstellung im deutschen Städtetourismus Dass Passau hinsichtlich der Zahl der Übernachtungen in Relation zur Einwohnergröße unter den kreisfreien Städ- ten Deutschlands einen führenden Platz einnimmt, mag selbst manche Kenner der Tourismusstrukturen überraschen (Abb. 1). Im Vergleich mit mehr als 100 Stadtkreisen und kreisfreien Städten liegen in Bezug auf die Tourismusinten- sität nur noch drei andere Städte vor Passau, unter denen das monostrukturierte Baden-Baden wiederum eine Son- derstellung besitzt: Die Kurstadt am Rande des Schwarz- walds kommt auf mehr als 15.000 Übernachtungen pro 1.000 Einwohner (2011). Auf dem zweiten Rang folgt mit über 9.200 Übernachtungen Frankfurt am Main, das mit einem hohen Anteil an Geschäfts- und Kongress- sowie an Transitreisenden im Bereich des Flughafens ebenfalls kein idealtypisches Beispiel für konventionellen Städtetouris- mus darstellt. Die Stadt München belegt mit knapp über 8.500 Übernachtungen den dritten Platz und untermauert damit ihre Position als relativ wichtigste Destination im bun- desdeutschen Städtetourismus, noch weit vor den anderen Millionenmetropolen Berlin (6.385 Übernachtungen), Ham- burg (5.298) und Köln (4.886). Mit geringem Abstand hinter München erscheint Passau auf der Liste der tourismusinten- sivsten Städte Deutschlands an vierter Position (8.484) und lässt damit andere bekannte Ziele des Städtetourismus wie Trier (7.360), Bamberg (7.282), Dresden (7.211), Heidelberg (7.196) oder Regensburg (6.718) weit hinter sich. Bezogen auf seine überschaubare Stadtgröße und die daraus abge- leitete touristische Intensität, liegt man also mit dem früher gerne benutzten Attribut „Bayerisches Venedig“ für die Stadt Passau so falsch nicht. Doch worauf gründet sich Passaus Attraktivität? Und ist diese intensive touristische Nutzung nicht schon längst in eine Übernutzung mit nachteiligen Effekten für die Stadt und ihre Bewohner übergegangen? Passaus Potenziale im Überblick Selbstverständlich ist der größte Teil der touristischen Wahrnehmung der „Dreiflüssestadt“ direkt oder indirekt eben ihrer besonderen topographischen Lage geschuldet, welche von der Tourismusindustrie gerne und nicht zu Unrecht als „weltweit einzigartig“ gepriesen wird: Ver- einfacht gesagt kommen hier die drei Flüsse Donau, Inn und Ilz aus verschiedenen Himmelsrichtungen (West, Süd und Nord) zusammen und fließen in die vierte Rich- tung (Ost) weiter. Dass Donau, Inn und Ilz, bedingt durch STANDORT (2013) 37:139–144 DOI 10.1007/s00548-013-0275-z Mehr als drei Flüsse? Tourismus in der Stadt Passau Werner Gamerith · Pia Olligschläger P. Olligschläger () Passau Tourismus e. V., Bahnhofstraße 28, 94032 Passau, Deutschland E-Mail: [email protected] Prof. Dr. W. Gamerith Professur für Regionale Geographie, Universität Passau, Innstraße 40, 94032 Passau, Deutschland Online publiziert: 2. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Mehr als drei Flüsse?

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AngewAndte geogrAphie

passau im äußersten Südosten der republik, wo die donau bayerisches territorium verlässt und damit den niedrigsten punkt des deutschen einzugsgebiets der donau markiert, zählt zu den wichtigsten destinationen des Städtetourismus in deutschland – jedenfalls wenn man die tourismusin-tensität, also einen auf die Bevölkerungsgröße bezogenen Kennwert, heranzieht. doch ist diese bundesweit herausra-gende position auch ein hinweis darauf, dass das touristi-sche potenzial der Stadt bereits ausgeschöpft ist? Sind mit der intensiven nachfrage auf dem tourismusmarkt schon phänomene der Übernutzung der infrastruktur und Überbe-anspruchung der städtischen Kulturlandschaft verbunden?

Passaus Spitzenstellung im deutschen Städtetourismus

dass passau hinsichtlich der Zahl der Übernachtungen in relation zur einwohnergröße unter den kreisfreien Städ-ten deutschlands einen führenden platz einnimmt, mag selbst manche Kenner der tourismusstrukturen überraschen (Abb. 1). im Vergleich mit mehr als 100 Stadtkreisen und kreisfreien Städten liegen in Bezug auf die tourismusinten-sität nur noch drei andere Städte vor passau, unter denen das monostrukturierte Baden-Baden wiederum eine Son-derstellung besitzt: die Kurstadt am rande des Schwarz-walds kommt auf mehr als 15.000 Übernachtungen pro 1.000 einwohner (2011). Auf dem zweiten rang folgt mit

über 9.200 Übernachtungen Frankfurt am Main, das mit einem hohen Anteil an geschäfts- und Kongress- sowie an transitreisenden im Bereich des Flughafens ebenfalls kein idealtypisches Beispiel für konventionellen Städtetouris-mus darstellt. die Stadt München belegt mit knapp über 8.500 Übernachtungen den dritten platz und untermauert damit ihre position als relativ wichtigste destination im bun-desdeutschen Städtetourismus, noch weit vor den anderen Millionenmetropolen Berlin (6.385 Übernachtungen), ham-burg (5.298) und Köln (4.886). Mit geringem Abstand hinter München erscheint passau auf der Liste der tourismusinten-sivsten Städte deutschlands an vierter position (8.484) und lässt damit andere bekannte Ziele des Städtetourismus wie trier (7.360), Bamberg (7.282), dresden (7.211), heidelberg (7.196) oder regensburg (6.718) weit hinter sich. Bezogen auf seine überschaubare Stadtgröße und die daraus abge-leitete touristische intensität, liegt man also mit dem früher gerne benutzten Attribut „Bayerisches Venedig“ für die Stadt passau so falsch nicht. doch worauf gründet sich passaus Attraktivität? Und ist diese intensive touristische nutzung nicht schon längst in eine Übernutzung mit nachteiligen effekten für die Stadt und ihre Bewohner übergegangen?

Passaus Potenziale im Überblick

Selbstverständlich ist der größte teil der touristischen Wahrnehmung der „Dreiflüssestadt“ direkt oder indirekt eben ihrer besonderen topographischen Lage geschuldet, welche von der tourismusindustrie gerne und nicht zu Unrecht als „weltweit einzigartig“ gepriesen wird: Ver-einfacht gesagt kommen hier die drei Flüsse donau, inn und ilz aus verschiedenen himmelsrichtungen (west, Süd und Nord) zusammen und fließen in die vierte Rich-tung (ost) weiter. dass donau, inn und ilz, bedingt durch

StAndort (2013) 37:139–144doi 10.1007/s00548-013-0275-z

Mehr als drei Flüsse?Tourismus in der Stadt Passau

Werner Gamerith · Pia Olligschläger

p. olligschläger ()passau tourismus e. V., Bahnhofstraße 28, 94032 passau, deutschlande-Mail: [email protected]

prof. dr. w. gamerithprofessur für regionale geographie, Universität passau, innstraße 40, 94032 passau, deutschland

online publiziert: 2. August 2013© Springer-Verlag Berlin heidelberg 2013

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Abb. 1 tourismusintensität (Übernachtungen je 1.000 einwohner) und durchschnittliche Auslastung der gästebetten in den kreisfreien Städten deutschlands (2011). (datenquelle: Statistisches Bundesamt 2012)

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unterschiedliche niederschlagsregime und geologisch-pedologische Beschaffenheiten in ihren jeweiligen ein-zugsgebieten mit verschiedener Sedimentfracht in passau eintreffen und dabei auch eine charakteristische Färbung zeigen, verleiht dem Standort zusätzliches potenzial. das phänomen ist insbesondere von der Landzunge zwischen donau und inn („ortspitze“) zu beobachten. Allerdings ist es nicht diese Lagegunst allein, die passau einen erhöhten touristischen Bekanntheitsgrad beschert, sondern ihre Kom-bination mit einer als harmonisch und angepasst empfun-denen historischen Bausubstanz, die zudem mit einer Fülle von kirchlichen und profanen Monumentalbauten aus-gestattet ist. dabei ist die vereinheitlichende Sprache des Barock mittlerweile auch zum Marketingkonzept für den Städtetourismus geworden (www.barockstadt-passau.de) (Abb. 2). der Verweis auf die Authentizität des barocken erbes mag zwar nicht dazu angetan sein, ein massentouris-tisches Aufkommen zu generieren – zumal in unmittelbarer nähe auch Schärding und in nicht allzu großer entfernung Salzburg und wien mit ihrem barock geprägten gesamtbild werben. dennoch entfaltet die barocke, vom dom gekrönte Bausubstanz zwischen donau und inn eine besondere wir-kung, die auf passau-touristen seit alters her einen reiz ausübt. Lage, Baukörper und Architektur formen sich in passau zu einem gesamtkunstwerk, das in Mitteleuropa sei-nesgleichen sucht (Abb. 3).

weniger mit inn und ilz als vielmehr mit der donau ver-knüpft sich ein weiteres touristisches potenzial der Stadt passau: Sie hat sich zum bedeutendsten Ausgangs- und endpunkt für donaukreuzfahrten und damit zu einem der europa- und sogar weltweit wichtigsten hafenstandorte für die touristische nutzung von Flüssen entwickelt (vgl. Beitrag Scheffer in diesem Band; hagen 2013). die Zahl der in passau anlegenden Kreuzfahrtschiffe ist – genauso wie die Zahl der im donauverkehr registrierten passagier-schiffe – seit Jahren im Steigen begriffen und wird voraus-sichtlich 2013 die rekordmarke von 2.200 erreichen. waren 1988 ganze sieben passagierschiffe auf donaukreuzfahr-ten eingesetzt, so sind 2013 insgesamt 135 Schiffe unter-wegs. dabei wird für passau mit etwa 280.000 passagieren gerechnet. der Verbleib dieses gästesegments in der Stadt und ihr Beitrag zur Übernachtungsstatistik sind vor allem in den Monaten April bis oktober nennenswert. etwa ein drittel aller passauer Übernachtungsgäste sind dann Kreuz-fahrtgäste, die wiederum zu ungefähr einem drittel per Bahn anreisen. ein nicht unbeträchtlicher teil dieser gäste allerdings nimmt per Bus-Shuttle den direkten weg vom Bahnhof zum Schiff (oder umgekehrt), ohne in einem grö-ßeren Maße zur direkten touristischen wertschöpfung in der Stadt beizutragen.

ein ähnliches Verhalten kann den Fahrradtouristen attes-tiert werden, die auf ihren Fahrten entlang von inn oder donau unweigerlich auch passau berühren, ja in den meis-ten Fällen hier ihre radtour starten (donau) bzw. beenden (inn). Auch in diesem Bereich ergibt sich für den Städte-tourismus an den drei Flüssen ein gewisses potenzial,

Abb. 2 dom St. Stephan, Langhaus und Altarraum. (Quelle: passau tourismus e. V.)

Abb. 3 Blick vom Stadtteil innstadt über den inn auf die halbinsel mit dom St. Stephan im hintergrund. (Quelle: passau tourismus e. V.)

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wobei allerdings in rechnung gestellt werden muss, dass die Klientel der radtouristen meist nicht an singulären kul-turellen Standorten, sondern primär am Bewegungserlebnis entlang der Fahrradstrecke interessiert ist. der klassische Städtetourist, der drei oder vier nächte im Vier- oder Fünf-sterne-hotel logiert, lässt sich aus diesem gästesegment weniger generieren, ohne dass deshalb die Bedeutung des Fahrradtourismus für die Stadt passau negiert werden soll. Jedenfalls liegt in forcierten Stopover-Aufenthalten von Kreuzfahrt- wie Fahrradtouristen sowie in tagesbesuchern aus den benachbarten tourismusregionen Bayerischer wald und rottaler Bäderdreieck ein beträchtliches zusätzliches potenzial für die Stadt passau. gästebefragungen im Bay-erischen wald und im Bäderdreieck lassen vermuten, dass 70 bzw. sogar über 80 % der dortigen gäste passau während ihres Urlaubs zumindest einmal im rahmen eines tagesaus-flugs besuchen.

nicht vergessen werden darf, dass passau mit den Fest-spielen „europäische wochen“, die 2013 zum 61. Mal aus-getragen werden, eine überregional bekannte Veranstaltung besitzt, die auch tagesgäste in die Stadt bringt. dieses Fes-tival betont die grenznahe Lage passaus und bezieht die nachbarstaaten tschechien und Österreich in seine planung für programm und Aufführungsstätten mit ein. Bereits in den nachkriegsjahrzehnten und in der Zeit bis zum Fall des eisernen Vorhangs erwarben sich die „europäischen wochen“ das Verdienst, Kunst, Künstler und publikum auch über die ideologische teilung europas hinweg zusam-menzuführen. dadurch ist eine regelrechte Festspielregion entstanden, als deren Mittelpunkt sich die Stadt passau pro-filieren konnte.

Strukturelle Kennzeichen des Städtetourismus in Passau

obwohl passau als oberzentrum über eine reihe von zen-tralen einrichtungen verfügt, die vom gesundheitsbereich (Klinikum) bis zum Bildungssektor (Universität) reichen und auch ein breit gefächertes einzelhandelsangebot umfas-sen, ist der aus dieser Zentralität generierte tourismus nur von untergeordneter Bedeutung. Von einem einkaufstou-rismus auf der Basis von Übernachtungen lässt sich kaum sprechen, wohl aber von tagestouristen, die um des ein-kaufserlebnisses willen in die Dreiflüssestadt kommen. Die 2008 eröffnete „Stadtgalerie passau“, ein architektonisch weder besonders innovatives noch an die barocke gesamt-konzeption der Stadt angepasstes innerstädtisches ein-kaufszentrum mit 90 geschäften auf drei ebenen, hat neue Kundenkreise rekrutiert und den einzugsbereich der Stadt vergrößert. Zu den befürchteten großen Leerständen bei den bestehenden Einzelhandelsflächen in der Fußgängerzone Ludwigsplatz und Ludwigstraße (und Querstraßen) ist es –

von vereinzelten Ausnahmen abgesehen – nicht gekommen, was auch einem effizienten Stadt- und Einzelhandelsmarke-ting dieser traditionellen einkaufsbereiche zu verdanken ist (vgl. Bitter und Kickum 2013). Allerdings haben randlagen, beispielsweise in Bahnhofsnähe, mit einer sich beschleu-nigenden Ausdünnung der passantenströme zu kämpfen. insgesamt jedoch hat passaus wertigkeit als einkaufsstadt spürbar zugenommen, was sich nicht zuletzt besonders an singulären österreichischen Feiertagen auch in einem ver-stärkten Zustrom von tages-(einkaufs-)touristen aus dem benachbarten oberösterreich manifestiert. Auch aus tsche-chien kommen einkaufstouristen in die Stadt. passau hat sich, in Konkurrenz zu Linz und regensburg, erfolgreich als einkaufsstadt positioniert.

passaus Übernachtungsgäste sind homogener als seine einkaufstouristen, die ein größeres Altersspektrum abde-cken und viele Familien umfassen. wer in passau übernach-tet, ist in aller regel älter (im Schnitt 59 Jahre) und reist mit dem partner an (76 %). Familien mit schulpflichtigen Kindern stellen nur 17 % der Übernachtungsgäste. insofern zeigen sich gewisse parallelen mit der gästestruktur des rottaler Bäderdreiecks (vgl. Kordel und weidinger 2013). der weit überwiegende teil der Übernachtungsgäste (82 %) stammt aus dem inland mit Bayern, nordrhein-westfalen und Baden-württemberg als den wichtigsten Quellmärkten, nur knapp ein Fünftel hingegen kommt aus dem Ausland, das benachbarte Österreich eingeschlossen. hierin liegt ein markanter Unterschied zu anderen tourismusintensi-ven Städten deutschlands, insbesondere zu den touristisch hochfrequentierten Metropolen München und Frankfurt am Main. 2011 lag der Anteil der Auslandsgäste bei den Übernachtungen in München bei 46, in Frankfurt bei 44 %. dass eine so starke Verankerung im Ausländertourismus kein ausschließliches privileg der großen internationalen Drehkreuze mit wichtigen Verkehrsflughäfen und hohem Bekanntheitsgrad im Ausland sein muss, zeigt umgekehrt das Beispiel heidelberg, das ebenfalls 40 % Ausländerüber-nachtungen registriert oder – noch deutlicher und in unmit-telbarer nachbarschaft passaus – die Stadt Linz, die 2011 einen Ausländeranteil an den Übernachtungen von 52 % registrierte. Sich auch im internationalen Kontext stärker zu profilieren – wobei Auslandsmärkte natürlich nicht flächen-deckend, sondern nur selektiv bedient werden können –, eröffnet somit dem Städtetourismus in passau aller Voraus-sicht nach beträchtliche expansionsmöglichkeiten.

Zukünftige Herausforderungen für den Tourismus in der Stadt Passau

Aus der auf die Bevölkerungsgröße bezogen hohen Über-nachtungszahl von mittlerweile beinahe 435.000 (2012) wären durchaus erscheinungen von Verdichtung und Über-

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nutzung für die passauer innenstadt zu erwarten, auch wenn man realistisch nicht mit „venezianischen Verhältnissen“ in der Dreiflüssestadt rechnen sollte. Doch den Nachteilen einer tourismusintensiven lokalen Struktur wird in passau auf mehreren ebenen Abhilfe verschafft: Zum einen lässt sich eine deutliche funktionale Entflechtung und räumliche trennung zwischen einzelhandel und tourismusbezogenen dienstleistungen feststellen. Vor allem der zentrale teil der halbinsel zwischen donau und inn samt dem donaukai (Fritz-Schäffer-promenade) als Anlegestelle der Kreuz-fahrtschiffe ist eine domäne der touristischen nutzung. Sie tritt dort durchaus Flächen konkurrierend und mit gewissen Verdichtungserscheinungen auf, etwa hinsichtlich der Zahl der hotels, restaurants und gaststätten, interferiert jedoch nicht mit den Flächenansprüchen des einzelhandels – abge-sehen vielleicht von Souvenir- und Antiquitätenläden. der einzelhandel konzentriert sich, wie bereits erwähnt, weiter östlich davon im Bereich der sogenannten „neuen Mitte“ und der bisherigen Fußgänger- und einkaufszone rund um den Ludwigsplatz und die Ludwigstraße. die klassischen Bildungstouristen, die das barocke passau mit dem dom und der residenz unter die Lupe nehmen, und die Kreuzfahrttou-risten haben somit wenig räumliche Berührungspunkte mit den einkaufstouristen. einer Überbeanspruchung der Flä-chen im innerstädtischen Bereich wirkt dies entgegen. Zum anderen hat sich die gastgewerbliche infrastruktur in passau in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten beträchtlich erweitert und die Beherbergungskapazität erhöht, und zwar so weit, dass die Auslastung der gästebetten mit 42,5 % (2011) im bundesdeutschen Vergleich im oberen Mittelfeld angesiedelt ist (Abb. 1). Für die passau-touristen hat sich der druck auf den hotellerie-Sektor abgeschwächt, für die Unternehmer hingegen ist er größer geworden. der Städ-tetourismus in passau hat sich gleichsam vom Verkäufer- zum Käufermarkt hin entwickelt – eine tendenz, die auch negative erscheinungen von Überlastung und Verdichtung abschwächt. Und schließlich haben auch die reedereien und Kreuzfahrtagenturen zu einer entspannung beigetra-gen, indem ein stetig wachsender, aber mit einem starren saisonalen rahmen versehener Markt jahreszeitlich entzerrt wurde: Von einer ehemals mehrmonatigen „toten“ Saison auf den Flüssen, in der kein Kreuzfahrtschiff fuhr, ist heute nur mehr der Monat Februar geblieben, in dem nach wie vor kein Schiff ab- oder anlegt. Auch der Advent und die tage zwischen weihnachten und neujahr sind zu einer auslas-tungsstarken Zeit im passauer Städtetourismus geworden. die Verlängerung der Saison, vor allem durch den boomen-den Kreuzfahrttourismus, hat der touristischen Überbean-spruchung der Stadt entgegenwirken können (Abb. 4).

das heißt nun aber nicht, dass der tourismus in der Stadt passau keine herausforderungen für die Zukunft zu gewär-tigen habe oder sein entwicklungspotenzial bereits vollstän-dig ausgeschöpft sei. Auf die steigerungsfähige Auslastung

der hotellerie-infrastruktur im Jahresdurchschnitt wurde bereits hingewiesen, wobei sich das kleinstädtisch struk-turierte passau sicherlich nicht an den höheren Zahlen der Bettenauslastung in den Metropolen (2011: Berlin: 50,2 %; München: 53,2 %) messen lassen muss, geschweige denn sich an den werten orientieren müsste, die an den internatio-nalen Kristallisationspunkten des tourismus erreicht werden (2011: dubai: 74 % [government of dubai 2011]; Las Vegas: 83,8 % [Vegas Convention and Visitors Authority 2011]). Als gewisses Defizit ist weiterhin zu werten, dass Passau (noch) über keine Fünfsterne-hotellerie verfügt, was sicher-lich Bemühungen erschwert, zahlungskräftige gäste aus vielversprechenden regionen wie der Arabischen halbinsel, russland oder China zu gewinnen – gäste, die anderswo zumindest im hinblick auf die von ihnen getätigten Umsätze bereits erkleckliche Kontingente stellen und damit einseitige Abhängigkeiten von singulären Quellmärkten abzumildern helfen. Auch für den ersten eindruck, den viele touristen von der Stadt gewinnen, für das entree, das passaugäste umfängt, wenn sie per Bahn anreisen, ist ein dringender Ver-besserungsbedarf vorhanden. den Verantwortlichen ist die-ser wohlbekannt und in der lokalen presse wird er diskutiert, ohne dass es bisher zu konkreten Veränderungsmaßnahmen gekommen wäre: passaus hauptbahnhof, 1860 errichtet, verfügt bis heute über keinen einzigen Aufzug und muss als das absolute gegenteil von „barrierefrei“ gelten. Für viele Kreuzfahrt- und radfahrtouristen bildet der Bahnhof das größte hindernis während ihrer gesamten reise. Ab Mitte 2013 sollen hier jedoch erste Baumaßnahmen für Abhilfe und eine Verbesserung der Zugänglichkeit sorgen.

Über lange Jahre vermittelte auch die Aussichtsterrasse von der Veste oberhaus auf die von den Flüssen eingefasste Altstadt einen eindruck von Vernachlässigung und Sorglo-sigkeit. Anderswo wäre eine Fläche wie diese, mit dem viel-leicht atemberaubendsten Anblick auf eine der schönsten städtebaulichen gesamtkompositionen in europa, wohl einer

Abb. 4 Übernachtungen in der Stadt passau (2012) nach Monaten. (datenquelle: passau tourismus e. V.)

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touristischen nutzung zugeführt und für ihre gute erreich-barkeit gesorgt worden. das 1968 eröffnete Café oberhaus war längst aus der Zeit gefallen und über die Jahre verkom-men. ein eigentümerwechsel an eine vermögende passauer geschäftsfamilie brachte nicht die erhoffte Sanierung. in der Zwischenzeit aber sind rückkaufverhandlungen mit der Stadt abgeschlossen; auf dem Areal wird seit dem 10. Juli 2013 ein neues restaurant mit innen- und Außenbewirtung betrieben. wohl auf längere Sicht nicht realisiert wird die durchaus intensiv, jedoch kontrovers diskutierte idee einer Seilbahn von der Altstadt auf die Veste oberhaus. Aus tou-ristischer perspektive wäre eine solche erschließung ohne Zweifel ein positiver impuls – für den Bereich der Veste ebenso wie für die Altstadt und den Städtetourismus in pas-sau insgesamt. Beispiele in Salzburg, graz, innsbruck und neuerdings auch Koblenz zeigen die touristische Magnet-wirkung, die von solchen einrichtungen ausgeht. Allerdings stehen dem Ansinnen einer Seilbahn begründete Beden-ken vor allem vonseiten des denkmalschutzes entgegen. Alternativ eingebrachte Überlegungen eines unterirdischen Vertikal- oder Schrägaufzugs sind seit 2011 nicht mehr wei-terverfolgt worden. im Sinne einer Attraktivitätssteigerung des Städtetourismus in passau erscheint es aber angeraten, über Möglichkeiten einer Verwirklichung dieses projekts unter Berücksichtigung aller pro- und Contra-Stimmen wei-ter nachzudenken. Ebenso empfiehlt es sich, den Blick auf die erfahrungen benachbarter touristischer „epizentren“ zu richten, die möglicherweise bereits Antworten auf struktu-relle probleme im touristischen Marketing und in der inter-nationalen positionierung ihres „produkts“ gefunden haben. passau mag zwar vielleicht nicht die tourismusintensität mit all ihren negativen Begleiterscheinungen anstreben, die sein südlicher nachbar Salzburg erzielt, wo mit knapp 15.500 Übernachtungen je 1.000 einwohner ein sogar noch höherer wert als in Baden-Baden erzielt wird. Aber ein wenig am erfolg der Mozartstadt teilzuhaben, sollte durch-aus in die Tourismusstrategie der Dreiflüssestadt passen.

Literatur

Bitter C, Kickum C (2013) passau – erfolgsfaktoren einer gewach-senen innenstadt. in: gamerith w et al (hrsg) passau und seine nachbarregionen. orte, ereignisse und Verbindungen – ein geographischer wegweiser. Friedrich pustet, regensburg (in druck)

government of dubai, department of tourism and Commerce Marketing (Hrsg) (2011) Dubai hotel room & apartment flat occupancy. http://www.dubaitourism.ae/sites/default/files/hotelstat/2002-2011_dubai_room_&_Apartment_Flats_occupancy.pdf. Zugegriffen: 4. Juli 2013

hagen p (2013) An der schönen blauen donau: passau als Ziel des transeuropäischen Kreuzfahrttourismus. in: gamerith w et al (hrsg) passau und seine nachbarregionen. orte, ereignisse und Verbindungen – ein geographischer wegweiser. Friedrich pustet, regensburg (in druck)

Kordel S, weidinger t (2013) ruhestand im thermenland – Bad Füssing als Altersruhesitz. in: gamerith w et al (hrsg) passau und seine nachbarregionen. orte, ereignisse und Verbindungen – ein geographischer wegweiser. Friedrich pustet, regensburg (in druck)

Las Vegas Convention and Visitors Authority (hrsg) (2011) 2011 Las Vegas year-to-date executive summary. http://www.lvcva.com/includes/content/images/media/docs/Year-end-20111.pdf. Zugegriffen: 4. Juli 2013

Statistisches Bundesamt (hrsg) (2012) tourismus. tourismus in Zah-len. Statistisches Bundesamt, wiesbaden

Prof. Dr. Werner Gamerith, Jg. 1967. Studium der geographie (dip-lom und promotion) an den Universitäten Salzburg, innsbruck, graz und Klagenfurt. 1993–2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter und hoch-schulassistent am geographischen institut der Universität heidelberg. 2002 habilitation mit der Lehrbefugnis für das Fach geographie. Seit 2004 professor für regionale geographie an der Universität passau. Arbeitsschwerpunkte: Stadtgeographie, Kulturgeographie, Sozial-geographie und tourismusgeographie; Alpenraum, norditalien und nordamerika.

Pia Olligschläger, Jg. 1961. Studium der Angewandten geographie/Fremdenverkehrsgeographie (diplom) an der Universität trier. Ab 1988 im kommunalen tourismus in hessen, rheinland-pfalz und Bay-ern tätig. Seit 1994 tourismusdirektorin der Stadt passau.