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Schlaganfallprävention Patienten und Methodik: Die Autoren von der Uni- versität Oxford führten eine systematische Literatur- recherche durch und identifizierten Studien, bei denen Patienten, welche die Selbstmessung der INR prakti- zierte, mit Patienten verglichen wurden, bei denen die Gerinnungswerte im Krankenhaus oder in der Arztpra- xis gemessen wurden. Primäre Endpunkte der Studien waren der Zeitraum bis zum Tod, dem Auftreten des ersten thromboembo- lischen Ereignisses sowie schwerwiegende Blutungs- komplikationen. In einer präspezifizierten Subgruppen- analyse wurden Patienten mit mechanischen Herzklap- pen und Patienten mit Vorhofflimmern getrennt aus- gewertet. Ergebnisse: Die Autoren fanden elf Studien mit Daten von 6.417 Teilnehmern und 12.800 Personenjahren Nachbeobachtungszeit. In der Gruppe der Patienten, welche die Gerinnung selbst maßen, fand sich eine signifikante Reduktion thromboembolischer Ereignisse um 50%, die statistisch signifikant war. Es ergab sich eine Reduktion von 12% bezüglich schwerwiegender Blutungskomplikationen, die aber ebenso wie die 18%ige Reduktion der Todesfälle statistisch nicht sig- nifikant war. Der höchste Nutzen fand sich bei Patienten im Alter unter 55 Jahren und bei Patienten mit mechanischen Herzklappen. Bei Patienten im Alter über 85 Jahren ergab sich kein Unterschied zwischen einer Selbstmes- sung der INR und einer Messung beim Arzt oder im Krankenhaus. Schlussfolgerungen: Die Selbstmessung der INR bei Patienten, die mit Vitamin K-Antagonisten antikoagu- liert sind, reduziert das Risiko thromboembolischer Ereignisse signifikant. 12 IN|FO|NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2012; Vol. 14, Nr. 4 Journal Screen Heneghan C, Ward A, Perera R et al. Self-monitoring of oral anticoagula- tion: systematic review and meta- analysis of indivi- dual patient data. Lancet 2012; 379: 322 –34 Orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten Mehr Schutz vor Thromboembolien bei INR-Selbstkontrolle Fragestellung: Beeinflusst die Eigenmessung der Gerinnung von Patienten mit Vorhofflimmern die anti- koaguliert sind, das Risiko thromboembolischer Ereig- nisse und die Rate schwerwiegender Blutungskompli- kationen? Hintergrund: Eine orale Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten reduziert das Risiko thromboembo- lischer Ereignisse im Vergleich zu Placebo um durch- schnittlich 70%. Dies funktioniert allerdings nur dann, wenn die Gerinnungswerte, gemessen mithilfe der In- ternational Normalised Ratio (INR), in einem INR- Bereich zwischen 2,0 und 3,0 liegen. Bei einem Großteil der oral antikoagulierten Patienten sind die INR-Werte jedoch relativ instabil. Bei diesen reicht es im Allgemei- nen nicht aus, wenn im Abstand von vier Wochen oder drei Monaten beim Hausarzt die Gerinnungswerte kon- trolliert werden und die Vitamin-K-Antagonisten-Do- sis adjustiert wird. Daher wurden bereits vor längerer Zeit einfach zu handhabende Gerinnungsmessgeräte entwickelt, mit denen oral antikoagulierte Patienten nach einer entsprechenden Schulung zu Hause die INR messen und selbst die Antikoagulanziendosis anpassen können. Die Selbstmessung der Gerinnungswerte ist in Deutschland mittlerweile relativ weit verbreitet. Kommentar: Diese wichtige Literaturrecherche belegt den Nutzen der klinischen Praxis, die in Deutschland bereits relativ gut etabliert ist. Es gibt keinen Zweifel, dass Patienten die ihre INR selbst messen, weniger thromboembolische Ereignisse haben, als Patienten, die in der Arztpraxis oder im Krankenhaus überwacht werden. Dies kann unter anderem daran liegen, dass bei der Selbstbestimmung die Messungen sehr viel flexibler und wahrscheinlich auch häufiger durchgeführt werden und die Patienten bei Abweichungen schneller rea- gieren können. Die Zahl der Blutungskomplikationen wird zwar relativ um 12 % reduziert, was aber statistisch nicht signifikant war. Die Frage der INR-Bestimmung relativiert sich allerdings, da in Zukunft mehr und mehr Patienten mit Vorhofflimmern mit den neuen Anti- koagulanzien Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban behandelt werden, bei denen eine Überwachung der Gerinnungswerte routinemäßig nicht notwendig ist. Hans-Christoph Diener, Essen © imagebroker / saurer / imago Vorhofflimmern: Bei oraler Antikoagula- tion mit Vitamin-K- Antagonisten ist die INR-Selbstmessung empfehlenswert.

Mehr Schutz vor Thromboembolien bei INR-Selbstkontrolle

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Page 1: Mehr Schutz vor Thromboembolien bei INR-Selbstkontrolle

Journal Screen Schlaganfallprävention

Patienten und Methodik: Die Autoren von der Uni­versität Oxford führten eine systematische Literatur­recherche durch und identifizierten Studien, bei denen Patienten, welche die Selbstmessung der INR prakti­zierte, mit Patienten verglichen wurden, bei denen die Gerinnungswerte im Krankenhaus oder in der Arztpra­xis gemessen wurden.

Primäre Endpunkte der Studien waren der Zeitraum bis zum Tod, dem Auftreten des ersten thromboembo­lischen Ereignisses sowie schwerwiegende Blutungs­komplikationen. In einer präspezifizierten Subgruppen­analyse wurden Patienten mit mechanischen Herzklap­pen und Patienten mit Vorhofflimmern getrennt aus­gewertet.

Ergebnisse: Die Autoren fanden elf Studien mit Daten von 6.417 Teilnehmern und 12.800 Personenjahren Nachbeobachtungszeit. In der Gruppe der Patienten, welche die Gerinnung selbst maßen, fand sich eine signifikante Reduktion thromboembolischer Ereignisse um 50%, die statistisch signifikant war. Es ergab sich eine Reduktion von 12% bezüglich schwerwiegender Blutungskom plikationen, die aber ebenso wie die 18%ige Reduktion der Todesfälle statistisch nicht sig­nifikant war.

Der höchste Nutzen fand sich bei Patienten im Alter unter 55 Jahren und bei Patienten mit mechanischen Herzklappen. Bei Patienten im Alter über 85 Jahren ergab sich kein Unterschied zwischen einer Selbstmes­sung der INR und einer Messung beim Arzt oder im Krankenhaus.

Schlussfolgerungen: Die Selbstmessung der INR bei Patienten, die mit Vitamin K­Antagonisten antikoagu­liert sind, reduziert das Risiko thromboembolischer Ereignisse signifikant.

12 IN|FO|Neurologie & Psychiatrie 2012; Vol. 14, Nr. 4

Journal Screen

Heneghan C, Ward A, Perera R et al.

Self-monitoring of oral anticoagula-

tion: systematic review and meta-analysis of indivi-dual patient data. Lancet 2012; 379:

322–34

Orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten

Mehr Schutz vor Thromboembolien bei INR-SelbstkontrolleFragestellung: Beeinflusst die Eigenmessung der Gerinnung von Patienten mit Vorhofflimmern die anti­koaguliert sind, das Risiko thromboembolischer Ereig­nisse und die Rate schwerwiegender Blutungskompli­kationen?

Hintergrund: Eine orale Antikoagulation mit Vitamin K­Antagonisten reduziert das Risiko thromboembo­lischer Ereignisse im Vergleich zu Placebo um durch­schnittlich 70%. Dies funktioniert allerdings nur dann, wenn die Gerinnungswerte, gemessen mithilfe der In­ternational Normalised Ratio (INR), in einem INR­Bereich zwischen 2,0 und 3,0 liegen. Bei einem Großteil der oral antikoagulierten Pa tienten sind die INR­Werte jedoch relativ instabil. Bei diesen reicht es im Allgemei­nen nicht aus, wenn im Abstand von vier Wochen oder drei Monaten beim Hausarzt die Gerinnungswerte kon­trolliert werden und die Vitamin­K­Antagonisten­Do­sis adjus tiert wird. Daher wurden bereits vor längerer Zeit einfach zu handhabende Gerinnungsmessgeräte ent wickelt, mit denen oral antikoagulierte Patienten nach einer entsprechenden Schulung zu Hause die INR messen und selbst die Antikoagulanziendosis anpassen können. Die Selbstmessung der Gerinnungswerte ist in Deutschland mittlerweile relativ weit verbreitet.

Kommentar: Diese wichtige Literaturrecherche belegt den Nutzen der klinischen Praxis, die in Deutschland bereits relativ gut etabliert ist. Es gibt keinen Zweifel, dass Patienten die ihre INR selbst messen, weniger thromboembolische Ereignisse haben, als Patienten, die in der Arztpraxis oder im Krankenhaus überwacht werden. Dies kann unter anderem daran liegen, dass bei der Selbstbestimmung die Messungen sehr viel flexibler und wahrscheinlich auch häufiger durchgeführt werden und die Patienten bei Abweichungen schneller rea-

gieren können. Die Zahl der Blutungskomplikationen wird zwar relativ um 12% reduziert, was aber statistisch nicht signifikant war. Die Frage der INR-Bestimmung relativiert sich allerdings, da in Zukunft mehr und mehr Patienten mit Vorhofflimmern mit den neuen Anti-koagulanzien Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban behandelt werden, bei denen eine Überwachung der Gerinnungswerte routinemäßig nicht notwendig ist.

Hans-Christoph Diener, Essen

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Vorhofflimmern: Bei oraler Antikoagula-tion mit Vitamin-K-

Antagonisten ist die INR-Selbstmessung

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