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Mehrsprachiger Spracherwerb und frühe Deutschförderung Fachaustausch Frühe Förderung 2019 Prof. Dr. Franziska Vogt Leiterin Institut Lehr-Lernforschung Leiterin Zentrum Frühe Bildung Zürich, 16. September 2019

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Mehrsprachiger Spracherwerb und frühe DeutschförderungFachaustausch Frühe Förderung 2019

Prof. Dr. Franziska VogtLeiterin Institut Lehr-Lernforschung Leiterin Zentrum Frühe Bildung

Zürich, 16. September 2019

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«Mehrsprachigkeit ist ein Geschenk fürs Leben»

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Wie lernen Kinder mehrere Sprachen?

Der Beginn des Erwerbs in verschiedenen Sprachen

Kind lernt Erstsprache(n)

gleichzeitiger mehrsprachiger Spracherwerb (früher natürlicher Zweitspracherwerb)

Fremdsprachunterricht

Nachfolgender mehrsprachiger Spracherwerb (später natürlicher Zweitspracherwerb)

Alter des Kindes

Geburt ab 3 Jahren ab 7 Jahren

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Gleichzeitiger mehrsprachiger SpracherwerbNatürlicher ZweitspracherwerbFrühe Deutschförderung

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Früher gleichzeitiger mehrsprachiger Spracherwerb

• Ist Mehrsprachigkeit ein Vorteil oder ein Nachteil?

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Früher gleichzeitiger mehrsprachiger SpracherwerbSprachkompetenz und Sprachinput

• Sprachkompetenzen in den verschiedenen Sprachen hängt vom Sprachinput ab (Hoff et al. 20112)

• Mehrsprachige Kinder sind in Sprachkompetenzen ähnlich zu einsprachigen Kindern, wenn beide Sprachen berücksichtigt werden, sie sind jedoch etwas weniger weit (Hoff et al. 20112)

• Die Kompetenzen in den verschiedenen Sprachen sind unterschiedlich, abhängig von der Qualität des Sprachinputs und der Bedeutung der Sprache im Alltag: Beziehung, Dialoge, Wichtigkeit (Bayer, 2011, Gogolin, 2013)

• Die Sprachenkonstellationen sind für jede Familie, und für jedes Kind einer Familie anders.

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Bayer, N. (2011). Entwicklung der Sprachkompetenzen in der Erst- und Zweitsprache von Migrantenkindern. Ergebnisse aus Leistungsmessungen bei fremdsprachigen Zürcher Kindergartenkindern. 2011, University of Zurich, Faculty of Arts. https://doi.org/10.5167/uzh-124580Gogolin I. (2013) Mehrsprachigkeit. In: Gogolin I., Kuper H., Krüger HH., Baumert J. (eds) Stichwort: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Springer VS, WiesbadenHoff, E., Core, C., Place, S., Rumiche, R., Señor, M., & Parra, M. (2012). Dual language exposure and early bilingual development. Journal of child language, 39(1), 1-27.

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With you I speakdütsch and with Lars I

speak English

We should speakmore English

• Die verschiedenen Sprachen sind ‘eine’ Sprache

• Entstehendes metasprachliches Wissen über Sprache und Sprachen

• Andere Strategien für Fremdsprachenlernen

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• Sprachentwicklung in der Erstsprache im Elterngespräch thematisieren.

• Mögliche Themen (Auswahl):• Welche Sprachen sprechen Sie (in welchen Situationen, wie oft) mit

dem Kind? • Was spielt es gerne? • Versteht es, wenn Sie ihm einen alltäglichen Auftrag geben, wie z.B.

„hol deine Schuhe“? • Spricht Ihr Kind schon Wörter? Welche Wörter spricht es? • Wird Ihr Kind von Leuten von Freunde, Grosselternverstanden? • Kann Ihr Kind bereits von etwas erzählen, bei dem Sie selber nicht

dabei waren?

8Vischer, B (2019) Merkblatt: Sprachentwicklung in der Erstsprache im Elterngespräch thematisieren, St. Gallen: Pädagogische Hochschule St. Gallen.

Früher gleichzeitiger mehrsprachiger SpracherwerbKonsequenzen für die Förderung

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Sprachförderung in der FamilieInformationsmaterialien

https://www.kinder-4.ch/de/material

https://www.sg.ch/gesundheit-soziales/soziales/integration/kinder/elternbildung.html

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Früher gleichzeitiger mehrsprachiger Spracherwerb

• Ist Mehrsprachigkeit ein Vorteil oder ein Nachteil?

• Mehrsprachigkeit ist eine Chance, weil mehrere Sprachen, Kulturen integriert werden (Gogolin2013)

• Für die weitere Entwicklung kommt auf viel mehr an: Lerngelegenheiten, Sprachliche Anregung, Aufmerksamkeit, Interaktion…

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Gogolin I. (2013) Mehrsprachigkeit. In: Gogolin I., Kuper H., Krüger HH., Baumert J. (eds) Stichwort: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Springer VS, Wiesbaden

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Sprachförderung in der FamilieElternanlässe

• Mehrsprachigkeit ist ein Geschenk fürs Leben»«Sprich mit mir, spiel mit mir und hör mir zu»«Sprich mit mir, spiel mit mir und hör mir zu»«In meinem Kopf haben Mamas Sprache, Papas Sprache und Deutsch Platz.»

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Gleichzeitiger mehrsprachiger SpracherwerbNatürlicher ZweitspracherwerbFrühe Deutschförderung

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Sprachgebrauch in den Familien: Erstsprache - Deutsch

• Sollen Eltern, die selber zweisprachig sind, als Familiensprache die Herkunftssprache oder die Umgebungssprache Deutsch wählen?

• Wie lernt das Kind Deutsch als Zweitsprache im natürlichen Zweitspracherwerb?

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Sprachgebrauch in den Familien: Erstsprache - Deutsch

• Zürcher Studie, 183 Kinder, Intervention im Kindergarten, vier Testzeitpunkte, Sprachkompetenzen in mehreren Sprachen (Bayer 2011):

• Die Mehrheit der Mütter (60%) und Väter (53%) sprechen mit den Kindern vor dem Kindergarten ausschliesslich ihre Erstsprache

• Einige Eltern geben an, dass sie im Jahr vor dem Kindergarteneintritt häufiger Deutsch sprechen

• Wenn die Eltern mit dem Kind neben der Erstsprache auch Deutsch sprechen, kommen die Kinder mit einer etwas höheren Deutschkompetenz in den Kindergarten. Allerdings verlaufen ihre Fortschritte in Deutsch danach langsamer, als diejenige der Kinder, deren Eltern die Erstsprache sprachen

• Der Sprachgebrauch des Kindes verändert sich im Aufwachsen: Mit den Geschwistern wird im Vorschulalter die Familiensprache gesprochen, dies kann sich im Schulalter verändern, Geschwister sprechen dann auch Schweizerdeutsch untereinander.

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Bayer, N. (2011). Entwicklung der Sprachkompetenzen in der Erst- und Zweitsprache von Migrantenkindern. Ergebnisse aus Leistungsmessungen bei fremdsprachigen Zürcher Kindergartenkindern. 2011, University of Zurich, Faculty of Arts. https://doi.org/10.5167/uzh-124580

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Familiensprache und/oder Deutsch?

• Studie Basel: 299 Kinder in Längsschnitt (ca. 3.5 Jahre bis 4.5 Jahre), Sprachentwicklungstest D, (Troesch et al 2017)

• Auch die Deutschkompetenz der Eltern einbezogen wird, gibt es keinen längerfristigen Gewinn für die Kinder im Deutscherwerb. Neben der Herkunftssprache in der Familie Deutsch zu sprechen, hat keinen Einfluss, weder positiv noch negativ.

• Der Besuch einer deutschsprachigen Betreuungsinstitution (Kita, Spielgruppe) hat einen signifikanten Einfluss

• Es gibt keinen Grund, Eltern zu empfehlen, mit dem Kind Deutsch anstatt die Erstsprache zu sprechen, Teilnahme an frühkindlicher Bildung ist jedoch empfehlenswert.

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Troesch, L. M., Keller, K., Loher, S. & Grob, A. (2017). Umgebungs-und Herkunftssprache: Der Einfluss des elterlichen Sprachengebrauchs auf den Zweitspracherwerb der Kinder. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie. 31 (2), 149–160 https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000204

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Sprachgebrauch in den Familien: Erstsprache - Deutsch

• Sollen Eltern, die selber zweisprachig sind, als Familiensprache die Herkunftssprache oder die Umgebungssprache Deutsch wählen?

• Herzenssprache: Es gibt eine Sprache, die sich für den Dialog mit Baby und Kind natürlich richtig anfühlt. Die Eltern sollen diese Erstsprache verwenden, wenn sie mit den Kindern sprechen.

• Die Kinder dürfen erfahren, dass die Eltern selber mehrsprachig sind (Vorbildfunktion). Wenn die Eltern Deutsch verstehen, sollen sie nicht auf der ausschliesslichen Verwendung der Familiensprache beharren.

• Dass Sprachen vermischt werden, ist normal.

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Lernprozesse

• Wie lernt das Kind Deutsch als Zweitsprache im natürlichen Zweitspracherwerb?

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Kommunikationsstrategien

• Das lernt die L2 im «Sprachbad» mit «natürlichen Lernstrategien»

• Motivation des Kindes: in einer Gruppe mitmachen können, dazugehören, sich integriert fühlen: Um dies zu erreichen, setzen Kinder Verhaltensstrategien ein, bei denen sozusagen als Nebenwirkung auch Sprache gelernt wird.

• Ähnliche Spracherwerbsstufen wie beim L1-Erwerb des Deutschen, jedoch andere Voraussetzungen bezüglich der kognitiven Entwicklung

• Die Kinder erwerben keine fixfertigen Satzstrukturen – sie müssen Schritt um Schritt den Sprachcode der L2 knacken

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Kommunikationsstrategien

Anna hat erst seit Kurzem Sprachkontakt mit Deutsch und hört folgenden ‘Lautstrom’:

Annakannstdumirmalbittedenrotenstiftdageben

Was geht in dem Kind vor?

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Lernprozesse

Die Fachperson zeigt auf die Stifte auf dem Tisch

nurdenroten

Anna greift sich den braunen Stift heraus und hält ihn der Fachperson hin, die sagt:

neinnichtdenbraunendenroten

Nun hält sie der Fachperson den roten Stift hin und erntet ein Lächeln und ein:

dankeschönanna.

Anna hat die Kommunikationsaufgabe gelöst.

Orientierung im Kontext – kontextuelle Unterstützung anbieten

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Kommunikationsstrategien

• Das Kind geht davon aus, dass ich das Gesprochene auf die momentane Handlung bezieht und leitet daraus den Kontext ab. (Zumtobel, 2018)

• Das Kind verhält sich so, als ob es das Gesagte verstehen würde, auch wenn dies nicht der Fall ist.

• Das Kind konzentriert sich auf eindeutiger wahrzunehmende sprachliche Einheiten (Schlüsselwörter).

• Das Kind lernt einige Schlüsselwörter und feste Redewendungen und setzt diese so oft wie möglich ein.

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Zumtobel, M (2018) Referat Mehrsprachigket Weiterbildung Projekt Sprikids

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Teilbereiche

• Die Kinder müssen sich alle Teilbereiche der neuen Sprache aneignen:

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Tracy & Schulz adaptiert von Kappeler Suter S (2019)

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Phasen Syntax

Phase Beschreibung BeispielPhase I Einwortsätze

Sätze ohne VerbBall.Da auch das.

Phase II Infinites Verb am Satzende Ich Hause gehen. Ich das haben.

Phase III Finites Verb an zweiter Stelle; Satzklammer

Die schlaft jetzt. Ich spiel auch mit.

Phase IV Strukturen mit finitem Verb vor Subjekt; Finites Verb an erster Stelle

Dann weint die Kind. Gehen wir Bauecke?

Phase V Finites Verb an letzter Stelle; Nebensatz Ich hab gesehen, dass er gebissen hat.

MMag. Martina Zumtobel PH Vorarlberg 23

Tracy, Rosemarie (2007). Wie Kinder Sprachen lernen und wie wir sie dabei unterstützen können. Tübingen: Francke.

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Entwicklung der L2 im Überblick

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Itel, N. (2016) Referat

Zunehmende Ausdifferenzierung des Lautinventars in der L2

Sprachverständnis

Sprachgebrauchpräverbal

Kontakt mit Zweitsprache

Einwortsätze Mehrwortsätze

Rezeption vor Produktion

• Zeigegeste• Geräusche• Gestik & Mimik

Annäherung an das zielsprachliche Regelsystem

Erstkontakt mit L2

Man lernt das auszudrücken, was man zuvor gelernt hat zu verstehen.

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Vergleich Phasen L1 – L 2

Der Erwerb der zweiten Sprache erfolgt ganz ähnlich wie der Erwerb der Erstsprache, wenn das Kind die Zweitsprache vor dem 6/7. Lebensjahr erlernt: Erwerbspfade (Müller, Schulz & Tracy, 2018).

Übergang perzeptive Phase in die produktive Phasen: Voraussetzung für Sprachproduktion: die Sprache und ihre Strukturen müssen wahrgenommen und (teilweise) verstanden werden.

• Das Einhören und das schrittweise Automatisieren von Rezeptions- und Produktionsprozessen dauert mehrere Monate

• Einige Kinder probieren aus, andere Kinder sind über längere Zeit ruhig und sprechen gar nichts (Schweigephase)

• Zweitspracherwerb ist nicht gleich Zweitspracherwerb: Die Verweildauer in den Phasen variiert individuell.

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Müller, A., Schulz, P., & Tracy, R. (2018). Spracherwerb. Bildung durch Sprache und Schrift: BiSS, 1, 53-68.

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Vergleich L1 – L 2: Vorkenntnisse

Prozess geht schneller als zur Zeit des Erstspracherwerbs, da Kategorisierungsleistungen, analytische Fähigkeiten und Wahrnehmungsleistungen bereits ein höheres Niveau erreicht haben (Tracy 2014)

• vorherige (Sprach-) Lernerfahrungen und Wissen zu unterschiedlichen Gegenständen und Zusammenhängen, Wortschatz

• kognitive Entwicklung weiter fortgeschritten. Z.B. Gegensatz-relationen, zeitliche Strukturierung (und dann… in Erzählungen

• lautliche Muster, grammatische Strukturen und pragmatische Fähigkeiten (Kommunikation)

• sprachliche Einheiten kombinieren und Einzelelemente verändern

• Sprachlicher Output kontext- und personenbezogen anpassen

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Tracy, R. (2014). Spracherwerb und Mehrsprachigkeit. , Braches-Chyrek, R., Sünker, H. Röhner, C. & Hopf, M. (Hrsg) Handbuch Frühe Kindheit 185-197. Budrich

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Entwicklungsperspektive

Dauer des Zweitspracherwerbs: Etwa zwei Jahre bei ausreichend intensivem und qualitativ gutem Angebot in der Zweitsprache Deutsch

Spezifische Schwierigkeiten können weiterhin auftreten, z. B. in Deutsch richtige Verwendung der Artikel

Es kann zu Sprachmischungen (code switching) kommen. Dies zeigt, dass sich die Kinder aktiv mit Sprachen auseinandersetzen (Yow, Tan, & Flynn, 2018). Mit dem code switching helfen sich die Kinder aus, um Lücken in einer Sprache zu überwinden.

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Yow, W. Q., Tan, J. S., & Flynn, S. (2018). Code-switching as a marker of linguistic competence in bilingual children. Bilingualism: Language and Cognition, 21(5), 1075-1090.

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Natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Frühe Deutschförderung: je - desto

• Nach wie vor für das Lernen von mehreren Sprachen gilt das Prinzip, je früher, desto besser.

• Aber nur, wenn die 3 Basics des Spracherwerbs (gilt für alle Sprachen) erfüllt sind:

• Kinder brauchen Sprachvorbilder: je korrekter, desto besser

• Kinder lernen nur in Interaktionen: je häufiger, desto besser

• Kinder brauchen ein variantenreiches Sprachangebot: je variantenreicher, desto besser

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Gleichzeitiger mehrsprachiger SpracherwerbNatürlicher ZweitspracherwerbFrühe Deutschförderung

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Frühe Deutschförderung

• Ist je mehr desto besser?

• Ist je früher desto besser?

• Wie kann die Qualität der frühen Deutschförderung gesichert werden?

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Frühe DeutschförderungEffekte Umfang

• Effekte auf die Deutschkenntnisse hängen bis zu 20h/Woche mit dem Umfang zusammen: je mehr, desto besser (Grob et al. 2014)

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Grob, A., Keller, K., & Trösch, L. M. (2014). ZWEIT SPRACHE. Wissenschaftlicher Abschlussbericht. Mit ausreichenden Deutschkenntnissen in den Kindergarten. Basel: Universität Basel https://kjf.tg.ch/public/upload/assets/58478/ZweitSprache%20mit%20ausreichenden%20Deutschkenntnissen%20in%20den%20Kindergarten.pdf

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Später natürlicher Zweitspracherwerb (L2)Frühe Deutschförderung

• Nach wie vor für das Lernen von mehreren Sprachen gilt das Prinzip, je früher, desto besser.

• Aber nur, wenn die 3 Basics des Spracherwerbs (gilt für alle Sprachen) erfüllt sind:

• Kinder brauchen Sprachvorbilder: je korrekter, desto besser

• Kinder lernen nur in Interaktionen: je häufiger, desto besser

• Kinder brauchen ein variantenreiches Sprachangebot: je variantenreicher, desto besser

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Frühe DeutschförderungInteraktionen

• Alltagsintegrierte Sprachförderung

• Dialog im Zentrum zum adaptiven Einsatz verschiedener Sprachförderstrategien

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Sprachstand

• Die Fachperson passt ihre Sprachförder-strategien dem Sprachstand des Kindes an.

• Strategien an sich eignen sich für Kinder mit Deutsch als Erst-oder als Zweitsprache, oder für Kinder mit Spracherwerbsverzögerung

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Frühe DeutschförderungVariantenreicher Sprachinput

• Förderung in allen Bildungsbereichen

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Stadt Zürich (o.J.) Erfahrungsfelder und Beobachtungspunkte für den Frühbereich https://www.stadt-zuerich.ch/ssd/de/index/volksschule/fruehe_foerderung.html#dossier_erfahrungsfelder

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Frühe DeutschförderungSprachförderkompetenz der Fachpersonen

• Sprachförderkompetenz der Fachpersonen stärken (Fried & Briedigkeit, 2008)

• Sprachförderkompetenz für alltagsintegrierte Sprachförderung kann durch Weiterbildung erhöht werden:

• Weiterbildungen mit Vertiefung in Deutschland, Schweiz und Österreich zeigen signifikante Effekte auf die Sprachförderkompetenz: Videostudie (Vogt et al. 2015; Vogt et al. in Vorb.)

• Wirksamkeit der Verbindung von Weiterbildung und Coaching (Pianta et al. 2014)

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Fried, L., & Briedigkeit, E. (2008). Sprachförderkompetenz. Selbst- und Teamqualifizierung für Erzieherinnen, Fachberatungen und Ausbildner. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Pianta, R. C., Burchinal, M., Jamil, F. M., Sabol, T.,….Howes, C. (2014). A cross-lag analysis of longitudinal associations between preschool teachers’ instructional support identification skills and observed behavior. Early Childhood Research Quarterly, 29, 144-154.

Vogt, F., Löffler, C., Haid, A., Itel, N., Schönfelder, M., & Zumwald, B. (2015). Professionalisierung für alltagsintegrierte Sprachförderung in Kindergarten, Kita und Spielgruppe: Videobasierte Analyse zur Veränderbarkeit von Handlungskompetenzen. Empirische Pädagogik, 29(3), 414-430

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Frühe Deutschförderung je – desto?

• Ist je mehr desto besser? Umfang hat einen Einfluss

• Ist je früher desto besser?

• Bis zum Kindergarten geht es nicht darum, perfekt reden zu können – wichtig ist ein erster Wortschatz und zu verstehen, was die Lehrperson sagt. Das gibt Sicherheit. Diese fehlt den Kindern, wenn sie im Kindergarten noch wenig verstehen.

• Kinder, die mit ersten Deutschkenntnissen in den Kindergarten eintreten, können das Lernangebot des Kindergartens besser nutzen.

• Der Spracherwerb geht weiter.

• Wie kann die Qualität der frühen Deutschförderung gesichert werden?

• Qualität des Sprachvorbilds, der Interkation und die Anregungsvielfalt kann durch Weiterbildung und Coaching gestärkt werden.

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Zusammenfassend

• Mehrsprachigkeit ist ein Geschenk fürs Leben, • abhängig von der Anregungsquantität und –qualität (→Elterneinbezug)• Mehrsprachigkeit verändert sich, jede Konstellation ist anders

• Später natürlicher Zweitspracherwerb• Vergleichbare Anforderungen, Phasen und Fördermöglicheiten wie im Erstspracherwerb,

jedoch schneller. Grosse individuelle Unterschiede im Verlauf (→ alltagsintegriert)

• Früher Deutschspracherwerb• In Kitas, Spielgruppen, Tagesfamilien: Je früher desto besser• Qualität entscheidend: Sprachvorbild, Interaktion, Anregungsvielfalt (→ Weiterbildung,

Coaching)

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Danke!

Zentrum Frühe Bildung

www.fruehe-bildung.ch

www.phsg.ch

Prof Dr. Franziska Vogt

[email protected]