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Meilensteine der deutschen Geschichte Von der Antike bis heute

Meilensteine der deutschen Geschichte - bpb.de der deutschen... · (1815–1848) 184 Deutscher Bund 184 Heilige Allianz 186 Liberalismus 187 Nationalismus 189 Burschenschaften 190

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Meilensteine der deutschen Geschichte

Deutschland ist heute ein demokratischer Staat im Herzen Europas. Den Weg zum heutigen territorialen und politischen Status als fortlaufende Darstellung nachzu-zeichnen, scheint kaum mehr leistbar. Das vorliegende Buch schlägt einen anderen Weg ein: In acht nach Epochen gegliederten Kapiteln und in über 300 kurzen Lese-einheiten beschreibt es bedeutsame Ereignisse, Sachverhalte und Besonderheiten der deutschen Geschichte – von der Antike bis zur globalisierten Welt von heute. Neben Geschehnissen des politischen Lebens nimmt es auch maßgebliche Ent-wicklungen in Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft in den Blick und stellt sie in Bezug zum weltgeschichtlichen Rahmen. So entsteht ein übersichtliches Nachschlage-werk, das auch Zusammenhänge, Konstanten und Brüche aufzeigt.

bpb SR Band 1642 – Meilensteine der deutschen Geschichte

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Meilensteine der deutschen Geschichte

Von der Antike bis heute

170 x 240 mm – Rücken 38 mm – Stand 11.08.15

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Inhalt

Vorwort 5

was ist deutsche Geschichte? 12

1. Jh.–919 antike und Völkerwanderungszeit

Einführung 16

Kelten 18Germanen 18Römisches Germanien 20Völkerwanderung 20

Christianisierung der Germanen 22Fränkisches Reich 22Karolinger 24Herausbildung des »Regnum Teutonicum« 25

919–1495Mittelalter

Einführung 28

Heiliges Römisches Reich 32Könige und Kaiser 34Kurfürsten 36Hoftage 38Ottonen 38Salier 41Staufer 43Welfen 45Wittelsbacher 46Habsburger 46Luxemburger 48Adel 49Lehenswesen 50Ministerialen 51Ritter 51Friedensbewegungen 53Höfische Kultur 53

Kirche und Klerus 55Kirchenreform 57Investiturstreit 57Orden und Klöster 58Konstanzer Konzil 60Christliche Praxis 62Juden 63Bauern 64Grundherrschaft 66Städte 66Reichsstädte 68Bürger 69Kaufleute 70Hanse 71Zunftwesen 72»Schwarzer Tod« 73Universität 74Buchdruck 74Kunst und Kultur des Mittelalters 75

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1495–1648 Konfessionelles Zeitalter

Einführung 80

Zeitalter der Reformation (1495–1555) 84Haus Habsburg 84Reichsstände 86Reichsreform 87Reichskreise 88Reichsgerichtsbarkeit 88Recht und Ordnung 90Eidgenossenschaft 91Humanismus 91Reformation 93Bauernkrieg 95Landsknechte 98Augsburgisches Bekenntnis 99Landesherrliches Kirchenregiment 100Schmalkaldischer Krieg 101Täuferreich von Münster 102Augsburger Religionsfriede 102Frühkapitalismus 104

Post 106Reichsmünzordnung 107

Zeitalter der Konfessionsbildung (1555–1648) 107Konfessionelles Zeitalter 107Katholische Reform 110Katholische Kirche 111Lutherische Kirchen 112Reformierte Kirchen 113Hexenverfolgungen 114Achtzigjähriger Krieg 116Kalenderreform 116Protestantische Union 116Katholische Liga 118Dreißigjähriger Krieg 118Die Friedenskongresse von Münster und Osnabrück 121Westfälischer Friede 123Auswirkungen des Dreißigjährigen Kriegs 125Kunst und Kultur des Barock 127

1648–1815 Zeitalter des ancien régime

Einführung 132

Zeitalter des Ancien Régime (1648–1763) 136Ancien Régime 136Hofleben 137Merkantilismus 138Landesausbau 140Türkenkriege 141»Zweiter Dreißigjähriger Krieg« 141Neunjähriger Krieg 142Kurhannover 143Kursachsen 144Spanischer Erbfolgekrieg 144Aufstieg Preußens 145

Österreichischer Erbfolgekrieg 147Schlesische Kriege 148Deutscher Dualismus 149Siebenjähriger Krieg 150Erste polnische Teilung 152Pietismus und Frühauf- klärung 153

Aufklärung und »Sattelzeit« (1763–1815) 154Aufklärung 154Menschen- und Bürger rechte 155Bürgertum 155Lesegesellschaften 157Josephinismus 157Zeitalter der Revolutionen 158

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Inhalt

Mainzer Republik 160Revolutionskriege 161Reichdeputationshaupt- schluss 162Ende des Heiligen Römischen Reiches 163Rheinbund 164Code civil 164Preußische Reformen 165

Judenemanzipation 167Wirtschaft am Vorabend der industriellen Revolution 167Napoleonische Ära 168Befreiungskriege 169Wiener Kongress 171Wiener Klassik 173Weimarer Klassik 174Romantik 175

1815–1914 Bürgerliches Zeitalter

Einführung 180

Restauration und Revolution (1815–1848) 184Deutscher Bund 184Heilige Allianz 186Liberalismus 187Nationalismus 189Burschenschaften 190Turnbewegung 191Bundesfarben 192Vormärz 192Frühkonstitutionelle Verfassungen und Volksvertretungen 195Metternichsches System 196Politische Feste 197Entgrenzung der ständischen Gesellschaft 199Pauperismus 201Sozialer Protest 202Migration 204Eisenbahnbau 205Deutscher Zollverein 207Biedermeier 209Märzrevolution 210Frankfurter Nationalversammlung 213Reichsverfassung 215Deutsche Frage 218Wende der Revolution 219Ende der Revolution 222

Revolution von oben (1849–1871) 224Industrielle Revolution 224Soziale Frage 227Sozialismus 228Gewerkschaften 230Konservativismus und politischer Katholizismus 232Anfänge des Parteiensystems 234Reaktionsära 236Neue Ära 236Verfassungskonflikt in Preußen 236Europäische Konflikte ab den 1850er-Jahren 237Deutsch-Dänischer Krieg 239Deutscher Krieg 240Norddeutscher Bund 241Doppelmonarchie Österreich- Ungarn 242Süddeutschland vor 1871 243Deutsch-Französischer Krieg 244Reichsgründung 246

Kaiserreich (1871–1914) 248Reichsverfassung 248Gründerjahre 250Etablierung des Nationalstaats 251Ausbildung des Parteiensystems 253Sozialdemokratie 255Innenpolitik Bismarcks 256Kulturkampf 258

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Inhalt

Sozialistengesetz 259Sozialgesetzgebung 260Frauenbewegung 260Hochindustrialisierung 262Verbandswesen 262Antisemitismus 264Außenpolitik Bismarcks 264Wilhelminische Ära 266

Gesellschaft der Wilhelminischen Ära 268Wissenschaft und Technik 269Kunst und Kultur 271Imperialismus 272Deutsche Kolonien 273Marokkokrisen 274Balkankriege 275

1914–1945 Zeitalter der weltkriege

Einführung 278

Erster Weltkrieg (1914–1918) 282Vorgeschichte und Kriegsbeginn 282Kriegsziele 284Militärische Dimension des Ersten Weltkriegs 285Politische Dimension des Ersten Weltkriegs 288Gesellschaftliche Dimen sion des Ersten Weltkriegs 290Wirtschaftliche Dimension des Ersten Weltkriegs 291Kulturelle Dimension des Ersten Weltkriegs 292Innovationen im Ersten Weltkrieg 293Bilanz des Ersten Weltkriegs 294

Weimarer Republik (1918–1933) 295Novemberrevolution 295Arbeiter- und Soldatenräte 297Revolutionsregierung 298»Spartakusaufstand« 299Nationalversammlung in Weimar 300Weimarer Verfassung 302Regierungssystem 303Parteien der Weimarer Republik 306Friedensvertrag von Versailles 308Reparationen 310Völkerbund 311

Außenpolitik 311Freikorps 313Reichswehr 314Republikanische und anti- republikanische Kampfverbände 315Brüchige Sozialpartnerschaft im Sozialstaat 316Krisenjahr 1923 317»Hitlerputsch« 319Linkskritik und konservative Revolution 320»Goldene Zwanzigerjahre« 321Metropole Berlin 322Pressewesen 323Literatur und Theater 324Kunst und Musik 325Massenkultur und Massenvergnügen 327»Neue Frau« 328Weltwirtschaftskrise 329Zerstörung der Weimarer Republik 331»Demokratie ohne Demokraten« 334

Nationalsozialismus (1933–1945) 335Nationalsozialismus 335»Machtergreifung« 337»Ermächtigungsgesetz« und »Gleichschaltung« 339Befestigung der national - sozialistischen Macht 341»Führerstaat« 342

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Inhalt

Diskriminierung und Verfolgung 344Konzentrationslager 345»Nürnberger Gesetze« 346»Reichspogromnacht« 347Gesellschaft und Wirtschaft 348Propaganda und politischer Kult 351Kirchen im Nationalsozialismus 353Widerstand gegen den Nationalsozialismus 354Wehrmacht im NS-Staat 355Außenpolitik des Nationalsozialismus 355

Revisionspolitik und Kriegsvorbereitungen 357Überfall auf Polen 359Das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg 360Kriegswirtschaft und Raubkrieg 364Radikalisierung des NS-Herrschaftssystems und Besatzungspolitik 365Ermordung der europäischen Juden 367Flucht und Vertreibung 369

1945–1990 Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische republik

Einführung 372

Besatzung und Neubeginn (1945–1949) 376Kapitulation und Befreiung 376Besatzungszonen 377Potsdamer Abkommen 379Nürnberger Prozesse 380Entnazifizierung und Umerziehung 382Entstehung der Länder 384Neuaufbau des Parteiensystems 384Marshallplan 387Währungsreform 388Berliner Blockade 389Prozess der Teilung Deutschlands 390Parlamentarischer Rat 392Integration in das »System der Blöcke« 394

Gründerjahre in Ost und West (1949–1963) 394Grundgesetz 394Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland 396Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik 399

Regierungssystem der Deutschen Demokratischen Republik 400Soziale Marktwirtschaft 402Planwirtschaft 404Westintegration der Bundes- republik Deutschland 405Europäische Gemeinschaften 407Ostintegration der Deutschen Demokratischen Republik 409Wiederbewaffnung 410Deutschlandvertrag und Pariser Verträge 412»Ära Adenauer« 413»Wirtschaftswunder« 415»Ära Ulbricht« 416Aufstand des 17. Juni 418Bau der Berliner Mauer 419

Aufbruch und Annäherung (1963–1974) 421Kanzlerschaft Erhards und erste Große Koalition 421Jugendkultur 422Außerparlamentarische Opposition 424Gesellschaftlicher Wandel 425»Ära Brandt« 428Ostpolitik 431Internationale Anerkennung 433

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Inhalt

Stagnation im Wandel (1974–1990) 434»Ära Schmidt« 434Neue soziale Bewegungen 436KSZE-Prozess 439»Ära Honecker« 440»Ära Kohl« 443Wandel in den Ostblockstaaten 446 »Wiedervereinigung« 448Fall der Berliner Mauer 451

Weg zur Einheit 453Gesellschaft der »Bonner Republik« 456Kunst und Kultur der »Bonner Republik« 458Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik 459Kunst und Kultur der Deutschen Demokratischen Republik 462

seit 1990 Deutschland nach der »wiedervereinigung«

Einführung 466

»Wiedervereinigung« und »Aufbau Ost« 468»Ära Schröder« 469»Ära Merkel« 471Einwanderung und Migration 472

Gesellschaft der »Berliner Republik« 473Finanzkrise 474Deutschland in der Europäischen Union 475Deutschlands Rolle in der Welt 476

register 478

Bildquellenverzeichnis 512

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Von Weitem sichtbar ragt das 1875 errich-tete »Hermannsdenkmal« bei Detmold über den Teutoburger Wald. Mit hoch erhobenem Schwert zeigt es den Cheruskerfürsten Ar-minius im Augenblick des Triumphes über die römischen Besatzer. Im Streben nach der Einheit Deutschlands und einer nationalen Identität wurde der Bezwinger des römischen Feldherrn Varus und seiner Legionen im 19. Jh. zum ersten Deutschen verklärt.

Heute ist unstrittig, dass Arminius aus dem germanischen Stamm der Cherusker weder als Deutscher noch als Urvater einer geeinten deutschen Nation angesehen werden kann. Auch Karl der Große war weder Deutscher noch Franzose, sondern Europäer – Herrscher über ein fränkisches Großreich, in dem Ange-hörige verschiedener Völkerschaften lebten und in dem verschiedene Sprachen gespro-chen wurden. Erst nach dessen Teilung in ein westfränkisches und ein ostfränkisches Reich im 9. Jh. und dem Erlöschen der karolingi-schen Herrschaft über das Ostfrankenreich zu Beginn des 10. Jh. entwickelte sich rechts des Rheins allmählich das »Regnum Teutonicum« (»Deutsches Reich«). Genau genommen, lässt sich also erst ab dieser Zeit überhaupt von deutscher Geschichte sprechen.

Ringen um einheit

Dennoch zeigen sich in der Varusschlacht zwi-schen einer Koalition germanischer Stämme und Rom, das große Teile des heutigen West- und Süddeutschland besetzt hatte, zwei Grund elemente der deutschen Geschichte: Zum einen erscheint diese bis in die jüngste Vergangenheit hinein gekennzeichnet von ste-tem Ringen um politische und territoriale Ein-heit. Wenngleich dieses Ziel für unsere Zeit mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1990 erreicht wurde, so bleibt das wei-tere gesellschaftliche Zusammenwachsen von Ost und West noch immer eine Aufgabe. Zum Zweiten kommt in Deutschland den Regio-

nen mit ihren spezifischen Eigenheiten, u. a. aufgrund ihrer jeweiligen kulturell-religiösen Prägung, seit jeher hohe Bedeutung zu. Dieser Umstand spiegelt sich heute auf politischer Ebene in der föderalen Organisation der Bun-desrepublik Deutschland mit ihren sechzehn Ländern wider, die durch den Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren beteiligt sind.

Die BeDeutung DeR Regionen

Seit seiner frühesten Besiedlung hat das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland re-gional unterschiedliche Entwicklungen erfah-ren. Während die Kultur der Kelten bis zum Vorstoßen der Römer nach Gallien und ins Al-penvorland im 1. Jh. v. Chr. den Süden prägte, wurde der Norden von germanischen Stäm-men beherrscht. Die Niederlage des Varus im Jahr 9 n. Chr. stellte die Weichen für den weite-ren Verlauf der Geschichte, wenngleich neuere archäologische Funde belegen, dass die Rö-mer weiterhin Präsenz in der Region zeigten. Westlich des Rheins und südlich des Mains entstanden mit Köln, Trier, Mainz oder Augs-burg größere Städte und ein gut ausgebautes Straßennetz. Auf einer Länge von rund 550 km, zwischen Bad Hönningen am Mittelrhein und Regensburg an der Donau, bildete der gegen Ende des 1. Jh. errichtete Obergermanisch-Rä-tische Limes die Grenze zwischen dem Impe-rium Romanum und dem Siedlungsgebiet der germanischen Stämme. Zwar war der Grenz-wall durchlässig für den Güter- und Warenver-kehr, doch der kulturelle Einfluss Roms blieb auf das Gebiet diesseits des Limes beschränkt. Dies galt auch für neue religiöse Ideen: Finden sich etwa in Bayern schon zur Spätantike erste Zeugnisse für die Ausbreitung des Christen-tums, so wurde der Norden Deutschlands erst nach der Mitte des 8. Jh. allmählich christiani-siert. Zu Beginn des 16. Jh. waren es dann vor allem die nördlichen Territorien, in denen die Ideen der Reformatoren wie Martin Luther auf fruchtbaren Boden fielen.

Was ist deutsche Geschichte?

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Zwischen KRieg unD FRieDen

Die Glaubensspaltung hatte tief greifende Folgen in Deutschland. Der Augsburger Reli-gionsfrieden von 1555, mit dem das evange-lische Bekenntnis anerkannt wurde, konnte bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen protestantischen und katholischen Fürsten nicht verhindern. 1618 kam es zu Gefechten, die den Auftakt für den Dreißigjährigen Krieg bildeten, in den auch weitere europäische Mächte eingriffen. Als nach zähen Verhand-lungen 1648 in Münster und Osnabrück der Westfälische Frieden geschlossen wurde, hat-ten Gewalt, Hunger und Seuchen manche Re-gionen Deutschlands nahezu entvölkert.

Ab dem späten 17. Jh. entwickelte sich aus dem Kurfürstentum Brandenburg ein neues, überregional bedeutendes Staatswesen: Preu-ßen. Ab 1701 Königreich, stieg es nach Öster-reich zur zweiten Macht im Deutschen Reich auf. Der österreichisch-preußische Dualismus prägte in der Folgezeit dessen Geschichte.

In den napoleonischen Kriegen, die zum Untergang des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation führten, gelang Österreich, Preußen und weiteren deutschen Staaten zusammen mit ihren Alliierten der Sieg über die französischen Truppen, aber das in den Befreiungskriegen beschworene deutsche Natio nalgefühl sollte enttäuscht werden, der Wiener Kongress stellte 1815 die alte Ordnung wieder her. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Rufe nach einer deutschen Ein-heit immer lauter, die Demokratiebewegung erhielt immer mehr Zulauf. Doch die Revolu-tion von 1848/1849, in deren Verlauf die erste demokratische Verfassung Deutschlands formuliert wurde, scheiterte am Widerstand der Fürsten und wurde vom Militär niederge-schlagen.

Verwirklicht wurde die Einheit – unter Ausschluss Österreichs  – schließlich von oben. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck setzte dafür auf Krieg: 1864 ge-gen Dänemark, 1866 gegen Österreich und 1870/1871 gegen Frankreich. Die Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. zum Kaiser am 18. Januar 1871 war die Geburtsstunde des Deutschen Kaiserreiches. Einige Jahrzehnte

später, am 28. Juni 1919, unterzeichneten die deutschen Abgesandten den Friedensvertrag von Versailles. Darin wurde dem Deutschen Reich die Alleinschuld am Ersten Weltkrieg zugesprochen und ihm wurden hohe Repara-tionszahlungen auferlegt, die die neue Weima-rer Republik bis zu ihrem Untergang belasten sollten.

Die politischen und wirtschaftlichen Kri-sen der späten 1920er-Jahre bereiteten den Nährboden für den Aufstieg Adolf Hitlers und der NSDAP zur Macht. Auf die erste deutsche Republik folgte zwischen 1933 und 1945 das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Bevor die Alliierten Deutschland am 8. Mai 1945 von der nationalsozialistischen Diktatur befreien konnten, hatten der Zweite Weltkrieg und der industrialisierte Massenmord an den europäischen Juden, Sinti und Roma, Homo-sexuellen und Gegnern des Terrorregimes Mil-lionen von Opfern gefordert. Diese Verbrechen hatten ihren Preis: Gemäß dem Potsdamer Abkommen bildete nun die Oder-Neiße-Linie die neue Ostgrenze eines deutlich kleineren Deutschland, das in vier Besatzungszonen aufgeteilt wurde.

Daraus entstanden vier Jahre nach Kriegs-ende zwei voneinander getrennte deutsche Staaten. Die Bundesrepublik Deutschland suchte den Anschluss an ihre westlichen Nachbarn und die USA und entwickelte sich zu einem der Träger der Europäischen Ge-meinschaften. Die Deutsche Demokratische Republik orientierte sich hin zur Sowjetunion und den sozialistischen Bruderländern. Im Kalten Krieg verschärften sich die Gegensätze zwischen Ost und West. Zum Symbol der deutschen Teilung wurde die 1961 gebaute Berliner Mauer.

Nach dem Mauerfall 1989 und dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ein Jahr später gibt es wieder einen deutschen Staat inner-halb der Grenzen der vier Besatzungszonen von 1949. Im Bewusstsein ihrer historischen Verantwortung wirkt die Bundesrepublik Deutschland als stabile Demokratie am Zu-sammenwachsen eines geeinten Europa mit und sieht sich angesichts der positiven wie der negativen Folgen der Globalisierung vor die Herausforderung gestellt, ihre Rolle in der Weltgemeinschaft zu bestimmen.

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1. Jh.–919Antike und

VölkerWAnderunGszeit

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sich im Vertrag von Andelot über die erbfolge und die Aus-dehnung ihrer herrschaftsge-biete. Dabei tauchen erstmals die Begriffe Austrien/Austra-sien (»ostreich«) und neustrien (»neues Land im westen«) auf.

754

Bonifatius, der »Apostel der Deutschen«, wird auf einer missionsreise bei Dokkum von heidnischen Friesen erschla-gen.

800

Der Frankenkönig Karl der große wird von Papst Leo iii. zum Kaiser gekrönt. Damit wird das römische Kaisertum im westen wiederbelebt.

843

im Vertrag von Verdun teilen die söhne Ludwigs i., des Frommen, das Frankenreich in drei teile auf. Ludwig ii., der Deutsche, regiert das ostfrän-kische Reich.

911

mit dem tod König Ludwigs iV., des Kindes, endet die herr-schaft der Karolinger im ostfränkischen Reich.

919

Der sachsenherzog heinrich i. aus dem geschlecht der ottonen wird zum ersten nicht fränkischen König gewählt.

9 n. Chr.

Der römische Feldherr Publius Quinctilius Varus gerät mit drei Legionen in einen hinterhalt und wird von germanischen Kriegern unter der Führung des cheruskers Arminius ver-nichtend geschlagen.

98

in seinem werk »De origine et situ germanorum« (kurz »germania«) beschreibt der römische geschichtsschreiber tacitus die sitten und gebräu-che der germanen.

259/260

Vorstöße germanischer stämme führen zur Aufgabe des römischen grenzwalls Limes.

375

Der Ansturm der hunnen leitet die große Völkerwanderung ein, die den Beginn des Frühmittel-alters markiert.

um 498

nach seinem sieg über die Ale-mannen bei Zülpich (tolbiacum) empfängt der fränkische König chlodwig von Bischof Remigius von Reims die taufe.

587

Der merowinger guntram und sein neffe childebert einigen

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Antike und Völkerwanderungszeit

RömeR unD geRmAnen

Der südliche Teil des heutigen Deutschland und die Rheinlande wurden nach ihrer Erobe-rung durch die Römer im 1. Jh. v. Chr. maß-geblich durch die römische Kultur geprägt. Um die festen Militärlager herum entstanden Siedlungen, die im Lauf der Zeit zu Städten anwuchsen. Trotz anfänglicher militärischer Erfolge gelang es den Römern nicht, die ger-manischen Stämme dauerhaft unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Niederlage dreier Legionen in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 n. Chr. setzte der weiteren rö-mischen Expansion in Germanien ein Ende. Die anhaltenden Spannungen führten zur Er-richtung einer gewaltigen Wehranlange, des mehrere Hundert Kilometer langen Limes, an der Grenze zum freien Germanien. Mehrfach versuchten germanische Stämme, den Grenz-wall zu überwinden und in das Reichsgebiet vorzudringen, was den Alemannen schließlich im 3. Jh. gelang. Langfristig trugen die Einfälle der Germanen zum Untergang des Römerrei-ches bei. Die gewaltige Größe des Imperiums erschwerte eine zentrale Verwaltung von Rom aus zusehends. Deshalb wurde es 293 in eine West- und eine Osthälfte aufgeteilt. Diese Tei-lung wirkte sich auch auf das römische Ger-

Für die Römer war Germanien ein Land mit dunklen, dichten Wäldern und unheimlichen Sümpfen, bewohnt von furchtlosen, kriege-rischen Stämmen. Deren Leben, so schilder-ten es die römischen Geschichtsschreiber, war von Kindesbeinen an durch Abhärtung und strapaziöses Training bestimmt, um auf diese Weise körperliche Kraft und Ausdauer zu fördern. Spätere Vorstellungen der Germa-nen und ihrer Lebenswelt wurden nachhaltig durch diese Bilder geprägt.

Auf der Suche nach einer gemeinsamen deutschen Identität im Zuge der nationalen Einheitsbestrebungen des 19.  Jh. wurden die Germanen zu heldenhaften Urvätern verklärt. Während der nationalsozialistischen Diktatur wurde die »Forschungsgemeinschaft deut-sches Ahnenerbe e. V.« eingerichtet, deren nach rassistischer Ideologie ausgerichtete For-schung die wissenschaftliche Bestätigung für die angebliche Überlegenheit der Germanen als Angehörige der »arischen Rasse« erbrin-gen sollte. Dieser Missbrauch tabuisierte in der Nachkriegszeit zunächst eine seriöse Aus-einandersetzung mit der germanischen Ge-schichte und wirkt bis heute belastend nach. Fest steht, dass die Germanen eine entschei-dende Rolle für die historischen Entwicklungen im Gebiet des heutigen Deutschland spielten.

einführunG

im 1. Jh. v. chr. unterwarfen die Römer gallien und eroberten die ange-stammten siedlungsgebiete der Kelten nördlich der Alpen. Doch die stämme im norden germaniens blieben eine Dauergefahr für die grenzen des Rö-mischen Reiches. Die große, im späten 4. Jh. einsetzende Völkerwanderung der germanischen Völkerschaften ging mit dem allmählichen Zerfall der rö-mischen herrschaft und der entstehung germanischer Königreiche einher. Das Fränkische Reich, das ab dem 8. Jh. von den Karolingern beherrscht wurde, spielte eine herausragende Rolle für die weitere entwicklung euro-pas. Der Frankenherrscher Karl der große legte an der wende zum 9. Jh. mit der erneuerung der Kaiserwürde im westen und der schaffung eines karolingischen großreiches die grundlagen für die weitere entwicklung ei-nes »Regnum teutonicum«, eines »Deutschen Reiches«, rechts des Rheins.

»Quinctilius Varus, gib die Legionen

zurück!«

Der römische Biograf sueton (»Die Kaiservi-

ten«) über die Reaktion des Kaisers Augustus

nach erhalt der nach-richt über die nieder-

lage in germanien

Abb. s. 14/15: Die Porta nigra, das »schwarze

tor«, wurde um 180 n. chr. von den

Römern erbaut und diente als nördlicher

Zugang zur stadt »Augusta treverorum«

(heute: trier).

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1. Jh. – 919

begann die Unterstützung der katholischen Kirche eine herausragende Rolle zu spielen. Gleichzeitig damit wuchs die Bedeutung der Geistlichkeit im fränkischen Herrschaftsgebiet. Missionare trieben die Christianisierung im Gebiet des heutigen Deutschland maßgeblich voran. Die von ihnen begründeten Klöster wur-den zu Zentren der politischen Herrschaftsaus-übung ebenso wie der Bildung.

Nachdem das Herrschergeschlecht der Me-rowinger im 8. Jh. von den Karolingern abge-löst worden war, begann eine weitere Expan-sion des Fränkischen Reiches, das nun auch Gebiete im Norden des heutigen Deutschland einschloss. Diese Eroberung der zuvor von dem Volksstamm der Sachsen beherrschten Gebiete ging zugleich mit einer umfassen-den Missionierung und intensiven Förderung des Klosterwesens einher. Die zahlreichen Eroberungen und die Notwendigkeit, das rie-sige Territorium gegen Feinde zu verteidigen, erforderten zugleich Veränderungen in der Kriegführung. Der vermehrte Einsatz schwer bewaffneter Reiter führte zur Herausbildung des Ritterstandes, der die Gestalt der mittelal-terlichen Gesellschaft über Jahrhunderte hin-weg prägen und politisch beeinflussen sollte. In enger Verbindung damit stand die Ausprä-gung des sogenannten Lehenswesens, in dem Grundherren den Bauern Schutz gegen die Abtretung von Land und dessen Erträge ge-währten.

Langfristig war es den karolingischen Herr-schern nicht möglich, ein einheitliches Reich zu bewahren, denn nach traditionellem Erb-recht musste der Grundbesitz stets unter den erbberechtigten Nachfolgern aufgeteilt werden. So kam es zu verschiedenen Reichsteilungen, die schließlich den Weg zur Entwicklung des sogenannten Ostfränkischen Reiches zu einem eigenständigen »deutschen Reich« rechts des Rheins bereiteten. Nachdem der letzte ost-fränkische König zu Beginn des 10. Jh. ohne Thronfolger gestorben war, fiel die Verantwor-tung zur Einsetzung eines neuen Herrschers auf die mächtigsten weltlichen und geistlichen Fürsten. Fortan bestimmte das Kräftemessen zwischen dem König und den Fürsten, von de-nen er gewählt worden war, die Möglichkeiten der königlichen Machtentfaltung und die poli-tische Entwicklung des Reiches.

manien aus: Trier wurde zu Beginn des 4. Jh. zu einer kaiserlichen Residenz und einem der entscheidenden Verwaltungszentren erhoben.

Roms geRmAnische eRBen

Der Vorstoß der Hunnen, eines Reitervolkes aus der zentralasiatischen Steppe, nach Wes-ten bildete um 375 den Auftakt der sogenann-ten großen Völkerwanderung. Der hunnische Ansturm bedrohte die germanischen Stämme und drängte sie zur Flucht aus ihren Sied-lungsgebieten. Die Fluchtbewegung erhöhte den Druck auf die römischen Reichsgrenzen. Nach erbitterten Kämpfen gegen das römi-sche Heer erwirkten die Germanen die Aus-stellung von Verträgen durch den römischen Kaiser Theodosius  I., die den Vertriebenen eine Ansiedlung im Gebiet des Imperium Ro-manum gewährte.

Die jahrhundertelang anhaltenden Wan-derbewegungen der Germanenvölker trugen schließlich zum Untergang des weströmischen Reiches im Jahr 476 bei. Der römische Verwal-tungsapparat wie auch die Infrastruktur in den Provinzen des Imperiums bildeten die Funda-mente für die Entstehung neuer Reiche unter der Herrschaft germanischer Könige. Der erste Schritt auf dem Weg zur Bildung eines eige-nen Großreiches, das auch Teile des heutigen Deutschland umfasste, erfolgte im 6. Jh. durch das Geschlecht der Merowinger.

Die entstehung Des FRAnKenReiches

Dem Merowinger Chlodwig gelang es, sein Herrschaftsgebiet von den Pyrenäen bis über den Rhein hinaus und vom Atlantik bis zur Pro-vence auszuweiten. Für die weiteren Geschicke des merowingischen Reiches war bedeutend, dass sich Chlodwig katholisch taufen ließ. Denn nicht nur unterschied er sich dadurch in Fragen des Glaubens von den übrigen germa-nischen Herrschern, die dem mit dem Katho-lizismus konkurrierenden Arianismus anhin-gen, sondern er knüpfte mit seiner Wahl der Papstkirche bewusst an die römische Tradition an. Für die Stabilisierung königlicher Macht

»Kein Krieg, den das Volk der Franken unternahm, ist mit solcher Ausdauer, erbitterung und Anstrengung geführt worden.«

Der fränkische gelehrte einhard (»Leben Karls des großen«) über die sachsenkriege

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Antike und Völkerwanderungszeit

umschloss die Stadt, die sich auf rund 380 Hektar erstreckte. Wie Manching dienten auch kleinere Oppida mit ihren Wall- und Grabenanlagen, deren Überreste bis heute mancherorts noch sichtbar sind, der Bevöl-kerung des Umlandes als Zufluchtsstätten in Kriegszeiten. Waffen und Schmuck, die bei den Ausgrabungen ebenfalls entdeckt wur-den, belegen die Kunstfertigkeit der keltischen Handwerker.

Im 4. Jh. v. Chr. ließen sich Keltenstämme südlich der Alpen nieder. Um das Jahr 387 v.  Chr. drangen keltische Krieger bis nach Rom vor. Nach der Schilderung des römischen Chronisten Titus Livius entging die Stadt nur knapp der vollständigen Eroberung und Plünderung, weil die schlafenden Römer vom aufgeregten Geschnatter der heiligen Gänse des Kapitolshügels gewarnt wurden. Mit der Ausweitung der römischen Vormachtstellung wurden auch die Kelten in Italien während des 3. Jh. v. Chr. unterworfen. Der Vorstoß rö-mischer Legionen ins Voralpenland und die Eroberung Galliens unter Führung von Gaius Iulius Caesar bereiteten der keltischen Eigen-ständigkeit im 1. Jh. v. Chr. das Ende.

geRmAnen

Nördlich und östlich der keltischen Siedlungs-gebiete lebten germanische Stämme. Die grie-chischen und römischen Geschichtsschreiber, die in ihren Werken von den »Germanen« be-richten, verwendeten diese Bezeichnung zu-nächst keineswegs einheitlich. Um die Mitte des 1. Jh. v. Chr. unterschied Caesar in seinem Werk »Der gallische Krieg« deutlich zwischen den Kelten (»Galliern«, wie sie für das Gebiet des heutigen Frankreich genannt werden) und den Germanen, indem er Germanien öst-lich des Rheins verortete. Wie auch die »Kel-ten« – die Bezeichnung ging aus dem Namen »keltoi« hervor, wie griechische Schriftsteller im 6./5. Jh. v. Chr. die an Donau und Rhône le- benden Stämme nannten – erhielten also auch die »Germanen« ihren historischen Sammelnamen durch Fremde, die ihnen be-gegneten.

Wenngleich die Germanen in der Antike nie eine politische Einheit unter einer überge-

KeLten

Während der späten Eisenzeit wurden weite Teile Europas von den Kelten beherrscht. Von ihren angestammten Siedlungsgebie-ten im heutigen Süddeutschland und Ost-frankreich erweiterten sie ihren Einfluss-bereich im Lauf des 5. Jh. v. Chr. bis auf die Iberische Halbinsel und nach Südengland sowie auf den Balkan bis hin zum Bosporus. Archäologische Stücke wie die in den 1990er-Jahren in Hessen gefundene lebensgroße Sandsteinstatue des »Fürsten vom Glauberg« zeugen von der keltischen Hochkultur, die bis heute noch nicht völlig erforscht ist.

Obwohl die Kelten eine gemeinsame Spra-che besaßen, bildete sich offenbar zu keiner Zeit eine politische Einheit unter einer ge-meinsamen Oberherrschaft heraus. Viel-mehr wurden die voneinander unabhängigen Stämme zunächst von Königen regiert, die ihre Macht immer mehr zugunsten der sich herausbildenden adligen Führungsschicht einbüßten. Die Druiden spielten nicht nur als Priester, sondern auch in politischen Belangen eine herausragende Rolle in der keltischen Gesellschaft. Die religiösen Vorstellungen und Praktiken der Kelten spiegeln ihre enge Verbundenheit mit der Natur wider. So wei-sen die erhaltenen Darstellungen keltischer Gottheiten, etwa eines bärtigen Mannes mit Hirschgeweih, enge Bezüge zur Tierwelt auf.

Die Kelten lebten zumeist in kleineren Dorfgemeinschaften. Landwirtschaft und Viehzucht bildeten die wirtschaftlichen Grundpfeiler. Allerdings existierten auch stadtähnliche Siedlungen, die in den Werken römischer Geschichtsschreiber »oppida« (Singular: oppidum) genannt werden. An einem Verkehrsknotenpunkt gelegen, entwi-ckelte sich das Oppidum von Manching in Oberbayern im 2. Jh. v. Chr. zu einem Zentrum von Handwerk und Handel. Das Vorkommen von Eisenerz im benachbarten Feilenmoos lieferte den Rohstoff für eine blühende Me-tallverarbeitung. Daneben bildeten die Töpfe-rei, Knochenschnitzerei und Glasherstellung die wichtigsten Gewerbezweige. Besondere wirtschaftliche Bedeutung kam der Stadt als Münzstätte zu. Eine mehr als sieben Kilome-ter lange Mauer aus Erde, Holz und Steinen

»Keltenfürst vom glauberg« mit Blatt-

krone und halsring (500 v. chr., museum der »Keltenwelt am

glauberg«)

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1. Jh. – 919

deten die Lebensgrundlage der Germanen. Caesar zufolge bestand ihre Nahrung haupt-sächlich aus Milch, Käse und Fleisch. Archäo-logische Zeugnisse belegen handwerkliche Tätigkeiten der Germanen. Zu diesen zählten vornehmlich die Metallverarbeitung und die Töpferei. Für den Warenaustausch mit den Römern sprechen Funde römischer Erzeug-nisse und Münzen. Die wichtigsten Handels-güter aus Germanien waren dabei wohl Honig, Wachs, Leder, Pelze und Bernstein. Blondes Frauenhaar zur Anfertigung von Perücken soll bei vornehmen Römerinnen äußerst begehrt gewesen sein.

Die religiösen Vorstellungen und Kulte der Germanen waren insgesamt stark von der Verbundenheit mit der Natur geprägt, variier-ten jedoch nach Stamm und Siedlungsgebiet. Caesar betonte, dass die Germanen im Ge-gensatz zu den Kelten keine Druiden besäßen und ihre Götter ausschließlich aus sichtbaren Naturzeichen wie der Sonne, dem Mond oder dem Feuer herleiteten. In der später überlie-ferten nordischen Mythologie erscheinen un-ter anderen der Göttervater Odin/Wotan, der Donnergott Thor/Donar und die Liebesgöttin Freyja/Frigg. Als Kultplätze dienten heilige Haine, Seen oder Moore, an denen holzge-schnitzte Pfahlgötter aufgestellt und Opfer dargebracht wurden.

ordneten Herrschaft entwickelten, so zeigen unter anderem die Ereignisse im Umfeld der Varusschlacht, dass sich einzelne Stämme zu größeren Verbänden zusammenschlos-sen. An der Spitze solcher Stammesverbände standen Adlige wie der Cherusker Arminius. Die wachsende Bedeutung dieser Heerführer führte im 1. Jh. zur Herausbildung einer füh-renden Schicht. In diesem Rahmen kam den Herrschern ebenso militärische wie richterli-che Funktion zu.

Die germanische Gesellschaft bestand aus Freien, Halbfreien sowie rechtlosen Sklaven. Die Freien übten auf ihren Versammlungen (Thing) ein Mitspracherecht in Belangen der Gemeinschaft aus und wählten unter sich einen Anführer. Will man den Ausführungen des Tacitus in seiner »Germania« glauben, war bei den Germanen bereits eine mo- nogame Lebensweise üblich. In den patriar-chalisch strukturierten Siedlungsgemein-schaften kam den Sippen eine wichtige Be-deutung zu.

Die germanischen Siedlungen bestanden aus hölzernen Langhäusern, in denen die Großfamilie gemeinsam mit ihren halb freien Knechten, den Sklaven und dem Vieh lebte. Die Dörfer waren in der Regel klein und zähl-ten weit weniger Bewohner als die keltischen Oppida. Landwirtschaft und Viehzucht bil-

Castra Vetera (Xanten)

ColoniaAgrippinensis (Köln)Aduatuca

(Tongern)

AugustaTreverorum (Trier)

Durocortorum(Reims)

Divodurum(Metz)

Alesia

Argentorate (Straßburg)

Noviomagus(Speyer)

AugustaVindelicorum(Augsburg)

Cambodunum(Kempten)

Abusina

Castra Regina(Regensburg)

Castra Batava(Passau)

Lauriacum(Enns)

Vindobona (Wien)

CarnuntumAquincum

Aquae Mattiacae (Wiesbaden) Mogontiacum

(Mainz)

Confluentes (Koblenz)

F r i e s e n Chauken

Ampsivar ier

Chasuarier

Langobarden

An

ge

l n

W a r n e n

Semnonen

Hermunduren

Markomannen

Markomannen

Angrivarier

Brukterer

Sugambrer

Usipeter

TenktererChatten

CheruskerChamaven

Bataver

Neckar-

sweben

Triboker Mar

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B u r g u n d e r

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Germania Inferior

B e l g i ca

G e r m a n i a S u p e r i o rR a e t i a

N o r i c u m P a n n o n i a

Ems

Weser

Elbe

Oder

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Weichsel

Thei

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Donau

InnIller

Lech

Donau

Boden- see

Mosel

Marne

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Rhein Saal

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Elbe

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Rhein

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O s t s e e

0 200 km

Raetia

römischeProvinzgrenzen

Limes

römischeProvinznamen

Nordseegermanen

Rhein-Weser-Germanen

Elbgermanen

Oder- und Weichsel-mündungsgermanen

Oder-Warthe-Germanen

Nordgermanen

germanischeStämme umChristi Geburt

Goten

um die grenze ihres herrschaftsgebiets zu kontrollieren, erbauten die Römer ab etwa 90 n. chr. den obergermanisch-Rätischen Limes, der sich zwischen dem im-perium Romanum und dem »freien germa-nien« über ca. 550 km von Bad hönningen am Rhein bis zum heutigen Regensburg erstreckte.

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Antike und Völkerwanderungszeit

Gegen Ende des 1. Jh. begannen die Römer, ihre Grenzen nach Germanien an Rhein und Donau mit Wallanlagen, Palisaden, Wach-türmen und Kastellen zu sichern; das Herz-stück dieser Grenzbefestigung bildete der ca. 550 km lange Limes. Er diente vor allem der Kontrolle des Warenverkehrs zwischen den römischen Provinzen im Süden und Germa-nien und weniger als schützendes Bollwerk. Konnten die Römer in den Markomannen-kriegen zwischen 166 und 180 die germani-schen Einfälle auf das Gebiet des Imperium Romanum abwehren, so hielt der Limes dem weiteren Ansturm nicht stand. Nach dem Vorstoß der Alemannen um 259/260 gab Rom seine Grenzbefestigung auf.

Am Ende des 3. Jh. ordnete Kaiser Dio-kletian die Teilung des Römischen Reiches in eine Ost- und eine Westhälfte an, die jeweils von einem »Augustus« sowie einem » Caesar« als dessen Unterregenten beherrscht wer-den sollten ( Tetrarchie). Constantius I., Au-gustus des Westreichs, wählte 306 Trier an der Mosel zu seiner Residenz. Sein Sohn, Kaiser Konstantin I., der Große, knüpfte an das Werk seines Vaters an und sorgte für den weiteren Ausbau der Stadt, die als Wirtschafts- und Kulturmetropole mit geschätzten 80.000 Ein-wohnern auch »Rom des Nordens« genannt wurde.

VöLKeRwAnDeRung

Mit dem Einfall der Hunnen, kriegerischer Reiternomaden aus dem Norden Chinas, in das Reich der germanischen Ostgoten im Süden Russlands und der Ukraine setzte 375 die sogenannte große Völkerwanderung in Europa ein. In der neueren Forschung geht man inzwischen davon aus, dass vor allem mehr oder weniger große und aus verschie-denen Ethnien bestehende Kriegerverbände an den ausgedehnten Migrationsbewegungen beteiligt waren. Die Verschmelzung dieser Gruppen zu Völkerschaften (gentes) unter Herausbildung einer gemeinsamen Identität erfolgte in einem allmählichen Prozess. Nach ihrer erneuten Sesshaftwerdung bildeten sich voneinander unabhängige Herrschaftsgebiete unterschiedlicher Größe (regna, Singular: reg-

Römisches geRmAnien

Um 120 v. Chr. verließen die germanischen Stämme der Kimbern und Teutonen ihre an-gestammten Siedlungsgebiete im heutigen Dänemark. Auf ihrem Zug nach Süden besieg-ten sie 113 v. Chr. zwei römische Legionen in den Ostalpen bei Noreia im heutigen Kärnten. Während die Teutonen sich in der Folgezeit nach Gallien wandten, drangen die Kimbern bis in die Poebene vor. Schließlich gelang es Gaius Marius und Quintus Lutatius Catulus, die germanischen Invasoren mit ihrem Heer vernichtend zu schlagen. Der Einfall der Kim-bern in Oberitalien bildete den Auftakt zu ei-nem jahrhundertelangen Ringen der Römer, die Bedrohung des Imperiums durch die Ger-manen abzuwehren.

Um 70 v. Chr. überquerten germanische Stammesverbände unter Führung des Ario-vist den Oberrhein, bedrängten die keltischen Helvetier und stießen nach Gallien vor. Als römischer Prokonsul (Statthalter) in Gallien nahm Caesar diese Ereignisse zum Anlass, um zwischen 58 und 51 v. Chr. zunächst die ger-manischen Eindringlinge zurückzuschlagen und dann ganz Gallien zu unterwerfen.

Unter der Herrschaft des ersten Kaisers Au-gustus wurde die römische Expansion nörd-lich der Alpen weiter vorangetrieben. Drusus und Tiberius, seine Stiefsöhne, führten die Le-gionen im Jahr 15 v. Chr. bis an die Donau und gründeten in der neu eingerichteten Provinz Rätien (Raetia) das Kastell Augusta Vindelico-rum ( Augsburg). Weitere Militärlager wurden entlang des Rheins und der Mosel eingerich-tet. Zwischen 12 und 9 v. Chr. führte Drusus Feldzüge gegen die germanischen Stämme. Nach seinem Tod führte Tiberius die Unter-nehmungen fort und dehnte den Einfl uss Roms zu Beginn des 1. Jh. n. Chr. bis zur Elbe aus.

Auf dem Weg ins Winterlager geriet der rö-mische Feldherr Publius Quinctilius Varus im Jahr 9 n. Chr. mit drei Legionen in einen Hin-terhalt der Germanen unter Führung des Ar-minius. Nach dieser verheerenden Niederlage gaben die Römer ihre nördlichen Vorposten auf, zeigten jedoch auch weiterhin militäri-sche Präsenz und unternahmen gelegentliche Feldzüge in germanisches Gebiet.

ArMinius

war der sohn eines cherusker fürsten

—stand als Angehöriger

einer berittenen ein-heit in den Diensten

der Römer und besaß das römische Bürger-

recht—

Führte 9 n. chr. Krieger verschiedener stämme zum Aufstand

gegen Rom zusam-men und vernichtete mit ihnen drei römi-

sche Legionen—

wurde um 21 n. chr. nach Konfl ikten in der eigenen sippe

ermordet

Das » hermanns-denkmal« bei Detmold

(1838 –1875) erinnert an den cherusker Armi-nius und die » Varus-

schlacht«.

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1. Jh. – 919

Der weströmische Heermeister Flavius Aetius vernichtete 437 das germanische Bur-gunderreich am linken Mittelrhein mit dessen Hauptstadt Worms – sein Untergang lieferte den historischen Stoff für das im 13. Jh. ent-standene »Nibelungenlied«, das wohl bekann-teste mittelalterliche Heldenepos.

Nachdem der weströmische Kaiser Valen -tinian III. der Forderung des hunnischen Kö-nigs Attila nicht nachgab, ihm seine Schwes-ter Honoria zur Frau zu geben und die Hälfte seines Reiches abzutreten, fielen die Hunnen mit ihren germanischen Verbündeten in Gal-lien ein.

In der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im heutigen Ostfrankreich brach Fla-vius Aetius mit seinem Heer aus Westgoten, Franken, Bretonen, Burgundern und weiteren in Gallien lebenden Föderaten 451 die hunni-sche Machtstellung in Europa. Bald nach dem Tod Attilas 453 zogen sich die Hunnen nach Osten zurück.

Der Ostgotenkönig Theoderich der Große begann nach der Beseitigung des selbst er-nannten Königs von Italien Odoaker, der 476 den letzten weströmischen Kaiser vom Thron gestürzt hatte, ab 493 mit dem Aufbau des Ostgotischen Reiches um die Hauptstadt Ravenna.

num, wörtlich Reich) wie etwa das der Baju-waren, der Schwaben oder der Franken her-aus, die in der Folgezeit ihr Recht schriftlich niederlegten.

Auf der Flucht vor dem Ansturm der Hun-nen bedrängten west- und ostgotische sowie alanische Krieger die Grenzen des Imperium Romanum an der Donau und besiegten 378 in der Schlacht bei Adrianopel, dem heutigen Edirne in der Türkei, das römische Heer. In der Folge gewährte Kaiser Theodosius I. den West-goten per Vertrag (foedus) die Ansiedlung auf dem Reichsgebiet. Unter Führung ihres Königs Alarich stürmten und plünderten die Westgoten 410 Rom. Danach zogen sie in den Südwesten Galliens weiter, wo sie als »Föde-raten« ansässig wurden und Toulouse zu ihrer Hauptstadt machten.

Um 407 brachen die Vandalen aus ihren angestammten Gebieten an der Theiß im Verbund mit Sweben und Alanen in Richtung Gallien auf. Die Römer vermochten den Ein-dringlingen kaum militärischen Widerstand entgegenzubringen, da die Legionen bereits im Kampf gegen die Goten in Italien gebun-den waren. Auf ihrem Zug in Richtung der Iberischen Halbinsel hinterließen die germa-nischen Krieger in Gallien eine Spur der Ver-wüstung.

VArussChlACht

Römischen ge-schichtsschreibern zufolge wurden im Jahr 9 n. chr. drei rö-mische Legionen des Publius Quinctilius Va-rus von den germanen unter Führung des cheruskers Arminius in einem dichten waldgebiet in einen hinterhalt gelockt und vernichtet. ende der 1980er-Jahre wurden in Kalkriese bei osna-brück archäologische Zeugnisse von Kämp-fen zwischen Römern und germanen zutage gefördert. ob die Befunde ausreichen, den ort als schauplatz der »Varusschlacht« zu identifizieren, gilt unter den historikern als nicht geklärt.

Die im taunus bei Bad homburg liegende saalburg gilt als eines der am besten rekonst-ruierten Römerkastelle des Limes.

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Antike und Völkerwanderungszeit

Wilfrith, der 678 begonnen hatte, das Evange-lium unter den Friesen zu verbreiten, wurde von seinem Schüler Willibrord fortgesetzt. Dieser erhielt 692 den päpstlichen Auftrag zur weiteren Missionierung. Der fränkische Haus-meier Pippin der Mittlere förderte Willibrords Tätigkeit nach Kräften und setzte sich beim Papst für die Weihe des Angelsachsen zum Erzbischof »für das Volk der Friesen« ein. Bi-schofssitz wurde Utrecht, wo in der Folgezeit der Bau eines Klosters und einer Kathedrale begonnen wurde. Die bedeutendste Kloster-gründung unter Willibrord erfolgte 698 im heute luxemburgischen Echternach.

Neuen Auftrieb erhielt die Christianisie-rung Germaniens durch den in Südengland geborenen Winfried, der 719 von Papst Gre-gor II. mit der Mission betraut wurde und als Zeichen seiner besonderen Verbundenheit mit dem Heiligen Stuhl den lateinischen Na-men Bonifatius (»der gutes Schicksal bringt«) erhielt. Seine missionarische Entschlossenheit stellte er – so die Berichte – dadurch unter Be-weis, dass er die Donareiche in Geismar fällte und damit die heidnische Kultstätte zerstörte. Trotz aller Bemühungen um die Einrichtung neuer Bistümer und die Anwerbung von Mis-sionaren dauerte es weit über den Tod des Bonifatius im Jahr 754 hinaus, bis der christli-che Glaube im Norden Deutschlands gefestigt war.

FRänKisches Reich

Der Franke Chlodwig I. aus dem Geschlecht der Merowinger regierte ab 481/482 als Klein-könig in Tournai. Dadurch fiel ihm zugleich die Verwaltung über die römische Provinz Bel-gica Secunda zu, deren südlicher Teil jedoch zum Gebiet des weströmischen Heermeisters Syagrius zählte. Vier Jahre nach seinem Herr-schaftsantritt zog Chlodwig mit seinen frän-kischen Verbündeten gegen Syagrius zu Feld und besiegte ihn 486/487 in der Schlacht bei Soissons. Dieser Sieg legte den Grundstein für die Entstehung des Frankenreiches.

Dank Chlodwigs Taufe in Reims, deren ge-naues Jahr strittig ist  – 496, 498 oder 508  –, erhöhte sich die Bedeutung der Kirche für die politische und gesellschaftliche Ausgestaltung

chRistiAnisieRung DeR geRmAnen

Bereits vor dem Verbot aller heidnischen Kulte durch Theodosius I. 391 waren die Ger-manen mit dem Christentum in Berührung gekommen. Zur Übersetzung der Bibel aus dem Griechischen ins Gotische schuf Bischof Wulfila um 370 ein eigenes gotisches Alphabet und wurde zum Wegbereiter des neuen Glau-bens bei den Goten. Im frühen 7.  Jh. begann dann verstärkt die Christianisierung der Ger-manen, nun vor allem durch Mönche von den Britischen Inseln. Für sie galt es als Zeichen höchster Frömmigkeit, die Heimat zu ver-lassen und auf Wanderungen in der Fremde (peregrinatio) die christliche Botschaft zu ver-breiten. Vorreiter war der Ire Columban der Jüngere, der um 590 auf den Kontinent kam.

Unterstützt von den merowingischen Herr-schern gründete der irische Missionar Klöster in Annegray, Luxeuil und Fontaines. Um 610 wirkte er zunächst im Gebiet der Alemannen, um schließlich die Katholisierung der ariani-schen Langobarden in Italien einzuleiten.

Die Nachfolger Columbans trieben die Christianisierung in der Folgezeit weiter vo-ran. In der Nähe des Bischofssitzes Konstanz am Bodensee rief sein Schüler Gallus eine Einsiedelei ins Leben, die die Keimzelle für das Kloster Sankt Gallen bildete. Auf dem Ge-biet des heutigen Bayern führten im 7. Jh. zu-nächst Kilian in Würzburg sowie Emmeram in Regensburg das Werk ihrer Vorgänger fort. Im 8.  Jh. wirkten die Missionare Rupert in Salz-burg, Korbinian in Freising und schließlich als später Vertreter der irischen Mission der 753 verstorbene Pirmin, Gründer der Bodenseeab-tei Reichenau. Durch die Klostergründungen an den Rändern des Fränkischen Reiches wur-den wesentliche Voraussetzungen für die wei-tere Christianisierung geschaffen. Als spiritu-elle, geistige und kulturelle Zentren dienten die Klöster der nachhaltigen Verankerung des christlichen Glaubens in der germanischen Gesellschaft.

Am Ende des 7. Jh. setzte eine zweite Chris-tianisierungswelle im Bereich des heutigen Deutschland ein. Ihr Ziel war die Bekehrung der Völker nördlich und östlich des Rheins. Das Werk des angelsächsischen Missionars

BonifAtius

war ein angelsäch-sischer mönch

namens winfried—

Kam zu Beginn des 8. Jh. als missionar

zu seinem Landsmann willibrord

nach utrecht —

wurde von Papst gregor ii. 719 mit

der christianisierung germaniens betraut

—Fällte die Donareiche

bei geismar, mittel-punkt einer germani-

schen Kultstätte—

erlitt 754 in Friesland den märtyrertod

—ist bekannt als

der »Apostel der Deutschen«

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1. Jh. – 919

bis jenseits des Rheins und vom Atlantik bis zur Provence reichte. Dem traditionellen Erbrecht gemäß wurde das Gebiet unter den Söhnen des Königs aufgeteilt. Mehr als zwei Jahrhunderte lang herrschte die Dynastie der Merowinger; nach dem Tod König Dago-berts  I. (638 oder 639) verfiel ihre Macht je-doch zusehends.

Stattdessen lenkten die an Einfluss und Macht gewinnenden Hausmeier aus dem Geschlecht der Karolinger immer stärker die politischen Geschicke des Frankenreiches und zogen allmählich die Herrschaft an sich. Der Hausmeier Karl Martell wehrte 732 mit seinem Sieg über ein arabisch-berberisches Heer in der Schlacht bei Tours und Poitiers ein weiteres Vordringen der Muslime in Westeu-ropa ab. Zwar nahm Karl auch nach dem Tod des merowingischen Königs Theuderich  IV. 737 den Königstitel nicht an, teilte aber kurz vor seinem Tod 741 das Frankenreich wie ein

des Reiches entscheidend. Mit der Wahl des römischen Ritus brachte der König sein herr-schaftliches Selbstverständnis zum Ausdruck und grenzte sich von der reli giösen Praxis der germanischen Nachbarreiche ab, in denen das arianische Christentum vorherrschend war, eine Glaubenslehre, die sich in wesentli-chen Punkten vom römischen Katholizismus unterschied. Darüber hinaus erleichterte die Hinwendung zum katholischen Glauben das Zusammenleben der romanischen mit den germanischen Bewohnern des Frankenreiches und stabilisierte so die Herrschaft.

Chlodwigs Sieg über den westgotischen König Alarich II. in der Schlacht bei Vouillé im Sommer 507 führte zu großen Gebietsge-winnen. Nach der anschließenden Eroberung Westgalliens durch die Franken zogen sich die Westgoten auf die Iberische Halbinsel zurück. Bis zu seinem Tod 511 schuf Chlodwig so ein fränkisches Großreich, das von den Pyrenäen

Saragossa

Barcelona

Roncesvalles Narbonne

Toulouse

Bordeaux

Clermont

Poitiers

VouilléNantes

Angers

Tours

Orléans

Arles

Vienne

Lyon Genf

AutunBesançon

TurinPavia

Mailand

Benevent

Rom

Spoleto

Ravenna

Venedig

Split

Salzburg

Regensburg

Straßburg

ToulMetz

Verdun

Trier Ingel-heim

Mainz

Worms

Magdeburg

Erfurt

Fulda

Büraburg

Hildes-heim Halberstadt

Bremen

Minden

Osna-brück

MünsterPaderborn

Rouen

Paris

ReimsSoissons

RibemontTertry

CambraiArras

Tournai Herstal

Meerssen

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Köln

Nimwegen

Dorestad

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(Armorica )

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536

795532/534

791/796

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Provence

Korsika HerzogtumBenevent

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Sachsen

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(Langobardenreich)

T h ü r i n g e n

200 km0

fränkisches Kerngebiet

Eroberungen unterChlodwig I.

Eroberungen unterChlodwigs Söhnen

Eroberungen bis zumTode Karls des Großen

abhängige Völker

Grenze der Teilreichenach dem Vertrag vonVerdun (843)

Teilung Lotharingiensnach dem Vertrag vonMeerssen (870)

Die Zahlen bezeichnen das Jahrder Besitzergreifung.

Beherrscht von den Dynastien der merowinger und Karolinger, vereinte das Fränkische Reich das römische gallien und rechtsrheinische germanische siedlungsgebiete. Durch teilung entstanden aus ihm am ende des 9. Jh. das westfränkische Reich und das ostfränkische Reich (der frühmittelalterli-che Vorläufer des heiligen Römischen Reiches).

theodisCus

Das wort »theo-discus« erschien erstmals in einem schriftstück Karls des großen; es ist eine mittellateinische Ableitung von dem germanischen sub-stantiv »thiot« (Volk). mit »theodisca lingua« wurde die fränkische umgangssprache im unterschied zum Latein der Romanen bezeichnet. Dem geschichtsschreiber einhard zufolge war sie die muttersprache Karls des großen. später wurde die Bezeichnung »theo-discus« im ostfränki-schen Reich durch die althochdeutsche Form »diutisk« (deutsch) abgelöst.