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Mein nächster Beruf Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Sächsischer Betriebsärztetag
am 17.06.15
© BG RCI © DGUV/Wolfgang Bellwinkel © BG RCI
Inhalt
Ausgangssituation
Fragestellungen
Methoden
Ergebnisse
Beratung
2
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Können Sie sich vorstellen bis zur Rente
zu arbeiten?
„Ich bin überzeugt, dass es geht. Es
wurde so viel für uns gemacht und
die Arbeit wurde sehr erleichtert.
Wenn es so weiter geht und mein
Körper mitmacht, dann ja.“
© branex - fotolia
3
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
„Eigentlich nicht. Meine Gelenke
schmerzen, bin nicht mehr so fit
wie früher. Außerdem diese
Schichtarbeit, Hitze und Dreck,
Mobbing und Streit… eigentlich
maximal bis zum 60. Lebensjahr“
Können Sie sich vorstellen, Ihre jetzige Arbeitstätigkeit bis
zum 67. Lebensjahr auszuüben?
iga-Barometer 2013
nur circa
50 %
antworten mit „ja“.
4
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Hauptgründe des Berufsaustritts 55- bis 64-Jähriger
Quelle: Mikrozensus 2005, Berechnungen aus dem LagO-Projekt
5
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Was sind Berufe mit „begrenzter Tätigkeitsdauer“?
Definition nach Behrens, 1994
Damit sind Berufe gemeint, die „erfahrungsgemäß
von der Mehrzahl der Beschäftigten aus
hauptsächlich gesundheitlichen Gründen nicht bis
ins gesetzliche Rentenalter, häufig nicht einmal bis
zum 50. Lebensjahr bewältigt“ werden können.
6
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
kritische Arbeitsanforderungen nach Morschhäuser, 1999:
Treten diese Merkmale systematisch, ggf. kombiniert und über eine längere
Zeit auf und können die Risikofaktoren nicht verändert werden, gilt für die
Ausübung dieser Tätigkeiten aus gesundheits- und arbeitswissenschaftlicher
Sicht eine „begrenzte Tätigkeitsdauer“ (Behrens, 1994).
körperlich
anstrengende
Arbeiten
Heben und Tragen von Lasten,
Zwangshaltungen, einseitige belastende
Tätigkeiten, kurzzyklische Tätigkeiten
Arbeitsumgebungs-
belastungen
Hitze, Lärm, schlechte Beleuchtungsverhältnisse
hohe/starre
Leistungsvorgaben
taktgebundene Arbeit, Zeitdruck
Schicht- und
Nachtarbeit
Arbeitsrhythmus gegen die „innere Uhr“, soziale
Beeinträchtigungen
hohe psychische
Belastungen
Daueraufmerksamkeit, Stress, Emotionsarbeit
Was sind Berufe mit „begrenzter Tätigkeitsdauer“?
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Bergbau Bergleute
Mineralgewinnunng Maschinen-, Elektro-, Schießhauer
Land-/Forstwirtschaft Waldarbeiter
Baubranche Straßen- und Tiefbauer, Dachdecker,
Gerüstbauer, Bauhilfsarbeiter
Metallberufe Metallerzeuger, -bearbeiter, Blechpresser, -zieher,
-stanzer
Reinigungsberufe Gebäudereiniger, Raumreiniger
Gesundheitsberufe Krankenpfleger, -schwestern, Helfer
Krankenpflege
(Statistiken: Rentendaten, BK-Daten, AU-Daten, Unfall-Daten, Leistungen zur Teilhabe am Erwerbsleben ...)
Was sind Berufe mit „begrenzter Tätigkeitsdauer“?
8
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Ausgangsituation
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
9
Fragen
Welche Anforderungen werden an den
Beruf gestellt?
Was sind Frühwarnindikatoren für eine
drohende Berufsaufgabe?
Welche alternativen Tätigkeiten bzw. Berufe
kommen in Frage?
Was kennzeichnet erfolgreiche Tätigkeits- bzw.
Berufswechsel?
Welche Kompetenzen können aus dem erlernten
Beruf genutzt, welche müssen neu erworben werden?
10
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Methoden - Übersicht
11
Risikoanalyse für die Branche/
Anforderungs-analyse im
ausgewählten Berufsfeld
Identifikation von Frühwarn-indikatoren im
gewählten Berufsfeld
(Interviews mit Betriebsärzten)
Interviews mit „erfolgreichen Verweilern“ im
ausgewählten Tätigkeitsfeld
Interviews mit „erfolgreichen Tätigkeits- bzw.
Berufs-wechslern“
Workshop(s) mit
Rehabilitations-managern und
Arbeitsver-mittlern
1 2 3 4 5
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Anforderungsanalyse: Veränderungen der
Altersstruktur in der Berufsgruppe „Metallerzeuger“
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline 12
Veränderungen der Altersstruktur aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigter in der Berufsgruppe
„Metallerzeuger/Gießer/innen, Walzer/innen“ (Berufsordnung 191 - 193), (IAB, 2013)
5,2
27,3
47,1
20,4
4,8
17,7
53,1
24,4
5,2
16,3
46,4
32,2
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
1999 2005 2011
> 25 Jahre
25 bis> 35Jahre
35 bis > 50 Jahre
50 Jahre und älter
%
22.06.2015
12
Anforderungsprofil der Metallerzeugung 13
1
1
1
1
1
1
2
2
4
4
8
10
11
11
13
16
18
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Unklare Anweisungen
Geistige Unterforderung
Heterogene Mentalitäten
Abgase
Unhygienische Sanitärräume
Beleuchtung
Toxische Belastungen
Belastungen durch PSA
Personalmangel
Gefahren (z.B. Verbrennung)
Arbeitsklima (Wertschätzung, Kommunikation)
Stress, Druck
Körperliche Anstrengung
Hitze/Kälte
Lärm
Schichtarbeit
Staub
"Was stört Sie in ihrem Beruf manchmal?"
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Ein Berufsbild im Wandel:
Modernisierung
• Abnahme körperlichen Belastungen
• geringere Belastungen durch die Arbeitsumgebung
• Trend zu höherwertigen beruflichen Erstausbildungen
• höhere Qualitätsanforderungen
• höhere Produktionstaktung (ein Produktionszyklus ca. 1 Stunde)
• höhere Verantwortung
Die Unternehmen konzentrieren sich verstärkt auf ihr Kerngeschäft und delegieren andere Bereiche auf Subunternehmen.
14
Anzahl der Mitarbeiter pro Schicht und Arbeitsproduktivität pro Schicht (Tonnen/Mitarbeiter) vor 30 Jahren und aktuell (Pfeiffer,
2013).
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Anforderungsprofil der stationären
Krankenpflege
Patientenorientierung
Eigenverantwortung
unternehmerisches/ betriebswirtschaftliches Handeln
Flexibilität
Lernbereitschaft
interkulturelle Kompetenz
Eigenaktivität beim Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit
http://www99.mh-hannover.de/schulen/pflege/SEITEN/COMIC.HTML
15
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
2 Wege
Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit in Risikoberufsgruppen
1. Verlängerung der Verweildauer im erlernten Beruf
2. rechtzeitige Beratung und Qualifizierung für einen Tätigkeits-
bzw. Berufswechsel
17
Frühwarnsystem
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
17
„ist als ein überbetriebliches und/oder betriebliches,
datenbasiertes Informationssystem zu verstehen,
welches mögliche gesundheitsrelevante Gefährdungen und
Risiken mit zeitlichem Vorlauf frühzeitig signalisiert
und bewertet
und damit die Möglichkeit schafft, frühzeitig geeignete
Maßnahmen zur Verhinderung oder Minderung der signalisierten
Gefahr zu ergreifen.“ (PRVE, 2004, S. 121).
5. Frühwarnindikatoren: Problemlage*
„Prognosen sind immer schwierig.
Man kann nicht im Einzelfall
sagen wie lange der Mitarbeiter
noch schafft zu arbeiten.“ „Es ist
schwierig eindeutige Indikatoren
festzulegen“
„Wenn hohe Ausfallzeiten
registriert werden und der
Mitarbeiter zum Betriebsarzt
geschickt wird -> Wann ist eine
Erkrankung eine berufsbedingte
Erkrankung?“
„Vermehrte Arbeitsunfähigkeit
aufgrund von Schlafstörungen: Ist
die Schichtarbeit daran schuld?“
18
* aus Interviews mit Betriebsärzten
© Irina Fischer - fotolia
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Frühwarnindikatoren: Identifikation*
1. Regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorge, insbesondere der Teil Arzt-
Patienten-Gespräch
den Mitarbeiter mit einer Arbeitsanamnese „versorgen“ und dann systematisch die
Ergebnisse der Arbeitsanamnesen von Mitarbeitern auswerten (nach §3 des
Arbeitssicherheitsgesetzes)
wenn Beschwerden von Mitarbeitern aus einem Bereich gehäuft auftreten, dann
deutet es auf berufsbedingte Erkrankungen hin
auch bei der beruflichen Wiedereingliederung
2. Spätidentifikation: „Wenn der Mitarbeiter für eine Untersuchung zum
Betriebsarzt geschickt wird, um festzustellen, welche Tätigkeiten er
ausführen kann und welche nicht.“
Aus medizinischen Gründen ist seine Tätigkeit am Stammarbeitsplatz eingeschränkt.
3. Spätidentifikation: „Wenn Leute z.B. mit Muskel- Skeletterkrankungen
fünf Zentimeter dicke Stapel Befunde von Orthopäden, Radiologen
und den REHA‘s mitbringen, dann ist das schon evident.“
19
* aus Interviews mit Betriebsärzten Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Frühwarnindikatoren in der Krankenpflege
Berufsaufgabe
Frühwarnindikatoren
• Schlafstörungen 70%
• Allgemeine Erschöpfung 70%
• Allgemeines Unwohlsein 60%
• Unklare Herz-Kreislaufbeschwerden 60%
• Verspannungszustände 30%
• Allgemeine Rückenbeschwerden 20%
• Depressive Symptome 10%
20
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Frühwarnindikatoren in der
Metallerzeugung*
wenn bis 40-45 Jahre mind. einer der folgenden Faktoren auftritt:
21
* aus Interviews mit Betriebsärzten
• degenerative Erkrankungen des Skelett- oder Muskelsystems (z.B. Abnutzungs-erscheinungen im
Bereich Wirbelsäule)
• Rheumatische Erkrankungen
• Koronare Herzkrankheiten, Gefäßveränderungen
• Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma)
• starke psychische Probleme (z.B. Depression)
• Schlafstörungen
fotolia.com
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Was waren Gründe für den Berufswechsel?
22
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Push
Nach der Theorie der Migration von Everett Lee (1966)
anderer Job interessanter
mehr Freiheit als Freiberufler
„mehr“ vom Leben wollen
gesundheitliche Probleme durch die Tätigkeit
schwere Arbeit
soziale Konflikte
geistige Unterforderung
fehlende Entwicklungsmöglichkeiten
Was ist den Erwerbsbiografien erfolgreicher Berufswechsler gemeinsam?
aktive Suche nach Lernchancen im erlernten Beruf
mehrere Tätigkeitswechsel im erlernten Beruf
Erwerb von Zusatzqualifikationen
Eigeninitiative beim Anbahnen von Tätigkeits-, Berufs-
und Unternehmenswechseln
gute (soziale) Unterstützung (alter AG, Familie, BA)
Bereitschaft, sich auf neue Arbeitssituationen
und -orte einzustellen
23
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
typischer erfolgreicher Berufswechsler
Berufs- beratung
Berufs- einstieg
Berufsaus-bildung im ersten Beruf
Tätigkeits-wechsel
Unternehmens-wechsel
Weiterbildung
Tätigkeits-wechsel
Tätigkeits-wechsel
Berufsausbildung im zweiten Beruf, Studium oder Weiterbildung bzw. Zusatzqualifikation
Berufs-wechsel
zweiter Beruf, Nutzung bereits vorhandener Kompetenzen
Weiterbildung
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
typischer Berufswechsler nach
Berufsaufgabezwang
Berufs-
beratung Berufs-
einstieg
Berufsaus-
bildung im
ersten
Beruf
gesundheitliche
Beeinträchtigungen
Berufsaufgabe
Umschulung
Berufswechsel
zweiter Beruf,
vorhandene
Kompetenzen
können nur
begrenzt genutzt
werden
„Ich habe den Absprung zu spät
geschafft. Jetzt habe ich Angst, keine
Arbeit mehr zu finden.“
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Was waren Stolpersteine beim
Wechsel?
• bereits eingetretene gesundheitliche Probleme
• finanzielle Einbußen
• Alter
• Angst vor Veränderungen, mangelndes
Durchhaltevermögen, Ungewissheit
• wenig Unterstützung (soziale, von der Agentur für Arbeit
etc.)
• das Lernen wieder lernen
„Ich hätte nie gedacht, dass man Lernen
so schnell verlernt. Mir ist es wirklich
schwer gefallen, mich wieder an das
Lernen zu gewöhnen. Ich war so an den
Trott der vorgeschriebenen Aufgaben
gewöhnt.“
Beratungskonzept 27
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
28 Akteure im Rahmen eines
betrieblichen und
überbetrieblichen
Eingliederungsmanagements
(Ulbricht & Jahn, 2010)
Berufsmonitoring als Instrument der
Leistungssicherung und Gesunderhaltung
29
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Karrierematrix Metallerzeugung
Tätigkeitswechsel Berufswechsel
Im
Unternehmen
Vertikal
Schichtmeister, Tagesmeister
Techniker
Horizontal
Umstieg in die Frühschicht z.B.
Gießer im Stranggussbereich
Vertikal
z. B. in der Arbeitsmedizin:
Sanitäter im Rettungsdienst
MA in der Arbeitsmedizin
Horizontal
als Kokillenschlosser in der
Kokillenwerkstatt, als MA in der
Logistikabteilung
Außerhalb des
Unternehmens
Vertikale Karriere z. B. als Techniker:
• Selbständigkeit (eigenen
Fertigungsbetrieb)
• Studium als Ingenieur
Horizontaler Umstieg
- in den alten Beruf (z. B. LKW-Fahrer, Koch)
- in einen neuen Beruf (z. B.
Hausmeister, Schlosser,
Mediengestalter)
31
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Karrierematrix Bauberufe
Tätigkeitswechsel Berufswechsel
Im
Unternehmen
Spezialistenlaufbahn
- Kundenberater
Vertikale Karriere
- Polier, Bauleiter
Horizontale Fachkarriere
- Fachkraft für barrierefreies
Bauen
- Energieberater
In
Unternehmens-
netzwerken
Spezialistenlaufbahn
- Management- und
Vertriebsberater
Horizontale Fachkarriere
- Fachkraft für barrierefreies
Bauen
- Energieberater
Außerhalb des
Unternehmens
Horizontale Karriere
- Hausmeisterservice
Vertikale Karriere
- Unternehmer
Horizontale Karriere
- Wirtschaftsinformatiker
- Kundenberater im Baumarkt
- Ausbilder in Einrichtungen
zum berufsvorbereitenden Jahr Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Karrierematrix Reinigungsberufe
Tätigkeitswechsel Berufswechsel
Im
Unternehmen
Horizontal
- Schädlingsbekämpfung
- Desinfektor/in
Vertikal
- Meister/in Gebäude-
reinigung
- Techniker/in Reinigungs-
und Hygienetechnik
Horizontal
- Lager und Logistik
- Wach- und Sicherheits-
dienst
Vertikal
- Wirtschaftsingenieur
- (Fachrichtung Reinigung
und Hygiene)
Außerhalb
des
Unterneh-
mens
- Hausmeisterservice
- Haushaltshilfe
- Unternehmer/in eines
eigenen Reinigungs-
unternehmens
- Koch/Köchin
- Kassiererin
- Produktionshelferin
- Kantinenmitarbeiter/in
- Fahrdienste
- Kurierdienste Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline
Wie bewerten Sie Ihr Tätigkeitswechsel
in nachhinein?
Absolut positiv. Ich habe überhaupt nicht bereut, ich würde zur jeder Zeit wieder machen. Es war wie
Wiedergeburt für mich! Ich fühle mich wohl hier, ich gehe sehr gerne zur Firma, es macht mich unwahrscheinlich viel
Spaß, mir geht's gut.
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline 34
© branex - fotolia
Links:
http://www.iga-info.de/veroeffentlichungen/iga-reporte/iga-report-17.html
https://www.zeit-stiftung.de/f/pressdownload/03e01df625.pdf
https://www.hk24.de/blob/hhihk24/aus_und_weiterbildung/bildungspolitik/
downloads/1467132/53bca971a66209c23d3a0477cab39bce/projektbericht
_neue_wege_bis_67-data.pdf
35
Dipl.-Psych. Rinat Saifoulline