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ROSEMARIE RHEINWALD MENSCHEN, MASCHINEN UND GODELS THEOREM [MINDS, MACHINES AND GODEL'S THEOREM] ABSTRACT. Mechanism is the thesis that men can be considered as machines, that there is no essential difference between minds and machines. John Lucas has argued that it is a consequence of G6del's theorem that mechanism is false. Men cannot be considered as machines, because the intellectual capacities of men are superior to that of any machine. Lucas claims that we can do something that no machine can do - namely to produce as true the G6del-formula of any given machine. But no machine can prove its own G6del-formula. In order to discuss and evaluate this argument, the author makes a distinction between formal and informal proofs, and between proofs given by men and proofs given by machines. It is argued that the informal proof capacities of machines are possibly greater and the formal proof capacities of men are possibly smaller than the anti-mechanist claims. So the argument from GOdel's theorem against mechanism fails. Though G6del's theorem does not prove that minds are different from machines, it is not irrelevant to the analysis of thought and to the mind/machine controversy. It points to the importance of informal methods even within formal sciences and to the need for an analysis of the notion of informal thinking in cognitive science. EINLEITUNG Thema dieses Aufsatzes ist eine alte Debatte in neuem Gewande. Diese Debatte begann mit Descartes' Behauptung, dab der Mensch -im Gegensatz zum Tier - keine Maschine sein k6nne, denn es sei un- mOglich, eine Maschine zu konstruieren, die f~ihig sei, sich in wesentli- chen Hinsichten wie ein Mensch zu verhalten. Descartes bezog sich dabei sowohl auf die F~ihigkeit der verntinftigen Rede als auch auf die F~ihigkeit des rationalen Handelns. I Angegriffen wurde Descartes' These von La Mettrie, der behauptete, nicht nur das Tier, sondern auch der Mensch sei eine Maschine, denn man k6nne Maschinen konstruieren, die f~ihig seien, alles zu tun, was Menschen tun k6nnen. 2 Die Vorstellung einer Maschine, die zu intellektuellen Leistungen f~,hig ist undes in dieser Hinsicht mit dem Menschen aufnehmen kann, hat im Laufe der Jahrhunderte nichts von ihrer Faszination eingebiigt. Trotz der praktischen Fortschritte in der Konstruktion von Rechenma- schinen und Computern und der theoretischen Ergebnisse in den Be- Erkennmis 34: 1-21, 1991. © 1991 Kluwer Academic Publishers. Printed in the Netherlands.

Menschen, maschinen und gödels theorem

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R O S E M A R I E R H E I N W A L D

M E N S C H E N , M A S C H I N E N U N D G O D E L S T H E O R E M

[ M I N D S , M A C H I N E S A N D G O D E L ' S T H E O R E M ]

A B S T R A C T . Mechanism is the thesis that men can be considered as machines, that there is no essential difference between minds and machines.

John Lucas has argued that it is a consequence of G6del 's theorem that mechanism is false. Men cannot be considered as machines, because the intellectual capacities of men are superior to that of any machine. Lucas claims that we can do something that no machine can do - namely to produce as true the G6del-formula of any given machine. But no machine can prove its own G6del-formula.

In order to discuss and evaluate this argument , the author makes a distinction between formal and informal proofs, and between proofs given by men and proofs given by machines. It is argued that the informal proof capacities of machines are possibly greater and the formal proof capacities of men are possibly smaller than the anti-mechanist claims. So the argument from GOdel's theorem against mechanism fails.

Though G6del 's theorem does not prove that minds are different from machines, it is not irrelevant to the analysis of thought and to the mind/machine controversy. It points to the importance of informal methods even within formal sciences and to the need for an analysis of the notion of informal thinking in cognitive science.

E I N L E I T U N G

Thema dieses Aufsatzes ist eine alte Debatte in neuem Gewande. Diese Debat te begann mit Descartes' Behauptung, dab der Mensch - i m Gegensatz zum Tier - keine Maschine sein k6nne, denn es sei un- mOglich, eine Maschine zu konstruieren, die f~ihig sei, sich in wesentli- chen Hinsichten wie ein Mensch zu verhalten. Descartes bezog sich dabei sowohl auf die F~ihigkeit der verntinftigen Rede als auch auf die F~ihigkeit des rationalen Handelns. I Angegriffen wurde Descartes' These von La Mettrie, der behauptete, nicht nur das Tier, sondern auch der Mensch sei eine Maschine, denn man k6nne Maschinen konstruieren, die f~ihig seien, alles zu tun, was Menschen tun k6nnen. 2

Die Vorstellung einer Maschine, die zu intellektuellen Leistungen f~,hig ist unde s in dieser Hinsicht mit dem Menschen aufnehmen kann, hat im Laufe der Jahrhunderte nichts von ihrer Faszination eingebiigt. Trotz der praktischen Fortschritte in der Konstruktion von Rechenma- schinen und Computern und der theoretischen Ergebnisse in den Be-

Erkennmis 34: 1-21, 1991. © 1991 Kluwer Academic Publishers. Printed in the Netherlands.

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reichen Informatik und Ktinstliche-Intelligenz-Forschung hat die Frage, ob Menschen und Maschinen sich grunds~tzlich unterscheiden, keine allgemein akzeptierte Antwort gefunden.

In neuerer Zeit ist diese Kontroverse in vielen Varianten und unter unterschiedlichsten Gesichtspunkten fortgesetzt worden. Sie wird h~iu- fig mit dem Schlagwort "Mechanismus" assoziiert, wobei die Kontra- henten folgendermagen charakterisiert werden k6nnen.

Der Mechanist behauptet, der Mensch funktioniere im wesentlichen wie eine Maschine, Maschinen bes~igen prinzipiell dieselben F~ihig- keiten wie Menschen. Der Anti-Mechanist bestreitet, dab Maschinen dieselben F~ihigkeiten haben k6nnen wie Menschen. Je nach Stand- punkt beruft er sich dabei auf unterschiedliche Charakterisierungen, die zwar auf Menschen, aber nicht auf Maschinen zutr~ifen. Ich beschr~inke mich auf die Aufz~ihlung einiger typischer Behauptungen, die gegen den Mechanismus vorgetragen wurden: - Maschinen h~itten keine Gefahle, wir k6nnten zwar eine Maschine bauen, die mit dem Schwanz wackle, aber keine, die sich freue. - Maschinen bes~igen kein SelbstbewuBtsein. - Maschinen verfiigten nicht tiber Originalitiit, son- dern seien nur in der Lage, das zu tun, was wir ihnen letztlich eingege- ben haben. - Maschinen bes~iBen (entgegen erstem Anschein) nicht dieselben intellektuellen Fiihigkeiten wie der Mensch. Wir k6nnten viel- leicht eine Maschine konstruieren, die in einem angemessenen Kontext behauptet: "cogito, ergo sum" und den Anschein des Denkens erweckt, aber keine, die wirklich denke. - Maschinen seien nicht in unser soziales Netz verwoben, und diese fehlende Einbindung mache es unm6glich, ihnen bestimmte "hOhere" menschliche F~ihigkeiten zuzusprechen.

Die Frage, ob Maschinen denken k6nnen, steht im Mittelpunkt einer Reihe von Diskussionen, die sich mit den Grundlagen der Ktinstlichen Intelligenz auseinandersetzen. Ich will reich im folgenden mit einer speziellen Debatte dieser Frage beschgftigen, die sich im AnschluB an bestimmte Resultate aus dem Bereich der Grundlagenforschung der Logik und Mathematik entwickelt hat und bis heute andauert.

Ausgel6st wurde die Debatte in den 50er Jahren durch Alan Turing, der eine mechanistische Position vertrat. 3 Turing schlug vor, die seiner Ansicht nach unklare Frage "K6nnen Maschinen denken?" durch fol- gende Frage zu ersetzen: "Kann das Verhalten eines Menschen durch eine Maschine - einen Computer - simuliert werden?".4 Turing behaup- tete, dab eine derartige Simulation im Prinzip m6glich sei. Er sttitzte seine Behauptung auf die Beschreibung eines von ihm so genannten

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"Imitationsspiels" - heute meist als "Turing-Test" bezeichnet - und versuchte plausibel zu machen, dab es prinzipiell m6glich sei, dab ein Computer in diesem Spiel gewinnt, d.h. diesen Test besteht. Bei diesem Spiel geht es darum, dab ein Mensch durch einen Dialog von Fragen und Antworten versucht, herauszubekommen, ob es sich bei seinem Gespr~ichspartner um einen Menschen oder eine Maschine handelt. Der Mensch hat gewonnen, wenn ihm dies gelingt u n d e r seine Meinung tiber die Natur seines Gegeniibers iiberzeugend begrtinden kann. Ist ein Computer sein Gespr~ichspartner, so hat der Computer gewonnen, wenn er sich so verh~ilt, dab der Mensch nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen kann, dab er mit einer Maschine redet.

Turing vertrat zwei Thesen, die in knapper Formulierung folgender- maBen gekennzeichnet werden k6nnen. Die erste These besagt: Der Turing-Test ist ein ad~iquates Kriterium ftir Denken; d.h., die (von augen) perfekte Simulation menschlichen Denkens ist hinreichend ft~r Denken. Etwas vorsichtiger formuliert, hat sie eher den Charakter einer Forderung: Man soll dann keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Mensch und Maschine machen, wenn es einem nicht gelingt, Mensch und Maschine bei einem Turing-Test mit hinreichender Sicherheit zu unterscheiden. In diesem Fall kann man sagen, die Maschine verffige tiber dieselben intellektuellen F~ihigkeiten wie der Mensch. Von dieser These der Ad~iquatheit des Turing-Tests zu unterscheiden ist die zweite These Turings, die besagt, dab Maschinen den Turing-Test im Prinzip bestehen k6nnen.

Turings Thesen haben eine Vielzahl von Verteidigungen und Kritiken erfahren. 5 H~iufig wurde Turings Mechanismus kritisiert, indem die These der Ad~iquatheit des Turing-Tests angegriffen wurde. 6 Aber auch wenn man den Turing-Test ftir ad~iquat hfilt, muB dies nicht eine mecha- nistische Einstellung zur Folge haben. Besonders angeregt wurde die Debatte in den letzten Jahren durch ein Argument von John Lucas, mit dem dieser versuchte, den Mechanismus zu widerlegen. 7 Lucas akzeptiert den Turing-Test als Kriterium ftir Denken. Seine Argumen- tation gegen den Mechanismus stfitzt sich wesentlich auf G6dels Un- vollst~indigkeitstheorem und ist insofern tiberraschend als zumindest stellenweise der Eindruck erweckt wird, er beanspruche, eine mutmaB- lich philosophisch-begrifftiche Frage - nfimlich die nach der Wahrheit des Mechanismus - mit rein logisch-mathematischen Mitteln entschie- den zu haben. Lucas behauptet, durch G6dels Theorem sei bewiesen, dab der Mechanismus falsch sei. Aus G6dels Theorem folge, dab aus

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logisch-mathematischen Grtinden keine Maschine existieren k6nne, die f~ihig sei, das Verhalten eines Menschen zu simulieren. Menschen be- s~igen eine intellektuelle F~ihigheit, tiber die nachweislich keine Ma- schine verfiigen k6nne.

Lucas' Argument wurde von vielen Seiten angegriffen und von Lucas immer wieder gegen diese Angriffe verteidigt. Die meisten Kritiker machten Gebrauch von logischen und automatentheoretischen Argu- menten. 8 Es gab aber auch Angriffe, die sich gegen eine mechanistische Auffassung der Beziehung zwischen Mensch und Maschine richteten, wie sie nicht nur von einem typischen Mechanisten, sondern auch von dem Anti-Mechanisten Lucas zugrunde gelegt wird. 9

Ich werde zuerst kurz auf den Inhalt von G6dels Theorem sowie den Zusammenhang mit Maschinen eingehen und mich dann der Frage zuwenden, welche Rolle dieses Theorem im Streit um die Plausibilit~it des Mechanismus spielen kann.

DAS ARGUMENT GEGEN DEN MECHANISMUS

G~Sdels Theorem 1° setzt gewisse Grenzen fiir das, was man mit rein formalen Methoden erreichen k a n n . . . , und bezieht sich auf eine Viel- zahl yon formalen Systemen. Ftir unsere Fragestellung bietet es sich an, sich auf einen Spezialfall yon G6dels Theorem zu beschrfinken und Rossers Versch~irfung des Theorems zugrunde zu legen. Wit betrachten formale Systeme, die stark genug sind, urn in ihnen die tibliche elemen- tare Zahlentheorie bzw. Arithmetik zu betreiben. Eine Minimalforde- rung, die man an ein solches System stellt, besteht darin, dab es kon- sistent sein soil. Es gibt so gut wie niemanden, der ernsthaft bezweifelt, dab das formale System, in dem tiblicherweise die Arithmetik formalis- iert wird, konsistent ist. Wir glauben, dab jede Aussage, die wir in diesem System beweisen k6nnen, wahr ist und somit, dab das System widerspruchsfrei ist. Allerdings ist der Nachweis der Wider- spruchsfreiheit mit einigen Problemen behaftet, worauf ich sp~iter noch zurtiekkommen werde.

Betrachten wir nun ein formales System, das hinreichend stark ist, um in ihm die iibliche Arithmetik zu betreiben, und yon dem wir annehmen, dab es konsistent sei. G6del hat gezeigt, dab jedes derartige System syntaktisch und semantisch unvollst~indig ist, wobei ftir unsere Diskussion nur die semantische Unvollst~indigkeit yon Bedeutung ist. Jedes derartige System enth~ilt eine zahlentheoretische Formel, die

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wahr ist, aber in diesem System nicht beweisbar ist. Und es ist un- rn/Sglich, die Unvollstfindigkeit dadurch zu beseitigen, dag man diese wahre Formel einfach zu den Axiomen des Systems hinzunimmt. Denn dann kann man G6dels Theorem auf das erweiterte System anwenden und erh~lt eine andere Formel, die ebenfalls wahr, aber in dem erwei- terten System nicht beweisbar ist.

Die intuitive Idee, die dem Beweis von G6dels Theorem zugrunde liegt, kann folgendermaf3en veranschaulicht werden. Man konstruiert eine selbstbezfigliche 11 Formel, die besagt: Diese Formel ist in dem System nicht beweisbar. Man zeigt dann, dab die Annahme, diese For- reel w~ire beweisbar, zu einem Widerspruch ffihrt. Also ist die Formel nicht beweisbar. Aber dann folgt, dab sie wahr ist, denn sie behauptet ja gerade ihre eigene Unbeweisbarkeit.

Ich habe oben behauptet, bei der zu konstruierenden Formel handle es sich um eine zahlentheoretische Formel, d.h., sie mache eine Aussage fiber natfirliche Zahlen. Die erw~hnte Formel scheint abet keine Aus- sage fiber Zahlen zu machen, sondern sie sagt etwas fiber die Unbeweis- barkeit einer Formel aus. Wie ist diese Ungereimtheit auszurfiumen?

G6del hat ein Mittel entwickelt, um der metaphorisch klingenden Redeweise, eine Formel behaupte ihre eigene Unbeweisbarkeit, einen pr~zisen, mathematischen Sinn zu geben. G6dels Formel lautet nfimlich nicht w6rtlich: "Diese Formel ist in dem System nicht beweisbar", sondern sie ist tats~ichlich eine Formel, die fiber Zahlen redet. G6del hat eine effektive Methode der Codierung - die sogenannte 'Methode der G6delisierung' - entwickelt, die es erlaubt, gewisse zahlentheore- tische Formeln zu interpretieren als Aussagen fiber Formeln, insbeson- dere als Aussagen fiber die Ableitbarkeit von Formeln aus bestimmten Axiomen. Bei der vorgenommenen G6delisierung besagt die von G6del angegebene Formel, dag diese Formel aus den Axiomen des Systems nicht ableitbar ist. Unter der fiblichen zahlentheoretischen Interpreta- tion macht diese Formel eine Aussage fiber d i e . . . (Nicht-) Existenz von Zahlen mit gewissen Eigenschaften.

G6dels Theorem hat den Anschein des Paradoxen; die scheinbare Paradoxie kann jedoch durch eine genaue Analyse aufgel6st werden. Die fibliche Erklfirung tier philosophischen Bedeutung von G6dels Theorem lautet: G6dels Theorem zeigt, dab die Begriffe "Wahrheit" und "Ableitbarkeit in einem (bestimmten) formalen System" nicht zu- sammenfallen. Es gibt keine formale Theorie, die es erlauben wfirde, alle wahren - und nur die wahren - Aussagen der Arithmetik abzu-

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leiten. Jedes formale System, das hinreichend stark ist, ist entweder widersprtichlich - und somit inad~iquat - oder unvollst~indig. Jedes konsistente ad~iquate System ist notwendigerweise unvollst~indig; es enthNt eine wahre zahlentheoretische Aussage, die in ihm nicht beweis- bar ist. Man kann aufgetretene Unvollst~indigkeiten zwar schrittweise beseitigen, aber man wird nie bei einem vollst~indigen System der Zah- lentheorie landen.

Was hat diese doch recht mathematisch klingende Erl~iuterung von G6dels Theorem mit unserer Frage nach dem Verh/~ltnis von Mensch und Maschine zu tun? - Der Zusammenhang wird dadurch hergestellt, daB man eine Maschine als Konkretisierung eines formalen Systems ansieht. Unter einer Maschine versteht man dabei etwas, was nach einem fest vorgegebenen System yon Regeln gewisse Operationen aus- fiihrt. Das Verhalten der Maschine ist dabei durch diese Regeln - d.h. das Programm - sowie den jeweiligen Input vollkommen bestimmt.12

Diese nicht sehr klare Beschreibung kann pr~izisiert werden, wenn man sich auf sogenannte Turing-Maschinen bezieht. Turing-Maschinen sind genaugenommen keine Maschinen im physikalischen Sinn, sondern abstrakte, mathematische Entit~iten - und zwar Algorithmen. Sie wet- den jedoch i.a. so behandelt, als seien sie tatsachlich Maschinen mit einer Hard- und Software. Denn alles . . . . was eine Turing-Maschine "tun" kann, l~igt sich im Prinzip auch dutch einen heutigen Standard- Computer realisieren, und es ist allgemein akzeptiert, dab eine Turing- Maschine prinzipiell alles "tun" kann, was irgendein beliebiger Compu- ter tun kann. 13 Aus diesem Grund kann im vorliegenden Kontext auf eine genauere Beschreibung von Turing-Maschinen verzichtet werden.

Man kann zeigen, dab formale Systeme und Turing-Maschinen in enger Beziehung stehen. Zu jedem formalen System existiert eine Tu- ring-Maschine, die genau die ableitbaren Formeln des Systems "be- weist"; und zu jeder Turing-Maschine, die Formeln "beweist", existiert ein formales System, in dem genau die Formeln ableitbar sind, die die Turing-Maschine "beweist".

Auf die Frage, was es heigen soll, dab eine Maschine etwas "be- weist", werde ich sp~iter noch zu sprechen kommen. An dieser Stelle sei erl~iuternd nur gesagt, dab eine Maschine jedenfalls dann Formeln "beweist", wenn sie Symbolreihen ausdruckt, die wir ats Ableitungen tier Formeln aus den Axiomen eines (bestimmten) formalen Systems ansehen wtirden.

Da Turing-Maschinen mathematische Entit~iten sind und in der

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beschriebenen engen Beziehung zu formalen Systemen stehen, l~igt sich in strenger Weise ein Analogon zu G6dels Theorem mit Bezug auf Turing-Maschinen beweisen. Die ftir unsere Diskussion relevante For- mulierung des Theorems lautet: Zu jeder konsistenten t4 Turing-Ma- schine, die in der Lage ist, hinreichend viele zahlentheoretische For- meln zu beweisen, und die for die Zahlentheorie ad~iquat ist, kann man eine Formel angeben, die wahr ist, aber die die Maschine nicht be- weisen kann.

Der Schlug, den Lucas und andere Anti-Mechanisten aus dieser Formulierung von G6dels Theorem ziehen, lautet: Da wir beweisen k6nnen, dab diese Formel wahr ist, die betreffende Turing-Maschine jedoch nicht, kann diese Turing-Maschine kein vollst~indiges und ad~i- quates Modell des menschlichen Geistes sein. Und dies gilt far jede gegebene Turing-Maschine. Jede Turing-Maschine hat ihre °'Achilles- ferse": Is ihre spezifische G6del-Formel. Da Turing-Maschinen allge- mein als repr~isentativ for Maschinen angesehen werden, folgt somit: Ein Mensch kann mehr als jede gegebene Maschine. Der menschliche Geist funktioniert wesentlich anders als eine Maschine. Die These des Mechanismus ist also falsch.

P R A Z I S I E R U N G DES A R G U M E N T S

In diesem Argument gegen den Mechanismus spielen verschiedene Begriffe von Beweis eine Rolle, die nicht immer klar unterschieden werden. Und zwar geht es um den Beweis der G6delschen Formel, um den Beweis ihrer Wahrheit, um Konsistenzbeweise und um den Beweis yon G6dels Theorem. Dabei handelt es sich um Beweise, die entweder von Menschen oder von Maschinen produziert werden, sowie um unter- schiedliche Arten yon Beweisen. Ich will versuchen, diese Begriffe streng auseinanderzuhalten und beginne mit einigen Bemerkungen zur Terminologie. Zun~ichst unterscheide ich zwischen forrnalen und infor- malen Beweisen. W~ihrend diese Unterscheidung ftir meine Argumenta- tion zentral ist, gilt dies weniger far die folgende Unterscheidung, die ich nicht immer beachten werde. Und zwar handelt es sich um die Unterscheidung zwischen dem Beweis eines sprachlichen Gebildes (einer Formel bzw. eines Satzes) und dem Beweis dessen, was dieses Gebilde (ggf. unter einer bestimmten Interpretation) ausdrtickt. Ich werde annehmen, dag sowohl G6delsche Formeln als auch Konsistenz- formeln (bei der G6delisierung) die Standardinterpretation besitzen.~6

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Unter einem formalen Beweis ist im folgenden das zu verstehen, was ich bislang meist als "(formale) Ableitungen innerhalb eines formalen Systems" bezeichnet habe. Sowohl ein Mensch als auch eine Maschine kOnnen formale Beweise in diesem Sinn produzieren. Zur Abgrenzung werde ich formale Beweise der Maschine als "Ablei tungen" bezeich- nen. 17 Das . . . . was eine Maschine ausdruckt, ist somit gegebenenfalls eine Ableitung, das, was ein Mensch niederschreibt (oder ~uBert), ein formaler Beweis.

Was sollen wir nun unter einem informalen Beweis verstehen? Was besagt dieser Begriff mit Bezug auf Menschen? Und kann er in irgend- einer Weise auf Maschinen fibertragen werden?

Beginnen wir mit der Frage, was es heiBt, ein Mensch liefere einen informalen Beweis. Diese Frage kann nicht mit wt~nschenswerter Klar- heit beantwortet werden, denn der Begriff eines informalen Beweises ist wesentlich negativ bestimmt. Der Mensch beweist etwas, aber er tut es in nicht-formaler Weise. D.h. , er bezieht sich nicht auf ein fest vorgebenes, codifiziertes System von syntaktisch gekennzeichneten Axi- omen und Schlul3regeln, sondern er stellt inhaltliche lJberlegungen an, in deren Verlauf er sich wesentlich auf irgendeine Form von Einsicht und Intuition beruft. Das zu Beweisende wird nicht zur~ckgefiihrt auf Axiome und SchluBregeln, die vorher festgelegt sind und im Kontext des Beweises nicht in Frage gestellt werden, sondern es wird letztlich auf etwas "Evidentes" zurfickgeffihrt, auf etwas, dessen Wahrheit und Gt~ltigkeit nicht bestritten werden kann. Von welcher Art diese eviden- ten Wahrheiten und Folgerungen sind, bleibt dabei often. Selbst empi- rische Pr~missen und SchluBweisen k6nnen - sofern sie einsichtig sind - in seinem Beweisgang eine Rolle spielen.18

Abet wieso handelt es sich bei seinem Produkt um einen "Beweis" und nicht etwa um eine Plausibilit~tsbetrachtung? Eine Teil-Antwort auf diese Frage erh~ilt man, wenn man sich vor Augen ffihrt, dab der Begriff eines formalen Beweises eingeft~hrt wurde, um wesentliche Komponenten informaler Beweise zu effassen und zu pr~izisieren. Es handelt sich bei einem nichtformalen beweis~hnlichen Gebilde jeden- falls dann um einen informalen Beweis, wenn es in einem ad~quaten System formalisierbar ist; d.h., wenn es sich unter Beachtung gewisser Restriktionen in einen formalen Beweis verwandeln l~Bt. Die Restriktionen beziehen sich darauf, dab nicht jedes beliebige formale System, in dem sich ein Beweis formalisieren lfi6t, als angemessen gelten kann. Das betreffende formale System mul3 nicht nur konsistent

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sein, sondern es muB auch korrekt sein, d.h., alles, was sich in ihm formal beweisen l~iBt, muB wahr sein. Eventuell wird man sogar verlan- gen, daB man vonder Korrektheit tiberzeugt sein mug, insbesondere daB die Axiome und Regeln "evident" sein miissen.

Die bisherigen Erl~iuterungen des Begriffs eines informalen Beweises lassen es often, ob es informale Beweise gibt, die nicht formalisierbar sind. 19 Sie sind aber fiir meinen augenblicklichen Zweck ausreichend, denn sie erlauben die Formulierung der relevanten Folgerung aus G6- dels Theorem unter Verwendung der angegebenen Begriffe. Diese Fol- gerung besagt: In jedem konsistenten formalen System, das hinreichend stark und fiir die Zahlentheorie ad~iquat ist, gibt es eine Formel, die in diesem System nicht formal beweisbar ist, die sich aber auf informale Weise beweisen l~iBt.

Dieser informale Beweis ist zwar formalisierbar, allerdings nicht in dem zugrunde gelegten System. Man mug zu diesem Zweck zu einem anderen, umfassenderen formalen System iibergehen.

Aus G6dels Theorem folgt also nicht, daB es einen informalen Beweis gibt, der nicht formalisierbar ist, sondern nur, daB dieser informale Beweis nicht in dem betrachteten System formalisiert werden kann. Und daraus kann man nur schliegen, daB nicht alle formalen (zahlen- theoretischen) Beweise in einem ad~iquaten zahlentheoretischen System formalisiert werden k6nnen.

Versuchen wit nun, das Analogon zu obiger Folgerung aus G6dels Theorem fiir Turing-Maschinen zu formulieren, so erhalten wir: Zu jeder konsistenten Turing-Maschine, die hinreichend stark und fiir die Ableitung zahlentheoretischer Formeln ad~iquat ist, existiert eine For- mel, die die Maschine nicht ableiten kann, die jedoch - und jetzt stutze i c h . . . Sollen wir sagen: "die wir informal beweisen k6nnen", oder sollen wit sagen "die die Maschine informal beweisen kann"? DaB wir diese Formel informal beweisen k6nnen, stimmt. Kann die Maschine diese Formel informal beweisen? Und vor allem: Was soll es tiberhaupt heigen: "eine Maschine beweist irgendetwas informal"?

K R I T I K D E S A R G U M E N T S

I N F O R M A L E B E W E I S F A H I G K E I T E N D E R M A S C H I N E

Lucas' Argument setzt m.E. voraus, daB man den Worten, eine Ma- schine beweise etwas informal, einen Sinn geben kann. Lucas miiBte

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behaupten, wir k6nnten G6dels Formel informal beweisen, die Ma- schine jedoch nicht. Er selbst gebraucht Worte wie "to produce as t rue", " to see to be t rue" und ~ihnliche, um den Unterschied zwischen dem, was wir im Gegensatz zur Maschine k6nnen, zum Ausdruck zu bringen. Er scheint anzunehmen, dab Maschinen o f f e n s i c h t l i c h 2° nichts derartiges tun k6nnen. Nun handelt es sich aber bei dieser F~ihigkeit nicht um etwas, was klarerweise nichts mit den F~ihigkeiten von Ma- schinen zu tun hat. Im Gegenteil - wir haben gesehen, dab die informa- len Beweise, um die es hier geht, formalisierbar sind, und somit in enger Beziehung zu formalen Systemen und Maschinen stehen. Man muB somit in jedem Falle ernsthaft untersuchen, ob und in welcher Weise der Begriff des informalen Beweises auf Maschinen anwendbar ist. Diese Untersuchung von vornherein ats tiberfltissig abzutun, hieBe, eine peticio principii zu begehen und die ganze Diskussion um G6dels Theorem als irrelevant ftir die Frage des Mechanismus anzusehen. Denn wenn es o h n e Argument klar ist, dab der Begriff des informalen Beweises auf Maschinen nicht anwendbar ist, folgt u n m i t t e l b a r - ohne Berufung auf G6dels Theorem - . . . , dab wir tiber eine F~ihigkeit ver- ftigen, tiber die keine Maschine verftigt, n~imfich informal zu bewe- isen.21

Unbestrit ten ist, dab wir G6dels Formel informal beweisen k6nnen, dab wir diesen Beweis formalisieren k6nnen, und daf3 eine andere als die betrachtete Maschine diese Formel ableiten kann. Jede Formel, die wir in dem Sinn informal beweisen, dab wir diesen Beweis in einem (adfiquaten) formalen System formalisieren k6nnten, kann auch durch eine Maschine abgeleitet werden. Unser gesamtes Beweis-Verhalten kann somit durch eine Reihe von Maschinen simuliert werden. Die These des Mechanismus besagt aber nicht, dab das Verhalten eines Menschen durch eine - m6glicherweise unendliche - Reihe yon Ma- schinen simuliert werden kann, sondern durch e ine Maschine. Und zwar soil es sich laut Annahme um die Ausgangsmaschine handeln.

K6nnte man sagen, eine Maschine beweise etwas informal, wenn sie einfach eine Formel ausdruckt, die eine andere Maschine ableiten kann? - Diese Lesart k6nnen wir sicher ohne Argument als unangemes- sen ausscheiden.

Aber was ist, wenn sie eine Formel produziert, und sich dabei schlicht und einfach auf ihre Intuition beruft, indem sie wie Lucas behauptet "I can see it as t rue!"?

Oder - noch extremer - was wtirden wir sagen, wenn sie ein Argu-

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ment produzierte, das unserem informalen Beweis der GOdelschen For- mel bis aufs i-T~ipfelchen gliche? - Diese Annahme widerspricht keines- wegs G6dels Theorem! Denn dieses Theorem besagt nur, dab die Maschine die betreffende Formel nicht ableiten kann, und ein derar- tiges Argument wfire nattMich keine Ableitung.

Ich halte es ft~r kaum bestreitbar, = dab wir zumindest in dem letzten beschriebenen Fall sagen wtirden, die Maschine habe G6dels Formel - genauso wie wir - informal bewiesen.

Jetzt lautet die entscheidende Frage: Ist es im Prinzip m6glich, dab eine Turing-Maschine ein derartiges informales Argument liefert? - Die Antwort lautet: Ja, dies ist im Prinzip mOglich. Denn was der Mensch informal beweist, ist nicht die Wahrheit von G6dels Formel, sondern die bedingte Aussage: Wenn die Maschine konsistent ist, so ist ihre GOdel-Formel wahr. Und diese bedingte Aussage kann sogar die Ausgangsmaschine selbst ableiten. Genauer: die Maschine kann eine Formel ableiten, die besagt: Wenn ich konsistent bin, so ist meine GOdel-Formel wahr. Da aufgrund von G6dels Unvollst~indigkeitstheo- rem gilt, dab die Maschine - falls sie konsistent ist - ihre eigene GOdel- Formel nicht ableiten kann, folgt daraus der Inhalt von G6dels zweitem Theorem: Keine konsistente, hinreichend starke und ftir die Ableitung zahlentheoretischer Formeln adfiquate Maschine kann ihre eigene Kon- sistenz ableiten. Die analoge Formulierung ftir formale Systeme lautet: In keinem konsistenten, hinreichend starken und fiir die Zahlentheorie ad~iquaten formalen System l~iBt sich die Konsistenz dieses Systems formal beweisen. 23

Wenn es nun einen Unterschied zwischen dem Menschen und der Maschine geben soll, mug der Mensch in irgendeinem Sinn beweisen k6nnen, dab die Maschine konsistent ist, wfihrend es die Maschine in diesem Sinn von "beweisen" nicht kann. Nehmen wir an, der Mensch liefere einen informalen Beweis der Konsistenz der Maschine, indem er einen Beweis produziert, der in einem formalen System formalisier- bar ist. Dies ist allerdings - wie ich schon erl~iutert habe - nur dann ein vernt~nftiges Kriterium fiir einen Beweis, wenn dieses formale System selbst wieder konsistent ist. (Genaugenommen mul3 das System sogar korrekt sein, d.h. alles, was man in ihm beweisen kann, mug wahr sein.) Offensichtlich l~if3t sich dieses Verfahren iterieren. Wenn man sich - wie es der Diskussionsgegenstand erfordert - auf komplexe formale Systeme und Maschinen bezieht, deren Konsistenz sicher nicht

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evident ist und auch wohl kaum mittels unmittelbar einleuchtender Methoden auf evidente Wahrheiten zurfickffihrbar erscheint, 24 ist fol- gender SchluB unausweichlich. Der Mensch kann nie einen absoluten Beweis der Wahrheit einer G6del-Formel oder der Konsistenz einer Maschine bzw. eines formalen Systems liefern. Alles, was er aufstellt, sind relative Beweise: Wenn das-und-das konsistent (bzw. wahr) ist, dann gilt das-und-das. Der Mensch verffigt also nur fiber eine ein- geschr~inkte F~ihigkeit zu beweisen, dab die G6del-Formel der Ma- schine wahr ist. 25

Wenn man sich dieser Einschr~inkung bewuBt ist, stellt sich heraus, dab die Maschine fiber eine entsprechende F~ihigkeit verffigt. Denn auch sie kann ableiten, dal3 - wenn sie konsistent ist - ihre G6del- Formel wahr ist. Und sie kann ableiten, daB, wenn eine gewisse andere Maschine konsistent ist, diese andere Maschine die Konsistenz der Ausgangsmaschine ableiten kann. Sie kann nicht absolut ableiten, dab ihre eigene G6del-Formel wahr ist, dab sie selbst oder irgendeine an- dere Maschine konsistent ist - aber das kann der Mensch genauso wenig absolut beweisen. 26

K R I T I K D E S A R G U M E N T S

F O R M A L E B E W E I S F A H I G K E I T E N D E S M E N S C H E N

Bislang habe ich daftir argumentiert, dab m6glicherweise die informalen Beweisf/~higkeiten der Maschine gr6ger und die des Menschen kleiner sind als es der Anti-Mechanist behauptet. Man kann aber sogar bezweifeln, dab der Mensch tats~ichlich fiber die eingeschrfinkten for- malen Beweisf~ihigkeiten verffigt, die wir ihm bisher im Einklang mit dem Anti-Mechanisten zugestanden habenY Denn wenn man berfick- sichtigt, dab wir immer nur davon geredet haben, dab uns eine Turing- Maschine "gegeben" sei, aber die Art und Weise dieses Gegebenseins nicht n~iher bestimmt haben, so sind die folgenden Fragen keineswegs so klar und eindeutig mit "ja" zu beantworten, wie es der Anti-Mecha- nist unterstellt:

- Kann ich das Programm jeder gegebenen Turing-Maschine rekonstruieren und beweisen, dab sie nach diesem Programm funktioniert?

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- Kann ich die G6del-Formel jeder gegebenen Turing-Ma- schine angeben?

- Kann ich fiir jede gegebene konsistente Turing-Maschine mit wahrer G6del-Formel beweisen, dab ihre G6del-Formel wahr ist?

- Kann ich ftir jede konsistente Turing-Maschine beweisen, dab sie konsistent ist?

- Kann ich fiir jede Turing-Maschine, die ad~iquat fiir die Zahlentheorie ist, diese Ad~iquatheit beweisen?

- Kann ich beweisen, dab ich alle diese Beweise produzieren kann2

- Kann ich beweisen, dab ich - zumindest mit Bezug auf die relevanten Beweisffihigkeiten - konsistent bin?

Nur wenn man alle diese Fragen bejaht, verftige ich tiber die Beweisf~i- higkeiten, die in dem Argument von Lucas vorausgesetzt werden. Es gibt aber wenig Griinde fiir die Behauptung, dab ich all dies tun kann. 2* Und gerade G6dels Theorem weckt Zweifel an dieser Behauptung. Aus G6dels Theorem folgt, dab - falls ich alle diese Beweise produzie- ten kann - die Gesamtheit dieser Beweise jedenfalls nicht in einern formalen System formalisierbar ist. Und daraus scheint zu folgen, dab ich entweder nicht alle diese Beweise fiihren kann, oder dag es sich um einen anderen Begriff yon Beweis handeln mug.

Lucas wiirde natiirlich bestreiten, dab sein Argument voraussetze, dab ich fiber alle diese Beweisf~ihigkeiten verfiige. Seine Verteidigungs- strategie gegentiber Angriffen dieser Art besteht darin, dal3 er immer wieder betont, sein Argument mtisse - wie er es ausdrtickt - "dialek- tisch" verstanden werden. Das soll heil3en, Lucas bezieht sich auf eine Dialogsituation, in d e r e r mit einem Mechanisten diskutiert und diesen widerlegen will. Der Mechanist behauptet, Lucas sei eine Maschine - und zwar die gegebene Maschine. Lucas verlangt dabei von dem Mecha- nisten, dab dieser die Maschine (d.h. ihr Programm) spezifiziert, und will insbesondere die kritische Pr~imisse der Konsistenz der Maschine von dem Mechanisten "geschenkt" bekommen.

Diese Strategie erscheint mir verdfichtig: die Beweislast ist zu unge- recht verteilt. Bei einer derartigen Konstruktion der Dialogsituation hat Lucas (bestenfalls) gezeigt, dab es keinen "allwissenden" Mechanisten geben kann oder dal3 - wenn wir Maschinen sind - unser Wissen gewisse

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Grenzen haben mug; aber er hat nicht gezeigt, dab der Mechanismus falsch ist, d.h., dab wir keine Maschinen sein k6nnen.

S C H L U S S B E M E R K U N G E N

Der Turing-Test ist ein sehr anspruchsvoller Test, wenn man ihn wirk- lich in voller Allgemeinheit versteht. Er beschr~inkt sich keinesfalls auf formale Beweisf~higkeiten, sondern umfagt auch informale Beweisf~i- higkeiten sowie eine Vielzahl von anderen menschlichen F~higkeiten, deren Formalisierungsm6glichkeit zumindest auf den ersten Blick zweifelhaft erscheint.

Der vorsichtige SchluB, den wir aus den bisherigen Uberlegungen ziehen k6nnen, besteht aus zwei Teilen. (1) Wenn man mit dem Begriff eines informalen Beweises als wesentliches Kriterium die Formalisier- barkeit in einem formalen System verbindet, dann verft~gen Menschen und Maschinen prinzipiell tiber dieselben Beweisf~higkeiten. (2) Wenn man hingegen unter einem informalen Beweis so etwas wie einen Be- weis im absoluten Sinn, eine Zurfickffihrung auf Evidentes, auf intuitiv Einleuchtendes versteht, so scheint aus G6dels Theorem weder irgend- etwas fiber unsere diesbeztiglichen F~ihigkeiten noch fiber die von Ma- schinen zu folgen. G6dels Theorem liefert jedenfalls keinen Grund, um zu behaupten, Maschinen leisteten in dieser Hinsicht weniger als Menschen oder Menschen leisteten mehr als Maschinen.

Ich habe im vorausgehenden das Argument von Lucas kritisiert - wie es fast alle getan haben, die seine Thesen diskutiert haben. Trotz- dem m6chte ich ihn ein Stfick weit verteidigen, denn sein Argument enth~ilt mehr als ein K6rnchen Wahrheit. Es weist hin auf Fragen und Probleme, die sowohl im Bereich der Philosophie der Mathematik als auch der Kognitiven Wissenschaft von zentraler Bedeutung sind.

Obwohl G6dels Theorem nicht den Mechanismus widerlegt, wie er in der Gleichung M e n s c h = M a s c h i n e zum Ausdruck kommt, ist ihm doch eine in gewissem Sinn anti-mechanistische Interpretation eigen- tfimlich: G6dels Theorem zeigt, dab selbst im Bereich mutmaNich rein formaler F~ihigkeiten andere, informale, intuitive F~ihigkeiten eine wesentliche Rolle spielen. Wir k6nnen letztlich nicht den Formalismus zur Rechtfertigung informaler Beweise benutzen, sondern umgekehrt:

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Der Formalismus mug sich stets durch informale Methoden und Ein- sichten rechtfertigen lassen.

Will man die Frage nach dem Vergleich Mensch und Maschine ange- messen diskutieren, so mug man vor allem die informalen F~ihigkeiten untersuchen.29

Wenn dabei herauskommen sollte, dab Menschen und Maschinen sich in ihren informalen Beweisf~ihigkeiten unterscheiden oder nicht vergleichbar sind, so vermutlich nicht mit Bezug auf Ffihigkeiten, die in enger Beziehung zu formalen F~ihigkeiten stehen, sondern etwa weil es falsch oder sinnlos ist zu behaupten, eine Maschine beweise irgendet- was. Weder Maschinen noch Menschen beweisen irgendetwas unabh~in- gig yon einer Interpretation ihres Verhaltens. 3° Ob ein Mensch mit einer gewissen Folge von Bewegungen einen Beweis produziert, einen Tanz 3I aufftihrt oder sich nur bewegt, ob er mit dem, was er sagt, etwas meint und insbesondere, ob er meint, was er sagt, ist nur unter einer Interpretation zu entscheiden. Diese Interpretation mug den gesamten Kontext seines Verhaltens berticksichtigen. Dazu geh6ren sowohl die Beziehungen, in denen er zu seiner physischen Umgebung steht, 32 wie auch gesellschaftliche Gegebenheiten und Reaktionen. Und etwas Entsprechendes gilt ftir Maschinen. Auch in diesem Fall gentigt es nicht, sich den Output oder das Programm anzusehen. Es ist zu erwarten, dab die Frage, ob eine Maschine etwas beweist oder etwas ganz anderes tut, im besten Fall auf eine Vielzahl yon m6glichen Interpretationen ihres Verhaltens verweist, unter denen schwierig auszuwfihlen sein dtirfte. Im schlimmsten Fall wird es nicht gelingen, einen verntinftigen Begriff von Interpretation zu entwickeln, mit dessen Hilfe das Verhal- ten der Maschine als Produktion yon (informalen) Beweisen interpre- tierbar ist.

Wenn es allerdings gelingen sollte, eine Begrifflichkeit zu entwickeln, die es erlaubt, auch Maschinen informale Beweisf~ihigkeiten zuzuspre- chen, und sich dabei herausstellen sollte, dab Menschen und Maschinen in dieser Hinsicht prinzipiell ~ihnlich funktionieren, so nicht, weil der Mensch mechanistisch (im Sinne yon formal) funktioniert, sondern weil die Maschine weniger mechanistisch funktioniert als es der erste An- schein vermuten l~igt.

In jedem Fall lautet die grundlegende Frage nicht: KOnnen Maschinen denken? sondern: Wie funktioniert das Denken? Und ffir diese Frage scheinen die formalen Beweisf~higkeiten nur von untergeordneter Be- deutung zu sein.

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ANMERKUNGEN

a Vgl. Descartes (1960, S. 93). 2 Die Debatten, die im 17. und 18. Jahrhundert tiber die Fragen geftihrt wurden, ob Tiere und Menschen sich unterscheiden, ob Tiere bzw. Menschen Maschinen sind und ob Tiere bzw. Maschinen denken k6nnen, haben tiberraschend viele Ahnlichkeiten mit der neueren Diskussion tiber die Frage, ob Computer denken k6nnen. Auf diesen Umstand hat insbesondere Gunderson (1964) hingewiesen. 3 Turing (1964). 4 Wenn man sich die in der ersten Anmerkung erw~ihnte Passage yon Descartes ansieht, so f~illt auf, dab sie den Kern yon Turings Idee - n~imlich das Kriterium der perfekten Simulation menschlichen Spraehverhaltens durch Maschinen - schon enth~lt. 5 Vgl. etwa die Sammelb~inde von Anderson (1964) und Haugeland (1981). 6 Als eines tier bekanntesten Gegenargumente ist Searles "chinese-room-argument" zu nennen. Vgl. etwa Searle (1980). 7 Lucas (1964). Lucas war nicht nicht der erste, der ein derartiges Argument formulierte, aber der erste, der es ausftihrlich diskutierte. Ftir eine kurze kritische Diskussion des Arguments vgl. Turing (1964, S. 15f); ftir eine knappe Verteidigung vgl. etwa Nagel/New- man (1958, S. 109). Ftir weitere Literaturstellen vgl. Lucas (1964, S. 43). Jacquette (1987) geh6rt zu den - seltenen - neueren Verteidigern von Lucas. 8 Vgl. Putnam (1964), Benacerraf (1967), Chihara (1972), Webb (1968, 1980), Lewis (1969, 1979). Putnams Kritik riehtet sich nicht gegen Lucas' Formulierung des Arguments, sondern gegen die Formulierung von Nagel und Newman (1958). 9 Vgl. Dennett (1972), Hofstadter (1979) und Boyer (1983). 10 Man spricht normalerweise von zwei G/Sdelschen Theoremen, ich beziehe mich mit den Worten "G6dels Theorem" auf das erste dieser Theoreme. Ich kann nattirlich im Rahmen dieses Aufsatzes nur eine ungef~ihre und an vielen Stellen ungenaue Darstellung sowohl von G6dels Theorem als auch yon dessen philosophischer Interpretation geben. Auf einige umstrittene philosophische Punkte werde ich in den Anmerkungen eingehen. n Es ist umstritten, ob die tibliche Redeweise, GOdels Formel sei selbstbezaglich, sie sage von sich selbst aus, dab sie unbeweisbar sei, haltbar ist. Vgl. Lacey/Joseph (1968) ftir ein Argument gegen die Selbstbeztiglichkeit. Vgl. auch Auerbach (1985, insbes. S. 341f), der ein anderes Gegenargument liefert. Auerbachs Aufsatz enth~ilt eine gut lesbare Darstellung und philosophische Diskussion der technischen Resultate von Feferman (1960). Obwohl ich Auerbachs Argument tiberzeugend finde, habe ich die iibliche Rede- weise vonder Selbstbeztiglichkeit der G6delschen Formel beibehalten, da die Frage der Selbstbeztigliehkeit bei meiner Diskussion keine wesentliche Rolle spielt. ~2 Ich besehr~inke meine Diskussion auf Maschinen, bei denen Zufalls-Faktoren keine Rolle spielen. Zur Frage der Berticksichtigung solcher Faktoren vgl. etwa Lucas (1964, S. 45f). 13 Diese Behauptung ist eine spezielle Formulierung von Churchs These. Ich lege im folgenden Churchs These zugrunde und besch~iftige mich nicht mit der Frage, ob es Maschinen geben kOnnte, die nicht durch Turing-Maschinen simuliert werden k6nnen. Fiir kritische Einsch~itzungen yon Churchs These vgl. Webb (1968, insbes. S. 156, 170f) sowie die dort (S. 17119) erw~ihnten Autoren. 14 D.h., die Menge der Formeln, die die Maschine beweisen kann, ist konsistent.

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~.s Diese Charakterisierung s tammt von Lucas (1964, S. 47). 16 Ffir einen Hinweis auf die Problematik dieser A n n a h m e n vgl. die Anmerkungen 11 und 23. w Diese unt~bliche Festsetzung treffe ich, um die enge Beziehung zwischen Maschinen und formalen Systemen zu illustrieren. 18 Chihara (1972) argumentier t daffir, dab sowohl Lucas ' (1964, 1968) Begriff yon (infor- maler) Beweisbarkeit - "als wahr produzieren" - als auch derjenige von Benacerraf (1967) - "absolut beweisen" - epistemische und empirische Komponenten besitzen. Welche S/~tze ich als wahr produzieren kann bzw. im absoluten Sinn beweisen kann, h~ngt davon ab, was ich weiB - und sogar von meinem empirischen Wissen. In dem Argument gegen den Meehanismus hfingt es davon ab, was der Mechanist fiber die Maschine sagt - insbesondere tiber deren Programm, Konsistenz usw. ~9 Ffir eine Auseinanderse tzung mit dem Begriff des Formalen und den Grenzen des Formalismus vgl. Rheinwald (1984). 2o Dies gilt zumindest ftir den ursprfinglichen Aufsatz von Lucas (1964). In Lucas (1968, S. 147f), geht er auf obiges Problem ein. Er erweitert dort seinen Begriff "to produce as t rue" (bzw. "to see as t r ue ' ) , indem er erlaubt, ihn auch auf Maschinen - und vietleicht sogar auf Frauen - anzuwenden. Er analysiert dabei " to produce as true" als "in- irgendeinem-formalen-System-beweisen", wobei dieses formale System nicht notwen- digerweise mit e inem formalen System identisch ist, das ffir formale zahlentheoretische Beweise zust~indig ist.

Wieso er der Meinung zu sein scheint, Maschinen unterschieden sich bzgl. dieser F~higkeit klarerweise von Menschen, kann ich nicht nachvollziehen. Lucas weist darauf hin, dab zu jeder Maschine M - egal was sie macht - ein Programm und somit ein formales System S existiert, wodurch ihr Verhalten best immt wird. Nehmen wir an, eine Maschine M tue nichts anderes als informale Beweise zu produzieren ("to produce/to see something as true"). Nach Lucas ' Analyse existiert dann ein formales System S, so dab gilt:

M beweist x informal gdw. x ist in S formal beweisbar.

Lucas scheint zu meinen, dab S ein beliebiges formales System sein kann, was ich bestreiten wfirde. Zumindes t konsistent - genaugenommen sogar korrekt - sollte S schon sein. AuBerdem ist i.a. die )i, quivalenz nicht in obiger Form gegeben, sondern eher in folgender Form:

M beweist x informal gdw. die F o r m e l . . . (?) ist in dem formalen S y s t e m . . . (?) formal beweisbar.

Denn es ist nicht der Fall, da/3 eine eineindeutige Beziehung zwischen Maschinen und formaten Systemen besteht. Das Verhalten einer Maschine kann in verschiedener Weise beschrieben werden. Und jede konkrete Maschine kann als Konkret is ierung unendlich vieler formaler Systeme aufgefaBt werden. Ohne eine genauere Analyse des Begriffs eines informalen Beweises ist unklar, wie obige Fragezeichen zu ersetzen sind und ob die Konsis tenzbehauptung mit Bezug auf das betreffende formale System plausibel klingt. Der Hinweis auf die enge Beziehung, die laut Lucas zwischen den Aktivit~iten der Maschine und einem formalen System besteht, hilft nicht weiter, solange man nichts N~iheres fiber diese Beziehung weiB. Denn man muB sich nur vor Augen ffihren, dab

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eine analoge Behauptung auch ftir Maschinen gilt, die z.B. Bilder malen oder Melodien komponieren. 21 Eine fihnliche Kritik ~iuBert Benacerraf (1967, S. 19f). 22 Dies gilt unter der Voraussetzung, dab man aberhaupt annimmt, Maschinen k6nnten irgendetwas informal beweisen. 23 Diese Behauptung ist nicht ganz korrekt. Wie Feferman (1960) gezeigt hat, mug man zwischen extensionalen und intensionalen Formulierungen der Konsistenz eines Systems unterscheiden. Dabei haben intensional ad~iquate Konsistenzformeln tats~ichlich die Be- deutung, dab das System konsistent ist, wfihrend Konsistenzformeln, die zwar extensio- nal, abet nicht intensional ad~iquat sind, eine andere Bedeutung haben und in gewissem Sinn "pathologisch" sind. Nur intensionale Formulierungen der Konsistenz eines Systems sind laut G6dels 2. Theorem nicht innerhalb des Systems ableitbar (wenn das System konsistent ist), w~ihrend es extensionale Formulierungen gibt, die sehr wohl innerhalb des Systems ableitbar sind (auch wenn das System konsistent ist). Vgl. Webb (1968), Resnik (1974) und insbesondere Auerbach (1985) ft~r eine Darstellung der Fefermanschen Resultate. 24 Angreifbar write diese Behauptung nur, wenn man die These vertreten wollte, gewisse konstruktive Konsistenzbeweise erftillten das Kriterium der Evidenz. Diese These er- scheint mir zu stark; jedenfalls setzt ihre Begrtindung voraus, dab der Begriff der Konstruktivit~it hinreichend klar ist, was zur Zeit vermutlich niemand behaupten will. Ffir den Zusammenhang zwischen dem Argument gegen den Mechanismus und dem Problem der Konstruktivit~it in der Mathematik vgl. Webb (1968, 1980). 25 Auf diese Einschrfinkung wurde hfiufig hingewiesen, es wurden allerdings unterschied- liche Konsequenzen daraus gezogen. Vgl. Putnam (1964, S. 77); Putnam macht es sich m.E. etwas zu einfach mit seiner Kritik an der Argumentation des Anti-Mechanisten. Vgl. auch Benacerraf (1967, S. 20if), Lucas (1968, S. 153ff), sowie Chihara (1972). 26 Dies gilt jedenfalls dann, wenn man "beweisen" im oben zugrunde gelegten Sinn versteht. 27 Diese Zweifel wurden insbesondere von Benacerraf (1967, S. 21) ge~iuBert. Ft~r eine ausftihrliche Diskussion von Benacerraf vgl. Chihara (1972). Vgl. auch Hofstadter (1980, S. 475) ft~r die ,~uBerung eines fihnlichen Zweifels. 2s Zumindest mug man ausffihrlich begrtinden, warum man diese oder einige von diesen Fahigkeiten nicht voraussetzen mul l Lucas (1968) bestreitet (S. 146ff), dab er alle diese Ffihigkeiten voraussetzen muB. Ffir eine aberzeugende Kritik an Lucas' Verteidigungs- strategie vgl. Lewis (i979). Lewis nimmt Lucas beim Wort und Rif3t ihn dadurch zu Fall kommen. Lewis zeigt, dab eine korrekte Analyse der Dialogsituation zur Folge hat, dab Lucas' Argument fehlerhaft ist. 29 Eine Reihe von Ans~itzen innerhatb der Kognitiven Psychologie (insbesondere in Verbindung mit der Situations-Semantik) lassen sich in diesem Sinn interpretieren. Vgl. Barwise/Perry (1983), Smith (i.E.) sowie - auch far Literaturhinweise - die Diskussion zwischen Fodor und Barwise (1986, 1987).

Auch innerhalb der Philosophie der Mathematik gibt es Stimmen, die die Wichtigkeit informaler Methoden betonen. Dabei denke ich vor allem an Autoren, die behaupten, die Mathematik enthalte intensionale Kontexte. So behauptet etwa Jacquette (1987), G6dels 1. Theorem enthalte einen intensionalen Kontext, da die Methode, nach der wit einen G6del-Satz als wahr beurteilen, intensional sei. Er berficksichtigt dabei allerdings

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nicht, dab diese Methode nicht die einzig m6gliche ist, da der informale Beweis formali- sierbar ist. Vgl. ouch Feferman (1960) und Auerbach (1985), die einen intensionalen Kontext im Zusammenhang mit G/Sdels 2. Theorem dingfest machen. (S. Anm. 23.) 3o Vgl. Dennett (1972) und Boyer (1983). Vgl. ouch Kemmerling (1988). 3~ Hiermit beziehe ich mich auf Boyers (1983) 'Fred Astaire dance'. 32 Die Wichtigkeit kausaler Kontakte zur Umgebung ft~r die Frage nach der Einsch~itzung von Maschinen wird von vielen Autoren betont - so etwa yon Searle (1980). Vgl. auch Bieri (1988) und Barwise (1987, insbes. S. 95).

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Manuscript submitted on March 9, 1989 Final version received on September 9, 1989

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