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Menschen Physikalische Blätter 55 (1999) Nr. 10 56 Prof. Dr. Robert Graham, Prof. Dr. Fritz Haake, Fach- bereich Physik, Universität Essen Nachruf auf Daniel F. Walls (1942 – 1999) Am 12. Mai 1999 verstarb Professor Daniel Walls in Auckland, Neusee- land. Dan Walls galt international als einer der führenden Theoretiker auf dem Gebiet der Quantenoptik. Er wurde im Jahr 1942 in Neusee- land geboren, studierte dort an der University of Auckland und promo- vierte 1969 an der Harvard Univer- sity als Doktorand von Roy Glau- ber, einem der Begründer der Quantenoptik. In der zweiten Hälfte der sech- ziger Jahre hatte sich die theoreti- sche Fundierung dieses Gebiets stürmisch entwickelt, in den USA unter anderem durch Arbeiten in Glaubers Gruppe, in Deutschland besonders durch Arbeiten der Stutt- garter Gruppe um Hermann Haken, Wolfgang Weidlich und Hans Ris- ken, in denen die Quantentheorie des Laser formuliert wurde. So zog es Dan Walls nach seiner Promo- tion als Postdoktorand zu Hakens Gruppe, wo er begann, wichtige eigene Beiträge zur Quantentheorie nichtlinearer optischer Prozesse zu leisten. Dan Walls knüpfte in seiner Stuttgarter Zeit zahlreiche Kontak- te zu Physikern in Deutschland, die auch später nie abrissen. Nicht wenige von uns haben Dannys Gastfreundschaft bei längeren For- schungsaufenthalten in Auckland genossen und als Bereicherung erlebt. In seiner Stuttgarter Zeit ließ er sich auch durch die dort stattfin- dende allmähliche Verallgemeine- rung von Grundideen der Laser- theorie zur Theorie der Synergetik beeinflussen, was in der Folge zu seiner mehrjährigen Beschäftigung mit chemischen Instabilitäten führ- te. Zu dieser Zeit war er bereits Senior Lecturer in Waikato, Neu- seeland. Er kehrte dort jedoch bald ganz zu seinem Lieblingsgebiet, der Quantenoptik, zurück, dem er für den Rest seines Lebens treu blieb. Eine neue Phase der Quantenoptik wurde nun maßgeblich durch die Arbeiten von Dan Walls und seinen Mitarbeitern eingeläutet. In dieser Phase ging es nun um neue genuine Quanteneffekte in der Wechselwirkung von Licht und Materie. Dan Walls und sein Dok- torand Howard Carmichael ent- wickelten die Theorie des „Anti- bunching“ von Photonen in der Resonanzfluoreszenz von Zwei- Niveau-Atomen, das experimentell in Herbert Walthers Gruppe in Gar- ching und in Jeff Kimbles Gruppe in Austin gemessen wurde. Dan Walls war als theoretischer Partner beteiligt an der ersten Realisierung von „gequetschtem Licht“ in der Gruppe von Mark Levenson bei IBM, d. h. dem phasensensitiven Quetschen von Fluktuationen des Lichtfelds in einer seiner beiden Quadraturkomponenten unter die durch einen kohärenten Zustand definierte Schrotrauschgrenze. Weitere Themen, zu denen er wichtige Beiträge leistete, sind der quantenmechanische Meßprozeß, die Theorie rauscharmer Laser – und in den letzten Jahren die Bose- Einstein-Kondensation. Seit 1980 hatte Dan Walls eine Professur in Waikato inne, seit 1987 dann an der University of Auck- land. Dort bildete er eine Genera- tion von sehr erfolgreichen Quan- tenoptikern aus, so den fast gleich- altrigen Crispin Gardiner, den er von der Hochenergiephysik zur Quantenoptik herüberzog, Gerard Milburn, mit dem zusammen er später ein viel geschätztes Lehr- buch der Quantenoptik schrieb, und Howard Carmicheal, um nur die bekanntesten Namen zu nen- nen. Charakteristisch für die Arbeit von Dan Walls war sein enger Kon- takt zu den maßgeblichen experi- mentellen und theoretischen Quan- tenoptikgruppen rund um den Glo- bus. Diesem Zweck diente die Serie von Quantenoptik-Konferenzen, die er zusammen mit seinem experi- mentellen Kollegen, John Harvey, etwa im Dreijahresrhythmus in Rotorua, Neuseeland, organisierte. Die Proceedings dieser Tagungen lesen sich wie eine Chronik der Quantenoptik dieser Jahre und zei- gen, wie stürmisch und fruchtbar sich dieses Gebiet in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelte. Dan Walls hatte ein sicheres Gespür für die vielen zukunftsträchtigen Ideen in diesem Gebiet. Mit seiner Begeisterungsfähig- keit, seiner einnehmenden offenen Art, die es jedem Gast in seiner Gruppe binnen kurzer Zeit ermög- lichte, sich an den laufenden Pro- jekten zu beteiligen, und seiner her- vorragenden Integrationsfähigkeit und Führungsqualität verhalf er vielen Ideen zum Durchbruch und wurde so zu einem der heraus- ragenden Vertreter dieses Gebietes. Er erfuhr zahlreiche Ehrungen. So wurde ihm 1990 die Einstein- Medaille der amerikanischen Society of Optical and Quantum Electronics verliehen und 1995 die Dirac-Medaille, die höchste Aus- zeichnung des Institute of Physics des Vereinigten Königreiches. Dan Walls, der nach mutig ertragener tückischer Krankheit und bis zu- letzt arbeitend starb, wird nicht nur von seiner Familie, insbesondere seinem Sohn Marc und der lang- jährigen Lebensgefährtin Pamela vermißt werden, sondern weltweit von seinen Schülern, Kollegen und Freunden. Robert Graham, Fritz Haake Menschen

Menschen: Nachruf auf Daniel F. Walls (1942 - 1999)

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Menschen

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 1056

Prof. Dr. RobertGraham, Prof. Dr.Fritz Haake, Fach-bereich Physik,Universität Essen

Nachruf auf Daniel F. Walls(1942 – 1999) Am 12. Mai 1999 verstarb ProfessorDaniel Walls in Auckland, Neusee-land. Dan Walls galt internationalals einer der führenden Theoretikerauf dem Gebiet der Quantenoptik.Er wurde im Jahr 1942 in Neusee-land geboren, studierte dort an derUniversity of Auckland und promo-vierte 1969 an der Harvard Univer-sity als Doktorand von Roy Glau-ber, einem der Begründer derQuantenoptik.

In der zweiten Hälfte der sech-ziger Jahre hatte sich die theoreti-sche Fundierung dieses Gebietsstürmisch entwickelt, in den USAunter anderem durch Arbeiten inGlaubers Gruppe, in Deutschlandbesonders durch Arbeiten der Stutt-garter Gruppe um Hermann Haken,Wolfgang Weidlich und Hans Ris-ken, in denen die Quantentheoriedes Laser formuliert wurde. So zoges Dan Walls nach seiner Promo-tion als Postdoktorand zu HakensGruppe, wo er begann, wichtigeeigene Beiträge zur Quantentheorienichtlinearer optischer Prozesse zuleisten. Dan Walls knüpfte in seinerStuttgarter Zeit zahlreiche Kontak-te zu Physikern in Deutschland, dieauch später nie abrissen. Nichtwenige von uns haben DannysGastfreundschaft bei längeren For-schungsaufenthalten in Aucklandgenossen und als Bereicherungerlebt.

In seiner Stuttgarter Zeit ließ ersich auch durch die dort stattfin-dende allmähliche Verallgemeine-rung von Grundideen der Laser-theorie zur Theorie der Synergetikbeeinflussen, was in der Folge zuseiner mehrjährigen Beschäftigungmit chemischen Instabilitäten führ-te. Zu dieser Zeit war er bereitsSenior Lecturer in Waikato, Neu-seeland. Er kehrte dort jedoch baldganz zu seinem Lieblingsgebiet, derQuantenoptik, zurück, dem er fürden Rest seines Lebens treu blieb.

Eine neue Phase der Quantenoptikwurde nun maßgeblich durch dieArbeiten von Dan Walls und seinenMitarbeitern eingeläutet.

In dieser Phase ging es nun umneue genuine Quanteneffekte in derWechselwirkung von Licht undMaterie. Dan Walls und sein Dok-torand Howard Carmichael ent-wickelten die Theorie des „Anti-bunching“ von Photonen in derResonanzfluoreszenz von Zwei-Niveau-Atomen, das experimentellin Herbert Walthers Gruppe in Gar-ching und in Jeff Kimbles Gruppein Austin gemessen wurde. DanWalls war als theoretischer Partnerbeteiligt an der ersten Realisierungvon „gequetschtem Licht“ in derGruppe von Mark Levenson beiIBM, d. h. dem phasensensitivenQuetschen von Fluktuationen desLichtfelds in einer seiner beidenQuadraturkomponenten unter diedurch einen kohärenten Zustanddefinierte Schrotrauschgrenze.

Weitere Themen, zu denen erwichtige Beiträge leistete, sind derquantenmechanische Meßprozeß,die Theorie rauscharmer Laser –und in den letzten Jahren die Bose-Einstein-Kondensation.

Seit 1980 hatte Dan Walls eineProfessur in Waikato inne, seit 1987dann an der University of Auck-land. Dort bildete er eine Genera-tion von sehr erfolgreichen Quan-tenoptikern aus, so den fast gleich-altrigen Crispin Gardiner, den ervon der Hochenergiephysik zurQuantenoptik herüberzog, GerardMilburn, mit dem zusammen erspäter ein viel geschätztes Lehr-buch der Quantenoptik schrieb,und Howard Carmicheal, um nurdie bekanntesten Namen zu nen-nen.

Charakteristisch für die Arbeitvon Dan Walls war sein enger Kon-takt zu den maßgeblichen experi-mentellen und theoretischen Quan-tenoptikgruppen rund um den Glo-bus. Diesem Zweck diente die Serievon Quantenoptik-Konferenzen,

die er zusammen mit seinem experi-mentellen Kollegen, John Harvey,etwa im Dreijahresrhythmus inRotorua, Neuseeland, organisierte.Die Proceedings dieser Tagungenlesen sich wie eine Chronik derQuantenoptik dieser Jahre und zei-gen, wie stürmisch und fruchtbarsich dieses Gebiet in den letztenzwei Jahrzehnten entwickelte. DanWalls hatte ein sicheres Gespür fürdie vielen zukunftsträchtigen Ideenin diesem Gebiet.

Mit seiner Begeisterungsfähig-keit, seiner einnehmenden offenenArt, die es jedem Gast in seinerGruppe binnen kurzer Zeit ermög-lichte, sich an den laufenden Pro-jekten zu beteiligen, und seiner her-vorragenden Integrationsfähigkeitund Führungsqualität verhalf ervielen Ideen zum Durchbruch undwurde so zu einem der heraus-ragenden Vertreter dieses Gebietes.

Er erfuhr zahlreiche Ehrungen.So wurde ihm 1990 die Einstein-Medaille der amerikanischenSociety of Optical and QuantumElectronics verliehen und 1995 dieDirac-Medaille, die höchste Aus-zeichnung des Institute of Physicsdes Vereinigten Königreiches. DanWalls, der nach mutig ertragenertückischer Krankheit und bis zu-letzt arbeitend starb, wird nicht nurvon seiner Familie, insbesondereseinem Sohn Marc und der lang-jährigen Lebensgefährtin Pamelavermißt werden, sondern weltweitvon seinen Schülern, Kollegen undFreunden.

Robert Graham, Fritz Haake

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