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306 Hartwig MeiBner Messen von Kompetenzen - nur genau eine richtige Antwort? Auf der 22. Arbeitstagung des GDM-Arbeitskreises "Mathematikunterricht und Infor- matik" in Soest iiber "Neue Medien und Bildungsstandards" stand naturgemaB das Mes- sen von Kompetenzen im Mittelpunkt. Jeder erfahrene Lehrer weiB, dass es zu an- spruchsvollen Aufgaben unterschiedlich viele verschiedene richtige L6sungswege und auch mehrere naheliegende falsche Antwortmoglichkeiten gibt. Fiir das Abfragen von Kompetenzen iiber Multiple-Choice-Tests (MC-Tests) ware daher die Vorgabe mehrerer richtiger und falscher Antwortmoglichkeiten naheliegend, wobei aus fachdidaktischer Sicht die Anzahl der Antwortmoglichkeiten und das Verhaltnis von richtig zu falsch von Aufgabe zu Aufgabe unterschiedlich sein konnen. In den JMD-Beitragen von MEYERHOFER, LIND und WOSCHEK wurde diese Problematik nur andiskutiert. Mit Bezug hierauf und die Diskussion in Soest sei daher die Frage erlaubt: Sind wir Mathematikdidaktiker nicht kompetent genug, das Losungs- verhalten von Schiilem ausreichend lemer- und aufgaben-adaquat vorherzusagen, so dass wir bei MC-Tests wider besseres fachdidaktisches Wissen ausschlieBlich Testmo- delle verwenden, bei den en es fUr jede Aufgabe immer nur gleich genau eine richtige und drei falsche Anworten gibt? Wir mochten an dieser Stelle auf Erfahrungen verweisen, dass dies so nicht sein muss. Wir fiihren seit ca. 25 Jahren MC-Tests durch mit pro Aufgabe unterschiedlich vielen Antwortvorgaben (und unterschiedlichen Verhaltnissen von richtig und falsch) und der Zusatzinformation an die Kandidaten, dass richtige Antworten Pluspunkte und falsche Minuspunkte bringen. Die Auswertung zusatzlich fUr jeden Distraktor einzeln gibt uns erganzend detailliert Aufschluss, wo die Schwachen und wo die Starken des vo- rausgegangenen Unterrichts lagen (Details siehe MEIBNER 1999). Literatur Lind, D. [2004]: Welches Raten ist unerwiinscht? Eine Erwiderung. In: Journal for Mathematik- Didaktik, 25(2004) 1, 70-74. Meif3ner, H. [1999]: Mathematik zum Ankreuzen? In: Beitriige zum Mathematikunterricht 1999, 369-372. MeyerhOfer, W. [2004]: Zum Problem des Ratens bei PISA. In: Journal for Mathematik-Didaktik, 25(2004) 1,62-69. Woschek, R. [2004]: Ein Beitrag zur Diskussion des Rateproblems bei MC-Aufgaben. In: Journal for Mathematik-Didaktik, 25(2004) 2, 149-152. Adresse des Autors Prof. em. Dr. Hartwig Meif3ner Westf!ilische Wilhelms-Universitiit Einsteinstr. 62 48149 Munster (JMD 25 (2004) H. 3/4, S. 306)

Messen von Kompetenzen — nur genau eine richtige Antwort?

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Hartwig MeiBner

Messen von Kompetenzen - nur genau eine richtige Antwort?

Auf der 22. Arbeitstagung des GDM-Arbeitskreises "Mathematikunterricht und Infor­matik" in Soest iiber "Neue Medien und Bildungsstandards" stand naturgemaB das Mes­sen von Kompetenzen im Mittelpunkt. Jeder erfahrene Lehrer weiB, dass es zu an­spruchsvollen Aufgaben unterschiedlich viele verschiedene richtige L6sungswege und auch mehrere naheliegende falsche Antwortmoglichkeiten gibt. Fiir das Abfragen von Kompetenzen iiber Multiple-Choice-Tests (MC-Tests) ware daher die Vorgabe mehrerer richtiger und falscher Antwortmoglichkeiten naheliegend, wobei aus fachdidaktischer Sicht die Anzahl der Antwortmoglichkeiten und das Verhaltnis von richtig zu falsch von Aufgabe zu Aufgabe unterschiedlich sein konnen.

In den JMD-Beitragen von MEYERHOFER, LIND und WOSCHEK wurde diese Problematik nur andiskutiert. Mit Bezug hierauf und die Diskussion in Soest sei daher die Frage erlaubt: Sind wir Mathematikdidaktiker nicht kompetent genug, das Losungs­verhalten von Schiilem ausreichend lemer- und aufgaben-adaquat vorherzusagen, so dass wir bei MC-Tests wider besseres fachdidaktisches Wissen ausschlieBlich Testmo­delle verwenden, bei den en es fUr jede Aufgabe immer nur gleich genau eine richtige und drei falsche Anworten gibt?

Wir mochten an dieser Stelle auf Erfahrungen verweisen, dass dies so nicht sein muss. Wir fiihren seit ca. 25 Jahren MC-Tests durch mit pro Aufgabe unterschiedlich vielen Antwortvorgaben (und unterschiedlichen Verhaltnissen von richtig und falsch) und der Zusatzinformation an die Kandidaten, dass richtige Antworten Pluspunkte und falsche Minuspunkte bringen. Die Auswertung zusatzlich fUr jeden Distraktor einzeln gibt uns erganzend detailliert Aufschluss, wo die Schwachen und wo die Starken des vo­rausgegangenen Unterrichts lagen (Details siehe MEIBNER 1999).

Literatur

Lind, D. [2004]: Welches Raten ist unerwiinscht? Eine Erwiderung. In: Journal for Mathematik­Didaktik, 25(2004) 1, 70-74.

Meif3ner, H. [1999]: Mathematik zum Ankreuzen? In: Beitriige zum Mathematikunterricht 1999, 369-372.

MeyerhOfer, W. [2004]: Zum Problem des Ratens bei PISA. In: Journal for Mathematik-Didaktik, 25(2004) 1,62-69.

Woschek, R. [2004]: Ein Beitrag zur Diskussion des Rateproblems bei MC-Aufgaben. In: Journal for Mathematik-Didaktik, 25(2004) 2, 149-152.

Adresse des Autors

Prof. em. Dr. Hartwig Meif3ner Westf!ilische Wilhelms-Universitiit Einsteinstr. 62 48149 Munster

(JMD 25 (2004) H. 3/4, S. 306)