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Messtechnik 7. Auflage

Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

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Page 1: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Messtechnik7. Auflage

Page 2: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Uwe Kiencke · Ralf Eger

Messtechnik

Systemtheorie für Elektrotechniker

7. Auflage

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Page 3: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Prof. Dr.-Ing. Uwe KienckeRalf EgerUniversität KarlsruheInstitut für Industrielle InformationstechnikHertzstr. 1676187 [email protected]@iiit.uni-karlsruhe.de

ISBN 978-3-540-78428-9

DOI 10.1007/978-3-540-78429-6

e-ISBN 978-3-540-78429-6

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© 2008, 2005, 2001, 1995 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Satz: Digitale Druckvorlage der AutorenHerstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, LeipzigEinbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg

Gedruckt auf säurefreiem Papier

9 8 7 6 5 4 3 2 1

springer.com

Page 4: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Vorwort zur 7. Auflage

Nach mehreren Jahren überwiegen die guten Erfahrungen im Lehrbetrieb mit der 6.Auflage des Buches Messtechnik. Weil die 6. Auflage aufgrund der hohen Nachfra-ge bereits wieder vergriffen ist, haben wir uns entschlossen diese 7. Auflage auf denWeg zu bringen.

In der Erstellung der 6. Auflage haben sich unglücklicherweise Fehler eingeschli-chen, die Dank der interessierten Hörer- und Leserschaft entdeckt werden konntenund nun in dieser Auflage korrigiert worden sind.

Die bis vor einiger Zeit verfügbaren Aufgaben zum Buch wurden aus didaktischenGründen aus dem Internet heraus genommen. In der Übung zur Vorlesung werdenAufgaben zu den behandelten Themen vorgerechnet, um die Theorie und die prak-tische Berechnungen gezielt zu erlernen und zu vertiefen.

Danken möchten wir den Hörern des Faches und Lesern des Buches Messtechnikfür die Hinweise zu den Fehlern sowie Herrn Dr.-Ing. Jörg Barrho und Frau Dipl.-Ing. Lena Webersinke für die nützlichen Kommentare und die Überarbeitung desManuskripts.

Karlsruhe, im Frühjahr 2008 Uwe Kiencke, Ralf Eger

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Vorwort zur 5. Auflage

Die vorliegende 5. Auflage des Buches Messtechnik ist aus der 4. Auflage durchvollständige Überarbeitung hervorgegangen. Während früher unterschiedliche Mes-saufgaben fallweise behandelt wurden, ist in Zukunft ein systemorientiertes Vorge-hen erforderlich, das auf mathematischen Grundlagen aufbaut. Es sollen nicht spe-zielle Technologien oder physikalische Effekte untersucht werden, sondern der Wegvon dort zu Messsystemen, die Teil von Automatisierungs- und Informationssyste-men sind.

Eine wesentliche Neuerung dieses Buches ergibt sich aus der besseren Anknüpfungan die Theorie stochastischer Prozesse. Hierzu wurde ein eigenes Kapitel einge-fügt, welches die theoretischen Grundlagen und die systematische Einteilung vonSignalklassen zusammenfasst. Dies bildet die Basis für die Korrelationsmesstech-nik, die um zahlreiche Anwendungen ergänzt wurde. Für die Systemanalyse werdendie theoretischen Zusammenhänge von stochastischen Prozessen in LTI-Systemenund der Begriff der Leistungsdichte eingeführt. Mit diesen Grundlagen kann dasWiener-Filter als ein weitergehendes Verfahren vorgestellt werden.

Die Signalverarbeitung gehört heute zu den Grundlagen des Elektrotechnikstudiums.Der Übergang von der analogen in die digitale Welt wird hierbei meist idealisiertbetrachtet. In diesem Buch wird eine umfassende systemtheoretische Beschreibungvon Fehlern bei der digitalen Messdatenerfassung durch Quantisierung, Jitter odernicht ideale AD-Wandler vorgestellt.

Der Erfassung von frequenzanalogen Signalen wurde wegen der wachsenden Be-deutung ein eigenes Kapitel gewidmet. Nach einer theoretischen Definition des Fre-quenzbegriffes aus dem 2. Moment der Leistungsdichte werden die Fehlereinflüssedurch Abtastung und Quantisierung umfassend mit stochastischen Grundlagen be-schrieben. Mit Hilfe eines Least-Squares-Schätzers wird zusätzlich ein dynamischesFehlerkompensationsverfahren für mechanische Sensorradfehler vorgestellt, das inder Automobiltechnik verwendet wird.

Die Übungsaufgaben zur Vertiefung des Stoffes wurden erweitert und an die neuenInhalte angepasst. Auf eine Aufnahme in dieses Buch wurde dagegen verzichtet.Vielmehr können die Aufgaben mit ausführlicher Musterlösung im Internet unterhttp://www.iiit.uni-karlsruhe.de bezogen werden.

Karlsruhe, im Herbst 2001 Uwe Kiencke, Ralf Eger

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Vorwort zur 4. Auflage

Dieses Buch Messtechnik richtet sich an die Studenten der Elektrotechnik nach demVordiplom. In dem vorgegebenen Zeitrahmen einer Kernfach-Vorlesung von nurzwei Stunden ist es nicht möglich, die gesamte Breite der Messtechnik zu behan-deln, weil diese sich auf die unterschiedlichsten Verfahren und Technologien ab-stützt. Deshalb erfolgt hier eine Beschränkung auf die systemtechnischen Grundla-gen der Messtechnik. Es werden die allen Messsystemen gemeinsamen Verfahrenin den Vordergrund gestellt, mit denen

• das physikalische Verhalten durch ein mathematisches Modell beschrieben

• die statischen und dynamischen Eigenschaften von Messsystemen verbessert

• stochastische Messgrößen gemessen und verarbeitet

• Messdaten in Digitalrechnern erfasst

werden können. Die konkrete Anwendung dieser Verfahren auf Messsysteme spe-zieller Technologien wird an Beispielen und in Übungsaufgaben im 6. Kapitel vor-geführt. Der Leser soll damit in die Lage versetzt werden, sich in spezielle Sen-sorkonfigurationen selbst einzuarbeiten. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis dergebräuchlichen Integraltransformationen und der Grundlagen der Wahrscheinlich-keitsrechnung.

Bei der Ausarbeitung dieses Buches fand ich das Buch meines verehrten Vorgän-gers, Herrn Prof. Heinz Kronmüller Methoden der Messtechnik, Schnäcker-VerlagKarlsruhe, 3. Auflage, 1988, vor, das die Messtechnik in der oben geschilderten,systematischen Weise hervorragend aufbereitet. Ich habe es deshalb als Grundlageherangezogen. Bei den Ableitungen von Formeln sind alle notwendigen Zwischen-schritte angegeben, damit der Leser sich den Stoff auch im Selbststudium aneignenkann. Das 4. Kapitel Messungen stochastischer Größen wurde um die statistischeQualitätskontrolle erweitert und das 5. Kapitel Digitale Messdatenerfassung neuaufgenommen. Dabei werden einfache Grundlagen der Signalverarbeitung einge-führt.

Besonderer Dank gilt den Herren Dipl.-Ing. Armin Daiß und Dipl.-Ing. MartinOstertag für Ihre Mithilfe bei der Ausarbeitung, Herrn Ulrich Lang für das Lay-out und die Zeichnungen, sowie Herrn Frank Kolb für die Ausformulierung derLösungen zu den Übungsaufgaben.

Karlsruhe, im Mai 1995 Uwe Kiencke

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Inhaltsverzeichnis

1. Messsysteme und Messfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.1.1 Einheitensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Messsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.2.1 Physikalische Messkennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.3 Fehler, ihre Definition und Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.3.1 Definition des Fehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.3.2 Fehlerursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.3.3 Spezifizierte Normalbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2. Kurvenanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.1 Approximation mit orthonormalen Funktionensystemen . . . . . . . . . . 142.2 Least-Squares-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.2.1 Regressionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.3 Kennlinieninterpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.3.1 Interpolation durch Lagrange-Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.3.2 Interpolation durch Newton-Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.3.3 Spline-Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.4 Kennfeld-Interpolation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3. Stationäres Verhalten von Messsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373.1 Stationäre Messkennlinie und deren Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

3.1.1 Abgleich, Justierung der Messkennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 373.1.2 Ideale und reale Messkennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383.1.3 Kennlinienfehler bei realer Kennlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.1.4 Abschätzung des Kennlinienfehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.2.1 Herabsetzen des Messbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.2.2 Hintereinanderschalten zweier nichtlinearer Glieder . . . . . . . 473.2.3 Wahl des günstigsten Messbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513.2.4 Differenzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573.2.5 Gegenkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen . . 663.3.1 Superponierende Störgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

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X Inhaltsverzeichnis

3.3.2 Eliminierung superponierender Störgrößen mit der Diffe-renzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

3.3.3 Deformierende Störgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693.3.4 Deformierende Störgrößen bei Gegenkopplung . . . . . . . . . . . 723.3.5 Superponierende Störgrößen bei Gegenkopplung . . . . . . . . . . 753.3.6 Kompensation systematischer Störeinflüsse . . . . . . . . . . . . . . 753.3.7 Abschirmung von Störgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763.3.8 Superponierende Störgrößen in Messketten . . . . . . . . . . . . . . 763.3.9 Synchroner Zerhackerverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

3.4 Rückwirkung des Messsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 854.1 Dynamische Fehler von Messsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

4.1.1 Empirische Kennwerte der Sprungantwort . . . . . . . . . . . . . . . 854.1.2 Nichtlineares Zeitverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864.1.3 Bestimmung des Frequenzganges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

4.2 Systembeschreibung von Messsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894.2.1 Stabilitätskriterium nach Hurwitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

4.3 Parameteroptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 944.3.1 Kriterium verschwindende Momente der Impulsantwort . . . . 964.3.2 Kriterium konstanter Amplitudengang für kleine Frequenzen 1004.3.3 Kriterium konstanter Realteil des Frequenzganges . . . . . . . . 1044.3.4 ITAE-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1104.3.5 Kriterium „Quadratisches Fehlerintegral“ . . . . . . . . . . . . . . . . 115

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens . . . . . . . . . . . . 1214.4.1 Kompensation des Zeitverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1214.4.2 Zeitverhalten bei Gegenkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

5. Zufällige Messfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1355.1 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

5.1.1 Wahrscheinlichkeitsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1365.1.2 Wahrscheinlichkeitsdichten abgebildeter Größen . . . . . . . . . . 1395.1.3 Erwartungswerte 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1405.1.4 Erwartungswerte 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1415.1.5 Korrelationskoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1425.1.6 Charakteristische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

5.2 Stichproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1465.2.1 Häufigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1465.2.2 Stichprobenmittelwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1475.2.3 Stichprobenvarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1495.2.4 Gesetz der großen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1515.2.5 Mittelwertbildung bei Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

5.3 Normalverteilte Zufallsvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1555.3.1 Normalverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1555.3.2 Zentraler Grenzwertsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

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Inhaltsverzeichnis XI

5.3.3 χ2-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1575.3.4 Student t-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

5.4 Statistische Testverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1625.4.1 Statistische Sicherheit, Konfidenzintervall . . . . . . . . . . . . . . . 1625.4.2 Hypothese und Testverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1675.4.3 Signifikanztest für den Stichprobenmittelwert . . . . . . . . . . . . 1685.4.4 χ2-Anpassungstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1705.4.5 Beurteilung von Fertigungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1735.4.6 Bestimmung der Ausfallrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1765.4.7 Statistische Prozess-Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

5.5 Fehlerfortpflanzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1845.5.1 Gaußsches Fehlerfortpflanzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1845.5.2 Numerische Berechnung von Mittelwert und Varianz . . . . . . 186

6. Korrelationsmesstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1896.1 Stochastische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

6.1.1 Wahrscheinlichkeitsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1906.1.2 Schar- und Zeitmittelwerte, Momente 1. Ordnung . . . . . . . . . 1926.1.3 Momente 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1946.1.4 Stationäre Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1956.1.5 Ergodische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

6.2 Korrelationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1996.2.1 Signalklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1996.2.2 Korrelation für Leistungssignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2026.2.3 Korrelation für Energiesignale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2046.2.4 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

6.3 Anwendung der Korrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2076.3.1 Messung von Korrelationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2076.3.2 Ähnlichkeit von Signalen, Laufzeitmessung . . . . . . . . . . . . . . 2096.3.3 Closed-loop Korrelator, Polaritätskorrelation . . . . . . . . . . . . . 2126.3.4 Ähnlichkeit von Spektren, Dopplermessung . . . . . . . . . . . . . . 2166.3.5 Selbstähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

6.4 Leistungsdichtespektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196.4.1 Rauschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2226.4.2 Verknüpfung von Zufallssignalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2266.4.3 Leistungsdichtespektrum in LTI-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . 2276.4.4 Systemidentifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2316.4.5 Wiener Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

7. Erfassung amplitudenanaloger Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2437.1 Abtastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

7.1.1 Aliasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2467.1.2 Anti-Aliasing-Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2477.1.3 Mittelwertbildung bei endlicher Abtastdauer . . . . . . . . . . . . . 2497.1.4 Zeitliche Abtastfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

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XII Inhaltsverzeichnis

7.2 Quantisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2567.2.1 Wahrscheinlichkeitsdichten von Signalamplituden . . . . . . . . . 2597.2.2 Amplitudendichte einer Fourier-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2617.2.3 Quantisierungstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2627.2.4 Wahrscheinlichkeitsdichte des Quantisierungsfehlers . . . . . . 2677.2.5 Dither . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

7.3 Analog-Digital-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2747.3.1 Integrierender AD-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2747.3.2 Verzögert nachlaufender AD–Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2767.3.3 Sigma-Delta-Wandler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2777.3.4 AD-Umsetzer mit sukzessiver Approximation . . . . . . . . . . . . 2847.3.5 Ratiometrische Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2867.3.6 Nichtlineare Kennlinie des AD–Umsetzers . . . . . . . . . . . . . . . 287

7.4 Digital-Analog-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2887.4.1 Parallele DA-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2897.4.2 Serielle DA-Umsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

8. Erfassung frequenzanaloger Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8.1 Allgemeiner Frequenzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2968.2 Digitale Drehzahlmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

8.2.1 Periodendauermessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3028.2.2 Frequenzzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3048.2.3 Maximaler Quantisierungsfehler für einen Zählvorgang . . . . 3048.2.4 Mittelwertbildung bei der Drehzahlmessung . . . . . . . . . . . . . . 3068.2.5 Abtastung bei der Drehzahlmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3098.2.6 Quantisierung bei fortlaufenden Periodendauermessungen . . 3108.2.7 Leistungsdichte des Quantisierungsfehlers . . . . . . . . . . . . . . . 3148.2.8 Kompensation mechanischer Fehler des Sensorrades . . . . . . . 316

8.3 Kontinuierliche Frequenzmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3218.3.1 Frequenzregelkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3228.3.2 Phasenregelkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

8.4 Positions- und Richtungserkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3278.4.1 Drehrichtungserkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3278.4.2 Positionsbestimmung mit Inkrementalgebern . . . . . . . . . . . . . 329

Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Page 11: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

1. Messsysteme und Messfehler

Die Grundaufgabe der Messtechnik besteht in der Erfassung physikalisch-tech-nischer Größen mit einer vorgegebenen Genauigkeit. Da prinzipiell jedes Messver-fahren fehlerhaft ist, müssen diese Fehler abgeschätzt werden, um Aussagen überdie mögliche Messgenauigkeit treffen zu können. Ziel ist es, die entstehendenMessfehler möglichst klein zu halten oder gegebenenfalls zu kompensieren. Da-zu bedarf es allerdings einer Systembeschreibung des Messvorgangs mit all sei-nen Eigenschaften und Einflussgrößen. Liegt diese Beschreibung vor, so könnenmit systemtheoretischen Untersuchungen die Fehlereinflüsse modelliert und durchSystemoptimierung deren Einfluss minimiert werden.

1.1 Messen

Eine Größe zu messen heißt, einen speziellen Wert einer physikalischen Größe zuerfassen. Die Messgröße wird dabei mit einer zuvor vereinbarten Einheit, dem Nor-mal, verglichen.

Für eine Messung sind zwei Voraussetzungen notwendig. Zum einen muss die zumessende Größe eindeutig definiert sein. Zum anderen muss die Einheit oder dasNormal durch eine Konvention festgelegt werden. Die Festlegung einer Einheit istim Prinzip willkürlich. Man sollte jedoch die folgenden Bedingungen beachten:

• Jede Einheit sollte praktisch sein, d.h. sie sollte sowohl im Alltagsleben als auchin der Wissenschaft verwendbar sein.

• Sie sollte gut reproduzierbar sein.

• Das Normal sollte möglichst unveränderlich sein.

1.1.1 Einheitensystem

Für eine widerspruchsfreie Darstellung aller physikalischen Größen genügt es, ausihnen nur sieben Basisgrößen auszuwählen, denen per Definition eine bestimmtequalitative und quantitative Eigenschaft zugeordnet wird. Alle anderen physikali-schen Größen werden als Verhältnis zu diesen Basisgrößen ausgedrückt.

Page 12: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2 1. Messsysteme und Messfehler

1790 beschloss die französische Nationalversammlung die Schaffung eines neuenEinheitensystems. Es sollte ausschließlich auf objektiven physikalischen Kriteriengründen und allen Nationen zugänglich sein. 1799 wurde mit dem „metre des ar-chives“ und dem „kilogramme des archives“ das erste metrische System vollendet.Bedingt durch politische Umstände kam es jedoch erst 1875 zum Abschluss derMeterkonvention, welche von 17 Staaten unterzeichnet wurde. Das internationaleEinheitensystem SI (benannt nach „le Système Internationale d’unités“) stellt dasheute gültige Einheitensystem in Deutschland dar. Die sieben Basisgrößen und Ba-siseinheiten des SI-Systems sind im folgenden dargestellt [2].

Meter: Das Meter ist die Länge der Strecke, die das Licht im Vakuum in einemIntervall von 1/299 792 458 Sekunden zurücklegt.

Kilogramm: Das Kilogramm ist die Einheit der Masse. Es ist gleich der Masse desinternationalen Kilogrammprototyps.

Sekunde: Die Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der demÜbergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandesvon Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.

Ampere: Das Ampere ist die Stärke eines konstanten elektrischen Stromes, der,durch zwei parallele, geradlinige, unendlich lange und im Vakuum im Abstandvon einem Meter voneinander angeordnete Leiter von vernachlässigbar klei-nem, kreisförmigen Querschnitt fließend, zwischen diesen Leitern mit je einemMeter Leiterlänge die Kraft 2 · 10−7 Newton hervorrufen würde.

Kelvin: Das Kelvin, die Einheit der thermodynamischen Temperatur, ist der273,16te Teil der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes des Was-sers. Temperaturdifferenzen dürfen auch in Grad Celsius, mit dem Einheiten-zeichen C angegeben werden.

Mol: Das Mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus ebenso viel Einzelteilchenbesteht, wie Atome in 0.012 Kilogramm des Kohlenstoffmoleküls 12C enthal-ten sind. Bei Benutzung des Mol müssen die Einzelteilchen spezifiziert seinund können Atome, Moleküle, Ionen, Elektronen sowie andere Teichen oderGruppen solcher Teilchen genau angegebener Zusammensetzung sein.

Candela: Die Candela ist die Lichtstärke in einer bestimmten Richtung einer Strah-lungsquelle, die monochromatische Strahlung der Frequenz 540 · 1012 Hz aus-sendet und deren Strahlungsstärke in dieser Richtung 1/683 Watt durch Stera-diant beträgt.

Auch die Definition der Normale ist nicht für alle Zeiten fest vorgegeben. Die Con-ference Internationale des Poids et Mesures (CIPM) prüft auf regelmäßigen Sitzun-gen den aktuellen Entwicklungsstand und beschließt gegebenenfalls Veränderun-gen. Am Beispiel der Längeneinheit Meter sollen die Veränderungen des Normalsdargestellt werden:

1889 aus 37 Prototypen wird per Losverfahren das „ Urmeter“ bestimmt. Es han-delt sich dabei um einen x-förmigen Stab aus Platin-Iridium, auf welchem der

Page 13: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

1.2 Messsysteme 3

Abstand zweier Strichmarken bei einer Stabtemperatur von 0C die Längen-einheit 1 m darstellt. Das Urmeter wird mit sechs weiteren in Sèvres bei Parisaufbewahrt. Die restlichen Normale werden an die Unterzeichnerstaaten derMeterkonvention verteilt.

1960 auf der 11. Generalkonferenz wird das Meter als das 1 650 763,73 fache derWellenlänge festgelegt, die das Atom 86Kr (Krypton) beim Übergang vom Zu-stand 5d5 in den Zustand 2p10 als elektromagnetische Welle aussendet.

1983 auf der 17. Generalkonferenz wird das Meter in seiner bis heute gültigen Formdefiniert. Seither gilt als ein Meter die Länge, die das Licht im Vakuum in einemIntervall von 1/299 792 458 Sekunden zurücklegt.

1.2 Messsysteme

Um physikalische Größen zu messen, benötigt man ein Messsystem. Je nach Art derMessaufgabe handelt es sich hierbei um Systeme unterschiedlichster Komplexität.Die einfachsten Systeme ergeben sich bei so genannten direkten Messverfahren,wo der gesuchte Messwert durch unmittelbaren Vergleich mit einem Bezugswertderselben Messgröße gewonnen wird.

Beispiel 1.1 BalkenwaageBei einer Balkenwaage wird die unbekannte Masse mit der bekannten Masse derGewichtssteine verglichen.

Die meisten physikalischen Größen können hingegen nur indirekt gemessen wer-den. Die gesuchte Messgröße wird dabei über physikalische Zusammenhänge aufandere Größen zurückgeführt und aus diesen ermittelt.

Beispiel 1.2 FederwaageDie Masse soll über die Auslenkung einer Feder bestimmt werden. Über das Kräf-tegleichgewicht erhält man

mg = cx,

m =cx

g.

Die Messgröße ist die Masse m, abgelesen wird allerdings die Auslenkung x, dieüber den Zusammenhang des Kräftegleichgewichts auf die gesuchte Größe zurück-geführt wird.

Um das Verhalten von Messsystemen untersuchen zu können, ist zunächst eine Be-schreibung des Systems erforderlich. Man spricht hierbei von Modellbildung. Sieversucht einen mathematischen Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsgrö-ßen am System zu ermitteln. Die Beschreibung von Messsystemen dient im we-sentlichen zur Beschreibung ihrer Fehler. In der Messtechnik bezeichnet man denZusammenhang zwischen der zu erfassenden Messgröße u und dem angezeigtenWert y als Kennlinie.

Page 14: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4 1. Messsysteme und Messfehler

1.2.1 Physikalische Messkennlinie

Die Modellbildung von Messsystemen führt zu einer analytischen Beschreibung desMesssystems. Im allgemeinen erhält man dann Differentialgleichungen der Form

x = w (x (t) , u (t) , z (t) , t) . (1.1)

Neben der Eingangsgröße u(t) wirken Störgrößen z(t) ein, die das Systemverhaltenwährend des Betriebs ändern können. Die Störgrößen sind damit weitere Eingangs-größen des Messsystems. Dazu zwei Beispiele:

Beispiel 1.3 FederwaageEine Federwaage mit der Kennlinie m = cx/g hat als Systemparameter die Feder-konstante c. Ändert sich die Federkonstante im Betrieb aufgrund von Alterungser-scheinungen, so ist c eine Störgröße z des Messsystems.

Beispiel 1.4 HandelswaageBei einer Handelswaage sind die Hebelarme Systemparameter, die sich mit der Um-gebungstemperatur ändern. Man kann nun entweder die Länge der Hebelarme selbstals Störgröße z auffassen, oder aber die Umgebungstemperatur als zusätzliche Stör-größe z betrachten, deren funktionelle Wirkung auf die Hebelarme beschrieben wer-den muss.

Von einem idealen Messsystem wird verlangt, dass es unter den vielen Einflussgrö-ßen allein die Messgröße u in der Ausgangsgröße y abbildet. In der Praxis ist dasallerdings unmöglich. Am Beispiel der Handelswaage erkennt man, dass durch einegenaue Modellbildung die Wirkung vieler Störeinflüsse auf das Messergebnis ma-thematisch beschrieben werden kann. Das ermöglicht in manchen Fällen sogar eineKompensation der Störungen.

Die Grundaufgabe der Messtechnik ist es, eine stationäre Messgröße zu erfassen,die sich während der Messung nicht verändert. Gesucht ist also eine stationäreKennlinie, die sich ergibt, wenn alle Einschwingvorgänge abgeklungen sind. Imstationären Zustand des Systems gilt:

x = 0.

Hieraus erhält man die stationäre physikalische Messkennlinie. Abbildung 1.1 zeigtden Aufbau eines Messsystems. u(t) ist die Messgröße und Eingang in das System,y(t) ist die Ausgangsgröße, d.h. diejenige Größe, die von dem Messsystem ermitteltwerden soll. Die Auflösung von Gl.(1.1) mit x = 0 ergibt, dass x von der Messgrö-ße u und vom Störgrößenvektor z abhängt. Er ist nur noch indirekt von der Zeitabhängig:

x = g (u, z) .

Page 15: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

1.3 Fehler, ihre Definition und Ursachen 5

Einsetzen von x in die Ausgangsgleichung y = F (x) führt zur physikalischenMesskennlinie :

y = F (x) = F (g (u, z)) = f (u, z) . (1.2)

u t( )

u t

y t

( )

( )

Zustandsvektor des Messsystems

Messgröße

Ausgangsgröße

Störgrößenvektor

w u t( , , , )x z

t( )z

t( )x

F ( )x

t( )y

t( )z

t( )x

Abbildung 1.1. Zu-standsbeschreibung desMesssystems

Für die physikalische Messkennlinie y = f(u, z) wird im Messbereich eine stetigestreng monotone Funktion gefordert, wodurch Mehrdeutigkeiten vermieden werden.Es gilt mit beliebigen ε > 0 im gesamten Messbereich

f (u + ε) > f (u) oder f (u + ε) < f (u) .

1.3 Fehler, ihre Definition und Ursachen

Nach Beschreibung der physikalischen Eigenschaften von Messsystemen müssenderen Fehler abgeschätzt werden. Bevor von Fehlern gesprochen werden kann, mussklar herausgestellt werden, welche Größe am Prozess als Messgröße verstandenwerden soll. Bei einfachen Aufgaben wie den Abmessungen eines Werkstückes ent-steht darüber keine Diskussion. Hat aber die Messgröße von Ort zu Ort verschiede-ne Werte, so wird man sich auf die Messung an einer oder mehreren repräsentativenStellen einigen müssen. Bei Messung an mehreren Stellen wird man z.B. den Mit-telwert bilden und diesen als Ersatz für den wahren Messwert nehmen.

Beispiel 1.5 Temperaturmessung an DampfturbinenUm Überbeanspruchungen durch Wärmedehnung zu vermeiden, wird die Tempe-ratur von Dampfturbinengehäusen überwacht. Als repräsentative Messorte werdensolche ausgewählt, die bei instationären Vorgängen untereinander große Tempera-turdifferenzen aufweisen.

Page 16: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6 1. Messsysteme und Messfehler

Beispiel 1.6 Heizwert von BrennstoffenBei der Bestimmung des Heizwertes von festen Brennstoffvorräten wird der Heiz-wert einer zufälligen Probe kaum interessieren. Man wird, um erhebliche Fehler zuvermeiden, mehrere Proben aus dem Brennstoffvorrat entnehmen und nach statis-tischen Methoden einen mittleren Heizwert des Vorrates schätzen.

Zur Beurteilung einer bestimmten Messeinrichtung nehmen wir zunächst an, dassdie Messgröße mit einem bekannten Wert an der zu untersuchenden Messeinrich-tung anliegt.

1.3.1 Definition des Fehlers

Der absolute Fehler F eines Messsystems ist nach [3] gleich dem angezeigten oderausgegebenen Wert yA minus dem richtigen Wert yr:

F = yA − yr. (1.3)

Der relative Fehler Fr ist bezogen auf den richtigen Wert yr:

Fr =yA − yr

yr. (1.4)

Er wird meist in Prozent angegeben. Für das Abschätzen von Messfehlern ist nur derBetrag des relativen Fehlers von Interesse, zur Korrektur der Fehler kann zusätzlichdas Vorzeichen wichtig sein. Es erhebt sich natürlich die Frage, wie man den Fehlerbestimmen kann, wenn der richtige Wert yr überhaupt nicht bekannt ist. Dazu gibtes im wesentlichen zwei Möglichkeiten (Abb. 1.2).

a) Vergleich mit Präzisionsgerät b) Vermessung eines Normals

yA

yr

yA

yr

G

G

N

n

G

x

Abbildung 1.2. Möglichkeiten, den richtigen Wert festzustellen

a) Als richtiger Wert yr kann der von einem besonders aufwendigen Präzisionsin-strument Gn angezeigte Messwert dienen.

b) Mit der Messeinrichtung wird ein bekanntes Normal N (Maßverkörperung) ver-messen. Der angezeigte Wert yA wird mit dem bekannten, richtigen Wert desNormals yr verglichen.

Page 17: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

1.3 Fehler, ihre Definition und Ursachen 7

Der Fehler des Präzisionsinstruments wird z.B. durch Vermessung des Normals fest-gestellt. Ein Beispiel für ein Normal ist das Urmeter.

1.3.2 Fehlerursachen

Jede Messung ist fehlerhaft. Der Grund liegt in bestimmten Eigenschaften des Mess-gegenstandes, in Unvollkommenheiten der Messeinrichtung und des Messverfah-rens, in wechselnden Umwelteinflüssen und in Fehlern des Beobachters. Man un-terscheidet zwischen zwei Fehlerklassen:

Systematische Fehler: Die systematischen Fehler sind dadurch charakterisiert,dass die Ursache des Fehlers und die Art der Einwirkung bekannt sind. Mit erhöh-tem Aufwand im Messsystem ist deshalb eine Kompensation des systematischenFehlers zumindest im Prinzip möglich.

Zufällige Fehler: Zufällige (stochastische) Fehler weisen bei wiederholten Mes-sungen unter gleichen Bedingungen verschiedene Beträge und Vorzeichen auf. DieMesswerte „streuen“ . Zufällige Fehler sind im einzelnen nicht erfassbar, da ihreUrsachen teilweise unbekannt sind. Bei Messaufgaben interessiert deshalb nicht dasErgebnis einer einzelnen, zufälligen Messung, sondern z.B. der Mittelwert über vie-le Messungen. Ein Beispiel dafür ist die oben angeführte Bestimmung des Heizwer-tes von festen Brennstoffen. Andere Beispiele wären die Bestimmung der mittlerenAusfallrate von Bauelementen oder die Messung von elektrischen Spannungen, dievon Rauschen überlagert sind. Die Messung solcher stochastischer Größen wird inKap. 5 behandelt.

In dieser Einteilung steckt eine gewisse Willkür. Es kann z.B. passieren, dass einFehler aufgrund mangelnder Kenntnis der Messaufgabe zuerst als stochastisch de-klariert wurde. Mit besserem Systemverständnis entdeckt man dann aber determini-stische Fehlereinflüsse, so dass man nun von einem systematischen Fehler spricht.

Es können folgende Fehlerursachen auftreten.

Vereinfachtes Modell des Messsystems: Ein System mit verteilten Speichern wer-de z.B. durch konzentrierte, ideale Komponenten beschrieben. Die Messungeinzelner Zustandsgrößen dieses Systems wird die tatsächlichen Abläufe nurnäherungsweise erfassen. Als Beispiel kann die oben geschilderte Temperatur-messung an Dampfturbinen herangezogen werden.

Innere Störgrößen: Hierbei handelt es sich um Störgrößen im Messgerät selbst.Beispiele dafür sind Alterungseffekte an für die Messung wichtigen Bauteilen.Bei Drehspulinstrumenten oder Waagen ist eine Feder eingebaut, deren Eigen-schaften sich im Laufe der Lebensdauer verändert, was sich in einer fehlerhaf-ten Anzeige bemerkbar macht.

Äußere Störgrößen: Der physikalische Messeffekt wird zumeist durch eine Reihevon unerwünschten Einflüssen gestört. Ein Beispiel dafür ist die Temperatur-abhängigkeit einer Widerstandsbrückenschaltung aus Halbleiterdehnungsmess-streifen zur Druckmessung. Wenn man den nicht erwünschten Einfluss isolieren

Page 18: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8 1. Messsysteme und Messfehler

und deterministisch beschreiben kann, handelt es sich um systematische Fehler,die bei wiederholten Messungen gleichen Betrag und Vorzeichen aufweisen. Ei-ne gezielte Kompensation ist möglich, was in Abschn. 3.3.6 beschrieben wird.Eine andere Art von äußeren Störgrößen sind stochastische Einstreuungen, dieman nicht kompensieren kann. Als Technik zu ihrer Unterdrückung wird dieMittelwertbildung (Kap. 5) oder komplexere Filter (Abschn.6.4.5) angewendet.

Beobachtungsfehler: Der Beobachter, der eine Messung durchführt, kann als Feh-lerquelle in Betracht kommen, wenn er die Anzeige falsch abliest.

Dynamische Fehler: Bei vielen Messaufgaben werden zeitlich aufeinander fol-gende Messwerte benötigt. Ein Beispiel dafür ist der zeitliche Druckverlauf imZylinder eines Verbrennungsmotors während des Verdichtungshubes. Das An-zeigesignal der Messeinrichtung soll der Messgröße verzögerungsfrei folgen.Abweichungen werden als dynamische Fehler bezeichnet. Eine Diskussion er-folgt in Kap. 4.

Rückwirkung: Die Messeinrichtung braucht für den Messvorgang Energie oderLeistung, die dem Prozess entzogen wird. Der Wert der Messgröße mit ange-schlossener Messeinrichtung unterscheidet sich von dem Wert, der ohne Mes-seinrichtung erreicht worden wäre. Die Größe dieses Fehlers hängt davon ab,welche Messgrößenänderung der Energieaustausch im Prozess hervorruft. Die-ser Fehler wird Rückwirkung der Messeinrichtung auf den Prozess genannt. ImAbschn. 3.4 wird dieser Fehler behandelt.

Beispiel 1.7 Temperaturmessung einer FlüssigkeitDie Temperatur T einer Flüssigkeit der Wärmekapazität cV soll mit einem Berüh-rungsthermometer der Wärmekapazität cF gemessen werden, das vor dem Eintau-chen die Temperatur T0 hat. Die gemessene Temperatur Tm errechnet sich aus derEnergiebilanz vor und nach dem Eintauchen:

Evor = cV T + cF T0 = Enach = (cV + cF )Tm,

cV (Tm − T ) = cF (T0 − Tm) ,

∆T = Tm − T =cF

cV(T0 − Tm) .

Der Messfehler ∆T wird klein, wenn die Wärmekapazität des Messfühlers cF kleingegen die der Flüssigkeit cV ist.

1.3.3 Spezifizierte Normalbedingungen

In der Spezifikation (technische Beschreibung) eines Messsystems werden dieRandbedingungen und Umwelteinflüsse festgehalten, unter denen der Herstellereinen maximalen Fehler garantiert. Dazu gehören Angaben wie

Page 19: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

1.3 Fehler, ihre Definition und Ursachen 9

• Messbereich,• Messgenauigkeit,• Betriebsbedingungen,• Einbauvorschriften,• Energieversorgung,• Abmessungen.

Entscheidend sind die Angaben über die Fehler, die einen Vergleich mit ähnlichenGeräten und deren Messgenauigkeit ermöglichen. Die im eingeschwungenen Zu-stand sich einstellenden Fehler werden als „statische Fehler“ gekennzeichnet. Mankann somit zwei Klassen von statischen Fehlern unterscheiden.

Statische Fehler unter spezifizierten Normalbedingungen: Die Störgrößen ausder Umgebung sind dabei gemäß der Spezifikation konstant oder auf Null zu halten,

z = z0.

Statische Fehler bei Abweichung von den spezifizierten Normalbedingungen:Für jede wichtige systematische Störgröße ist eine definierte Abweichung von denNormalbedingungen herzustellen und die Auswirkung auf die Ausgangsgröße alsFehler festzustellen [48, 4],

z = zi.

Im folgenden Beispiel sollen die möglichen Fehlerursachen an einer konkreten Mes-saufgabe dargestellt werden.

Beispiel 1.8 Winkelgeschwindigkeitsmessung

er

er

P

O

er

er

Abbildung 1.3. Winkelgeschwindigkeitsmessung

Die Winkelgeschwindigkeit ω eines horizontal rotierenden Körpers soll über eineBeschleunigungsmessung bestimmt werden (Abb. 1.3). Die Winkelgeschwindigkeit

ωω

Page 20: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

10 1. Messsysteme und Messfehler

ω wird über die Kräfte gemessen, die bei einer Rotation auf einen Körper wirken.Aus der Physik sind die folgenden Zusammenhänge bekannt:

azp = ω × v Zentripedalbeschleunigung,at = ω × r Tangentialbeschleunigung.

Angewendet auf den 2-dimensionalen Fall ergibt sich nach Abb. 1.3 unter Verwen-dung von Polarkoordinaten und den Beträgen ω = |ω|, r = |r|, ω = |ω| eineBeschleunigung im Punkte P von

aP = aO + ω · r · eϕ − ω2 · r · er, (1.5)

wobei aO die Führungsbeschleunigung des Aufpunktes ist. Im Falle einer Rotationum eine feste Achse senkrecht zur Erdoberfläche kann man davon ausgehen, dassdie Achse eine reine Drehbewegung ausführt und daher aO = 0 sein wird. Bringtman nun einen idealen Beschleunigungssensor, der nur in einer Richtung empfind-lich ist, gemäß Abb. 1.4 an, so erhält man folgende Messgleichung:

aM = −ω2 · r · cos (θ) + ω · r · sin (θ) . (1.6)

ω

P

O

er

r

Beschleunigungssensor

θ

aM

Abbildung 1.4. Beschleu-nigungsmessung am rotie-renden Objekt

Im stationären Fall, d.h. bei konstanter Winkelgeschwindigkeit (ω = 0) erhält manso folgende statische Messkennlinie:

aM = −ω2 · r · cos (θ) . (1.7)

Man erkennt sofort, dass die Sensorposition (|r| , θ) das Messergebnis beeinflusst.Aber auch das Auftreten einer Führungsbeschleunigung aO in Gl.(1.5) oder eineveränderliche Winkelgeschwindigkeit (ω = 0) verfälschen das Messergebnis.

Page 21: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

1.3 Fehler, ihre Definition und Ursachen 11

Die stationäre Messkennlinie ist in diesem Beispiel quadratisch:

y = const · u2, mit u = ω, y = aM .

Die Sensorposition |r| , θ ist eine innere Störgröße des Messsystems. Als Nor-malbedingung ist dann beispielsweise die konstruktiv vorgegebene Sensorposition|r0| , θ0 spezifiziert.

Die Führungsbeschleunigung aO ist eine äußere Störgröße, die je nach Anwendungsystematischer Natur (Achse steht nicht senkrecht zur Erdoberfläche) oder stocha-stischer Natur (Unbekannte Vibrationen der Messanordnung) sein kann.

Statt einer quadratischen stationären Kennlinie wäre eine lineare Kennlinie wün-schenswert. Sie bietet den Vorteil einer konstanten Empfindlichkeit im gesamtenMessbereich. Methoden zur Linearisierung werden in Kap. 3 behandelt.

Beim Übergang auf eine neue stationäre Winkelgeschwindigkeit ω treten dynami-sche Fehler auf, die proportional zu ω sind. ändert sich ω sprungförmig, so ist dieMessung erst nach einer gewissen Zeit brauchbar, wenn die dynamischen Fehler-terme weitgehend abgeklungen sind. Das dynamische Verhalten von Messsystemenwird in Kap. 4 behandelt.

Page 22: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2. Kurvenanpassung

Die analytische Darstellung einer Messkennlinie erfordert eine Modellbildung desSystems. Da das zugrundeliegende Modell in der Praxis oft unbekannt ist, liegt diestationäre Messkennlinie häufig nicht in analytischer Form, sondern nur in der Formvon n Messpunkten (uk, yk), k = 0 . . . n − 1 vor. Gesucht wird nun eine analyti-sche Darstellung der Kennlinie, welche die gemessenen Punkte in geeigneter Weisenachbildet. Dadurch können für beliebige Zwischenwerte u die zugehörigen Werte yangegeben werden. Des weiteren kann die so gewonnene Messkennlinie mit den inKap. 3 besprochenen Methoden genauer untersucht und verbessert werden. Bei derKonstruktion einer analytischen Kennlinie aus Messpunkten können zwei grund-sätzlich verschiedene Ansätze verfolgt werden.

Interpolation: Liegen nur wenige Messwerte vor, so wird man verlangen, dass dieanalytische Kennlinie exakt durch alle Messpunkte geht. Verwendet man beispiels-weise Polynome p(u) zur Interpolation, so erhält man bei n Messpunkten Polynomemit dem Grad p(u) ≤ n − 1. Man erkennt sofort, dass eine Interpolation nur fürkleine n sinnvoll ist. Für eine große Anzahl von Messwerten wird die Interpolations-funktion sehr schnell unhandlich. Das Interpolationsproblem wird im Abschn. 2.3behandelt.

Minimierung der Fehlerquadrate: Liegen sehr viele Messpunkte vor, ist die In-terpolation ein unpraktischer Ansatz. Man sucht vielmehr einfache Funktionen, wel-che die Menge der Messpunkte so nachbildet, dass der entstehende Fehler zwischenden Messpunkten und der analytischen Funktion möglichst klein wird. Als Stich-wort sei hier die Regressionsrechnung genannt (Abschn. 2.2.1) . Will man für belie-bige Zwischenwerte u die zugehörigen Werte y angeben, so wird die Kennlinie alsApproximation in einer endlichen Reihe analytischer Funktionen Φi (u) dargestellt:

y(u) =

m−1∑i=0

aiΦi (u) bzw. yk =

m−1∑i=0

aiΦi (uk), k = 1 . . . n. (2.1)

Die Koeffizienten ai werden dann bestimmt über die Minimierung eines GütemaßesQ, wobei üblicherweise die Summe der Approximationsfehlerquadrate herangezo-gen wird,

Q =n−1∑k=0

(yk −

m−1∑i=0

aiΦi (uk)

)2

⇒ min. (2.2)

Page 23: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

14 2. Kurvenanpassung

Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der Tatsache, dass man mit einer begrenz-ten Anzahl m einfacher Basisfunktionen Φi (u) die Kennlinie bereits nachbildenkann, wobei im allgemeinen m << n gilt. Die so gewonnene analytische Kennliniegeht allerdings nicht exakt durch die gemessenen Punkte.

u

y u( )

**

*

*

u3u0u2u1

y1

y2

y0

y3

u

y u( )

**

*

*

un-1u0

yn-1 * ******

**

*

*

*

Interpolation Approximation

y0

Abbildung 2.1. Kennlinie in Form von n Messpunkten

2.1 Approximation mit orthonormalen Funktionensystemen

Es stellt sich natürlich die Frage, warum man orthogonale Funktionensysteme fürdie Kennlinienapproximation verwenden möchte. Zur Verdeutlichung erinnern wiruns zunächst an die Vektorrechnung. Im dreidimensionalen Raum IR3 wird jederVektor durch seine Komponenten in x, y und z-Richtung dargestellt. Beispielsweisesei der Vektor

a = (a0 a1 a2)T

gegeben. Die Richtungsvektoren bilden dabei das Basissystem des Vektorraumes

e0 =

⎛⎝100

⎞⎠ e1 =

⎛⎝010

⎞⎠ e2 =

⎛⎝001

⎞⎠ ,

mit denen sich nun unser Vektor darstellen lässt zu

a = a0e0 + a1e1 + a2e2 =

2∑i=0

aiei.

Page 24: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.1 Approximation mit orthonormalen Funktionensystemen 15

Das Basissystem (e0; e1; e2) bildet dabei ein orthonormales Basissystem. Es hat diebesondere Eigenschaft, dass das Innenprodukt zwischen zwei verschiedenen Basis-vektoren immer verschwindet (die Vektoren stehen senkrecht aufeinander) und dassder Betrag eines Basisvektors gleich eins ist,

〈ei, ej〉 =

n−1∑k=0

ei,k · ej,k = δij =

1 , i = j,0 , i = j.

Der große Vorteil des orthonormalen Basissystems ist die Tatsache, dass bei Hinzu-nahme einer neuen Dimension (in unserem Beispiel eine Komponente a2 ) lediglichder Basisvektor e2 zur Darstellung des Vektors hinzugenommen werden muss, ohnedass sich dabei eine Änderung der Komponenten a0 und a1 ergibt. Bei der Approxi-mation von Messkennlinien macht man sich genau diese Eigenschaft orthonormalerBasissysteme zu nutze. Man verwendet zur Approximation Funktionensysteme mitder Eigenschaft

〈Φi, Φe〉 =

n−1∑k=0

Φi (uk) · Φ∗e (uk) = δie =

1 , i = e,0 , i = e.

(2.3)

Die Funktionswerte Φi (uk) an den Stützstellen uk liefern also orthonormale,n-dimensionale Vektoren. Voraussetzung ist allerdings, dass die Stützstellen äqui-distant über dem gesamten Orthogonalitätsintervall des Funktionensystems verteiltsind. Zur Bestimmung der Koeffizienten wird die Gütefunktion Q von Gl.(2.2) nachden gesuchten Koeffizienten ae abgeleitet:

Q =

n−1∑k=0

(yk −

m−1∑i=0

aiΦi(uk)

)(yk −

m−1∑e=0

aeΦe(uk)

)∗

, (2.4)

∂Q

∂ae= −2

n−1∑k=0

(yk −

m−1∑i=0

aiΦi(uk)

)Φ∗

e(uk)

= −2

(n−1∑k=0

ykΦ∗e(uk) −

n−1∑k=0

m−1∑i=0

aiΦi(uk)Φ∗e(uk)

)= 0, (2.5)

n−1∑k=0

ykΦ∗e(uk) −

m−1∑i=0

ai

n−1∑k=0

Φi(uk)Φ∗e(uk)︸ ︷︷ ︸

δie

= 0

⇒ ae =n−1∑k=0

ykΦ∗e(uk). (2.6)

Page 25: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

16 2. Kurvenanpassung

Man erkennt sofort den Vorteil der Funktionen Φi. Die Koeffizienten ae zur Dar-stellung der Kennlinie hängen nur von der zugehörigen Basisfunktion Φe(uk) ab.Werden weitere Funktionen Φi zur Approximation verwendet, so bleiben die bis-her berechneten Koeffizienten unverändert. Der quadratische Fehler zwischen denMesspunkten und der approximierten Kennlinie berechnet sich zu

Q =

n−1∑k=0

(yk −

m−1∑i=0

aiΦi(uk)

)(yk −

m−1∑e=0

aeΦe(uk)

)∗

=

n−1∑k=0

y2k −

m−1∑i=0

ai

n−1∑k=0

Φi(uk)y∗k︸ ︷︷ ︸

a∗

i

−m−1∑e=0

a∗e

n−1∑k=0

Φ∗e(uk)yk︸ ︷︷ ︸ae

(2.7)

+

m−1∑i=0

m−1∑e=0

aia∗e

n−1∑k=0

Φi(uk)Φ∗e(uk)︸ ︷︷ ︸

δie

,

Q =

n−1∑k=0

y2k −

m−1∑i=0

|ai|2. (2.8)

Mit wachsendem Grad m der Funktionenreihe wird der Approximationsfehler ge-ringer. Aus Q ≥ 0 ergibt sich die bekannte Besselsche Ungleichung. Es stelltsich nun die Frage, welche Funktionensysteme die Orthogonalitätsbedingung nachGl.(2.3) erfüllen. Die bekanntesten Funktionen sind die Funktionen der Fourier-Reihe,

Fi (u) =1√n· ej2πi u−ua

ue−ua . (2.9)

Die Funktionen Fi (uk) bilden im Intervall des Messbereiches [ua, ue] bei n + 1äquidistanten Stützstellen im Abstand ∆u ein orthonormales Funktionensystem,

〈Fi (uk) , Fe (uk)〉 =1

n

n−1∑k=0

ej2πi

uk−ua

ue−ua · e−j2πeuk−ua

ue−ua .

uu0 u1 ui un...

ua ue

u

n . u

un-1

Abbildung 2.2. Stützstellenabstände einer gemessenen Kennlinie

Page 26: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.1 Approximation mit orthonormalen Funktionensystemen 17

Mit dem Stützstellenabstand ∆u und der Intervallbreite (ue − ua) = n · ∆u gilt

uk = k · ∆u + ua → (uk − ua)

(ue − ua)=

k

n.

Damit lässt sich das Innenprodukt schreiben und die Orthogonalität zeigen:

〈Fi (uk) , Fe (uk)〉 =1

n

n−1∑k=0

ej2π(i−e) kn = δie. (2.10)

Zur Veranschaulichung der Orthogonalität von Gl.(2.10) hilft ein Zeigerdiagrammin der komplexen Ebene. Für i = e ergibt sich ein geschlossenes n-Eck, d.h. dieSumme der Zeiger verschwindet. Nur für i = e ergibt sich ein Wert ungleich Null.Die Approximation einer Messkennlinie mit den Funktionen aus Gl.(2.9) entspricht

Re

Im~ ~

ej 2

36

π

e j0 e j0 e j0 e j0

ej 2

26

π

ej 2

16

πe

j 256

π

ej 2

46

π

e=i

e=i

n =6

Abbildung 2.3. Zeigerdiagramm zur Orthogonalität der Fourier-Funktionen

gerade der Fourier-Reihe bei periodischen Funktionen. Der Nachteil dieses Funk-tionensystems für die Anwendung im Digitalrechner ist die notwendige Rechnungmit komplexen e-Funktionen. Geradezu ideal für die Implementierung im Mikro-rechner ist hingegen das orthonormale System der Walsh-Funktionen geeignet. Siesind im Intervall [0, 1] definiert und nehmen nur die Funktionswerte +1 und −1 an:

wal (i, u) mit

〈wal (i, u) , wal (e, u)〉 =1

n

n−1∑k=0

wal (i, uk) · wal (e, uk) = δie.

Abbildung 2.4 zeigt einige Funktionen innerhalb des Funktionensystems. Von derOrthogonalität dieser Funktionen überzeugt man sich leicht durch Summenbildungüber äquidistant verteilte Stützstellen. Die Berechnung der Koeffizienten ae nachGl.(2.6) reduziert sich bei diesem Basissystem auf eine einfache Summe über die

Page 27: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

18 2. Kurvenanpassung

wal(0,t)

wal(1,t)

wal(2,t)

wal(5,t)

0 1

-1

1

-1

1

-1

1

-1

1

-1

1

t

t

t

t

Abbildung 2.4. Walsh-Funktionen

Funktionswerte yi und ist somit ohne aufwendige Multiplikation implementierbar.Für das Rechnen mit Walsh-Funktionen und die Erzeugung beliebiger Basisfunkti-onen wal (i, u) sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen [9]. An dieserStelle soll noch auf eine Eigenschaft hingewiesen werden. Wie man aus Abb. 2.4erkennt, sind die i Nulldurchgänge der Funktionen wal (i, u) nicht gleichmäßigüber das Intervall verteilt. Um dennoch einen Frequenzbegriff wie bei Sinus- undCosinus-Funktionen zu erhalten, kann man die Häufigkeit der Nulldurchgänge imIntervall heranziehen. Damit gelangt man zur verallgemeinerten Frequenz. Sie sollspäter in Kap. 8 eingeführt werden.

2.2 Least-Squares-Schätzer

In vielen Anwendungen ist eine Approximation mit allgemeinen BasisfunktionenΦi(u) gewünscht, die nicht orthogonal sind. Dazu verwendet man den Least-Squares-Schätzer (kurz LS-Schätzer), der ebenfalls auf der Minimierung der Feh-lerquadrate basiert. Die Summe der Approximationsfehlerquadrate lautet in Vektor-schreibweise

Q =

n−1∑k=0

(yk − yk)2 = (y − y)T (y − y). (2.11)

Page 28: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.2 Least-Squares-Schätzer 19

Es wird folgender Approximationsansatz für n Messpunkte verwendet:

y =

⎡⎢⎣ y0

...yn−1

⎤⎥⎦ =

⎡⎢⎣ Φ0(u0) · · · Φm−1(u0)...

. . ....

Φ0(un−1) · · · Φm−1(un−1)

⎤⎥⎦ ·⎡⎣ a0

. . .am−1

⎤⎦ = Ψ a. (2.12)

Einsetzen von Gl.(2.12) in (2.11) ergibt

Q = (y − Ψ a)T (y − Ψ a) = yT y − 2aT ΨT y + aT ΨT Ψ a. (2.13)

Zur Bestimmung von a wird das Gütekriterium minimiert:

dQ

d a= −2ΨT y + 2ΨT Ψ a = 0,

a = (ΨT Ψ )−1ΨT y. (2.14)

Der gesuchte Parametervektor a berechnet sich aus dem Produkt der Pseudoinver-sen (ΨT Ψ )−1ΨT von Ψ und dem Messpunktevektor y. Der LS-Schätzer ist vongroßer praktischer Bedeutung, denn er wird oft benutzt, um aus Messungen, die vonstarkem Rauschen überlagert sind, Kennlinienfunktionen zu bestimmen. Dies wirdauch als Regressionsrechnung (Abschn. 2.2.1) bezeichnet. Der LS-Schätzer kanndamit einerseits als Optimalfilter angesehen werden [51], (Abschn. 6.4.5), das ei-ne gewisse a-priori Kenntnis über die herauszufilternde Funktion benötigt, z.B. einPolynom 2. Grades, um die Ausgangsfunktion angeben zu können. Diese a-prioriKenntnis bezeichnet man oft auch als Signalmodell. Es bestimmt den Aufbau derMatrix Ψ . Andererseits wird ein funktionaler Zusammenhang zwischen Abszissen-und Ordinatenvariablen hergestellt. Damit ist das Verfahren auch zur Extrapolationgeeignet, d.h. zukünftige Funktionswerte können vorhergesagt werden (Prädiktion,[19, 20]). Eine Anwendung hierzu findet der LS-Schätzer in der statistischen Pro-zessüberwachung, die in Abschn. 5.4.7 besprochen wird.

2.2.1 Regressionsrechnung

Ein in der Praxis häufig auftretender Fall ist die Suche nach einer Geraden durcheine Menge von Messpunkten (Abb. 2.5). Die Gerade habe die Form

y (u) = a1u + a0.

Die unbekannten Parameter a1 und a0 werden durch Minimierung der Fehlerqua-drate Gl.(2.2) bestimmt. Mit der Gütefunktion

Q =

n−1∑k=0

(yk − a1uk − a0)2

Page 29: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

20 2. Kurvenanpassung

u

y u( )

*

**

*

un-1u0

y0

yn-1 ***

***

**

*

*

*

Abbildung 2.5. Lineare Regression

können die Parameter durch Differentiation bestimmt werden,

dQ

da1= −2

n−1∑k=0

uk (yk − a1uk − a0),

dQ

da0= −2

n−1∑k=0

(yk − a1uk − a0). (2.15)

Durch Nullsetzen der beiden Ableitungen gelangt man schließlich zu folgendemGleichungssystem

a1

n−1∑k=0

u2k + a0

n−1∑k=0

uk =n−1∑k=0

ukyk,

a1

n−1∑k=0

uk + na0 =n−1∑k=0

yk, (2.16)

und erhält durch Auflösen die gesuchten Parameter der Regressionsgeraden:

a0 =1

n

n−1∑k=0

yk − a1 · 1

n

n−1∑k=0

uk,

a1 =

n ·n−1∑k=0

ukyk −n−1∑k=0

uk

n−1∑k=0

yk

n ·n−1∑k=0

u2k −

(n−1∑k=0

uk

)2 . (2.17)

Die Berechnung der Parameter a0 und a1 mit dem LS-Schätzer nach Gl.(2.14) führtauf das gleiche Ergebnis. Das zugehörige Signalmodell lautet für eine Geradenglei-chung

Page 30: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.3 Kennlinieninterpolation 21

y =

⎡⎢⎣ y0

...yn−1

⎤⎥⎦ =

⎡⎢⎣ 1 u0

......

1 · · ·un−1

⎤⎥⎦ ·[

a0

a1

]= Ψ a.

Die Übereinstimmung von Gl.(2.17) mit dem LS-Schätzer möge der Leser alsÜbung durchführen. Es können natürlich auch Polynome höherer Ordnung für dieRegressionsrechnung verwendet werden.

Im Gegensatz zur Approximation mit orthonormalen Funktionen müssen bei der Re-gressionsrechnung alle Koeffizienten ak neu berechnet werden, wenn die Ordnungdes Regressionspolynoms erhöht werden soll. An dieser Stelle sollen noch einigeBemerkungen zu den Ergebnissen der Regressionsrechnung gemacht werden. Siehtman sich das Ergebnis aus Gl.(2.17) an, so findet man dort Terme der Form

1

n

n−1∑k=0

uk bzw. n ·n−1∑k=0

u2k −

(n−1∑k=0

uk

)2

.

Wie später in Kap.5 gezeigt wird, handelt es sich hierbei um die Größen Mittelwertund die mit dem Faktor (n − 1)/n gewichtete Varianz der Größe u. Die Regressi-onsrechnung findet daher oft in der Statistik Verwendung.

2.3 Kennlinieninterpolation

Hat man eine experimentelle Kennlinie nur in wenigen Punkten gegeben, wird manverlangen, dass die Approximation in diesen Punkten die Werte (ui, yi) exakt wie-dergibt und zusätzlich, dass die Kurve zwischen den Stützstellen (ui, yi) einen glat-ten Verlauf zeigt. Diese Aufgabenstellung führt zum klassischen Interpolationspro-blem.

2.3.1 Interpolation durch Lagrange-Polynome

Zur Kennliniendarstellung wird meist ein Polynomansatz in der Messgröße u ge-wählt,

y(u) =n∑

i=0

ai ui = aT u. (2.18)

Zur Bestimmung der (n + 1) Koeffizienten ai stehen (n + 1) Gleichungen in denStützstellen zur Verfügung,

yj(uj) =

n∑i=0

ai uij, j = 0, ..., n. (2.19)

Page 31: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

22 2. Kurvenanpassung

Die (n + 1) Gleichungen lassen sich in Matrix-Schreibweise angeben,

y =

⎛⎜⎜⎜⎝y0

y1

...yn

⎞⎟⎟⎟⎠ =

⎛⎜⎜⎜⎝1 u0 u2

0 · · · un0

1 u1 u21 · · · un

1...

......

. . ....

1 un u2n · · · un

n

⎞⎟⎟⎟⎠ ·

⎛⎜⎜⎜⎝a0

a1

...an

⎞⎟⎟⎟⎠ = V · a, (2.20)

wobei y der Messvektor ist. Die Gleichung lässt sich lösen, wenn die Determinan-te |V | der Vandermonde-Matrix V ungleich Null ist. Die Determinante lässt sichgeschlossen berechnen, indem man sie rekursiv in Unterdeterminanten auflöst. DieMatrix V hat den Rang r = (n + 1). Man multipliziert jeweils die vorherige Spaltemit un−r+1 und subtrahiert sie von der gerade betrachteten Spalte:

r = n + 1 :

|V | =

∣∣∣∣∣∣∣∣∣1 0 · · · 01 u1 − u0 · · · un

1 − un−11 · u0

......

. . ....

1 un − u0 · · · unn − un−1

n · u0

∣∣∣∣∣∣∣∣∣2.Spalte − 1.Spalte × u0

3.Spalte − 2.Spalte × u0

...(n + 1).Sp. − n.Sp. × u0

.

Die Determinante wird nach der ersten Zeile entwickelt, bei der nur das erste Ele-ment ungleich Null ist. Die Terme (uj − u0) werden aus den Zeilen herausgezogen(j = 1, . . . , n):

r = n :

|V | = (u1 − u0) (u2 − u0) · · · (un − u0)

∣∣∣∣∣∣∣1 u1 u2

1 · · · un−11

......

.... . .

...1 un u2

n · · · un−1n

∣∣∣∣∣∣∣ .Das Verfahren wird mit r = n bzw. u1 wiederholt usw. Man erhält schließlich

|V | =

(u1 − u0) (u2 − u0) (u3 − u0) · · · (un − u0) ·(u2 − u1) (u3 − u1) · · · (un − u1) ·

(u3 − u2) · · · (un − u2) ·...

(un − un−1)

. (2.21)

Die Determinante berechnet sich somit aus dem Produkt aller möglicher Differen-zen zweier Stützstellen zur Interpolation. Die Matrizeninversion von V ist genaudann gut konditioniert (numerisch gut berechenbar), wenn es kein sehr eng beiein-ander liegendes Stützstellenpaar gibt. Die Koeffizienten berechnen sich dann mittels

a = V−1y,

wodurch die Interpolationgleichung Gl.(2.18) folgende Form annimmt :

Page 32: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.3 Kennlinieninterpolation 23

y = aT u = uTa = uT V−1 y. (2.22)

Bei praktischen Aufgaben arbeitet man anstelle des Polynomansatzes inGl.(2.18) mit Lagrange-Polynomen

y =

n∑i=0

yi Li (u) , oder in Vektorschreibweise y = LT y. (2.23)

Aus einem Vergleich von Gl.(2.22) und Gl.(2.23) sieht man, dass sich die Lagrange-Polynome gerade aus der invertierten Vandermonde-Matrix entsprechend

L =(V−1

)Tu (2.24)

ergeben. Die Lagrange-Polynome sind damit

Li(u) =(u − u0) · · · (u − ui−1)(u − ui+1) · · · (u − un)

(ui − u0) · · · (ui − ui−1)(ui − ui+1) · · · (ui − un). (2.25)

Sie haben die Eigenschaften Li (uj) = δij , d.h.

y (uj) =

n∑i=0

yiLi (uj) = yj , (2.26)

n∑i=0

Li (uj) = 1. (2.27)

Mit Gl.(2.23) folgt hieraus, dass die Stützstellen eines Lagrange-Polynoms exaktinterpoliert werden.

Beispiel 2.1 Lagrange-Interpolation mit drei StützstellenDie Messkennlinie sei durch drei Stützstellen ua, um, ue gegeben, die äquidistantliegen mögen (s. Abb. 2.6):

um − ua = ue − um = h.

Die Lagrange-Polynome sind damit

L0 (u) =(u − um) (u − ue)

(ua − um) (ua − ue)=

1

2h2(u − um) (u − ue) ,

L1 (u) =(u − ua) (u − ue)

(um − ua) (um − ue)= − 1

h2(u − ua) (u − ue) ,

L2 (u) =(u − ua) (u − um)

(ue − ua) (ue − um)=

1

2h2(u − ua) (u − um) .

Die Interpolation lautet dann

Page 33: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

24 2. Kurvenanpassung

ua um ueu

ya

ym

ye

y

y

Abbildung 2.6. Skizze der zu in-terpolierenden Messkurve

y =

2∑i=0

yiLi (u)

=ya

2h2(u − um)(u − ue) − ym

h2(u − ua)(u − ue)

+ye

2h2(u − ua)(u − um).

Mit ua = 0, ya = 0 sowie um = h, ue = 2h erhält man

y = u

(2 ym

h− ye

2 h

)+ u2

( ye

2 h2− ym

h2

). (2.28)

Liegen die drei Stützstellen auf einer Geraden, d.h. ist ym = ye/2, so wird dieKurve linear,

ylin = u · ye

2h.

2.3.2 Interpolation durch Newton-Polynome

Für die Interpolation durch die Punkte (ui, yi) der Messkennlinie wird der Ansatz

y = a0 + a1 (u − u0) + a2 (u − u0) (u − u1) + · · ·+ an (u − u0) (u − u1) · · · (u − un−1) (2.29)

gemacht. Die Koeffizienten werden rekursiv aus den Interpolationsbedingungen inden Stützstellen berechnet:

y0 = a0,

y1 = a0 + a1 (u1 − u0) ,

...

yn = a0 + a1 (un − u0) + a2 (un − u0) (un − u1) + · · ·+ an (un − u0) (un − u1) · · · (un − un−1) . (2.30)

Page 34: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.3 Kennlinieninterpolation 25

Es werden Differenzen eingeführt:

1. Differenzen 1. Ordnung,

∆y0 = y1 − y0, ∆y1 = y2 − y1, ∆y2 = y3 − y2, · · · .

2. Differenzen 2. Ordnung,

∆2y0 = ∆y1 − ∆y0 = y2 − 2y1 + y0,∆2y1 = ∆y2 − ∆y1 = y3 − 2y2 + y1.

3. Allgemeine Differenzen,

∆jyi = ∆j−1yi+1 − ∆j−1yi. (2.31)

Für das Rechnen mit Differenzoperatoren gilt folgende Beziehung:

yi = (1 + ∆)iy0. (2.32)

Beweis: Der Beweis erfolgt durch vollständige Induktion:

• i = 1:

y1 = (1 + ∆)y0 = y0 + ∆y0 = y0 + y1 − y0 = y1.

• Schluss von i auf (i + 1):

yi+1 = (1 + ∆)i+1y0 = (1 + ∆) (1 + ∆)iy0︸ ︷︷ ︸yi

= (1 + ∆)yi = yi + yi+1 − yi = yi+1.

In ausmultiplizierter Darstellung lautet Gl.(2.32)

yi = y0 +i

1!∆y0 +

i (i − 1)

2!∆2y0 + · · · + i!

i!∆iy0. (2.33)

Bei konstantem Stützstellenabstand h erhält man nach Gl.(2.30)

y0 = a0,

y1 = a0 + a1 h,

...

yi = a0 + a1 i h + a2i (i − 1)h2 + · · · + ai i ! hi,

...

yn = a0 + a1 n h + a2n (n − 1)h2 + · · · + an n ! hn. (2.34)

Page 35: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

26 2. Kurvenanpassung

Vergleicht man Gl.(2.34) mit den Differenzen aus Gl.(2.33) in ausmultiplizierterDarstellung, so erhält man für die Koeffizienten der Ordnung j jeweils

aj · i (i − 1) · · · (i − j + 1) · hj = i (i − 1) · · · (i − j + 1) · ∆jy0/j!.

Die Koeffizienten des Newton-Polynoms lassen sich damit aus den Differenzen als

aj =∆jy0

j! hj

berechnen. Mit den Differenzen wird die Newtonsche Interpolationsformel für äqui-distante Stützstellen zu

y = y0 +∆y0

h(u − u0) +

∆2y0

2h2(u − u0)(u − u1) + · · ·

+∆ny0

n!hn(u − u0) · · · (u − un−1) . (2.35)

Die höheren Differenzen lassen sich auf einfache Weise mit dem Differenzen-Schema durch fortlaufende Subtraktion gewinnen:

u y ∆y ∆2y ∆3y ∆4y0 y0 ⟩

∆y0

h y1

⟩∆2y0⟩

∆y1

⟩∆3y0

2h y2

⟩∆2y1

⟩∆4y0⟩

∆y2

⟩∆3y1

3h y3

⟩∆2y2⟩

∆y3

4h y4

(2.36)

Bei nicht-äquidistanten Stützstellen lässt sich das Differenzenschema verallgemei-nern, indem man die Funktionsdifferenzen durch den Stützstellenabstand teilt.

Beispiel 2.2 Newton-Interpolation mit drei StützstellenGegeben sei eine Messkennlinie mit drei Stützstellen ua, um, ue. Es gelte wieder

ua = 0 , um = h , ue = 2h , ya = 0 .

Das Differenzen-Schema ist

u y ∆y ∆2y0 ya ⟩

ym − ya

h ym

⟩ye − 2ym + ya⟩

ye − ym

2h ye

Page 36: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.3 Kennlinieninterpolation 27

wodurch sich folgende Interpolationsfunktion ergibt :

y =ym

hu +

ye − 2ym

2h2u (u − h) .

Das Ergebnis stimmt mit dem Ergebnis der Lagrange-Interpolation ausGl.(2.28) überein.Für ye = 2ym verschwindet wieder das quadratische Glied.

2.3.3 Spline-Interpolation

Wie bereits eingangs erwähnt, ist die klassische Polynominterpolation bei einergroßen Anzahl von Messpunkten sehr unpraktisch, weil man dann Interpolations-polynome von hoher Ordnung erhält. Ein anderes Interpolationsverfahren ordnetdeshalb den Teilintervallen verschiedene Polynome niedriger Ordnung zu. Das ein-fachste Verfahren verbindet hierbei benachbarte Messpunkte linear (Abb. 2.7). Bein Messpunkten besteht die Interpolationsfunktion aus n− 1 Geradenstücken in denBereichen

[xi, xi+1], i = 0 . . . n − 1.

y

u

Abbildung 2.7. Lineares Interpolieren zwischen den Stützstellen

Ein großer Nachteil dieser Methode ist die Tatsache, dass die erste Ableitung derInterpolationsfunktion bereits nicht mehr stetig ist. Für die Anwendung in derMesstechnik ist diese Art der Interpolation daher nicht geeignet, weil man sichfür die erste Ableitung der Messkennlinie (entspricht der Empfindlichkeit, s. Ab-schn. 3.1) eine stetige Funktion wünscht. Abhilfe schafft die Interpolation mitSpline-Funktionen. Die Spline-Funktion geht zurück auf das mechanische Modellvon dünnen Latten (engl. splines). Das Modell geht davon aus, dass durch die ge-gebenen Stützstellen eine dünne, homogene Latte gelegt sei. In den Stützstellen seidie Latte so gelagert, dass dort keine äußeren Kräfte einwirken. Die so entstehendeBiegelinie der Latte soll die Lösung s(x) der Interpolationsaufgabe sein. Die auf-grund der Biegekraft in der Latte gespeicherte Energie lässt sich, abgesehen von

Page 37: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

28 2. Kurvenanpassung

physikalischen und geometrischen Konstanten, als das Integral über die Krümmungs′′(x) beschreiben,

E =1

2

xn∫x0

s′′(x) dx. (2.37)

Der stabile Arbeitspunkt eines Systems stellt sich dann ein, wenn die Energie desSystems ihr Minimum annimmt. Auf unser Modell übertragen wird genau die Bie-gelinie s(x) angenommen, die den Ausdruck (2.37) minimiert:

xn∫x0

s′′ (x) dx ⇒ min . (2.38)

Die gesuchte Spline-Funktion s(x) minimiert also obige Gleichung unter der Vor-aussetzung, dass s(x) mindestens einmal stetig differenzierbar ist. Aus diesen Be-dingungen ergeben sich nach Lösung von Gl.(2.38) mit Hilfe der Variationsrech-nung [7, 29] folgende Eigenschaften der Spline-Interpolierenden:

si(xi) = yi, i = 0, 1, . . . , n, (2.39)

s′′i (xi + 0) = s′′i−1(xi − 0), i = 1, 2, . . . , n − 1, (2.40)

s′′0(x0) = s′′n−1(xn), (2.41)

s′′′′(x) = 0, x = x0, . . . , xn. (2.42)

Gleichung (2.39) ist gerade die Interpolationsbedingung. Aus Gl.(2.40) folgt, dassnicht nur die erste, sondern auch die zweite Ableitung der Interpolationsfunktionstetig ist. Wegen Gl.(2.42) ist s(x) in jedem Teilintervall ein kubisches Polynom.Die interpolierende Spline-Funktion setzt sich also stückweise aus Polynomen drit-ten Grades zusammen. Man bezeichnet daher s(x) auch als kubischen Spline. Na-türlich können auch Splines höherer Ordnung durch Erweiterung von Gl.(2.38) aufhöhere Ableitungen erzeugt werden. Diese Erweiterung ist dann rein mathemati-scher Natur, ohne physikalische Motivation.

Berechnung der kubischen Spline-Interpolierenden: Mit den Eigenschaften vonGl.(2.39) bis (2.42) kann nun die gesuchte Interpolationsfunktion s(x) konstruiertwerden. Für jedes Teilintervall [xi, xi+1] der Länge

hi = xi+1 − xi

wählt man als Ansatz ein allgemeines Polynom 3. Grades,

si(x) = ai(x − xi)3 + bi(x − xi)

2 + ci(x − xi) + di. (2.43)

Page 38: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.3 Kennlinieninterpolation 29

Für den Funktionswert und die ersten beiden Ableitungen an den Enden des Inter-valls, d.h. an den Stützstellen erhält man

si(xi) = di = yi,si(xi+1) = aih

3i + bih

2i + cihi + di = yi+1,

s′i(xi) = ci,s′i(xi+1) = 3aih

2i + 2bihi + ci,

s′′i (xi) = 2bi = y′′i ,

s′′i (xi+1) = 6aihi + 2bi = y′′i+1.

Die unbekannten Parameter ai, bi, ci und di können damit durch die gegebenenStützpunkte yi und yi+1 sowie die noch unbekannten zweiten Ableitungen y′′

i undy′′

i+1 ausgedrückt werden:

ai =1

6hi(y′′

i+1 − y′′i ),

bi =1

2y′′

i , (2.44)

ci =1

hi(yi+1 − yi) − 1

6hi(y

′′i+1 + 2y′′

i ),

di = yi.

Die unbekannten zweiten Ableitungen sollen nun aus der Bedingung für die Stetig-keit der ersten Ableitung an den inneren Stützstellen berechnet werden. Für die ersteAbleitung am Intervallende xi+1 ergibt sich nach Einsetzen der Parameter ai, bi, ci

s′i(xi+1) =1

hi(yi+1 − yi) +

hi

6(2y′′

i+1 + y′′i ).

Die Forderung nach Stetigkeit der ersten Ableitung an den inneren Stützstellen er-gibt

s′i(xi+1) = s′i+1(xi+1) mit

s′i+1(xi+1) = ci+1 =1

hi+1(yi+2 − yi+1) − hi+1

6(y′′

i+2 + 2y′′i+1).

Setzt man beide Gleichungen gleich und ordnet nach den unbekannten zweiten Ab-leitungen, so erhält man

hiy′′i +2(hi+hi+1)y

′′i+1+hi+1y

′′i+2 =

6

hi+1(yi+2−yi+1)− 6

hi(yi+1−yi).

Berücksichtigt man Gl.(2.41), also y′′0 = y′′

n = 0, so erhält man ein System von (n−1) linearen Gleichungen für die unbekannten zweiten Ableitungen y′′

1 , y′′2 , . . . , y′′

n−1:

Page 39: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

30 2. Kurvenanpassung

⎡⎢⎢⎢⎣2(h0+h1) h1 0 · · · 0

h1 2(h1+h2) h2 0 · · · 0...

. . ....

0 · · · 0 0 hn−2 2(hn−2+hn−1)

⎤⎥⎥⎥⎦⎡⎢⎢⎢⎣

y′′1

y′′2...

y′′n−1

⎤⎥⎥⎥⎦=

=

⎡⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎣6h1

(y2 − y1) − 6h0

(y1 − y0)

6h2

(y3 − y2) − 6h1

(y2 − y1)...

6hn−1

(yn − yn−1) − 6hn−2

(yn−1 − yn−2)

⎤⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎦ . (2.45)

Der Rechengang zur Bestimmung der kubischen Spline-Interpolierenden s(x) liegtnun auf der Hand. Aus den gegebenen Stützstellen (xi, yi), i = 0, . . . , n, werdendie Längen der Intervalle hi bestimmt und das Gleichungssystem (2.45) zur Be-stimmung der y′′

i aufgestellt. Nach dessen Lösung werden nach Gl.(2.44) die Ko-effizienten ai, bi, ci und di der zum Teilintervall [xi, xi+1] gehörenden kubischenPolynome si(x) bestimmt.

Beispiel 2.3 Interpolation einer sin-FunktionIm folgenden soll die Funktion sin(π

2 x) im Intervall [−2, 2] durch Lagrange-Polynome und Spline-Funktionen interpoliert werden. Die Stützstellen sind

xi = [−2 , −1 , 0 , 1 , 2],yi = [0 , −1 , 0 , 1 , 0].

Die Lagrange-Interpolation liefert das Polynom

yL = −1

3x3 +

4

3x, −1 ≤ x < 1.

Mit Gl.(2.45) erhält man bei der Spline-Interpolation für die zweiten Ableitungen

y′′i = [0 , +3 , 0 , −3 , 0]

und gelangt damit zu folgender Interpolationsfunktion:

ys(x) = s(x) =

⎧⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎩1

2x3 + 3x2 +

9

2x + 1 , x < −1,

−1

2x3 +

3

2x , −1 ≤ x < 1,

1

2x3 − 3x2 +

9

2x − 1 , x ≥ 1.

Abbildung 2.8 zeigt das Ergebnis. Man erkennt, dass die Spline-Interpolation eindeutlich besseres Ergebnis liefert.

Page 40: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.4 Kennfeld-Interpolation 31

-2 -1.5 -1 -0.5 0.5 1 1.5 2

-1

1

Spline-Interpolation

Lagrange-Interpolation

y

x

sin π2 x( )

Abbildung 2.8. Vergleich von Spline- und Lagrange-Interpolation

2.4 Kennfeld-Interpolation

In den Abschn. 2.1 bis 2.3.3 wurde eine analytische Kennliniendarstellung aus Mes-spunkten bestimmt. Dies geschah vor der eigentlichen Messung bei der Auslegungdes Messsystems. Wenn die physikalische Kennlinie des Messsystems eine nicht-lineare Funktion von einer unabhängigen Messgröße u und einer systematischenStörgröße z ist, kann man die Ausgangsgröße y in jedem Messvorgang durch einezweidimensionale Interpolation berechnen. Dabei wird der bekannte Einfluss derStörgröße z auf die Ausgangsgröße kompensiert. Dazu werden die zuvor bestimm-ten Kennfeldwerte y in den äquidistanten Stützstellen (ui, zj) Messtechnisch er-fasst und abgespeichert. Die Zwischenwerte in den Stützstellen-Intervallen werdenfür feiner aufgelöste Eingangsgrößen interpoliert. Zur Ableitung der Interpolations-vorschrift wird die Ausgangsgröße y im Intervall (ui, zj) in eine Taylor-Reihe ent-wickelt. Zur besseren Übersicht wird eine verkürzte Schreibweise verwendet, z.B.

∂ f (u, z)

∂u

∣∣∣∣ui,zj

⇒ ∂ f (ui, zj)

∂u.

Es ergibt sich

y(u, z) = f (ui + ∆u, zj + ∆z)

= f(ui, zj) +∂f(ui, zj)

∂u· ∆u +

∂f(ui, zj)

∂z· ∆z

+∂2f(ui, zj)

2 · ∂u2(∆u2) +

∂2f(ui, zj)

∂u∂z∆u∆z +

∂2f(ui, zj)

2 · ∂z2(∆z2).

Page 41: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

32 2. Kurvenanpassung

Approximiert man die partiellen Ableitungen durch Differenzenquotienten ersterOrdnung, so folgt

y(u, z) ≈ y (ui, zj) +∆y (ui)

∆ui· ∆u +

∆y (zj)

∆zj· ∆z

+∆2y(ui)

2(∆ui)2(∆u)2 +

∆2y(ui, zj)

∆ui∆zj∆u∆z +

∆2y(zj)

2(∆zj)2(∆z)2.

Die zweiten Differenzen

∆2y (ui) = [y (ui+2, zj) − y (ui+1, zj)] − [y (ui+1, zj) − y (ui, zj)] ≈ 0,

∆2y (zj) = [y (ui, zj+2) − y (ui, zj+1)] − [y (ui, zj+1) − y (ui, zj)] ≈ 0,

und Differenzen höherer Ordnung werden im allgemeinen vernachlässigt.

Kennfeld-Berechnung im Mikrorechner: Neben dieser allgemeinen Darstellungder Kennfeld-Interpolation interessiert vor allem eine geschickte Darstellung derInterpolation für die Implementierung auf einem Mikrorechner. Hierbei wird mannicht beliebige Zwischenwerte interpolieren, sondern sich auf ein festes Raster derBreite qu bzw. qz zwischen den Stützstellen beschränken. Mit einer Rasterung desIntervalls in Potenzen von zwei,

∆ui = ui+1 − ui = 2rqu,∆zj = zj+1 − zj = 2rqz,

und der Annahme, dass die Intervallbreiten beider unabhängiger Variablen u und zdie gleiche Auflösung 2r bei vorgegebener Quantisierung qu, qz besitzen, lässt sichdie Approximation folgendermaßen darstellen:

y (u, z) = y (ui, zj)

+y (ui+1, zj) − y (ui, zj)

2r

∆u

qu+

y (ui, zj+1) − y (ui, zj)

2r

∆z

qz

+y (ui+1, zj+1) − y (ui, zj+1) − y (ui+1, zj) + y (ui, zj)

22r

∆u∆z

quqz.

Ordnet man die Summanden nach Elementen der Stützstellen, so ergibt sich

y (u, z) = y (ui, zj) ·[1 − 1

2r

∆u

qu− 1

2r

∆z

qz+

1

22r· ∆u ∆z

qu qz

]+

+ y (ui+1, zj) ·[

1

2r

∆u

qu− 1

22r· ∆u ∆z

qu qz

]+

+ y (ui, zj+1) ·[

1

2r

∆z

qz− 1

22r· ∆u ∆z

qu qz

]+

+ y (ui+1, zj+1)1

22r· ∆u ∆z

qu qz.

Page 42: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.4 Kennfeld-Interpolation 33

Ausklammern des Faktors 22r führt auf

y (u, z) =1

22r

[y (ui, zj)

(2r − ∆u

qu

)(2r − ∆z

qz

)+ y (ui+1, zj+1)

∆u ∆z

qu qz

+y (ui+1, zj)∆u

qu

(2r − ∆z

qz

)+ y (ui, zj+1)

(2r − ∆u

qu

)∆z

qz

].

In Summenschreibweise ergibt sich die Form

y (u, z) =1

22r·

1∑m=0

1∑n=0

km,n·y (ui+m, zj+n) . (2.46)

Man erhält als Interpolationsfunktiony(u, z) eine gewichtete Mittelwertbildung, beider die Funktionsamplituden y (ui+m, zj+n) an den Ecken des Intervall-Quadratsmit dem Produkt

km,n =

((m − 1) 2r + (−1)m ∆u

qu

)·(

(n − 1) 2r + (−1)n ∆z

qz

)der gegenüberliegenden Teilintervalle gewichtet werden (s. Abb. 2.9).

z

y u z( , )

ui

z j

u

z j+1

j i

ui+1

∆ z

∆ u

2 ruq u− ∆

∆ u

∆ z

y u zi j( , )

y u zi j( , )+1y u zi j( , )+ +1 1

Abbildung 2.9. Interpolation in einem Intervall

Page 43: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

34 2. Kurvenanpassung

Die Funktionsamplitude y (ui, zj+1) wird beispielsweise mit

k0,1 =

(−2r +

∆u

qu

)(−∆z

qz

)=

(2rqu − ∆u)

qu· ∆z

qz

gewichtet, d.h. mit dem Produkt der Teilintervalle (ui+1 − ∆u) · ∆z. Je näher derFunktionswert y (u, z) an eine der vorab gemessenen Funktionsamplituden an denIntervallgrenzen y (ui+m, zj+n) heranrückt, desto stärker geht diese in das Interpo-lationsergebnis ein. Wegen der Vernachlässigung der zweiten Differenzen ∆2y (ui),∆2y (zj) und der linearen Interpolation im Intervall weist das Interpolationskenn-feld an den Intervallgrenzen Unstetigkeiten in der Steigung auf. Die Summe derKoeffizienten ist begrenzt auf∣∣∣∣∣

1∑m=0

1∑n=0

km,n

∣∣∣∣∣ =

∣∣∣∣22r − 2r ∆u

qu− 2r ∆z

qz+ 2

∆u ∆z

qu qz

+ 2r ∆u

qu− ∆u ∆z

qu qz+ 2r ∆z

qz− ∆u ∆z

qu qz

∣∣∣∣ = 22r.

Im folgenden soll der Aufwand für die numerische Berechnung abgeschätzt werden.Zur Berechnung der Koeffizienten innerhalb eines Teilintervalles ist je eine Multi-plikation der Wortlänge r × r erforderlich, mit der Ergebniswortlänge 2r. Sind dieFunktionsamplituden y(ui+m, zj+n) mit der Wortlänge s gegeben, so ist zur Be-rechnung der Produkte

km,n · y (ui+m, zj+n)

je eine Multiplikation der Wortlängen 2r × s erforderlich, mit der Ergebnis- Wort-länge (2r + s). Mit der Voraussetzung

y (ui+m, zj+n) ≤ 2s

kann der Funktionswert insgesamt als

22r |y (u, z)| =

∣∣∣∣∣1∑

m=0

1∑n=0

km,n y (ui+m, zj+n)

∣∣∣∣∣≤ 2s

∣∣∣∣∣1∑

m=0

1∑n=0

km,n

∣∣∣∣∣ = 2(2r+s)

abgeschätzt werden. Das Ergebnis y (u, z) kann durch Schieben um 2r - Stellen aufdie Wortlänge s zurückgeführt werden.

Page 44: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

2.4 Kennfeld-Interpolation 35

Beispiel 2.4 7 × 7-Kennfeld in einem MikrorechnerAls Beispiel sei ein Kennfeld mit

i = 1, ...7, j = 1, ..., 7.

Intervallen betrachtet, die in jeweils 2r = 16 Inkremente der Quantisierung qu, qz

unterteilt seien. Es müssen (imax + 1) (jmax + 1) = 64 Funktionsamplitudeny (ui+m, zj+n) abgespeichert werden. Die vier Wichtungskoeffizienten innerhalbeines Intervalls km,n werden mit 4 Bit x 4 Bit- Multiplikationen berechnet. Wenndie Funktionsamplituden die Wortlänge s = 8 Bit haben, so sind zur Berechnungdes Funktionswertes y (u, z) vier 8 Bit * 8 Bit- Multiplikationen erforderlich, derenSumme eine Wortlänge von 16 Bit hat. Durch Schieben um 2r Stellen, d.h. 8 Bitkann die ursprüngliche Wortlänge von 8 Bit wieder hergestellt werden.

Page 45: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

In diesem Kapitel wird das stationäre Verhalten von Messsystemen untersucht. Imstationären Fall sind alle Einschwingvorgänge des Messsystems abgeklungen und esstellt sich eine stabile Anzeige am Messsystem ein. Das Verhalten des Messsystemswird nun alleine durch die stationäre Messkennlinie bestimmt.

3.1 Stationäre Messkennlinie und deren Fehler

3.1.1 Abgleich, Justierung der Messkennlinie

Vor dem Abgleich werden die Normalbedingungen des Messsystems gemäß seinerSpezifikation eingestellt. Äußere Störgrößen werden dabei auf den spezifiziertenWerten konstant gehalten oder durch Abschirmung bzw. Filterung ferngehalten. DerEinstellvorgang, der das Messsystem gemäß seiner technischen Beschreibung taug-lich macht für die vorgesehene Messaufgabe, ist der Abgleich oder die Justierung.Unter Abgleichen oder Justieren versteht man einen Eingriff in das Gerät oder seineMaßverkörperung mit dem Ziel, den Messbereich auf den vorgesehenen Bereich derAusgabeeinrichtung, des Ausgangssignals oder der Anzeige abzubilden.

Beispiel 3.1 Justierung eines TemperaturmessgerätesEine digitale Temperaturanzeige soll etwa im Messbereich 20 . . . 100C auf einenBereich von 0 bis 100 % gebracht werden. Die Anzeigegröße ist eine elektrischeSpannung U zwischen 2 und 300 mV . Eine vorhandene Skala eines Zeigerinstru-mentes soll auf möglichst kleine Fehler justiert werden. D.h. bei U = 2mV soll derZeiger im Anfangspunkt der Skala stehen (20C) und bei U = 300mV im End-punkt der Skala (100C).

Messgeräte haben im allgemeinen zwei Möglichkeiten für den Abgleich, die addi-tive Verschiebung und die multiplikative Drehung der Kennlinie. Zwei Verfahrensind bei der Justierung gebräuchlich:

Fixpunktjustierung Nach der Fixpunktjustierung geht die Kennlinie durch denAnfangspunkt (ua, ya) und durch den Endpunkt (ue, ye) hindurch. Der Messbe-reich (ue −ua) wird auf den Anzeigebereich (ye − ya) abgebildet. Im Messan-fang und Messende ist damit der Fehler Null.

Page 46: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

38 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

Toleranzbandjustierung Die Toleranzbandjustierung entsteht durch eine zusätzli-che additive Verschiebung der Fixpunktjustierung. Ziel ist es, den maximalenFehler im Messbereich möglichst klein zu machen. Der maximale Fehler wirdim Vergleich zur Fixpunktjustierung auf die Hälfte reduziert. Die Kennliniegeht dann allerdings nicht mehr durch den Anfangs- und Endpunkt.

ye ye

ya ya

ua uaue ue

y y

u u

F

F

F

F

Fixpunkteinstellung Toleranzbandeinstellung

Abbildung 3.1. Fixpunkt- und Toleranzbandjustierung

In der Praxis wird der Fixpunktjustierung der Vorzug gegeben, weil die Justierungerheblich weniger arbeitsaufwendig ist. Der Abgleich unter Normalbedingungenbedeutet, dass er für den festen, spezifizierten Störgrößenvektor z0 vorgenommenwird. Die physikalische Messkennlinie

y = f (u, z) (3.1)

wird bei Fixpunktjustierung so justiert, dass die resultierende Kennlinie durch dengewünschten Anfangspunkt

ya!= f (ua, z0) (3.2)

geht. Der Nullpunktfehler (Offsetfehler)

e (z) = f (ua, z) − ya (3.3)

ist unter Normalbedingungen, d.h. für den Störgrößenvektor z0, aufgrund der Ju-stierung Null,

e (z0) = f (ua, z0) − ya = 0. (3.4)

Vom Justieren oder Abgleichen zu unterscheiden ist das Eichen. Das Eichen ist einegesetzliche Maßnahme, die durch eine Prüfbehörde erfolgt.

3.1.2 Ideale und reale Messkennlinie

Die Messkennlinie beschreibt den funktionalen Zusammenhang zwischen den Mess-werten u und den Anzeigewerten y. Die wesentlichen Begriffe werden im folgendendefiniert.

Page 47: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.1 Stationäre Messkennlinie und deren Fehler 39

Messanfang, Messende, Messbereich, Anzeigebereich:

• Messanfang: ua.

• Messende: ue.

• Messbereich: ue − ua.

• Anzeigebereich: ye − ya.

Messspanne, Anzeigespanne:

• ideale Messspanne: ui − ua.

• ideale Anzeigespanne: yi − ya.

Ideale Messkennlinie: Zur Vereinfachung wird in Messsystemen zumeist eine li-neare Kennlinie yi verwendet, die den Messanfang und das Messende durch eineGerade miteinander verbindet. Man nennt diese Kennlinie auch ideale Kennlinie.Die ideale Kennlinie besitzt über dem gesamten Messbereich ue − ua eine gleichhohe Steigung. Änderungen des Messeffektes gehen mit gleich großer Empfindlich-keit in die Messwertanzeige ein. Diese Eigenschaft wird gerade durch eine lineareKennlinie gewährleistet. Die reale Kennlinie ist dagegen im allgemeinen nichtlinear(Abb. 3.2). Die Fehler, die durch Verwendung der idealen Kennlinie statt der realen,nichtlinearen Kennlinie entstehen, sind in Abschn. 3.1.3 beschrieben.

Empfindlichkeit: Die Empfindlichkeit (Sensitivity) S(u, z) ist die Steigung derKennlinie y (u, z):

S(u, z) =∂y

∂u=

∂f(u, z)

∂u. (3.5)

Die Empfindlichkeit ist im allgemeinen eine Funktion der Messgröße u und derStörgröße z. Die Abhängigkeit von u charakterisiert das nichtlineare Verhalten derrealen Kennlinie. Die Empfindlichkeit der idealen Kennlinie ist hingegen von derMessgröße u unabhängig. Man bezeichnet die Empfindlichkeit der idealen Kennli-nie als ideale Empfindlichkeit

Si =ye − ya

ue − ua, (3.6)

Damit kann die ideale Messkennlinie beschrieben werden:

yi − ya = Si · (u − ua) . (3.7)

3.1.3 Kennlinienfehler bei realer Kennlinie

Die Kennlinie von Messsystemen erstreckt sich nach der Justierung über denMessbereich. Alle systematischen Fehler werden als Kennlinienfehler interpretiert.

Page 48: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

40 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

y

y

uu

ye

ya

yi

uiua ue

S i

Syu

=∂∂

Abbildung 3.2. Messkennlinie und Empfindlichkeit

Zu den Fehlern gehören die unerwünschten Nichtlinearitäten, die im Vergleich zuridealen Messkennlinie auftreten und die Einflüsse von Störgrößen z. Zwischen bei-den Fehlern wird zunächst keine Unterscheidung gemacht. Der Reduzierung vonFehlern durch Nichtlinearitäten ist Abschn. 3.2 gewidmet, während Störgrößenein-flüsse in Abschn. 3.3 diskutiert werden.

Zu einem Anzeigewert des Messgerätes y gehört der richtige Messwert u aufgrundder physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Die ideale Kennlinie des Messgerätes ordnethingegen dem Anzeigewert y einen fehlerhaften Messwert ui zu. Umgekehrt ordnetdie ideale Kennlinie dem richtigen Messwert u einen fehlerhaften Anzeigewert yi

zu.

Relativer Kennlinienfehler: Bezieht man die Größen u und y auf den Messanfang(Unterdrückung der Anfangswerte), so wird der relative Fehler nach Gl.(1.4) zu

Fr =(ui − ua) − (u − ua)

u − ua=

ui − u

u − ua.

Mit der idealen Kennlinie (Abb. 3.2)

y − ya = Si (ui − ua) ,yi − ya = Si (u − ua) ,y − yi = Si (ui − u) ,

kann man den relativen Fehler von den Messgrößen auf die Anzeigegrößen umrech-nen:

Fr =y − yi

Si· Si

yi − ya=

y − yi

yi − ya. (3.8)

Auf dieser Basis werden die folgenden Fehler definiert:

Page 49: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.1 Stationäre Messkennlinie und deren Fehler 41

1. Relativer Kennlinienfehler, bezogen auf die Anzeigespanne

Fr SS =y − yi

yi − ya. (3.9)

2. Relativer Kennlinienfehler, bezogen auf den Anzeigebereich

Fr ES =y − yi

ye − ya. (3.10)

Für ua = 0 und ya = 0 ergeben sich entsprechende Definitionen.

3. Relativer Kennlinienfehler, bezogen auf den Anzeigewert yi (Sollwert), derüber die ideale Kennlinie dem Messwert u zugeordnet ist:

Fr S =y − yi

yi. (3.11)

4. Relativer Kennlinienfehler, bezogen auf den Anzeigeendwert ye:

Fr E =y − yi

ye. (3.12)

Hysterese: Steigert man die Messgröße langsam und beobachtet dabei die Aus-gangsgröße, und nimmt dann die Messgröße wieder langsam auf den alten Wertzurück, wird man oft –besonders bei Geräten mit feinwerktechnischen Teilen –fest-stellen, dass der alte Wert der Ausgangsgröße vor dem Versuch nicht mehr erreichtwird. Durch den Messvorgang sind im Messgerät langsam veränderliche Vorgängeausgelöst worden, die noch nachwirken. Es werden je nach Durchführung des Ver-suchs zwei Kenngrößen bestimmt. Zur Feststellung der Hysterese wird die Mess-größe langsam vom Messanfang bis zum Messende gesteigert und wieder langsamauf den Messanfang zurückgenommen. Die größte dabei auftretende Differenz Hzwischen den richtungsabhängigen Kennlinien wird auf den Messbereich bezogenund als Hysterese h angegeben,

h =H

ue − ua. (3.13)

Umkehrspanne: Die Umkehrspanne wird ähnlich wie die Hysterese ermittelt. DieMessgröße wird aber dazu nur um einige wenige Prozent geändert. Der größte Feh-ler U zwischen Auf- und Abwärtsgang wird auf den Messbereich bezogen und alsUmkehrspanne angegeben (Abb. 3.3),

x =U

ue − ua. (3.14)

Beide Erscheinungen können viele Ursachen haben. Eine Umkehrspanne ist immerdann vorhanden, wenn im Messsystem Hemmungen existieren, die es hindern, bei

Page 50: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

42 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

ye

ya

y y

ideale Kennlinie

Reibung

Lose

U

H

uua ue u

xU

u ue a=

−h

H

u ue a=

Abbildung 3.3. Hysterese und Umkehrspanne

stationärer Messgröße den Gleichgewichtszustand einzunehmen. Solche Hemmun-gen sind z.B. mechanische Reibung und Lose. In der Abbildung sind Umkehrspan-nen durch Reibung und Lose eingezeichnet. Bei Reibung ändert sich die Anzeigesprunghaft, wenn die größere Haftreibung überwunden wird. Existiert eine Um-kehrspanne, wird man auch eine Hysterese messen. Das gleiche gilt nicht umge-kehrt. Oft wird Hysterese durch innere Störgrößen hervorgerufen, wie z.B. durchdie elastische Nachwirkung von Messfedern. Die Größe der Hysterese-Schleife istin solchen Fällen abhängig von der Größe und der Dauer der Belastung, sie ver-schwindet für kleine Messgrößenänderungen.

3.1.4 Abschätzung des Kennlinienfehlers

Der relative Kennlinienfehler, bezogen auf die Anzeigespanne, ergibt sich nachGl.(3.9) aus der Differenz von physikalischer zu idealer Kennlinie. Bei dieser Be-trachtung werden sowohl Störgrößen z von außen als auch Nichtlinearitäten derKennlinie als Fehler erfasst:

Fr SS =y − yi

yi − ya.

Mit der Empfindlichkeit S(u, z) aus Gl.(3.5) lässt sich die reale, stationäre Kennli-nie im Messbereich ua . . . ue aufintegrieren:

y = f (ua, z) +

u∫ua

S (u, z) du. (3.15)

Die physikalische Kennlinie y sei im ausgewählten Messbereich möglichst linear,weiche also nur wenig von der idealen Kennlinie yi ab. Zieht man von beiden Seitender Gl.(3.15) ya ab, so erhält man

Page 51: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.1 Stationäre Messkennlinie und deren Fehler 43

ua ue u

ya

ye

yStörgrößen

z0

z1

z2

y y S u due au

u

a

e

( , )− = z0e( )z1

Abbildung 3.4. Physikalische Messkennlinie für unterschiedliche Störgrößenvektoren

y−ya =

u∫ua

S (u, z) du+f (ua, z) − ya︸ ︷︷ ︸e(z)

=

u∫ua

S (u, z) du+e (z) .(3.16)

Der Nullpunktfehler e (z) im Messanfang ist durch Abgleich für den Störgrößen-vektor z0 gerade Null. Die mittlere Empfindlichkeit der realen nichtlinearen Kenn-linie des Messgerätes erhält man aus dem Ansatz

y − ya =

u∫ua

S (u, z0) du!= S (u, ua,z0) · (u − ua) , (3.17)

S (u, ua,z0) =1

u − ua

u∫ua

S (u, z0) du =y − ya

u − ua. (3.18)

Für das Messende u = ue stimmt diese mittlere Empfindlichkeit mit der idealenEmpfindlichkeit überein,

S (ue, ua,z0) =1

ue − ua

ue∫ua

S (u, z0) du = Si. (3.19)

Die Empfindlichkeitsdifferenz

∆S (u, z0) = S (u, ua, z0) − Si

hängt ab von der jeweiligen Position des Messwertes im Messbereich und von derWahl des Messanfangs. Der relative Kennlinienfehler, bezogen auf die Anzeige-spanne, ist nach Gl.(3.9)

Page 52: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

44 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

y

uu

ye

ya

ua ue

S i

y

yiS u ua( , , )z0

S ua( , )z0

Abbildung 3.5. Definition einer mittleren Empfindlichkeit unter spezifizierten Normalbedin-gungen

Fr SS =y − yi

yi − ya=

(y − ya) − (yi − ya)

yi − ya(3.20)

=

(S (u, ua, z0) − Si

) · (u − ua)

Si · (u − ua)=

∆S (u, z0)

Si. (3.21)

Aus Gl.(3.20) erhält man

(y − ya) = (yi − ya) · (1 + Fr SS)

= Si · (u − ua) · (1 + Fr SS) . (3.22)

Der relative Kennlinienfehler ist am Messanfang gerade gleich der Empfindlich-keitsdifferenz ∆S (ua, z0), bezogen auf die Empfindlichkeit Si. Am Messanfangist die physikalische Kennlinie y zwar gleich der idealen Kennlinie yi, d.h. dieDifferenz ist Null. Der dennoch von Null abweichende Kennlinienfehler Fr SS amMessanfang liegt am Bezug auf die Anzeigespanne, die dort ebenfalls Null ist. DieKennlinie nach Gl.(1.2) wird zur Abschätzung des Fehlers in eine Taylor- Reihe umden Messanfang u = ua entwickelt:

y =f(ua, z0) +∂f(u, z0)

∂u

∣∣∣∣u=ua

(u − ua) +1

2!

∂2f(u, z0)

∂u2

∣∣∣∣u=ua

(u − ua)2 +

+ · · · 1

(ν + 1)!

∂(ν+1)f (u, z0)

∂u(ν+1)

∣∣∣∣u=ua

(u − ua)ν+1

+ · · · .

Durch Einsetzen der Empfindlichkeit nach Gl.(3.5) erhält man

Page 53: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 45

y = f (ua, z0) + S (ua, z0) · (u − ua) +1

2!S′ (ua, z0) · (u − ua)

2 + · · ·

+1

(ν + 1)!S(ν) (ua, z0) · (u − ua)

ν+1+ · · · , (3.23)

oder

(y − ya) = (u − ua)

S(ua, z0) +

1

2!S′(ua, z0) · (u − ua) + . . .

+1

(ν + 1)!S(ν)(ua, z0) · (u − ua)

ν + . . .

︸ ︷︷ ︸

S(u,ua,z0)

.

Durch Vergleich mit der mittleren Empfindlichkeit der realen Kennlinie in Gl.(3.17)wird diese näherungsweise

S (u, ua, z0) ≈ S (ua, z0) +1

2!S′ (ua, z0) · (u − ua) + · · ·

+1

(ν + 1)!S(ν) (ua, z0) · (u − ua)

ν.

Die Glieder zweiter und höherer Ordnung werden vernachlässigt. Der relative Kenn-linienfehler, bezogen auf die Anzeigespanne, ist dann nach Gl.(3.21)

Fr SS ≈ S (ua, z0) + 12S′ (ua, z0) · (u − ua) − Si

Si(3.24)

≈ ∆S (ua, z0)

Si+

1

2

S′ (ua, z0)

Si(u − ua) . (3.25)

Über die Definition der mittleren Empfindlichkeit S und über deren näherungs-weisen Berechnung mittels der Taylorreihenentwicklung lässt sich jetzt der relativeKennlinienfehler Fr SS gemäß Gl.(3.24) in Abhängigkeit der Empfindlichkeit undderen Ableitungen angeben.

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen

In diesem Abschnitt wird das Messsystem unter den spezifizierten Normalbedin-gungen betrieben. Der Störgrößenvektor hat dabei konstant den Wert z0. Das Gerätist so justiert, dass der Nullpunktfehler e (z0) = 0 ist. Die auftretenden Messfeh-ler werden als Abweichung der Messkennlinie von der idealen Messkennline in-terpretiert. Durch die im folgenden geschilderten Verfahren soll die Kennlinie deridealen Grundform angenähert werden und damit die Messfehler reduziert wer-den. Ziel ist also eine möglichst lineare Kennlinie mit konstanter Empfindlichkeit,S = Si = const.

Page 54: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

46 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

3.2.1 Herabsetzen des Messbereichs

Abbildung 3.6 zeigt das Blockschaltbild der Anordnung. Das Glied mit nichtlinea-rer Kennlinie hat die Empfindlichkeit S(u). Angestrebt wird eine lineare Kennliniemit S = const über den Messbereich hinweg. Die Verbesserung soll mit einemvorgeschalteten linearen Übertragungsglied der Empfindlichkeit S0 1 und einemnachgeschalteten linearen Übertragungsglied der Empfindlichkeit S1 1 erreichtwerden.

SS S(u)0 1

u u u y1 2

Abbildung 3.6. Herabsetzen des Messbereichs

Mit den Bezeichnungen aus Abb. 3.6, Gl.(3.7) und (3.22) wird

u1 − u1a = S0 · (u − ua) ,u2 − u2a = Si · (1 + Fr SS) (u1 − u1a) ,

y − ya = S1 · (u2 − u2a) .

Daraus erhält man die Kennlinie der gesamten Kette zu

y − ya = S0 S1 Si · (1 + Fr SS) (u − ua) . (3.26)

Der relative Fehler des nichtlinearen Gliedes kann nach Gl.(3.25) approximiert wer-den als

Fr SS =∆S (u1a, z0)

Si+

1

2

S′ (u1a, z0)

Si(u1 − u1a)

=S (u1a, z0)

Si− 1 +

1

2

S′ (u1a, z0)

SiS0 (u − ua)︸ ︷︷ ︸

≈0

, (3.27)

wobei der zweite Term für S0 1 vernachlässigt werden kann. Die Ausgangsgrößein Gl.(3.26) wird damit

(y − ya) ≈ S0 S1 S (u1a, z0) (u − ua) . (3.28)

Sie hängt nur noch von der konstanten Empfindlichkeit S (u1a, z0) im Messanfangdes nichtlinearen Gliedes ab. Zur Kompensation des kleinen S0 muss S1 entspre-chend groß gewählt werden, damit die Bedingung

S0 · S1 = 1 (3.29)

eingehalten wird. Die Messkennlinie ist linearisiert worden. Diese Vorgehensweiseentspricht einer Linearisierung um einen Arbeitspunkt (hier u1 = u1a). Dabei stellt

Page 55: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 47

das Glied mit der Empfindlichkeit S0 1 sicher, dass sich die Eingangsgröße desnichtlinearen Systems u1 nur wenig vom Arbeitspunkt wegbewegt.

Beispiel 3.2 Wegmessung mit DehnmessstreifenMit Hilfe von Dehnmessstreifen soll ein Wegmesser mit einem Messbereich vonetwa 1 mm Weg realisiert werden. Die Aufgabe kann mit einer Anordnung nachAbb. 3.7 gelöst werden. Eine Blattfeder formt den für einen Dehnmessstreifen zugroßen Weg x in eine kleine Dehnung ε = ∆/ um. Diesen kleinen Ausschlagε · wandelt der Dehnmessstreifen fast linear in ein elektrisches Signal um, das ineinem Verstärker auf das gewünschte Niveau gebracht wird. Das Strukturbild zeigtdie geschilderte Methode.

DMS

Blattfeder DMS

U

x

x

S 1 1>>R

R

∆= ∆

S 0 1<< εε ∆U

U

Abbildung 3.7. Beispiel für das Herabsetzen der Messspanne

Vorgehen zur Linearisierung:

a) Umsetzung des Weges x in eine kleine Längenänderung ∆/ mittels der Biege-feder: S0 1.

b) Umsetzen der Längenänderung ∆/ in eine Widerstandsänderung∆R/R. Es wird im linearen Teil der Kennlinie des Dehnungsmessstreifens ge-arbeitet (Abb. 3.8).

c) Umsetzung von ∆R/R in eine Spannung ∆U/U mit anschließender Verstär-kung: S1 1.

3.2.2 Hintereinanderschalten zweier nichtlinearer Glieder

Hier werden die Bedingungen untersucht, die zwei nichtlineare Glieder mit denEmpfindlichkeiten Sj (uj) , j = 1, 2 in einer Messkette erfüllen müssen, damitinsgesamt eine lineare Kennlinie resultiert (Abb. 3.9). Die Kennlinien und derenAbleitungen sind

u2 = f1 (u1), y = f2 (u2),

∂u2

∂u1=

∂f1 (u1)

∂u1= S1 (u1),

∂y

∂u2=

∂f2 (u2)

∂u2= S2 (u2). (3.30)

Page 56: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

48 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

LinearerBereich

Nichtlinearitäten

Hysterese

∆R R

0 4 10 2, ⋅ - 2-4 10⋅

Abbildung 3.8. Kennlinie eines Dehnungsmessstreifens (DMS)

Man erhält

∂y

∂u1=

∂f2 (u2)

∂u2· ∂f1 (u1)

∂u1= S1 (u1) S2 (u2) . (3.31)

u u y1 2S (u )2 2S (u )11

Abbildung 3.9. Hintereinan-derschalten von zwei nichtli-nearen Gliedern

Wird Linearität der Gesamtanordnung verlangt, so muss folgender Zusammenhanggelten:

S = S1 (u1) S2 (u2)!= const. (3.32)

Formal erhält man die Lösung, wenn man die Umkehrfunktion der Kennlinie desersten Gliedes bildet u2 = f (u1) , y = f−1 (u2). Als Näherung entwickelt manGl.(3.32) in eine Taylor-Reihe um den Arbeitspunkt, wobei die innere Ableitungdu2/du1 = S1 eingesetzt wird. Die ersten Koeffizienten der Taylor-Reihe werdenzu Null gesetzt (Bedingung für Linearität),

dS

du1= S′

1 S2 + S1 S′2

du2

du1= S′

1 S2 + S21 S′

2 = 0. (3.33)

Entsprechend erhält man

d2S

du21

= S′′1 S2 + 3S1 S′

1 S′2 + S3

1 S′′2 = 0, (3.34)

d3S

du31

= S′′′1 S2 + 4S1S

′′1 S′

2 + 3S′12S′

2 + 6S21S′

1S′′2 + S4

1S′′′1 = 0. (3.35)

Page 57: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 49

Die Gleichungen sind mit steigenden Ansprüchen an die Linearisierung der Reihenach zu erfüllen. Die Reihenfolge der nichtlinearen Glieder in der Messkette ist fürdie Linearisierung wesentlich: Die Beziehungen sind nicht symmetrisch in S1 undS2. Aus Gl.(3.33) sieht man z.B., dass die Steigung S′

2 entgegengesetztes Vorzei-chen zu S′

1 haben muss, also

S′2 = −S2

S21

S′1.

Beispiel 3.3 Widerstandsthermometer in BrückenschaltungGegeben sei ein temperaturabhängigerWiderstand mit der Kennlinie nach Abb. 3.10.Die Kennlinie kann wie folgt beschrieben werden:

∆RT = f1 (T )= RT − RT0

= a (T − T0) + b (T − T0)2.

RT

RT0

T0 T

S 1 0′ ≥

Abbildung 3.10. Kennlinie eines Wider-standsthermometers

Die Brückenschaltung ist in Abb. 3.11 dargestellt. Hierin ist seriell zum Tempe-raturwiderstand RT ein konstanter, temperaturunabhängiger Justierwiderstand Ri

geschaltet, so dass mit

R = RT0 + Ri

die Brücke im Messanfang ∆RT = RT − RT0 = 0 auf U = 0 abgeglichen ist. DieBrücken-Ausgangsspannung ist

U = f2 (∆RT )

= U0

[RT + Ri

RT + Ri + R− R

R + R

]=U0

[RT0 + ∆RT + Ri

RT0 + ∆RT + Ri + R− 1

2

],

U = f2 (∆RT )

= U0

[∆RT + R

∆RT + 2R− 1/2 ∆RT + R

∆RT + 2R

]= U0

∆RT

4R· 1

1 + ∆RT

2R

.

Beide Kennlinien ∆RT = f1 (T ) und U = f2 (∆RT ) sind nichtlinear. Die Ge-samtanordnung soll lineares Verhalten haben.

Page 58: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

50 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

R

RR

U

RT

Ri

U0

Abbildung 3.11. Brückenschaltung zurLinearisierung

Die Empfindlichkeit S1 erhält man aus der Widerstandskennlinie ∆RT = f1 (T )durch Differentiation:

S1 (T = T0) =d (∆RT )

dT

∣∣∣∣T=T0

= a,

S′1 (T = T0) =

d2 (∆RT )

dT 2

∣∣∣∣T=T0

= 2b.

Die Empfindlichkeit S2 erhält man aus der Kennlinie der Brückenschaltung U =f2 (∆RT ), wobei für T = T0 der Wert ∆RT = 0 gilt:

S2 (∆RT = 0) =dU

d∆RT

∣∣∣∣∆RT =0

=U0

4R,

S′2 (∆RT = 0) =

d2U

d∆R2T

∣∣∣∣∆RT =0

= − U0

4R2.

Aus der Bedingung Gl.(3.33), S′1 S2 + S2

1 S′2 = 0 erhält man

2bU0

4R− a2 U0

4R2= 0 → R =

a2

2b

Der Justierwiderstand wird damit

Ri = R − RT0 =a2

2b− RT0 .

Die Beziehung für den Justierwiderstand Ri zeigt, dass bei dieser Schaltung derKoeffizient b positiv sein muss und weiter, dass der Quotient a2/2b ≥ RT0 seinmuss. Für Platinwiderstandsthermometer z.B. ist b negativ, die Linearisierung kannnicht erreicht werden.

Page 59: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 51

Nickel-Thermometer: Bei einem Nickel-Thermometer mit einem Widerstand von

RT0 = 100Ω bei T0 = 0C

und einem Messbereich von 100C sind die beiden Koeffizienten

a = 0.574Ω/C und b = 0.0007Ω/(C)2.

Der Koeffizient b ist positiv. Der Justierwiderstand wird damit

Ri = 135.34Ω.

Im folgenden sollen die resultierenden Kennlinien des Nickel-Widerstandsthermo-meters ohne und mit Linearisierung verglichen werden. Eine Approximation durchNewton-Polynome ergibt:

a. keine Linearisierung (Ri = 0):

R = RT0 = 100Ω → U

U0= 1.87 · 10−3 T

C

(1 − 1.7 · 10−2 T

C

).

b. Linearisierung (Ri = 135.34Ω):

R =a2

2b= 235.34Ω → U

U0= 0.61 · 10−3 T

C

(1 − 2.0 · 10−4 T

C

).

Die Nichtlinearität ist um zwei Größenordnungen reduziert worden. Dafür ist aller-dings die Empfindlichkeit auf ein Drittel verringert worden.

3.2.3 Wahl des günstigsten Messbereichs

Bei Messsystemen stehen oft Kennlinien mit einem großen Bereich der Eingangs-größe zur Verfügung. Für den gewünschten kleineren Messbereich ist daraus nunein möglichst linearer Teil von hoher Empfindlichkeit auszuwählen. Bei höherenAnsprüchen ist für die Wahl des Arbeitsbereiches der einfache Blick auf die Kenn-linie unzureichend. Besser ist es, die Empfindlichkeit in Abhängigkeit von der Ein-gangsgröße aufzutragen, oder, wenn diese nicht analytisch gegeben ist, auch dieDifferenzen erster Ordnung ∆yi oder die Steigung ∆yi/h, mit h als dem Stützstel-lenabstand aufzutragen. Im Bereich

u = [ua, ue]

sei die Empfindlichkeit Si der physikalischen Messkennlinie ausreichend hoch undwenig veränderlich. Dieser Bereich d = ue − ua wird deshalb als Arbeitsbereichdes Messsystems ausgewählt.

Page 60: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

52 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

S

h

u

d

ua

S i

gewählter Bereich

∆ y

h

i

u u de a= +

Abbildung 3.12. Wahl des günstigsten Messbereichs

Entsprechend der Fixpunktjustierung wird die mittlere Empfindlichkeit in diesemBereich als ideale Empfindlichkeit Si gewählt Gl.(3.6). Neben der graphischen Be-handlung ist auch eine analytische Berechnung des günstigsten Messbereichs mög-lich. Dazu wird als Gütemaß das Integral über dem Messbereich gebildet:

Q =

ua+d∫ua

(S (u, z0) − Si)2

du. (3.36)

Gesucht ist der Messanfang ua, der mit Rücksicht auf die Nebenbedingung

Si =1

d

ua+d∫ua

S (u, z0) du (3.37)

den Wert Q zu einem Minimum macht. Das Gütemaß kann man schreiben als

Q =

ua+d∫ua

S2 (u) du − 2Si

ua+d∫ua

S (u) du

︸ ︷︷ ︸Sid

+S2i d, bzw. (3.38)

Q =

ua+d∫ua

S2 (u) du − S2i d.

Die Differentiation von Gl.(3.38) nach ua gibt die notwendige Bedingung

∂Q

∂ua=S2 (ua + d) − S2 (ua) − 2Si S (ua + d) − S (ua)= S (ua + d) − S (ua)︸ ︷︷ ︸

I

· (S (ua + d) + S (ua)) − 2Si︸ ︷︷ ︸II

= 0. (3.39)

Page 61: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 53

Daraus erhält man zwei Bedingungen, von denen eine erfüllt sein muss.

I) Arbeitsbereich um einen Wendepunkt:

S (ua + d) − S (ua) = y′ (ua + d) − y′ (ua) = 0. (3.40)

Der Arbeitspunkt ist möglichst „um einen Wendepunkt der Kennlinie herum“ zulegen. Geht man von einem Wendepunkt der Kennlinie im Messbereich aus, sonimmt die Steigung S (u) unabhängig von der Richtung steigender oder fallenderEingangsgröße u immer entweder zu oder ab. Man findet also meistens zwei Punkteua und ua + d, für die sich Gl.(3.40) erfüllen lässt. Die diese Endpunkte verbin-dende lineare Kennlinie konstanter Empfindlichkeit geht nicht unbedingt durch denWendepunkt.

uua

y ua( )

y u( )

y ua( )′

Arbeitskennliniemit konstanterEmpfindlichkeit Sy u y u da a( ) ( )′ = ′ +

y u da( )′ +

u da +

y u da( )+

Abbildung 3.13. Wahl des besten Messbereiches nach dem Kriterium I mit Wendepunkt

II) Arbeitsbereich ohne Wendepunkt:

1

2S (ua + d) + S (ua)−Si =

1

2y′ (ua + d) + y′ (ua)−Si = 0.(3.41)

Der Arbeitsbereich ist so zu wählen, dass der arithmetische Mittelwert der Steigun-gen in den Anfangs- und Endpunkten gerade der mittleren Steigung Si entspricht.Die gewählte Kennlinie geht in praktischen Fällen nicht exakt durch den Endpunkt,d.h. die gefundene ideale Kennlinie ist nicht identisch mit der bei Fixpunktjustie-rung.

Will man neben der Linearität auch eine möglichst hohe Empfindlichkeit haben, soarbeitet man anstelle des Gütemaßes Q Gl.(3.36) mit dem Gütemaß

Page 62: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

54 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

uua

y ua( )

y u( )

y ua( )′ue

y u da( )′ +

y u da( )+

y u y u da a( ) ( )′ ′ ++S i = 12 ( )

Abbildung 3.14. Wahl des besten Messbereiches nach dem Kriterium II ohne Wendepunkt

R =1

S2i d

ua+d∫ua

S (u) − Si2du =

1

S2i d

ua+d∫ua

S2 (u) du − 1. (3.42)

Die Ableitung von R nach ua ergibt

S (ua+d)− S (ua)︸ ︷︷ ︸I

⎧⎨⎩Sid S (ua+d)+ S(ua)− 2

ua+d∫ua

S2 (u) du

⎫⎬⎭ = 0.

Der erste Faktor entspricht gerade wieder der Bedingung I in Gl.(3.40). Hat diephysikalische Kennlinie im ausgewählten Messbereich einen Wendepunkt, so hatauch das Gütemaß R ein Extremum. Durch Abschätzung der Empfindlichkeiten anzwei Messwerten kann man entscheiden, ob es sich um ein Maximum handelt.

Beispiel 3.4 KurbelantriebAls Beispiel für das analytische Verfahren wird das Problem der Umformung einesDrehwinkels Φ mit dem Hub π/2 in eine lineare Hubbewegung mit Hilfe zweierHebel behandelt (Abb. 3.15). In Abhängigkeit von der Anbringung wählt man einenTeil der Kennlinie als Messbereich aus. Mit den Bezeichnungen des Bildes erhältman für den Ausschlag y:

y = r sinΦ +√

l2 − r2 cos2 Φ.

Das Verhältnis der Hebellängen r/l sei erheblich kleiner als 1. Die Gleichung ver-einfacht sich mit der Näherung

√1 − x ≈ 1 − x/2 für x 1 zu

y

l=

r

lsin Φ + 1 − r2

2l2cos2 Φ.

Für die Empfindlichkeit der Anordnung gilt

Page 63: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 55

l

r

h

Φ

y

r sin Φ

h = r cos Φ

Anbringung 1

Anbringung 2

Abbildung 3.15. Umformung eines Drehwinkels in einen Hub mit einem Kurbeltrieb

S =d (y/l)

dΦ=

r

lcosΦ +

r2

l2sin Φ cosΦ.

Im Beispiel gelte

ua = Φa, d =π

2, sin

(Φa +

π

2

)= cosΦa, cos

(Φa +

π

2

)= − sinΦa.

a) Wenden wir die Bedingung I Gl.(3.40) an, gilt im Beispiel:

−r

lsin Φa − r2

l2sin Φa cosΦa =

r

lcosΦa +

r2

l2cosΦa sin Φa,

2r

l= −

(1

cosΦa+

1

sin Φa

).

Für ein Hebelverhältnis von r/l = 0, 4 ergibt sich ein Messbereich vonΦa ≈ −30.7 bis Φe = 59.3 (die Lösung erfolgt mit einem numerischen Nä-herungsverfahren oder grafisch). Die Kennlinie und die Empfindlichkeit sind inAbb. 3.16 gezeichnet. Man erkennt, dass die Kennlinie einen Wendepunkt in derNähe von Φ = 0 besitzt und kann hieraus schließen, dass Kriterium I anwendbar ist.In Abb. 3.17 ist die ideale Kennlinie eingezeichnet als Sia.

b) Bedingung II aus Gl.(3.41) ist erfüllt, wenn gilt, dass

r

2lcosΦa − sin Φa = Si.

Die ideale Empfindlichkeit erhält man aus der Forderung nach Fixpunktjustierungzu

Si =y(Φa + d) − y(Φa)

d.

Page 64: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

56 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

0.6

0.7

0.8

0.9

1

1.1

1.2

1.3

-0.4

-0.3

-0.2

-0.1

0

0.1

0.2

0.3

0.4

-180 -90 0 90 180 -180 -90 0 90 180

y/l S

Φ[°]Φ[°]18

Abbildung 3.16. Kennlinie und Empfindlichkeit beim Kurbeltrieb

Hiermit ergibt sich aus Bedingung II:

r

2lcosΦa − sin Φa =

2r

πl

cosΦa − sinΦa +

r

2l

(cos2 Φa − sin2 Φa

)cosΦa − sinΦa

r

2l− 2r

πl− 2r2

2πl2(cosΦa + sin Φa)

= 0.

-52 -30 0 38 60

0.7

0.8

1

1.1

1.2

1.3

Φ[°]

y/l

Sib

Sia

Abbildung 3.17. Ausschnittsvergrößerung von Abb. 3.16 mit den beiden möglichen idealenKennlinien

Page 65: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 57

Kriterium II ist somit erfüllt, wenn entweder

cosΦa − sin Φa = 0 oder cosΦa + sin Φa =(π

4− 1

) 2l

r

ist. Beide Gleichungen sind wieder nur mit Näherungsverfahren lösbar. Für die ersteLösung ergibt sich als Minimum ein Bereich von Φa ≈ −52,Φe = 38, eingezeichnet in Abb. 3.17 als Sib. Für die zweite Lösung Φa ≈ 45,Φe = 135 wird das Gütemaß Q maximal (keine Lösung). Man sieht in Abb. 3.17,dass ein Wendepunkt des Empfindlichkeitsverlaufs bei Φ ≈ 18 vorliegt. DurchVergleich der beiden Lösungen kann man entscheiden, dass der Bereich aus Kriteri-um I der bessere Arbeitsbereich ist. Man erkennt, dass Q im Bereich von Sia einenkleineren Linearisierungsfehler besitzt als im Bereich von Sib.

3.2.4 Differenzmethode

Die Struktur der Schaltung zeigt Abb. 3.18. Das Eingangssignal ∆u = (u − u0)wirkt auf ein Element mit der Empfindlichkeit S (∆u) = ∂y(∆u)/∂∆u. Gleich-zeitig wird das Eingangssignal mit dem negativen Vorzeichen auf ein paralleles Ele-ment mit der gleichen Empfindlichkeit S (∆u) gegeben. Die Kennlinie wird umden Arbeitspunkt der Messgröße u0 herum betrachtet. Als Eingangssignal verwen-det man deshalb praktischerweise nur die Abweichungen ∆u = (u − u0) um denArbeitspunkt.

y

y1

y2

u u u0∆ = −

1−

S u( )∆

S u( )∆−Abbildung 3.18. Paral-lelschaltung gleichartigerMesssysteme

Am Ausgang wird die Differenz y1 − y2 gebildet. Zum Übertragungsverhalten derAnordnung kommt man am einfachsten mit den Begriffen „gerade und ungeradeFunktionen“. Eine beliebige Funktion f (u) lässt sich um einen Arbeitspunkt u0 alsSumme einer geraden und einer ungeraden Funktion g (∆u) und v (∆u) darstellen,

f (u − u0) = g (u − u0) + v (u − u0) = f (∆u) .

Konstante, systematische Fehler sind hierbei ausschließlich im geraden Funktions-teil enthalten. Den geraden Funktionsteil erhält man als Summe

f (∆u) + f (−∆u) = 2g (∆u) , (3.43)

den ungeraden Funktionsteil als Differenz

Page 66: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

58 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

f (∆u) − f (−∆u) = 2v (∆u) . (3.44)

Wir wählen einen Arbeitspunkt u0 ungefähr in der Mitte des Messbereichs und bil-den die Differenzkennlinie als ungeraden Funktionsteil von ∆u = u − u0:

yD = f (∆u) − f (−∆u) = y1 − y2

= 2v (∆u) .(3.45)

Die geraden Funktionsteile sind ohne Einfluss auf die Differenzkennlinie. Den Li-nearisierungseffekt erkennt man in Abb. 3.19, wo für eine Funktion f (∆u) derungerade Anteil 2v (∆u) konstruiert ist.Entwickelt man die Funktionen y1 und y2 nach Gl.(3.23) in eine Taylor-Reihe umden Arbeitspunkt u0,

y1 =y (∆u)

=y (u0) + S (u0) ∆u

1 +

S′ (u0)

S (u0)· ∆u

2!+

S′′ (u0)

S (u0)· ∆u2

3!+ · · ·

,

y2 =y (−∆u)

=y (u0)+S (u0)(−∆u)

1+

S′ (u0)

S (u0)

−∆u

2!+

S′′ (u0)

S (u0)

(−∆u)2

3!+ · · ·

,

so erhält man mit yD = y1 − y2 für die Differenzkennlinie

yD = 2S (u0)∆u

1 +

S′′ (u0)

S (u0)

∆u2

3!+ · · · + S(2v) (u0)

S (u0)

∆u2v

(2v + 1)!+ · · ·

.

(3.46)

Die Krümmung der Messkennlinie wird durch den Term

1

2S′(u0)(∆u)2

der Taylor-Reihe repräsentiert. Als gerade Funktion fällt er bei der Differenzbildungheraus. Damit erklärt sich die linearisierende Wirkung der Differenzmethode.

Der relative Fehler der ursprünglichen Kennlinie ist nach Gl.(3.24)

Fr SS =S (u0, z0)

Si− 1 +

1

2

S′ (u0, z0)

Si(∆u) .

Die ideale Kennlinie hat jetzt die doppelte Empfindlichkeit

yDi = 2Si · ∆u,

so dass der relative Fehler der Differenzkennlinie aus Gl.(3.46) entsprechend

Page 67: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 59

y2- f (- ( u - u ))0

a

u

y1

u0

f u0( )

f u u0( )-

a

a

u

a

f u0( )

2v u u0( )-

Abbildung 3.19. Graphische Kon-struktion der Kennlinie in Differenz-schaltung

FDr S =yD − yDi

yDi

=2S (u0, z0) · ∆u + 1

3S′′ (u0, z0) · ∆u3 − 2Si · ∆u

2Si · ∆u

(3.47)

wird. Die Empfindlichkeit der ursprünglichen Kennlinie im Arbeitspunkt u0 ist ge-rade gleich der halben Empfindlichkeit der linearen Differenzkennlinie:

S (u0, z0) = 12 (2Si) = Si. (3.48)

Der relative Fehler der Differenzkennlinie wird damit zu

FDr S =1

6

S′′ (u0, z0)

Si∆u2. (3.49)

Er ist proportional zur zweiten Ableitung der Empfindlichkeit der ursprünglichenKennlinie im Arbeitspunkt, und wächst quadratisch nach beiden Seiten an. DiesenBetrachtungen zugrunde liegen Taylor-Entwicklungen, die nach dem 3. Term abge-brochen werden. Diese Näherung ist bei den meisten physikalischen Messkennlini-en ausreichend. Im Arbeitspunkt u0 ist der Kennlinienfehler Null. Diese Aussagegilt exakt! Das Verhältnis des Fehlers der Differenzkennlinie zu dem der ursprüng-lichen Kennlinie ist

Page 68: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

60 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

FDr S

Fr SS≈ 1

3

S′′ (u0, z0)

S′ (u0, z0)· (u − u0) . (3.50)

Die Differenzkennlinie wird um den Arbeitspunkt herum stabilisiert.

Beispiel 3.5 Kapazitiver BeschleunigungssensorMit einer mikromechanischen Technologie wird eine kammartige Struktur geätzt,

die beweglich an 4 Punkten aufgehängt ist (Abb. 3.20). Die Struktur bildet ein Feder-Masse-System, das durch die Beschleunigung a um ∆d ausgelenkt wird,

m(∆d

)+ δ

(∆d

)+ c · ∆d = m · a = Fm.

Beschleunigunga

C1

C1 C2

C2

Bewegliche Aufhängung

beweglich

fest

Abbildung 3.20. Kapazitiver Beschleunigungssensor

Im stationären Zustand (∆d = const) ist Fm = m · a = FC = c ·∆d, woraus mandie Auslenkung

∆d =m

ca =

1

ω20

a

erhält. Aufgrund der hohen Eigenfrequenz ω0 sind die Auslenkungen ∆d klein.Zwischen den Kämmen liegen jeweils zwei ortsfeste Strukturen, welche gegen denKamm die Kapazitäten C1 und C2 bilden. Bei Auslenkung um ∆d nach links wirdz.B. C2 größer und gleichzeitig C1 kleiner:

1

C1=

1

εA· (d + ∆d) =

d

εA

(1 +

∆d

d

)=

1

C0

(1 +

1

dω20

a

),

1

C2=

1

εA· (d − ∆d) =

d

εA

(1 − ∆d

d

)=

1

C0

(1 − 1

dω20

a

).

Page 69: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 61

Die Kapazitätsänderung kann in einem Spannungsteiler erfasst werden, der von derWechselspannung u∼ gespeist wird (siehe Abb. 3.21). Mit Hilfe einer Maschenana-lyse ergibt sich

u1∼ =1/C1

1/C1 + 1/C0u∼ =

1 + ∆d/d

2 + ∆d/du∼.

∼u2

∼u1

C 0

C 1

C 2

C 0

u∼u∼

Abbildung 3.21. Schaltbild zur Beschleunigungsmessung

Zusammen mit einem zweiten Spannungsteiler

u2∼ =1/C2

1/C2 + 1/C0u∼ =

1 − ∆d/d

2 − ∆d/du∼

kann die Differenzspannung

∆u∼ = u1∼ − u2∼ =2∆d

d

4 − (∆dd

)2 u∼

gebildet werden. Für kleine Auslenkungen ∆d/d 1 gilt für ∆u∼ die Beziehung

∆u∼ ≈ 1

2

∆d

du∼.

Somit besteht eine lineare Abhängigkeit zwischen der Differenzspannung ∆u∼ undder Auslenkung ∆d.

Die separaten Spannungsteiler nach Abb. 3.21 mit nachfolgender Differenzbildungsind für praktische Anwendungen allerdings weniger geeignet. Daher verwendetman eine Brückenschaltung nach Abb. 3.22, in der zwei veränderliche KapazitätenC1 und C2 in Serie geschaltet sind. Mit ihr kommt man zu einem entsprechendenErgebnis:

∆u∼ +1

2u∼ =

1 + ∆d/d

2u∼ =

1

2u∼ +

1

2u∼

∆d

d,

∆u∼ =1

2u∼

∆d

d.

Page 70: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

62 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

1

2

∆ u∼

1

2+ ∆

u∼

u∼u∼u∼

C 0 C 1

C 2C 0

Abbildung 3.22. Brückenschal-tung der Messkondensatoren

Die Differenzspannung ∆u∼ bildet eine lineare Messkennlinie in Abhängigkeit von∆d. Nach der Gleichrichtung erhält man im stationären Zustand die Ausgangsspan-nung als

|∆u∼| =1

2|u∼| ∆d

d=

1

2|u∼| m

c · d a =1

2|u∼| 1

ω20 d

a = m Si a.

Die Empfindlichkeit Si beschreibt den Zusammenhang zwischen der Beschleuni-gungskraft Fm auf die Masse des beweglichen Kammes und der Ausgangsspannung|∆u∼|,

Si =|∆u∼|Fm

=|u∼|2Fm

∆d

d=

|u∼|2d

· 1

c.

Die Frequenz der Speisewechselspannung u∼ sei höher als die mechanische Re-sonanzfrequenz ω0 der Feder-Masse-Anordnung des Sensors. Die Speisewechsel-spannung führt dann nicht zu nennenswerten Ausschlägen ∆d.

3.2.5 Gegenkopplung

Die Messgröße u wird mit einer von dem Ausgangssignal y abgeleiteten GrößeK (y) verglichen und der Abgleich bis auf Null oder eine verschwindend kleineDifferenz v durchgeführt. Man spricht von einem Kompensationsverfahren. DieGegenkopplung ist eine wirkungsvolle Methode, um eine ideale Kennlinie zu be-kommen. Ihr Kennzeichen ist der geschlossene Kreis (Abb. 3.23). Voraussetzungfür die Anwendung ist die Existenz eines Übertragungs-, bzw. Messgliedes K (y)im Kompensationszweig, das ein Signal in der gleichen physikalischen Größe wiedie Messgröße u liefert. Nur dann ist ein Vergleich mit der Messgröße möglich.

Ist f (v) die physikalische Messkennlinie, so kann die Empfindlichkeit

Page 71: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 63

−u v

V

y

yS v( )

K y( ) Abbildung 3.23. Strukturbild derGegenkopplung

S (v) =∂f (v)

∂v

wegen des kleinen Messbereiches ve − va als konstant angesehen werden:

S (ve) = S (va) = Si > 0. (3.51)

Aus dem Strukturbild 3.23 erhält man die beiden Beziehungen

y = SiV · v, (3.52)

v = u − K (y) . (3.53)

Daraus kann man folgende Gleichungen gewinnen:

v =1

SiVy = u − K (y) ,

K (y) = u − 1

SiVy.

Für große Verstärkungen V 1 ist

K (y) ≈ u, (3.54)

d.h. für monoton steigende Kennlinien K (y) geht die Kennlinie der gesamten An-ordnung gerade in die inverse Rückkopplungsfunktion

y = K−1 (u) (3.55)

über. Die Messkennlinie des geschlossenen Kreises wird bei ausreichend hoher Ver-stärkung ausschließlich vom Rückkopplungszweig bestimmt. Kann man K (y) auf-trennen in

K (y) = K ′ (y) · y = u − 1

SiVy, (3.56)

so erhält man

K ′ (y) ·(

1 +1

K ′ (y)SiV

)y = u oder

Page 72: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

64 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

y =u

K ′ (y)· 1

1 + 1K′(y)SiV

. (3.57)

Mit der Näherung 1/(1+x) ≈ 1−x für x 1, was einer Potenzreihenentwicklungund Abbruch nach dem ersten Glied entspricht, ergibt sich

y ≈ u

K ′ (y)·(

1 − 1

K ′ (y)SiV

).

Mit der idealen Kennlinie

yi =1

K ′ (y)· u (3.58)

wird der relative Kennlinienfehler der gesamten Rückkopplungsanordnung zu

FrV ≈ y − yi

yi= − 1

K ′(y)SiV. (3.59)

Bei ausreichend hoher Verstärkung V wird ein Linearisierungseffekt der Kennliniewie im Abschn. 3.2.1 durch Herabsetzen des Messbereichs erreicht. Es muss jedochdarauf hingewiesen werden, dass in vielen Fällen geeignete Gegenkopplungsglie-der K (y) fehlen, die die Ausgangsgröße y auf die Messgröße u abbilden. So istz.B. kein Übertragungsglied K (y) bekannt, das eine elektrische Ausgangsgröße un-mittelbar in eine Temperatur abbildet und so einen gegengekoppelten Temperatur-Messumformer ermöglicht. Ein Nachteil der Gegenkopplung ist die durch den Re-gelkreis hinzukommende Dynamik. Bei zu hoher Verstärkung V kann das Systemsehr lange Einschwingzeiten besitzen oder sogar instabil werden (Abschn. 4.4.2).

Beispiel 3.6 Druck-MessumformerEin Beispiel für die Gegenkopplung ist der Druck-Messumformer im Abb. 3.24. DieGegenkopplung wird nicht wie gewünscht unmittelbar als Druckvergleich, sondernals Kraftvergleich durchgeführt, weil es nur dafür ein geeignetes Übertragungsgliedgibt. Für V 1 und damit ∆F ≈ 0 erhält man aus dem KräftegleichgewichtFp ≈ FI die Ausgangsgröße in Abhängigkeit von der Messgröße,

I =A

Bp.

Die Gegenkopplung wird auch gerne dazu verwendet, um nichtlineare Kennlinienzu realisieren. Fällt die Messgröße über mehreren Größenordnungen an, wie z.B. beiTeilchen-Raten in der Kerntechnik, so verwendet man logarithmische Verstärker.Die Messkennlinie wird dann durch Kompensationsglieder K (y) im Gegenkopp-lungszweig mit exponentieller Charakteristik realisiert (z.B. Dioden-Kennlinie).

In der Durchflussmesstechnik nach dem Wirkdruckverfahren ist der Druck

Page 73: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.2 Kennlinienfehler unter Normalbedingungen 65

Abbildung 3.24. Druck-Messumformer mit Rückkopplung über Kraftvergleich

p = 12ρv2

proportional zum Quadrat der Durchflussgeschwindigkeit v. Gibt man der Mess-kennlinie durch eine Rückkopplung insgesamt eine Wurzel-Charakteristik, so erhältman gerade den gewünschten Durchfluss

y =

√2

ρ·√p = v.

Die Wurzel-Charakteristik wird durch eine quadratische Kennlinie im Rückkopp-lungszweig erzeugt:

K (y) = K · y2.

Die Messkennlinien des gegengekoppelten Kreises beruhen in diesem Kapitel aufrein stationären Beziehungen. Bei Stabilitätsproblemen muss man auf die Methodender Regelungstechnik zurückgreifen [6].

Page 74: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

66 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von denNormalbedingungen

Im vorherigen Abschnitt wurden die stationären Eigenschaften der Messkennliniebei den spezifizierten Normalbedingungen behandelt und Verbesserungen für dieKennlinie durchgeführt. Weichen die Betriebsbedingungen von den Normalbedin-gungen ab, so ändert sich der Störgrößenvektor von z0 auf z und bringt eine Än-derung des Kennlinienabgleichs mit sich. Beispiele für sich ändernde Störgrößensind:

• Temperatur, Temperaturgradient,

• Feuchte,

• Mechanische Erschütterungen, Stöße,

• Aussteuerung des Messsystems über den Messbereich hinaus,

• Änderung von Hilfsenergien.

Nach ihrer Wirkung auf die Messkennlinie lassen sich superponierende (additive)und deformierende (multiplikative) Störgrößen unterscheiden.

3.3.1 Superponierende Störgrößen

Abbildung 3.25 zeigt ein Beispiel für einen superponierenden Fehler. Er ist dadurchgekennzeichnet, dass sich der Betrag des absoluten Fehlers nicht in Abhängigkeitvom aktuellen Messwert ändert. Der Nullpunktfehler ändert sich in Abhängigkeitdes Störgrößenvektor z mit

e (z) = e (z0)︸ ︷︷ ︸=0

+∆e (z) .

Die Empfindlichkeit der Kennlinie ändert sich dagegen bei rein superponierendenFehlern nicht:

∆S (u, z)!= 0. (3.60)

Die physikalische Messkennlinie wird dann

(y − ya0) =

u∫ua

S (u, z0) du + ∆e (z) .

Die Änderung des Nullpunktfehlers wird durch eine Taylor-Reihe im Störgrößen-Abgleichpunkt z0 abgeschätzt:

Page 75: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen 67

y

uua ue

S i

ye0

ya0

ya ( )

z0

z j

z j

S u( , )z j

S u( , )z0

Abbildung 3.25. Superponierender Fehler durch Störgrößenänderung

∆e (z) = y (ua, z) − ya0 ≈∑

j

∂y (ua, z0)

∂zj∆zj.

Der superponierende Fehler, bezogen auf die Anzeigespanne, ist dann

FrSupSS =∆e(z)

y (u, z0) − ya0=

∑j

∂ y (ua,z0)∂ zj

∆zj

u∫ua

S (u, z0) du

Für eine vereinfachte Abschätzung des Fehlers wird im folgenden angenommen,dass die Empfindlichkeit im Messbereich konstant sei:

S (u, z0) ≈ Si,

∂y (ua, z0)

∂zj≈ ya (zj) − ya0

∆zj.

Damit wird der superponierende Kennlinienfehler, bezogen auf die Messspanne

FrSupSS =1

Si (u − ua)

∑j

(ya (zj) − ya0). (3.61)

Weil FrSupSS im Messanfang gegen Unendlich strebt, verwendet man auch densuperponierenden Fehler, bezogen auf den Anzeigebereich:

Page 76: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

68 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

FrSupES =∑

j

ya(zj) − ya0

Si(ue − ua)=∑

j

ya(zj) − ya0

ye0 − ya0. (3.62)

Bei gleichzeitigem Vorhandensein von superponierendem und deformierendem Feh-ler wird der superponierende Fehler am Messanfang betrachtet.

3.3.2 Eliminierung superponierender Störgrößen mit der Differenzmethode

Es handelt sich um die Anordnung in Abb. 3.18. Aus der Gl.(3.45) erkennt man,dass in die Differenzkennlinie nur der ungerade Teil eingeht, wenn gleiche Bauele-mente verwendet werden. Superponierende Störgrößen gehören zum geraden Teilder Messkennlinie, werden also bei der Differenzmethode eliminiert. Die Kennlini-en der Einzelmesssysteme 1 und 2 und der überlagerte Fehler zj seien durch

yj = (−1)(j−1) · Sj · (u − u0) + zj

dargestellt, wobei die erste Kennlinie

y1 = S · (u − u0) + z1

positives Vorzeichen und die zweite Kennlinie derselben Empfindlichkeit

y2 = −S · (u − u0) + z2

negatives Vorzeichen haben soll. Die Parallelschaltung ist

y = y1 − y2 = 2S · (u − u0) + z1 − z2

= 2S · (u − u0)

1 +

z1 − z2

2S · (u − u0)

. (3.63)

Der relative Fehler bezogen auf die Messspanne

Fr supp SS =z1 − z2

2S (u − u0)(3.64)

ist bei gleichartig einwirkenden Störgrößen z1 = z2 gerade Null. Dieser Eigenschaftund dem Linearisierungseffekt auf die Kennlinie (Abschn. 3.2.4) verdankt das Dif-ferenzverfahren seine weite Verbreitung in der Messtechnik. Eine superponierendeStörgröße zj (Nullpunktverschiebung) wirkt sich gleichmäßig auf beide Kennlinienaus. Dieser Hub fällt gemäß Gl.(3.63) bei der Differenzbildung wieder heraus.

Beispiel 3.7 Absolutdruckmesser

Der Druck wird in einer Membrandose gemessen, die eine Kraft proportional zurDifferenz Messdruck/Luftdruck p1 − p0 erzeugt. Nimmt man an, dass der Luft-druck p0 konstant bleibt, kann der durch den Messdruck erzeugte Ausschlag auch

Page 77: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen 69

-

+-

-

=

y y

y

S S

y1

1 0

0

1 2

S1

S2p

p0

Messdruck

p 0=

p p p1 0 0- +( )D

p p0 0- +( )D1

Luftdruck

Abbildung 3.26. Absolutdruckmesser als Beispiel für die Differenzmethode

auf einer Skala, die in Absolutdruckwerten geteilt ist, angegeben werden. Ändertsich hingegen der Luftdruck p0 gegenüber den Normalbedingungen, bewirkt dieseadditive Störgröße ∆p0 einen Fehler, der durch ein zweites Messwerk kompensiertwerden kann. Die zweite Dose ist evakuiert (p = 0). Sie erfährt eine Messkraft,die allein dem Umgebungsluftdruck p0 +∆p0 entspricht. Im Messgerät (Abb. 3.26)kommt insgesamt die Differenz der Messkräfte von Dose 1 und 2 zur Anzeige.

3.3.3 Deformierende Störgrößen

Die Empfindlichkeit der physikalischen Messkennlinie ändere sich in Abhängigkeitvom Störgrößenvektor z (Abb. 3.27):

S (u, z) = S (u, z0) + ∆S (u, z) . (3.65)

Der Nullpunktfehler ändert sich bei rein deformierenden Fehlern nicht:

∆e (z)!= 0. (3.66)

Die physikalische Messkennlinie wird damit

y − ya =

u∫ua

S (u, z0) du+

u∫ua

∆S (u, z) du

= y (u, z0) − ya +

u∫ua

∆S (u, z) du.

(3.67)

Die Empfindlichkeitsänderung wird durch eine Taylor-Reihe im Störgrößenab-gleichpunkt z0 abgeschätzt,

∆S (u, z) ≈∑

k

∂S (u, z0)

∂zk∆zk.

Page 78: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

70 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

y

y ze k( )

y ze j( )

y za j( )

ye0

ya0

uua ue

S zi k( )

Si 0

Abbildung 3.27. Einfluss eines deformierenden Fehlers auf die Messkennlinie

Der absolute Kennlinienfehler ergibt sich mit dieser Näherung zu

∆y = y − y (u, z0) =∑

k

u∫ua

∂S (u, z0)

∂zk∆zk du.

Der deformierende Kennlinienfehler, bezogen auf die Anzeigespanne, wird damit

FrDef SS =y − y (u, z0)

y (u, z0) − ya=

∑k

u∫ua

∂S (u, z0)

∂zk∆zk du

u∫ua

S (u, z0) du

.

Für eine vereinfachte Abschätzung des Fehlers wird im folgenden angenommen,dass zur Berechnung der Anzeigespanne mit konstanten Empfindlichkeiten imMessbereich gerechnet werden kann:

S (u, z0) ≈ Si0.

Page 79: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen 71

Desweiteren seien die Empfindlichkeitsänderungen durch die Störgrößen nähe-rungsweise

∂Si(u, z0)

∂zk≈ Si (zk) − Si0

∆zk=

∆Si (zk)

∆zk.

Damit wird der Fehler, bezogen auf die Anzeigespanne

FrDef SS =1

Si0

∑k

∆Si (zk). (3.68)

Mit diesen Abschätzungen kann der Einfluss einer einzelnen deformierenden Stör-größe zk auf die Steigung der Messkennlinie angegeben werden. Dabei wird als An-zeigewert nun aber nicht der Abgleichpunkt z0 herangezogen, sondern die Kennli-nie unter gleichzeitiger Einwirkung der superponierenden Störung zj . Der Anfangs-wert ist damit ya (zj) und

FrDef SS =Si (zk) − Si0

Si0(3.69)

=[ye (zk) − ya (zj)] − [ye (zj) − ya (zj)]

ye (zj) − ya (zj)

=[ye (zk) − ya (zj)] − (ye0 − ya0)

ye0 − ya0. (3.70)

Ohne den zusätzlichen superponierenden Fehler könnte

ya (zj) = ya0

gesetzt werden. Wirken je ein superponierender und ein deformierender Fehlergleichzeitig auf die Messkennlinie ein, so können beide Fehler überlagert werden.Die Taylorreihe im Störgrößenabgleichpunkt z0 lautet dann allgemein

y = y (u, z0) +∂y (u, z0)

∂ z1∆z1 +

∂y (u, z0)

∂ z2∆z2 (3.71)

und für lineare Kennlinien

y = ya0 + Si0 (u − ua) + ∆e (zj) +∆Si (zk)

Si0· Si0 (u − ua) , (3.72)

y = ya0 + Si0 (u − ua)︸ ︷︷ ︸y(u,z0)

+ [ya (zj) − ya0] +

+[ye (zk) − ya (zj)] − (ye0 − ya0)

ye0 − ya0Si0 (u − ua) .

Page 80: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

72 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

Der relative Kennlinienfehler, bezogen auf die Anzeigespanne ist damit

Fr SS =y−y (u, z0)

y (u, z0) − ya0=

ya (zj)−ya0

Si0 (u − ua)+

[ye (zk)−ya (zj)] − (ye0−ya0)

ye0 − ya0.

Im Messanfang geht dieser Fehler wieder gegen Unendlich. Der relative Fehler be-zogen auf den Anzeigebereich ist

Fr ES =y − y (u, z0)

ye0 − ya0=

ye(zk) − ye0

ye0 − ya0. (3.73)

3.3.4 Deformierende Störgrößen bei Gegenkopplung

Im folgenden soll der Einfluss einer deformierenden Störgröße zk auf die SteigungSi der Messkennlinie durch eine Gegenkopplung reduziert werden. Die Messkenn-linie des gegengekoppelten Messsystems ist nach Gl.(3.57)

y =1

K ′ (y)· u · 1

1 + 1K′(y)·Si V

.

Die Empfindlichkeit Si ändere sich im Messbereich

Si (zk) = Si0 + ∆Si (zk)

aufgrund einer deformierenden Störgröße zk. Die Differentiation der Messkennlinienach Si ist

∂y

∂Si=

u

K ′ (y)· K ′ (y) · V(1 + K ′ (y) · SiV )

2 .

Zur Abschätzung des Kennlinienfehlers wird die Ausgangsgröße in eineTaylor-Reihe um Si0 herum

y ≈ y (Si0) +∂y

∂Si

∣∣∣∣Si0

· ∆Si (zk) + · · ·

≈ u

K ′ (y)· K ′ (y) · Si0V

1 + K ′ (y) · Si0V

(1 +

1

1 + K ′ (y) · Si0V· ∆Si (zk)

Si0

)(3.74)

entwickelt. Der relative Fehler bei Gegenkopplung, bezogen auf die Anzeigespanne,ist dann

FrgDef SS =y − y (Si0)

y (Si0)=

1

1 + K ′ (y) · Si0V· ∆Si (zk)

Si0. (3.75)

Bildet man das Verhältnis der Fehler des gegengekoppelten zum nicht gegengekop-pelten Messsystem in Gl.(3.69), so erhält man

Page 81: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen 73

FrgDef SS

FrDef SS=

1

1 + K ′ (y)Si0V. (3.76)

Durch die Gegenkopplung wird der Kennlinienfehler aufgrund einer deformieren-den Störgröße zk um die Verstärkung V reduziert.

Beispiel 3.8 Kapazitiver BeschleunigungsmesserAuf das Beispiel des kapazitiven Beschleunigungsmessers in Abschn. 3.2.4 soll eineGegenkopplung angewendet werden. Die Empfindlichkeit

Si0 =|u∼|2dc

hängt ab von der Wechselspannung |u∼|, mit der die kapazitive Brücke gespeistwird. Änderungen von |u∼| gehen unmittelbar als deformierende Störgröße indie Ausgangsspannung |∆u∼| ein. Durch eine nichtlineare Gegenkopplung nachAbb. 3.28 mit

uC =√

V |∆u∼| =√

V 12 |u∼| ∆ d

d

soll der Einfluss der Spannung |u∼| auf die Ausgangsgröße |∆u∼| verringert wer-den. Das resultierende lineare Übertragungsglied K ′ bewirkt, dass durch Zurück-kopplung der verstärkten Ausgangsspannung uk auf die Kammstruktur eine kom-pensierende Anziehungskraft Fk ausgeübt wird, welche diese in die Nullage zu-rückholt, und welche so die Beschleunigungskraft Fm ausgleicht. Für eine großeVerstärkung V geht die Differenzkraft FC gegen Null, siehe Abschn. 3.2.5.

−Vm Si

K’

a ∆ uk

Fk

uCF uk C( )

FCFmu∼

Abbildung 3.28. Kapazitiver Beschleunigungssensor mit Gegenkopplung

Page 82: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

74 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

Die zurückgeführte Spannung uC wird auf beide Kondensatoren C1 und C2 verteilt:

uc = ∆V

uC1

uC2C2

C1

u∼

Abbildung 3.29. Spannungsrückkopplung

uC1 =1

2

(1 +

∆d

d

)uc =

1

2

(1 +

∆d

d

) √V

√1

2

∆d

d|u∼| ,

uC2 =1

2

(1 − ∆d

d

)uc =

1

2

(1 − ∆d

d

) √V

√1

2

∆d

d|u∼|.

Die Energie auf den Kondensatoren

E1/2 =1

2C1/2 · u2

C1/2 =C0V

16|u∼|

(1 ± ∆d

d

)∆d

d

wird nach ∆d differenziert, was zu den Kräften

Fk1,2 =C0V

8|u∼|

(1

2d± ∆d

d2

)führt. Deren Differenz Fk zieht die bewegten Kondensatorplatten in Richtung derNullage zurück:

Fk = Fk1 − Fk2 =V C0

4d|u∼| ∆d

d=

V C0

2d|∆u∼| =

C0

2duk = K ′ · uk.

Die Übertragungskonstante des Rückführungsgliedes ist damit insgesamt

K ′ =C0

2d.

Bildet man das Kräftegleichgewicht der rückgekoppelten Anordnung, so ergibt sich

Fm = FC + Fk,

m · a = c ∆d +C0

2duk,

m · a =c 2 d

|u∼|uk

V+

C0

2duk.

Page 83: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen 75

Bei einer großen Verstärkung V und somit einer Auslenkung von ∆d ≈ 0 ist Fm ≈Fk . Die Empfindlichkeit des gegengekoppelten Beschleunigungssensors ist geradegleich der inversen Übertragungskonstante der Rückführung:

uk =1

K ′Fm =2md

C0· a.

Die Schwankungen der Speisewechselspannung |u∼| und der Federsteifigkeit c ge-hen nur noch um den Verstärkungsfaktor V reduziert in das Messergebnis ein. DieMasse des bewegten Kammes m, der Abstand in Ruhelage d und die Kapazität C0

können mit den heute verfügbaren lithographischen Prozessen sehr genau eingehal-ten werden. Beim gegengekoppelten Beschleunigungssensor kann auf eine übermä-ßig genaue Stabilisierung der Speisewechselspannung |u∼| verzichtet werden.

3.3.5 Superponierende Störgrößen bei Gegenkopplung

Dem Messsystem seien additive Störungen z überlagert. Es soll nun untersucht wer-den, ob diese Störeinflüsse durch eine Gegenkopplung reduziert werden können.

u y

+

++

−S(v) V

K(y)

z

v

Abbildung 3.30. Superponierende Störgrößen bei Gegenkopplung

Bei großer Verstärkung V 1 ist die Kennlinie des gegengekoppelten Systemsnach Gl.(3.55)

y = K−1

(u +

z

Si

). (3.77)

Superponierende Störgrößen lassen sich demnach nicht grundsätzlich durch eineGegenkopplung eliminieren. Sie bleiben im wesentlichen erhalten.

3.3.6 Kompensation systematischer Störeinflüsse

Das Verfahren kompensiert den Einfluss einer einzigen dominanten Störgröße z.Dazu muss der Einfluss dieser Störgröße auf die Messgröße vorab bekannt sein.

Page 84: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

76 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

Eine Möglichkeit zur Korrektur der Ausgangsgröße y in Abhängigkeit von der Stör-größe z ist die in Abschn. 2.4 gezeigte Kennfeld-Interpolation. Während bislangallein die physikalische Kennlinie y = f(u) Basis der Messkennlinie war, wird nundie physikalische Abhängigkeit der Ausgangsgröße

y = f (u, z) (3.78)

vom Messsignal u und zusätzlich von der dominanten Störgröße z gleichzeitig vor-ab vermessen und in einem Kennfeld abgespeichert. Bei der tatsächlichen Messungwird die Störgröße z neben der eigentlichen Messgröße u erfasst und im gespeicher-ten Kennfeld die aktuelle Ausgangsgröße nach Gl.(2.46)

y (u, z) =1

22r·

1∑m=0

1∑n=0

km,n·y (ui+m, zj+n) (3.79)

interpoliert. Das Verfahren entspricht einer fortlaufenden Adaption der Ausgangs-größe an die sich ändernde dominante Störgröße. Es können reproduzierbare Mess-ergebnisse hoher Genauigkeit erzielt werden, wenn der Einfluss der Störgröße kon-stant bleibt (systematische Störgröße).

3.3.7 Abschirmung von Störgrößen

Das Verfahren ist schnell beschrieben. Es zielt darauf ab, die wesentlichen Störgrö-ßen vom Messsystem fernzuhalten. Beispiele sind etwa die Thermostatisierung vonBaugruppen, um Temperaturfehler auszuschalten oder die luftdichte Verpackung,um einen Einfluss der Luftfeuchte zu vermeiden. Auch eine magnetische Abschir-mung gehört zu dieser Maßnahme. Die Methode wird oft angewendet. Sie bringtmanchmal einen beträchtlichen Mehraufwand mit sich.

3.3.8 Superponierende Störgrößen in Messketten

Das Signal u(t) wird in einer Messkette in einer Richtung übertragen. An denSchnittstellen sei jeweils ein Fehler zj überlagert (Abb. 3.31).

S S S SS1 2 43 n yny1 y2 y3

++++

zn

z1 z2 z3

y u0 =

Abbildung 3.31. Superponierende Fehler in der Messkette

Page 85: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen 77

Die Kennlinie des Gliedes j sei durch

yj = Sj yj−1 + zj

gegeben. Die Kennlinie der gesamten Anordnung wird dann, beginnend mit y0 = u,durch wiederholte Elimination der yj

yn = (Sn Sn−1 · · ·S1) u + (Sn Sn−1 · · ·S2) z1 + · · ·Sn zn−1 + zn.

Der absolute Messfehler des Ausgangsignales der Kette wird damit

F =

n−1∑j=1

n−1∏k=j

Sk+1 zj + zn. (3.80)

Für den relativen Fehler bezogen auf den Messbereich d erhält man mit der idealenKennlinie

y = u ·n∏

j=1

Sj (3.81)

FrES =1

n∑j=1

zj

j∏k=1

Sk

=z1

S1d+

z2

S1S2d+ · · · + zn

S1S2 · · ·Sn · d

=

n∑j=1

FrESj . (3.82)

Im absoluten Fehler F summieren sich die Fehler der einzelnen Glieder j jeweilsmultipliziert mit der Verstärkung vom Glied j + 1 bis zum letzten Glied der Ket-te (Gl.(3.80)). Der Beitrag eines Übertragungsgliedes zum Fehler ist abhängig vonseiner Position in der Kette! Der relative Fehler FrES einer Messkette infolge super-ponierender Störgrößen setzt sich nach Gl.(3.82) additiv aus den relativen Fehlernder einzelnen Glieder zusammen.

Bei einem mehrstufigen Verstärker ist immer Sj > 1. Der superponierende Fehlerwird wirksam herabgesetzt, wenn die 1. Stufe die höchste Verstärkung S1 Sj

aufweist. Oft lässt sich allerdings die Verstärkung der ersten Stufe nicht beliebigerhöhen. Dann ist darauf zu achten, dass in der ersten Stufe hochwertige Verstär-ker zum Einsatz kommen, die nur minimal von superponierenden Störgrößen (z.B.Drift) beeinflusst werden. Diese Regel wird beim Entwurf jedes Gleichspannungs-verstärkers beachtet. In der 1. Stufe wird immer einiger Aufwand getrieben, um denEinfluss superponierender Störgrößen herabzusetzen, indem etwa durch die Diffe-renzschaltung (Abschn. 3.2.4) oder durch einen „Zerhacker“ (Abschn. 3.3.9) oderdurch Thermostatisierung (Abschn. 3.3.7) der Fehler der 1. Stufe herabgesetzt wird.

Page 86: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

78 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

Beispiel 3.9 Zweistufiger VerstärkerZum Bau eines zweistufigen Spannungsverstärkers stehen zwei Stufen mit dergleichen Spannungsverstärkung Sa = Sb = 30 zur Verfügung. Bei Stufe a istmit einer „Nullpunktdrift“ von 0,5 mV, bei Stufe b mit einer solchen von 1 mVzu rechnen. Mit Gl.(3.80) erhält man für die Anordnung a, b einen Fehler vonF = (30 · 0, 5 + 1) mV = 16 mV , bei der Anordnung b, a einen Fehler vonF = (30 · 1 + 0, 5) mV = 30, 5 mV .

3.3.9 Synchroner Zerhackerverstärker

Abbildung 3.32 zeigt die Wirkungskette der synchronen Zerhackung und Gleich-richtung. Die Modulatoren M werden zeitlich gleich angesteuert, d.h. sie arbeitensynchron zueinander.

M M Tu

y

V

p t 0( ),

z

ω

y1 y2

Abbildung 3.32. Synchrone Zerhackung und Gleichrichtung

Die erste Modulation entspricht dann der Multiplikation des Eingangssignals miteinem Rechtecksignal p (t), das den Mittelwert E p(t) = 0 hat. Die Störung z (t)wird zuerst nicht moduliert (z.B. Offset des Verstärkers),

y1 (t) = u (t) · p (t) + z (t) . (3.83)

Die Umschaltfunktion p (t) habe die Frequenz ω0 = 2π/T (Abb. 3.33).

1

1−

t

p t( )

πω2 0

− πω2 0

πω3

2 0

πω5

2 0

πω7

2 0

πω9

2 0

Abbildung 3.33. Umschaltfunktion p (t)

Page 87: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.3 Kennlinienfehler bei Abweichungen von den Normalbedingungen 79

Die nochmalige Modulation des Signals y1 mit der Umschaltfunktion p (t) ergibt

y2 (t)=V · y1 (t) · p (t)

=V u (t) · p2 (t)︸ ︷︷ ︸=1

+V · z (t) p (t) = V · u (t) + V · z (t) p (t) . (3.84)

Das Eingangssignal u (t) wird unverzerrt übertragen, während die Störung mit dermittelwertfreien Umschaltfunktion p (t) moduliert bleibt. Die Störung kann deshalbmit einem einfachen Tiefpass weggefiltert werden, auch wenn der ErwartungswertE z (t) = 0 ist, d.h. wenn die Störung einen konstanten, superponierenden Anteilenthält. Die Umschaltfunktion p (t) erzeugt kein eigenes superponierendes Störsi-gnal, da über einer Periode das Integral verschwindet:

T∫0

p (t) dt = 0. (3.85)

Der Übersichtlichkeit wegen soll im folgenden nur mit der Grundschwingung vonp(t) gerechnet werden. Die höherfrequenten Anteile der Fourier-Reihe von p(t) undderen Faktor 4/π werden vernachlässigt:

p(t) ≈ cosω0t.

Modulation: Die erste Modulation entspricht der Multiplikation des Eingangssi-gnals u (t) mit p (t). Aufgrund der Faltung mit P (ω) erscheint das Spektrum desEingangssignals U(ω) an den Frequenzen der Modulationsschwingung ±ω0. Dieüberlagerte Störung z (t) greift am Eingang des Verstärkers an:

y1(t) = u(t) · cosω0t + z(t),

Y1(ω) = 12U(ω − ω0) + 1

2U(ω + ω0) + Z(ω).

Synchrongleichrichtung: Die Synchrongleichrichtung entspricht der nochmali-gen Modulation mit p (t), die zeitgleich synchron zur ersten Modulation erfolgt.Unter Berücksichtigung der Verstärkung V erhält man dann

y2(t) = V u(t) cos2 ω0t + V z(t) cosω0t.

Mit der Beziehung cos2 x = 12 + 1

2 cos 2x kann man das Signal schreiben als

y2(t) =V

2u(t) +

V

2u(t) cos(2ω0t) + V z(t) cosω0t.

Im Spektralbereich bedeutet das wieder eine Verschiebung des Störspektrums Z(ω)um ±ω0 (Abb. 3.35) und ein zusätzliches Auftreten des Nutzsignals bei ±2ω0:

Y2(ω) =V

2U(ω) +

V

4U(ω ± 2ω0) +

V

2Z(ω ± ω0). (3.86)

Page 88: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

80 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

ωωz−ωz −ωu ωu

|U( )|ω , |Z( )|ωNutzsignal

Störsignal

Abbildung 3.34. Bandbreite von Nutzsig-nal und Störsignal

Tiefpass: Aus dem Signal Y2(ω) in Gl.(3.86) müssen jetzt noch die hochfrequentenAnteile entfernt werden. Dies geschieht mit einem Tiefpass, der die Filtercharakte-ristik

|T (ω)| =

1 für |ω| ≤ |ωu|0 für |ω| > |ω0| − |ωz| (3.87)

besitzt. Hierin ist ωu die Bandbreite des Eingangssignals und ωz die der Störung(Abb. 3.34). Die Störungen werden damit aus dem Ausgangssignal herausgefiltert:

Y (ω) = Y2 (ω) · T (ω) =V

2· U (ω) . (3.88)

Die Umschaltfrequenz ω0 muss dazu sehr viel höher sein als die Summe der Band-breiten des Nutzsignals und des Störsignals:

|ω0| > |ωu| + |ωz| . (3.89)

Durch die Zerhackung wird die nutzbare Signalbandbreite ωu eingeschränkt. Zer-hackerverstärker werden insbesondere verwendet, wenn ein Offset in der Verstär-kereingangsstufe kompensiert werden soll.

0 zu0 00 z

Tiefpass

Störspektrum

|Y( )|

Abbildung 3.35. Nutzsignal- und Störspektrum beim Zerhackerverstärker

−ω −ω −ω −ω −ω

ω

ω ω ω ωu z +0ω ω

Page 89: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.4 Rückwirkung des Messsystems 81

3.4 Rückwirkung des Messsystems

Beim Abgriff einer Messgröße durch das Messsystem findet ein Energiefluss zwi-schen Prozess und Messsystem statt, der die ursprüngliche Messgröße verfälschenkann. Die daraus resultierenden Fehler sollen im folgenden untersucht werden.

An die vorgesehene Messstelle werde eine Schnittstelle gelegt. Die Schnittstelleteilt den Prozess in Teil 1 und Teil 2 auf (s. Abb. 3.36). Die Messgröße sei dieverallgemeinerte Kraft F1. Es wird mit den verallgemeinerten, konjugierten GrößenKraft (F ) –und Flussvariablen (Q) gerechnet. Beispiele dafür sind Spannung undStrom oder Federkraft und Auslenkungsgeschwindigkeit.

1 2

M

21

Messschnittstelle

Prozess

Prozess ohne Messsystem Prozess mit Messgerät

Fm

F10 F20 F1 F2

Q10 Q20 Q1 Q2

Qm

Abbildung 3.36. Prozess und Messsystem

Für die Flussvariablen ohne Messsystem gilt

Q10 = Q20

bzw. mit Messsystem entsprechend

Q1 = Q2 + Qm oder Q10 + ∆Q1 = Q20 + ∆Q2 + Qm. (3.90)

Für die Kraftvariablen ohne bzw. mit Messsystem gilt

F10 = −F20 bzw. F1 = −F2 = −Fm. (3.91)

Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten ergeben allgemeine Zusammenhänge zwi-schen Kraft und Flussgrößen der Form

Qi = fi(F1, F2, . . .).

Page 90: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

82 3. Stationäres Verhalten von Messsystemen

Kleine Abweichungen der Flussgrößen ∆Qi lassen sich dann näherungsweise durch

das Differential ∂Qi

∂Fi∆Fi berechnen. Für das Messsystem nimmt man einen linea-

ren Zusammenhang Fm = QmWm zwischen den konjugierten Größen an. Die Be-zeichnung Wm des Proportionalitätsfaktors soll dabei auf den Innenwiderstand desMessgerätes hinweisen. Die Gl. (3.90) wird damit

∂Q1

∂F1∆F1 =

∂Q2

∂F2∆F2 +

Fm

Wm,

oder mit Gl.(3.91)

∂Q1

∂F1∆F1 = −∂Q2

∂F2∆F1 − F1

Wm,

woraus man

∆F1

F1= − 1

Wm· 1

∂Q1

∂F1+ ∂Q2

∂F2

(3.92)

erhält. Durch den endlichen Energie- oder Leistungsverbrauch des Messsystems än-dert sich die Messgröße F1 um ∆F1. Ist die Messgröße der verallgemeinerte Fluss,so lassen sich analoge Beziehungen herleiten.

Beispiel 3.10 Spannungsmessung an einem Widerstandsteiler

U

Ri

Im

Rm

I1

I2

U1 U2

R R Rm i a>> ,

aRUm

Abbildung 3.37. Widerstandsteiler

An die Schnittstelle wird eine Messeinrichtung mit dem Innenwiderstand Rm ge-legt, d.h. parallel zu Ra. Es entsprechen sich

F1 ∼ U1, Q1 ∼ I1, Wm ∼ Rm,∂Q1

∂F1=

1

Ri,

∂Q2

∂F2=

1

Ra,

was mit Gl.(3.92)

Page 91: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

3.4 Rückwirkung des Messsystems 83

∆U1

U1= − 1

Rm· 1

1Ri

+ 1Ra

ergibt. Der Fehler geht gegen Null, wenn Rm → ∞ geht. Eine genaue Ableitung er-gibt im Nenner noch einen zusätzlichen Term 1/Rm. Die Entwicklung von Gl.(3.92)nach den Kräften stellt lediglich eine Näherung dar, weil die höheren Glieder derTaylor-Reihe vernachlässigt werden.

Beispiel 3.11 LängenmesstasterEine vergleichbare Abschätzung des Fehlers erhält man, wenn eine Reihenschal-tung vorliegt. Ein Werkstück der Länge x soll mit einem Längenmesstaster gemes-sen werden, der die Federcharakteristik Fm = cmxm hat. Das Werkstück habe dieFederkonstante c, mit c cm.

x

F

Fmcm

xm

C

Abbildung 3.38. Längenmesstaster

Das System umfasst die beiden Baugruppen Werkstück und Längenmesstaster. DieMessgröße ist die Zustandsvariable x. Der stabile Arbeitspunkt ist erreicht, wennbeide Längen gleich sind,

x = xm.

Die beiden Federkräfte sind dann ebenfalls entgegengesetzt gleich groß:

F = −Fm oder F0︸︷︷︸=0

+∆F = −Fm.

Ohne Anlegen des Längenmessadapters ist die Kraft im Werkstück F0 = 0. DieEntwicklung der Kraftänderung ∆F nach dem Weg ∆x ergibt

∆F = −Fm oder∂F

∂x∆x = −cmx,

woraus man mit ∂F / ∂x = c die relative Wegänderung erhält:

∆x

x= − cm

∂F/∂x= −cm

c

Für cm c ist die Wegänderung erwartungsgemäß klein.

Page 92: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

4.1 Dynamische Fehler von Messsystemen

Im idealen Messgerät soll das Ausgangssignal fehlerlos den zeitlichen Verlaufder Messgröße wiedergeben. Zur Beschreibung des dynamischen Verhaltens vonMesssystemen wird an den Eingang ein Sprungsignal aufgegeben und die Abwei-chung der Ausgangsgröße von der idealen Sprungantwort als Fehler festgestellt.Abb. 4.1 zeigt die Anordnung für einen Druckmesser und die Auswertung derSprungantwort. Beim Aufbau der Anordnung muss darauf geachtet werden, dassder Messgrößensprung in einer Zeit erfolgt, die etwa eine Größenordnung unter derEinstellzeit des Druckmessers liegt. Parallel dazu wird ein schneller Druckmessermit elektrischem Ausgang Gn benötigt. Weiter muss die Einstellzeit des Datener-fassungsgerätes erheblich unter der Einstellzeit des Messgerätes liegen.

4.1.1 Empirische Kennwerte der Sprungantwort

Beim Auswerten der Sprungantwort kann zwischen schwingender und aperiod-ischer Einstellung unterschieden werden (Abb. 4.1).

• Bei schwingender Einstellung werden folgende Kennwerte abgelesen:

T1 die Zeit, die vergeht, bis der stationäre Wert zum ersten mal erreicht ist.

τ die Zeit, die vergeht, bis ein Toleranzband von 1% der Sprunghöhe nicht mehrverlassen wird.

yu die maximale Überschwingweite, angegeben in Prozent der Sprunghöhe.

• Bei aperiodischer Einstellung werden diese Kennwerte abgelesen:

Tg die Ausgleichszeit zwischen den Schnittpunkten der Wendetangente mit derNull-Linie und dem stationären Wert.

Tu die Verzugszeit zwischen dem Sprungeinsatz und dem Schnittpunkt der Wen-detangente mit der Null-Linie.

Page 93: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

86 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

1% Toleranzbanda) Schwingende Einstellung

b) Aperiodische Einstellungt

y∞

T1

p I,

τ

p I,

t

Schalter

Test-gerät

T

I

Gn

In

dyn. Fehler

yyym

ü= ⋅∞

100%

Tu

p2

p1

p2

p1

tw

Tg

p2

p1

Datenerfassungs-gerät

Abbildung 4.1. Messeinrichtung und Kennwerte der Sprungantwort

4.1.2 Nichtlineares Zeitverhalten

Viele Messeinrichtungen, die statisch eine gute lineare Kennlinie haben, erweisensich bei dynamischen Messungen als nichtlinear. Eine Messeinrichtung zeigt ein li-neares Verhalten, wenn dem Eingangssignal mit der k–fachen Amplitude zu jedemZeitpunkt auch das k–fache Ausgangssignal entspricht. In Abb. 4.2 ist neben li-nearem Verhalten auch nichtlineares Verhalten demonstriert. Dem doppelt so hohenSprung entspricht im eingeschwungenen Zustand ein doppelt so großer Ausschlag.Der stationäre Wert wird aber für beide Sprunghöhen mit der gleichen Maximal-geschwindigkeit erreicht. Ein solches nichtlineares Zeitverhalten findet man oft beiMesseinrichtungen nach dem Kompensationsverfahren, wenn ein Stellmotor in sei-nen möglichen Geschwindigkeiten begrenzt ist. Doch auch hier ist die Sprungfunk-tion ein geeignetes Signal, das Zeitverhalten zu charakterisieren. Die Versuche sinddann mit verschiedenen Sprunghöhen und mit zu- und abnehmender Messgrößedurchzuführen.

4.1.3 Bestimmung des Frequenzganges

Eine andere Methode zur Bestimmung des dynamischen Fehlers ist das Aufneh-men des Frequenzganges mit Hilfe harmonischer Anregungen der Messgröße. Der

Page 94: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.1 Dynamische Fehler von Messsystemen 87

Eingangssignal x(t) Eingangssignal x(t)

Ausgangssignal y(t) Ausgangssignal y(t)

a.) Lineares System b.) Nichtlineares System

t t

tt

x t k x t2 ( ) ( )= x t2 ( ) =

y t k y t2 1( ) = ( )y t k y t2 1( ) ( )=

y 2

y1

x2

x1

x2

x1

y2

y1

1 k x t( )1

Abbildung 4.2. Lineares und nichtlineares Zeitverhalten

Zeitaufwand ist beträchtlich, wenn viele Frequenzen der Messgröße angefahren undjeweils der stationäre Zustand des Messsystems abgewartet werden muss. Von vie-len technischen Messgrößen lassen sich kaum harmonische Signale erzeugen, weillineare Stellglieder fehlen. Abbildung 4.3 zeigt die Anordnung für einen Druck-messer und die Auftragung der Ergebnisse im Bode-Diagramm. Ein Sinusgeber mitmechanischem oder elektrischem Ausgangssignal steuert einen Druckgeber, der mitlinearer Kennlinie und kurzer Ansprechzeit ein harmonisches Druck-Signal p liefert.Dieses Signal

p = |p0| sin(2πf t)

wirkt auf das zu untersuchende Messgerät und parallel dazu auf einen erheblichschnelleren Druckaufnehmer Gn . Die Ausgangssignale im eingeschwungenen Zu-stand

x = |x0| sin(2πf t + Φx) und y = |y0| sin(2πf t + Φy)

werden in einem schnellen Datenerfassungsgerät aufgezeichnet.

Für verschiedene Frequenzen f wird man am untersuchten Messgerät verschie-dene Amplituden y0 und Phasen Φy erwarten, so dass man frequenzabhängigeAmplituden- und Phasenfunktionen erhält:

|y0| = |y0(f)| und Φy = Φy(f).

Das Referenz-Messgerät hingegen sollte im betrachteten Frequenzbereich dem Ein-gangssignal möglichst ideal folgen, d.h.

Page 95: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

88 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Sinusgeber

Druckgeber

Testgerät

Daten-

erfassung

xr yr

yR

V

1 10 100

0

0 1.0 01.

90

90

45

0

1 10 1000 1.0 01.

1 10 1000 1.0 01.1 10 1000 1.0 01.

1

0 1.

0 01.

G( )01

0 1.

0 01.

= -arg (f)G

n

e e

= -arg (f)G

f /f0

f f

RR

G(f )G (f)

45

|G(f )|

G( )0

|G(f )|

ff

f /f0

f /f0 f /f0

p

Abbildung 4.3. Aufnahme des Frequenzganges eines Druckmessers

|x0| = p = const und Φx = 0 für alle f.

Den gesuchten Frequenzgang des Messsystems G(f) erhält man damit zu

G(f) =|y0(f)||x0(f)| · e

−j(Φy(f)−Φx(f)) =|y0(f)|

p· e−j Φy(f). (4.1)

Messtechnisch gesehen betrachtet man einfach im eingeschwungenen Zustand dasAmplitudenverhältnis und die Phasenverschiebung des untersuchten Messgeräteszum Referenzgerät bei verschiedenen Sinussignalen, unter der Voraussetzung, dasssich das Referenzgerät näherungsweise ideal verhält. Der gefundene Frequenzgangwird im so genannten Bode-Diagramm dargestellt. Dazu wird sowohl das Ampli-tudenverhältnis |G(f)| als auch die Phase Φ = − G(f) über der Frequenz aufge-tragen. Als Frequenzachse wird der Logarithmus des Frequenzverhältnisses f/f0

mitder Bezugsfrequenz f0 verwendet.

Amplitudengang: Der Betrag der Übertragungsfunktion |G(f)| des Messsystemsheißt Amplitudengang und wird in Dezibel aufgetragen, mit GdB = 20 ·log |G(f)|. Meist wird der Betrag zuvor noch auf den Wert |G(0)| normiert,um eine einheitliche Darstellung des Amplitudenganges für Systeme mit unter-schiedlichen statischen Verstärkungen V = |G(0)| zu erreichen.

Phasengang: Der Phasengang, also die Phase Φ = − G(f) der Übertragungs-funktion wird linear über der logarithmischen Frequenzachse aufgetragen(Abb. 4.3).

Φ

Φ

Page 96: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.2 Systembeschreibung von Messsystemen 89

PT1-Verhalten: Aus dem Bode-Diagramm können nun wichtige Kennwerte überdas dynamische Verhalten des untersuchten Messsystems abgelesen werden.Bei mit wachsender Frequenz monoton fallendem Amplitudengang wird dieEckfrequenz fe und die zugehörige Phase Φe abgelesen. Die Eckfrequenz isterreicht, wenn die Amplitude auf

√2/2 oder um 3 dB abgefallen ist. Bei Sy-

stemen mit PT1 − V erhalten ergibt sich dabei eine Phase von Φe = −45.

PT2-Verhalten: Bei einer Resonanzerhöhung wird der größte Wert der Ampli-tude yR als Resonanzerhöhung abgelesen und die zugehörige Resonanzfre-quenz fR und die Phase ΦR festgestellt und angegeben. Bei Systemen mitPT2 − V erhalten ergibt sich dabei eine Phase von ΦR ≈ −90.

Die in den Bildern gezeichneten Frequenzgänge zeigen alle Tiefpassverhalten. Esgibt Messgeräte für dynamische Messungen, die Hoch- oder Bandpassverhalten zei-gen. Dort werden die entsprechenden Werte für die untere Grenzfrequenz mit an-gegeben. Zu beachten ist hierbei, dass eine Normierung auf |G(0)| natürlich keinenSinn macht, wenn die Übertragungsfunktion für f = 0 den Wert Null besitzt.

Die aus dem Frequenzgang ermittelten Kennwerte geben die Abweichungen vomidealen Zeitverhalten wieder. Als „ideal“ wird ein Messsystem verstanden, das fürbeliebige Frequenzen Betrag und Phase richtig wiedergibt:

Gideal(f) = 1 ⇒ |G(f)| = 1 und G(f) = 0 ∀ f.

Bei nichtlinearem Zeitverhalten müssen zusätzlich verschiedene Sprunghöhen derEingangsgröße untersucht werden. Die Angabe eines Frequenzganges ist dann al-lerdings nicht mehr allgemein möglich.

Neben der schrittweisen Anregung eines Messsystems mit harmonischenSchwingungen gibt es noch eine Reihe anderer Verfahren zur Identifikation des dy-namischen Systemverhaltens [27, 16]. Ein weiteres Verfahren zur Identifikation vonÜbertragungsfunktionen ist in Abschn. 6.4.4 dargestellt.

4.2 Systembeschreibung von Messsystemen

Die Beschreibung des dynamischen Verhaltens eines Messsystems geschieht überdie Übertragungsfunktion

G(s) = G(0)

1 +m∑

j=1

aj sj

1 +n∑

i=1

bi si

, m ≤ n, (4.2)

im Frequenzbereich, mit den Systemparametern

Page 97: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

90 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

a = [a1, a2, . . . , am]T ,

b = [b1, b2, . . . , bn]T .

Beispiel 4.1 System 2. OrdnungBei einem System 2. Ordnung laute die Übertragungsfunktion

G(f) =1

T 2s2 + 2dTs + 1.

Ein solches System hat die Sprungantwort

h(t) = 1 +1

T 2(s∞,1 − s∞,2)

[1

s∞,1es∞,1t − 1

s∞,2es∞,2t

].

Der Parameter d beeinflusst maßgeblich das Einschwingverhalten des Systems. FürParameter d ≥ 1 ergeben sich zwei reelle Polstellen s∞,1, s∞,2. Für d < 1 er-hält man dagegen zwei konjugiert komplexe Polstellen, was zu einer schwingendenEinstellung der Sprungantwort führt. Ist für eine gegebene Anwendung kein Über-schwingen erlaubt, so wird man den aperiodischen Grenzfall mit d = 1 einstellen.Für große d wird der stationäre Endwert hingegen nur sehr langsam erreicht.

An diesem Beispiel wird die Bedeutung der Systemparameter a und b in derÜbertragungsfunktion G(s) klar. Sie beeinflussen das Einschwingverhalten einesMesssystems. Damit ist die Optimierungsaufgabe gestellt. Die Parameter sind soeinzustellen, dass das Zeitverhalten des Messsystems die gestellten Forderungen anSchnelligkeit und Überschwingen erfüllt.

Die Aufgabe, das Zeitverhalten eines Messsystems zu verbessern, wird in Abb. 4.4dargestellt. Das Messsignal u(t), überlagert von einem Störsignal n(t), wirkt auf dasMesssystem, mit der Übertragungsfunktion G(s, a, b). Das Ausgangssignal y(t)wird mit dem idealen, unverfälschten Signal yideal(t) verglichen. Das Fehlersignal(engl. error)

e(t) = y(t) − yideal(t)

wird nun verschiedenen Kriterien unterworfen, um geeignete Parameter a und b fürein gewünschtes Zeitverhalten des Systems zu erhalten. In diesem Kapitel wird derEinfluss der Störgröße zunächst vernachlässigt,

n(t) = 0.

Die Größe G(0) der Übertragungsfunktion in Gl.(4.2) ist von besonderer Bedeu-tung, wie im folgenden gezeigt werden soll. Mit dem Endwertsatz der Laplace-Transformation

limt→∞

y(t) = lims→0

s · Y (s)

folgt für die Sprungantwort eines Messsystems

Page 98: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.2 Systembeschreibung von Messsystemen 91

Messsignal u(t)G(s, , )

Messsystem: , , = Systemparameter

G (s)=G(0)ideal

Ausgangssignal y(t)

y (t)ideal

-

Störsignal n(t)

Fehlersignal e(t)

Ideales System Optimierung

Abbildung 4.4. Verbesserung des dynamischen Verhaltens von Messgeräten

limt→∞

y(t) = lims→0

s · G(s)1

s= G(0).

Der stationäre Messwert wird, nach Beendigung aller Einschwingvorgänge, für un-endlich große Zeiten t angenommen. Er entspricht gerade dem Wert der Übertra-gungsfunktion G(s)an der Stelle s = 0. Der Wert G(0) entspricht der Empfindlich-keit Si der idealen stationären Kennlinie. Damit ergibt sich folgende Forderung fürdie ideale Übertragungsfunktion eines Messsystems:

Gideal(s) = G(0). (4.3)

Diese Forderung bedeutet, dass das System für alle Frequenzen das gleiche Verhal-ten zeigen soll, wie im stationären Fall. Aus diesen Betrachtungen ergibt sich sofort,dass für Systeme mit G (0) = 0, also für Hochpässe und Bandpässe, alle Kriterienversagen, die mit Gl.(4.3) arbeiten. Für solche Systeme sind gesonderte Betrachtun-gen nötig. In der Messtechnik wird man allerdings zumeist Systeme mit G (0) = 0antreffen. Für sie werden Kriterien zur Optimierung des dynamischen Systemver-haltens abgeleitet. Dabei lassen sich zwei prinzipiell verschiedene Vorgehensweisenunterscheiden:

Parameteroptimierung: Die folgenden Kriterien gehen alle von der Darstellungim Frequenzbereich Gl.(4.2) aus. Die Aufgabe ist es, durch gezieltes Verändern derKoeffizienten ai und bi das dynamische Verhalten des Systems zu optimieren. DieStruktur des Systems wird dabei nicht verändert.

Momente der Impulsantwort: Das Kriterium der verschwindenden Momente derImpulsantwort sollte man nur dann anwenden, wenn wirklich geschwindigkeit-streue oder beschleunigungstreue Systeme verlangt werden. Sind danach nochfreie Parameter verfügbar, kann man zusätzlich eines der anderen anwenden.

Konstanter Amplitudengang: Das Kriterium vom konstanten Amplitudengangbringt der Erfahrung nach ein sehr brauchbares Einschwingverhalten. Meistbleiben die Überschwingweiten der Sprungantwort unter 10%.

a b

a b

Page 99: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

92 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Konstanter Realteil: Beim diesem Kriterium wird ein möglichst konstanter Realteildes Frequenzganges angestrebt. Dahinter steht die allgemeine Aussage, dassFrequenzgänge Überschwingweiten der Sprungantwort von weniger als 20%bewirken, wenn ihr Realteil im Arbeitsbereich konstant ist, um bei höherenFrequenzen abzufallen. Diese Überschwingweiten sind zwar meist größer alsbeim Kriterium vom konstanten Amplitudengang, aber für Messeinrichtungendurchaus noch akzeptabel.

ITAE-Kriterium: Das ITAE-Kriterium gibt, wenn über n − 1 Parameter des Nen-nerpolynoms verfügt werden kann, sehr brauchbare Übergangsfunktionen mitgeringen Überschwingweiten. Stehen weniger Parameter für die Dimensionie-rung zur Verfügung, ist man auf Simulationen am Digitalrechner angewiesen.Analytische Lösungen existieren nur für Systeme mit verschwindenden Mo-menten der Impulsantwort.

Quadratisches Fehlerintegral: Das Integral über den quadratischen Fehler lässt sichanalytisch gut in der Frequenzgangdarstellung behandeln. Oft hat die Anwen-dung länger andauernde kleine Oszillationen um den stationären Wert zur Fol-ge. Für Systeme höherer Ordnung werden die Beziehungen allerdings unhand-lich und erfordern längere numerische Rechnungen.

Strukturänderung: Anstatt die Koeffizienten ai, bi des Systems zu verändern, ver-sucht man durch das Hinzufügen weiterer Übertragungsglieder das dynamische Ver-halten des resultierenden Gesamtsystems zu verbessern. Dies kann durch Serien-schaltung von Kompensationsgliedern oder durch Rückkopplungs-Schleifen erfol-gen. Wesentlich ist hierbei, dass die Struktur des ursprünglichen Systems verändertwird.

Kompensation: Bei der Kompensation werden die Koeffizienten ai, bi des Messsy-stems nicht unmittelbar verändert. Vielmehr wird dort versucht, die das Ein-schwingverhalten bestimmenden dominanten Pole der Übertragungsfunktiondurch entsprechende Nullstellen zu kompensieren. Das Verfahren liefert nurdann befriedigende Ergebnisse, wenn die dominanten Pole bekannt sind, undwenn deren Abhängigkeit von Störgrößen kompensiert werden kann.

Gegenkopplung: In Abschn. 4.4.2 wird gezeigt, dass die proportionale Gegenkopp-lung von Messsystemen weniger geeignet ist, das Einschwingverhalten zu ver-bessern. In vielen Fällen wird das Messsystem durch die Gegenkopplung insta-bil.

4.2.1 Stabilitätskriterium nach Hurwitz

Allen Kriterien zur Optimierung des dynamischen Verhaltens ist gemeinsam, dassdie Stabilität gesondert zu prüfen ist. Die Anwendung eines Kriteriums ergibt nichtvon vornherein ein stabiles System! Für die Stabilität gilt ohne Beweis (siehe [23])

Page 100: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.2 Systembeschreibung von Messsystemen 93

Satz 4.1 StabilitätEin lineares, zeitinvariantes System ist stabil, wenn alle Polstellen der Übertragungs-funktion G(s) in der linken s-Halbebene liegen:

s∞i < 0.

Für Nennerpolynome der Ordnung 3 oder höher ist die Berechnung der Polstel-len zur Überprüfung auf Stabilität meist nur noch numerisch möglich. Die expliziteBerechnung der Polstellen vermeiden die zahlreichen in der Literatur beschriebe-nen Stabilitätskriterien [6, 15, 26]. Das Hurwitz-Kriterium ist eine elegante Art, dieStabilität eines Systems anhand der Systemparameter zu prüfen. Es lautet (ohneBeweis)

Satz 4.2 Hurwitz-KriteriumGegeben ist ein Nennerpolynom mit reellen Koeffizienten.

P (s) = λ0sn + λ1s

n−1 + . . . + λn−1s + λn, λ0 > 0, λi ∈ IR.

Man bildet die Determinante

H =

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣

λ1 λ3 λ5 λ7 · · ·λ0 λ2 λ4 λ6 · · ·0 λ1 λ3 λ5 · · ·0 λ0 λ2 λ4 · · ·0 0 λ1 λ3 · · ·0 0 λ0 λ2 · · ·. . . . · · · ,

∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣∣, H1 = λ1, H2 =

∣∣∣∣λ1 λ3

λ0 λ2

∣∣∣∣ , . . . ,

und von dieser die nordwestlichen Unterdeterminanten H1, H2, . . . , Hn. Sind alleDeterminanten

H1 . . . Hn > 0,

so liegen alle Nullstellen von P (s) in der linken s-Halbebene. Andernfalls ist min-destens eine Nullstelle auf der j-Achse oder rechts davon.

Lässt sich also das Hurwitzkriterium für das Nennerpolynom einer Übertragungs-funktion G(s) erfüllen, so ist das System stabil. Man beachte die unterschiedlicheIndizierung der Koeffizienten bi und λi in den Polynomen N(s) und P (s).

Beispiel 4.2 Stabilität bei Systemen 3. OrdnungGegeben ist eine Übertragungsfunktion G(s) = Z(s)/N(s) 3. Grades mit

N(s) = λ0s3 + λ1s

2 + λ2s + λ3 = 0, λ0 > 0.

Page 101: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

94 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Die Hurwitzdeterminante berechnet sich damit zu

H =

∣∣∣∣∣∣λ1 λ3 0λ0 λ2 00 λ1 λ3

∣∣∣∣∣∣ .Das System ist stabil, wenn alle nordwestlichen Unterdeterminanten positiv sind:

H1 = λ1 > 0!

H2 =

∣∣∣∣λ1 λ3

λ0 λ2

∣∣∣∣ = λ1λ2 − λ0λ3 > 0!

H3 = H = λ3H2 > 0!

Damit sind die Bedingungen für die Parameter festgelegt. Das System 3. Ordnungist stabil wenn gilt, dass

λ0, λ1, λ3 > 0 undλ1λ2 > λ0λ3 ist.

(4.4)

4.3 Parameteroptimierung

In diesem Abschnitt wird auf verschiedene Verfahren zur optimalen Einstellung derSystemparameter a, b eingegangen. Die Anwendung der vorgestellten Verfahrensoll jeweils an zwei Beispielen durchgeführt werden. Die Beispielsysteme werdenzunächst eingeführt.

Beispiel 4.3 Federwaage

d

xm

c

Abbildung 4.5. Federwaage

Als einfaches Messsystem 2. Ordnung wird eine Federwaage nach Abb. 4.5 betrach-tet. Mit dem mechanischen Gesetz von Newton, wonach die Summe aller Kräftegleich Null ist,

Page 102: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 95

∑i

Fi = 0,

und den einzelnen Kraftkomponenten

m g : Gewichtskraft, m x : Massenträgheitskraft,

d x : Dämpferkraft, c x : Federkraft,

erhält man die Differentialgleichung des Systems:

F = m g = m x + d x + c x.

Die Übertragungsfunktion der Federwaage wird durch Laplace-Transformation

G(s) =X(s)

F (s)=

1

ms2 + ds + c.

Mit den Abkürzungen

ω20 =

c

m,

ω0=

d

c

erhält man eine Darstellung, die den Dämpfungsfaktor δ als Parameter enthält, derZiel der Optimierung ist:

G(s) =1

c· 1

s2

ω20

+ 2δ sω0

+ 1. (4.5)

Der stationäre Endwert des Systems ist

lims→0

sG(s)1

s= G(0) =

1

c.

Die physikalischen Parameter m, c, d sind immer positiv, so dass nach Satz 4.2 dasSystem immer stabil ist.

Beispiel 4.4 Messsystem 3. Ordnung mit 2 freien ParameternAm Beispiele eines Messsystems, das als Regelkreis vorliegt, soll eine komplexereOptimierungsaufgabe mit zwei freien Parametern vorgestellt werden. Die Strukturdes Messsystems ist in Abb. 4.6 dargestellt. Es handelt sich um ein System mitzwei reellen Zeitkonstanten T1, T2 und einem vorgeschalteten PI-Regler mit denwählbaren reellen Parametern V und Tk, wobei Tk = T1, T2 gelten soll.

Die Übertragungsfunktion des offenen Kreises lautet

Go(s) = V · 1 + Tks

s(1 + T1s)(1 + T2s), T1, T2, Tk, V > 0.

Page 103: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

96 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

VT

sk1 + 1

1 1+ T s

1

1 2+ T sY s( )U s( ) s

Abbildung 4.6. Strukturbild eines Messsystem mit zwei freien Parametern V, Tk

Die Übertragungsfunktion des geschlossenen Kreises ist

G(s) =1

1 + Go(s)= V · 1 + Tks

T1T2s3 + (T1 + T2)s2 + (1 + V Tk)s + V,

oder in der Form von Gl.(4.2)

G(s) =1 + Tks

1 + b1s + b2s2 + b3s3mit

b1 =1 + V Tk

V, b2 =

T1 + T2

V, b3 =

T1T2

V. (4.6)

Der stationäre Endwert des Systems ist

lims→0

sG(s)1

s= G(0) = 1.

Die Stabilitätsbedingung für ein System 3. Ordnung lautet nach Gl.(4.4)

b1b2 > b3 ⇒ 1 + V Tk

V>

T1T2

T1 + T2,

Tk > T2 · 1

1 + T2/T1− 1

V.

Wenn Tk > T2 gewählt wird, ist die linke Seite der Ungleichung immer erfüllt:

Tk > T2 > T2 · 1

1 + T2/T1− 1

V.

Für die Beispiele wird mit den Systemparametern T1 = 0.25s und T2 = 0.4sgearbeitet. Abbildung 4.7 zeigt die Sprungantworten des Beispielsystems für ver-schiedene Parameter V = 1 und V = 10 sowie Tk = 0.2s und Tk = 4s. Dieunterschiedlichen Einschwingvorgänge zeigen die Notwendigkeit geeigneter Krite-rien für die Bestimmung der Parameter.

4.3.1 Kriterium verschwindende Momente der Impulsantwort

Das Ausgangssignal y(t) des Messsystems erhält man durch Faltung des Eingangs-signals u(t) mit der Impulsantwort g(t) des Messsystems:

Page 104: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 97

V=10, T =4sk

V=10, T =0.2sV=1, T =4sV=1, T =0.2s

k

k

k

Abbildung 4.7. Sprungantworten des Systems 3. Ordnung bei verschiedenen V, Tk

y (t) = g (t) ∗ u (t) =

∞∫−∞

g (τ) u (t − τ ) dτ . (4.7)

Das Eingangssignal u (t − τ ) wird um t herum in eine Taylor-Reihe

u(t − τ ) =

n∑i=0

(−1)i ui · τ i, mit ui =1

i !· dui(t)

dti

entwickelt. Damit lässt sich das Faltungsintegral als Summe schreiben:

y (t) =n∑

i=0

(−1)iui ·∞∫

−∞τ i g (τ) dτ. (4.8)

Analog zur Wahrscheinlichkeitstheorie (Kap. 5) lassen sich auch von einer Impuls-antwort g(t) so genannte Momente definieren. Das i-te Moment gi einer Impulsant-wort berechnet sich anhand von

gi =

∞∫−∞

τ i g (τ) dτ. (4.9)

Mit der Bedingung g(τ) = 0 für τ < 0 bei kausalen Systemen können die Momenteder Impulsantwort gi mit der System-ÜbertragungsfunktionG(s) verknüpft werden.Dazu wird die Laplace-Transformation

G (s) =

∞∫0

g (τ) e−sτ dτ

Page 105: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

98 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

mehrfach nach s abgeleitet, was

dGi (s)

dsi

∣∣∣∣s=0

= (−1)i

∞∫0

τ ig (τ) dτ = (−1)igi (4.10)

ergibt. Die Systemfunktion G (s) ist somit das Analogon zur charakteristischenFunktion der Wahrscheinlichkeitstheorie, aus der sich ebenfalls die Momente ei-ner Wahrscheinlichkeitsdichte berechnen lassen. Mit diesen Definitionen lässt sichdas Ausgangssignal in Gl.(4.8) wie folgt darstellen:

y(t) =

n∑i=0

(−1)iui · gi bzw. y(t) =

n∑i=0

ui · G(i)(0), (4.11)

y(t) = u (t) · G (0) + u′ (t) · G′ (s = 0) + 12u′′ (t) · G′′ (s = 0) + · · · .(4.12)

Idealerweise sollte die Ausgangsgröße der Messgröße verzögerungsfrei entspre-chend

yi (t) = u (t) · G (0)

folgen, so dass alle Ableitungen

dGi (s)

dsi

∣∣∣∣s=0

= 0, i = 1, 2, · · ·n, (4.13)

sein sollten. Statt nun die Ableitungen explizit zu berechnen, wird die Differenz(G (s) − G (0)) zwischen der Übertragungsfunktion des Messsystems G (s) undder idealen Übertragungsfunktion G (0) gebildet:

G (s) − G (0) = G (0)(a1 − b1) s + (a2 − b2) s2 + · · ·

1 + b1s + b2s2 + · · · .

Denkt man sich (G (s) − G (0)) in eine Potenzreihe nach s entwickelt, so sind diei-ten Ableitungen

(G (s) − G (0))(i)∣∣∣s=0

= G(i)(s)∣∣∣s=0

= 0

gerade Null, wenn die entsprechenden Koeffizienten ai = bi gleich sind. Für

a1 = b1 (4.14)

verschwindet gerade das erste Moment der Impulsantwort

(G (s) − G (0))′ |s=0 = G′ (s = 0) = 0,

das Messsystem folgt dem Eingangssignal u(t) geschwindigkeitstreu. Wird zusätz-lich für

Page 106: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 99

a2 = b2 (4.15)

auch das zweite Moment der Impulsantwort

(G (s) − G (0))′′ |s=0 = G′′ (s = 0) = 0,

so folgt das Messsystem dem Eingangssignal u(t) beschleunigungstreu. Die Ablei-tungen u′(t), u′′(t) gehen dann nicht mehr in die Ausgangsgröße y(t) ein. Das Kri-terium ergibt schwach gedämpfte Einschwingvorgänge. Bei Geschwindigkeitstreueist zwar nach Gl.(4.10)

G′ (s = 0) = −∞∫0

τ g (τ) dτ = 0,

bei der Integration können sich aber positive und negative Flächen gegenseitig auf-heben (Abb. 4.8). Bei vielen Frequenzgängen ist außerdem das Zählerpolynom vomGrad Null, so dass das Verfahren überhaupt nicht angewendet werden kann.

Abbildung 4.8. Impulsantwort und Moment 1. Ordnung

Beispiel 4.5 FederwaageFür ein geschwindigkeitstreues Messsystem wird nach Gl.(4.14)

a1 = b1

bzw. in Gl.(4.5)

b1 = 2δ = 0.

Page 107: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

100 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Das System wird instabil, d.h. ein geschwindigkeitstreues System ist nicht zu errei-chen.

Beispiel 4.6 Messsystem 3. Ordnung mit 2 freien ParameternFür ein geschwindigkeitstreues System muss nach Gl.(4.14)

Tk =1 + TkV

V

gelten. Die Bedingung ist nur für

V → ∞

erfüllbar und lässt sich in der Praxis nur näherungsweise erfüllen. Das System bleibtaber für alle V stabil.

4.3.2 Kriterium konstanter Amplitudengang für kleine Frequenzen

Das Verfahren „konstanter Amplitudengang für kleine Frequenzen“ verlangt ledig-lich, dass für kleine Frequenzen der Betrag des Frequenzganges konstant bleibt.Über den Phasengang wird hierbei nicht verfügt. Diese Forderung ist erheblichschwächer als in Abschn. 4.3.1.

Abbildung 4.9 zeigt Amplitudengänge |G(f)| , welche diese Forderung erfüllen,wobei

|G(f)|2 = G(f)G∗(f)

eine in f gerade Funktion |G(f)|2 = F (f2) ist. Um das Kriterium „konstanterAmplitudengang bei kleinen Frequenzen“ zu erfüllen, setzt man die Ableitungen zuNull:

a) monotonfallend

b) eine Resonanzstelle|G |(f)

f

Abbildung 4.9. Konstanter Amplitudengang für kleine Frequenzen

Page 108: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 101

∂ (i)F (f2)

∂ (f2)i= 0, i = 1, 2, 3, · · · .

Statt die höheren Ableitungen von F (f2) explizit zu berechnen, stellt man die Funk-tion F (f2) am einfachsten so dar:

F (f2) = G2(0)Σ Ai (2πf)2i

Σ Bi (2πf)2i, mit A0 = B0 = 1. (4.16)

Es wird

F (f2) − G2(0) =Σ (Ai − Bi) (2πf)2i

Σ Bi (2πf)2iG2 (0) .

Wenn für alle i < j die Beziehung Ai = Bi gilt, dann verschwinden alle i-tenAbleitungen von F (f2) an der Stelle f2 = 0, i < j.

Die Koeffizienten Ai und Bi errechnen sich aus dem Frequenzgang:

G(f)) = G(0)Σ aν (j2πf)

ν

Σ bν (j2πf)ν

= G(0)Σ a2ν (−1)ν (2πf)2ν + j2πf Σ a2ν+1 (−1)ν (2πf)2ν

Σ b2ν (−1)ν

(2πf)2ν + j2πf Σ b2ν+1 (−1)ν(2πf)2ν

(4.17)

mit a0 = b0 = 1 . Für F (f2) muss der Betrag des Zählers und Nenners berechnetwerden. Für den Zähler gilt z.B.

Ai = (−1)i

i∑ν=0

(a2νa2(i−ν) − a2ν+1a2(i−ν)−1

). (4.18)

Im 2. Term der Summendarstellung wird der Index von a2(i−ν)−1 für i = 0 negativ.Es gilt a−1 = 0 . Die ersten Koeffizienten Ai lauten ausgeschrieben:

A0 = a20 = 1,

A1 = −a0a2 − a2a0 + a1a1,

A2 = a4a0 + a2a2 + a0a4 − a1a3 − a3a1,

A3 = −a6a0 − a4a2 − a2a4 − a0a6 + a5a1 + a3a3 + a1a5.

Entsprechend lassen sich die Bi berechnen. Damit lässt sich das Kriterium für kon-stanten Amplitudengang angeben. Ein Frequenzgang der Gestalt

G(f) = G(0)Σ aν (j2πf)ν

Σ bν (j2πf)ν mit a0 = b0 = 1

hat für kleine Frequenzen einen konstanten Amplitudengang, wenn nacheinanderfolgende Bedingungen

Page 109: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

102 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

a21 − 2a2a0 = b2

1 − 2b2b0,

a22 + 2a0a4 − 2a1a3 = b2

2 + 2b0b4 − 2b1b3,

a23 + 2a1a5 − 2a0a6 − 2a2a4 = b2

3 + 2b1b5 − 2b0b6 − 2b2b4,

(4.19)

oder allgemein

i∑ν=0

(a2ν a2(i−ν) − a2ν+1 a2(i−ν)−1

)=

i∑ν=0

(b2ν b2(i−ν) − b2ν+1 b2(i−ν)−1

)erfüllt werden. Sind einige Gleichungen erfüllt, so gibt ein „>“ oder ein „<“ Zei-chen der ersten nicht erfüllten Gleichung einen Hinweis, ob der Amplitudengangnach dem konstanten Teil für höhere Frequenzen steigt oder fällt.

Das Kriterium geht vom Frequenzgang mit den Koeffizienten aν , bν der Potenzenvon f aus. Diese Koeffizienten sind durch die analytische Behandlung immer be-kannt. Das Kriterium ist deshalb einfach anzuwenden. Eine wiederholte Suche nachden Polen ist nicht notwendig, sofern man sicher ist, dass alle Pole auf der linkenHalbebene liegen. Ideal wird das Kriterium von Systemen erfüllt, deren Pole undNullstellen symmetrisch zur j-Achse liegen:

G (s) =∏

i

(s − αi) (s − α∗i )

(s + αi) (s + α∗i )

, αi > 0 für Stabilität.

Für solche Systeme ist |G(f)| ≡ 1 . In der Systemtheorie werden solche Systeme als„Allpass“ bezeichnet. Messsysteme sind allerdings von Natur aus keine „Allpass-“sondern „Minimalphasensysteme“. Wendet man das Kriterium auf ein Messsystemmit dem Grad n des Nenners an, so werden sich nicht alle n Gleichungen erfüllen.

Beispiel 4.7 ButterworthfilterAls Anwendung wird das Butterworthfilter untersucht. Darunter versteht man einSystem mit dem Amplitudengang

|G(f)|2 =1

1 +(

ff0

)2n . (4.20)

Die Pole finden sich aus der Gleichung

1 +(

ff0

)2n

= 0,

fν = f0 ejΦν mit Φν =(2ν + 1)π

2n, ν = 1, 2, · · · , 2n.

Die Pole liegen auf einem Kreis mit dem Radius f0 und dem Ursprung als Mittel-punkt. Für ein stabiles System kommen nur Pole auf der linken Halbebene in Frage.Für n = 2 erhält man mit Φ1 = 3

4π, Φ2 = 54π die Übertragungsfunktion

Page 110: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 103

G (s) =(2πf0)

2(s − 2πf0e

j34π

)(s − 2πf0e

j54π

) (4.21)

und die Impulsantwort im Zeitbereich

g (t) =√

2 · 2πf0e−√

2πf0t sin√

2πf0t. (4.22)

Die Impulsantwort g(t) und der Amplitudengang |G(f)|2 sind in Abb. 4.10 gezeich-net.

1 2 21 3

g t( ) |G |(f) 2

f /f0f0t

Abbildung 4.10. Impulsantwort g (t) und Amplitudengang |G(f)|2 für ein Butterworthfilterder Ordnung n = 2

Beispiel 4.8 FederwaageNach Gl.(4.19) gilt

a21 − 2a2a0 = b2

1 − 2b2b0,

was in Gl.(4.5) zu

4δ2 − 2 = 0

und damit zur Dämpfung

δ =

√2

2= 0, 707

führt. In der Messtechnik heißt diese Dämpfung „Oszillographendämpfung“. DieÜbergangsfunktion x (t) hat eine leichte Überschwingung von 5 %.

Beispiel 4.9 Messsystem 3. Ordnung mit 2 freien ParameternFür das System 3. Ordnung sind zwei Bedingungen für einen konstanten Amplitu-dengang zu erfüllen:

Page 111: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

104 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

t

x t( )

=δ 0,7Fc∞

Abbildung 4.11. Übertragungsfunktion des Systems 2. Ord-nung mit Oszillographendämpfung

a21 − 2a2a0 = b2

1 − 2b2b0,

Tk =(1 + TkV )2

V 2− 2

T1 + T2

V,

TkV = V (T1 + T2) − 1/2. (4.23)

Die zweite Bedingung lautet

a22 + 2a0a4 − 2a1a3 = b2

2 + 2b0b4 − 2b1b3,

0 =(T1 + T2)

2

V 2− 2

T1T2

V

1 + TkV

V,

was mit Gl.(4.23)

1 − 1

2− V (T1 + T2) =

(T1 + T2)2

2T1T2

ergibt. Daraus berechnen sich die gesuchten Parameter zu

V =T 2

1 + T 22 + T1T2

2T1T2(T1 + T2),

Tk =(T 2

1 + T 22 )(T1 + T2)

T 21 + T 2

2 + T1T2.

Abbildung 4.12 zeigt die resultierende Sprungantwort und den Amplitudengang.Die Sprungantwort zeigt wie auch die Federwaage nur leichtes Überschwingen von5%. Man erkennt sehr gut den konstanten Bereich des Amplitudengangs für kleineFrequenzen.

4.3.3 Kriterium konstanter Realteil des Frequenzganges

Die Impulsantworten g(t) kausaler Systeme können in einen geraden Teil gg(t) undeinen ungeraden Teil gu (t) zerlegt werden,

g (t) = gg (t) + gu (t) . (4.24)

Page 112: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 105

0 0.5 1 1.5 2 2.50

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Spr

unga

ntw

ort h

(t)

Zeit t[sek]

10−1

100

101

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Am

plitu

deng

ang

|G(f

)|

Frequenz [Hz]

Abbildung 4.12. Sprungantwort und Amplitudengang eines Systems 3. Ordnung nach An-wendung des Kriteriums Konstanter Amplitudengangs für kleine Frequenzen

g tg ( ) , g tu ( )

g t( )

g tu ( )

g tg ( )

g t( )

t

Abbildung 4.13. Gerade und ungerade Teile einer Impulsantwort

Die Fourier-Transformierte ist

G (f) =

∞∫−∞

g (t) e−j2πf t dt =

∞∫−∞

g (t) (cos 2πf t − j sin 2πf t) dt

=∞∫

−∞gu (t) cos 2πf t dt︸ ︷︷ ︸

=0

− j∞∫

−∞gg (t) sin 2πf t dt︸ ︷︷ ︸

=0

Page 113: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

106 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

+

∞∫−∞

gg (t) cos 2πf t dt − j

∞∫−∞

gu (t) sin 2πf t dt

= G(f) + j G(f) (4.25)

mit

G(f) =∞∫

−∞gg (t) cos 2πf t dt,

G(f) = −∞∫

−∞gu (t) sin 2πf t dt.

(4.26)

Der Realteil G(f) kann von t = 0 · · ·∞ integriert werden, weil die Impulsant-wort gg (t) gerade sein soll:

G(f) = 2

∞∫0

gg (t) cos 2πf t dt.

Die inverse Fourier-Transformation ist

gg (t) =

∞∫−∞

G(f) cos 2πf t df.

Für t ≥ 0 gilt

g (t) = 2gg (t) = 2∞∫

−∞G(f) cos 2πft df = 4

∞∫0

G(f) cos 2πft df.

Die Impulsantwort g (t) kann für t ≥ 0 allein aus dem Realteil G(f) der Über-tragungsfunktion G (f) bestimmt werden. Für ideales Einschwingverhalten kann

Gi(f) = G (0) = const (4.27)

gefordert werden, womit die Impulsantwort

gi (t) = 4G (0) · δ (t) , t ≥ 0, (4.28)

und die ideale Ausgangsfunktion des Messsystems

yi (t) = 4G (0) · δ (t) ∗ u (t) = 4G (0) u (t) , t ≥ 0, (4.29)

wären. Die Forderung nach einem konstanten Realteil des Frequenzganges ergibtentsprechende Bedingungen für die Koeffizienten aν und bν der Übertragungs-funktion G (f):

Page 114: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 107

G (f) = G (0) ·

∞∑ν=0

aν (j2πf)ν

∞∑ν=0

bν (j2πf)ν

= G (0) ·

∞∑ν=0

a2ν (−1)ν (2πf)2ν + j2πf∞∑

ν=0a2ν+1 (−1)ν (2πf)2ν

∞∑ν=0

b2ν (−1)ν(2πf)2ν + j2πf

∞∑ν=0

b2ν+1 (−1)ν(2πf)2ν

.

Die Erweiterung mit dem konjugiert komplexen Nenner ergibt einen realen NennerN · N∗ . Der Realteil der Übertragungsfunktion ist damit

G(f) = (Z · N∗)

N · N∗ mit

ZN∗ =

∞∑ν=0

(a2ν (−1)ν(2πf)2ν)

∞∑i=0

(b2i (−1)i(2πf)2i) +

+ (2πf)2∞∑

ν=0

(a2ν+1 (−1)ν(2πf)2ν)

∞∑i=0

(b2i+1 (−1)i(2πf)2i)

=

∞∑ν=0

∞∑i=0

a2ν b2i (−1)ν+i

(2πf)2(ν+i)

+ (2πf)2∞∑

ν=0

∞∑i=0

a2ν+1 b2i+1 (−1)ν+i

(2πf)2(ν+i).

Mit der Substitution des Index

k = ν + i bzw = ν + i, ν ≤ k, ν ≤ ,

erhält man

Z · N∗ =

∞∑k=0

k∑ν=0

a2ν b2(k−ν) (−1)k(2πf)2k

+ (2πf)2∞∑

=0

∑ν=0

a2ν+1 b2(−ν)+1 (−1)(2πf)2.

In den zweiten Summenterm wird der Faktor (2πf)2 hereingezogen, wodurch sichder Exponent von (2πf) auf k = + 1 erhöht. Damit wird

Z · N∗ =∞∑

k=0

k∑ν=0

( a2ν b2(k−ν)(−1)k(2πf)2k

−a2ν+1 b2(k−ν)−1(−1)k(2πf)2k).

Page 115: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

108 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Dabei ist der Koeffizient b−1 für ν = k als b−1 = 0 definiert. Entsprechend erhältman für den Nenner

N · N∗ =

( ∞∑ν=0

b2ν (−1)ν(2πf)2ν

)·( ∞∑

i=0

b2i (−1)i(2πf)2i

)

+ (2πf)2

( ∞∑ν=0

b2ν+1 (−1)ν

(2πf)2ν

)( ∞∑i=0

b2i+1 (−1)i(2πf)2i

)

=

∞∑k=0

k∑ν=0

(b2ν b2(k−ν) (−1)

k(2πf)2k

−b2ν+1 b2(k−ν)−1 (−1)k(2πf)2k

).

Der Realteil der Übertragungsfunktion lässt sich mit

Ak = (−1)k ·k∑

ν=0

(a2ν b2(k−ν) − a2ν+1 b2(k−ν)−1

), (4.30)

Bk = (−1)k ·k∑

ν=0

(b2ν b2(k−ν) − b2ν+1 b2(k−ν)−1

)(4.31)

darstellen als

G(f) = G (0)

∞∑k=0

Ak(2πf)2k

∞∑k=0

Bk(2πf)2k

. (4.32)

Die Bedingung für einen konstanten Realteil G(f) lautet dann Ak = Bk oder

k∑ν=0

(a2ν b2(k−ν)− a2ν+1 b2(k−ν)−1

)=

k∑ν=0

(b2ν b2(k−ν)− b2ν+1 b2(k−ν)−1

).

Für die ersten Koeffizienten ist dies

b0 = a0 = 1,

−a0b2 + a1b1 − a2b0 = b21 − 2b0b2, (4.33)

a0b4 − a1b3 + a2b2 − a3b1 + a4b0 = b22 + 2b0b4 − 2b1b3,

−a0b6+a1b5−a2b4+a3b3−a4b2+a5b1−a6b0 = b232b0b6+2b1b5−2b2b4.

Die Bedingungen für einen konstanten Realteil G(f) sind praktisch nur für klei-ne Frequenzen f erfüllbar. Der Realteil des Frequenzganges fällt hinter dem kon-stanten Teil ab, wenn in der 1. unerfüllten Gleichung statt des Gleichheitszeichensein „<“ Zeichen gilt. Umgekehrt erfährt der Realteil eine Erhöhung, wenn in dieserGleichung ein „>“ Zeichen gilt.

Page 116: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 109

Beispiel 4.10 FederwaageNach Gl.(4.33) gilt

−a2b0 − a0b2 + a1b1 = b21 − 2b0b2,

woraus man die Dämpfung

δ =1

2

erhält. Diese Einstellung bringt größere Überschwinger als im Fall des konstantenAmplitudengangs für kleine Frequenzen.

t

x t( )

=δ 0,5Fc∞

Abbildung 4.14. Übergangsfunktion des Systems 2. Ord-nung mit der Dämpfung 0,5.

Beispiel 4.11 Messsystem 3. Ordnung mit 2 freien ParameternFür das System 3. Ordnung sind zwei Bedingungen für einen konstanten Realteildes Frequenzgangs zu erfüllen:

−a0b2 + a1b1 − a2b0 = b21 − 2b0b2,

TkV = V (T1 + T2) − 1 (4.34)

Die zweite Bedingung lautet

a0b4 − a1b3 + a2b2 − a3b1 + a4b0 = b22 + 2b0b4 − 2b1b3,

−TkT1T2

V=

(T1 + T2)2

V 2− 2

T1T2

V

1 + TkV

V,

was mit Gl.(4.34)

V (T1 + T2) − 1 =(T1 + T2)

2 − 2T1T2

T1T2

ergibt. Daraus berechnen sich die gesuchten Parameter zu

V =T 2

1 + T 22 + T1T2

T1T2(T1 + T2),

Tk =(T 2

1 + T 22 )(T1 + T2)

T 21 + T 2

2 + T1T2.

Page 117: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

110 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Abbildung 4.15 zeigt die resultierende Sprungantwort und den Realteil des Fre-quenzgangs. Die Sprungantwort zeigt wie auch die der Federwaage größeres Über-schwingen. Man erkennt sehr gut den konstanten Bereich des Realteils des Fre-quenzgangs für kleine Frequenzen.

0 0.5 1 1.5 2 2.50

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

Spr

unga

ntw

ort h

(t)

Zeit t[sek]

10−1

100

101

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Rea

lteil

von

G(s

)

Frequenz [Hz]

Abbildung 4.15. Sprungantwort und Realteil des Frequenzgangs eines Systems 3. Ordnungnach Anwendung des Kriteriums Konstanter Realteil des Frequenzgangs

4.3.4 ITAE-Kriterium

Der Name kommt aus der Definition: Integral of Time multiplied Absolute of Er-ror Criterion. Als Testsignal u (t) und als ideales Ausgangssignal yideal(t) wird dieSprungfunktion benutzt. Das Gütekriterum wird als Integral über den Betrag derAbweichung e(t) des Ausgangssignals vom idealen Ausgangssignal

Q =

∞∫0

|e(t)| · t dt → min (4.35)

=

∞∫0

|g(t) ∗ σ(t) − G(0)σ(t)| · t dt (4.36)

angesetzt. Länger andauernde Fehler wirken sich stark aus, da mit der Zeit t ge-wichtet wird. Fehler zu Beginn werden dagegen kaum gewertet. Die Anwendung

Page 118: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 111

des Kriteriums führt zu einer leicht schwingenden Einstellung. Die Integration überden Betrag des Fehlersignals ist für Systeme höherer Ordnung nur noch numerischmöglich.

System 1. Ordnung: Die Übertragungsfunktion eines Messsystems 1. Ordnung sei

G1 (s) = G1 (0) · ω0

s + ω0,

die Differenz zur idealen Übertragungsfunktion G1 (0)

∆G1 (s) = G1 (s) − G1 (0) = −G1 (0) · s

s + ω0.

Die Fehlerfunktion ist die Sprungantwort

E(s) = (G1 (s) − G1 (0)) · 1

s= −G1 (0) · 1

s + ω0(4.37)

bzw.

e(t) = −G1 (0) · e−ω0t.

Das ITAE-Kriterium ist damit

Q1 =

∞∫0

G1 (0) · t · e−ω0t dt =G1 (0)

ω20

. (4.38)

Durch eine kleine Einschwing-Zeitkonstante 1/ω0 kann das Kriterium minimiertwerden.

System 2. Ordnung: Bei einem System 2. Ordnung wird der Rechenaufwandschon wesentlich höher:

G2 (s) = G2 (0)ω2

0

s2 + b1ω0s + ω20

.

Die Differenz ist

∆G2 (s) = G2 (s) − G2 (0) = −G2 (0)s2 + b1ω0s

s2 + b1ω0s + ω20

und der Fehler der Sprungantwort

E(s) = ∆G2 (s)1

s= −G2 (0)

s + b1ω0

s2 + b1ω0s + ω20

. (4.39)

Mit den Definitionen

Page 119: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

112 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

α =b1

2ω0, ω = ω0

√1 − b21

4 ,

δ =α

ω0=

b1

2= cosϕ,

ω

ω0=

√1 − b21

4 = sin ϕ,

α

ω= cotϕ

erhält man die Fehlerfunktion im Zeitbereich

e(t) = −G2 (0)

ωe−α t (ω cosω t + α sin ω t)

= −G2 (0)

sin ϕe−α t sin (ω t + ϕ) .

Es wird die Variablen-Transformation

x = ω t + ϕ, dx = ω dt, t =x − ϕ

ω

eingeführt, womit man das ITAE-Kriterium

Q 2 =

∞∫0

e(t) · t dt (4.40)

nach der Substitution

Q2 =G2 (0)

ω2 sin ϕeϕ cot ϕ

∞∫ϕ

e−x·cotϕ (x − ϕ) |sinx| dx

︸ ︷︷ ︸I(x)

(4.41)

erhält. Das Integral I (x) wird schrittweise berechnet, wobei sich an den Integrati-onszwischengrenzen jeweils das Vorzeichen des Integranden ändert. Auf diese Wei-se wird die Betragsbildung berücksichtigt:

Q2 =G2 (0)

ω2 sin ϕeϕ cot ϕ

(−I (ϕ) + 2

∞∑i=1

(−1)i−1

I (iπ)

).

Die Integrale sind

I (iπ) =cos iπ sin2 ϕ (ϕ − iπ − sin 2ϕ)

eiπ cot ϕ,

I (ϕ) =sin3 ϕ

eϕ cot ϕ

(4 sin2 ϕ − 3

).

(4.42)

Damit wird das Kriterium

Page 120: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 113

Q2 =G2 (0) sin2 ϕ

ω20

[3− 4 sin2ϕ+ 2

sin ϕ

∞∑i=1

e− cot ϕ(iπ−ϕ) (iπ−ϕ+sin2ϕ)

]und das Minimum

∂ Q2

∂ ϕ= 0

erhält man für ϕ = 0, 72, b1 = 2 cosϕ = 1, 5.

Bei Systemen höherer Ordnung lässt sich das ITAE-Kriterium nicht mehr analytischgeschlossen berechnen. In [8] sind die optimalen Parameter für das NennerpolynomN (s) angegeben. Dabei wird in Systeme mit konstantem Zähler, in geschwindig-keitstreue und beschleunigungstreue Systeme unterschieden. Bei einem System 2.Ordnung erhält man eine Dämpfung von ungefähr δ = 1

/√2 .

Zur Anpassung des Nennerpolynoms an die optimalen Polynome wird

ωn0 =

b0

bn

eingeführt und weiter mit

qi =bi

ωn−i0 bn

, i = 1, . . . , n,

gerechnet. Dann ist das Nennerpolynom N (s) =∑

qi (s/ωo)i für die Anwendung

der folgenden Gleichungen geeignet:

a) für Systeme G (s) = G (0)1

n∑ν=0

bνsν

= G (0)1

N (s)wird N (s) :

s + ω0

s2 + 1.5ω0s + ω20

s3 + 1, 75ω0s2 + 2, 15ω2

0s + ω30

s4 + 2, 1ω0s3 + 3, 4ω2

0s2 + 2, 7ω3

0s + ω40

s5 + 2, 8ω0s4 + 5, 0ω2

0s3 + 5, 5ω3

0s2 + 3, 4ω4

0s + ω50

s6 + 3, 25ω0s5 + 6, 6ω2

0s4 + 8, 6ω3

0s3 + 7, 5ω4

0s2 + 4, 0ω5

0s + ω60

(4.43)

b) für geschwindigkeitstreue Systeme G (s) = G (0)b0 + b1sn∑

ν=0bνsν

wird N (s) :

s2 + 3, 2ω0s + ω20

s3 + 1, 75ω0s2 + 3, 25ω2

0s + ω30

s4 + 2, 4ω0s3 + 4, 9ω2

0s2 + 5, 1ω3

0s + ω40

s5 + 2, 2ω0s4 + 6, 5ω2

0s3 + 6, 3ω3

0s2 + 5, 2ω4

0s + ω50

s6 + 6, 1ω0s5 + 13, 4ω2

0s4 + 17, 2ω3

0s3 + 14, 1ω4

0s2 + 6, 8ω5

0s + ω60

(4.44)

Page 121: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

114 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

c) für geschwindigkeits- und beschleunigungstreue Systeme

G (s) = G (0)b0 + b1s + b2s

2

n∑ν=0

bνsν

wird N (s) :

s3 + 3, 0ω0s2 + 4, 9ω2

0s + ω30

s4 + 3, 7ω0s3 + 7, 9ω2

0s2 + 5, 9ω3

0s + ω40

s5 + 3, 8ω0s4 + 9, 9ω2

0s3 + 13, 4ω3

0s2 + 7, 4ω4

0s + ω50

s6 + 3, 9ω0s5 + 11, 7ω2

0s4 + 18, 6ω3

0s3 + 19, 3ω4

0s2 + 8, 1ω5

0s + ω60

(4.45)

Die Sprungantworten ITAE-optimaler Systeme nach Gl.(4.43) zeigt Abb. 4.16. Derneue stationäre Wert wird nach kurzer Zeit und bei nicht zu starken Überschwin-gungen erreicht.

t

h t( )

n =h∞

6

5

4

32

Abbildung 4.16. ITAE-optimale Sprungantworten

Beispiel 4.12 FederwaageNach Gl.(4.43) ist für ein System 2. Ordnung der Koeffizient b1 = 1, 5 d.h. dieDämpfung ist

δ = 0, 75,

was nahezu der Oszillographendämpfung entspricht.

Page 122: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 115

Beispiel 4.13 Messsystem 3. Ordnung mit 2 freien ParameternDas Beispielsystem 3.Ordnung mit Gl.(4.6) ist nicht geschwindigkeitstreu. Daherlassen sich die optimalen Nennerpolynome von Gl.(4.44) nicht anwenden. Da dieoptimalen Nennerpolynome nur für die angegebenen Klassen von Übertragungs-funktionen bekannt sind, muss in allen anderen Fällen die Optimierung numerischgeschehen.

4.3.5 Kriterium „Quadratisches Fehlerintegral“

Als Gütemaß für die Systemparameterwahl wird das Integral über den quadriertenFehler

Q =

∞∫0

e2(t) dt → min (4.46)

bzw. über die quadrierte Differenz der Sprungantworten

Q =

∞∫0

(g (t) ∗ σ (t) − G (0) · σ (t))2

dt → min (4.47)

herangezogen. Das einfache Fehlerintegral∫∞0 e(t) dt wäre nicht sinnvoll, da sich

im Integral positive gegen negative Fehler herausheben. Aus Gl.(4.47) lässt sichablesen, dass große Fehler sehr stark bewertet werden, kleine Fehler dagegen nichtsehr stark zu Buche schlagen.

Zur analytischen Berechnung setzen wir voraus, dass e(t) absolut integrierbar sei,dass also eine Fourier-Transformierte existiere. Für die Praxis bedeutet dies, dasslimt→∞ e(t) = 0 werden muss, was wegen der beschränkten Fehlersignale |e(t)| <M eine realistische Annahme ist. Damit lässt sich Q aus Gl.(4.46) mit Hilfe desParsevalschen Satzes mit E∗(s) = E(−s) für s = j2πf berechnen,

Q =

∞∫0

e2(t) dt =1

2π j

j ∞∫−j ∞

E(s)E(−s) ds. (4.48)

Das Berechnungsverfahren in [31] nutzt die Symmetrieeigenschaft des IntegrandenE(s)E(−s) aus. Die Laplace-Transformierte E(s) habe die Form

E(s) =

n−1∑ν=0

aνsν

n∑ν=0

bνsν

=A (s)

B (s). (4.49)

Der Integrand im Parsevalschen Integral ist dann

Page 123: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

116 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

A (s)A (−s)

B (s)B (−s).

Er lässt sich in einen kausalen und einen antikausalen Teil aufspalten:

A (s)A (−s)

B (s)B (−s)=

C (s)

B (s)+

D (s)

B (−s). (4.50)

Multipliziert man mit B (s)B (−s) durch und bedenkt, dass A (s)A (−s) eine ge-rade Funktion ist, gilt mit A (s)A (−s) = A (−s)A (s)

C (s)B (−s) + D (s)B (s) = C (−s)B (s) + D (−s)B (−s) bzw.

D (s) = C (−s) . (4.51)

Für ein Messsystem n-ter Ordnung ist das Gütekriterium dann

Qn =1

2π j

j∞∫−j∞

C (s)

B (s)ds

︸ ︷︷ ︸kausal

+1

2π j

j∞∫−j∞

C (−s)

B (−s)ds

︸ ︷︷ ︸antikausal

=2

2π j

j∞∫−j∞

C (s)

B (s)ds.

Die Zusammenfassung zum zweifachen des kausalen Teils ist möglich, da die Po-le des Integranden symmetrisch zur imaginären Achse liegen. Dies lässt sich leichtzeigen, wenn man im zweiten Integral −s = v; −ds = dv substituiert. Man kannQn als Laplace- Transformierte L−1 für t = 0 schreiben. Mit der komplexen Um-kehrformel der Lapalce- Transformation

1

2πj

j∞∫−j∞

F (s) estds =

⎧⎨⎩f (t) ; t > 0,0 ; t < 0,12f (+0) ; t = 0,

lässt sich Qn schreiben als

Qn = 2 · 12f (+0) = f (+0) .

Mit dem Anfangswertsatz der Laplace-Transformation erhält man

f (+0) = limt→+0

f (t) = lims→∞

s · C (s)

B (s). (4.52)

B (s) ist ein Polynom n-ter Ordnung, C (s) ist von (n − 1)-ter Ordnung. Zur Be-stimmung von Q genügt daher allein die Bestimmung zweier Koeffizienten. Es ist

Qn =

∞∫0

e2(t)dt =cn−1

bn. (4.53)

Page 124: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 117

Beispiel 4.14 System 1. Ordnung Für eine rationale Übertragungsfunktion 1. Ord-nung ist z.B.

E(s) =a0

b0 + b1s=

A (s)

B (s)und

E(s)E(−s) =a20

(b0 + b1s) (b0 − b1s).

C (s) erhält man z.B. durch eine Partialbruchzerlegung,

C (s) = Res (s1) , C (−s) = Res (s2) ,

wobei die Pole

s1 = −b0

b1und s2 = +

b0

b1

sind. Damit wird

C (s) = Res(s1 = − b0

b1

)=

a20(

b0 + b1b0b1

) =a20

2b0,

C (−s) = Res(s2 = + b0

b1

)=

a20(

b0 + b1b0b1

) =a20

2b0

und

Q1 = lims→∞

(sC (s)

B (s)

)= lim

s→∞

(a20s

2b0 (b0 + b1s)

)=

a20

2b0b1.

Im folgenden soll noch eine allgemeine Berechnungsvorschrift für den Parametercn−1 angegeben werden. Dazu muss Gl.(4.50) unter Verwendung von Gl.(4.51) ge-löst werden:

C (s)B (−s) + C (−s)B (s) = A (s)A (−s) bzw.

n−1∑i=0

cisi

n∑k=0

bk (−s)k+

n−1∑i=0

ci (−s)i

n∑k=0

bksk =n−1∑i=0

aisi

n∑k=0

ak (−s)k.(4.54)

Durch Auflösen gelangt man nach einem Koeffizientenvergleich zu folgendem li-nearen Gleichungssystem:

Page 125: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

118 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

⎡⎢⎢⎢⎢⎢⎣b0 0 0 0 0 · · ·b2 b1 b0 0 0 · · ·b4 b3 b2 b1 b0 · · ·...

. . .0 0 · · · bn

000...

bn−1

⎤⎥⎥⎥⎥⎥⎦ ·

⎡⎢⎢⎢⎢⎢⎣c0

−c1

c2

...(−1)n−1 cn−1

⎤⎥⎥⎥⎥⎥⎦ = Bn · cn

= 12

⎡⎢⎢⎢⎢⎢⎣a20

2a0a2 − a21

−2a1a3 + a22

...(−1)n 2an−2an + (−1)n−1 a2

n−1

⎤⎥⎥⎥⎥⎥⎦ .

(4.55)

Die Berechnung von cn−1 erfolgt durch Anwendung der Cramerschen Regel. DasGleichungssystem sei nach Gl.(4.55) Bn · cn = an . Die Matrix B∗

n ergibt sichaus der Matrix Bn, indem die letzte Spalte durch den Vektor cn ersetzt wird. Dergesucht Koeffizient ist dann der Quotient der Determinanten

(−1)n−1cn−1 =1

2

|B∗n|

|Bn| .

Damit erhalten wir die allgemeine Formel für das Quadratische Fehlerintegral:

Qn =

∞∫0

e2(t) =cn−1

bn= (−1)n−1 |B∗

n|2bn|Bn| . (4.56)

Im folgenden sind einige Fehlerintegrale allgemein berechnet:

Q2 =a21b0 + a2

0b2

2b0b1b2,

Q3 =a22b0b1 +

(a21 − 2a0a2

)b0b3 + a2

0b2b3

2b0b3 (b1b2 − b0b3), (4.57)

Q4 =a23(b0b1b2−b20b3)+(a2

2−2a1a3)b0b1b4+(a21−2a0a2)b0b3b4+a2

0(b2b3b4−b1b24)

2b0b4(−b0b23−b21b4+b1b2b3).

Die Beziehungen für größere Grade n findet man in [31]. Mit wachsendem Grad nwerden die Gleichungen rasch unhandlich.

Zur Minimierung des Kriteriums wird die Gütefunktion Qn nach den Parametern pi

abgeleitet, welche den Einschwingvorgang beeinflussen. Man erhält so die gesuch-ten Systemparameter der Übertragungsfunktion, die das dynamische Einschwing-verhalten des Messsystems optimiert:

m∑i=1

∂ Qn

∂ pi= 0 → pi = [optimaler Parametersatz] . (4.58)

Page 126: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.3 Parameteroptimierung 119

Gewichtung des quadratischen Fehlers mit der Zeit: Das Kriterium „quadra-tisches Fehlerintegral“ bewertet alle Fehler gleich stark, gleichgültig zu welchemZeitpunkt sie auftreten. Nach praktischen Überlegungen wird man aber Fehler fürkleine Zeiten t (d.h. während des Einschwingvorganges) eher tolerieren als Feh-ler im eingeschwungenen Zustand. In einfacheren Systemen könnte man als Inte-gralkriterium mit der Zeit gewichtete quadratische Fehler einführen. Sie lassen sichzumindest im Prinzip analytisch behandeln. Bei diesen Kriterien gehen Fehler beigroßen Zeiten t stärker in das zu minimierende Gütekriterium ein:

Rn =

∞∫0

e2(t) tn dt. (4.59)

Nach der Parsevalschen Beziehung ist

Rn =1

2πj

∞∫−∞

(−1)n dn E(s)

dsn· E(−s) ds. (4.60)

Mit Hilfe einer Partialbruchzerlegung des Integranden können die Pole in den kau-salen und antikausalen Teil sortiert werden. Der kausale Teil wird über die linkeHalbebene integriert, der antikausale über die rechte Halbebene. Der Integrand istnicht mehr unbedingt eine symmetrische Funktion in s. Bei umfangreicheren Syste-men kann man die Pole aber nicht mehr analytisch bestimmen, wodurch das Verfah-ren unpraktisch wird. Die verschiedenen Kriterien führen zu mehr oder weniger gutgedämpftem Einschwingverhalten. In Abb. 4.17 ist der Wert Q über der Dämpfungδ für ein System 2. Ordnung aufgetragen.

δ

Q (quadrat. Fehlerintegral)

Q (ITAE)

10

8

6

4

2

0

Q

0.25 0.5 0.75 1

Abbildung 4.17. Güte-maß in Abhängigkeit derDämpfung (System 2.Ordnung)

Page 127: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

120 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Beispiel 4.15 FederwaageEs wird der Fehler E(s) der Sprungantwort

E(s) = (G(s) − G(0))1

s=

−(2δ + s

ω0

)cω0

((s

ω0

)2

+ 2δ sω0

+ 1

)gebildet. Nach Gl.(4.57) gilt für ein System 2. Ordnung

Q2 =a21b0 + a2

0b2

2b0b1b2=

(1

4δ+ δ

)· 1

ω0,

woraus man durch Differentiation dQ2/dδ = 0 den gesuchten Parameter δ erhält:

δ = 1/2.

Beispiel 4.16 Messsystem 3. Ordnung mit 2 freien ParameternAus Gl.(4.6) bildet man die Fehlerübertragungsfunktion der Sprungantwort

E(s) =1

s(G(s) − G(0))

=−1 − (T1 + T2)s − T1T2s

2

V + (1 + TkV )s + (T1 + T2)s2 + T1T2s3.

Nach Gl.(4.57) gilt für ein für ein System 3. Ordnung

Q3 =a22b0b1 +

(a21 − 2a0a2

)b0b3 + a2

0b2b3

2b0b3 (b1b2 − b0b3).

Die Gütefunktion lautet hier

Q3 =(T1T2)

2V (1+TkV )+((T1+T2)2−2T1T2)V T1T2+(T1+T2)T1T2

V T1T2((1 + TkV )(T1 + T2) − V T1T2).

Durch Differentation nach den beiden Parametern

∂Q3

∂V= 0 und

∂Q3

∂Tk= 0

erhält man zwei optimale Parametersätze:

Tk1 = 0.25, V1 = 10.4, Tk2 = 0.4, V2 = 4.06.

Die beiden Lösungen entsprechen einer Polkompensation. Die bessere Wahl für einschnelles Einschwingverhalten ist die Kompensation des Pols mit der größeren Zeit-konstante. Das Überschwingen ist ähnlich dem Kriterium Konstanter Realteil desFrequenzgangs, wie in Abb. 4.18 zu sehen ist.

Page 128: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens 121

0 0.5 1 1.5 2 2.50

0.5

1

1.5S

prun

gant

wor

t h(t

)

Zeit t[sek]

Tk=0.4

RE=const

Tk=0.25

Abbildung 4.18. Sprungantwort bei quadratischem Fehlerintegral und konstantem Realteildes Frequenzganges

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens

4.4.1 Kompensation des Zeitverhaltens

Alle bisher geschilderten Verfahren hatten die Parameteroptimierung der Übertra-gungsfunktion zum Ziel. In diesem Abschnitt soll nun ein Verfahren diskutiert wer-den, welches die Struktur des Frequenzganges durch Kompensation ändert, um einbesseres Zeitverhalten zu erreichen. Dabei wird ein schnelles Einschwingen desMesssystems angestrebt.

Das Zeitverhalten eines linearen Systems wird bekanntlich durch die Lage der Poleder Übertragungsfunktion bestimmt. Die Übertragungsfunktion eines Systems istallgemein

G(s) =Z(s)

N(s)= c ·

m∏j=0

(s − s0j)

n∏i=0

(s − s∞i), m ≤ n.

Bei der Lösung der Umkehrformel der Laplace-Transformation mit Hilfe des Re-siduensatzes wird das deutlich: Einfache Pole s∞i

führen z.B. im Zeitbereich zuFunktionen es∞i

t. Lediglich die Faktoren vor den Exponentialfunktionen werdendurch den Zähler der Übertragungsfunktion gegeben. Mit Hilfe der Partialpruchzer-legung erhält man bei einfachen Polen die Übertragungsfunktion in Summendar-stellung

G(s) =

n∑i=0

Ai

s − s∞i

,

Page 129: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

122 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

die man einfach zurücktransformieren kann:

g(t) =

n∑i=0

Aies∞i

t · σ(t).

Sind die s∞ikomplex, so treten auch Pole bei s∗∞i

auf, da g(t) eine reelle Funktionist. Bei stabilen Systemen liegen alle s∞i

und s∗∞iin der linken s-Halbebene.

Die beiden Pole, welche der imaginären Achse am nächsten liegen, welche al-so den größten Realteil haben, bezeichnen wir mit s∞0 = −δ0 + j2πf0 unds∗∞0

= −δ0 − j2πf0. Diese so genannten dominanten Pole bestimmen weitgehenddas Zeitverhalten der Impulsantwort für große Zeiten,

limt→∞

g(t) ≈ e−δ0t(A0ej2πf0t + A∗

0e−j2πf0t). (4.61)

Es liegt nun nahe, zu versuchen, diese beiden dominanten Pole durch ein nachge-schaltetes Kompensationsglied GK(s) zu eliminieren (Abb. 4.19).

G s( )

G s( ) G s( )

ges

K Abbildung 4.19. Strukturbild zur Kom-pensation des Zeitverhaltens

Der Übertragungsfunktion

G(s) =Z(s)

N(s)=

Z(s)

M(s) · (s2 − (s∞0 + s∗∞0)s + s∞0s

∗∞0)

wird in Serienschaltung ein Kompensationsglied mit der Übertragungsfunktion

GK(s) =(s2 − (s0K

+ s∗0K)s + s0K

s∗0K)

(s2 − (s∞K+ s∗∞K

)s + s∞Ks∗∞K

)

hinzugefügt. Für die Kompensation und ein insgesamt schnelleres Einschwingver-halten des Gesamtsystems muss gelten:

s0K= s∞0 ,

s∞K < s∞0. (4.62)

Die Übertragungsfunktion der gesamten Anordnung ist damit

Gges = G(s) · GK(s) =Z(s)

M(s) · (s2 − (s∞K+ s∗∞K

)s + s∞Ks∗∞K

).

Bei idealer Kompensation sind die dominanten Pole (s∞0 , s∗∞0

) nicht mehr in Gges

enthalten. In der praktischen Anwendung ist die ideale Kompensation aus zweiGründen nicht möglich:

Page 130: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens 123

1. Die Systemparameter (s∞0 , s∗∞0

) ändern sich im Betrieb beispielsweise durchTemperatureinflüsse oder Alterung:

(s∞0 , s∗∞0

) ⇒ (s∞, s∗∞).

2. Die Systemparameter (s∞0 , s∗∞0

) sind nicht exakt bekannt und können z.B.durch eine Systemidentifikation nur ungenau bestimmt werden:

s∞ = s∞0 + ∆s∞0 .

Die dominanten Pole können jetzt nicht mehr vollständig kompensiert werden. DieÜbertragungsfunktion des unvollständig kompensierten Systems ist

Gges = Gges ·s2 − (s∞0 + s∗∞0

)s + s∞0s∗∞0

s2 − (s∞ + s∗∞)s + s∞s∗∞.

Die inverse Laplace-Transformierte von Gges ist die Impulsantwort. Sie lässt sichnicht allgemein angeben. Durch die unvollständige Kompensation enthält das Nen-nerpolynom von Gges wieder den Term

s2 − (s∞ + s∗∞)s + s∞s∗∞ = s2 + 2δs + δ2 + (2πf)2.

Dieser bewirkt einen zusätzlichen Einschwingvorgang in der Impulsantwort, der mite−δt langsam abklingt.

Beispiel 4.17 Ideale Kompensation bei der TemperaturmessungEin Berührungsthermometer steckt in einer Flüssigkeit der Temperatur T . SeineWärmekapazität sei C, der Wärmeübergang sei durch α gegeben.

T

Tm

Temperatur des Thermometers

Wärmekapazität des Thermometers

Wärmeübergang in das Thermometer

Temperatur der Flüssigkeit

Wärmeübergangs-Zeitkonstante

C

T

Tm

α

Tü = Cα

Abbildung 4.20. Temperaturmessung

Der Energieerhaltungssatz besagt, dass die auf das Thermometer übergehende Wär-me gleich der Erhöhung der inneren Energie des Thermometers ist,

Φ = α(T − Tm) = CdTm

dt=

dE

dT,

Page 131: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

124 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

oder Laplace-transformiert

Tm(s) =α

Cs + αT (s) =

1

Tus + 1T (s).

Im stationären Zustand ist

lims→0

G(s) = lims→0

1

Tus + 1= 1,

bzw. die Temperaturen

Tm = T, t → ∞.

Mit der Kompensationsübertragungsfunktion (TK << Tu)

GK(s) =Tus + 1

TKs + 1

erhält man die ideal kompensierte Gesamtübertragungsfunktion

Gges(s) =1

TKs + 1

und ein schnelles Einschwingen der Impulsantwort

gges(t) =1

TK· e−t/TK .

Beispiel 4.18 Kompensation bei veränderlichen ParameternDer Wärmeübergang α ist nun aber nicht konstant, sondern hängt von der Ober-fläche und Form des Thermometers, aber auch von Größen ab, die sich im Betriebändern, wie die Anströmgeschwindigkeit, die Dichte und Art des Messstoffes.

Betrachtet man die Abhängigkeit von der Strömungsgeschwindigkeit v des Mess-stoffes, so erhält man nach einem empirischen Gesetz

α

α0=

(v

v0

)m

, m ≈ 0, 8.

Für kleine Änderungen ist

∆α

α0≈ m

∆v

v.

Die Strömungsgeschwindigkeit ändere sich im Betrieb z.B. um ∆v/v = 0.5 , wo-durch ∆α/α0

= 0.4 wird. Dadurch ändert sich die Systemzeitkonstante

Page 132: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens 125

Tu =C

α=

C

α0 + ∆α=

C

α0· 1(

1 + ∆αα0

) = Tu0 · 1(1 + ∆α

α0

) .

Die unvollständig kompensierte Übertragungsfunktion ist

Gges(s) =1

TKs + 1· Tu0s + 1

Tus + 1

=(Tu0 − TK)(1 + ∆α/α0

)

Tu0 − TK(1 + ∆α/α0)

· 1

TKs + 1−

− Tu0∆α/α0

Tu0 − TK(1 + ∆α/α0)· 1[

Tu0/(1 + ∆α/α0

)

]s + 1

und die Impulsantwort

gges(t) =1

TK· (Tu0 − TK)(1 + ∆α/α0

)

Tu0 − TK(1 + ∆α/α0)

e−t/TK −

− (1 + ∆α/α0)∆α/α0

Tu0 − TK(1 + ∆α/α0)e−t

(1 + ∆α/α0)

Tu0 .

Mit wachsender Parameterabweichung ∆α wird der Einschwingvorgang durch diegrößere Zeitkonstante Tu bestimmt. In Abb. 4.21 sind die verschiedenen Ein-schwingvorgänge dargestellt. Der Fehler wird im wesentlichen durch den langsamabklingenden zweiten Term bestimmt.

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.80

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

Spr

unga

ntw

ort h

(t)

Zeit t[sek]

1

2

3

41: Unkompensiert

2: Kompensiert, TK = 0.1 T

ü0

3: Überkompensiert, ∆α/α0 = −0.4

4: Unterkompensiert ∆α/α0 = 0.4

Abbildung 4.21. Sprungantwort eines Berührungsthermometers mit einem Kompensations-netzwerk in Serie

Page 133: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

126 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

4.4.2 Zeitverhalten bei Gegenkopplung

Die Gegenkopplung soll auf die Möglichkeit zur Veränderung des Zeitverhaltensuntersucht werden. Dazu wird das System mit der Übertragungsfunktion

GR(s) = V · GK(s)

in Serie zum Messsystem geschaltet. Der Systemausgang wird auf den Eingangzurückgekoppelt. Diese Anordnung (Abb 4.22) ist auch als Regelkeis bekannt. Inder Regelungstechnik bezeichnet man daher GR(s) auch als Regler.

U s( ) E s( ) Y s( )+

−V.

G s( )

G s( )G s( )

ges

K

Abbildung 4.22. Struk-turbild zur Gegenkopp-lung

Die Übertragungsfunktion des geschlossenen Kreises ist

Gges(s) =V · GK(s) · G(s)

1 + V · GK(s) · G(s). (4.63)

Erhöht man formal die Verstärkung V , so geht die Übertragungsfunktion Gges(s)unabhängig von G(s) und GK(s) in die ideale Übertragungsfunktion über:

limV →∞

Gges(s) = Gid = 1.

Damit scheint eine hohe Verstärkung V im Regelkreis das geeignete Verfahren, dasZeitverhalten von Messsystemen zu verbessern. Leider wird für große Verstärkun-gen V der Regelkreis meist instabil, selbst wenn die einzelnen Teil-Systeme stabilsind. Daher ist die Gegenkopplung nur bedingt geeignet, das dynamische Verhalteneines Messsystems zu verbessern

P-Regler: Um die Problematik zu verdeutlichen, betrachten wir im folgenden einenP-Regler mit der Übertragungsfunktion

GR = V

und nehmen eine Übertragungsfunktion G(s) des Messsystem ohne Nullstellen an,

G(s) =

(−1)nn∏

i=1

s∞i

n∏i=1

(s − s∞i)

,

Page 134: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens 127

wobei G(s = 0) = 1 ist. Das Nennerpolynom von G(s) wird ausmultipliziert:

N(s) = sn − sn−1n∑

i=1

s∞i+ · · ·

+ (−1)n−1s ·n∏

i=1

s∞i

n∑j=1

1

s∞j

+ (−1)nn∏

i=1

s∞i.

Die komplexen Pole sind jeweils paarweise konjugiert komplex zueinander,

s∞i= −δi + j2πfi, s∗∞i

= −δi − j2πfi.

Bildet man jeweils die Summe und das Produkt zweier konjugiert komplexer Pole,so führt dies auf

s∞ + s∗∞ = −δ + j2πf − δ − j2πf = −2δ = 2s∞,s∞s∗∞ = δ2 + (2πf)2 = r2, (4.64)

wobei r der Abstand der Pole vom Ursprung in der komplexen Ebene ist. Damitlassen sich die Summen- und Produktterme des ausmultiplizierten NennerpolynomsN(s) ausdrücken:

n∑i=1

s∞i=

n∑i=1

s∞i, (4.65)

n∏i=1

s∞i=

n∏i=1

ri. (4.66)

Die Übertragungsfunktion des geschlossenen Kreises ist

Gges(s) =

(−1)nV ·n∏

i=1

s∞i

n∏i=1

(s − s∞i) + (−1)nV ·

n∏i=1

s∞i

und man erhält durch Ausmultiplizieren das Nennerpolynom des geschlossenenKreises:

Nges(s) = sn − sn−1n∑

i=1

sg∞i+ · · ·

+ (−1)n−1s ·n∏

i=1

sg∞i

n∑j=1

1

sg∞j

+ (−1)nn∏

i=1

sg∞i.

Durch Vergleich der beiden Nennerpolynome findet man die Beziehung zwischender Lage der ursprünglichen Pole s∞i

und denen im gegengekoppelten Kreis sg∞i.

Page 135: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

128 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

• Koeffizientenvergleich für sn−1:

n∑i=1

s∞i=

n∑i=1

sg∞i.

Mit Gl.(4.65) ergibt sich, dass die Summe der Realteile aller Pole unverändert ist,

n∑i=1

s∞i =

n∑i=1

sg∞i. (4.67)

• Koeffizientenvergleich für s:

n∏i=1

s∞i·

n∑j=1

1

s∞j

=n∏

i=1

sg∞i·

n∑j=1

1

sg∞j

.

Aus dem Produkt und der Summe der paarweise konjugiert komplexen Pole wirdmit Gl.(4.64)

1

s∞+

1

s∗∞=

s∗∞r2

+s∞r2

=2s∞

r2,

so dass man schreiben kann:

n∏i=1

ri

n∑j=1

s∞j

r2j

=

n∏i=1

rgi

n∑j=1

sg∞j

r2gj

. (4.68)

• Koeffizientenvergleich für s0:

n∏i=1

sg∞i= (V + 1)

n∏i=1

s∞i.

Mit Gl.(4.66) ergibt sich ein Zusammenhang zwischen den Abständen der Polezum Ursprung:

n∏i=1

rgi = (V + 1)

n∏i=1

ri. (4.69)

Führt man einen mittleren Realteil der Pole ein,(s∞r2

)=

1

n

n∑j=1

s∞j

r2j

,

lassen sich die Pole mit und ohne Gegenkopplung vergleichen. Mit Gl.(4.68) und(4.69) erhält man

Page 136: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens 129

( (sg∞)

r2g

)=

1

(V + 1)

( (s∞)

r2

).

Aufgrund von Gl.(4.67) kann man grob abschätzen, dass sich die Realteile der Poleim Mittel wenig verändern. Die Abstände r 2

gj der Pole vom Ursprung vergrößernsich dagegen mit wachsender Verstärkung V . Daraus kann man schließen, dass imwesentlichen die Imaginärteile mit der Verstärkung anwachsen, was im Mittel zuwenig gedämpften Eigenschwingungen führt. Der mittlere Realteil wird im Fall derGegenkopplung evtl. dadurch erhalten bleiben, dass einige Pole sogar auf die rechteHalbebene rücken. Damit wird das System instabil.

Beispiel 4.19 Zweistufiger VerstärkerEin zweistufiger Verstärker mit der Übertragungsfunktion

G(s) =V α2

(s + α)2, α ∈ IR,

hat die Sprungantwort

H(s) =G(s)

s=

V

s− V α

(s + α)2− V

(s + α)•|h(t) = V (1 − e−α t(α t + 1)),

die für α > 0 aperiodisches Einschwingverhalten aufweist. Schließt man nun dieGegenkopplungsschleife, so ist die Übertragungsfunktion des geschlossenen Krei-ses

Gges(s) =V α2

(s + α)2 + V α2.

Die Sprungantwort des gegengekoppelten Kreises ist damit

Hges(s) =Gges(s)

s=

V α2

s((s + α)

2+ V α2

)=

V

1 + V·(

1

s− s + α

(s + α)2+ V α2

− 1√V

·√

V α

(s + α)2+ V α2

).

Daraus berechnet sich die Sprungantwort des gegengekoppelten Kreises zu

hges(t) =V

1 + V·[1 − e−α t

(cos

√V α t +

1√V

· sin√

V α t

)]. (4.70)

Der stationäre Endwert der Sprungantwort ist

limt→∞

hges(t) =V

1 + V< 1.

Page 137: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

130 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Stationäre Genauigkeit wird nur für V → ∞ erreicht. Setzt man im Fall der Ge-genkopplung V = 100, so wird aus einer aperiodischen Einstellung ist bei etwagleichen Dämpfungseigenschaften α in der Gegenkopplungsschaltung eine schwin-gende Einstellung. Abb. 4.23 zeigt beide Sprungantworten.

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 10

50

100

150

200

Spr

unga

ntw

ort h

(t)

Zeit t[sek]

Ohne Gegenkopplung

Mit Gegenkopplung

Abbildung 4.23. Sprungantwort eines zweistufigen Verstärkers mit und ohne Gegenkopp-lung

PI-Regler: Die Berechnungen und das Beispiel haben gezeigt, dass allein die Er-höhung der Verstärkung im geschlossenen Regelkreis kein geeignetes Mittel ist,das dynamische Verhalten von Messsystemen zu verbessern. Kombiniert man al-lerdings die Rückkopplung mit dem Kompensationsverfahren nach Abschn. 4.4.1zur Kompensation der größten Zeitkonstante in der Übertragungsfunktion G(s) desMesssystems, so gelangt man zum PI-Regler:

GR(s) = V1 + TKs

s.

Mit den Grenzwertsätzen der Laplace-Transformation folgt für die Sprungantwort:

s = 0, t = ∞ lims→0

s · V 1 + TKs

s· 1

s= ∞,

s = ∞, t = 0 lims→∞

s · V 1 + TKs

s· 1

s= V TK .

Damit ist die stationäre Verstärkung ∞, während die Verstärkung für hohe Frequen-zen begrenzt ist. Damit treten weniger Stabilitätsprobleme auf als bei konstanterVerstärkung im P-Regler. Zusätzlich ist der Regelkreis stationär genau! Es sind auchandere Funktionen GR(s) denkbar. Die Untersuchung und Dimensionierung dieserSysteme ist allerdings Aufgabe der Regelungstechnik. Für eine genauere Beschrei-bung sei daher auf die Literatur [6][47, 52] und [39] verwiesen. Hier soll nur aneinem Beispiel der Vorteil eines PI-Reglers über den P-Regler demonstriert werden.

Page 138: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens 131

Beispiel 4.20 Gegenkopplung mit P- und PI-ReglerGegeben sei ein Messsystem, das durch drei in Serie geschaltete PT1 Glieder be-schrieben ist,

G(s) =1

1 + T1s

1

1 + T2s

1

1 + T3s,

mit den Zeitkonstanten T1 = 0.53[sec], T2 = 0.055[sec] und T3 = 0.005[sec].

P-Regler: Setzt man einen P-Regler an, mit

GR(s) = V,

so wird die Übertragungsfunktion des geschlossenen Kreises

Gges,P(s) =V

V + (1 + T1s)(1 + T2s)(1 + T3s).

Für die geforderte Stabilität müssen die Pole von Gges,P(s) in der linken s-Halb-ebene liegen. Dazu wird der Nenner ausmultipliziert, zu Null gesetzt und man ge-langt zur charakteristischen Gleichung

T1T2T3s3 + (T1T2 + T1T3 + T 2T 3)s2 + (T1 + T2 + T3)s + V + 1 = 0.

Statt die Gleichung explizit zu lösen, bietet sich das Hurwitz-Kriterium an. Für eineallgemeine Gleichung 3. Grades,

a0s3 + a1s

2 + a2s + a3 = 0,

ergibt sich die Hurwitzdeterminante zu∣∣∣∣∣∣a1 a3 0a0 a2 00 a1 a3

∣∣∣∣∣∣ .Das System ist stabil, wenn alle nordwestlichen Unterdeterminanten positiv sind:

H1 = a1 > 0!

H2 =

∣∣∣∣a1 a3

a0 a2

∣∣∣∣ = a1a2 − a0a3 > 0!

H3 = a3H2 > 0!

Da alle Zeitkonstanten positiv sind, gilt dies auch für a1 und a3. Prüft man dieBedingung H2 > 0 so führt dies nach einigen Umformungen auf die Stabilitätsbe-dingung

V < (T1 + T2 + T3)(1

T1+

1

T2+

1

T3) − 1.

Page 139: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

132 4. Dynamisches Verhalten von Messsystemen

Setzt man die Zahlenwerte ein, so ist der geschlossene Kreis stabil für

V < 128.9.

Für die praktische Anwendung wird man V um einiges kleiner wählen, will manstarke Einschwingvorgänge vermeiden. Dies ist ein Kompromiss mit der stationärenGenauigkeit, die nur für große V erreicht wird.

PI-Regler: Setzt man einen PI-Regler ein, so kann die größte Zeitkonstante desMesssystems T1 = 0.53[sec] kompensiert werden. Die Übertragungsfunktion desPI-Reglers lautet dann

GR(s) = V1 + T1s

s.

Damit wird die Übertragungsfunktion des geschlossenen Kreises

Gges,PI(s) =V

V + s(1 + T2s)(1 + T3s).

Die Stabilitätsuntersuchung erfolgt ebenfalls mit den Hurwitzkriterium. Man erhältals Stabilitätsbedingung

V <1

T2+

1

T3= 218.2 = VG.

Man erkennt bereits, dass V im Vergleich zum P-Regler viel größer gewählt werdenkann. In der Praxis sind allerdings nur Werte

V = 0.05VG bis V = 0.1VG

für ein brauchbares Einschwingverhalten sinnvoll. Abbildung 4.24 zeigt die Sprun-gantworten für V = 60 bei Einsatz eines P-Reglers und V = 20 beim PI-Reglers.Zum Vergleich ist auch die Sprungantwort des kompensierten und unkompensiertenSystems nach Abschn. 4.4.1 ohne Rückkopplung dargestellt.

Man erkennt dass die Kompensation sehr gute Resultate liefert. Sie ist allerdingsempfindlich gegenüber Schwankungen von T1. Der PI-Regler zeigt ein schnelleresAnstiegsverhalten bei nur geringem Überschwingen und er ist stationär genau. DerP-Regler zeigt starke Schwingungsneigung. Trotz der großen Verstärkung ist derRegler stationär ungenau.

Page 140: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

4.4 Strukturänderung zur Optimierung des Zeitverhaltens 133

0 0.5 1 1.50

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

1.6

Spr

unga

ntw

ort h

(t)

Zeit t[sek]

P−Regler

PI−Regler

Kompensiert

Unkompensiert

Abbildung 4.24. Einschwingverhalten bei verschiedenen Regelkreisen

Page 141: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5. Zufällige Messfehler

Messfehler lassen sich aufgrund von Versuchen in systematische und zufällige Feh-ler einteilen. Erhält man bei wiederholten Versuchen das gleiche Ergebnis, sprichtman von systematischen, bei voneinander im Betrag und Vorzeichen abweichendenErgebnissen dagegen von zufälligen Fehlern. Die Fehler einer Messreihe könnenabhängig vom Standpunkt des Beobachters oder von Versuchsbedingungen zu denzufälligen oder zu den systematischen Fehlern zählen. Dies macht man sich am be-sten an einem Beispiel klar.

Beispiel 5.1 Zufällige Fehler durch ungenaue ModellkenntnisEin Spannungsmesser werde an ein Spannungsnormal angeschlossen, und im La-boratorium über den Tag verteilt mehrere Messungen durchgeführt. Die Fehler derMessungen unterscheiden sich im Betrag und im Vorzeichen. Sie sind also den zu-fälligen Fehlern zuzurechnen. Eine eingehende Untersuchung lässt vermuten, dassein Zusammenhang mit Temperaturänderungen besteht. Die Versuche werden imTemperaturschrank mit einstellbaren Temperaturen wiederholt, ebenso werden dieMessungen im Laboratorium bei gleichzeitiger Registrierung der Temperatur nocheinmal durchgeführt. Es zeigt sich, dass die Fehler eindeutig von der Raumtempe-ratur abhängen. Es sind jetzt systematische Fehler.

Das Beispiel lässt etwas Grundsätzliches erkennen. Mit verfeinerten Versuchsbe-dingungen und besserer Systemkenntnis werden immer mehr zufällige Fehler zusystematischen. Das Standardbeispiel der Wahrscheinlichkeitsrechnung für ein zu-fälliges Ereignis, das Würfeln, braucht grundsätzlich kein zufälliges Ereignis zusein. Ist die Geschwindigkeit, die Richtung, der Drehimpuls des Würfels beim Wurfbekannt, ließe sich das Ergebnis eigentlich nach den analytischen Gesetzen der Me-chanik berechnen. Nach den Erkenntnissen der Chaostheorie führen allerdings win-zige Abweichungen in den Anfangsbedingungen bereits zu völlig unterschiedlichenSystemzuständen, so dass die abweichenden Ergebnisse doch als zufällige Fehlergedeutet werden. Diese Art der Fehler kann mit den Methoden der Wahrscheinlich-keitsrechnung und der Statistik näher untersucht werden.

Page 142: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

136 5. Zufällige Messfehler

5.1 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie

In diesem Abschnitt sollen kurz die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie wie-derholt werden. Für eine eingehende Darstellung sei auf die zahlreichen Lehrbücherzur Wahrscheinlichkeitstheorie verwiesen [18, 37, 25, 30, 14]. Für die Beschreibungvon zufälligen Ereignissen ist die Einführung einer Zufallsvariablen (ZV) x hilf-reich. Mit ihr ordnet man der Ereignismenge eines Zufallsexperiments reellwertigeZahlen zu.

Definition 5.1 ZufallsvariableJede auf der Ereignismenge eines Zufallsexperimentes definierte reelle Funktionwird als Zufallsvariable bezeichnet. Ist x das Symbol einer Zufallsvariablen, so be-zeichnet man die reelle Zahl, die dem Ereignis e durch x zugeordnet wird, mit x(e).

Es gibt diskrete Zufallsvariable, die bei Zufallsexperimenten mit abzählbaren Ereig-nissen auftreten (z. B. Werfen einer Münze). Kontinuierliche Zufallsvariable sindimmer mit Experimenten verbunden, bei denen die Ereignisse nicht abzählbar sind.Dies ist in der Messtechnik der häufigste Fall.

Beispiel 5.2 Diskrete ZufallsvariableIn einem Würfelexperiment wird ein Würfel zweimal geworfen. Die Zufallsvariablex bezeichne die Summe der Augenzahlen:

x(e1, e2) = e1 + e2 für e1, e2 = 1, 2, . . . , 6.

x ist also eine diskrete Zufallsvariable, die die Werte 2, 3, . . . , 12 annehmen kann.

Beispiel 5.3 Kontinuierliche Zufallsvariable Eine Spannungsquelle mit einerNennspannung U0 = 5V wird vermessen. Die gemessenen Werte schwanken zu-fällig in einem Bereich von 4.9V ≤ U ≤ 5.1V . Die Zufallsvariable x sei die Ab-weichung zur Nennspannung U − U0. Die Zufallsvariable x ist kontinuierlich undkann alle Werte zwischen −0.1V ≤ x ≤ 0.1V annehmen.

In den folgenden Abschnitten beschäftigen wir uns, wenn nicht anders angegeben,mit kontinuierlichen Zufallsvariablen.

5.1.1 Wahrscheinlichkeitsdichte

Definition 5.2 WahrscheinlichkeitsverteilungDie Wahrscheinlichkeitsverteilung

Fx(x) = Px ≤ x

einer Zufallsvariablen x gibt die Wahrscheinlichkeit P an, mit der der Funktions-wert von x kleiner oder höchstens gleich x ist.

Page 143: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.1 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie 137

Die Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzt die folgenden wichtigen Eigenschaften:

1. Fx(−∞) = 0.

2. Fx(∞) = 1.

3. Fx(x) nimmt mit wachsendem x nirgends ab.

Definition 5.3 WahrscheinlichkeitsdichteDie Wahrscheinlichkeitsdichte einer Zufallsvariablen x ist

fx(x) =dFx(x)

dx.

Die Wahrscheinlichkeitsdichte besitzt folgenden Eigenschaften:

1. fx(x) ≥ 0.

2.∞∫

−∞fx(x) dx = 1.

3.b∫a

fx(x) dx = Pa < x < b.

Der Einfachheit halber wird oft der Index der Zufallsvariablen weggelassen, wenndies zu keinen Verwechslungen führt:

fx(x) = f(x) bzw. Fx(x) = F (x).

Definiert man über derselben Ereignismenge mehrere Zufallsvariable, so kann manfür diese gemeinsame Verteilungen und Dichten angeben. Die Darstellung soll aufden häufigen Fall von zwei Zufallsvariablen x, y beschränkt werden. Eine Verallge-meinerung ist jedoch leicht möglich.

Definition 5.4 Gemeinsame WahrscheinlichkeitsverteilungDie Wahrscheinlichkeitsverteilung

Fxy(x, y) = Px ≤ x ∩ y ≤ y

zweier Zufallsvariablen x, y gibt die Wahrscheinlichkeit P an, mit der der Funk-tionswert von x kleiner oder höchstens gleich x ist und der Funktionswert von y

kleiner oder höchstens gleich y ist.

Definition 5.5 Gemeinsame WahrscheinlichkeitsdichteDie Wahrscheinlichkeitsdichte zweier Zufallsvariablen x, y ist

fxy(x, y) =∂2 Fxy(x, y)

∂x ∂y.

Page 144: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

138 5. Zufällige Messfehler

Die Kurzschreibweise lautet hier analog

fxy(x, y) = f(x, y) bzw. Fxy(x, y) = F (x, y).

Aus der gemeinsamen Dichte kann die gemeinsame Verteilung durch Integrationberechnet werden:

Fxy(x, y) =

x∫−∞

y∫−∞

fxy(u, v) du dv.

Aus der gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsdichte lässt sich ebenfalls die Wahr-scheinlichkeitsdichte einer einzelnen Zufallsvariablen, genannt Randdichte berech-nen.

Definition 5.6 RanddichteIst die Wahrscheinlichkeitsdichte fxy(x, y) zweier Zufallsvariablen x, y gegeben, soberechnen sich die Randdichten der einzelnen Zufallsvariablen zu

fx(x) =

∞∫−∞

fxy(x, y) dy,

fy(y) =

∞∫−∞

fxy(x, y) dx.

Der umgekehrte Weg ist im allgemeinen nicht möglich. Nur wenn x und y statistischunabhängig sind, lässt sich aus den Randdichten die gemeinsame Wahrscheinlich-keitsdichte berechnen.

Definition 5.7 Statistische UnabhängigkeitZwei Zufallsvariable x und y sind statistisch unabhängig, wenn gilt:

Fxy(x, y) = Fx(x) · Fy(y) bzw.

fxy(x, y) = fx(x) · fy(y).

Statistische Unabhängigkeit ist eine Eigenschaft, die experimentell höchstens nä-herungsweise nachgewiesen werden kann. Bei der Formulierung eines Modells fürein Messsystem kann sie meist nur als Voraussetzung angenommen werden. Dergroße Vorteil der statistischen Unabhängigkeit liegt in der wesentlich vereinfachtenModellanalyse. Hilfreich ist auch die Definition einer bedingten Wahrscheinlich-keitsdichte, die nach dem Theorem von Bayes bestimmt werden kann.

Page 145: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.1 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie 139

Definition 5.8 Bedingte WahrscheinlichkeitsdichteDie bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte

fx(x|y) =fxy(x, y)

fy(y)

ist die Wahrscheinlichkeitsdichte der Zufallsvariablen x unter der Bedingung, dassdas Ereignis y = y eingetreten ist.

Sind x und y statistisch unabhängig, so hängt das Auftreten von x = x in keinerWeise von der Bedingung y = y ab. Die bedingte Wahrscheinlichkeit wird dann

fx(x|y) = fx(x).

5.1.2 Wahrscheinlichkeitsdichten abgebildeter Größen

Eine Zufallsvariable x kann durch die Funktion g(x) auf eine andere Zufallsvariableabgebildet werden. Dabei interessiert man sich für die Wahrscheinlichkeitsdichteder neuen Zufallsvariablen. Die Berechnung erfolgt nach folgendem Satz:

Satz 5.1 Wahrscheinlichkeitsdichten transformierter VariablenWird eine Zufallsvariable x mit der Wahrscheinlichkeitsdichte fx(x) durch eineFunktion

y = g(x)

in eine neue Zufallsvariable transformiert, und existiert eine Umkehrfunktion mit nLösungen

xi = g−1(y), i = 1 . . . n,

so gilt für die Wahrscheinlichkeitsdichte von y

fy(y) =

n∑i=1

fx(xi)

∣∣∣∣dg(x)

dx

∣∣∣∣−1

x=xi

. (5.1)

Beweis: Wir beschränken uns hier auf eine graphische Herleitung. Der Beweis kannausführlich in [37] nachgelesen werden. Aus Abb. 5.1 entnehmen wir für die Wahr-scheinlichkeit im Intervall [y ≤ y ≤ y + dy]

fy(y)dy = fx(x1)dx1 + fx(x2)|dx2| + . . . .

Mit

dxi =dy

g′(xi)

folgt sofort die Behauptung (5.1).

Page 146: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

140 5. Zufällige Messfehler

y (x)=g

yy dy+

x1 x dx1 1+ xx dx2 2- x2

fx(x)

Abbildung 5.1. Zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsdichte

5.1.3 Erwartungswerte 1. Ordnung

Eine fundamentale Operation in der Behandlung zufälliger Größen ist die Bildungdes Mittelwerts oder der Varianz. Allgemein kann man einen Erwartungswert-Ope-rator Eg(x) definieren.

Definition 5.9 ErwartungswertDer Erwartungswert einer Zufallsgröße mit der Wahrscheinlichkeitsdichte fx(x) ist

Eg(x) =

∞∫−∞

g(x) · fx(x) dx.

Der Erwartungswert ist ein linearer Operator mit den folgenden Rechenregeln:

1. Ea g(x) = a · Eg(x)2. Eg(x) + h(x) = Eg(x) + Eh(x).

Setzt man für die Funktion g(x) Potenzen xn so erhält man

Definition 5.10 MomentDas n-te Moment einer Zufallsvariablen x ist definiert zu

µx,n = Exn =

∞∫−∞

xn fx(x) dx.

Das erste Moment µx ist der Mittelwert oder auch Schwerpunkt von x.

Definition 5.11 Zentrales MomentDas n-te zentrale Moment einer Zufallsvariablen x ist definiert zu

E(x− Ex)n =

∞∫−∞

(x − Ex)n fx(x) dx.

Page 147: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.1 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie 141

Das zweite zentrale Moment ist die Varianz σ2x. Die Größe σx wird auch als Stan-

dardabweichung bezeichnet.

x1

x2

σ12

σ22

x x1 12

( )−

x1 x2

x x2 22

( )−

f x( )2

f x( )1

f x( )

x

x

x

Abbildung 5.2. Mittelwert und Varianz von zwei stochastischen Variablen x1 und x2

Der Begriff Schwerpunkt gibt einen anschaulichen Begriff, wo sich die Größe imMittel finden wird, die Varianz gibt einen Anhalt über die Breite der Dichte(Abb. 5.2). Die schraffierten Flächen stellen die Varianzen der Variablen x1 undx2 dar.

5.1.4 Erwartungswerte 2. Ordnung

Der Erwartungswert-Operator lässt sich auch auf das Produkt mehrerer Zufallsva-riablen anwenden. Allgemein kann man auch hier Funktionen der Zufallsgrößen,insbesondere deren Potenzen zulassen.

Definition 5.12 Gemeinsames MomentDas gemeinsame Moment zweier Zufallsvariablen ist definiert zu

µxy,kn = Exkyn =

∞∫−∞

∞∫−∞

xkyn fxy(x, y) dx dy.

Wir beschränken uns in der Anwendung auf das einfache Produkt n = k = 1. Hier-bei verwendet man meist das erste zentrale Moment 2. Ordnung, genannt Kovarianz.

Page 148: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

142 5. Zufällige Messfehler

Definition 5.13 Kovarianz

Cxy = E(x− µx)(y − µy) =

∞∫−∞

∞∫−∞

(x − µx)(y − µy) fxy(x, y) dx dy.

Die Kovarianz bzw. das erste gemeinsame Moment sagen etwas über die Korrelati-on, also die statistische Abhängigkeit zweier Zufallsgrößen aus. Es gilt insbesondere

Definition 5.14 Unkorrelierte GrößenZwei Zufallsvariable x und y sind unkorreliert, wenn für sie

Exy = Ex · Ey bzw

Cxy = 0

gilt. Insbesondere gilt für zwei Zufallsvariable xi und xj

Cxixj= σ2

xδij =

0 i = j,σ2

x i = j.

Die Statistische Unabhängigkeit schließt immer Unkorreliertheit ein. Die Umkeh-rung gilt nur im Fall, dass beide Zufallsvariable normalverteilt sind, da hier die hö-heren Momente nur vom 1. und 2. Moment abhängig sind. In allen anderen Fällenkönnen zwei Zufallsvariable zwar unkorreliert, aber statistisch abhängig sein.

5.1.5 Korrelationskoeffizient

Die Kovarianz Cxy sagt zwar etwas über die Abhängigkeit statistischer Größen aus,ist allerdings als Vergleichsmaß nicht geeignet. Man führt daher einen Korrelations-koeffizient als Maß für die Korreliertheit zweier stochastischer Größen ein.

Definition 5.15 KorrelationskoeffizientDer Korrelationskoeffizient rxy zwischen den Größen x und y ist definiert zu

rxy =Cxy

σxσy=

E(x− µx)(y− µy)√E(x− µx)2E(y− µy)2

.

Der Wertebereich erstreckt sich auf

−1 ≤ rxy ≤ 1,

wobei rxy bei starrer Bindung von x und y den Wert ±1 und bei unkorreliertenGrößen den Wert 0 annimmt.

Page 149: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.1 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie 143

Beweis: Für den Beweis ist es hilfreich, die Zufallsgrößen x und y als verallgemei-nerte Vektoren zu interpretieren. Für Sie gilt das Innenprodukt

〈x|y〉 = E(x− µx)(y − µy)

und die Norm

‖x‖ =√〈x|x〉 =

√E(x− µx)2.

Wendet man darauf die Schwarzsche Ungleichung

|〈x|y〉| ≤ ‖x‖ · ‖y‖

an, so kann man die Kovarianzfunktion abschätzen:

|E(x− µx)(y− µy)| ≤√

E(x− µx)2√

E(y− µy)2, (5.2)

|Cxy| ≤ σx · σy. (5.3)

Mit dem Korrelationskoeffizienten rxy gilt gerade das Gleichheitszeichen,

Cxy = rxy · σx σy mit |rxy| ≤ 1.

1. Starre Bindung zwischen den Größen:

y = ±(kx + a).

Der Korrelationskoeffizient ist dann

rxy =E(x− µx) · k · (x− µx)√

E(x− µx)2 · k2 · E(x− µx)2 = ±1.

Für die Kovarianz gilt in diesem Fall

Cxy = σx · σy . (5.4)

2. Unkorrelierte oder statistisch unabhängige Größen:

Cxy = 0 ⇒ rxy = 0.

Beispiel 5.4 Korrelation von MesswertenIn Tabelle. 5.1 ist eine Messreihe von 12 Wertepaaren xi, yi dargestellt. Es soll derKorrelationskoeffizient zwischen den Größen x und y berechnet werden. Da nur ein-zelne Messwerte vorliegen, müssen die statistischen Kennwerte gemäß Abschn. 5.2geschätzt werden. Die Stichprobenmittelwerte sind

x =1

n

n∑i=1

xi = 5.14, y =1

n

n∑i=1

yi = 2.57.

Page 150: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

144 5. Zufällige Messfehler

Die Kovarianz ist

Cxy ≈ 1

n − 1

n∑i=1

(xi − x)(yi − y) = 4.8

und die Standardabweichungen

σx ≈√√√√ 1

n − 1

n∑i=1

(xi − x)2 = 3.08, σy ≈√√√√ 1

n − 1

n∑i=1

(yi − y)2 = 1.56.

Daraus berechnet sich der Korrelationskoeffizient zu

rxy =Cxy

σxσy= 0.997.

Die Wertepaare sind stark voneinander abhängig, was auch aus der graphischenDarstellung (Abb. 5.3) ersichtlich ist.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

1

2

3

4

5

y

x

Abbildung 5.3. Messwertreihe

Ein hoher Korrelationskoeffizient rxy sagt lediglich etwas über die statistische Ab-hängigkeit der Größen x und y aus. Einen kausalen Zusammenhang kann man dar-aus allerdings nicht ableiten, was folgendes Beispiel verdeutlichen soll.

Tabelle 5.1. Messwertreihe

xi 0.8 1.3 2.1 2.8 3.4 4.9 5.5 6.6 7.2 8.1 9.4 9.6

yi 0.3 0.75 1.15 1.2 1.8 2.35 2.65 3.5 3.5 4.15 4.6 4.9

Page 151: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.1 Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie 145

Beispiel 5.5 Korrelation und kausaler ZusammenhangZwischen der Anzahl der Geburten pro Monat und der Zahl der sich niedergelas-senen Störche im gleichen Monat bestehe über das ganze Jahr eine statistische Ab-hängigkeit. Der Korrelationskoeffizient liege z.B. zwischen 0.5 ≤ r ≤ 1. Dann darfdaraus nicht der kausale Zusammenhang geschlossen werden, die Störche seien derGrund für die Geburten.

5.1.6 Charakteristische Funktion

Die charakteristische Funktion Φx(f) einer Wahrscheinlichkeitsdichte fx(x) ist dieFourier-Transformierte

Φx(f) = Ee−j2πfx =

∞∫−∞

fx(x)e−j2πfxdx. (5.5)

In einigen Büchern ist die charakteristische Funktion abweichend als inverse Fou-riertransformierte der Dichte definiert. Dies bringt aber bei der Beschreibung derQuantisierung in Abschn. 7.2 Widersprüche, weshalb die Definition in Gl.(5.5) be-vorzugt wurde. Allgemein gilt

Φx(0) = 1, |Φx(f)| ≤ 1.

Für die charakteristische Funktion gibt es zwei wichtige Anwendungsbereiche:

Momente: Wahrscheinlichkeitsdichten können näherungsweise durch die Angabeweniger Momente beschrieben werden. Die Momente können leicht aus dercharakteristischen Funktion gewonnen werden. Das k–te Moment einer Zufalls-variablen x ist definiert zu

µx,k = Exk =

∞∫−∞

xkfx(x)dx =1

(−j2π)k

dkΦx(f)

dfk

∣∣∣∣f=0

. (5.6)

Addition: Werden unabhängige Zufallsvariable xi addiert, erhält man die Dich-te der Summe x durch Faltung der einzelnen Wahrscheinlichkeitsdichten. DieFaltung entspricht einer Multiplikation im Frequenzbereich, so dass man für diecharakteristische Funktion eines Summensignals folgenden Ausdruck erhält:

Φx(f) =

n∏i=1

Φxi(f). (5.7)

Page 152: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

146 5. Zufällige Messfehler

5.2 Stichproben

In der Praxis sind die Größen aus der Wahrscheinlichkeitstheorie meist nicht be-kannt. Vor allem die Wahrscheinlichkeitsdichte f(x), aus der sich die Kenngrößenwie Mittelwert µx und Varianz σ2

x berechnen lassen, ist nicht gegeben. Man musssich daher mit einer Stichprobe behelfen. Eine Stichprobe ist ein Zufallsexperiment,bei dem xi, i = 1, . . . , n, Messwerte aus einer Grundgesamtheit zur weiteren sta-tistischen Analyse herangezogen werden. Mit den Werten xi versucht man, Schätz-werte für die zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsdichte, den Mittelwert und dieVarianz der Grundgesamtheit zu ermitteln.

5.2.1 Häufigkeitsverteilung

Zur Bestimmung der Streuung der Messwerte kann ein Histogramm bzw. eine Häu-figkeitsverteilung [25] dienen. Die Häufigkeitsverteilung gibt außerdem einen Hin-weis auf die zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsdichte f(x). Für ein Histogrammordnet man die Messwerte nicht nach ihrer zeitlichen Reihenfolge, sondern in Grö-ßenklassen

ν · ∆x ≤ xi ≤ (ν + 1)∆x

mit der Klassenbreite ∆x an. Von den n Versuchsergebnissen werden diejenigen nν

in die Klasse ν eingetragen, deren Werte xi in diesem Bereich liegen. Die relativeHäufigkeit nν/n der Messwerte in der Klasse ν ergibt –bezogen auf die Klassenbreite∆x –die Häufigkeitsverteilung

hν =nν

n · ∆x, (5.8)

die dadurch von der Klassenbreite unabhängig wird. Die Gesamtzahl aller Messwer-te ist

n =

m∑ν=1

nν .

Der in Klassen eingeteilte Bereich von x sollte alle Messwerte umfassen. Die Klas-senbreite ∆x ist so zu wählen, dass der Polygonzug durch die Klassenmitte eineeinigermaßen glatte Kurve gibt (Abb. 5.4). Für jedes Histogramm ist die Fläche Azwischen Kurve und Abszisse A = 1. Es gilt für die Treppenkurve, die flächengleichmit dem Polygonzug ist:

A =

m∑ν=1

hν∆x =

m∑ν=1

n · ∆x∆x =

1

n

m∑ν=1

nν = 1.

Sind dem Signal keine Schwankungen überlagert, fallen bei unserem Versuch al-le Messwerte in die eine Klasse, die den Mittelwert x enthält. Bei beträchtlichenStreuungen der Messwerte wird das Histogramm breit und flach. Die Breite desHistogramms ist also ein Maß für die Streubreite.

Page 153: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.2 Stichproben 147

Polygon durch

Klassenmitte

Häufigkeitsverteilung h

Meßgröße x

∆x

x

h

ν∆ x ν ∆ x( )+1

hn x

νν=

⋅ ∆n

Abbildung 5.4. Beispiel für ein Histogramm

5.2.2 Stichprobenmittelwert

Ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Prozesses nicht bekannt, so kann derMittelwert nicht nach Def. 5.10 berechnet werden. In der Praxis wird man vielmehreine begrenzte Anzahl von Messwerten haben. Aus ihnen kann man einen Stichpro-benmittelwert berechnen.

Definition 5.16 StichprobenmittelwertDer Stichprobenmittelwert aus n Werten xi berechnet sich zu

x =1

n

n∑i=1

xi.

Der Stichprobenmittelwert x ist eine Schätzung des wahren Mittelwertes µx undselbst wieder eine stochastische Größe. Dabei stellt sich die Frage, wie gut dieseSchätzung eigentlich ist. Ein Schätzwert wird allgemein mit einem Dach (^) ge-kennzeichnet. Hierbei interessieren zwei Forderungen.

Erwartungstreue: Eine Schätzung y nennt man erwartungstreu, wenn bei wieder-holten Stichproben der wahre Wert y im Mittel richtig geschätzt wird,

Ey = µy.

Konsistenz: Eine Schätzung y ist konsistent, wenn mit wachsendem Stichproben-umfang n der wahre Wert y mit Sicherheit ermittelt wird,

limn→∞

yn = µy, limn→∞

σy = 0.

Page 154: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

148 5. Zufällige Messfehler

Die beiden Eigenschaften werden nun für den Stichprobenmittelwert untersucht.Der Erwartungswert ist

Ex = E

1

n

n∑i=1

xi

=

1

n

n∑i=1

Exi︸ ︷︷ ︸µx

=1

nnµx = µx. (5.9)

Der Erwartungswert des Stichprobenmittelwertes x ist gerade der wahre Mittelwertµx. Die Schätzung x von µx ist erwartungstreu. Die Varianz des Stichprobenmittel-wertes ist

σ2x = E

(x − µx)2

= E

⎧⎨⎩[(

1

n

n∑i=1

xi

)− µx

]2⎫⎬⎭ = E

⎧⎨⎩[

1

n

n∑i=1

(xi − µx)

]2⎫⎬⎭

=1

n2

n∑i=1

n∑j=1

E (xi − µx)(xj − µx) (5.10)

=1

n2

n∑i=1

n∑j=1

Cxixj.

Für die Kovarianz lassen sich wieder die beiden Extremfälle in der Messwertstatistikunterscheiden.

1. Starre Bindung zwischen xi und xj :Für gleiche Varianzen von xi und xj gilt nach Gl.(5.4)

Cxixj= σxi

σxj= σ2

x.

Damit erhält man

σ2x =

1

n2n2σ2

x ⇒ σ2x = σ2

x. (5.11)

Bei starrer Bindung der Messwerte ist die Varianz des Stichprobenmittelwertesgleich der Varianz der Messwerte. Die vielen Messwerte enthalten nicht mehrInformation als ein einziger Messwert.

2. Statistisch unabhängige Messwerte xi und xj für i = j:Es gilt nach Def. 5.14

Cxixj= σ2

xδij =

0 i = j,σ2

x i = j.

Die Varianz des Stichprobenmittelwertes wird damit

σ2x =

1

n2

n∑i=1

n∑j=1

σ2xδij =

1

n2

n∑i=1

σ2x ⇒ σ2

x =σ2

x

n. (5.12)

Page 155: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.2 Stichproben 149

Für statistisch unabhängige Messgrößen nimmt die Varianz des Stichproben-mittelwertes σ2

x mit wachsendem Stichprobenumfang n gegen Null ab. DerStichprobenmittelwert x geht dann gegen den wahren Mittelwert µx. Die Schät-zung ist konsistent.

5.2.3 Stichprobenvarianz

Bei den meisten messtechnischen Aufgaben ist die Wahrscheinlichkeitsdichte f(x)nicht bekannt. Es liegen lediglich die aktuellen Messwerte xi und der Stichproben-mittelwert x vor. Die unbekannte Varianz σ2

x wird durch die Stichprobenvarianzgeschätzt.

Definition 5.17 StichprobenvarianzDie Stichprobenvarianz ist definiert als

S2x =

1

n − 1

n∑i=1

(xi − x)2 =1

n − 1

n∑i=1

x2i −

n

n − 1x2.

Sx wird Standardabweichung der Stichprobe genannt.

Im folgenden soll der Zusammenhang zwischen der Stichprobenvarianz S2x und der

Varianz σ2x aus der Verteilung betrachtet werden. Die Stichprobenvarianz selbst ist

wieder eine stochastische Größe. Der Erwartungswert der Stichprobenvarianz ist

ES2

x

= E

1

n − 1

n∑i=1

(xi − x)2

=1

n − 1E

n∑

i=1

((xi − µx) − (x − µx))2

=1

n − 1E

n∑

i=1

(xi − µx)2 − 2n∑

i=1

(xi − µx)(x − µx) +

+ n (x − µx)2

.

Formt man den Stichprobenmittelwert nach Def. 5.16 um zu

n(x − µx) =

n∑i=1

(xi − µx)

und setzt dies in die obige Geichung ein, so erhält man

Page 156: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

150 5. Zufällige Messfehler

ES2

x

=

1

n − 1

⎡⎢⎢⎢⎣n∑

i=1

E(xi − µx)

2

︸ ︷︷ ︸σ2

x

− 2n E(x − µx)

2

︸ ︷︷ ︸σ2

x

+

+ n E

(x − µx)2

︸ ︷︷ ︸σ2

x

⎤⎥⎥⎥⎦ .

Mit Gl.(5.10) erhält man schließlich den Erwartungswert der Stichprobenvarianz

ES2

x

=

n

n − 1(σ2

x − σ2x). (5.13)

Man kann wieder die beiden Extremfälle in der Messwertstatistik unterscheiden.

1. Starre Bindung zwischen xi und xj :Nach Gl.(5.11) gilt σ2

x = σ2x und damit

ES2

x

= 0. (5.14)

Der Erwartungswert der Stichprobenvarianz ist bei starrer Bindung der Mess-werte Null. Das liegt daran, dass der Stichprobenmittelwert x bei starrer Bin-dung der Messwerte die gleiche Varianz wie die Messwerte selbst aufweist.

2. Statistisch unabhängige Messwerte xi und xj für i = j:Nach Gl.(5.12) gilt σ2

x = σ2x/n und damit

ES2

x

=

n

n − 1σ2

x

(1 − 1

n

)⇒ E

S2

x

= σ2

x. (5.15)

Für statistisch unabhängige Messwerte ist die Stichprobenvarianz S2x eine er-

wartungstreue Schätzung für die Varianz σ2x aus der Wahrscheinlichkeitsvertei-

lung.

Damit die Schätzung die Eigenschaft der Erwartungstreue besitzt, wurde die Stich-probenvarianz mit dem Faktor 1/(n− 1) anstelle von 1/n definiert. Bei Einzelmes-sungen (n = 1) kann man keine Stichprobenvarianz bestimmen. Bei der Messungabhängiger Werte ist die Stichprobenvarianz S2

x kleiner oder höchstens gleich derVarianz der Wahrscheinlichkeitsverteilung σ2

x.

Beispiel 5.6 Abweichung der StichprobenvarianzEin Messgerät zeige im Prüffeld eine sehr geringe Stichprobenvarianz. Bei Einsatzin der eigentlichen verfahrenstechnischen Anlage liege dagegen die Stichprobenva-rianz deutlich höher. Dies kann als Indiz für einen stochastischen Fehler gewertet

Page 157: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.2 Stichproben 151

werden, der nur in der Anlage und nicht im Prüffeld auftritt. Die Messwerte im Prüf-feld sind dann weniger voneinander unabhängig als die Messwerte in der verfah-renstechnischen Anlage. Die im Prüffeld ermittelte Stichprobenvarianz S2

x schätztdie Varianz σ2

x der Messwerte im Prozess zu klein.

Manchmal werden auch die 3. und 4. Momente betrachtet. Die Schiefe ist ein Maßfür die Abweichung der Messwerte-Verteilung von der Symmetrie. Sie ist auf diedritte Potenz der Standardabweichung bezogen. Die Schiefe der Normalverteilungist Null,

=1

S3x

·(

1

n

n∑i=1

(xi − x)3

). (5.16)

Der Exzess ε ist ein Maß für die von der Normalverteilung abweichende Formder Messwerte-Verteilung. Die Werte sind auf die vierte Potenz der Standardab-weichung bzw. der Streuung bezogen:

ε =1

S4x

(1

n

n∑i=1

(xi − x)4

)− 1

σ4

∞∫−∞

(x − µx)4 1√

2πσe−

(x−µx)2

2σ2 dx

︸ ︷︷ ︸=3

. (5.17)

x

ε < 0

ε > 0

N xε = 0 : ( )

f x( )

µx

Abbildung 5.5. Beurteilung von Messwerte-Verteilungen

5.2.4 Gesetz der großen Zahlen

Die Wahrscheinlichkeitsdichten können in wenigen Einzelfällen aus den Versuchs-bedingungen hergeleitet werden. Öfter kann zumindest aus dem Histogramm der

Page 158: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

152 5. Zufällige Messfehler

Typ der Verteilung angegeben werden. Die für die Verteilung wichtigen Parametermüssen dann aus Stichproben experimentell bestimmt werden. Die Ergebnisse derWahrscheinlichkeitsrechnung, hergeleitet mit Hilfe der Mengen- und Maßtheorie,gelten streng. Die Verbindung dieser Theorie zu Messergebnissen aus Stichprobengeschieht über verschiedene Grenzwertsätze, z.B. über das Bernoullische Gesetz dergroßen Zahlen [30, 10] Es sei x eine Zufallsvariable mit der Wahrscheinlichkeits-dichte f(x). Die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis |x− µx| ≥ ε ist

P|x− µx| ≥ ε =

µx−ε∫−∞

f(x) dx +

∞∫µx+ε

f(x) dx.

Mit |x− µx| ≥ ε ist

(x − µx)2

ε2≥ 1 ,

so dass man damit die Wahrscheinlichkeit

P|x− µx| ≥ ε ≤µx−ε∫−∞

(x − µx)2

ε2f(x) dx +

∞∫µx+ε

(x − µx)2

ε2f(x) dx

≤ 1

ε2

∞∫−∞

(x − µx)2f(x) dx =σ2

x

ε2(5.18)

abschätzen kann. Die obige Gleichung nennt man die Tschebyscheffsche Unglei-chung. Sie besagt, dass die Wahrscheinlichkeit P|x−µx| ≥ ε kleiner σ2

x/ε2 dafürist, dass eine Zufallsvariable x mindestens den Abstand ε vom Mittelwert µx besitzt.Dies kann man auf den Stichprobenmittelwert x anwenden:

P|x − µx| ≥ ε ≤ σ2x

ε2=

σ2x

n · ε2.

Mit wachsendem Stichprobenumfang n geht die WahrscheinlichkeitP|x − µx| ≥ ε gegen Null, dass die Schätzung x um mehr als die beliebig klei-ne Schranke ε vom wahren Mittelwert µx abweicht. Die Versuchsergebnisse ausgroßen Stichproben nähern sich den Ergebnissen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.Einen entsprechenden Zusammenhang kann man zwischen der Häufigkeitsvertei-lung einer Stichprobe h(x) und der Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) aufzeigen. Dazuwerden Indikatorvariablen Jνi betrachtet, welche die Werte

Jνi =

1 für ν∆x ≤ xi ≤ (ν + 1)∆x0 sonst

aufweisen. Die Ereignisse seien statistisch unabhängig. Die geschätzte Wahrschein-lichkeit für das Eintreffen des Ereignisses xi ist dann bei n Versuchen gerade derStichprobenmittelwert über die Indikatorvariablen Jνi

Page 159: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.2 Stichproben 153

∆xhν =1

n

n∑i=1

Jνi.

Der Erwartungswert ist gleich der Wahrscheinlichkeit f(xi)∆x,

E∆xhν = E

1

n

n∑i=1

Jνi

=

1

n

n∑i=1

EJνi︸ ︷︷ ︸f(xν)∆x

= f(xν)∆x.

Die Varianz der Häufigkeitsverteilung h(x) ist nach Gl.(5.10) und (5.12)

E(h(x) − f(x))2 =σ2

J

n.

Das Einsetzen in die Tschebyscheffsche Ungleichung (5.18) ergibt mit

P|h(x) − f(x)| ≥ ε ≤ 1

ε2E(h(x) − f(x))2 =

σ2J

nε2(5.19)

das Bernoullische Gesetz der großen Zahlen. Mit wachsendem Stichprobenumfangn geht die Häufigkeitsverteilung in die Wahrscheinlichkeitsdichte über.

5.2.5 Mittelwertbildung bei Störungen

Als Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie in der Messtechnik soll nun die Fil-terung von zufälligen Störungen betrachtet werden. Der Messgröße u sei eine zu-fällige Störung e überlagert. Der Anzeigewert ist dann für eine lineare Kennlinie

y = u + e.

Der Mittelwert der Störung sei Ee = µe. Es werden mehrere Messungen i =1, . . . , n durchgeführt und der Mittelwert gebildet. Die Erwartungswerte sind dann

µy = Ey = Eu + e = µu + µe.

Es können zwei Fälle unterschieden werden:

1. Die Störung ist mittelwertfrei:

Ee = µe = 0.

Im Mittelwert des Ausgangssignals µy ist lediglich der Mittelwert des Mess-signals µu enthalten. Das Störsignal e ist heraus gefiltert worden. Die Mittel-wertbildung ist deshalb die einfachste Methode zur Bestimmung des wahrenMesswertes, wenn dieser von mittelwertfreien, stochastischen Störungen über-lagert ist.

Page 160: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

154 5. Zufällige Messfehler

2. Die Störung habe einen endlichen Mittelwert:

Ee = µe = 0.

Der Mittelwert der Störung µe kann als deterministische, überlagerte Störungfest vom Ausgangssignal subtrahiert werden (systematischer Fehler):

y = y − µe = u + (e − µe).

Die restliche Störung e−µe in y ist dann wieder mittelwertfrei und es kann dererste Fall angewendet werden.

Bei linearen Messkennlinien werden also durch die Mittelwertbildung überlagertemittelwertfreie Störungen aus dem Ausgangssignal heraus gefiltert. Dies gilt nichtfür nichtlineare Messkennlinien oder für deformierende Störgrößen. In Abb. 5.6 istdas Eingangssignal u des Messsystems von einer mittelwertfreien Störung e überla-gert. Das Messsystem habe eine gekrümmte Kennlinie f(u) mit der EmpfindlichkeitS, die um den Arbeitspunkt u0 herum in eine Taylor-Reihe entwickelt wird:

y

u

e

+

u u u= +0 ∆ y y y= +0 ∆

f u( )

Abbildung 5.6. Störung bei nichtlinearer Kennlinie

∆y = S(u0)(∆u + e) ·[1 +

1

2

S′(u0)

S(u0)(∆u + e) + · · ·

].

Der Erwartungswert ist

µ∆y = E∆y = S(u0)

⎡⎢⎣E∆u︸ ︷︷ ︸µ∆u

+ Ee︸ ︷︷ ︸=0

⎤⎥⎦+

1

2S′(u0)

⎡⎢⎣E∆u2︸ ︷︷ ︸µ2

∆u+σ2

u

+ Ee2︸ ︷︷ ︸σ2

e

⎤⎥⎦ .

Der Mittelwert der Ausgangsgröße µ∆y weicht bei gekrümmter Kennlinie vom Mit-telwert der linearen Kennlinie µ∆u ab, obwohl die Störung e mittelwertfrei ist,

Page 161: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.3 Normalverteilte Zufallsvariable 155

µ∆y = S(u0) · µ∆u +1

2S′(u0) · (µ2

∆u + σ2u + σ2

e). (5.20)

Für mittelwertfreie Messgrößenabweichungen µ∆u = 0 erhält man

µ∆y =1

2S′(u0) · (σ2

u + σ2e).

Die Abweichung ist proportional zur Kennlinienkrümmung S′(u0) im Arbeitspunktund zur Summe der Varianzen von Eingangs- und Störsignal. Möchte man Störun-gen des Messsignals durch eine Mittelwertbildung heraus filtern, so muss zuvor dieMesskennlinie linearisiert werden.

5.3 Normalverteilte Zufallsvariable

In der praktischen Anwendung spielen normalverteilte Zufallsvariable eine großeRolle. So wird bei unbekannter Wahrscheinlichkeitsdichte in vielen Fällen eine Nor-malverteilung angenommen. Der Grund liegt im Zentralen Grenzwertsatz, der indiesem Abschnitt vorgestellt wird. Es werden nun einige wichtige Eigenschaftennormalverteilter Zufallsvariablen vorgestellt.

5.3.1 Normalverteilung

Gegeben sei eine Zufallsvariable x mit dem Mittelwert µx und der Varianz σ2x.

Definition 5.18 NormalverteilungEine Zufallsvariable x heißt normalverteilt (N(µx; σx)), wenn ihre Wahrscheinlich-keitsdichte

fx(x) =1

σx

√2π

e− (x − µx)2

2σ2x = N(µx; σx)

ist. Eine Normalverteilung mit Mittelwert µx = 0 und Varianz σ2x = 1 nennt man

Standardnormalverteilung

fx(x) =1√2π

e−x2

2 = N(0; 1). (5.21)

Die Momente der Normalverteilung lassen sich am einfachsten über die Charakte-ristische Funktion Gl.(5.5) berechnen. Für eine Normalverteilung gilt

Φx(f) = e−j2πf µx − 1

2(πfσx)2

.

Page 162: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

156 5. Zufällige Messfehler

Für den Mittelwert gilt

Ex =1

(−j2π)1dΦx(f)

df

∣∣∣∣f=0

= µx.

Das 2. Moment ist

Ex2 =1

(−j2π)2d2Φx(f)

df2

∣∣∣∣f=0

= σ2x + µ2

x.

Alle höheren Momente sind ebenfalls Funktionen von (µ; σ). Daher ist die Normal-verteilung alleine durch den Mittelwert µx und die Varianz σ2

x einer Zufallsvariablenx bestimmt.

Wichtig ist der Zusammenhang, dass jede lineare Transformation einer normalver-teilten Zufallsvariablen

y = ax + b, a, b ∈ IR,

wieder eine Normalverteilung ergibt. Mit der Transformation

y =x− µx

σx

kann daher eine Normalverteilung in eine Standardnormalverteilung überführt wer-den. Dies ist in der Praxis häufig nötig, da viele Statistikprogramme nur mit N(0; 1)arbeiten.

5.3.2 Zentraler Grenzwertsatz

In vielen technischen Systemen kann man sich zufällige Fehler e additiv aus einerReihe von unabhängigen zufälligen Ereignissen en mit unbekannten Wahrschein-lichkeitsdichten zusammengesetzt denken

e =N∑

n=1

en .

Die Wahrscheinlichkeitsdichte der Summe von unabhängigen Zufallsvariablen xn

kann allgemein über die Faltung der einzelnen Wahrscheinlichkeitsdichten berech-net werden:

fe(e) = fe1(e) ∗ fe2(e) ∗ . . . ∗ feN(e)

•|

Φe(f) =

N∏n=1

Φei(f).

Für die Wahrscheinlichkeitsdichte von e ist folgender Satz [37] von Bedeutung:

Page 163: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.3 Normalverteilte Zufallsvariable 157

Satz 5.2 Zentraler GrenzwertsatzHaben die Zufallsvariablen xn Verteilungen mit beschränktem zweiten und drittenMoment und sind die Zufallsvariablen xn voneinander unabhängig, dann nähertsich die Dichte fx(x) der Summe

x =

N∑n=1

xn

mit wachsendem Umfang N asymptotisch einer Normalverteilung an:

fx(x) =1√

2πσx

e−

(x − µx)2

2σ2x .

Die Parameter der Normalverteilung berechnen sich dabei wie folgt:

µx =1√N

N∑n=1

Exn, σ2x =

1

N

N∑n=1

σ2xn

.

Aus diesem Satz können einige wichtige Folgerungen getroffen werden, die die Be-deutung der Normalverteilung in der statistischen Qualitätskontrolle unterstreichen.

1. Betrachtet man den Wert eines Stichprobenelementes xn als Zufallsvariable xn

so folgt, dass der Stichprobenmittelwert x näherungsweise normalverteilt ist.

2. Entsteht ein zufälliger Messfehler durch die Überlagerung mehrerer Zufalls-ereignisse, so kann für den Fehler eine Normalverteilung angenommen werden.

Beispiel 5.7 Zentraler GrenzwertsatzGegeben sind vier Zufallsvariable xn mit Wahrscheinlichkeitsdichten nach Abb. 5.7.Berechnet man die Wahrscheinlichkeitsdichte der Summe mittels Faltung, so erhältman die Wahrscheinlichkeitsdichte in Abb. 5.8. Man erkennt, wie gering die Ab-weichung zur Normalverteilung nach dem zentralen Grenzwertsatz ist. Daher kannbei beliebig verteilten Zufallsvariablen in den meisten Fällen mit einer Normalver-teilung gerechnet werden.

5.3.3 χ2-Verteilung

Bei der Berechnung der Stichprobenvarianz S2x werden die Stichprobenwerte xi− x

quadriert und addiert. Führt man die Zufallsvariablen

xi = xi − x

ein, so erhält man mit yn = x21 + x2

2 + . . . x2n eine neue Zufallsvariable y, die bis

auf einen konstanten Faktor 1/(n − 1) gleich der Stichprobenvarianz S2x ist. Die

Wahrscheinlichkeitsdichte solcher Quadratsummen ist deshalb in der Statistik vonInteresse.

Page 164: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

158 5. Zufällige Messfehler

0 5 100

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

Exp−Verteilung

−10 0 100

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3Gleichverteilung

−10 0 100

0.05

0.1

0.15

0.2Normalverteilung

0 5 100

0.05

0.1

0.15

0.2χ2 Verteilung

Abbildung 5.7. Wahrscheinlichkeitsdichten einzelner Zufallsvariablen

−10 −5 0 5 10 150

0.02

0.04

0.06

0.08

0.1

Summenverteilung ——, Normalverteilung − − −

Abbildung 5.8. Wahrscheinlichkeitsdichte der Summe im Vergleich mit einer Normalvertei-lung

Satz 5.3 χ2-VerteilungSind n unabhängige Zufallsvariable xi mit N(0; 1)-Verteilung gegeben, so hat dieQuadratsumme

yn = x21 + x2

2 + . . . x2n

die folgende Wahrscheinlichkeitsdichte:

fyn(y = χ2) =

⎧⎨⎩1

Γ (n2 ) 2

n2

yn2 −1e−

y2 für χ2 ≥ 0,

0 für χ2 < 0.(5.22)

Diese Wahrscheinlichkeitsdichte wird χ2− Verteilung genannt. Dabei ist n ein Pa-rameter. Man sagt, die χ2-Verteilung hat n Freiheitsgrade.

Beweis: Der Beweis erfolgt durch vollständige Induktion. Zunächst wird die Wahr-scheinlichkeitsdichte für eine Zufallsvariable, d.h. y1 = x2

1 berechnet. Nach Satz 5.1benötigt man die Lösung der Umkehrfunktion

x1 = −x2 =√

y.

Page 165: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.3 Normalverteilte Zufallsvariable 159

Mit der Annahme einer Standardnormalverteilung der Stichprobe

fx1(x) =1√2π

e−x2

2

folgt für die Transformation

fy1(y) = fx1(x1)

∣∣∣∣dy(x)dx

∣∣∣∣−1

x=x1

+ fx1(x2)

∣∣∣∣dy(x)dx

∣∣∣∣−1

x=x2

= 2 · 1√2π

e−y2

2 |2√y|−1.

Damit erhält man

fy1(y) =fx1(x1 =

√y)√

y=

⎧⎨⎩1√2πy

e−y2 für y ≥ 0,

0 für y < 0.

Die charakteristische Funktion

Φy1(f) =1√2π

∞∫0

√y− 1

2 e−(1+j4πf) y2 dy

wird mit Γ (1/2) =√

π aufintegriert zu

Φy1(f) = (1 + j4πf)−1/2.

Für die Quadratsumme von n unabhängigen Zufallsvariablen erhalten wir die cha-rakteristische Funktion zur angenommenen Verteilung nach Gl.(5.22) zu

Φyn(f) =

1

Γ (n2 )2

n2

∞∫0

yn2 −1e−

y2−j2πfy dy.

Mit der Substitution u = (1/2 + j2πf)y erhält man

Φyn(f) = (1 + j4πf)−

n2

1

Γ (n2 )

∞∫0

un2 −1e−u du

︸ ︷︷ ︸Γ ( n

2 )

= (1 + j4πf)−n2 .

Für den Schluss von n auf n+1 wird verwendet, dass die charakteristische Funktioneiner Summe von unabhängigen Zufallsvariablen gleich dem Produkt der einzelnencharakteristischen Funktionen ist. Mit yn+1 = yn + y1 erhält man

Φyn+1(f) = Φyn(f) · Φy1(f) = (1 + j4πf)−

n+12 .

Page 166: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

160 5. Zufällige Messfehler

Dies ist aber genau die charakteristische Funktion einer χ2-Verteilung von n + 1unabhängigen Zufallsvariablen. Man sagt, die χ2-Verteilung hat n + 1 Freiheitsgra-de.

Der Mittelwert und die Varianz der χ2-Verteilung berechnen sich über die charak-teristische Funktion:

Eyn =1

(−j2π)1dΦyn

(f)

df

∣∣∣∣f=0

= n,

Ey2n =

1

(−j2π)2d2Φyn

(f)

df2

∣∣∣∣f=0

= n2 + 2n. (5.23)

Die Varianz wird damit

σ2yn

= Ey2n −

(Eyn

)2

= 2n.

χ2

f χ2( )

n=20n=10

n=1

n=2

n=3

n=5

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

Abbildung 5.9. Wahrscheinlichkeitsdichte von χ2

Durch Variablentransformation lässt sich auch für allgemeine NormalverteilungenN(µx; σx) die χ2-Verteilung angeben:

χ2n =

(x1 − µx)2 + (x2 − µx)2 + . . . + (xn − µx)2

σ2x

.

Die Anwendung der χ2-Verteilung ist die Stichprobenvarianz. Die Verteilung vonS2

x ist eine χ2-Verteilung mit n − 1 Freiheitsgraden wie die folgende Rechnungzeigt. Die Stichprobenvarianz ist nach Def. 5.17

Page 167: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.3 Normalverteilte Zufallsvariable 161

S2x =

1

n − 1

n∑i=1

(xi − x)2

der Schätzwert für die Varianz einer Grundgesamtheit. Der Stichprobenmittelwert

x =1

n(x1 + x2 + . . . xn)

ist die Schätzung des wahren Mittelwertes µx. Dadurch hängt aber xn als Linear-kombination von den übrigen xi und dem Stichprobenmittelwert ab,

−(xn − x) =

n−1∑i=1

(xi − x).

Die Verteilung der Quadratsumme aus der Stichprobenvarianz wird damit

χ2n =

n − 1

σ2x

S2x =

1

σ2x

n∑i=1

(xi − x)2 =1

σ2x

[n−1∑i=1

(xi − x)2 + (xn − x)2

]

=1

σ2x

⎡⎣n−1∑i=1

(xi − x)2 +

(n−1∑i=1

(xi − x)

)2⎤⎦

=1

σ2x

⎡⎣n−1∑i=1

(xi − x)2 +

n−1∑i=1

n−1∑j=1

(xi − x)(xj − x)

⎤⎦=

2

σ2x

n−1∑i=1

(xi − x)2 +1

σ2x

n−1∑i=1

n−1∑j=1,j =i

(xi − x)(xj − x)

︸ ︷︷ ︸≈0

.

Die Wahrscheinlichkeitsdichte der Stichprobenvarianz S2x mit n-Stichproben ist da-

mit auf eine χ2-Verteilung mit n − 1 Freiheitsgraden zurückgeführt:

χ2n =

2

σ2x

n−1∑i=1

(xi − x)2.

5.3.4 Student t-Verteilung

Die so genannte Studentsche t-Verteilung bildet die Grundlage wichtiger statisti-scher Tests, die in Abschn. 5.4 besprochen werden. Die Verteilung wurde von W. S.Gosset eingeführt, der sie unter dem Namen „Student“ veröffentlichte.

Page 168: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

162 5. Zufällige Messfehler

Satz 5.4 Student t-VerteilungEs sind zwei unabhängige Zufallsvariable x und y gegeben. Dabei besitzt x eineN(0; 1) Normalverteilung, y eine χ2-Verteilung mit n Freiheitsgraden. Die Zufalls-variable

t =x√y/n

hat dann eine Wahrscheinlichkeitsdichte

ft(t) =

Γ

(n + 1

2

)√

nπ Γ(n

2

) · 1(1 +

t2

n

)(n+1)/2. (5.24)

Die Verteilung ft(t) wird Student t-Verteilung mit n Freiheitsgraden genannt.

Den Beweis des Satzes, der recht umfangreich ist, findet der interessierte Leser z.B.in [25, 43].

Mit wachsendem n strebt die t-Verteilung gegen eine Normalverteilung mit Mittel-wert 0 und Varianz 1. Die Bedeutung der t-Verteilung kommt aus der Stichproben-untersuchung. Der Stichprobenmittelwert x ist eine normalverteilte Zufallsvariable,die Stichprobenvarianz S2

x ist eine χ2-verteilte Zufallsvariable. Dann ist das Ver-hältnis des Stichprobenmittelwertes zu seiner Varianz

t =x√S2

x/n

gerade t-verteilt.

5.4 Statistische Testverfahren

In der Statistik unterscheidet man zwei Beurteilungsarten: das Prüfen und das Schät-zen. Beim Prüfen wird beispielsweise untersucht, ob eine Stichprobe mit unbekann-ter Wahrscheinlichkeitsdichte einer Normalverteilung folgt. Das Schätzen hatten wirschon beim Stichprobenmittelwert kennen gelernt. Hierbei stellt sich die Frage, obder Schätzwert repräsentativ für den angenommenen Prozess ist. Es liegt im Wesender Statistik, dass Testverfahren keine absolut sicheren Aussagen geben können,sondern nur Wahrscheinlichkeiten, die allerdings möglichst groß sein sollen.

5.4.1 Statistische Sicherheit, Konfidenzintervall

In der Regel ist es notwendig, etwas über die Zuverlässigkeit einer Schätzung auszu-sagen. Beispielsweise wird die Schätzung des Mittelwertes durch den Stichproben-mittelwert bei einer kleinen Stichprobe weniger vertrauenswürdig sein, als bei einer

Page 169: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 163

großen. In vielen Fällen wird dazu eine Aussage über das Konfidenzintervall (auchVertrauensintervall) getroffen. Man wird feststellen, dass ein bestimmtes Intervallden zu schätzenden Parameter mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit

α = P|x| > xαenthält. Das Konfidenzintervall schließt also mit einer statistischen Sicherheit von

1 − α = P|x| < xαden wahren Parameter ein (Abb. 5.10). Das sog. einseitige Problem führt dagegen zuder Aussage, dass ein Parameter mit der Irrtumswahrscheinlichkeit α beispielsweisenicht größer ist als eine bestimmte Grenze.

1−α

xxα-xα

f (x)x

α/2 α/2 Abbildung 5.10. ZweiseitigesKonfidenzintervall

In der Praxis geht man meist von einer Normalverteilung aus. Das Konfidenzinter-vall drückt man dann in Vielfachen der Standardabweichung σx aus,

µx − cσx ≤ x ≤ µx + cσx. (5.25)

Die statistische Sicherheit wird damit

P (c) = 1 − α = P |x− µx|σx

≤ c =

µx+cσx∫µx−cσx

fx(x) dx.

Die Transformation

z =x− µx

σx

führt auf eine Standardnormalverteilung. Die statistische Sicherheit hängt nur nochvom Parameter c ab und kann über die Gaußsche Fehlerfunktion (Abb. 5.13) be-rechnet werden:

P (c) =1√2π

c∫−c

e−z2

2 dz = erf(c).

Page 170: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

164 5. Zufällige Messfehler

x

N x( )0 4,

0 3,

0 2,

0 1,

P c( , )

c = 2

c x- s c xs+

xs

µxµx µx

Abbildung 5.11. Kon-fidenzintervall bei Nor-malverteilung

Man erhält die folgenden statistische Sicherheiten für den Parameter c:

c =1 Konfidenzintervall: µx±σx , P =68%,c =2 Konfidenzintervall: µx±2σx, P =95%,c =3 Konfidenzintervall: µx±3σx, P =99.73%.

Der für die Qualität eines Fertigungsprozesses entscheidende Parameter ist jedochdie Standardabweichung σx. Sie bestimmt, wie schmal oder breit der Toleranzbe-reich der Fertigung ist. Für eine statistische Sicherheit von beispielsweise P =99.73% (c = 3) erhält man für verschiedenes σx unterschiedlich breite Bereicheder Normalverteilung (Abb. 5.12). Eine schmale Normalverteilung lässt sich aberviel besser in einen spezifizierten Messbereich einpassen, ohne dass es zu großenAusschusswahrscheinlichkeiten kommt (s. Abschn. 5.4.5).

x

N x( )

P c( , )

c xσ+

µxc x− σµx µx x

N x( )

c xσ+P c( , )xσ

µxc x− σµx µx

Abbildung 5.12. Schmale Normalverteilung bei kleinem σx und breite Normalverteilungbei großem σx

Das Konfidenzintervall wurde in Gl.(5.25) als Vielfaches c der Standardabweichungσx angegeben. Möchte man ein Konfidenzintervall für den Stichprobenmittelwert x

Page 171: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 165

30,5 1 1,5 2 2,5

100%

90%

80%

70%

60%

erf(c)

c

Abbildung 5.13. Gaußsche Fehlerfunktion: Statistische Sicherheit bei Normalverteilung

einer Messreihe von n unabhängigen Messungen ermitteln, so muss zur Berechnungdie Varianz des Stichprobenmittelwertes nach Gl.(5.12) herangezogen werden. DasKonfidenzintervall für den Stichprobenmittelwert x ist dann

µx − cσx√n≤ x ≤ µx + c

σx√n

(5.26)

und die Messunsicherheit

ux = c · σx = cσx√n

. (5.27)

In der Praxis ist die Varianz σ2x nicht bekannt. Es bleibt nur die Möglichkeit, in

Gl.(5.26) die Stichprobenvarianz S2x als Schätzwert für σ2

x einzusetzen. Die Trans-formation

t =x− µx

Sx/√

n

ergibt nach Satz 5.4 eine t-verteilte Zufallsvariable. Man muss daher anstelle derGaußschen Fehlerfunktion mit dem Integral der t-Verteilung nach Gl.(5.24) arbeiten(Abb. 5.14):

Pn(c) = P

|x − µx|Sx/

√n

= |t| ≤ c

=

c∫−c

Γ

(n + 1

2

)√

nπ Γ(n

2

) · 1(1 +

t2

n

)(n+1)/2dt.

Page 172: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

166 5. Zufällige Messfehler

1 2 3 4

c

100%

90%

80%

70%

P t c≤P cn ( ) =

n=20

n=10

n=5

n=4

n=3

n=2

Abbildung 5.14. Statistische Sicherheit bei geschätzter Standardabweichung Sx

In der Praxis geht man so vor:

• Man wählt eine statistische Sicherheit P|t| ≤ c und liest zusammen mit demStichprobenumfang n den Wert c aus Abb. 5.14 ab.

• Die Standardabweichung der Stichprobe wird nach Def. 5.17 berechnet:

Sx =

√√√√ 1

n − 1

n∑i=1

(xi − x)2.

• Die Unsicherheit des Stichprobenmittelwertes wird dann

c · Sx√n

bzw. das Vertrauensintervall des gemittelten Messergebnisses

Page 173: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 167

µx − cSx√

n≤ x ≤ µx + c

Sx√n

.

Soll die Unsicherheit einer Einzelmessung unabhängig von der Zahl der Messwerteangegeben werden, wird man die Standardabweichung der Stichprobe Sx aus vielenunabhängigen Messwerten aus Def. 5.17 berechnen und den Wert c zu der geforder-ten statistischen Sicherheit Pn(c) aus Abb. 5.14 ablesen. Die Messunsicherheit derEinzelmessung

ux = c · Sx

wird größer als die des Stichprobenmittelwertes sein.

Für n → ∞ geht die Varianz σ2x des Stichprobenmittelwertes gegen Null, d.h. die

statistische Sicherheit Pn(c) konvergiert gegen die Gaußsche Fehlerfunktion P (c).

Streng von der Messunsicherheit zu unterscheiden ist der Begriff der Fehlergrenze.Die Fehlergrenzen sind in der Messtechnik die vereinbarten oder garantierten, zu-gelassenen äußersten Abweichungen von einem vorgeschriebenen Wert der Mess-größe. Damit die spezifizierten Fehlergrenzen sicher eingehalten werden können,muss die Messunsicherheit erheblich kleiner als der durch eine Fehlergrenze gege-bene Bereich sein. Ist ein Messergebnis mittelbar durch die Funktion der Messwertegegeben, so ist die Messunsicherheit bei ausreichend großer Stichprobe n nach demGaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz gegeben (Abschn. 5.5).

5.4.2 Hypothese und Testverfahren

Das Ziel eines Testverfahrens besteht darin, eine präzise formulierte Behauptung,die sog. Nullhypothese H0 zu überprüfen. Der Nullhypothese steht die Alternativ-hypothese H1 gegenüber. Die Prüfhypothese hängt im wesentlichen von der Aufga-benstellung ab. So kann z.B. als Hypothese angenommen werden, dass eine Stich-probe einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilung folgt.

Für statistische Testverfahren benötigt man noch den Begriff des Signifikanznive-aus. Das Signifikanzniveau ist identisch mit jener Irrtumswahrscheinlichkeit, dieman bereit ist zu akzeptieren, falls das Testverfahren eine Ablehnung der Nullhy-pothese H0 ergibt (Fehler 1. Art). Es ist also das Risiko, einen Unterschied zu „er-finden“ , einen Unterschied zu behaupten, der in Wirklichkeit nicht vorhanden ist.Daher wird das Signifikanzniveau in der Regel sehr klein gewählt, normalerweisein der Größenordnung

0.001 ≤ α ≤ 0.05.

Da α vorgegeben wird, liegt der Gedanke nahe, α so klein wie möglich zu wählen,beispielsweise α = 10−9, dass es praktisch kaum zu der erwähnten Fehlentschei-dung kommt. Bei der Durchführung von statistischen Tests ist aber zu beachten,dass noch eine zweite Art von Fehlentscheidung möglich ist (Tabelle 5.2).

Page 174: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

168 5. Zufällige Messfehler

Tabelle 5.2. Fehlentscheidungen bei statistischen Tests

Testentscheidung tatsächlicher ZustandH0 wird H0 trifft zu H0 trifft nicht zu

abgelehnt Fehler 1. Artbestätigt Fehler 2. Art

Wenn man also α verkleinert, so steigt die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers 2. Art.Während ein Fehler 1. Art als Fehlalarm interpretiert werden kann, ist ein Fehler 2.Art ein unterbliebener Alarm, d.h. trotz signifikanter Abweichung wurde die Hypo-these als richtig akzeptiert. Die Wahrscheinlichkeit für den Fehler 2. Art kann nichtallgemein angegeben werden.

5.4.3 Signifikanztest für den Stichprobenmittelwert

Ziel des Signifikanztests für den Stichprobenmittelwert ist die Frage, ob eine Stich-probe zu einer vorgegebenen Grundgesamtheit gehört. Dazu geht man von einerNormalverteilung aus und prüft, ob der Stichprobenmittelwert x nahe genug amwahren Mittelwert µ0 der Verteilung liegt. Ist dies nicht der Fall, so ist die Abwei-chung nicht zufällig, sondern signifikant. Die Stichprobe wird als nicht repräsentativabgelehnt. Da man bei diesem Test nicht eine Wahrscheinlichkeitsdichte fx(x), son-dern den Parameter x einer vorgegeben Normalverteilung prüft, nennt man diesenTest auch Parametertest.

Die Vorgehensweise des Signifikanztests für den Stichprobenmittelwert ist die fol-gende:

1. Voraussetzungen prüfen:

• Unabhängigkeit der Messwerte.

• Normalverteilung der Grundgesamtheit mit µ0.

2. Ermittlung des Stichprobenmittelwertes x und der Standardabweichung derStichprobe Sx.

3. Aufstellen der Nullhypothese

H0 : x = µ0, H1 : x = µ0.

4. Festlegen der Prüfgröße:

• Ist die Varianz σ2x bekannt, so kann mit einer Normalverteilung gerechnet

werden:

z =|x − µ0|

σx= c.

Page 175: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 169

• Ist die Varianz nur durch die Stichprobenvarianz gegeben, so muss mit dert-Verteilung gerechnet werden:

t =|x − µ0|

Sx

√n = c.

Die Anzahl der Freiheitsgrade beträgt dabei f = n − 1.

5. Festlegen des Signifikanzniveaus α:Aus dem Signifikanzniveaus bestimmt man die maximale statistische Sicherheit

P = 1 − α.

6. Bestimmen der Wahrscheinlichkeit der Prüfgröße:Aus einer Tabelle (Abb. 5.13 oder Abb. 5.14) entnimmt man die Werte für P (c)bzw. Pn(c).

7. Testentscheidung:

• Annahme der Nullhypothese:

P (c) ≤ 1 − α.

• Ablehnung der Nullhypothese:

P (c) > 1 − α.

Beispiel 5.8 Signifikanztest [45]Ein Werkstück habe das Sollmaß µ0 = 12.000 mm. Es wird eine Stichprobe vonn = 90 Werkstücken vermessen. Der Stichprobenmittelwert wird als x = 12.075mm, die Standardabweichung als Sx = 0.229 mm ermittelt. Wegen des großenStichprobenumfanges geht die t-Verteilung näherungsweise in eine Normalvertei-lung über. Die Standardabweichung des Stichprobenmittelwertes ist damit nähe-rungsweise σx ≈ 0.0241 mm. Als Signifikanzniveau wird die ±3σx Spanne derNormalverteilung zugrunde gelegt:

α = 0.0027 ⇒ 1 − α = 0.9973.

Unter der Voraussetzung, die Messwerte hätten eine Gaußsche Normalverteilung,erhält man einen hohen Wert von

P (c) = P

( |x − µ0|σx

)= P (3.112) = 0.9981 > 1 − α.

Die Abweichung des Stichprobenmittelwertes x vom wahren Mittelwert µ0, bezo-gen auf die Standardabweichung σx ist signifikant, d.h. zu groß. Die Stichprobemuss deshalb als nicht repräsentativ abgelehnt werden.

Page 176: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

170 5. Zufällige Messfehler

5.4.4 χ2-Anpassungstest

Im vorherigen Abschnitt haben wir Tests ausgeführt, ob die Werte eines oder mehre-rer Parameter einer Stichprobe, z.B. Mittelwerte oder Varianzen signifikant oder reinzufällig voneinander abweichen. Man nennt sie Parametertests. Eine andere Art vonTests, die die Hypothese H0 prüfen, ob eine Stichprobe aus einer Grundgesamtheitmit einer vorgegebenen, beliebigen Wahrscheinlichkeitsdichte fx(x) stammt, nenntman Anpassungstest. Der wichtigste Test aus dieser Gruppe ist der χ2-Test.

Man teilt dabei den gesamten Wertebereich der Zufallsgröße x in k disjunkte In-tervalle ∆1 . . .∆k, den Klassen, ein (siehe auch Histogramm, Abschn. 5.2.1). DieStichprobe habe den Umfang n. Durch Integration der vorgegebenen Wahrschein-lichkeitsdichte im Intervall ∆i erhalten wir die theoretische Wahrscheinlichkeit pi

dafür, dass x in ∆i fällt:

pi =

∫∆i

fx(x) dx,

k∑i=1

pi = 1.

Die Wahrscheinlichkeitsdichte fnidafür, dass in die Klasse ∆i gerade ni Elemente

anstelle der theoretischen n · pi fallen, ergibt sich aus der Binomialverteilung

fni=

(n

ni

)pni

i (1 − pi)n−ni .

Wenn bei fester Wahrscheinlichkeitsdichte pi der Stichprobenumfang n gegen un-endlich strebt, so entspricht die Wahrscheinlichkeitsdichte fni

nach dem Moivre-Laplace-Theorem [37] näherungsweise der Normalverteilung

fni≈ 1√

2πn pi(1 − pi)e(− (ni − n pi)

2

2n pi(1 − pi)),

mit dem Mittelwert in der i–ten Klasse ∆i

Eni ≈ n pi.

Für pi 1, d.h. bei einer ausreichend großen Zahl von Klassen, ist die Varianz fürdie Elementezahl ni gleich

σ2ni

≈ n pi.

Die Summe der auf die jeweiligen Varianzen σ2ni

normierten quadratischen Abwei-chungen der tatsächlichen Elementezahl ni zum Erwartungswert n · pi genügt nachSatz 5.3 näherungsweise einer χ2-Verteilung mit (k − 1) Freiheitsgraden,

χ2 ≈k∑

i=1

(ni − n pi)2

n pi. (5.28)

Page 177: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 171

Die Klasseneinteilung ist weitgehend willkürlich. Einerseits wünscht man sich vieleKlassen, um die Wahrscheinlichkeitsdichte fx(x) möglichst gut zu approximieren.Andererseits sollten die ni genügend groß sein, damit die Testgröße als χ2-verteiltbetrachtet werden kann. Als Faustregel in der Praxis sollten die ni mindestens 1bei Randklassen, ansonsten mindestens 5 betragen. Die Vorgehensweise des χ2-

5 10 15 20 25 30 35 40 450.9

0.91

0.92

0.93

0.94

0.95

0.96

0.97

0.98

0.99

1

χα2

<( )χα2χ2P

m = 20

m = 10

m = 6

m = 5

m = 3

m = 4

Abbildung 5.15. Wahrscheinlichkeit von χ2 ≤ χ2α bei m = k − 1 Freiheitsgraden

Anpassungstests ist die folgende:

1. Voraussetzungen prüfen:

• Unabhängigkeit der Messwerte.

• Möglichst großer Stichprobenumfang.

2. Erstellen eines Histogramms:

• Festlegen der k Klassen ∆i.

• Ermitteln der absoluten Häufigkeiten ni innerhalb der Klassen. Ist die Bedin-gung ni ≥ 5 bzw. ni,Rand ≥ 1 nicht erfüllt, dann Nachbarklassen zu einergemeinsamen Klasse zusammenfassen.

3. Aufstellen der Nullhypothese:

H0 : fx(x) = f0(x), H1 : fx(x) = f0(x).

Page 178: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

172 5. Zufällige Messfehler

4. Festlegen des Signifikanzniveaus α:Aus dem Signifikanzniveau bestimmt man die maximale statistische Sicherheit

P = 1 − α.

Häufig wird man beim χ2-Anpassungstest eine gegenüber dem Parametertestauf α = 0.05 vergrößerte Irrtumswahrscheinlichkeit wählen. Da bei Anpas-sungstests keine Voraussetzungen über die Wahrscheinlichkeitsdichte gemachtwerden, sind diese weniger wirksam, als entsprechende Parametertests.

5. Festlegen der Prüfgröße:

χ2 ≈k∑

i=1

(ni − n pi)2

n pi.

6. Bestimmung der Freiheitsgrade:

m = k − 1 − Anzahl der geschätzten Parameter.

Meist sind die Parameter der zu prüfenden Verteilung nur durch Stichproben be-kannt. Werden bei einer Normalverteilung die Parameter (µx; σ2

x) durch (x; S2x)

geschätzt, so verringert sich der Freiheitsgrad zusätzlich um zwei m = k−2−1.

7. Bestimmen der Wahrscheinlichkeit der Prüfgröße:Aus Abb. 5.15 für die statistische Sicherheit bei χ2-Verteilung entnimmt manden Wert für χ2

α für das vorgegebene Signifikanzniveau

P (χ2 ≤ χ2α) = 1 − α.

8. Testentscheidung:

• Annahme der Nullhypothese:

χ2 ≤ χ2α.

• Ablehnung der Nullhypothese:

χ2 > χ2α.

Beispiel 5.9 χ2-Test auf GleichverteilungFür einen Würfel mit 1 bis 6 Augen soll die Hypothese überprüft werden, ob fürfx(x) eine Gleichverteilung der Augenzahlen vorliegt (k = 6).

H0 : fx(x) Gleichverteilung.

Es werden n = 120 Testwürfe durchgeführt. Die theoretische Elementezahln pi = 20 ist bei der angenommenen Gleichverteilung in allen Klassen gleich. DasSignifikanzniveau sei

α = 0.05 ⇒ P (χ2 ≤ χ2α) ≤ 1 − α = 0.95.

Page 179: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 173

Tabelle 5.3. Würfelexperiment

Augenzahl 1 2 3 4 5 6 SummeAnzahl ni 14 27 15 24 13 27 120ni − n pi -6 7 -5 4 -7 7 0

(ni − n pi)2

n pi

1.8 2.45 1.25 0.8 2.45 2.45 11.2

Zur Wahrscheinlichkeit P (χ2 ≤ χ2α) = 0.95 bei m = k − 1 = 5 Freiheitsgraden,

entnimmt man Abb. 5.15 den Wert

χ2α = 11.0.

Die Summe der Abweichungsquadrate χ2 = 11.2 nach Tabelle 5.3 ist größer als derGrenzwert

χ2 > χ2α.

Die Abweichungen sind signifikant und die Hypothese H0 wird deshalb (fälschli-cherweise) abgelehnt. Durch Erhöhung der Zahl von Testwürfen kann die Hypothe-se aber bestätigt werden, dass eine Gleichverteilung vorliegt.

5.4.5 Beurteilung von Fertigungsprozessen

Bei der Beurteilung von Fertigungsprozessen wird geprüft, inwieweit 99.73%(±3σx) der Messergebnisse x im spezifizierten Messbereich 2∆xs liegen. Dazumüssen die Parameter der angenommenen Normalverteilung ausreichend genau be-kannt sein, z.B. durch eine ausreichend große Stichproben-Messung (Häufigkeits-verteilung). Dabei ist

2∆xs = xmax − xmin

der spezifizierte Messbereich, in dem die Fertigungstoleranzen liegen dürfen, und

∆x =

∣∣∣∣12(xmax + xmin) − x

∣∣∣∣die Abweichung des Stichprobenmittelwertes x der Verteilung von der Mitte desspezifizierten Messbereiches.

Als Prozessfähigkeitsindex

cp =∆xs

3σx(5.29)

Page 180: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

174 5. Zufällige Messfehler

x

Spezifizierter Messbereich

Spezifizierte

Messgröße

xmaxxmin

Wahrscheinlichkeitsdichte

x( )

D

2

3 3

D x

x x

s

x x- +s s

D xsx

x

f

^ ^

^

^

Abbildung 5.16. Spezifikation von Fertigungstoleranzen

wird das Verhältnis des spezifizierten Messbereiches 2∆xs zum Vertrauensbereich2 · 3σx definiert. Je größer der Index cp, desto geringer ist die Streuung der spe-zifizierten Messgröße x im Verhältnis zum spezifizierten Messbereich, in dem dieMessgröße liegen darf.

Zur Beurteilung, ob ein Fertigungsprozess geeignet ist, interessiert auch die Lagedes Stichprobenmittelwertes x innerhalb des spezifizierten Messbereichs. Eine Ab-weichung ∆x engt den Abstand des 3σx-Bereichs zur Grenze des Messbereichseinseitig ein. Zur Abschätzung wird der Prozessbrauchbarkeitsindex definiert:

cpk =∆xs − ∆x

3σx= cp

(1 − ∆x

∆xs

).

Für beide Indizes muss

cp ≥ 1, cpk ≥ 1

gelten, damit der Fertigungsprozess einen geringen Ausschuss aufweist. D.h., nurbei einem geringen Prozentsatz der gefertigten Erzeugnisse liegt die Messgröße xaußerhalb des spezifizierten Bereichs, so dass das Erzeugnis nicht verkauft werdenkann. Betrachtet man nochmals die unterschiedlich breiten Normalverteilungen ausAbb. 5.12, wird sofort anschaulich klar, dass die Güte einer Fertigung unmittelbarmit der Breite der zugrunde liegenden Normalverteilung zusammenhängt. So isteine schmale Normalverteilung wesentlich robuster gegenüber Schwankungen desMittelwertes x, ohne dass dies gleich zu erhöhten Ausschussraten führen muss.

Die Ausschussrate p berechnet sich bei Normalverteilung über die Gaußsche Feh-lerfunktion erf(x) zu

Page 181: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 175

p =1

2(1 − erf(3 · cpk)). (5.30)

Sie wird häufig in „dpm“ (defects per millon) angegeben. Bei einer qualitativ hoch-wertigen Fertigung wird ein Prozessbrauchbarkeitsindex von

cpk > 1.67 . . .2

gefordert, mit Ausschussraten von

p < 0.3 . . . 0.001 dpm.

Beispiel 5.10 Länge eines WerkstückesBei einem feinmechanischen Werkstück sei das Längenmaß auf

x = 0.609mm

spezifiziert. Der spezifizierte Messbereich für zulässige Fertigungstoleranzen liegtzwischen

xmin = 0.591 ≤ x ≤ xmax = 0.627mm.

Aus einer Stichprobenmessung werden der Mittelwert x und die Standardabwei-chung Sx ermittelt:

x = 0.600mm, Sx = 0.003mm ≈ σx.

Man erhält mit den Werten

∆xs =1

2(0.627mm− 0.591mm) = 0.018mm,

∆x =1

2(0.591mm + 0.627mm)− 0.600mm = 0.009mm

den Prozessfähigkeitsindex

cp =∆xs

3σx=

0.018mm

0.009mm= 2

und den Prozessbrauchbarkeitsindex

cpk = cp

(1 − ∆x

∆xs

)= 2

(1 − 0.009mm

0.018mm

)= 1.

Die Verteilung liegt unsymmetrisch im spezifizierten Messbereich. Für den Aus-schuss wird deshalb nur das eine Ende der Wahrscheinlichkeitsverteilung betrachtet,das über den spezifizierten Bereich hinausragt. Die Ausschussrate ist dann

p =1

2(1 − erf(3 · cpk)) = 0.00135 = 1350 dpm.

Page 182: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

176 5. Zufällige Messfehler

5.4.6 Bestimmung der Ausfallrate

Die Hersteller von elektronischen Geräten beziehen große Mengen elektronischerBauelemente, deren Ausfallraten mit den Lieferanten vertraglich festgelegt sind. ZurÜberprüfung der Bauelemente-Qualität will der Gerätehersteller die Ausfallratenmesstechnisch bestimmen. Wegen des großen Aufwands kann die Überprüfung nurin Stichproben erfolgen. Es seien

n die Zahl der Bauelemente in der Stichprobe,

p die Ausfallwahrscheinlichkeit des Bauelementes,

k die Zahl der in der Stichprobe registrierten Ausfälle.

Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Stichprobe zwischen k1 und k2 von nBauelementen ausgefallen sind, nach [37] durch die Binomialverteilung

pnk1 ≤ i ≤ k2 =

k2∑i=k1

(n

i

)pi(1 − p)n−i (5.31)

gegeben. Für np im Bereich 1 gilt das Poissonsche Theorem

pnk1 ≤ i ≤ k2 =

k2∑i=k1

ni

i!pie−np. (5.32)

Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Stichprobe weniger als k Bauelemente ausge-fallen sind (k1 = 0, k2 = k), ist dann

pni ≤ k = e−npk∑

i=0

(np)i

i!. (5.33)

Beispiel 5.11 AusfallwahrscheinlichkeitDie Stichprobengröße sei n = 3000, die vereinbarte Ausfallwahrscheinlichkeitp = 10−3. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Stichprobe nicht mehr als 5Bauelemente defekt sind,

pni ≤ 5 = e−3·103·10−35∑

i=0

(3 · 103 · 10−3)i

i!= 0.916.

Page 183: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 177

Im Prüffeld wird häufig mit der Ausfallrate λ gearbeitet. Bei der Prüfung von Bau-elementen definiert man

nt Zahl der „Bauelementestunden“ , d.h. das Produkt aus der Zahl der Bauelementein der Stichprobe n und der Prüfzeit t.

λ Ausfallrate p der Bauelemente bezogen auf die Prüfzeit t.

Mit λ · (nt) = n · p kann Gl.(5.33) auch geschrieben werden als

pni ≤ k = e−λ(nt)k∑

i=0

(λ · nt)i

i!.

In der Stichprobenprüfung wird die Zahl der Ausfälle k nach der Zahl der durch-laufenen Bauelementestunden nt gemessen. Daraus soll die Ausfallrate λ bestimmtwerden. Man setzt die Wahrscheinlichkeit, dass für die zu berechnende Ausfallrateλ weniger als k Ausfälle in der Stichprobe auftreten, mit

pni ≤ k = 0.1

möglichst klein an. Dann ist die sog. Aussagewahrscheinlichkeit

pni > k = 1 − pni ≤ k = 0.9

möglichst hoch, dass für den Wert λ in der Stichprobe sogar mehr als die gemes-senen k Ausfälle auftreten und damit registriert werden können. Die Bestimmungvon λ liegt damit auf der sicheren Seite. Die Gleichung

pni ≤ k = 0.1 = e−λ(nt)k∑

i=0

(λ · nt)i

i!(5.34)

ordnet der im Test registrierten Zahl von k Ausfällen genau einen Wert λ · (nt) zu.Man kann deshalb Gl.(5.34) auch als

λ · (nt) = f(k) (5.35)

interpretieren. Durch numerische Berechnung erhält man

k = 0 f(0) = 2, 30,

k = 1 f(1) = 3, 89,

k = 2 f(2) = 5, 32,

k = 3 f(3) = 6, 68,

k = 4 f(4) = 7, 99,

k = 5 f(5) = 9, 27 usw..

Page 184: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

178 5. Zufällige Messfehler

Die Beziehung Gl.(5.35) kann in doppelt logarithmisches Papier als Geradenschar

log λ = log f(k) − log(nt)

eingetragen werden (Abb. 5.17), mit dem Parameter k. Zu Anfang des Testsk = 0 nimmt die Ausfallrate λ mit wachsender Bauelementestunden-Zahl nt ent-lang der Kurve f(k = 0) ab. Wenn ein Ausfall registriert wurde (k = 1), springtman auf die Kurve f(k = 1) zu einer höheren Ausfallrate λ usw. Nach ausreichendlanger Testzeit erreicht man einen asymptotischen Wert für λ. Aufgrund von sog.Frühausfällen ist die Ausfallrate bei kurzen Testzeiten höher als der asymptotischeWert.

105

106 10

710

810

8−

105−

106−

107−

r nth

λh−1

k=0 1 2 3 4 5

Abbildung 5.17. Bestimmung der Ausfallrate von elektronischen Bauelementen

Zur Reduktion der Testzeiten werden die Bauelemente zumeist unter verschärftenTestbedingungen geprüft. Man betreibt die Bauelemente z.B. bei höheren Tempera-turen oder unterwirft sie Temperaturzyklen. Die erhöhte Beanspruchung lässt sich

Page 185: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 179

für spezielle Ausfallmechanismen in einen zeitlichen Raffungsfaktor r umrechnen,um den die Testzeit gekürzt werden kann.

Beispiel 5.12 AusfallrateEine Firma verarbeitet pro Jahr 3 · 106 Bauelemente eines Typs. Davon werdenn = 3000 über 30 Tage, d.h. t = 720h getestet. Der Test findet bei erhöhten Umge-bungstemperaturen statt, woraus sich ein Raffungsfaktor von r ≈ 10 gegenüber dennormalen Einsatzbedingungen ergibt. Es treten folgende Ausfälle auf (Tabelle 5.4):Bei t = 720h wird der Test abgebrochen, die Ausfallrate beträgt

Tabelle 5.4. Gemessene Ausfallzeiten von Bauelementen

k 1 2 3 4 5

t/h 33 167 433 567 720

r · nt/h 106 5 · 106 1.3 · 107 1.7 · 107 2.16 · 107

λ =f(k)

r · nt=

9.27

2.16 · 107h= 4.3 · 10−7h−1.

Die Zahl n der in der Stichprobe getesteten Bauteile ist von entscheidender Be-deutung für die Bewertung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Dies soll am folgendenBeispiel verdeutlicht werden.

Beispiel 5.13 Größe der StichprobeEs sollen z.B. folgende Ausfälle für 3 Lieferanten gemessen werden:

Lieferant A: k = 0 von n = 500, d.h. 0 dpmLieferant B: k = 1 von n = 2000, d.h. 500 dpmLieferant C: k = 6 von n = 10000, d.h. 600 dpm

Man könnte nun versucht sein, den Lieferanten A aufgrund dieser Messergebnisseals am besten einzustufen, und Lieferanten C als am schlechtesten. Dies ist aber des-halb nicht richtig, da die Zahl n der getesteten Einheiten nicht korrekt berücksichtigtwurde. Die Rechnung muss lauten:

Lieferant A: k < 1 Ausfälle von n = 500, d.h. < 2000 dpmLieferant B: k < 2 Ausfälle von n = 2000, d.h. < 1000 dpmLieferant C: k < 7 Ausfälle von n = 10000, d.h. < 700 dpm

Damit ergibt sich aus der statistisch relevanten Abschätzung der Messresultate eineUmkehrung der Bewertungsskala. Der Lieferant C ist am besten! Bei Lieferant Amüssten 1.430 Bauelemente ohne Fehler getestet werden, um die gleiche Bewertungwie Lieferant C zu erlangen. Lieferant A hätte dann k < 1 Ausfälle von 1.430, d.h.106/1.430 = 700dpm. Je niedriger die nachzuweisenden Ausfallraten, desto grö-ßer muss die Stichprobe sein, die getestet wird. Hohe Produktqualität (d.h. niedrigeAusfallraten) lässt sich deshalb nur bei großen Fertigungsstückzahlen wirtschaftlichrealisieren, bei denen man sich große Stichproben leisten kann.

Page 186: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

180 5. Zufällige Messfehler

5.4.7 Statistische Prozess-Überwachung

In einem Fertigungsprozess unterliegen bestimmte Merkmale eines Fertigungsgu-tes Schwankungen. Zufällige, mittelwertfreie Störungen wird man im allgemeinennicht verhindern können. Zur Qualitätskontrolle und -sicherung müssen aber syste-matische Fehler erkannt werden. Aufgabe ist es nun, aus den Messungen möglichstgut auf die Eigenschaften der Fertigungsfehler zu schließen. Hierbei tritt der Be-griff Schätzen auf. Eines der einfachsten Schätzverfahren ist die Mittelwertbildung(Stichprobenmittelwert)

x =1

n

n∑i=1

xi,

bei der nach Abschn. 5.2.5 zufällige, mittelwertfreie Fehler herausfallen. Eine sy-stematische Abweichung bleibt dagegen erhalten.

Beispiel 5.14 Systematischer FehlerDie Länge eines mechanischen Bauteils hat ein Sollmaß von 100mm. Nun werden6 Bauteile aus der laufenden Produktion herausgenommen. Sie besitzen folgendeLängen:

100,1 mm 100,5 mm 99,8 mm 100,0 mm 99,9 mm 100,3 mm

Hierbei ergibt sich ein Stichprobenmittelwert von x = 100, 1mm. Unter der An-nahme, dass die statistische Sicherheit bei diesem Probenumfang gewährleistet ist,kann man die Aussage treffen, dass bei der Fertigung ein systematischer Fehler von0, 1mm auftritt.

Da systematische Fehler im allgemeinen auch zeitabhängig sind, wird man mit dereinfachen Mittelwertbildung nicht weiterkommen. Deshalb wird der gleitende Mit-telwert (engl. moving average, MA) eingeführt. Er wird definiert als Mittelwert zumZeitpunkt t über die letzten m Messungen, die im Abstand T aufgenommen wurden,

x(t) =1

m

m−1∑j=0

x(t − jT ). (5.36)

Zum Zeitpunkt t wird also der älteste Wert x(t−mT ) „vergessen“ und der neuesteWert x(t) hinzugenommen. Anschaulich ausgedrückt, wird über die Zeitreihe ein„Fenster“ geschoben, innerhalb dessen der Mittelwert gebildet wird (Abb: 5.18).Die einzelnen Werte x(t) der Zeitreihe werden dabei mit demselben Faktor 1/m ge-wichtet.

Nun schreibt man Gl.(5.36) auf symmetrische Summationsgrenzen um,

x(t) =1

2M + 1

M∑j=−M

x(t − jT ),

Page 187: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 181

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

01234j

t / T

x t( )

x t( )

Abbildung 5.18. Gleitender Mittelwert (MA) für m = 5

wobei m = 2M+1 gesetzt wird, also eine ungerade Zahl von Werten x(t), was aberkeine Einschränkung bedeutet. Auch die Tatsache, dass der gleitende Mittelwertx(t) erst M Zeitpunkte später auftritt, bedeutet nur, dass x(t) nicht schritthaltend inEchtzeit, sondern um M Schritte verzögert berechnet werden kann.

Beispiel 5.15 MA-FilterungEine zu untersuchende Zeitreihe x(t) stelle die Differenz zwischen den Messwertenund dem Sollwert dar. Sie bestehe aus einem systematischen Anteil s(t) und einemzufälligen, mittelwertfreien Anteil e(t):

x(t) = s(t) + e(t).

Wählt man M genügend groß, so wird die zufällige Störung e(t) beim gleitendenMittelwert unterdrückt, und es bleibt nur der systematische Anteil s(t) übrig:

x(t) =1

2M + 1

M∑j=−M

(s(t − jT ) + e(t − jT ))

=1

2M + 1

⎡⎢⎢⎢⎢⎣M∑

j=−M

s(t − jT ) +

M∑j=−M

e(t − jT )

︸ ︷︷ ︸≈0

⎤⎥⎥⎥⎥⎦=

1

2M + 1

M∑j=−M

s(t − jT ).

Man kann auch sagen, dass der zufällige Anteil e(t) heraus gefiltert wird.

Page 188: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

182 5. Zufällige Messfehler

In der weiteren Betrachtung wird nur noch der systematische Anteil behandelt, dader zufällige, d.h. mittelwertfreie Anteil bei genügend großem Umfang M identischverschwindet. Bis jetzt wurde über den Fehler nur ausgesagt, dass er aus einemsystematischen und einem zufälligen, mittelwertfreien Anteil besteht. Im weitereninteressieren die Eigenschaften des systematischen Anteils s(t). Dieser muss nichtnur aus einer Konstanten bestehen, sondern kann auch einen zeitabhängigen Anteilbesitzen, der z.B. durch ein Wegdriften der überwachten Messgröße vom Sollwertverursacht wird. Man beschreibt das Verhalten von s(t) durch ein Modell, dem sogenannen Signalmodell

s(t) = a0 + a1t + . . . + aktk. (5.37)

Allgemein kann das Problem der statistischen Prozessüberwachung wie folgt for-muliert werden. Der Modellansatz und die Filterung der zufälligen, mittelwertfrei-en Störungen e(t) bieten nun die Möglichkeit, den systematischen Fehler s(t) derMesswerte analytisch, durch Bestimmung der Modellkoeffizienten ai, zu beschrei-ben. Der zeitliche Verlauf von s(t) kann damit prädiziert werden. Dadurch wird einunerwünschtes Weglaufen der Messgröße rechtzeitig erkannt. Bei der statistischenProzessüberwachung werden die ai daraufhin kontrolliert, ob sie innerhalb einesvorgegebenen Toleranzintervalls liegen. So kennzeichnet in Gl.(5.37) der Parametera1 die Drift des Prozesses.

Bereits in Abschn. 2.2 wurde der Least-Squares-Schätzer eingeführt. Er findet in derstatistischen Prozessüberwachung breiten Einsatz, da zufällige Fehler unterdrücktwerden und als Ergebnis die gesuchten Modellkoeffizienten ai geschätzt werden.Dabei ist man nicht, wie in der Regressionsrechnung auf Polynomansätze für densystematischen Fehler s(n) beschränkt. Im Vergleich zu Gl.(2.12) wird bei der sta-tistischen Prozessüberwachung die zeitliche Abfolge der Messwerte y(n) model-liert. Das Signalmodell lautet in zeitkontinuierlicher Form

y(t) = a0Φ0(t) + a1Φ1(t) + . . . + akΦk(t) + e(t), t = nT

und für m + 1 vergangene zeitdiskrete Messwerte

yn =

⎡⎢⎢⎢⎣y(n)y(n − 1)...y(n − m)

⎤⎥⎥⎥⎦ =

⎡⎢⎢⎢⎣Φ0(nT ) · · · Φk(nT )Φ0((n − 1)T ) · · · Φk((n − 1)T )...

. . ....

Φ0((n − m)T ) · · · Φk((n − m)T )

⎤⎥⎥⎥⎦⎡⎢⎢⎢⎣

a0(n)a1(n)

...ak(n)

⎤⎥⎥⎥⎦= Ψn an.

In jedem Messzeitpunkt nT kann damit der Parametervektor an als Pseudoinverse

an = (ΨTnΨn)−1ΨT

n yn

bestimmt werden. Veränderungen am Prozess können so frühzeitig entdeckt werden(Abb. 5.19).

Page 189: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.4 Statistische Testverfahren 183

t

spezifizierterBereich

(n-m)T nT tkrit

* * ** * * * * * * **

* ** ** * *

* ** * * *

*

y(t)

y(t)^

Abbildung 5.19. Least-Squares-Schätzer des zukünftigen Messgrößenverlaufs y(t)

Beispiel 5.16 SignalmodellGegeben sei ein Sinusgenerator, dessen Ausgangsspannung

u(t) = a3 · sin(2πfgt)

überwacht werden soll. Aus Vorüberlegungen ist bekannt, dass der Ausgangsverstär-ker durch Temperatureinflüsse eine lineare Drift a1t und einen Offset a0 zeigt. Zu-sätzlich ist dem Ausgangssignal eine harmonische Netzstörung (fn = 50Hz) über-lagert. Die Phasenlage der harmonischen Schwingungen sei bekannt. Das messbareSignal einschließlich zufälliger Fehler e(t) ist

y(t) = a0 + a1t + a2 sin(2πfnt) + a3 sin(2πfgt) + e(t).

Die Parameter a0, a1, a2 sind die systematischen Störeinflüsse, die es zu überwa-chen gilt. Für den zugehörigen LS-Schätzer ergibt sich zum Zeitpunkt t = nT

yn =

⎡⎢⎢⎢⎣1 nT sin(2πfnnT ) sin(2πfgnT )1 (n − 1)T sin(2πfn(n − 1)T ) sin(2πfg(n − 1)T )...

.... . .

...1 (n − m)T sin(2πfn(n − m)T ) sin(2πfg(n − m)T )

⎤⎥⎥⎥⎦⎡⎢⎢⎣

a0

a1

a2

a3

⎤⎥⎥⎦ .

Durch die Bildung der Pseudoinversen im Zeitpunkt t = nT

an = (ΨTnΨn)−1ΨT

n yn

kann der Parametervektor an geschätzt und der systematische Störeinfluss über-wacht werden. Abbildung 5.20 zeigt ein stark gestörtes Messsignal mit fg = 70Hzund das mittels LS-Schätzer rekonstruierte Signal. Zum Zeitpunkt t = 0.045sekwurde eine Drift aufgeschaltet. Am geschätzten Parameter a1 erkennt man sehr gutdie Möglichkeit zur statistischen Prozessüberwachung mittels eines LS-Schätzers

Page 190: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

184 5. Zufällige Messfehler

0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07 0.08 0.09−0.5

0

0.5

1

1.5

2Gestörtes Generatorsignal y(t) ——, ungestört u(t) −−−

0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07 0.08 0.09

−0.2

0

0.2

Rekonstruiertes Generatorsignal,——, ungestört u(t) −−−

0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07 0.08 0.090

10

20

30

40Geschätzter Parameter a1 für Drift

Abbildung 5.20. Statistische Prozessüberwachung eines Signalgenerators mit sprunghafterÄnderung des Parameters a1 bei t = 0.045

5.5 Fehlerfortpflanzung

5.5.1 Gaußsches Fehlerfortpflanzungsgesetz

Das gesuchte Messergebnis y sei nicht unmittelbar gleich den Messwerten xi, son-dern berechne sich aus mehreren Messwerten nach der Funktion

y = f(x1, x2, . . . , xn) = f(x).

Ein einfaches Beispiel für eine derartige Funktion ist der Stichprobenmittelwert y =x. In einem weiteren Beispiel kann der Wirkungsgrad eines Dampferzeugers nichtdirekt gemessen werden, sondern muss aus

• Heizwert des Brennstoffes,

• Zuführungsrate des Brennstoffes,

• Dampftemperatur,

• Dampfmenge pro Zeit

Page 191: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.5 Fehlerfortpflanzung 185

bestimmt werden. Die Abweichungen der gemessenen Werte xi vom richtigen Wertxi0 ergeben die Fehler

∆xi = xi − xi0.

Den Fehler des Messergebnisses y kann man mit Hilfe der Taylor-Entwicklung ab-schätzen, wenn man die Glieder höherer Ordnung vernachlässigt:

y − y0 =∑

i

∂f(x)

∂xi

∣∣∣∣xi0

(xi − xi0).

Die Fehlergrenze des Messergebnisses ∆yg ergibt sich aus den Fehlergrenzen derMesswerte ∆xgi zu

∆yg =∑

i

∂f(x0)

∂xi∆xgi.

Dabei ist ∂f(x0)/∂xi die Empfindlichkeit der Funktion für den Messwert xi. DieVarianz des Messergebnisses ist

σ2y = E

(y − y0)

2

= E

⎧⎨⎩(∑

i

∂f (x0)

∂xi(xi − xi0)

)⎛⎝∑j

∂f (x0)

∂xj(xj − xj0)

⎞⎠⎫⎬⎭=∑

i

∑j

∂f (x0)

∂xi· ∂f (x0)

∂xjE (xi − xi0) (xj − xj0)

=∑

i

∑j

∂f (x0)

∂xi· ∂f (x0)

∂xjCxixj

. (5.38)

Für statistisch voneinander unabhängige Messwerte xi ist die Varianz nachDef.(5.14) Cxixj

= σ2xi

δij und man erhält das Gaußsche Fehlerfortpflanzungs-gesetz zu

σ2y =

∑i

[∂f(x0)

∂xi

]2

σ2xi

. (5.39)

Sind die Messwerte nicht voneinander unbhängig, so verwendet man den Korrelati-onskoeffizienten zur Berechnung der Fehlerfortpflanzung,

σ2y =

∑i

[∂f(x0)

∂xi

]2

σ2xi

+∑

i

∑j =i

∂f(x0)

∂xi

∂f(x0)

∂xjσxi

σxj· rxixj

. (5.40)

Page 192: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

186 5. Zufällige Messfehler

5.5.2 Numerische Berechnung von Mittelwert und Varianz

a) Bei der numerischen Berechnung ist es oft vorteilhaft, anstelle der Addition vie-ler großer Zahlen xi mit den Abweichungen ∆xi von einem Näherungswert x0 zurechnen:

∆xi = xi − x0.

Der Stichprobenmittelwert nach Def. 5.16 wird dann

x = x0 +1

n

n∑i=1

∆xi ⇒ ∆x = x − x0 =1

n

n∑i=1

∆xi. (5.41)

Die Stichprobenvarianz nach Def. 5.17 wird mit Einsetzen der Differenzen

S2x =

1

n − 1

(n∑

i=1

(x0 + ∆xi)2 − n (x0 + ∆x)

2

)

=1

n − 1

⎛⎜⎜⎜⎜⎝nx20+2x0

n∑i=1

∆xi︸ ︷︷ ︸n∆x

+

n∑i=1

(∆xi)2−nx2

0−2nx0∆x−n(∆x)2

⎞⎟⎟⎟⎟⎠=

1

n − 1

(n∑

i=1

(∆xi)2 − n (∆x)

2

). (5.42)

b) Für das Gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz müssen die partiellen Ableitungengebildet werden. Wenn das Messergebnis y indirekt als Produkt bzw. als Quotientmehrerer Messwerte xi gebildet wird, ist eine Logarithmierung und anschließendeDifferentiation der Beziehung f(xi) hilfreich:

y = f(xi) =

n∏i=1

xαi

i .

Durch Logarithmierung entsteht eine Summe

ln y =n∑

i=1

αi · lnxi,

womit sich die Differentiation vereinfacht. Mit

d(ln y) =1

y· dy ≈ 1

y∆y

erhält man schließlich

Page 193: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

5.5 Fehlerfortpflanzung 187

∆y

y0=

n∑i=1

αi · ∆xi

xi0.

Die relative Varianz ist damit

σ2y

y20

= E

∆y2

y20

= E

⎧⎨⎩[

n∑i=1

αi · ∆xi

xi0

]2⎫⎬⎭

=n∑

i=1

n∑j=1

αiαj E

∆xi

xi0

∆xj

xj0

︸ ︷︷ ︸

Cxixjxi0xj0

.

Für statistisch voneinander unabhängige Messwerte xi ist die Varianz nachDef.(5.14) Cxixj

= σ2xi

δij und man erhält damit die relative Varianz nach demGaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz zu

σ2y

y20

=

n∑i=1

α2i

σ2xi

x2i0

. (5.43)

Beispiel 5.17 Fehler bei Masse-BestimmungDie Masse einer in einem zylindrischen Tank gelagerten Flüssigkeit soll bestimmtwerden. Der Durchmesser des Tanks sei d, der gemessene Flüssigkeitsstand derFlüssigkeit h, die Dichte . Die gelagerte Masse bestimmt sich aus der Beziehung

m = π

(d

2

)2

· · h.

Mit αd = 2, α = 1, αh = 1 errechnet sich die relative Varianz aus dem Gauß-schen Fehlerfortpflanzungsgesetz zu

(σm

m

)2

= 4(σd

d

)2

+(σh

h

)2

+

)2

.

Ist der Durchmesser auf σd/d = 1% bestimmt, die Höhe auf σh/h = 0.5% und dieDichte auf σ/ = 0.9%, wird die relative Streuung der Masse:

σm

m=

√4 + 0.25 + 0.81 % = 2.2%.

Page 194: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6. Korrelationsmesstechnik

Wir haben bisher zufällige Messfehler kennen gelernt, die einzelne Messwerte sta-tionärer Messgrößen verfälschen. Will man hingegen Funktionsverläufe u(t) mes-sen, so erwartet man auch hier für jeden Zeitpunkt t einen zufälligen Messfehler.Dieser wird gewöhnlich als Rauschen interpretiert. Für Signale wie Rauschen oderchaotische Schwingungen ist die Angabe eines Funktionsverlaufes unmöglich. Her-kömmliche Analysemethoden gehen davon aus, dass die Signale durch mathemati-sche Funktionen beschreibbar sind (z.B. durch eine Interpolationsfunktion). Damitkann man mit den Werten der Signalverläufe rechnen, Signale addieren und sub-trahieren, verzögern oder Ableitungen und Integrale bilden. Speziell für Fourier-,Laplace- oder Faltungsintegrale ist nicht sichergestellt, ob diese für zufällige Zeitsi-gnale überhaupt existieren.

Um dennoch wie gewohnt mit Eingangs- und Ausgangsgrößen von Messsystemenrechnen zu können, muss auch für Zufallssignale eine geeignete Beschreibung ge-funden werden. Hier hilft das Konzept der stochastischen Prozesse, die durch Er-wartungswerte, Korrelationsfunktionen und Leistungsdichten beschrieben werden.

6.1 Stochastische Prozesse

Bei der Beschreibung von Systemen, in denen zufällige Signale auftreten, will mansich nicht auf wenige, explizit bekannte Störungen beschränken. Vielmehr sind all-gemeine Lösungen gefordert, die nicht nur für einzelne Signale gelten, sondern füreine große Anzahl möglicher Signale mit gemeinsamen Eigenschaften. Ein mathe-matisches Modell für eine derartige Schar von Signalen ist der stochastische Pro-zess. Genaue Ausführungen hierzu findet man in [37, 13, 5].

Definition 6.1 Stochastischer ProzessEin stochastischer Prozess Y(t, ξ) ist eine Funktion, die jedem Zufallsereignis ξ eineeindeutige Zeitfunktion yξ(t) zuordnet. Für jeden festen Zeitpunkt t = const istY(t, ξ) eine Zufallsvariable.

Da Y als Zufallsvariable beschrieben werden kann, können alle Gesetze für Zufalls-variable aus der Wahrscheinlichkeitstheorie (Abschn. 5.1) angewendet werden. Einstochastischer Prozess Y(t, ξ) hat zwei Parameter. Abhängig davon, ob diese jeweils

Page 195: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

190 6. Korrelationsmesstechnik

fest oder variabel angenommen werden, ergeben sich vier verschiedene Bedeutun-gen:

1. ξ ist fest, t ist variabel:Y(t, ξ) ist eine einzelne Realisierung des stochastischen Prozesses, genanntMusterfunktion. Man erhält also eine Zeitfunktion yξ(t), die durchaus eine de-terministische Funktion sein kann (vgl. Beispiel 6.2).

2. ξ ist variabel, t ist fest:Y(t, ξ) ist eine Zufallsvariable Y(ξ), die jedem Ereignis ξ den entsprechendenFunktionswert der zugehörigen Musterfunktion yξ(t = const) zuordnet.

3. ξ ist fest, t ist fest:Y(t, ξ) ist ein Zahlenwert (oder eine physikalische Größe).

4. ξ ist variabel, t ist variabel:Y(t, ξ) ist ein stochastischer Prozess, d.h. eine Schar von Musterfunktionen.

Beispiel 6.1 RauschspannungDie Spannung u(t) an einem Widerstand R ist, bedingt durch thermisches Rau-schen, verrauscht und kann auch bei Kenntnis des durchfließenden Stromes i(t)nicht vorhergesagt werden. Hierbei handelt es sich um einen stochastischen Prozess,dessen Musterfunktion beliebige Werte annehmen kann. Die Schar aller möglichenFunktionen ist unendlich groß.

Beispiel 6.2 Harmonische Schwingung mit zufälliger PhaseEin Zufallsprozess Y erzeugt Musterfunktionen

yi = sin(ωt + ϕi),

wobei die Kreisfrequenz ω fest ist, die Phase ϕi aber rein zufällig ist. Für feste Zei-ten von t ist Y eine Zufallsvariable, die alle Amplitudenwerte der Sinusschwingungannehmen kann. Jede einzelne Musterfunktion yi(t) ist für feste Phasen ϕi eine de-terministische Funktion.

6.1.1 Wahrscheinlichkeitsdichte

Die Definition der Wahrscheinlichkeitsdichte folgt unmittelbar aus der klassischenWahrscheinlichkeitsrechnung. Dazu wird zuerst die Wahrscheinlichkeitsverteilungdefiniert.

Page 196: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.1 Stochastische Prozesse 191

Definition 6.2 WahrscheinlichkeitsverteilungDie Wahrscheinlichkeitsverteilung

FY(y, t) = Pyξ(t) ≤ y

eines stochastischen Prozesses Y(t, ξ) gibt die Wahrscheinlichkeit P an, mit der derFunktionswert yξ(t) zum Zeitpunkt t kleiner oder höchstens gleich y ist.

Hieraus folgt sofort die Wahrscheinlichkeitsdichte als partielle Ableitung der Wahr-scheinlichkeitsverteilung.

Definition 6.3 WahrscheinlichkeitsdichteDie Wahrscheinlichkeitsdichte eines stochastischen Prozesses Y(t, ξ) ist

fY(y, t) =∂FY(y, t)

∂ymit

∞∫−∞

fY(y, t) dy = 1.

Sowohl die Wahrscheinlichkeitsverteilung als auch die Wahrscheinlichkeitsdichtehängen im allgemeinen von der Zeit t ab. Die partielle Ableitung in Definition 6.3ist als verallgemeinerte Ableitung anzusehen. An Stellen, an denen in der Wahr-scheinlichkeitsverteilung Sprünge auftreten, enthält die Wahrscheinlichkeitsdichteδ-Distributionen.

Diese Definitionen lassen sich auf mehrdimensionale stochastische Prozesse aus-dehnen. Wir wollen uns hier auf zweidimensionale Prozesse beschränken. Betrach-tet man zwei verschiedene Zufallsprozesse X(t, ξ) und Y(t, ξ) zu festen Zeitpunktent1, t2, so erhält man

Definition 6.4 Wahrscheinlichkeitsverteilung zweier stochastischer Prozesse

FXY(x, y, t1, t2) = Pxξ(t1) ≤ x ∩ yξ(t2) ≤ y.

Definition 6.5 Wahrscheinlichkeitsdichte zweier stochastischer Prozesse

fXY(x, y, t1, t2) =∂2FXY(x, y, t1, t2)

∂x∂y.

Im Gegensatz zur Wahrscheinlichkeitsdichte zweier Zufallsvariablen lässt sich beistochastischen Prozessen X(t, ξ) auch eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichtebei Betrachtung zweier verschiedener Zeitpunkte t1, t2 angeben.

Definition 6.6 Gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung

FXX(x1, x2, t1, t2) = Pxξ(t1) ≤ x1 ∩ xξ(t2) ≤ x2.

Page 197: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

192 6. Korrelationsmesstechnik

Definition 6.7 Gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichte

fXX(x1, x2, t1, t2) =∂2FXX(x1, x2, t1, t2)

∂x1∂x2.

Bei zweidimensionalen stochastischen Prozessen kommt noch der Begriff der sta-tistischen Unabhängigkeit hinzu.

Definition 6.8 Statistische UnabhängigkeitZwei stochastische Prozesse X(t, ξ) und Y(t, ξ) nennt man statistisch unabhängig,wenn für alle Zeiten t1, t2 gilt:

FXY(x, y, t1, t2) = FX(x, t1) · FY(y, t2) bzw.

fXY(x, y, t1, t2) = fX(x, t1) · fY(y, t2).

Statistische Unabhängigkeit ist eine Eigenschaft, die experimentell höchstens nä-herungsweise nachgewiesen werden kann. Bei der Formulierung eines Modells fürein Messsystem kann sie meist nur als Voraussetzung angenommen werden. Die-se Voraussetzung ist in der Regel berechtigt, wenn die stochastischen Signale un-terschiedliche Ursachen haben. Der große Vorteil der statistischen Unabhängigkeitliegt in der wesentlich vereinfachten Modellanalyse. Man wird daher oft mit statisti-scher Unabhängigkeit arbeiten, selbst wenn die Quellen der stochastischen Signalenicht völlig unabhängig voneinander sind, vorhandene Abhängigkeiten aber nichtinteressieren.

6.1.2 Schar- und Zeitmittelwerte, Momente 1. Ordnung

Stochastische Prozesse sind Funktionen von zwei Parametern ξ und t. Bei der Be-schreibung zufälliger Signale dominiert meist der Parameter t, der als Zeit interpre-tiert wird. Es wird daher in der Literatur sehr oft nur dieser Parameter explizit ange-geben. Bei der Bildung von Mittelwerten, bzw. allgemeinen Erwartungswerten gibtes entsprechend der beiden Parameter zwei mögliche Vorgehensweisen (Abb. 6.1):

1. Erwartungswert über alle Musterfunktionen yξ(t) bei festem t:Man nennt ihn Scharmittelwert. Er gibt an, welchen Mittelwert der Zufallspro-zess zu einem Zeitpunkt t hat, und hängt im allgemeinen von der Zeit ab.

2. Erwartungswert über den Parameter t einer Musterfunktion yi(t) :Man nennt ihn Zeitmittelwert. Im allgemeinen sind die Zeitmittelwerte einzel-ner Musterfunktionen eines Prozesses verschieden und damit vom Parameter ξabhängig.

Erwartungswerte von stochastischen Prozessen sind immer Erwartungswerte überalle Musterfunktionen zu einem festen Zeitpunkt t. Entsprechend der Momenten-Definition für Zufallsvariable sind die Momente für stochastische Prozesse um denParameter t erweitert.

Page 198: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.1 Stochastische Prozesse 193

t

x(t)

t

t

t

Zeitmittelwerte

Scha

rmitt

elw

erte

x (t)1

Musterfunktion

x (t)2

x (t)3

x (t)4

Abbildung 6.1. Mittelwertbildung als Zeitmittelwert oder Scharmittelwert

Definition 6.9 Moment eines stochastischen ProzessesDas n-te Moment eines stochastischen Prozesses Y(t, ξ) ist definiert zu

µy,n(t) = Eyn(t) =

∞∫−∞

yn fY(y, t) dy.

Das erste Moment µy(t) ist der zeitabhängige Mittelwert y(t) oder auch Scharmit-telwert.

Definition 6.10 Zentrales Moment eines stochastischen ProzessesDas n-te zentrale Moment eines stochastischen Prozesses Y(t, ξ) ist definiert zu

E(y(t) − Ey(t))n =

∞∫−∞

(y − Ey(t))n fY(y, t) dy.

Das zweite zentrale Moment ist die zeitabhängige Varianz σ2y(t).

Es ist einleuchtend, dass die Erwartungswertbildung über alle Musterfunktionenpraktisch nicht durchführbar ist. Selbst mit einer begrenzten Zahl von Musterfunk-

Page 199: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

194 6. Korrelationsmesstechnik

tionen zu arbeiten wird in der Praxis schwierig sein, benötigt man doch zur gleichenZeit N identische Systeme, die verschiedene Musterfunktionen des stochastischenProzesses erzeugen. Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch Scharmit-telwerte durch Zeitmittelwerte ersetzt werden (siehe ergodische Prozesse). Dies er-leichtert die messtechnische Erfassung der Momente ungemein.

6.1.3 Momente 2. Ordnung

Zu den Momenten zweiter Ordnung gelangt man durch das „Festhalten“ von zweiZeitpunkten t1 und t2. Betrachtet man ein und denselben stochastischen Prozess,so führt dies auf die Autokorrelation (Moment 2. Ordnung) und die Autokovarianz(zentrales Moment 2. Ordnung).

Definition 6.11 AutokorrelationsfunktionDie Autokorrelation (AKF) eines stochastischen Prozesses Y(t, ξ) ist definiert als

Ryy(t1, t2) = Ey(t1)y(t2) =

∞∫−∞

∞∫−∞

y1y2 fYY(y1, y2, t1, t2) dy1dy2.

Definition 6.12 AutokovarianzfunktionDie Autokovarianz (AKV) eines stochastischen Prozesses Y(t, ξ) ist definiert als

Cyy(t1, t2) = E(

y(t1) − Ey(t1))(

y(t2) − Ey(t2))

=

∞∫−∞

∞∫−∞

(y1 − µy(t1)

)(y2 − µy(t2)

)fYY(y1, y2, t1, t2) dy1dy2.

Die Autokorrelation unterscheidet sich von der Autokovarianz nur um die Mittel-werte:

Cyy = Ryy − µy(t1)µy(t2).

Betrachtet man zwei stochastische Prozesse zu verschiedenen Zeitpunkten t1 und t2,so erhält man als Momente zweiter Ordnung die Kreuzkorrelation und die Kreuz-kovarianz.

Definition 6.13 KreuzkorrelationsfunktionDie Kreuzkorrelation (KKF) zweier stochastischer Prozesse X(t, ξ), Y(t, ξ) ist defi-niert als

Rxy(t1, t2) = Ex(t1)y(t2)

=

∞∫−∞

∞∫−∞

xy fXY(x, y, t1, t2) dxdy.

Page 200: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.1 Stochastische Prozesse 195

Definition 6.14 KreuzkovarianzfunktionDie Kreuzkovarianz (KKV) zweier stochastischer Prozesse X(t, ξ), Y(t, ξ) ist defi-niert als

Cxy(t1, t2) = E(

x(t1) − Ex(t1))(

y(t2) − Ey(t2))

=

∞∫−∞

∞∫−∞

(x − µx(t1)

)(y − µy(t2)

)fXY(x, y, t1, t2) dxdy.

Durch die Betrachtung von Prozessen zu verschiedenen Zeitpunkten ist es mög-lich, Aussagen über die „Zufälligkeit“ des Prozesses zu machen (Erhaltungsten-denz). Auch die Ähnlichkeit zweier zufälliger Signale zu unterschiedlichen Zeitenkann mit Hilfe der Momente zweiter Ordnung untersucht werden. Deshalb habenKorrelationsfunktionen in der Praxis eine große Bedeutung. Ihre Eigenschaften undAnwendungen werden daher in Abschn. 6.2 gesondert besprochen.

Definition 6.15 UnkorreliertheitZwei stochastische Prozesse X(t, ξ), Y(t, ξ) sind unkorreliert, wenn für alle Zeitengilt, dass

Ex(t1)y(t2)

= E

x(t1)

· Ey(t2)

.

Sind zwei Prozesse nach Def. 6.8 statistisch unabhängig, so folgt daraus immerUnkorreliertheit. Die Umkehrung des Satzes ist jedoch allgemein nicht zugelassen.Sie gilt nur für den Spezialfall normalverteilter Prozesse! Unkorreliertheit ist somit–verglichen mit statistischer Unabhängigkeit –die schwächere Eigenschaft. Physi-kalisch drücken beide fehlende Kopplungen zwischen beiden Prozessen aus, die beiUnkorreliertheit jedoch nur für die Momente 1. Ordnung gesichert sind.

6.1.4 Stationäre Prozesse

Allgemein sind die Wahrscheinlichkeitsverteilungen bzw. -dichten eines stochasti-schen Prozesses zeitabhängig. Dies hat zur Folge, dass die Momente Funktionen derZeit t sind. Die Korrelation und die Kovarianz sind Funktionen der Zeiten t1 und t2.Wesentliche Vereinfachungen treten ein, wenn sich die statistischen Eigenschafteneines Prozesses bei Verschiebung der Zeitachse nicht ändern.

Definition 6.16 StationaritätEin stochastischer Prozess heißt stationär, wenn seine statistischen Eigenschafteninvariant gegenüber Verschiebungen der Zeit sind.Zwei stochastische Prozesse heißen verbunden stationär, wenn beide stationär undihre gemeinsamen statistischen Eigenschaften invariant gegenüber Verschiebungender Zeit sind.

Page 201: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

196 6. Korrelationsmesstechnik

Stationarität bedeutet, dass die Zeitabhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsdichtenund die der Momente verschwindet. So gilt

FY(y, t) = FY(y, t + t0) = FY(y) und

fY(y, t) = fY(y, t + t0) = fY(y).

Abhängigkeiten von zwei Zeitpunkten t1 und t2 vereinfachen sich bei Stationaritätauf die Abhängigkeit von der Differenz τ = t2 − t1 dieser Zeitpunkte:

fYY(y1, y2, t1, t2) = fYY(y1, y2, t1 + t0, t2 + t0) = fYY(y1, y2, τ).

Für zwei verbunden stationäre Prozesse gilt zusätzlich

fXY(x, y, t1, t2) = fXY(x, y, t1 + t0, t2 + t0) = fXY(x, y, τ).

Insbesondere gilt für die Momente erster und zweiter Ordnung:

µy,n(t) = Eyn(t) = µy,n,

Ryy(t1, t2) = Ey(t + τ)y(t) = Ryy(τ),

Rxy(t1, t2) = Ex(t + τ)y(t) = Rxy(τ).

Definition 6.17 Schwache StationaritätEin stochastischer Prozess heißt schwach stationär, wenn die Invarianz gegenüberVerschiebungen der Zeit nur für die Momente erster und zweiter Ordnung gilt.

Hieraus folgt, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung bzw. -dichte selbst nicht in-variant gegenüber einer Zeitverschiebung sind. Nur die Mittelwerte, Korrelationenund Kovarianzen sind nicht vom absoluten Zeitpunkt abhängig.

6.1.5 Ergodische Prozesse

Bei der Bestimmung des ersten Moments eines allgemeinen stochastischen Prozes-ses wird nach Def. 6.9 zu einem festen Zeitpunkt t über die Schar aller möglichenMusterfunktionen yξ(t) gemittelt. Dies nennt man Scharmittelwert. Mittelt man hin-gegen über alle Zeiten t bei einer festen Musterfunktion yξ0(t), so spricht man vomZeitmittelwert. Dieser kann für jede Musterfunktion verschieden sein. Es gibt je-doch eine, für die Anwendung wichtige Klasse von stationären, stochastischen Pro-zessen, bei denen Scharmittelwerte und Zeitmittelwerte vertauscht werden dürfen.Man nennt derartige Prozesse ergodisch.

Definition 6.18 ErgodizitätEin stochastischer Prozess heißt ergodisch, wenn die Zeitmittelwerte einer beliebi-gen Musterfunktion mit der Wahrscheinlichkeit eins mit den entsprechenden Schar-mittelwerten übereinstimmen.

Page 202: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.1 Stochastische Prozesse 197

Stationarität ist in jedem Fall die Voraussetzung für Ergodizität. Dies geht schondaraus hervor, dass die Momente instationärer Prozesse zeitabhängig sind und somitnicht für alle Zeiten mit den zeitunabhängigen Zeitmittelwerten übereinstimmenkönnen.

Definition 6.19 Schwache ErgodizitätEin stochastischer Prozess heißt schwach ergodisch, wenn die Zeitmittelwerte fürdie Momente erster und zweiter Ordnung einer beliebigen Musterfunktion mit derWahrscheinlichkeit eins mit den entsprechenden Scharmittelwerten übereinstimmen.

Für die praktische Anwendung bringt die Ergodizität große Vorteile mit sich. Es istnun möglich, sich auf die Untersuchung einer einzigen Musterfunktion zu beschrän-ken. Ihr zeitlicher Verlauf beinhaltet alle statistischen Eigenschaften des zugrundeliegenden stochastischen Prozesses. Allerdings lässt sich der mathematisch stren-ge Nachweis der Ergodizität höchstens in Sonderfällen erbringen. In den meistenAnwendungen kann daher die Ergodizität des stochastischen Prozesses nur ange-nommen werden.

Für die Berechnung der Momente eines ergodischen Prozesses gelten folgende Re-geln, unter Annahme einer festen Musterfunktion yξ0(t):

Satz 6.1 MomentDas n-te Moment eines ergodischen Prozesses berechnet sich als Zeitmittelwert

µy,n = limT→∞

1

2T

T∫−T

ynξ0

(t) dt.

Satz 6.2 KorrelationDie Korrelation zweier ergodischer Prozesse berechnet sich entsprechend zu

Rxy(τ) = limT→∞

1

2T

T∫−T

xξ0(t + τ)y∗ξ1

(t) dt.

Satz 6.3 KovarianzDie Kovarianz zweier ergodischer Prozesse berechnet sich zu

Cxy(τ) = limT→∞

1

2T

T∫−T

(xξ0 (t + τ) − µx)(yξ1(t) − µy) dt.

AnmerkungNatürlich kann der Grenzübergang T → ∞ in praktischen Anwendungen nichtdurchgeführt werden. Bei der Bestimmung der Momente ist man daher bei Auswer-tung der Integrale auf ein endliches Zeitintervall beschränkt. Man erhält daher nur

Page 203: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

198 6. Korrelationsmesstechnik

Schätzwerte für die Momente des Prozesses. So wird beispielsweise der Mittelwertdurch folgenden Ausdruck geschätzt:

y(t) =1

T

t+T∫t

y(t) dt. (6.1)

Man nennt ihn gleitenden Mittelwert (moving average). Er ist, im Gegensatz zumMittelwert µy im allgemeinen zeitabhängig.

Beispiel 6.3 Schwach stationärer, ergodischer ProzessGegeben sei der Zufallsprozess Y aus Beispiel 6.2 mit Musterfunktionen

yi = sin(ωt + ϕi),

wobei die Kreisfrequenz ω fest ist, die Phase ϕi aber rein zufällig ist. Die Phasen-winkel seien gleichverteilt. Der Prozess ist schwach stationär, weil die Erwartungs-werte zweiter Ordnung nur von der Differenz der Beobachtungszeitpunkte abhän-gen. Für den Scharmittelwert erhält man

Ryy(t1, t2) = Esin(ωt1 + ϕ) sin(ωt2 + ϕ)

=1

2π∫0

sin(ωt1 + ϕ) sin(ωt2 + ϕ) dϕ

=1

2cos(ωt1 − ωt2) =

1

2cos(ωτ) mit τ = t1 − t2

⇒ schwache Stationarität.

Der Prozess ist darüber hinaus auch ergodisch, was man über die Berechnung desZeitmittelwertes nach Satz 6.2 zeigen kann:

yi(t + τ)yi(t) = limT→∞

1

2T

T∫−T

sin(ωt + ωτ + ϕ) sin(ωt + ϕ) dt

= limT→∞

1

4T

⎡⎣ T∫−T

cos(ωτ) dt −T∫

−T

cos(2ωt + ωτ + 2ϕ) dt

⎤⎦= lim

T→∞1

4T

[2T cos(ωτ) − 1

2ωsin(2ωt + ωτ + 2ϕ)

∣∣∣∣T−T

]

=1

2cos(ωτ) − lim

T→∞1

4Tω[sin(2ωT + ωτ + 2ϕ)]︸ ︷︷ ︸

=0

=1

2cos(ωτ) = Ryy(τ) ⇒ schwache Ergodizität.

Schar- und Zeitmittelwerte stimmen also überein.

Page 204: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.2 Korrelationsfunktionen 199

Beispiel 6.4 Schwach stationärer, nicht ergodischer ProzessGegeben sei der Zufallsprozess Y mit folgenden Musterfunktionen

yi = ai sin(ωt + ϕi),

wobei die Kreisfrequenz ω fest ist, die Phase ϕi und die Amplitude ai aber reinzufällig sind. Die Phasenwinkel und Amplituden seien gleichverteilt. Aus dem vor-herigen Beispiel ergibt sich die Korrelationsfunktion zu

Ryy(t1, t2) = Ea sin(ωt1 + ϕ)a sin(ωt2 + ϕ)= Ea2Esin(ωt1 + ϕ) sin(ωt2 + ϕ)= Ea21

2cos(ωt1 − ωt2) = Ea21

2cos(ωτ) τ = t1 − t2

⇒ schwache Stationarität.

Führt man die Berechnung der AKF über die Zeitmittelwerte durch so erhält mananalog zum obigen Beispiel:

yi(t + τ)yi(t) = limT→∞

1

2T

T∫−T

a2i sin(ωt + ωτ + ϕ) sin(ωt + ϕ) dt

= a2i

1

2cos(ωτ) = Ryy(τ).

Der Prozess ist nicht ergodisch, da sich Zeit- und Scharmittelwerte unterscheiden.

6.2 Korrelationsfunktionen

6.2.1 Signalklassen

Wir haben kennen gelernt, dass die Erhaltungstendenz von stochastischen Prozessenoder deren Musterfunktionen mit Hilfe der Korrelation beschrieben werden kann.Damit gelingt es, zwei zunächst völlig regellose Signale miteinander zu verglei-chen. Es soll nun untersucht werden, wie man die Korrelation für verschiedene Si-gnalklassen anwenden kann.

Ausgehend von einem allgemeinen stochastischen Prozess, der alle möglichen Zeit-funktionen als Musterfunktionen beinhalten kann, sollen die Musterfunktionen in3 Klassen gegliedert werden. Wir betrachten zunächst den allgemeinen Fall vonFunktionen auf einem Zeitintervall −∞ . . .∞.

Page 205: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

200 6. Korrelationsmesstechnik

Definition 6.20 EnergiesignaleEin beschränktes, stückweise stetiges Signal x(t), für das

∞∫−∞

x(t)x∗(t) dt < ∞

gilt, nennt man Energiesignal.

Der Name kommt von der physikalischen Interpretation, da das Integral als Energieinterpretiert werden kann. Damit die Konvergenz des Integrals gesichert ist, müssendie Signale für große Zeiten verschwinden,

limt→±∞x(t) = 0.

Typische Vertreter von Energiesignalen sind beispielsweise Impulsantworten stabi-ler LTI-Systeme.

Definition 6.21 LeistungssignaleEin beschränktes, stückweise stetiges Signal x(t), für das das Integral

∞∫−∞

x(t)x∗(t) dt

divergiert, jedoch folgender Grenzübergang

limT→∞

1

2T

T∫−T

x(t)x∗(t) dt < ∞

existiert, nennt man Leistungssignal.

Das Integral mit Grenzübergang lässt sich physikalisch als mittlere Leistung inter-pretieren. Die Klasse der beschränkten, periodischen Signale sind Leistungssignale.

Definition 6.22 sonstige SignaleAlle Zeitfunktionen, für die die Integrale

∞∫−∞

x(t)x∗(t) dt und limT→∞

1

2T

T∫−T

x(t)x∗(t) dt

nicht existieren, nicht stetig oder unbeschränkt sind, werden als sonstige Signaleklassifiziert.

In die Klasse der sonstigen Signale fällt ein Großteil der Funktionen. Wir wollenuns im weiteren Verlauf nur mit Energie- und Leistungssignalen beschäftigen, dafür diese Signale die Analysemethoden der Systemtheorie anwendbar sind.

Page 206: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.2 Korrelationsfunktionen 201

Ergodische Prozesse: Nach der Unterteilung in Signalklassen soll kurz erläutertwerden, welche Signale Musterfunktionen ergodischer Prozesse sein können. NachBeispiel 6.3 ist eine harmonische Schwingung mit zufälliger Phase ein ergodischerProzess. Daraus schließt man, dass Leistungssignale Musterfunktionen ergodischerProzesse sein können. Die Bildung von Zeitmittelwerten ist also erlaubt.

Energiesignale hingegen können keine Musterfunktionen ergodischer Prozesse sein,da sie nicht stationär sind!

limt→±∞x(t) = 0 ⇒ µx,n(t → ∞) = 0

⇒ keine Stationarität.

Da nach Voraussetzung Energiesignale für t → ∞ verschwinden, verschwindenauch deren 1. Momente. Damit ist die Zeitunabhängigkeit der Momente für Ener-giesignale verletzt.

Funktionenräume: Für Energie- und Leistungssignale lassen sich Funktionenräu-me definieren, wenn man als quadratische Norm ‖x(t)‖2 den jeweiligen konvergie-renden Integralausdruck setzt [23].

Definition 6.23 Norm und Innenprodukt für EnergiesignaleDie quadratische Norm eines Energiesignals ist

‖x(t)‖2 =

∞∫−∞

x(t)x∗(t) dt < ∞.

Für das Innenprodukt gilt

〈x(t), y(t)〉 =

∞∫−∞

x(t)y∗(t) dt.

Definition 6.24 Norm und Innenprodukt für LeistungssignaleDie quadratische Norm eines Leistungssignals ist

‖x(t)‖2 = limT→∞

1

2T

T∫−T

x(t)x∗(t) dt < ∞.

Für das Innenprodukt gilt

〈x(t), y(t)〉 = limT→∞

1

2T

T∫−T

x(t)y∗(t) dt.

Page 207: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

202 6. Korrelationsmesstechnik

In beiden Funktionenräumen gilt die Schwarzsche Ungleichung, die hier ohne Be-weis angegeben wird (Beweis in [23]).

Satz 6.4 Schwarzsche Ungleichung

|〈x(t), y(t)〉|2 ≤ ‖x(t)‖2 · ‖y(t)‖2.

In der praktischen Anwendung ist ein Zeitintervall −∞ . . .∞ zur Messung vonSignalen nicht möglich. Man wird es daher immer mit zeitbegrenzten Funktionenzu tun haben. Im endlichen Zeitintervall t1 . . . t2 konvergiert das Integral

t2∫t1

x(t)x∗(t) dt < ∞.

für beschränkte stückweise stetige Funktionen immer. Für die spätere Anwendunggeht man aber implizit von einer periodischen Fortsetzung des Signals außerhalbdes Zeitintervalls über alle Zeiten aus (Fourier-Reihe, DFT). Dadurch lassen sichdie Signale in die Klasse der Leistungssignale einordnen.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Signalklassen und die möglichenVerfahren zur Signalanalyse.

Tabelle 6.1. Signalklassen und Verfahren, ⊗: zulässig, [⊗]Dist eingeschränkt zulässig, unterVerwendung der Distributionstheorie, ∗)Korrelation nicht im statistischen Sinn

Energiesignale Leistungssignale Sonstige

Stochastik ⊗ ⊗ ⊗Ergodizität ⊗Korrelation mit Zeitfunktion ⊗∗) ⊗Fourier-Reihe ⊗Fourier-Transformation ⊗ [⊗]Dist

zeitdiskrete Fourier-Transformation ⊗ [⊗]Dist

diskrete Fourier-Transformation ⊗ ⊗

6.2.2 Korrelation für Leistungssignale

Für Leistungssignale ist die Kreuzkorrelation definiert über das Innenprodukt:

Rxy(τ) = 〈x(t + τ), y(t)〉

= limT→∞

1

T

T/2∫−T/2

x(t + τ)y∗(t)dt. (6.2)

Page 208: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.2 Korrelationsfunktionen 203

Diese Definition ist identisch mit der Berechnung der Korrelation ergodischer Pro-zesse nach Satz 6.2. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, da wir zuvor fest-gestellt haben, dass Leistungssignale Musterfunktionen ergodischer Prozesse seinkönnen.

Nach der Schwarzschen Ungleichung

|〈x(t + τ), y(t)〉|2 ≤ ‖x(t)‖2 · ‖y(t)‖2

gilt ∣∣∣∣∣∣∣ limT→∞

1

T

T/2∫−T/2

x(t + τ)y∗(t)dt

∣∣∣∣∣∣∣2

≤ limT→∞

1

T

T/2∫−T/2

x(t + τ)x∗(t + τ)dt ·

· limT→∞

1

T

T/2∫−T/2

y(t)y∗(t)dt,

|Rxy(τ)|2 ≤ Px · Py < ∞. (6.3)

Das bedeutet, das Betragsquadrat des Innenproduktes der Leistungssignale x(t) undy(t) ist kleiner gleich dem Produkt der Signalleistungen Px ·Py . Die Leistung einesSignals erhält man mit der Autokorrelationsfunktion für τ = 0:

Rxx(0) = 〈x(t), x(t)〉 = ‖x(t)‖2 = Px. (6.4)

Beispiel 6.5 Korrelation zweier LeistungssignaleGegeben sind die beiden Signale

x(t) = sin(2πf0t), y(t) = cos(2πf0t).

Die Kreuzkorrelation für Leistungssignale ist nach Gl.(6.2)

Rxy(τ) = limT→∞

1

T

T/2∫−T/2

x(t + τ)y∗(t)dt

= limT→∞

1

T

T/2∫−T/2

sin(2πf0(t + τ)) cos(2πf0t)dt

= limT→∞

[cos(2πf0τ)

[1

4πf0Tsin2(2πf0t)

]T/2

−T/2

+

+ sin(2πf0τ)

[t

2T+

1

8πf0Tsin(4πf0t)

]T/2

−T/2

]

=1

2sin(2πf0τ).

Page 209: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

204 6. Korrelationsmesstechnik

6.2.3 Korrelation für Energiesignale

Da Energiesignale nicht zu den ergodischen Prozessen gehören, ist die Berechnungeiner Korrelation nach Satz 6.2 nicht möglich. Für die wichtige Anwendung desSignalvergleichs lässt sich aber auch für Energiesignale eine Korrelationsfunktionüber das Innenprodukt angeben. Das Innenprodukt ist für quadratisch integrierbareFunktionen x(t) und y(t)

RExy(τ) = 〈x(t + τ), y(t)〉

=

∞∫−∞

x(t + τ)y∗(t) dt < ∞. (6.5)

Der Zusatz E in RExy(τ) kennzeichnet die abweichende Berechnungsvorschrift und

die Tatsache, dass es sich hier nicht mehr um eine Korrelationsfunktion im stocha-stischen Sinn handelt. Vielfach spricht man bei Gl.(6.5) auch von Impulskorrelation,da es sich bei Energiesignalen im allgemeinen um Impulsantworten stabiler LTI-Systeme handelt.

Die Korrelation in Gl.(6.5) kann auch als Faltung interpretiert werden:

RExy(τ) = x(τ) ∗ y∗(−τ). (6.6)

Die Autokorrelationsfunktion

RExx(τ) = 〈x(t + τ), x(t)〉 =

∞∫−∞

x(t + τ)x∗(t) dt (6.7)

ist für τ = 0

RExx(0) = 〈x(t), x(t)〉 = ‖x(t)‖2 = Ex (6.8)

gerade gleich der Signalenergie. Aufgrund der Schwarzschen Ungleichung

|〈x(t + τ), y(t)〉|2 ≤ ‖x(t)‖2 · ‖y(t)‖2,∣∣∣∣∣∣∞∫

−∞x(t + τ)y∗(t)dt

∣∣∣∣∣∣ ≤∞∫

−∞x(t)x∗(t)dt ·

∞∫−∞

y(t)y∗(t)dt,

|RExy(τ)|2 ≤ Ex · Ey < ∞

konvergiert das Korrelationsintegral, wenn x(t) und y(t) eine endliche Norm besit-zen, d.h. eine endliche Signalenergie haben. Für Energiesignale geht die Energie-dichte im Zeitbereich

sxx(t) = x(t)x∗(t) = |x(t)|2

Page 210: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.2 Korrelationsfunktionen 205

für große Zeiten gegen Null, weil nur so das Integral konvergiert,

limt→±∞

sxx(t) = 0.

Das gleiche gilt für die Energiedichte im Frequenzbereich:

limf→±∞

Sxx(f) = 0.

Aufgrund der Parsevalschen Beziehung ist die Signalenergie

Ex =

∞∫−∞

sxx(t)dt = ‖x(t)‖2 = ‖X(f)‖2 =

∞∫−∞

Sxx(f)df. (6.9)

Das Korrelationsintegral RExy(τ) konvergiert auch dann, wenn nur eines der beiden

Signale x(t) oder y(t) ein Energiesignal ist. Das liegt daran, dass das eine Energie-signal den Integranden x(t + τ)y∗(t) für große Zeiten t zu Null werden lässt. DasEnergiesignal im Produkt x(t + τ)y∗(t) wirkt für das zweite Signal mit unendlichhoher Energie (Leistungssignal) als Fensterfunktion.

Beispiel 6.6 Korrelation von Energie–und LeistungssignalGegeben sind die beiden Signale

x(t) = rT (t), y(t) = sin(2πf0t).

Die Signalenergien sind nach Gl.(6.9)

Ex =

∞∫−∞

r2T (t)dt =

T/2∫−T/2

1

T 2dt =

1

T,

Ey =

∞∫−∞

sin2(2πf0t)dt =

[1

2t − 1

8πf0sin(4πf0t)

]∞−∞

= ∞.

Dabei ist zu beachten, dass die Fensterfunktion rT (t) auf die Fläche 1 normiert ist,nicht auf die Signalenergie 1. Die Kreuzkorrelation der beiden Signale ist

RExy(τ) =

∞∫−∞

rT (t + τ) sin(2πf0t)dt =1

T

T2 +τ∫

−T2 +τ

sin(2πf0t)dt

= sin(2πf0τ)sin(πf0T )

πf0T.

Page 211: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

206 6. Korrelationsmesstechnik

6.2.4 Eigenschaften

Im folgenden werden die wichtigsten Eigenschaften der Korrelationsfunktionen sta-tionärer Prozesse zusammengefasst. Die Darstellung erfolgt für allgemeine, kom-plexwertige Prozesse.

Tabelle 6.2. Eigenschaften von Auto- und Kreuzkorrelation

Eigenschaften der Autokorrelationsfunktion

Maximalwert: Rxx(τ )

≤ Rxx(0) = σ2

x + µ2x

Symmetrie: Rxx(τ ) = R∗xx(−τ )

Unkorreliertheit für |τ | → ∞: lim|τ |→∞

Rxx(τ ) = µ2x

Periodische Funktionen (Periode T ): Rxx(τ ) = Rxx(τ + T )

Eigenschaften der Kreuzkorrelationsfunktion

Maximalwert: Rxy(τ )

≤ 1/2(Rxx(0) + Ryy(0))

Symmetrie: Rxy(τ ) = R∗yx(−τ ) = R∗

xy(−τ )

Unkorreliertheit für |τ | → ∞: lim|τ |→∞

Rxy(τ ) = µx · µ∗y

Unkorreliertheit von x(t) und y(t): Rxy(τ ) = µx · µ∗y ∀ τ

Die Maximalwerte der Korrelation lassen sich durch folgende, immer positiveGröße abschätzen:

E|x(t + τ) − y(t)|2 ≥ 0.

Beweis: Spaltet man die Erwartungswerte auf, so führt dies auf

E|x(t + τ)|2−E

x(t + τ)y∗(t)

−Ex∗(t + τ)y(t)

︸ ︷︷ ︸[x(t+τ)y∗(t)]∗

+E|y(t)|2≥0,

E|x(t + τ)|2 + E

|y(t)|2 ≥ 2Ex(t + τ)y∗(t)

,

Rxy(τ) ≤ 1

2(Rxx(0) + Ryy(0)).

Für die Autokorrelation folgt mit y(t) = x(t)

Rxx(τ) ≤ Rxx(0).

Page 212: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.3 Anwendung der Korrelation 207

Die Symmetrie der Autokorrelation Rxx(τ) bezüglich τ = 0 kann durch Substituti-on von t′ = t+ τ gezeigt werden. Die Substitution ist erlaubt, da Rxx(τ) nicht vomabsoluten Zeitpunkt t abhängig ist,

Ex(t + τ)x∗(t)

= E

x(t′)x∗(t′ − τ)

= E

[x(t′ − τ)x∗(t′)]∗

.

Daraus folgt unmittelbar die Symmetrieeigenschaft

Rxx(τ) = R∗xx(−τ).

Sind zwei Größen unkorreliert, so zerfällt nach Def. 6.15 das Moment 2.Ordnungin das Produkt zweier Momente 1. Ordnung. Es gilt dann für die Korrelation zweierunkorrelierter Größen

Ex(t + τ)y∗(t)

= E

x(t + τ)

· Ey∗(t)

.

Sind die Signale x(t) und y(t) unkorreliert so folgt daraus

Rxy(τ) = Ex(t + τ)

· Ey∗(t)

= µxµ∗

y.

Die Unkorreliertheit gilt meist nur für τ → ∞, da dann weit auseinander liegendeSignalwerte keine Verwandtschaft mehr besitzen. Periodische Signale sind auch fürτ → ∞ nicht unkorreliert!

6.3 Anwendung der Korrelation

Im folgenden werden einige wichtige Anwendungen der Korrelationsfunktionen inder Messtechnik vorgestellt. Auf die Vielzahl der Anwendungen im Bereich derSignalübertragung und Nachrichtentechnik kann in diesem Rahmen aber nicht ein-gegangen werden.

6.3.1 Messung von Korrelationsfunktionen

Korrelationsfunktionen sind mathematisch und nicht durch eine (physikalische)Messvorschrift definiert. Durch Messungen lassen sich daher immer nur Schätz-werte bestimmen. Hierbei tritt eine Reihe von Schwierigkeiten auf, die in dem Ge-gensatz zwischen mathematischer Definition und messtechnischen Möglichkeitenbegründet liegen.

1. Aus der Schar der Musterfunktionen eines Zufallsprozesses ist in der Regel nureine einzelne Musterfunktion y(t) für eine Messung verfügbar.

2. Anstelle des Scharmittelwertes muss folglich ein Zeitmittelwert gemessen wer-den.

Page 213: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

208 6. Korrelationsmesstechnik

3. Bei Messungen in Echtzeit, d.h. von nicht zuvor aufgezeichneten Signalen, las-sen sich die momentanen Signalwerte nur mit Werten aus der Vergangenheitverknüpfen (kausales System). Es lassen sich also nur negative Werte von τrealisieren.

4. Die Messung ist auf ein endliches Zeitintervall beschränkt.

Der erste Punkt dieser Einschränkung bereitet formal dann keine Schwierigkei-ten, wenn der zugrundeliegende Prozess ergodisch ist. In diesem Fall kann einebeliebige Musterfunktion für die Messung benutzt werden. Darf für den ProzessErgodizität nicht angenommen werden, so schließt das nicht aus, dass einzelne Mu-sterfunktionen –aber eben nicht alle möglichen Musterfunktionen –repräsentativ fürden Prozess sind. Eine geeignete Auswahl ist notwendig.

Der zweite Punkt hängt eng mit dem ersten zusammen. Für einzelne Musterfunk-tionen lassen sich nur Zeitmittelwerte bestimmen, was bei ergodischen Prozessenkeine Einschränkung bedeutet. Es bedeutet aber, dass Korrelationsfunktionen nurfür stationäre Prozesse gemessen werden können. Nur die Korrelation für Energie-signale erlaubt für diese spezielle Signalklasse die Messung einer Korrelation fürnicht stationäre Signale.

Die Echtzeitmessung (dritter Punkt) verlangt negative Zeitverschiebungen τ . Diesstellt aber in sofern keine Einschränkung dar, weil die Symmetrieeigenschaften derKorrelationsfunktionen bekannt sind.

Der vierte Punkt enthält das schwerwiegendste Problem bei der Messung aller sta-tistischen Kenngrößen: Die Messung muss nach endlicher Zeit abgebrochen wer-den. Bei der Messung von Korrelationen bedeutet dies, dass nur Kurzzeitkorre-lationsfunktionen gemessen werden können. Man erhält damit einen SchätzwertRxx(τ) für die Korrelation, der selbst wieder eine Zufallsgröße ist:

Rxx(τ) =1

T

T∫0

x(t + τ)x∗(t) dt.

Heute wird die Korrelation meist in einem Rechner ermittelt. Dabei stehen nur Nzeitdiskrete Abtastwerte xn des Signals x(t) zur Verfügung. Die Korrelation wirddabei durch die Summe der Abtastwerte geschätzt [21],

Rxx(k) =1

N

N−1−k∑n=0

xn+kx∗n mit |k| = 0, 1, 2, . . .M N.

Page 214: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.3 Anwendung der Korrelation 209

6.3.2 Ähnlichkeit von Signalen, Laufzeitmessung

Die Kreuzkorrelation ist ein Maß für die Ähnlichkeit zweier um τ zeitverschobener,reeller Signale x(t) und y(t). Die Distanz der beiden Signale ist die quadratischeNorm

‖x(t + τ) − y(t)‖2 = 〈x(t + τ) − y(t), x(t + τ) − y(t)〉= 〈x(t + τ), x(t + τ)〉 + 〈y(t), y(t)〉− 〈x(t + τ), y(t)〉 − 〈y(t), x(t + τ)〉︸ ︷︷ ︸

2〈x(t+τ),y(t)〉=2Rxy(τ)

= ‖x(t)‖2 + ‖y(t)‖2 − 2Rxy(τ). (6.10)

Bei minimaler Distanz der Signale ist deren Ähnlichkeit maximal, d.h. die Kreuz-korrelation Rxy(τ) hat ihr Maximum. Für reelle Signale kann die Kreuzkorrelationabgeschätzt werden:

‖x(t + τ) − y(t)‖2 ≥ 0,

‖x(t)‖2︸ ︷︷ ︸Rxx(0)

+ ‖y(t)‖2︸ ︷︷ ︸Ryy(0)

− 2Rxy(τ) ≥ 0

⇒ Rxy(τ) ≤ 1

2(Rxx(0) + Ryy(0)). (6.11)

Für die Autokorrelation gilt, dass sie bei der Verschiebung τ = 0 ihr Maximumerreicht:

Rxx(τ) ≤ Rxx(0). (6.12)

Die normierte Kreuzkorrelation, welche die Ähnlichkeit zweier zeitlich gegenein-ander verschobener Funktion bewertet, heißt Kreuzkorrelationskoeffizient:

Rxy,norm =Rxy(k)√

Rxx(0) · Ryy(0). (6.13)

Beispiel 6.7 Orten von Leckagen mit Körperschall-Mikrofonen

Eine Anwendung, die ihre praktische Bewährungsprobe bestanden hat, ist dieLeckortung an in der Erde verlegten Wasser- oder Gasleitungen. Abbildung 6.2 zeigtdas Messprinzip. Zwei Körperschall-Mikrofone sind in bekanntem Abstand l, vor-zugsweise an den Schiebern, akustisch an die defekte Rohrleitung gekoppelt. Dasausströmende Medium erzeugt an der Leckstelle Geräusche, die über die Rohrlei-tung zu den beiden Mikrofonen geleitet werden. Die Schallgeschwindigkeit c wurdevorab an einer anderen Rohrleitung ähnlicher Bauart aufgenommen, und ist deshalb

Page 215: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

210 6. Korrelationsmesstechnik

Korrelator

Sensor BSensor A

Leckage

y(t)x(t)

l

lx

u t( )

ly

τ

R xy

Abbildung 6.2. Anordnung zum Orten von Leckagen an unterirdischen Rohrleitungen mitHilfe von Körperschall-Mikrofonen

bekannt. Das Geräusch an der Leckstelle u(t) wird auf den Wegen lx und ly zu denbeiden Mikrofonen verzögert, also

x(t) = u(t − lxc

),

y(t) = u(t − lyc

).

Der Gesamtabstand l = lx + ly der Mikrofone ist bekannt. Eine der beiden Längen,z.B. ly , soll durch die Kreuzkorrelation

Page 216: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.3 Anwendung der Korrelation 211

Rxy(τ) =1

2T

T∫−T

x(t + τ)y(t) dt

bestimmt werden. Rxy(τ) ist dabei der Schätzwert für die Kreuzkorrelation Rxy(τ),da die Integration auf ein endliches Intervall 2T beschränkt ist. Durch das Einsetzendes ursprünglichen Geräusches u(t) erhält man die Korrelationsfunktion

Rxy(τ) =1

2T

T∫−T

u(t + τ − lxc

)u(t − lyc

) dt,

die ihr Maximum bei der Laufzeitdifferenz

τ =lxc− ly

c=

l − 2lyc

hat. Durch Ausmessen der Zeit τ erhält man den Ort der Leckage zentimetergenauzu

ly =1

2(l − τc),

ohne umfangreiche Ausgrabungen vornehmen zu müssen. Für τ = 0 wäre die Lauf-zeitdifferenz gerade Null, das Leck läge dann in der Mitte der Strecke l. Abbil-dung 6.3 zeigt die Korrelationsfunktion einer typischen Messung.

0 τ

R ( )xy τ^

Abbildung 6.3. Typische Korrela-tionsfunktion bei der Ortung vonLeckagen

Beispiel 6.8 Berührungslose GeschwindigkeitsmessungEine weitere Anwendung der Laufzeitkorrelation ist die berührungslose Geschwin-digkeitsmessung. Abbildung 6.4 zeigt die Anordnung zur Geschwindigkeitsmes-sung von Schüttgut auf einem Förderband. Dazu werden zwei Lichtquellen undzwei optische Sensoren im festen Abstand d montiert. Sie messen die Reflexio-nen des Schüttgutes an der jeweiligen Sensorposition. Die gemessenen Signale sindähnlich. Im Idealfall ist das zweite Signal y(t) lediglich um die Laufzeit τ des För-derbandes gegenüber dem ersten Signal x(t) verschoben,

Page 217: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

212 6. Korrelationsmesstechnik

v

d

h

LichtquelleSensor 1x(t)

LichtquelleSensor 2y(t)

Abbildung 6.4. Modell eines Förderbandes zur berührungslosen Geschwindigkeitsmessungüber das Laufzeitkorrelationsverfahren

y(t) = x(t − τ).

Das Maximum der Kreuzkorrelation erhält man genau für diese Zeitverschiebung

τmax = τ,

woraus sich die Fördergeschwindigkeit

v =d

τmax

berechnen lässt. Das Verfahren findet Anwendung zur Messung der Transportge-schwindigkeit von Walzgut, Papier oder Textilien, aber auch zur Messung der Strö-mungsgeschwindigkeit von Gasen oder Flüssigkeiten [28].

6.3.3 Closed-loop Korrelator, Polaritätskorrelation

Das vorgestellte Verfahren zur Laufzeitkorrelation hat in einigen Anwendungenmehrere gravierende Nachteile.

1. Das Ergebnis der Korrelation steht immer erst am Ende des Integrationsinter-valles

Rxy(τ) =1

2T

T∫−T

x(t + τ)y(t) dt

zur Verfügung. Die Bestimmung des Zeitpunktes τmax ist dadurch sehr träge.Für veränderliche Transportgeschwindigkeiten in Beispiel 6.8 ist das Verfahrennur schlecht geeignet.

Page 218: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.3 Anwendung der Korrelation 213

“Laufzeit”

Modell

tmax

t

Gütemaß

Ee =min2

Strategie

x(t) y(t)

e(t)

x(t- )t

-

Abbildung 6.5. Schät-zung der Verzögerungs-zeit τ beim Laufzeitkor-relator

2. Das Verfahren ist numerisch sehr aufwendig. Zum einen müssen die Produkteder zeitverschobenen Signale x(t+τ)·y(t) gebildet werden, zum anderen mussnach der Integration noch eine Maximumsuche durchgeführt werden.

Zur Verbesserung des Verfahrens interpretiert man die Laufzeitkorrelation als Iden-tifikationsproblem für die unbekannte Laufzeit τmax = τ [28]. Damit ergibt sichdie in Abb. 6.5 dargestellte Blockstruktur. Die wahre Laufzeit τmax wird mit ei-ner Modelltotzeit τ verglichen. Diese wird entsprechend einer Strategie so langeverstellt, bis ein Gütemaß ein Minimum erreicht. Als Gütefunktion wählt man denErwartungswert des quadratischen Fehlers

Q = Ee2(t, τ) ⇒ min,

der bezüglich τ minimiert werden soll. Mit

e(t) = y(t) − x(t − τ)

erhält man durch Differentiation von Q die notwendige Bedingung für ein Mini-mum:

dQ

dτ=

dEe2(t, τ)dτ

= 2Ee(t, τ) · de(t, τ)

dτ = 0

oder nach Einsetzen von e(t) und e(t)

E[y(t) − x(t − τ)]x(t − τ) = 0. (6.14)

Der Erwartungswert aus Gl.(6.14) hat links und rechts vom Abgleichpunkt τmax =τ verschiedene Vorzeichen und verhält sich damit wie die Regelabweichung einesnormalen Regelkreises. Damit kann die Maximumsuche in eine einfache Regelungfür τ überführt werden (Abb. 6.6). Die Erwartungswertbildung wird von einem In-tegralregler übernommen, der die Modelltotzeit τ verstellt. Der Regler arbeitet alsoals Nachlaufkorrelator oder Laufzeit-Tracker. Er sucht die Laufzeit τmax = τ undverfolgt sie bei Änderungen. Veränderliche Transportgeschwindigkeiten in Bei-spiel 6.8 können damit schneller erfasst werden. Wegen der Regelkreisstruktur desKorrelators nennt man das Verfahren auch closed-loop Korrelator.

Page 219: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

214 6. Korrelationsmesstechnik

“Laufzeit”

Modell

τ

x(t) y(t) e(t)

x(t- )τ

Differenzierer

ddt

Ti

Multiplizierer

Integrator

τmax

Abbildung 6.6. Schätzung der Verzögerungszeit τ im geschlossenen Regelkreis durch Ab-leitung der Korrelationsfunktion

Differentiation der KKF: Der Erwartungswert aus Gl.(6.14) soll nun nochmalsgenauer betrachtet werden. Bekanntlich lässt sich das Maximum einer Funktiondurch Differentiation bestimmen. Für die Kreuzkorrelation, deren Maximum für dieLaufzeitmessung gesucht ist, gilt:

dRxy(τ)

dτ= Rxy(τ) = 0 ⇒ max für τmax = τ.

Für die Ableitung der Korrelationsfunktion kann man analog zu Gl.(8.6)

Rxy(τ) = −Rxy(τ).

schreiben. Multipliziert man Gl.(6.14) aus, so erhält man

Ex(t − τ)y(t) − Ex(t − τ)x(t − τ) = 0,

Rxy(−τ) − Rxx(τ = 0) = 0.

Da die Autokorrelation allgemein eine gerade Funktion mit dem Maximum bei τ =0 ist, folgt daraus für die Ableitung der Korrelationsfunktion

Rxx(τ = 0) = 0 = Rxx(0) = Ex(t)x(t) = 0.

Daraus folgt schließlich

Rxy(−τ) = Ryx(τ) = Ryx(τ) = 0.

Die Bildung des Erwartungswert nach Gl.(6.14) ist identisch mit der Differentiationder Kreuzkorrelation.

Page 220: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.3 Anwendung der Korrelation 215

Polaritätskorrelator: Der closed-loop Korrelator vermeidet die vollständige nu-merische Berechnung der Kreuzkorrelation und erlaubt die Anpassung an sich än-dernde Laufzeiten τmax. Nur die Produkte der zeitverschobenen Signale x(t + τ) ·y(t) müssen noch gebildet werden, was numerisch immer noch aufwendig ist. Ab-hilfe schafft der Polaritätskorrelator, der mit 1-Bit quantisierten Signalen arbeitet.Es kann gezeigt werden, dass unter bestimmten Voraussetzungen statistische Eigen-schaften von quantisierten Signalen mit denen von kontinuierlichen übereinstimmen(Abschn. 7.2, [49, 50]). Insbesondere bleibt bei der Polaritätskorrelation die Lagedes Maximums erhalten, so dass daraus weiterhin die Laufzeit bestimmt werdenkann (Abb. 6.7). Die Polaritätskorrelation für abgetastete Signale lautet für τ = kta

Rxy(k) =1

N

N−1−k∑n=0

sign[xn+k]sign[y∗n] mit |k| = 0, 1, . . .M N. (6.15)

0 t

−2

0

2

Kontinuierliche Signale

x(t)

0 t

−2

0

2

y(t)

0 τmax τ −0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Kreuzkorrelation Rxy(τ)

0 t−1

0

1Quantisierte Signale

x(t)

0 t−1

0

1

y(t)

0 τmax τ −0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Polaritätskorrelation Rxy(τ)

Abbildung 6.7. Vergleich zwischen der Kreuzkorrelation kontinuierlicher Signale und derPolaritätskorrelation von 1-Bit quantisierten Signalen

Durch die 1-Bit Quantisierung reduziert sich die Multiplikation der zeitverschobe-nen Signale auf einfache Operationen, die mit Hilfe von logischen Gattern realisiertwerden können. Abbildung 6.8 zeigt das Prinzipbild eines Laufzeitkorrelators mitPolaritätskorrelation. Die Modellaufzeit τ wird durch ein einfaches Schieberegisterimplementiert, welches durch eine variable Taktfrequenz angesteuert wird. Dazumuss der Ausgang des Integrators in eine entsprechende Frequenz umgesetzt wer-den. Dies kann z.B. mit einem VCO (Voltage Controlled Oscillator) erfolgen.

Page 221: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

216 6. Korrelationsmesstechnik

Laufzeitx(t) y(t)

ddt

Ti

Integrator

Schieberegister

Logik

u/f

variable Taktfrequenz

Schwellwert-Detektoren

+

Abbildung 6.8. Laufzeitkorrelator mit Polaritätskorrelation und Realisierung der Modellauf-zeit als getaktetes Schieberegister

6.3.4 Ähnlichkeit von Spektren, Dopplermessung

In Analogie zur Korrelationsfunktion Rxy(τ) für um τ zeitverschobene Signalekann im Frequenzbereich eine Korrelationsfunktion XY (ϑ) für um ϑ frequenz-verschobene Signale definiert werden:

XY (ϑ) = 〈X(f + ϑ), Y (f)〉

=

∞∫−∞

X(f + ϑ)Y ∗(f)df < ∞. (6.16)

Sie ist ein Maß für die Ähnlichkeit der Spektren X(f + ϑ) und Y (f). Die Distanzder Spektren ist analog zu Gl.(6.10)

‖X(f + ϑ) − Y (f)‖2 = 〈X(f + ϑ), X(f + ϑ)〉 + 〈Y (f), Y (f)〉− 2〈X(f + ϑ), Y (f)〉= ‖X(f)‖2 + ‖Y (f)‖2 − 2XY (ϑ).

Nach dem Satz von Parseval ist

XY (ϑ) =

∞∫−∞

x(t)e−j2πϑty∗(t)dt = 〈x(t)e−j2πϑt, y(t)〉.

Die Frequenzverschiebung des Spektrums entspricht einer Modulation des Signalsim Zeitbereich.

Page 222: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.3 Anwendung der Korrelation 217

Beispiel 6.9 Geschwindigkeitsmessung über DopplereffektEs soll eine berührungslose Geschwindigkeitsmessung durchgeführt werden. Abbil-dung 6.9 zeigt die prinzipielle Anordnung zur Messung einer Strömungsgeschwin-digkeit. Eine Ultraschall-Sonde sendet ein Signal x(t) mit einer Frequenz f0 in dasMedium. Die Schallwellen werden vom Medium gestreut und können an der Son-de als y(t) wieder empfangen werden. Durch die Relativbewegung ergibt sich nachdem Dopplereffekt eine Frequenzverschiebung am Empfänger.

α

α

cos

vii

vi α

Empfänger

Sender

Ultraschall- Sonde

y(t)x(t)

v

Abbildung 6.9. Geschwindigkeitsmessung nach dem kontinuierlichen Doppler-Verfahren

Bewegt sich der Empfänger mit der Relativgeschwindigkeit v auf den ruhendenSender zu, so gilt für die registrierte Frequenz

f = f0

(1 +

v

c

).

Die Sendefrequenz ist dabei f0, die Schallgeschwindigkeit im Medium ist c. Ruhtder Empfänger und bewegt sich der Sender auf den Empfänger zu, so gilt für dieregistrierte Frequenz

f = f0

(1

1 − vc

).

Bei der Geschwindigkeitsmessung trifft der Ultraschall auf ein Teilchen i mit derRelativgeschwindigkeit vi cosα. Das bewegte Teilchen streut den Ultraschall, istalso gleichzeitig Empfänger und Sender. Das Echo trifft auf den ruhenden Empfän-ger. Die registrierte Frequenz wird damit

f = f0

1 + vi

c cosα

1 − vi

c cosα.

Für kleine Strömungsgeschwindigkeiten vi c kann der Nenner in eine geome-trische Reihe entwickelt werden. Damit erhält man die Frequenz des empfangenenSignals

Page 223: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

218 6. Korrelationsmesstechnik

f = f0

(1 +

vi

ccosα

∞∑n=0

(vi

ccosα

)n

.

Berücksichtigt man nur die linearen Terme von vi so lässt sich die Empfangsfre-quenz f als Summe der Sendefrequenz f0 und einer Frequenzverschiebung fi dar-stellen,

f ≈ f0

(1 + 2

vi

ccosα

)= f0 + fi.

Das Empfangssignal ist damit proportional zum frequenzverschobenen Sendesignal

Y (f) = k · X(f + fi).

Das Maximum der Korrelationfunktion der Signalspektren

XY (ϑ) = k ·∞∫

−∞X(f + ϑ)X∗(f + fi)df

ergibt sich gerade für ϑ = fi, woraus sich die Strömungsgeschwindigkeit berechnenlässt:

vi = ϑc

2f0 cosα.

6.3.5 Selbstähnlichkeit

Die Autokorrelation eignet sich sehr gut zum Auffinden von periodischen Signalan-teilen, die im Vergleich zu einem Störsignal sehr klein sind. Abbildung 6.10 zeigtim Signal x(t) keine sichtbare periodische Schwingung. Es sei

Y(t, ξ) = X(t, ξ) + N(t, ξ)

ein stochastischer Prozess, der sich aus einem periodischen Anteil X(t, ξ) nachBeispiel 6.3 mit xi(t) = sin(ωt+ϕi) und einem mittelwertfreien Rauschen N(t, ξ)zusammensetzt. Beide Signale stammen aus nicht gekoppelten Quellen und dürfendaher als unkorreliert angenommen werden. Dann gilt:

Ryy(τ) = Rxx(τ) + Rnn(τ)

=1

2cos(ωτ) + Rnn(τ).

Rxx(τ) ist periodisch, während Rnn(τ) auch bei nicht idealem weißen Rauschenfür große τ verschwindet:

Page 224: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 219

Rnn(τ) ≈ 0, τ = 0.

Es gilt daher für große τ

Ryy(τ) ≈ Rxx(τ) =1

2cos(ωτ), τ = 0.

Das Verfahren kann beispielsweise zum Auffinden von Brummstörungen in elektri-schen Signalen, zur Schwingungsanalyse oder auch zur rechtzeitigen Diagnose vonMaschinenschäden eingesetzt werden [1].

t

x(t)

R ( )xx

Abbildung 6.10. Signal einer im Rauschen verschwundenen harmonischen Schwingung unddie zugehörige Autokorrelationsfunktion

6.4 Leistungsdichtespektrum

Bei der Beschreibung von Signalen und der dynamischen Eigenschaften von Syste-men ist die Beschreibung im Frequenzbereich mit Hilfe von Laplace- und Fourier-Transformation von großer Hilfe. Für Musterfunktionen stationärer Prozesse exi-stiert im allgemeinen das Fourier-Integral nicht, da sie für |t| → ∞ nicht abklingen.Abhilfe schafft die Transformation der Korrelationsfunktion. Hierbei werden dieEigenschaften des Prozesses zuerst durch Erwartungswertbildung im Zeitbereichermittelt und dann durch Fourier-Transformation im Frequenzbereich dargestellt.Dadurch wird die Systemanalyse in LTI-Systemen ermöglicht.

Page 225: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

220 6. Korrelationsmesstechnik

Definition 6.25 AutoleistungsdichtespektrumDas Autoleistungsdichtespektrum ist die Fourier-Transformierte der Autokorrelati-onsfunktion:

Sxx(f) =

∞∫−∞

Rxx(τ)e−j2πfτ dτ.

Definition 6.26 KreuzleistungsdichtespektrumDas Kreuzleistungsdichtespektrum (kurz Kreuzspektrum) ist die Fourier-Transfor-mierte der Kreuzkorrelationsfunktion:

Sxy(f) =

∞∫−∞

Rxy(τ)e−j2πfτ dτ.

Der Zusammenhang zwischen der Autokorrelationsfunktion und dem Autoleistungs-dichtespektrum wird in der Literatur oft auch als Transformation von Wiener undKhintchine bezeichnet. Die Umkehrung der Definitionen 6.25 und 6.26 erhält mannach den Regeln der Fourier-Transformation:

Rxx(τ) =

∞∫−∞

Sxx(f)ej2πfτ df,

Rxy(τ) =

∞∫−∞

Sxy(f)ej2πfτ df.

Der Begriff Leistungsdichte kommt daher, dass Sxx(f) die Leistungsverteilungüber den Frequenzen f darstellt. Integriert man Sxx(f) über einen Frequenzbereichf1 ≤ f ≤ f2, so ist das Ergebnis proportional zur Leistung des Prozesses in diesemBereich. Insbesondere gilt

Satz 6.5 LeistungDie Leistung Px eines Zufallsprozesses oder eines Leistungssignals ist

Px = Ex(t)2 = Rxx(0) =

∞∫−∞

Sxx(f) df.

Anmerkung

1. Genau genommen müsste man in Satz 6.5 von einer mittleren Leistung des Si-gnals sprechen, da sich die Berechnung der Leistung über alle Zeiten erstreckt.Es wird aber, wie in der Literatur üblich nur der Begriff der Leistung verwen-det. Streng hiervon zu unterscheiden ist die Momentanleistung, die über einbegrenztes Zeitintervall ermittelt wird und nicht aus dem Leistungsdichtespek-trum eines Signals ermittelt werden kann.

Page 226: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 221

2. Korrekterweise müsste man noch ein Energiedichtespektrum für die Fourier-Transformierte der Korrelationsfunktion für Energiesignale einführen,

SExx(f) =

∞∫−∞

RExx(τ)e−j2πfτ dτ.

Die Unterscheidung in Energie- und Leistungsdichtespektrum wird im weite-ren Verlauf allerdings unterlassen, da im Spektralbereich nicht mehr festge-stellt werden kann, ob das Spektrum von einem Energie- oder Leistungssignalstammt. Es wird daher nur noch von Leistungsdichtespektren gesprochen.

In Gl.(6.6) wurde die Korrelation von Energiesignalen durch eine Faltungsoperati-on dargestellt. Die Faltung entspricht im Frequenzbereich einer Multiplikation, undman erhält:

RExx(τ) = x(τ) ∗ x∗(−τ)

•|

SExx(f) = X(f)X∗(f) = |X(f)|2. (6.17)

Interpretiert man x(t) als Impulsantwort eines stabilen LTI-Systems, so ist die spek-trale Dichte gleich dem Betragsquadrat SE

xx(f) = |X(f)|2 der Übertragungsfunk-tion X(f) des Systems. Die Phaseninformation geht dabei verloren.

Eigenschaften des Leistungsdichtespektrums: Im folgenden werden die Eigen-schaften des Leistungsdichtespektrums zusammengestellt.

1. Sxx(f) ist für reelle Prozesse eine gerade Funktion:

Sxx(f) = Sxx(−f). (6.18)

2. Sxx(f) ist reell für alle Frequenzen f ,

Sxx(f) = S∗xx(f). (6.19)

Beide Eigenschaften folgen daraus, dass die Autokorrelation eines reellen, sta-tionären Prozesses selbst reell und gerade ist.

3. Sxx(f) ist nicht negativ für alle Frequenzen f ,

Sxx(f) ≥ 0. (6.20)

Der quadratische Erwartungswert Ex(t)2 muss immer größer gleich Nullsein. Er wird aber nach Satz 6.5 über das Integral der Leistungsdichte Sxx(f)berechnet. Die Bedingung Ex(t)2 ≥ 0 kann allgemein nur für Sxx(f) ≥ 0sichergestellt werden.

Page 227: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

222 6. Korrelationsmesstechnik

4. Für die Kreuzleistungsdichtespektren gilt die Beziehung

Sxy(f) = Syx(−f). (6.21)

Sind die beiden Prozesse x, y reell, so gilt zusätzlich

Sxy(f) = S∗xy(−f) = Syx(−f) = S∗

yx(f).

Da die Kreuzkorrelation im allgemeinen nicht symmetrisch ist, ist auch dasKreuzleistungsdichtespektrum reellwertiger Prozesse nicht reellwertig.

6.4.1 Rauschen

Viele Störeinflüsse wie Verstärkerrauschen oder Störungen bei der Signalüber-tragung lassen sich durch Zufallsprozesse modellieren, deren Leistungsdichtespek-trum über einen weiten Frequenzbereich nahezu konstant ist. Meist verwendet maneinen idealisierten Prozess, dessen Leistungsdichte über alle Frequenzen konstantist. Man nennt einen solchen Prozess weißes Rauschen.

Definition 6.27 Weißes RauschenEin Signal n(t) nennt man weißes Rauschen, wenn seine Leistungsdichte für alleFrequenzen konstant ist:

Snn(f) = a2 = const ∀ f.

Die Bezeichnung n(t) rührt von der englischen Bezeichnung für Störgeräusche (noi-se) her und deutet an, dass weißes Rauschen häufig zur Beschreibung rauschartigerStörungen verwendet wird.

Die Autokorrelation von weißem Rauschen ergibt sich durch inverse Fourier-Trans-formation zu

Rnn(τ) = F−1a2 = a2δ(τ). (6.22)

Die Autokorrelation verschwindet also für alle Werte τ = 0. Das bedeutet, dassbenachbarte Signalwerte von n(t) immer unkorreliert sind, so dass sich das Signalunendlich schnell ändern müsste. Dies ist physikalisch nicht möglich, was sich auchin der Leistung nach Satz. 6.5 zeigt, die für weißes Rauschen unendlich groß wird:

Pn = Rnn(0) =

∞∫−∞

a2 df → ∞.

Weißes Rauschen ist also eine Idealisierung, die sich physikalisch nicht realisierenlässt. Trotzdem wird dieses Modell in der Praxis gerne verwendet, weil die Autokor-relation und die Leistungsdichte eine einfache Form besitzen. Oft macht man noch

Page 228: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 223

f

R ( )nnS (f)nn

a2 a2 ( )

Abbildung 6.11. Leistungsdichte und Autokorrelation von weißem Rauschen

den Zusatz eines normalverteilten Prozesses und spricht dann von Gaußschem wei-ßen Rauschen, um aus der Unkorreliertheit von Prozessen auch auf die statistischeUnabhängigkeit schließen zu können.

Die Verwendung von weißem Rauschen als Modellansatz ist gerechtfertigt, wenndas Störsignal auf Systeme mit Tiefpass- oder Bandpasscharakter trifft. Die ho-hen Frequenzanteile werden dann unterdrückt und die Leistung am Systemausgangbleibt endlich. Rauschprozesse, deren Leistungsdichtespektrum zu hohen Frequen-zen hin abfällt, bezeichnet man als farbiges Rauschen.

Beispiel 6.10 Farbiges RauschenDie hohen Frequenzen eines weißen Rauschsignals mit dem Effektivwert a werdendurch einen Tiefpass 1. Ordnung

G(f) =1

1 + j 2πf2πfg

gedämpft. Das resultierende farbige Rauschen n(t) hat dann die Leistungsdichte

Snn(f) =a2 · (2πfg)

2

(2πfg)2 + (2πf)2.

Die Berechnung findet sich in Abschn. 6.4.3. Die zugehörige Autokorrelationsfunk-tion erhalten wir durch inverse Fourier-Transformation

Rnn(τ) = F−1

a2 · (2πfg)

2

(2πfg)2 + (2πf)2

= a2πfg e−2πfg|τ |.

Die Rauschleistung ist endlich mit

Pn = Rnn(0) = a2 · πfg.

Abbildung 6.12 zeigt die Leistungsdichte und die zugehörige Autokorrelation desfarbigen Rauschens. Man erkennt, dass die AKF im Vergleich zum weißen Rau-schen breiter geworden ist, d.h. zeitlich benachbarte Werte miteinander korreliertsind.

Page 229: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

224 6. Korrelationsmesstechnik

f τ

R ( )nn τS (f)nn

Abbildung 6.12. Leistungsdichte und Autokorrelation von farbigem Rauschen

Pseudostochastische Binärfolgen: Neben dem Rauschen als unerwünschtem Stör-signal ist es manchmal zweckmäßig, beispielsweise zur Identifikation(Abschn. 6.4.4), ein Rauschsignal auf ein System zu schalten. Es stellt sich die Fra-ge, wie ein möglichst ideales weißes Rauschen praktisch auf einfache Art und Weiseerzeugt werden kann. Eine einfache Methode zur Erzeugung von annähernd weißemRauschen sind pseudostochastische Binärfolgen (engl. PRBS = Pseudo Random Bi-nary Sequence). Dazu wird ein Schieberegister der Länge N benötigt, dessen Infor-mation mit der Taktzeit ta entweder nach links oder nach rechts geschoben wird.Abbildung 6.13 zeigt eine Schieberegisterschaltung für die Wortlänge N = 6.

D 1 D 2 D 3 D 4 D 5 D 6

D 1 D 2 D 3 D 4 D 5 D 6

x1 x2 x3 x4 x5 x6

x6x5x4x3x2x1

a) Rechts-Schieben

b) Links-Schieben

Abbildung 6.13. Rückgekoppelte Schieberegister zur Erzeugung von pseudostochastischenBinärfolgen

Page 230: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 225

Rechts-Schieben: Am Eingang D1 des ersten Flipflops x1 liegt der Ausgang derÄquivalenz nach Tabelle 6.3a.

Links-Schieben: Am Eingang DN des N -ten Flipflops xN liegt der Ausgangder Äquivalenz nach Tabelle 6.3b.

Tabelle 6.3. Beschaltung rückgekoppelter Schieberegister zur Erzeugung von PRBS-Folgen

Wortlänge N des Äquivalenz-Beschaltung PeriodeSchieberegisters a. Rechts-Schieben b. Links-Schieben1 0 ≡ x1 0 ≡ x1 12 x1 ≡ x2 x1 ≡ x2 33 x2 ≡ x3 x1 ≡ x3 74 x3 ≡ x4 x1 ≡ x4 155 x3 ≡ x5 x1 ≡ x4 316 x5 ≡ x6 x1 ≡ x6 637 x4 ≡ x7 x1 ≡ x5 1278 (x3 ≡ x5) ≡ (x7 ≡ x8) (x4 ≡ x6) ≡ (x1 ≡ x8) 2559 x5 ≡ x9 x1 ≡ x6 51110 x7 ≡ x10 x1 ≡ x8 102311 x9 ≡ x11 x1 ≡ x10 2047

Die Beschaltung für größere Wortlängen N findet man in [46]. Die Periode ist im-mer 2N − 1 und deshalb ungerade, weil durch eine hier nicht gezeigte Zusatzschal-tung der Fall ausgeschlossen wird, dass alle Flipflops den Wert Eins haben. Ordnetman den Ausgangswerten des Flipflops xN das Ausgangssignal u(t) wie folgt zu,

xN = 1 → u(t) = a,

xN = 0 → u(t) = −a,

so ist innerhalb der Periode (2N − 1)ta der Fall u(t) = a um eine Taktzeit tahäufiger als der Fall u(t) = −a.

t

au t( )

a

ta

Abbildung 6.14. Beispiel einer pseudostochastischen Binärfolge

Da die PRBS-Folge periodisch ist, ist auch ihre Autokorrelationsfunktion periodischmit der Periode (2N − 1)ta. Sie ist gegeben (s. Abb. 6.15) durch die Funktion

Page 231: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

226 6. Korrelationsmesstechnik

Ruu(τ) =

⎧⎨⎩a2 für τ = k · (2N − 1)ta k ∈ ZZ,−a2

2N − 1sonst.

In der Praxis müssen ausreichend lange Perioden verwendet werden, damit diePRBS-Folgen zur Systemidentifikation geeignet sind. Mit der Wahl der Taktzeit talässt sich auch die gewünschte Bandbreite der resultierenden Leistungsdichte ein-stellen.

a2

uuR

Na

2

2 1

Abbildung 6.15. Autokorrelationsfunktion einer pseudostochastischen Binärfolgen

6.4.2 Verknüpfung von Zufallssignalen

Die additive Überlagerung von Zufallssignalen ist das einfachste, aber auch das amhäufigsten verwendete Modell zur Beschreibung rauschähnlicher Störungen. Mankann beispielsweise das Ausgangssignal y(t) eines Messsystems darstellen als dieSumme aus einem idealen Messsignal u(t) und einem zufälligen Messrauschen n(t)(Abb. 6.16). Das Modell ermöglicht eine sehr einfache Systemanalyse mit Hilfe desLeistungsdichtespektrums und der Korrelation.

u t( ) y t( )

n t( )

Abbildung 6.16. Modell zur Überlagerung zufälliger Störsi-gnale

Für das Summensignal y(t) aus Abb. 6.16 gilt

y(t) = u(t) + n(t).

Page 232: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 227

Die Autokorrelation der Summe wird mit den Rechenregeln für den Erwartungs-wertoperator

Ryy(τ) = Ey(t + τ)y(t)= E[u(t + τ) + n(t + τ)][u(t) + n(t)]= Eu(t + τ)u(t) + Eu(t + τ)n(t) +

+ En(t + τ)u(t) + En(t + τ)n(t)= Ruu(τ) + Run(τ) + Rnu(τ) + Rnn(τ).

Die Autokorrelationsfunktion Ryy(τ) setzt sich also aus den Autokorrelationsfunk-tionen der beiden Eingangssignale u(t) und n(t) und ihren Kreuzkorrelationen zu-sammen. Für das Leistungsdichtespektrum erhält man entsprechend

Syy(f) = Suu(f) + Sun(f) + Snu(f) + Snn(f).

Mit der Symmetrieeigenschaft der Kreuzleistungsdichte nach Gl.(6.21) erhält man

Sun(f) + Snu(f) = Sun(f) + S∗un(f) = 2Sun(f)

und weiterhin für die Leistungsdichte Syy(f) den reellen Ausdruck

Syy(f) = Suu(f) + Snn(f) + 2Sun(f). (6.23)

Die Verhältnisse werden viel einfacher, wenn die beiden Signale u(t) und n(t) un-korreliert sind und mindestens eines der Signale mittelwertfrei ist (z.B. µn = 0).Dann entfallen nach Abschn. 6.2 die Kreuzterme

Run(τ) = 0 −• Sun(f) = 0

und man erhält die wichtigen Beziehungen für unkorrelierte Prozesse

Ryy(τ) = Ruu(τ) + Rnn(τ),

Syy(f) = Suu(f) + Snn(f). (6.24)

Die Annahme der Unkorreliertheit gilt in vielen Fällen, in denen n(t) ein Störsi-gnal zum Messsignal u(t) darstellt. Beispielsweise wäre das Grundrauschen einesMessverstärkers eine derartige Störung. Da viele überlagerte Störungen ebenfallsmittelwertfrei sind, können die Beziehungen aus Gl.(6.24) verwendet werden, indenen einfach die Autokorrelation bzw. die Leistungsdichten der Signale zu addie-ren sind.

6.4.3 Leistungsdichtespektrum in LTI-Systemen

Für deterministische Signale verwendet man z.B. Sprung- oder Impulsantwortenund berechnet damit die Übertragungsfunktion G(f) eines Systems. Die Systeman-wort Y (f) auf Eingangssignale X(f) konnte dann mit Y (f) = G(f)X(f) be-schrieben werden. Wegen der Divergenz der quadratischen Norm für stationäre

Page 233: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

228 6. Korrelationsmesstechnik

Zufallsprozesse existiert für sie keine Laplace-Transformierte, die Fourier-Trans-formation nur in Ausnahmefällen. Es wird daher eine andere Beschreibung erfor-derlich. Schaltet man Zufallssignale an den Eingang von linearen, zeitinvariantenSystemen (LTI-Systeme), so kann die Übertragungsfunktion aus den Leistungsdich-ten von Eingangs- und Ausgangssignalen berechnet werden.

Wir betrachten zunächst die Klasse der Energiesignale, für die die Fourier-Trans-formation

x(t) −• X(f)

existiert und die Systemantwort wie gewöhnlich mit der Übertragungsfunktion be-stimmt werden kann:

Y (f) = G(f)X(f).

Über die Faltungsbeziehung der Korrelation nach Gl.(6.17) erhalten wir für die zu-gehörigen „Energiedichtespektren“

SEyy(f) = Y (f)Y ∗(f)

= G(f)X(f) · G∗(f)X∗(f)

= |G(f)|2SExx(f).

Entsprechendes gilt für die „Kreuzenergiedichtespektren“ :

SExy(f) = X(f)Y ∗(f)

= X(f) · G∗(f)X∗(f)

= G∗(f)SExx(f).

Die eben gefundenen Zusammenhänge lassen sich nicht ohne weiteres auf dieKlasse der Leistungssignale übertragen. Für sie existiert in der Regel die Fourier-Transformation X(f) des Zeitsignals x(t) nicht. Allenfalls für periodische Signalelässt sich eine Fourier-Transformierte unter Verwendung von δ-Impulsen angeben.Dann steht man allerdings vor dem Problem, das Produkt zweier δ-Impulse zur Be-rechnung von X(f)X∗(f) angeben zu müssen, welches nicht definiert ist.

Beispiel 6.11 Periodisches SignalGegeben ist eine harmonische Schwingung mit der Frequenz f0. Das Zeitsignal undseine Fourier-Transformierte sind angebbar mit

x(t) = a cos(2πf0t)•|

X(f) =a

2[δ(f − f0) + δ(f + f0)].

Die Leistungsdichte lässt sich über das Produkt Sxx(f) = X(f)X∗(f) nicht ange-ben, da das Produkt δ(f) · δ(f) nicht definiert ist.

Page 234: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 229

Bei Leistungssignalen muss man daher einen anderen Weg einschlagen. Interpretiertman Leistungssignale als Zeitfunktionen ergodischer stochastischer Prozesse, so isteinleuchtend, dass man erst eine Erwartungswertbildung durchführen muss, bevorman die Systemantwort untersuchen kann. Dies wird anschaulich klar, wenn mandie Tatsache berücksichtigt, dass man eine Systemantwort für alle möglichen Zeit-funktionen xξ(t) eines ergodischen Prozesses sucht und nicht nur für eine spezielleMusterfunktion xi(t), die später nicht mehr exakt identisch auftritt. Die Erwartungs-wertbildung vor dem Systemdurchgang führt auf

Satz 6.6 Ergodische Prozesse in LTI-SystemenDurchläuft ein Signal x(t) eines ergodischen Zufallsprozesses (Leistungssignal) einlineares, zeitinvariantes System mit der Impulsantwort g(t) bzw. der Übertragungs-funktion G(f), so gelten die folgenden Beziehungen:

Rxy(τ) = Rxx(τ) ∗ g∗(−τ) −• Sxy(f) = Sxx(f)G∗(f), (6.25)

Ryy(τ) = Rxy(τ) ∗ g(τ) −• Syy(f) = Sxy(f)G(f), (6.26)

Ryy(τ) = Rxx(τ) ∗ REgg(τ) −• Syy(f) = Sxx(f)|G(f)|2. (6.27)

Beweis: Allgemein ist die Antwort y(t) eines System mit der Impulsantwort g(t)auf ein Eingangssignal x(t) durch die Faltung

y(t) =

∞∫−∞

x(t − α)g(α) dα (6.28)

gegeben. Multipliziert man das konjugiert Komplexe von Gl.(6.28) mit dem ver-schobenen Signal x(t + τ) und bildet den Erwartungswert, so erhält man

Ex(t + τ)y∗(t) =

∞∫−∞

Ex(t + τ)x∗(t − α)g∗(α) dα.

Da Ex(t + τ)x∗(t − α) gleich der AKF Rxx(τ + α) ist, erhält man

Rxy(τ) =

∞∫−∞

Rxx(τ + α)g∗(α) dα =

∞∫−∞

Rxx(τ − β)g∗(−β) dβ

•|

Sxy(f) = Sxx(f)G∗(f).

Multipliziert man Gl.(6.28) mit y∗(t − τ) und bildet den Erwartungswert, so führtdies auf

Ey(t)y∗(t − τ) =

∞∫−∞

Ex(t − α)y∗(t − τ)g(α) dα,

Page 235: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

230 6. Korrelationsmesstechnik

Ryy(τ) =

∞∫−∞

Rxy(τ − α)g(α) dα

•|

Syy(f) = Sxy(f)G(f).

Setzt man Rxy(τ) aus Gl.(6.25) in Gl.(6.26) ein, so erhält man

Ryy(τ) = Rxx(τ) ∗ g(τ) ∗ g∗(−τ)•|

Syy(f) = SxxG(f)G∗(f) = Sxx(f)|G(f)|2.

Die Faltung der Impulsantworten

g(τ) ∗ g∗(−τ) =

∞∫−∞

g(t + τ)g∗(t) dt = REgg(τ)

ist nach Gl.(6.7) gerade gleich der Autokorrelationsfunktion für Energiesignale oderauch Impulskorrelation.

Beispiel 6.12 Erzeugung von farbigem RauschenEs soll hier nochmals das Beispiel 6.10 aufgegriffen werden. Gegeben ist ein weißerRauschprozess x(t) mit konstantem Leistungsdichtespektrum

Sxx(f) = a2 ∀ f.

Das Signal werde auf einen Tiefpass 1. Ordnung mit der Grenzfrequenz fg gegeben.Die Übertragungsfunktion des Filters lautet

G(f) =1

1 + j f/fg

.

Die Leistungsdichte Syy(f) am Ausgang des Filters ist nach Gl.(6.27)

Syy(f) = |G(f)|2Sxx(f),

Syy(f) =a2

1 +(f/fg

)2 ,

Syy(f) =a2(2πfg)

2

(2πfg)2 + (2πf)2.

Das Ergebnis entspricht der in Beispiel 6.10 vorgestellten Leistungsdichte einesfarbigen Rauschprozesses. Es kann daher sehr einfach durch Tiefpassfilterung vonweißem Rauschen (z.B. PRBS-Folge) erzeugt werden.

Page 236: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 231

6.4.4 Systemidentifikation

Mit Hilfe der Leistungsdichtespektren wird die Identifikation der Übertragungs-funktion G(f) eines unbekannten Systems leicht möglich. Ein breitbandiges Rausch-signal x(t), wie beispielsweise eine PRBS-Folge wird an den Eingang eines unbe-kannten Systems gelegt (Abb. 6.17). Das Eingangssignal x(t) kann näherungsweiseals weißes Rauschen beschrieben werden, wenn die Bandbreite der Rauschquel-le viel größer ist als die des zu untersuchenden Systems. Das Ausgangssignal y(t)des Systems sei zusätzlich von einem unabhängigen, mittelwertfreien Messrauschenn(t) überlagert. Für das weiße Rauschen als Eingangssignal gilt

y t( )

n t( )

G f =( ) ?g( ) ?t =

y t( )~x t( )

Messung KKFIdentifikation

Rausch-quelle

Abbildung 6.17. Identifika-tion einer Übertragungsfunk-tion

Sxx(f) = a2 ∀ f.

Ohne überlagertes Messrauschen n(t) = 0 erhalten wir die ÜbertragungsfunktionG(f) des unbekannten Systems aus der Kreuzleistungsdichte nach Gl.(6.25)

Syx(f) = G(f)Sxx(f) = a2G(f)•|

Ryx(τ) = g(τ) ∗ a2δ(τ) = a2g(τ).

Berücksichtigt man nun noch die unabhängige, mittelwertfreie Messstörung n(t),so ergibt sich für die Kreuzkorrelation zwischen gestörtem Ausgang y(t) und demEingang x(t)

Ryx(τ) = Ey(t + τ)x(t)= E[y(t + τ) + n(t + τ)]x(t)= Ey(t + τ)x(t) + En(t + τ)x(t)︸ ︷︷ ︸

=0

= Ryx(τ). (6.29)

Das bedeutet, dass selbst ein überlagertes Messrauschen die Identifikation nichtstört, solange x(t) und n(t) unkorreliert sind.

Page 237: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

232 6. Korrelationsmesstechnik

Reale Messungen: Im folgenden werden einige Effekte diskutiert, die bei der rea-len Identifikation auftreten. In Abschn. 6.3.1 wurde bereits auf die Schwierigkeithingewiesen, die beim Messen der Korrelationsfunktion entstehen. Da man auf einendliches Messintervall beschränkt ist, erhält man auch für die Leistungsdichtennur Schätzwerte Sxy(f). Dadurch kann es passieren, dass trotz vorhandener Un-korreliertheit zweier Prozesse die zugehörigen Kreuzleistungsdichten nicht exaktzu Null werden. Der Vorteil des endlichen Messintervalls ist aber, dass in jedemFall die Fourier-Transformierte Y (f) des gemessenen Signals y(t) existiert. Damitkann in der Praxis der Schätzwert für die Leistungsdichte direkt aus der Fourier-Transformierten berechnet werden:

Syy(f) = Y (f)Y ∗(f),

Sxy(f) = X(f)Y ∗(f). (6.30)

Den Schätzwert für die Autoleistungsdichte Syy(f) bezeichnet man auch als Peri-odogramm.

Durch eine Mittelung über mehrere Schätzvorgänge lässt sich die Schätzung derLeistungsdichte verbessern:

Syy(f) =1

N

N∑i=1

Syy,i(f) =1

N

N∑i=1

Yi(f)Y ∗i (f),

Sxy(f) =1

N

N∑i=1

Sxy,i(f) =1

N

N∑i=1

Xi(f)Y ∗i (f). (6.31)

Für die Identifikation der Übertragungsfunktion G(f) bieten sich nun zwei unter-schiedliche Vorgehensweisen an:

1. Quotientenbildung der gemittelten Periodogramme:Für das Periodogramm des Ausgangssignals gilt

Syy(f) = [G(f)X(f) + N(f)] · [G(f)X(f) + N(f)]∗

= |G(f)|2Sxx(f) + G(f)Sxn(f) + G∗(f)Snx(f) + Snn(f)

= |G(f)|2Sxx(f) + 2G(f)Sxn(f) + Snn(f).

Durch die Mittelwertbildung verschwindet der Erwartungswert des Kreuztermsnäherungsweise, da x(t) und n(t) als unkorreliert angenommen werden,

Syy(f) = |G(f)|2Sxx(f) + 2G(f)ESxn︸ ︷︷ ︸≈0

+ Snn(f).

Page 238: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 233

Die Übertragungsfunktion wird als Quotient

|G(f)|2 =Syy(f)

Sxx(f)= |G(f)|2 +

Snn(f)

Sxx(f)

geschätzt, wobei durch die im Ausgangssignal überlagerte Störung n(t) einFehler auftritt. In Abb. 6.18 ist die geschätzte Übertragungsfunktion |G(f)| ei-nes VZ2-Gliedes dargestellt. Für große Frequenzen f geht die Funktion |G(f)|nicht gegen Null sondern in den Quotienten

Snn(f)

Sxx(f)

über. Ein weiterer Nachteil dieser Methode ist, dass nur der Amplitudengang|G(f)|, nicht aber der Phasengang G(f) geschätzt werden kann.

1,6

1,0

0,6

0

G f( )

f

Abbildung 6.18. Identifikation der Übertragungsfunktion eines VZ2-Gliedes über Mittelungder Periodogramme

2. Quotientenbildung der gemittelten Kreuzleistungsdichten:Das Kreuzleistungsspektrum

Syx(f) = G(f)Sxx(f) + Snx(f)

ist im Vergleich zum Periodogramm eine komplexe Funktion. Die Mittelungmuss daher getrennt nach Betrag und Phase oder getrennt nach Real- und Ima-

Page 239: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

234 6. Korrelationsmesstechnik

ginärteil erfolgen. Dies bringt im Vergleich zur 1. Methode einen höheren Re-chenaufwand mit sich,

Syx(f) = G(f)Sxx(f) + ESnx︸ ︷︷ ︸≈0

.

Die Übertragungsfunktion wird als Quotient

G(f) =Syx(f)

Sxx(f)=

G(f)Sxx(f)

Sxx(f)

geschätzt. Der Vorteil des höheren Rechenaufwandes liegt zum einen in der ver-fügbaren Phaseninformation. Aber auch der Einfluss der überlagerten Störungn(t) ist nun wesentlich geringer, wie Abb. 6.19 zeigt.

1,6

1,0

0,6

0

G f( )

f

Abbildung 6.19. Identifikation der Übertragungsfunktion eines VZ2-Gliedes über Mittelungdes Kreuzleistungsspektrums

In vielen Fällen reicht die einmalige Identifikation eines Systems nicht aus. Dies istvor allem dann der Fall, wenn sich Systemparameter verändern, die das dynamischeVerhalten des Systems bestimmen. Möchte man ein solches System messtechnischüberwachen, so muss man die Identifikation während des laufenden Betriebs durch-führen, da man nicht ständig das System für Messzwecke stilllegen kann. Bei derIdentifikation während des Echtzeitbetriebs wird dem Eingangssignal u(t) ein un-korreliertes weißes Rauschen n(t) als Testsignal überlagert (Abb. 6.20). Die Am-plituden a des Testsignals betragen im Vergleich zum Nutzsignal u(t) nur wenige

Page 240: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 235

Prozent. Das Testsignal n(t) und das Ausgangssignal y(t) werden gemessen unddaraus das Periodogramm Snn(f) und das Kreuzleistungsdichtespektrum Syn(f)geschätzt. Mit den Fourier-Transformierten der Eingangssignale

X(f) = U(f) + N(f)

erhält man die Ausgangsfunktion

Y (f) = G(f)U(f) + G(f)N(f)

und daraus die geschätzte Kreuzleistungsdichte

Syn(f) = G(f)Sun(f) + G(f)Snn(f).

Durch Mittelung über mehrere Einzelmessungen wird die Schätzung verbessert:

Syn(f) = EG(f)Sun(f)︸ ︷︷ ︸≈0

+G(f)Snn(f).

Damit erhält man für die geschätzte Übertragungsfunktion

G(f) =G(f)Snn(f)

Snn(f)=

Syn(f)

Snn(f)=

Syn(f)

a2.

Als Testsignal eignen sich beispielsweise die pseudostochastischen Binärfolgen.

y t( )G f =( ) ?g( ) ?t =

x t( )

Messung KKFIdentifikation

Rausch-quelle

u t( )

n t( )

Abbildung 6.20. Iden-tifikation einer Über-tragungsfunktion G(f)während des Echtzeitbe-triebs

6.4.5 Wiener Filter

In Abschn. 4.1 wurde diskutiert, wie Messsysteme den zeitlichen Verlauf einesMesssignals u(t) beeinflussen. Ziel der Überlegungen war es, das Messsystem sozu dimensionieren, dass das Fehlersignal e(t) zwischen Systemein- und Systemaus-gang möglichst klein wird. Dies führte auf das Problem der Parameteroptimierung,die konstruktiv frei wählbaren Parameter einer Übertragungsfunktion so zu wählen,dass die Verfälschung des Messsignals möglichst gering wird.

Page 241: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

236 6. Korrelationsmesstechnik

Einen anderen Ansatz verfolgt die Signalschätzung. Die Signalschätzung befasstsich mit der Rekonstruktion eines Signals, das durch die Dynamik des Systems unddurch überlagerte Störungen verfälscht wurde. Unter Verwendung von statistischenEigenschaften der verschiedenen Störquellen soll aus dem verfälschten Signal dasursprüngliche Messsignal soweit wie möglich wieder hergestellt werden. Das Pro-blem der Signalschätzung tritt in vielen technischen Anwendungen auf, wie bei-spielsweise:

Messtechnik: Der Zeitverlauf des Messsignals u(t) soll gemessen werden. Da jedeMessung notwendigerweise den zu messenden Vorgang beeinflusst, liefert dieMesseinrichtung nicht genau das Originalsignal u(t), sondern eine verfälschteVersion, die angezeigte Größe y(t). Zusätzlich treten Messfehler auf, die durchRauschsignale beschrieben werden können.

Signalübertragung: Wenn ein Signal u(t) zu einem anderen Ort hin übertragenwird, so wird es auf dem Weg dorthin durch die nichtidealen Eigenschaften desÜbertragungsmediums verändert. Zusätzlich kommen noch Störungen auf demÜbertragunsgweg hinzu, so dass das empfangene Signal y(t) nicht mehr demSendesignal u(t) entspricht. Dies ist ein klassisches Problem in der Nachrich-tentechnik und der Automatisierungstechnik.

Speicherung: Um ein Signal u(t) zu speichern, muss es so verändert werden, dasses den Erfordernissen des Datenträgers entspricht (z.B. Abtastung und Quanti-sierung in Kap. 7). Das zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgelesene Signalenthält Störungen, die meist auch durch Rauschen modelliert werden können.

u t( )

n t( )

u t( ) SchätzfilterH f( )

x t( )dynamischesSystem G f( )

e t u( )= ( ) ( )t u t^

^y t( )

Abbildung 6.21. Signalrekonstruktion durch Schätzfilter

Das Problem der Signalrekonstruktion zeigt Abb. 6.21. Das zu messende Signal u(t)ist nicht direkt zugänglich. Stattdessen kann nur y(t) erfasst werden, das die Einflüs-se des dynamischen Systems G(f) und zusätzliche Störsignale n(t) enthält. Es wirdangenommen, dass die Kreuzleistungsdichte Syu(f) zwischen u(t) und dem Aus-gang y(t) bekannt ist (beispielsweise durch eine Messung mit bekanntem Eingangs-signal). Das Kreuzleistungsdichtespektrum Syu(f) beschreibt den Einfluss der Ver-fälschungen, denen das Originalsignal unterliegt. Die Leistungsdichte Syy(f) desgemessenen Signals y(t) kann jederzeit durch Messung bestimmt werden und istdamit auch bekannt.

Page 242: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 237

Das Schätzfilter H(f) in Abb. 6.21 soll nun so entworfen werden, dass sein Aus-gangssignal u(t) dem Originalsignal u(t) möglichst nahe kommt. Dazu muss dieFehlerleistung zwischen beiden Signalen

e(t) = u(t) − u(t)

Ee2(t) = E[u(t) − u(t)]2 ⇒ min (6.32)

minimiert werden. Ein so entworfenes Filter heißt Optimalfilter oder nach seinemErfinder Wiener-Filter [51].

AnmerkungDie Bedingung in Gl.(6.32) wurde in ähnlicher Form bereits an anderer Stelle an-gewendet. Das Kriterium quadratisches Fehlerintegral in Abschn. 4.3.5 verwendetnach Gl.(4.46) ein Kriterium

Q =

∫ ∞

−∞e2(t) dt ⇒ min .

Für Energiesignale entspricht der Ausdruck gerade der quadratischen Norm oderder Autokorrelation RE

ee(τ = 0) an der Stelle Null. Damit lässt sich das Kriteriumauch folgender Form schreiben:

Q =

∫ ∞

−∞e2(t) dt =

∫ ∞

−∞See(f) df =

∫ ∞

−∞E(f)E(−f) df ⇒ min .

Eine weitere Anwendung war die Approximation von Kennlinien (Abschn. 2.1) undder Least-Squares-Schätzer (Abschn. 2.2).

Herleitung des Wiener-Filters: Obwohl das Eingangssignal u(t) und damit derRekonstruktionsfehler e(t) nicht bekannt sind, lässt sich dennoch die Fehlerlei-stung durch statistische Kenngrößen beschreiben. Aus Satz 6.5 ist bekannt, dass dieFehlerleistung Ee2(t) mit Hilfe des Leistungsdichtespektrums See(f) bestimmtwerden kann. Für die Leistungsdichte des Rekonstruktionsfehlers erhalten wir mitGl.(6.23) für die Summe von Zufallsgrößen:

See(f) = Suu(f) − Suu(f) − Suu(f) + Suu(f).

Drückt man See(f) in Abhängigkeit der Übertragungsfunktion H(f) des gesuchtenSchätzfilters aus, so führt das auf

See(f) = Syy(f)|H(f)|2 − Syu(f)H(f) − Suy(f)H∗(f) + Suu(f). (6.33)

Das Schätzfilter H(f), welches zur kleinsten Fehlerleistung führt, erhält man, in-dem man Gl.(6.33) nach H(f) ableitet. Dabei ist zu beachten, dass die Größen inGl.(6.33) und auch H(f) selbst komplex sind. Die Ableitung muss daher getrenntnach Betrag und Phase erfolgen. Zur Vereinfachung wird das Argument (f) bis aufweiteres weggelassen. Mit H = |H |ejϕ erhält man

Page 243: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

238 6. Korrelationsmesstechnik

See = Syy|H |2 − Syu|H |ejϕ − Suy|H |e−jϕ + Suu.

Die Ableitung von See nach der reellen Größe |H | ergibt

dSee

d |H | = 2|H |Syy − Syuejϕ − S∗yue−jϕ

= 2|H |Syy − 2Syuejϕ != 0.

Den optimalen Amplitudengang |H | des Schätzfilters erhält man durch Nullsetzender Ableitung zu

|H | =Syuejϕ

Syy.

Durch Ableitung von See nach der Phase ϕ erhält man den Phasengang:

dSee

dϕ= −j|H |ejϕSyu + j|H |e−jϕS∗

yu = −j2|H |Syuejϕ != 0.

Der optimale Phasengang folgt aus

Syuejϕ = |Syu|ej(argSyu+ϕ) = 0.

Der Imaginärteil wird gleich Null, wenn

ϕ = − argSyu (6.34)

gilt. Der Phasengang des Wiener-Filters ist also gleich dem negativen Phasengangder Kreuzleistungsdichte Syu. Damit ist auch der optimale Amplitudengang be-stimmt und ergibt sich mit Gl.(6.34) zu

|H | =Syuejϕ

Syy=

|Syu|ej(argSyu+ϕ)Syy

=|Syu|Syy

. (6.35)

Mit den Gl. (6.34) und (6.35) erhält man die gesuchte Übertragungsfunktion desoptimalen Rekonstruktonsfilters zu

H(f) =S∗

yu(f)

Syyf)=

Suy(f)

Syy(f). (6.36)

Rekonstruktion bei linearer Verzerrung und additivem Rauschen: Bei der all-gemeinen Herleitung der Wiener-Filters nach Gl.(6.36) wurden keine Annahmenüber die Art der Signalverfälschung gemacht. Nimmt man an, dass die Messgrößeu(t) wie in Abb. 6.21 durch ein allgemeines LTI-System mit der Übertragungsfunk-tion G(f) verzerrt wird und zusätzlich von einer Rauschquelle n(t) überlagert ist,so kommt man auf eine Beschreibung, die für viele reale Messsysteme zutrifft. Das

Page 244: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 239

Rauschsignal n(t) fasst alle externen Störeinflüsse zusammen und sei nicht mit derMessgröße korreliert. Der Ausgang des LTI-Systems sei mit x(t) bezeichnet.

Die Größen Suy(f) und Syy(f) können durch das Modell genauer beschrieben wer-den. Mit Gl.(6.24) erhalten wir für die Leistungsdichte einer Summe unkorrelierterGrößen

Syy(f) = Sxx(f) + Snn(f) = Suu(f)|G(f)|2 + Snn(f).

Für die Kreuzkorrelation folgt

Suy(f) = Suu(f)G∗(f) + Sun(f)︸ ︷︷ ︸=0

.

Damit erhält man ein Wiener-Filter zur Rekonstruktion bei linearer Verzerrung undadditivem Rauschen zu

H(f) =Suu(f)G∗(f)

Suu(f)|G(f)|2 + Snn(f). (6.37)

Die Kenntnis der verzerrenden Übertragungsfunktion G(f) ermöglicht es hier, dieKreuzleistungsdichte Suy(f) auf die Leistungsdichten des Messsignals Suu(f) undder Rauschstörung Snn(f) zurückzuführen. Der Frequenzgang G(f) kann dabeiexplizit bekannt sein, oder durch eine Identifikation bestimmt werden.

Beispiel 6.13 RauschunterdrückungEinem Messsignal u(t) sei eine rauschartige, unkorrelierte Störung n(t) überlagert.Gesucht ist ein Optimalfilter, dass das Rauschen optimal unterdrückt, ohne dabeidas Messsignal zu stark zu verfälschen. Für die Leistungsdichten gelte

Suu(f) =U2

1 + (b · 2πf)2, Snn(f) = a2.

Das gesuchte Optimalfilter erhält man mit Gl.(6.37). Da hier allerdings keine Ver-zerrung durch ein LTI-System vorliegt, wird

G(f) = 1

und damit das gesuchte Wiener-Filter zu

H(f) =Suu(f)

Suu(f) + Snn(f)=

U2

U2 + a2 + (b · a · 2πf)2. (6.38)

Abbildung 6.22 zeigt die Leistungsdichtespektren von Signal und Störung, so wieden Amplitudengang des Optimalfilters. Das Filter lässt den Frequenzbereich desMesssignals durch und dämpft außerhalb davon die Störung. Die Leistungsdichtender Ausgangssignale im Vergleich zum ungestörten Signal zeigt Abb. 6.23.

Page 245: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

240 6. Korrelationsmesstechnik

−100 −50 0 50 1000

0.2

0.4

0.6

0.8

1Leistungsdichtespektrum S(f)

|H(f)|2

Suu

(f)

Snn

(f)Abbildung 6.22. Leistungs-dichtespektren des SignalsSuu(f) und der StörungSnn(f) und Amplitudengangdes Optimalfilters |H(f)|2

−100 −50 0 50 1000

0.2

0.4

0.6

0.8

1Leistungsdichtespektrum S(f)

Suu

(f)

Suu

(f)^^

See

(f)

Abbildung 6.23. Leistungs-dichtespektren des MesssignalsSuu(f) sowie die der verblei-benden Störung See(f) und desSignals Suu(f) am Ausgangdes Optimalfilters

Das Wiener-Filter H(f) ist allgemein akausal. Es kann zwar auf ein zuvor gemes-senes Ausgangssignal y(t) angewendet werden, dies aber nicht in Echtzeit filtern.Für die Echtzeitanwendung stehen daher nur vergangene Werte zur Verfügung, mitder das Filter bestimmt werden kann. Betrachtet man das akausale Filter, so ist dieImpulsanwort des Filters gleich der inversen Fourier-Transformation

Page 246: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

6.4 Leistungsdichtespektrum 241

F−1H(f) → h(t).

Der kausale Teil der Impulsantwort

hkaus(t) =

h(t) , t ≥ 0,0 , t < 0,

ergibt ein kausales Filter, das für die Echtzeitanwendung geeignet ist.

Beispiel 6.14 kausales Wiener-FilterFür das akausale Rauschunterdrückungsfilter nach Gl.(6.38) soll das entsprechendekausale Wiener-Filter berechnet werden. Dazu formt man die Filterübertragungs-funktion um und erhält mit

H(f) = k · 2λ

λ2 + (2πf)2mit k =

U2

2ab√

U2 + a2

•|

h(t) = k · e−λ|t| und λ =

√U2

a2b2+

1

b2

die Impulsantwort h(t) des akausalen Systems. Setzt man für t < 0 die Impusant-wort zu Null, so erhält man den kausalen Teil der Impulsantwort (Abb. 6.24)

−0.02 −0.01 0 0.01 0.020

20

40

60

80Impulsantwort (kausal ——, akausal − − −)

Abbildung 6.24. Impulsantwortendes akausalen und kausalenWiener-Filters

hkaus(t) = k · e−λt · σ(t).

Durch Fourier-Transformation erhält man schließlich den Frequenzgang des kausa-len Filters:

Hkaus(f) = F(hkaus(t)) = k · 1

λ + j2πf.

Page 247: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

242 6. Korrelationsmesstechnik

Abbildung 6.25 zeigt den Amplitudengang der beiden Wiener-Filter. Der Durch-lassbereich des kausalen Filters ist deutlich breiter als der des optimalen, akausalenWiener-Filters. Die Rauschunterdrückung gelingt nicht so gut, das Filter kann aberfür Echtzeitanwendungen eingesetzt werden.

−100 −50 0 50 1000

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Amplitudengang |H(f)|2/H0

Abbildung 6.25. NormierterAmplitudengang eines kausalen(——) und akausalen (— — —)Rauschunterdrückungsfilters

Page 248: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

In der modernen Messtechnik werden Signale meist mit einem Rechner ausgewertet.Dazu müssen die zeitkontinuierlichen Signale eines analogen Messwertaufnehmersin eine für den Rechner geeignete Form gebracht werden. Diesen Prozess nennt mandigitale Messdatenerfassung. Bei der digitalen Messdatenerfassung werden die Sig-nale implizit einer Signalverarbeitung unterzogen. Der mit einer Messdatenerfas-sung zwangsläufig verbundenen Signalverarbeitung ist sich der Ingenieur zumeistweniger bewusst, obwohl gerade die Bereitstellung der Messdaten das gesamte In-formationsverarbeitungssystem in entscheidender Weise beeinflusst. Im folgendensollen einige Grundbausteine der Signalverarbeitung behandelt werden. Für einge-hendere Darstellungen sei auf die Literatur verwiesen [33, 23, 44].

t

y(t)

t

y(t)

t

y(t)

t

y(t)

kontinuierlich zeitdiskret

zeit- und amplitudendiskretamplitudendiskret

Abbildung 7.1. Kontinuierliche und diskrete Signale

Da im Rechner nur eine endliche Anzahl von Messwerten gespeichert werden kann,muss das zeitkontinuierliche Signal des Messwertaufnehmers zu diskreten Zeit-punkten abgetastet werden (engl. sampling). Der wahre Signalverlauf wird im Rech-ner, ähnlich der Kennlinien-Interpolation aus Kap. 2, durch eine endliche Anzahl

Page 249: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

244 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

zeitdiskreter Stützstellen repräsentiert (Abb. 7.1). Durch die Abtastung selbst oderdurch integrierende Verfahren bei der Messwertaufnahme werden die Messsigna-le verfälscht. Die dabei auftretenden Effekte werden im folgenden Abschnitt be-sprochen. Daneben können die Amplitudenwerte der abgetasteten Stützstellen nichtbeliebig genau bestimmt werden. Vielmehr sind technisch nur diskrete Amplitu-denstufen realisierbar. Auch im Rechner kann nur mit diskreten (dualen) Zahlengearbeitet werden. Dies führt bei der Messwerterfassung zu einer Quantisierung derSignalamplituden. Die damit einhergehenden Signalverfälschungen werden in Ab-schn. 7.2 diskutiert. Technisch wird die digitale Signalverarbeitung mit Hilfe vonAnalog-Digital-Umsetzern realisiert, die sowohl die Zeitdiskretisierung als auch dieAmplitudenquantisierung verwirklichen. Der Einfluss des Umsetzverfahrens auf daszu messende Signal wird in Abschn. 7.3 erläutert.

7.1 Abtastung

Ein kontinuierliches Signal zeichnet sich dadurch aus, dass man zu jedem beliebigenZeitpunkt die Signalamplitude angeben kann. Bei technisch realisierbaren Systemensind die Signalamplituden stetige Funktionen.

Bei der Abtastung werden nur die Signalwerte zu diskreten Zeitpunkten erfasst, d.h.die Signalwerte zwischen den Zeitpunkten gehen verloren. Unter bestimmten Vor-aussetzungen, im Abtasttheorem beschrieben, kann man die Signalwerte zwischenden Zeitpunkten wieder vollständig rekonstruieren. Nur in diesem Fall entstehendurch die Abtastung keine Signalfehler.

Bei der idealen Abtastung wird ein zeitkontinuierliches Signal y(t) zu äquidistantenZeitpunkten nta in das zeitdiskrete Signal y∗(t) überführt. Dies geschieht durch eineMultiplikation mit einer Impulsreihe:

y∗ (t) = y (t) ·∞∑

n=−∞δ (t − nta).

Die Fourier-TransformierteY∗(f) des abgetasteten Signals y∗(t) wird durch Faltungim Frequenzbereich beschrieben,

Y∗(f) = Y (f) ∗ 1

ta·

∞∑k=−∞

δ

(f − k

ta

)

=

∞∫−∞

Y (ν)1

ta·

∞∑k=−∞

δ

(f − ν − k

ta

)dν

=1

ta·

∞∑k=−∞

Y

(f − k

ta

). (7.1)

Page 250: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.1 Abtastung 245

Man erkennt sofort, dass das ursprüngliche Spektrum Y (f) in Abständen von1/ta = fa periodisch wiederholt wird (Abb. 7.2). Damit eine eindeutige Rekon-struktion des Ursprungsspektrums überhaupt noch möglich ist, darf die Bandbreitedes Spektrums Y (f) nicht größer als 1/2ta sein, damit sich die periodischen Anteilenicht überlappen. Dies führt zum

Satz 7.1 AbtasttheoremIst das Spektrum Y (f) eines kontinuierlichen Signals bandbegrenzt auf die halbeAbtastfrequenz fa

|Y (f)| = 0 für |f | >fa

2=

1

2ta,

so kommt es im Spektrum des abgetasteten Signals Y∗(f) zu keinen Überlappungen(Aliasing) der periodischen Wiederholungen. Das ursprüngliche Signal y(t) kanndaher fehlerfrei aus dem zeitdiskreten Signal y∗(t) rekonstruiert werden.

Die Rekonstruktion gelingt, indem man die periodischen Spektralanteile aus Y∗(f)heraus filtert. Dies gelingt durch die Multiplikation von Y∗(f) mit einem idealenRechteckfenster der Breite fa. Der Multiplikation im Frequenzbereich entsprichteine Faltung im Zeitbereich, womit man das rekonstruierte Zeitsignal erhält:

y(t) = y∗(t) ∗ (ta · rfa(t))

= y(t)

∞∑n=−∞

δ (t − nta) ∗ sin πfat

πfat

=

∞∑n=−∞

y (nta) · sin πfa(t − nta)

πfa(t − nta). (7.2)

AnmerkungFür die praktische Anwendung ist zu beachten, dass das Abtasttheorem eine theore-tische Aussage ist. Daher müssen die Fehler abgeschätzt werden, die in der realenAnwendung entstehen. Die im wesentlichen zu beachtenden Fehler sind:

1. Aliasing-Fehler durch nicht bandbegrentzte Signale, da vollständig bandbe-grenzte Signale in der Praxis nicht existieren. (s. Abschn. 7.1.1).

2. Eine unendlich kurze Abtastung mit δ–Impulsen ist technisch nicht realisierbar.Vielmehr wird eine endliche Zeit benötigt, um den Abtastwert zu gewinnen.Dies führt zu Fehlern im Signalspektrum (s. Abschn. 7.1.3).

3. Zeitliche Abtastfehler (Jitter) bewirken eine Abweichung von der äquidistantenAbtastung. Dadurch kommt es ebenfalls zu einer Verfälschung des Signals (s.Abschn. 7.1.4).

4. Der Fehler durch das benutzte endliche Beobachtungsfenster T0, da es in jederrealen Anwendung nur gelingt, einen zeitlich begrenzten Ausschnitt des Signalszu beobachten. Dieses als Leckeffekt bezeichnete Phänomen wird ausführlichin [23] behandelt.

Page 251: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

ffa

2Nyquistband periodischeWiederholung

periodischeWiederholung

Y f

Y f Y f

ta

1

( ) AliasingAliasing

Y f*

-fa

2

-fa fa=

fafa ( )

( )

( )

Y∗(f) y∗(t)

fa Y (f)

Y∗(f) = fa ·∞∑

k=−∞Y (f − k · fa) .

Y (f)

Y (f)fa

fa

y(t) fa

y(t)

250Hz

y(t) = sin(2π · 250Hz · t),

fa = 200Hz fa =1

ta

246 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Abbildung 7.2. Spektrum der abgetasteten Zeitfunktion, Aliasing

7.1.1 Aliasing

Bei der Berechnung des Spektrums des abgetasteten Signals in Gl.(7.1)wurde das Spektrum als Summe der um ganzzahlige Vielfache der Abtastfrequenz

verschobenen Spektren dargestellt:

Besitzt das Spektrum Anteile für Frequenzen größer als die halbe Abtastfre-quenz, so kommt es zu spektralen Überlappungen, genannt Aliasing. Ist das Spek-trum von bandbegrenzt, so kann es zu Aliasing kommen, wenn die Abtast-frequenz zu klein gewählt wurde. Aus Abb. 7.2 erkennt man, dass durch einegeeignete Wahl von der Aliasing-Fehler vermieden werden könnte.

Ist das Abtasttheorem nicht erfüllt, d.h. ist das Spektrum des abzutastenden Signalsnicht bandbegrenzt, oder ist die Abtastfrequenz nicht größer als das Dop-

pelte der Frequenz des größten Spektralanteils in , so kommt es zu spektralerÜberlappung (Aliasing). Eine eindeutige Zuordnung der Spektralanteile ist dannnicht mehr möglich.

Beispiel 7.1 Aliasing einer harmonischen SchwingungGegeben ist eine harmonische Schwingung bei

die mit einer Abtastfrequenz von

Page 252: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.1 Abtastung 247

abgetastet werden soll. Hierbei ist das Abtasttheorem verletzt und die eindeutige Zu-ordnung der Spektralanteile nicht mehr möglich, wie die folgende Rechnung zeigt:

y∗(t) = y(nta) = sin(2π250Hz

200Hz· n)

= sin(2π(1 +1

4)n) = sin(

π

2n + 2πn).

Wegen der 2π–Periodizität des Sinus lässt sich y∗(t) nicht mehr von einer 50Hz-Schwingung unterscheiden. Durch Verletzung des Abtasttheorems wird fälschli-cherweise eine 50Hz-Schwingung vermutet,

sin(2π50Hz

200Hz· n) = sin(

π

2n) = sin(

π

2n + 2πn).

Zur Verhinderung von Aliasing gibt es nun zwei Möglichkeiten:

1. Bei nicht bandbegrenzten Signalen muss man vor der Abtastung mit Hilfe ei-nes analogen Tiefpasses (Anti-Aliasing-Filter) Frequenzanteile größer als fa/2heraus filtern.

2. Bei bandbegrenzten Signalen muss die Abtastfrequenz fa größer als das Dop-pelte der höchsten im Signal vorkommenden Frequenz sein. Lässt sich die Ab-tastfrequenz nicht beliebig erhöhen, so muss man wie unter Punkt 1. mit Hilfeeines Tiefpasses Frequenzanteile größer als fa/2 herausfiltern.

7.1.2 Anti-Aliasing-Filter

Zur Erfüllung des Abtasttheorems werden an ein praktisches Anti-Aliasing-Filterhohe Forderungen gestellt. Im Bereich bis zur halben Abtastfrequenz (Nyquistband)soll das Spektrum möglichst nicht gestört werden. Oberhalb von fa/2 sollen alleSpektralanteile vollständig verschwinden. Solch ein idealer Tiefpass ist in der Praxisnicht zu verwirklichen. Man muss sich mit steilflankigen Filtern hoher Ordnungbegnügen. Im folgenden sollen die Aliasing-Fehler untersucht werden, die durchdie Verwendung nichtidealer Anti-Aliasing-Filter entstehen.

Beispiel 7.2 Aliasing-Fehler bei Filter 1. OrdnungGegeben ist ein kontinuierliches Eingangssignal x(t) mit konstanter Leistungsdich-te (weißes Rauschen):

Sxx(f) = const = A2.

Das Signal wird mit einer Abtastfrequenz fa abgetastet. Als Anti-Aliasing-Filterkommt ein Filter 1. Ordnung zum Einsatz, mit einer Grenzfrequenz fg < fa/2 undder Übertragungsfunktion

Page 253: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

248 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

G(f) =1

1 + j · f/fg

.

Der Nutzsignalbereich erstreckt sich auf den Bereich von |f | ≤ fg (Abb. 7.3). DieStörungen, die durch Aliasing entstehen, sind die spektralen Anteile bei |f | > fa/2. Mit der Spektralen Leistungsdichte am Ausgang des Filters

Syy(f) = |G(f)|2 · Sxx(f) =A2

1 + (f/fg)2

erhält man die Signalleistungen zu

PSig = 2

fg∫0

Syy(f) df = 2

fg∫0

A2

1 + (f/fg)2

df

= 2fgA2 arctan

(f

fg

)∣∣∣∣fg

0

2fgA

2,

PStor = 2

∞∫fa/2

Syy(f) df

= 2fgA2 arctan

(f

fg

)∣∣∣∣∞fa/2

= fgA2

(π − 2 arctan

(fa

2 fg

)).

Der Signal-Störabstand wird damit

PSig

PStor=

π/2

π − 2 arctan(fa/2 fg

) .

Legt man den Nutzsignalbereich auf ein Viertel der maximalen Bandbreitefg = fa/(2 · 4), so erhält man einen Signal-Störabstand (Signal to Noise RatioSNR) zu

PSig

PStor= SNR =

π/2

π − 2 arctan(4)≈ 3.205 = 5.1 dB.

Am Beispiel erkennt man, wie wichtig der Einsatz steilflankiger Anti-Aliasing-Filter ist. Ein Filter 1.Ordnung ist keinesfalls ausreichend. Man erkennt aber auch,dass es für einen großen Signal-Störabstand günstig ist, die Signalbandbreite kleinerals die halbe Abtastfrequenz fa/2 zu wählen. Zur Untersuchung des Aliasingfeh-lers wird die Betragskennlinie der Tiefpassfilter durch die Asymptoten angenähert(Abb. 7.3). Für ein Filter n–ter Ordnung gilt dann

|G(f)|2 ≈⎧⎨⎩

1 für |f | ≤ fg,(fg

f

)2n

für |f | > fg.

Page 254: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.1 Abtastung 249

gf 2af

2( ) ngf f

Nutzsignalbereich Spektralanteile, die zuAliasing führen

f

( )yyS f

PStör

PSig

Abbildung 7.3. Aliasing-Fehler durch nicht-ideales Filter n-ter Ordnung

Die Signalleistungen erhält man dann für ein kontinuierliches Eingangssignal mitkonstanter Leistungsdichte Sxx(f) = A2:

PSig ≈ 2

fg∫0

Syy(f) df = 2

fg∫0

A2 df = 2fgA2,

PStor ≈ 2

∞∫fa/2

Syy(f) df = 2

∞∫fa/2

A2f2ng

f2ndf

= −2A2 f2ng

(2n − 1) · f2n−1

∣∣∣∣∣∞

fa/2

= A2 (2fg)2n

(2n − 1) · f2n−1a

.

Der Signal-Störabstand ist für Anti-Aliasing-Filter der Ordnung n

SNR =PSig

PStor≈ (2n − 1) ·

(fa

2fg

)2n−1

. (7.3)

Abbildung 7.4 zeigt den Signal-Störabstand für unterschiedliche Filterordnungen nund Grenzfrequenzen fg. Selbst bei einem Filter 8–ter Ordnung sollte die maximaleNutzfrequenz fg um den Faktor 3 . . . 4 kleiner als die Nyquistfrequenz fa/2 gewähltwerden, um einen ausreichenden Signal-Störabstand zu gewährleisten.

7.1.3 Mittelwertbildung bei endlicher Abtastdauer

Eine Abtastung mit idealen δ–Impulsen ist in der Praxis nicht möglich. Vielmehr isteine gewisse Zeit nötig, bis die Abtastung durchgeführt ist. Man stelle sich beispiels-

Page 255: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

250 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

f

fa

g21 2 5 10 20 50

n=1

n=2

n=4n=880

60

40

20

0

SNR [dB]

Abbildung 7.4. Beispiel von Signal-Störabständen bei Anti-Aliasing-Filtern unterschiedli-cher Ordnung n

weise einen Kondensator vor, der über das kontinuierliche Eingangssignal y(t) auf-geladen wird und der diesen Spannungswert für den Abtastvorgang kurz speichert.Dies entspricht implizit einer Integration der Eingangsspannung über die Ladezeitdes Kondensators. Der Einfluss auf das Signal soll nun untersucht werden.

Der Mittelwert eines Zeitsignals wird nach Kap. 6 über das Integral

y = limT→∞

1

T

T/2∫−T/2

y(t) dt

bestimmt. In der Praxis kann der Grenzübergang nicht durchgeführt werden. DieMittelung beschränkt sich daher auf ein Intervall der Breite T . Man kann nun für je-den Zeitpunkt t eine Mittelung über das Intervall [t−T/2 ≤ t < t+T/2] durchführenund erhält so den gleitenden Mittelwert (engl. moving average)

y(t) =1

T

t+T/2∫t−T/2

y(τ) dτ. (7.4)

Betrachtet man die Faltungsoperation

y(t) = y(t) ∗ g(t) =

∞∫−∞

y(τ)g(t − τ) dτ

und vergleicht das Ergebnis mit dem gleitenden Mittelwert, so findet man

Page 256: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.1 Abtastung 251

g(t) =1

T· rT (t) mit rT (t) =

1 für |t| ≤ T/2,0 für |t| > T/2.

Die Mittelwertbildung, die einer mit 1/T gewichteten Integration über das Inter-vall T entspricht, kann durch Faltung des ursprünglichen Signals y(t) mit einemRechteckfenster rT (t) beschrieben werden. Im Frequenzbereich entspricht das ei-ner Multiplikation des Spektrums Y (f) mit sin f/f :

y(t) =1

T· y(t) ∗ rT (t)

•|

Y (f) =1

TY (f) · RT (f) = Y (f) · sin(πTf)

πTf. (7.5)

Die Filterwirkung der Mittelwertbildung (MA-Filter) ist in Abb. 7.5 dargestellt. DasEingangssignal wird also bereits vor der sich anschließenden idealen δ–Abtastungverfälscht. Dabei kann man drei Frequenzbereiche unterscheiden.

a. |f | ≤ 1/2T :Das Signal wird nahezu ungefiltert durchgelassen. In diesem Frequenzbereichsollte das Nutzsignal liegen:

2

π≤∣∣∣∣ Y (f)

Y (f)

∣∣∣∣ ≤ 1.

b. |f | ≈ 1/T :Die Frequenz einer harmonischen Schwingung stimmt annähernd mit der Wieder-holrate der Periode überein. Die Schwingung wird durch die Mittelwertbildungweitgehend aus dem Signal herausgefiltert.

c. |f | > 1/T :Das Signal wird gedämpft.

Beispiel 7.3 Mittelwertbildung als Anti-Aliasing-FilterBei vielen integrierenden AD-Wandlern erstreckt sich die Mittelwertbildung überdie gesamte Abtastzeit (vgl. Abschn. 7.3). Mit

T =1

fa

erhält man das Spektrum des aufintegrierten Signals vor der Abtastung zu

Y (f) = Y (f) · sin(π · f/fa)

π · f/fa

.

Die Dämpfung bei f = fa/2 beträgt nur

Page 257: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

252 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

fa-fa f

1

f /2a

| (f)|Y|Y(f)|

Abbildung 7.5. Filter-Charakteristik der Mittelwertbildung

Y (fa

2) = Y (

fa

2) · 2/π ≈ 0.63 · Y (

fa

2).

Da die Spektralanteile für f ≥ fa/2 nur schlecht gedämpft werden, ist bei breitban-digen Eingangssignalen y(t) trotz Mittelung ein Anti-Aliasing-Filter vorzusehen.

AnmerkungDie reale Abtastung ist durch das Aufladen von Kapazitäten immer mit einer Inte-gration/Mittelwertbildung verbunden. Dabei ist folgendes zu beachten:

1. Ist das Mittelungsintervall klein gegen die Abtastzeit, so erhält man eine sehrbreite Filtercharakteristik. Die spektrale Verfälschung im Nyquistband |f | ≤fa/2 kann dann meist vernachlässigt werden.

2. Ist das Mittelungsintervall gleich der Abtastzeit, so kommt es wie in obigemBeispiel zu Verfälschungen im Nyquistband, die bei der anschließenden digita-len Signalverarbeitung kompensiert werden müssen. Die Filterwirkung ist aller-dings für |f | > fa/2 nicht ausreichend. Daher kann bei nicht bandbegrenztenSignalen auf ein Anti-Aliasing-Filter nicht verzichtet werden.

7.1.4 Zeitliche Abtastfehler

Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Abtastung ohne Zeitfehler exakt zu denZeitpunkten nta erfolgt. In realen Systemen kann es aber zu einem zeitlichen Feh-ler bei der Abtastung kommen, der oft auch als Jitter bezeichnet wird. Dies äußertsich in einer Signalverfälschung, die als Störsignal interpretiert werden kann. Ab-bildung 7.6 zeigt exemplarisch das Fehlersignal bei Abtastung einer harmonischen

2/π

Page 258: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.1 Abtastung 253

Schwingung mit Zeitfehler. Es soll nun eine Abschätzung des Jitter-Fehlers durch-geführt werden [35, 38]. Für diese Abschätzung sei immer die Einhaltung des Ab-tasttheorems vorausgesetzt.

t

e(t)

Abbildung 7.6. Fehlersignal durch Abtastjitter

y∗(t) = y (t) ·∞∑

n=−∞δ (t − nta) oder yn = y(nta)

ist die ideal abgetastete Zeitfunktion. Für die tatsächlichen Abtastzeitpunkte gelte

tn = n · ta + τn ; n = 0,±1,±2 . . . .

wobei τn den Zeitfehler bei der n–ten Abtastung darstellt. Für die tatsächlich abge-tastete Funktion gilt

y∗(t) = y (t) ·∞∑

n=−∞δ (t − nta − τn) oder yn = y(nta + τn).

Der Fehler durch zeitlich falsches Abtasten ist die Differenz von gestörtem undungestörtem Signal

en = yn − yn. (7.6)

Zur Abschätzung des Fehlers ist das 1. Moment der Spektralfunktion hilfreich. Nach[34] gilt folgende Abschätzung für die k–te Ableitung einer auf fg bandbegrenztenZeitfunktion:

∣∣∣∣dky(t)

dtk

∣∣∣∣ ≤fg∫

−fg

|2πf |k|Y (f)| df = Mk. (7.7)

Über den Differenzenquotienten im Abtastzeitpunkt tn

Page 259: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

254 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

|y(tn) − y(nta)| ≤ M1|tn − nta| = M1|τn|lässt sich der Fehler nach Gl.(7.6) abschätzen:

|en| ≤ M1 · |τn|.Für gegebene n hängt der Wert en nur von τn ab. Nimmt man an, der Zeitfehler τn

sei statistischer Natur mit

Eτn = 0, Eτ2n = σ2

τ ,

so folgt, dass die Amplitudenfehler en statistisch unabhängig voneinander sind. Fürdie Fehlervarianz erhalten wir dann

Ee2n ≤ M2

1σ2τ .

Betrachtet man wegen der Forderung des Abtasttheorems ein auf fg bandbegrenztesEingangssignal mit konstanter Spektralfunktion

|Y (f)| =

Amax für |f | ≤ fg,0 sonst,

(7.8)

so erhält man mit Gl.(7.7)

M1 =

fg∫−fg

|2πf | · Amax df = 2πf2g Amax.

Damit wird der Erwartungswert des quadratischen Amplitudenfehlers bzw. seineFehlerleistung zu

Ee2n ≤ 4π2f4

g A2maxσ

2τ = PStor. (7.9)

Mit Hilfe einer Leistungsbetrachtung lässt sich eine Angabe über den minimalenSignal-Störabstand machen. Mit dem Satz von Parseval ist die Signalenergie desbandbegrenzten Zeitsignals nach Gl.(7.8) gleich

Ey =

∞∫−∞

|Y (f)|2 df =

fg∫−fg

A2max df = 2A2

maxfg.

Berücksichtigt man nun, dass der wesentliche Teil der Signalenergie im Hauptgipfeldes Signals von Gl.(7.8) enthalten ist, so kann die Signalleistung durch Division derEnergie durch das Zeitintervall 2t0 zwischen den beiden Nullstellen links und rechtsvom Hauptgipfel angegeben werden (Abb. 7.7). Mit

t0 =1

2fg

Page 260: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.1 Abtastung 255

erhält man die Signalleistung zu

PSig =Ey

2t0= 2A2

maxf2g .

Der Signal-Störabstand (SNR, Signal to Noise Ratio) berechnet sich mit Gl.(7.9) zu

PSig

PStor= SNR =

2A2maxf

2g

4π2f4g A2

maxσ2τ

=2

(2πfgστ )2. (7.10)

t

y(t)

1

2 fg2 fg

1-1

2t0

Abbildung 7.7. Zeitlicher Ver-lauf einer auf fg bandbegrenztenkonstanten Spektralfunktion

Anmerkung

1. Je näher die Signalfrequenzen an der Nyquist-Frequenz liegen, desto stärkermacht sich der Jitter-Fehler bemerkbar, da sich hochfrequente Signale inner-halb des Zeitfehlers τn stärker verändern als tieffrequente Signalanteile. FürSignalfrequenzen, die klein gegen die halbe Abtastfrequenz sind, kann der Feh-ler meist vernachlässigt werden.

2. Jitter-Fehler treten bei so genannten Peak-Hold Schaltungen für schnelle AD-Wandler auf, da innerhalb des Abtastfensters der maximale Signalwert demidealen Abtastzeitpunkt zugeordnet wird.

Abbildung 7.8 zeigt die spektrale Leistungsdichte einer harmonischen Schwingungmit Jitter. Das Signal wurde einem gleichverteilten Zeitfehler τnunterworfen mitτmax = 0.1 · ta, bei ta = 10−3 s.

Beispiel 7.4 Jitter-Fehler bei hochgenauer AD-WandlungGegeben sei ein 16-Bit AD-Wandler (N = 16) für die CD-Produktion mit einerAbtastfrequenz von fa = 44100Hz. Es soll nun untersucht werden, wie hoch dieAnforderungen an die zeitliche Genauigkeit der Abtastung sind. Dabei soll der Am-plitudenfehler durch Abtast-Jitter kleiner sein als das Rauschen, das durch die Quan-tisierung entsteht (Abschn. 7.2). Der Signal-Rauschabstand bei einer Quantisierungvon 216 Stufen ist nach Gl.(7.27)

Page 261: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

256 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

f[Hz]

S(f) [dB]

max a= 0.1 t

PStör

Abbildung 7.8. Leistungsdichte einer harmonischen Schwingung mit Jitter

SNR[dB] = 6.02N + 1.76 = 98dB(= 10 · log

(1, 5 · 22N

)).

Die Musiksignale sind bandbegrenzt auf fg = 20kHz. Nach Gl.(7.10) erhalten wirbei vorgegebenem SNR = 1, 5 · 22N die zulässige Varianz des Zeitfehlers zu

σ2τ =

2

(2πfg)2 · SNR.

Nimmt man einen gleichverteilten Zeitfehler im Intervall

−τmax ≤ τ ≤ τmax mit σ2τ =

τ2max

3,

an, so wird der maximal zulässige Zeitfehler

τmax ≤ 1

2πfg

√6

SNR.

Bezieht man nun noch den zulässigen Zeitfehler τmax auf die Abtastzeit ta, so erhältman mit den oben gemachten Annahmen

τmax

ta≈ 1.08 · 10−5, τmax ≈ 245 ps.

Das Ergebnis zeigt, dass bei AD-Wandlern mit hoher Bit-Auflösung eine sehrgenaue Zeitbasis für die Abtastung notwendig ist, wenn der gewünschte Signal-Störabstand eingehalten werden soll.

7.2 Quantisierung

Bei der Quantisierung werden den stetigen Eingangssignalen x(t) diskrete Wertexq(t) zugeordnet. Die Quantisierung ist eine nichtlineare Operation mit einer Kenn-

τ

Page 262: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 257

linie nach Abb. 7.9. Ein Eingangssignal, welches innerhalb eines Quantisierungs-streifens der Breite q liegt, ergibt am Ausgang eine Amplitude, die der Mitte deszugehörigen Streifens entspricht (Rundungskennlinie). Für die Quantisierung sindaber auch andere Kennlinien denkbar, bei denen die Quantisierungsstufen nicht alledie gleiche Breite aufweisen. Sie sollen hier aber nicht diskutiert werden [17]. DerQuantisierungsfehler ist

|eq(t)| = |xq(t) − x(t)| ≤ q

2. (7.11)

q

x tq ( )

x t( )

2q

3q

-q

-2q

-3q

q 2/ 3q 2/ 5q 2/-5q 2/ -3q 2/

Abbildung 7.9. Kennlinie eines Quantisierers

Er wird durch den lokalen Verlauf des Signals und den Abstand zum jeweils näch-sten Quantisierungsniveau bestimmt. Der Quantisierungsfehler eines stetigen Zeit-signals weist üblicherweise viele Sprünge auf. Das dazugehörige Spektrum ist des-halb wesentlich breiter als das des ursprünglichen Zeitsignals x(t) . Die Bandbreitedes Quantisierungsfehlers ist näherungsweise proportional zur Steigung des Signals|x(t)| und umgekehrt proportional zur Breite einer Quantisierungsstufe q.

Beispiel 7.5 Quantisierung einer harmonischen SchwingungAls Eingangssignal soll eine harmonische Schwingung

x(t) = a sin(2πt

T0) f =

1

T0= 1Hz

dienen, deren Amplitude größer als eine halbe Quantisierungsstufe q sein soll:

a >q

2.

Page 263: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

258 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Damit bleibt das Ausgangssignal nicht konstant in einer Quantisierungsstufe hän-gen, sondern springt zwischen diskreten Amplituden. Abbildung 7.10 zeigt das Sig-nal vor und nach der Quantisierung, sowie den Quantisierungsfehler eq(t). Manerkennt den treppenförmigen Verlauf des Ausgangssignals und sieht weiterhin, dassder Fehler viele Sprünge aufweist. Das zugehörige Spektrum See(f) des Fehlersi-gnals in Abb. 7.11 ist daher viel breitbandiger als das des Eingangssignals.

0 0.2 0.4 0.6 0.8 t−8q

−4q

0

4q

8q

0 0.2 0.4 0.6 0.8 t−q/2

0

q/2

Abbildung 7.10. Quantisiertes Signal und Quantisierungsfehler eq(t)

0 100 200 300 400 f[Hz] 0

0.25

0.5

See

(f)

Abbildung 7.11. Leistungsdichtespektrum des Quantisierungsfehler See(f)

Page 264: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 259

Aus diesen praktischen Beobachtungen heraus wird der Quantisierungsfehler eq (t)näherungsweise als weißes Rauschen angenommen. Er sei unkorreliert zum Ein-gangssignal x(t) und habe innerhalb einer Quantisierungsstufe eine Gleichvertei-lung

feq(eq) =

⎧⎨⎩1

qfür − q

2≤ eq ≤ q

2,

0 sonst.(7.12)

Voraussetzung hierfür ist ein veränderliches Eingangssignal x(t), das genügendQuantisierungsstufen überstreicht. Man erhält damit ein lineares Modell für dieQuantisierung (Abb. 7.12), bei dem dem stetigen Eingangssignal x(t) das Quanti-sierungsrauschen eq(t) additiv überlagert wird. Die Behandlung der ursprünglichenNichtlinearität des Systems wird durch diesen Ansatz vermieden.

x t( ) x tq( )

x t( ) x tq( )+

e tq( ) Abbildung 7.12. Modellierung der Quantisierungmit überlagertem Rauschen eq(t)

Im folgenden soll die praktische Anwendbarkeit der eben gemachten Annahmedurch Anwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie überprüft werden [49, 50]. DieSignale am Quantisierer werden dazu als stochastische Signale beschrieben. Wirführen Zufallsvariable ein, die mit Schreibmaschinenschrift bezeichnet werden. DieZufallsvariable x repräsentiert dabei die möglichen Amplituden eines Signals x(t).

7.2.1 Wahrscheinlichkeitsdichten von Signalamplituden

Zur statistischen Beschreibung der Verhältnisse am Quantisierer benötigt man dieWahrscheinlichkeitsdichte der Amplituden des Eingangssignals. Sie sei kurz mitAmplitudendichte bezeichnet. Für ihre Berechnung macht man den folgenden An-satz: Der Zeit t in einem Beobachtungsintervall T0 sei eine Zufallsvariable t zuge-ordnet, die eine Gleichverteilung besitzt,

ft(t) =

⎧⎨⎩1

T0für 0 ≤ t ≤ T0,

0 sonst.

Page 265: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

260 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Dieser Ansatz ist gerechtfertigt, da kein Zeitpunkt ti einer anderen Zeit bevorzugtwird und daher jede Zeit t mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auftritt. Die Ampli-tude zum Zeitpunkt t erhält man über eine Zeitfunktion

x = g(t).

Zur Zufallsvariablen für die Amplitude x gelangt man über die Transformation

x = g(t),

wobei die Funktion g(·) die Zufallsvariable t in die Zufallsvariable x überführt. DieBestimmung der Amplitudendichte ist also gleich der Bestimmung der Wahrschein-lichkeitsdichte der transformierten Zufallsvariablen Zeit nach Satz 5.1.

fx(x) =

n∑i=1

ft(ti)

∣∣∣∣dg(t)

dt

∣∣∣∣−1

t=ti

. (7.13)

Beispiel 7.6 Amplitudendichte einer harmonischen SchwingungGegeben sei eine allgemeine harmonische Schwingung der Form

u(t) = am cos 2πm

T0t.

Gesucht ist die Amplitudendichte fx(x) bei gegebener Gleichverteilung der Zeitft(t). Im Intervall [0, T0] hat die Schwingung m–Perioden. Es gibt daher 2m Lö-sungen für die inverse Funktion:

tn = u−1(x) =T0

2πmarccos

(x

am

), n = 1, . . . , 2m. (7.14)

Mit

du(t)

dt= −2π

m

T0am sin 2π

m

T0t

folgt nach Einsetzen von Gl.(7.14)∣∣∣∣du(t)

dt

∣∣∣∣t=tn

= 2πm

T0

√a2

m − x2.

Mit der angenommenen Gleichverteilung der Zeit t im Intervall [0, T0] wird

ft(t) =1

T0

und nach Gl. (7.13)

fx(x) =

2m∑n=1

1

T0· T0

2πm√

a2m − x2

=1

π√

a2m − x2

, |x| ≤ am. (7.15)

Page 266: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 261

fx(x)

2

11/( )πam

00 am-am x

Abbildung 7.13. Amplitudendichteeiner harmonischen Schwingung

7.2.2 Amplitudendichte einer Fourier-Reihe

Allgemeine periodische Signale können in eine Fourier-Reihe entwickelt werden:

x(t) =a0

2+

∞∑k=1

ak cos 2πk

T0t.

Man kann sich das Signal wegen t ≥ 0 symmetrisch zu t = 0 denken. Die Sinuster-me fallen damit heraus. Betrachtet man die Amplituden der einzelnen Schwingun-gen als voneinander unabhängige Zufallsvariablen xk

x = x0 + x1 + . . . + xn + . . . ,

so erhält man die Amplitudendichte der Fourier-Reihe durch Faltung der Wahr-scheinlichkeitsdichten der Teilsignale, also

fx(x) = fx0(x) ∗ fx1(x) ∗ . . . ∗ fxn(x) ∗ . . . . (7.16)

Mit dem Ergebnis (7.15) aus obigem Beispiel und der Wahrscheinlichkeitsdichtedes konstanten Gliedes

fx0(x) = δ(x − a0

2

)lässt sich die Amplitudendichte eines beliebigen periodischen Signals darstellen.Die explizite Berechnung von fx(x) ist in vielen Fällen nicht notwendig, wenn mansich den zentralen Grenzwertsatz (Satz 5.2) der Wahrscheinlichkeitsrechnung zuNutze macht [37]. Dann kann man in den meisten Fällen die Summendichte durcheine Normalverteilung annähern.

Page 267: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

262 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Beispiel 7.7 Amplitudendichte eines SummensignalsEs soll die Amplitudendichte einer Summe von vier harmonischen Signalen

y(t) =4∑

k=1

(6 − k

5

)cos 2πkt

mit einer Normalverteilung nach dem zentralen Grenzwertsatz verglichen werden.Der Erwartungswert der einzelnen Amplitudendichten yk verschwindet:

yk = Eyk =

ak∫−ak

1

π√

a2k − y2

k︸ ︷︷ ︸aus Gl. 7.15

·yk · dyk = −√

a2k − y2

k

π

∣∣∣∣∣ak

−ak

= 0.

Die Varianz berechnet sich zu

σ2yk

= E(yk − yk)2 =

ak∫−ak

y2k

π√

a2k − y2

k

dyk

= − yk

√a2

k − y2k +

a2k

2πarcsin

yk

ak

∣∣∣∣ak

−ak

=a2

k

2.

AnmerkungDas Standardabweichung σyk

stimmt erwartungsgemäß mit dem Effektivwert derAmplitude einer Sinusschwingung überein,

σyk= Ueff =

ak√2.

Abbildung 7.14 zeigt die gute Übereinstimmung der beiden Verteilungen.

Das Beispiel zeigt, dass die Amplitudendichte der meisten Signale durch eine Nor-malverteilung beschrieben werden kann. Das erleichtert später die Abschätzung desFehlers, der durch die Quantisierung entsteht.

7.2.3 Quantisierungstheorem

Quantisierung von Signalen bedeutet, dass den kontinuierlichen Amplituden diskre-te Werte zugeordnet werden. Die Diskretisierung der Amplituden entspricht der Ab-tastung der Amplitudendichte über dem Amplitudenbereich (analog zur Abtastungvon Signalverläufen über dem Zeitbereich). Eine Zufallsvariable x mit der Ampli-tudendichte fx(x) durchlaufe einen Quantisierer. Der Ausgang des Quantisiererserzeugt die diskreten Ereignisse k · q. Die Wahrscheinlichkeitsdichte der quantisier-ten Zufallsvariable xq ist daher eine Impulsreihe. Die Fläche der einzelnen Impulsemuss gleich der Wahrscheinlichkeit sein, dass die Signalamplitude innerhalb des

Page 268: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 263

0 u0

0.2

0.4

0.6

fu(u)

−σu

σu

Abbildung 7.14. Wahrschein-lichkeitsdichte des Summensig-nals und der Normalverteilung

zugehörigen Quantisierungsstreifens liegt (Abb. 7.15). Die Einhüllende der Impuls-reihe ergibt sich somit zu

P (x − q

2≤ x ≤ x +

q

2) =

x+ q2∫

x− q2

fx(x)dx, (7.17)

woraus sich die Wahrscheinlichkeitsdichte fxq(xq) der quantisierten Größe ergibt:

fxq(xq) =

x+ q2∫

x− q2

fx(x)dx ·∞∑

k=−∞δ(x − kq) , mit xq = k q.

f (x), f (x )x x qq

x, xq2q 3q-2q-3q q0-q

Abbildung 7.15. Wahrscheinlichkeitsdichte eines kontinuierlichen und quantisierten Signals

Die Quantisierung kann als eine Flächenabtastung der Amplitudendichte des Ein-gangssignals angesehen werden. Dabei liegt der diskrete Abtastwert in der Mitte desBandes und sein Gewicht ist gleich der Fläche unter der Wahrscheinlichkeitsdichteim Band. Beschreibt man Gl.(7.17) wie bei der Mittelwertbildung in Abschn. 7.1.3als Faltung der Amplitudendichte mit einem Rechteckfenster der Breite q,

Page 269: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

264 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

x+ q2∫

x− q2

fx(x)dx = fx(x) ∗ rq(x), rq(x) =

1 für |x| ≤ q

2,

0 sonst,

so erhält man folgende Form der abgetasteten Wahrscheinlichkeitsdichte:

fxq(xq) = (fx(x) ∗ rq(x)) ·

∞∑k=−∞

δ(x − kq) , mit xq = k q.

Dem entspricht die charakteristische Funktion

Φxq(f) = [Φx(f) · Rq(f)] ∗ 1

q

∞∑k=−∞

δ(f − k

q)

=

∞∑k=−∞

Φx(f − k

q) ·

sin πq(f − kq )

πq(f − kq )

. (7.18)

Die charakteristische Funktion des quantisierten Signals Φxq(f) ist gleich der cha-

rakteristischen Funktion des kontinuierlichen Signals Φx(f), welche mitsin πqf/πqf gewichtet und an den „Frequenzen“ f = k/q periodisch wiederholtwird (Abb. 7.16).

f0 1/q-1/q

Φxq(f)

1/2q-1/2q

Abbildung 7.16. Charakteristische Funktion eines quantisierten Signals

Page 270: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 265

Dieses Ergebnis führt zum

Satz 7.2 QuantisierungstheoremIst die Wahrscheinlichkeitsdichte fx(x) des unquantisierten Signals x(t) bandbe-

grenzt, d.h. besitzt die charakteristische Funktion Φx(f) nur Amplitudenkomponen-ten bei Frequenzen fu, die kleiner sind als die halbe Quantisierungsfrequenz 1/2q,so lässt sich aus der Wahrscheinlichkeitsdichte des quantisierten Signals fxq

(xq)die ursprüngliche Wahrscheinlichkeitsdichte des kontinuierlichen Signals fehlerfreirekonstruieren:

fu ≤ 1

2q. (7.19)

Für die fehlerfreie Rekonstruktion der Momente der Wahrscheinlichkeitsdichte ge-nügt die schwächere Bedingung

fu ≤ 1

q, (7.20)

da diese für f → 0 berechnet werden.

Anmerkung

1. Das Quantisierungstheorem zeigt große Ähnlichkeit mit dem Abtasttheorem.Bei der Zeitdiskretisierung werden die Signalamplituden über der Zeit abgeta-stet. Das resultierende Spektrum

Y∗ (f) =1

ta

∞∑k=−∞

Y

(f − k

ta

)ist gleich dem mit 1/ta gewichteten Spektrum des zeitkontinuierlichen Signals,welches mit der Frequenz f = 1/ta periodisch wiederholt wird.Die Quantisierung hingegen ist die Flächenabtastung der Amplitudendichte,wodurch sich im Unterschied zur Zeitdiskretisierung in Gl.(7.18) ein Gewichts-faktor

sin πq(f − kq )

πq(f − kq )

ergibt.

2. Zur vollständigen Rekonstruktion der kontinuierlichen Signale ist sowohl beider Zeitdiskretisierung als auch bei der Amplitudenquantisierung auf die strikteBandbegrenzung Gl.(7.19) zu achten, damit es zu keinen spektralen Überlap-pungen (Aliasing) kommt.In vielen Fällen genügt zur Beschreibung der statistischen Signaleigenschaftendie Bestimmung der Momente. Im Falle der Quantisierung genügt die Einhal-tung von Gl.(7.20), da nur Aliasing im Bereich um f = 0 vermieden werdenmuss.

Page 271: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

266 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

3. Reale charakteristische Funktionen sind nicht bandbegrenzt. Da der Amplitu-denbereich von physikalischen Signalen begrenzt ist, ist auch die zugehörigeAmplitudendichte beschränkt auf ein Intervall

−amax ≤ x ≤ amax.

Solche Dichten besitzen nach dem Riemann-Lebesgue-Lemma [23] aber immereine nicht bandbegrenzte charakteristische Funktion.

4. Es ist wichtig festzustellen, dass bei der Herleitung des Quantisierungstheoremskeinerlei Voraussetzungen über den Quantisierungsfehler gemacht wurden. DieEigenschaften dieses Fehlers werden später gesondert betrachtet.

Wir wollen im folgenden den Erwartungswert und die Varianz des quantisiertenSignals berechnen, unter der Voraussetzung, dass das Quantisierungstheorem ein-gehalten wurde.

Erwartungswert:

Exq =1

−j2π

dΦxq(f)

df

∣∣∣∣f=0

=1

−j2π

[dΦx(f)

df

sin πqf

πqf+ Φx(f)

πqf cosπqf − sin πqf

πqf2

]f=0

=1

−j2π

dΦx(f)

df

∣∣∣∣f=0

= Ex. (7.21)

Das 2. zentrale Moment berechnet sich zu

Ex2q =

1

(−j2π)2d2Φxq

(f)

df2

∣∣∣∣f=0

=1

(−j2π)2

[d2Φx(f)

df2

sin πqf

πqf+ 2

dΦx(f)

df

πqf cosπqf − sin πqf

πqf2

+ Φx(f)[2 − (πqf)2] sin πqf − 2πqf cosπqf

πqf3

]f=0

=1

(−j2π)2d2Φx(f)

df2

∣∣∣∣f=0

+q2

12= Ex2 +

q2

12. (7.22)

Die Varianz des quantisierten Signals ist

σ2xq

= E(xq − Exq)2 = Ex2q − Exq2

Page 272: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 267

und mit der Varianz des stetigen Signals σ2x = Ex2 − Ex2 ergibt sich daraus

σ2xq

= σ2x +

q2

12.

Ist das Quantisierungstheorem erfüllt, so ist

1. der Erwartungswert der quantisierten Zufallsvariablen Exq gleich dem Er-wartungswert der stetigen Zufallsvariablen Ex. Bei einer Mittelwertbildungals Approximation des Erwartungswertes kann man nach der Quantisierung denErwartungswert der stetigen Größe rekonstruieren.

2. die Varianz der quantisierten Zufallsvariablen Ex2q gegenüber der des steti-

gen Signals um q2/12 höher.

7.2.4 Wahrscheinlichkeitsdichte des Quantisierungsfehlers

Mit den Ergebnissen aus Beispiel 7.5 wurde durch Plausibilitätsüberlegungen derQuantisierungsfehler als additive Überlagerung eines gleichverteilten Rauschensangenommen. Diese Annahme soll im folgenden abgeleitet werden.

Ist das Quantisierungstheorem erfüllt, so kommt es zu keiner spektralen Überlap-pung der charakteristischen Funktion des quantisierten Signals. Aus Gl.(7.18) erhältman im Nyquistband für k = 0

− 1

2q≤ f ≤ 1

2q,

Φxq(f) = Φx(f) · 1

qRq(f) = Φx(f) · sin πqf

πqf. (7.23)

Nach Gl.(5.7) entspricht aber die Multiplikation zweier charakteristischer Funktio-nen gerade der Summation zweier unabhängiger Zufallsgrößen

xq = x + eq.

Dabei ist Rq(f) bis auf einen Faktor q gerade die Fourier-Transformierte einergleichverteilten Wahrscheinlichkeitsdichte feq

(eq). Dies bestätigt aber gerade un-sere Modellvorstellung aus Abb. 7.12, wonach die Quantisierung als additive Über-lagerung des stetigen Signals durch ein unabhängiges Quantisierungsrauschen eq(t)beschrieben wird. Aus Gl.(7.23) erhält man die charakteristische Funktion und dieWahrscheinlichkeitsdichte des Quantisierungsrauschens zu

Φeq(f) =

1

q· Rq(f) =

sinπqf

πqf,

feq(eq) =

⎧⎨⎩1

qfür − q

2≤ eq ≤ q

2,

0 sonst.(7.24)

Page 273: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

268 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Satz 7.3 Lineares QuantisierungsmodellIst das Quantisierungstheorem erfüllt, so lässt sich die Quantisierung als linea-

res Modell beschreiben. Dem stetigen Eingangssignal x(t) wird ein im Intervall[−q/2, q/2] gleichverteiltes Quantisierungsrauschen (Abb. 7.17) eq(t) additiv über-lagert:

xq(t) = x(t) + eq(t). (7.25)

Die Momente des quantisierten Signals ergeben sich aus der Summe der Momentedes kontinuierlichen Signals und des Quantisierungsrauschens,

Exq(t)k = Ex(t)k + Eeq(t)

k. (7.26)

Mit dem Erwartungswert des Quantisierungsrauschens

Eeq(t) =1

q

q2∫

− q2

eq deq = 0

und der Varianz der Gleichverteilung

Eeq(t)2 =

1

q

q2∫

− q2

e2q deq =

q2

12

erhält man sofort die Momente der quantisierten Größe nach Gl.(7.21) und (7.22)Aus der Varianz des Quantisierungsrauschens lässt sich, bei gegebener Auflösungdes Quantisierers in Bit, ein Signal-Störabstand (Signal-to-Noise-Ratio SNR) ange-ben. Das SNR ist das Verhältnis von Nutzsignalleistung zur Leistung des Quantisie-rungsrauschens. Wird ein sinusförmiges Eingangssignal über 2N Stufen quantisiert,so erhält man den Effektivwert der Eingangsspannung zu

ueff =2N−1q√

2.

Damit wird das Verhältnis der Signalleistungen zu

SNR =Psig

Pstor=

u2eff

σ2eq

=22N−2q2/2

q2/12= 22N · 1.5,

SNR[dB] = 10 lg(22N · 1.5) = 6, 02 · N + 1.76. (7.27)

In der Praxis ist das Quantisierungstheorem niemals exakt erfüllbar. Es zeigt sichaber, dass Satz 7.3 dennoch näherungsweise gilt, wenn die Eingangsamplitudenmehrere Quantisierungsstufen durchlaufen.

Page 274: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 269

-q/2 0

1/qf (e )eq q

q/2 eqAbbildung 7.17. Wahrscheinlichkeits-dichte des Quantisierungsfehlers

Beispiel 7.8 Grobe Quantisierung normalverteilter GrößenEs werden zwei Signale mit normalverteilten Amplituden nach Abb. 7.18 quanti-siert. Die Breiten der gewählten Quantisierungsstufen betragen

q1 = σ, q2 = 3σ.

Dabei ist σ die Varianz der Normalverteilung. Die Signalamplituden sind begrenztauf das Amplitudenintervall

|x1| ≤ 2.5σ, |x2| ≤ 4.5σ.

fx(x )1

x12.5σ-2.5σ σ−σ

fx(x )2

x24.5σ-4.5σ 3σ−3σ

Abbildung 7.18. Quantisierung normalverteilter Amplituden

Konstruiert man feq(eq) für die beiden Fälle, so gelangt man zu Abb. 7.19. Man

erkennt, dass bei normalverteilten Amplituden bereits für 5 Quantisierungsstufenim Amplitudenbereich von ±2.5σ die Annahme eines gleichverteilten Quantisie-rungsfehlers sehr gut erfüllt ist. Da nach Abschn. 7.2.2 die Amplitudendichte vielerSignale durch eine Normalverteilung beschrieben werden kann, ist der Ansatz einesgleichverteilten Quantisierungsfehlers in der Praxis gerechtfertigt.

7.2.5 Dither

Voraussetzung für die näherungsweise Erfüllung des Quantisierungstheorems war,dass die Amplitude des kontinuierlichen Eingangssignals mehrere Quantisierungs-stufen durchläuft. Dies setzt ein dynamisch veränderliches Signal voraus. Es gibtjedoch Fälle, in denen diese Voraussetzung verletzt ist. Dies tritt bei langsam ver-änderlichen Prozessen auf. Die Amplituden der zu messenden Signale durchlaufen

Page 275: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

270 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

feq(e )q

eq−3σ2

3σ2

σ2

−σ2

q =3σ2

q =σ1

Abbildung 7.19. Wahrscheinlichkeitsdichte des Quantisierungsfehlers bei grober Quantisie-rung

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 100.5

1

1.5

2

Nutzsignal u(t) (− − −), quantisiertes Signal uq(t) (——)

q

Abbildung 7.20. Signalverlauf eines langsam veränderlichen Prozesses (z.B. Temperatur-verlauf)

sehr wohl viele Quantisierungsstufen, verharren aber während eines Beobachtungs-intervalls innerhalb einer Stufe (Abb. 7.20).

Die lokalen Amplitudendichten sind im Grenzfall eines konstanten Signalabschnit-tes impulsförmig. Die zugehörige charakteristische Funktion ist dann eine Harmo-nische:

u(t) = const = u0,

fu(u) = δ(u − u0) −• Φu(f) = 1 · e−j2πfu0 .

Durch die periodische Wiederholung von Φu(f) nach der Quantisierung entste-hen wegen der fehlenden Bandbegrenzung starke spektrale Überlappungen der cha-rakteristischen Funktion. (s. Aliasing bei der Zeitdiskretisierung). Dadurch lassensich die ursprünglichen Signalmomente nicht mehr fehlerfrei bestimmen. Aus Ab-schn. 7.1.2 ist bekannt, dass spektrale Überlappungen mit Hilfe eines Anti-Aliasing-Filters verhindert werden können. Ein ähnliches Verfahren, genannt Dither, ist auchbei der Amplitudenquantisierung anwendbar.

Der Dither ist ein Signal, das eine näherungsweise bandbegrenzte charakteristi-sche Funktion besitzt. Durch Multiplikation der charakteristischen Funktionen vonDither und Nutzsignal erhält man die gewünschte Filterwirkung. Da die Multipli-

Page 276: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 271

kation von charakteristischen Funktionen der Addition zweier Zufallsvariablen ent-spricht, muss der Dither vor der Quantisierung zum Nutzsignal addiert werden. Beibekannten Momenten des Dither lassen sich nach der Quantisierung die Momentedes Nutzsignals durch Tiefpassfilterung rekonstruieren.

Beispiel 7.9 Digitale TemperaturmessungDie Temperatur eines chemischen Prozesses soll auf ∆T ≤ 0.1C genau bestimmtwerden. Der zu erfassende Messbereich liegt zwischen 0C ≤ T < 400C DieTemperatur werde mittels eines AD-Wandlers erfasst. Wie hoch muss die Auflösungdes Wandlers sein?

Konventionell: Nach Gl.(7.11 ) ist der Quantisierungsfehler eq ≤ q/2. Daraus erhältman für die geforderte Auflösung die Breite q einer Quantisierungsstufe zu

∆T ≤ 0.1C =q

2, q = 0.2C.

Für den Messbereich sind 2000 Stufen notwendig. Dies entspricht einemAD-Wandler mit 11-Bit Auflösung. Ohne überlagerte Störungen genügt ein einzigerAbtastwert, um die Temperatur mit der geforderten Auflösung zu erfassen.

Dither: Macht man sich die Eigenschaften des Dither zu nutze, so kann man mit ei-nem AD-Wandler weit geringerer Auflösung arbeiten. Dem Temperatursignal wirdein hochfrequenter, mittelwertfreier Dither überlagert (Abb. 7.24). Das konstanteNutzsignal wird dadurch über mehrere Quantisierungsstufen verteilt. Das Dithersi-gnal sei eine hochfrequente Sägezahnschwingung der Amplitude |umax| = 2q. DieAmplitudendichte des Dither ist eine Gleichverteilung im Intervall −2q ≤ u ≤ 2q,woraus für die charakteristische Funktion Φdith(f) eine sin f/f Funktion folgt(Abb. 7.21)

fdith(u) =

12umax

= 14q −2q ≤ u ≤ 2q

0 sonst−• Φdith(f) = R4q(f).

Ohne Dither wird die charakteristische Funktion Φu(f) durch die Abtastung derAmplitudendichte an den Frequenzen k/q periodisch wiederholt. Es kommt zugroßen Aliasingfehlern (Abb. 7.22). Durch die Überlagerung des Dither wird Φu(f)mit der charakteristische Funktion des Dither Φdith(f) multipliziert (Filterung).Nach Abb. 7.22 ist Φdith(f) sehr viel schmalbandiger als Φu(f). Dadurch werdenhohe Frequenzen gedämpft und Aliasing vermieden.

Zur Bestimmung des reellen Erwartungswertes benötigt man die Ableitung des Ima-ginärteils der charakteristischen Funktion

Euq =1

−j2π

dΦuq(f)

d(f)

∣∣∣∣f=0

.

Abbildung 7.23 zeigt den Imaginärteil der charakteristischen Funktion mit und ohneDither im Vergleich zur charakteristischen Funktion des kontinuierlichen Signals.

Page 277: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

272 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

0 2 4−2

−1

0

1

2

Dither−Signal udith

(t)q

t−4 −2 0 2 40

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

Amplitudendichte fdith

(u)

u/q−2 0 2

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Φdith

(f)

f * q

Abbildung 7.21. Sägezahnschwingung als Dithersignal, Amplitudendichte des Signals undcharakteristische Funktion

Betrag von (f) und Aliasing ( )Φ − − −

Abbildung 7.22. Betrag der charakteristischen Funktionen des Nutzsignals (grau) mit peri-odischen Wiederholungen und Aliasing (- - -) sowie die zu hohen Frequenzen der stark ge-dämpften charakteristischen Funktion des Summensignals aus Temperatur und Dither (——)

Die mit dem Faktor 1/(−j2π) gewichtete Ableitung zur Bestimmung des Erwar-tungswertes zeigt bei Einsatz des Dither an der Stelle f = 0 eine gute Übereinstim-mung mit der Funktion des kontinuierlichen Signals.

Eine anschließende Mittelwertbildung über zeitlich aufeinander folgende quanti-sierte Signale entfernt den Dither und rekonstruiert den Erwartungswert des konti-nuierlichen Nutzsignals. Die erzielbare Genauigkeit hängt vom Amplitudenbereichdes Dithersignals ab. Sie ist aber höher als die halbe Quantisierungsstufe q/2 des ver-wendeten AD-Umsetzers.

Anmerkung

1. Als Dithersignale eignen sich sowohl periodische Signale als auch stochastischeSignale wie weißes Rauschen. Es müssen nur die Momente des Dither a-pioribekannt sein. Vorteilhaft sind mittelwertfreie Signale, da sich so die Bestim-mung des Erwartungswertes des Nutzsignals sehr einfach gestaltet (moving-average-Filter).

Page 278: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.2 Quantisierung 273

−1 −0.5 0 0.5 1

−1

−0.5

0

0.5

1

Imaginärteil von Φ(f)

f * q−1 −0.5 0 0.5 1

−1

−0.5

0

0.5

1

Erwartungswert: j/(2 π) * dΦ/df

f * q

Abbildung 7.23. Imaginärteil der charakteristischen Funktion mit (grau) und ohne Dither(- - -) und deren gewichtete Ableitung zur Bestimmung von Euq sowie die Größen deskontinuierlichen Signals (——)

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10−2

0

2

4Nutzsignal u(t) (− − −), Nutzsignal+Dither (——)

q

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

0

2

4Quantisierte Signale

q

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 100.5

1

1.5

2

~Nutzsignal u(t) (− − −), rekonstruiertes Nutzsignal u(t) (——)

q

Abbildung 7.24. Signalverlauf des Nutzsignal mit Dither, die quantisierten Signale und dasrekonstruierte Nutzsignal durch Mittelwertbildung über eine Ditherperiode.

2. Das Spektrum des Dither sollte so beschaffen sein, dass keine spektralen An-teile im Frequenzbereich des Nutzsignals vorhanden sind. Vielmehr sollte derFrequenzbereich der beiden Signale weit auseinander liegen, um die anschlie-ßende Entfernung des Dither durch Filterung zu erleichtern. Auf die Einhaltungdes Abtasttheorems ist zu achten (fDither < fa/2).

Page 279: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

274 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

3. Den Gewinn an Genauigkeit erkauft man sich mit einer höheren Abtastrate undder anschließend notwendigen Signalverarbeitung (Filterung).

7.3 Analog-Digital-Umsetzer

Sollen Messwerte in einem Rechner weiter verarbeitet werden, so müssen die steti-gen, amplitudenanalogen Signale in zeitdiskrete, digitale Werte umgesetzt werden.Die geschieht mit Analog-Digital-Umsetzern. Die Effekte, die allgemein bei einerAbtastung und Quantisierung von Signalen auftreten, wurden bereits diskutiert. Imfolgenden wird deshalb die Arbeitsweise verschiedener Analog-Digital-Umsetzer(ADU) aufgezeigt. Dabei steht nicht die Schaltungstechnik im Vordergrund, die bei-spielsweise in [41, 46] nachgeschlagen werden kann. Vielmehr stehen die Effekteim Vordergrund, die mit einem spezifischen Wandelverfahren einhergehen.

7.3.1 Integrierender AD-Umsetzer

Der Zwei-Rampen-AD-Umsetzer (dual slope converter) ist in einer vereinfachtenAusführung in Abb. 7.25 dargestellt [40]. Ein Schalter schaltet abwechselnd die zuwandelnde Eingangsspannung u(t) und die feste Referenzspannung −uref auf denEingang des Integrators. Dessen Ausgangsspannung

uint (t) = − 1

RC

t∫0

u (t) dt

verläuft während des Referenzintervalls Tref linear abwärts. Am Ende des Intervallsist

uint (Tref) = − 1

RC

Tref∫0

u (t) dt = −Tref

RCu (t),

d.h. die Eingangsspannung wird durch die Integration im Referenzintervall gemit-telt.

Am Ende der Periodendauer Tref wird das Flipflop Q zurückgesetzt und der Eingangauf die Referenzspannung −uref umgeschaltet. Die Integrator-Ausgangsspannungverläuft im Zeitintervall T rampenförmig bis Null zurück:

uint (Tref + T ) = −Tref

RCu +

1

RC

T∫0

uref dt

= −Tref

RCu +

T

RCuref = 0. (7.28)

Page 280: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.3 Analog-Digital-Umsetzer 275

Zählfrequenz

Perioden-Ende

PeriodendauerzählerZählen

Rücksetzen

PeriodendauerzählerZählen

Rücksetzen

Periodenendwert-register Z

S Q

R Q

++

R

C

T

Tref

u (t)

u ref−

f

Tref T

Z

t

uint

t

t

Zähler

Q

Übernahme

0

u int

Q = 1

Q = 0

RCuref

1

u t− ( )RC1

u t− ( )RC

Tref

Abbildung 7.25. Integrierender AD–Umsetzer

Mit dem Nulldurchgang der Spannung uint(t) setzt der Komparator das Flipflop Q.Der Zählerendwert Z = T · f0 wird am Ende der Periodendauer T in das Perioden-endwertregister übernommen. Aus Gl.(7.28) erhält man

u

uref=

T

Tref=

T · f0

Tref · f0=

Z

Zref⇒ Z =

Zref

uref· u. (7.29)

Page 281: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

276 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Die Zeitkonstante RC geht nicht in den Wandlungsfehler ein. Auch die Zählfre-quenz f0 fällt heraus. Integrierende AD–Wandler weisen eine sehr hohe stationäreGenauigkeit auf. Wenn der Mittelwert der Störungen während der Periodenzeit Tref

Null ist, gehen diese nicht in das Wandlungsergebnis ein (Mittelwertfilter nach Ab-schn. 7.1.3). Dies wird mit einer sehr langen Umsetzungszeit erkauft. Signale mithöheren Frequenzkomponenten werden aber durch die implizite Mittelwertbildunggedämpft und das Ergebnis der AD–Wandlung dadurch verfälscht. Das Verfahrenkann auf Eingangsspannungen mit beliebigem Vorzeichen erweitert werden.

7.3.2 Verzögert nachlaufender AD–Umsetzer

Die Schaltung eines verzögert nachlaufenden AD–Wandlers zeigt Abb. 7.26 Die

+

− Vor-Rückwärts-Zähler Z

Digital-Analog-Umsetzer

Zählrichtung

Zählfrequenz

u

ubuREF

f0

Abbildung 7.26. Schaltung des verzögert nachlaufenden AD–Wandlers

Eingangsspannung u wird mit der Ausgangsspannung des DA-Wandlers ub vergli-chen. Für u > ub zählt der Zähler mit der Frequenz f0 aufwärts, für u < ub abwärts.Der Zähler pendelt sich bei konstanter Eingangsspannung u auf einen entsprechen-den Zahlenwert Z ein, wobei er einen Grenzzyklus von einem Bit durchläuft. DieseArt der Umwandlung wird häufig auch als Delta Modulation bezeichnet. Aus derDigital-Analog-Umsetzung

ub

uref=

Z

Zmax

erhält man für konstante Eingangsspannungen u = ub

Z =Zmax

uref· u. (7.30)

Die Integrationszeitkonstante des Zählers

Ti =Zmax

f0=

2N

f0

ist abhängig von der Auflösung 2N und der gewählten Zählfrequenz f0 DerAD-Wandler reagiert auf Sprünge der Eingangsspannung mit einem rampenförmi-gen Nachlaufen (Abb. 7.27) Eine besonders einfache Anordnung erhält man, wenn

Page 282: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.3 Analog-Digital-Umsetzer 277

man für den DA-Wandler einen so genannten Rate-Multiplier (Abschn. 7.4.2) ver-wendet.

u

tAbbildung 7.27. RampenförmigesNachlaufen des AD–Wandlers

7.3.3 Sigma-Delta-Wandler

Modulator Digitalfilteru(t) q(n) u (n)q

Abbildung 7.28. Struktur eines Sigma-Delta-Wandlers

Ein Sigma-Delta-Wandler besteht aus einem Modulator und einem Digitalfilter. Dasanaloge Eingangssignal u(t) wird im Modulator in eine binäre Impulsfolge q(n)umgesetzt. Die Häufigkeit der Impulse ist dabei proportional zur Eingangsspan-nung. Das sich anschließende digitale Filter setzt die Impulsfolge in einen digita-len Zahlenwert uq(n) um, der dem abgetasteten und quantisierten Eingangssignalentspricht (Abb. 7.28). Der Vorteil dieser Anordnung ist die einfache monolithi-sche Integrierbarkeit. Durch das so genannte Noise Shaping dieses Wandelprinzipskönnen hohe Umsetzgenauigkeiten realisiert werden. Sigma-Delta-Wandler werdenhäufig in Systemen mit dynamischen Signalen eingesetzt (Audio-Technik, Signal-Prozessoren). Aber auch für stationäre Signale in der Messtechnik finden dieseWandler Verwendung.

Sigma-Delta-Modulator: Die Grundidee des Sigma-Delta-Modulators bestehtdarin, mit einem Integralregler die Spannungs-Zeit-Flächendifferenz e(t) von Ein-gangssignal u(t) und Ausgangssignal q(t) zu Null zu regeln (Abb. 7.29).

Die Übertragungsfunktion für den Fehler am Eingang des Integrators ist

E (s) =Tis

Tis + 1· U (s) .

Die stationäre Genauigkeit des Reglers kann mit Hilfe des Endwertsatzes derLaplace-Transformation gezeigt werden. Das Eingangssignal ändere sich sprung-haft,

Page 283: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

278 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Tiu t( )

q t( )

e t( )+

−Abbildung 7.29. Integralregel-kreis zwischen Eingangs- undAusgangssignal.

U (s) =umax

s,

und bleibe während der AD–Umsetzung konstant. Die stationäre Regeldifferenze(t) verschwindet,

limt→∞

e (t) = lims→0

s · E (s) = lims→0

Tis

Tis + 1umax = 0.

Der Sigma-Delta-Modulator baut auf diesem Prinzip auf. Er besteht aus einem In-tegrator, der die Differenz zwischen Eingangssignal u(t) und dem zurückgeführtenModulatorausgang q(n) integriert. Der Integrationswert wird durch einen getaktetenKomparator in 1-Bit Werte quantisiert. Durch die Taktung des Komparators mit derPeriode ta erhält man ein zeitdiskretes System. Zur Systemanalyse bescheibt mandie Integration in zeitdiskreten Systemen durch die Rechteckregel vorwärts [23]:

yn = yn−1 + taun−1 −• G(z) =ta

z − 1.

Der Quantisierer wird entspechend Satz 7.3 durch die lineare Überlagerung des Aus-gangs q(n) mit einem Quantisierungsrauschen n(n) beschrieben. Berücksichtigtman nun noch die Integrationszeitkonstante des Integrators Ti und eine zusätzli-che Verstärkung V , so erhält man das Strukturbild des Sigma-Delta-Modulators inzeitdiskreter Form nach Abb. 7.30.

U z( ) E z( )

N z( )

Q z( )

z

1

1

ta

TiV

G z( )

Abbildung 7.30. Strukturbild des Sigma-Delta-Modulators erster Ordnung

Die Ausgangsfunktion des geschlossenen Kreises ist einschließlich der Störung

Q (z) =G (z)

1 + G (z)U (z) +

1

1 + G (z)N (z)

− −+

+

+

Page 284: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.3 Analog-Digital-Umsetzer 279

=V · ta/Ti

(z − 1) + V · ta/TiU (z) +

z − 1

(z − 1) + V · ta/TiN (z) . (7.31)

Rückgekoppelte Systeme können instabil werden, weshalb die Stabilität der Anord-nung überprüft werden muss. Zeitdiskrete Systeme sind stabil, wenn alle Polstellender Übertragungsfunktion innerhalb des Einheitskreises in der komplexen z-Ebeneliegen [23],

|z∞| < 1. (7.32)

Für die Stabilität des Regelkreises ergibt sich daraus die Bedingung

0 ≤ V · taTi

≤ 2.

Die Integrationszeitkonstante Ti muss größer als das halbe Produkt von VerstärkungV und Abtastzeit ta sein:

Ti ≥ V · ta/2.

Noise Shaping: Setzt man in Gl.(7.31) Ti = V · ta, so wird die Ausgangsfunktion

Q (z) = z−1U (z) +(1 − z−1

)N (z) . (7.33)

Den Amplitudengang der beiden Übertragungsfunktionen erhält man durch Sub-stitution von z = ej2πfta . In Abb. 7.31 sind die beiden Kennlinien aufgetragen.Zusammenfassend lässt sich über den Sigma-Delta-Modulator sagen:

• Das Eingangssignal u(t) wird nicht gedämpft, sondern lediglich um eine Abtast-periode ta verzögert.

• Das Quantisierungsrauschen wird mit 1 − z−1 gefiltert, was einer Hochpass-Filterung entspricht. Die Verlagerung der Rauschleistung hin zu hohen Frequen-zen nennt man Noise-Shaping.

• Für einen großen Signal-Störabstand ist es wichtig, dass die maximale Frequenzdes Nutzsignals fg wesentlich kleiner ist als die halbe Abtastfrequenz fa/2. Ei-ne anschließende Tiefpass-Filterung isoliert das Nutzsignal und unterdrückt dieStöranteile des Quantisierungsrauschens für Frequenzen oberhalb von fg.

In der Praxis wird man das Eingangssignal überabtasten (engl. oversampling),

fa = Mfg, fg = fa/M,

wobei die Oversamplingrate M vom geforderten Signal-Störabstand abhängt. Dasquadrierte Verhältnis der Amplitudengänge für Nutz- und Störsignal bei der gewähl-ten Grenzfrequenz fg

SNR =Psig

PStor≈ 1

(2| sin(πfg/fa)|)2

Page 285: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

280 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

2

1

Quantisierungsrauschen

Eingangssignal

f

e-j2 f/fa

4af 2af8afaf M

2 asin f f

z z- --

=

1 11,

z-- 11

z-1

=

Abbildung 7.31. Amplitudengang des Sigma-Delta-Modulators erster Ordnung für Nutzsi-gnal und Quantisierungsrauschen

soll näherungsweise als Maß für den Signal-Störabstand des Sigma-Delta-Modulators1. Ordnung herangezogen werden (siehe Gleichung 6.27).

Handelsübliche Sigma-Delta-Wandler verwenden darüber hinaus auch Modulatorenhöherer Ordnung. Die einfache Integration wird dabei durch Übertragungsfunktio-nen höherer Ordnung ersetzt. Man erreicht dadurch ein stärkeres Noise-Shaping, d.heine noch größere Dämpfung des Quantisierungsrauschens für kleine Frequenzen.Die erreichbaren Signal-Störabstände für Sigma-Delta-Wandler zeigt Abb. 7.32.

Beispiel 7.10 Überabtastung bei Sigma-Delta-WandlernGegeben sei ein Sigma-Delta-Modulator 3. Ordnung. Wie groß muss die Oversamp-ling-Rate M gewählt werden, damit der AD-Wandler einen Störabstand von

• 96 dB = 16 Bit Genauigkeit

• 60 dB = 10 Bit Genauigkeit

erreicht? Mit der Abb. 7.32 erhalten wir die Raten

M1 = 256, M2 = 64.

Dies sind auch die Parameter gängiger, kommerziell erhältlicher Wandler.

Digital-Filter: Das nach dem Modulator folgende digitale Filter hat die folgendenAufgaben:

1. Tiefpass-Filterung und damit Trennung des Nutzsignalbandes vom Quantisie-rungsrauschen.

2. Umsetzen der binären Impulsfolge in eine digitale Zahl.

π

-

--

-

π

Page 286: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.3 Analog-Digital-Umsetzer 281

1/512 1/256 1/128 1/64 1/32 1/16 1/8 1/4

0

20

40

60

80

100

120

SNR[dB]

1/M

3. Ordnung2. Ordnung1. Ordnung

Abbildung 7.32. Signal-Störabstände für Modulatoren verschiedener Ordnung

Zum Einsatz kommen FIR-Filter (Finite Impulse Response) der Länge N mit fol-gender Struktur

yn =

N−1∑i=0

bi · qn−i,

d.h. die letzten N Eingangswerte qn−i werden mit Gewichtsfaktoren bi versehenund aufsummiert. Da das System nicht rückgekoppelt ist, gibt es keine Stabili-tätsprobleme. Um das hochfrequente Quantisierungsrauschen wirksam zu dämpfen,sind allerdings hohe Filterlängen notwendig (N > 400!). Der Entwurf geeigneterFilter wird in der Literatur ausführlich diskutiert [11, 21, 12] und soll hier nichtbesprochen werden.

Ein spezielles und sehr einfach zu implementierendes FIR-Filter soll jedoch kurzdiskutiert werden. Setzt man alle Koeffizienten bi = 1/N , so erhält man

yn =1

N

N−1∑i=0

qn−i.

Nach Abschn. 6.1.5 ist yn gerade der Mittelwert der letzten N Eingangswerte. DieFiltercharakteristik des MA-Filters (Moving-Average) ist in Abschn. 7.1.3 beschrie-ben. Das einfachste Verfahren zur Implementierung des Filters ist ein Zähler mitzyklisch anfallendem Zählerstand z, der die letzten N -Werte des Bitstroms q(n)aufsummiert und am Ende der Summation in ein Register übergibt:

Z

Zmax= 2−k

2k−1∑i=0

qi =u

urefmit 2k = N.

Page 287: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

282 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Nach der Summation über N Werte muss der Zähler zurückgesetzt werden. Manerreicht damit sowohl eine Tiefpass-Filterung, als auch eine Datenreduktion, da nurjeder N -te Wert ausgegeben wird. Die Überabtastung durch den Modulator wirddadurch wieder rückgängig gemacht.

Die reale Schaltung eines Sigma-Delta-Wandlers 1. Ordnung ist in Abb. 7.33 darge-stellt. Der Integrator/Verstärker und der Komparator werden beide mit fa getaktet,um nach dem Zerhackerprinzip Offsetfehler zu eliminieren. Der Bitstrom q(n) steu-ert die Rückkopplung der Referenzspannung ±uref . Der Zähler, welcher ebenfallsmit fa getaktet ist, summiert den Bitstrom über N Takte. Am Ende der Mittelungs-periode wird der Zählerstand in ein Register übernommen und der Zähler auf Nullzurückgesetzt.

RQD

RC

fa

u t1( )

q n( )dq

uref

Ti

RC

u(t)

Integrator Komparator Abtaster

-uref

ZählerRegister cnt

Abbildung 7.33. Schaltung des Sigma-Delta-Wandlers mit MA-Filter

Stationäres Verhalten: Bei dem Regelvorgang stellt sich ein Grenzzyklus ein, derim folgenden analysiert werden soll. Die Impulsfolge q(n) ist allgemein nicht-äquidistant. Zum einfacheren Verständnis sollen im folgenden aber lediglich äqui-distante Folgen betrachtet werden, die für Eingangsspannungen von

u

uref=

1

2N, · · · , 1

m, · · · , 1

2,2

3,3

4, · · · , m − 1

m, · · · , 2N − 1

2N

auftreten. Ein Zeitdiagramm für die Funktion des Σ∆ -Umwandlers ist in Abb. 7.34für u/uref = 1/m gezeigt. Am Eingang des Integrators liegt das Differenzsignalu/uref − q (n), dessen Spannungs-Zeit-Fläche gerade gleich Null ist. Die Integra-tion ist im ersten Teilintervall

=

+

-

+

-

Page 288: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.3 Analog-Digital-Umsetzer 283

u1 (t) = u1 (0) − 1

Ti

t∫0

(m − 1)

mσ (τ) dτ = u1 (0) − (m − 1)

m· t

Ti,

u1 (ta) = u1 (0) − (m − 1)

m· taTi

,

und im zweiten Teilintervall

u1 (t) = u1 (ta) +1

Ti

t∫ta

1

mσ (τ − ta) dτ = u1 (ta) +

1

m· t − ta

Ti,

u1 (mta) = u1 (0) = u1 (ta) +(m − 1)

m· taTi

.

t t a

t t a

t t a

t t a

0 1 2

0 1 2

1

dq

V

V

m-1 m m+1

m m+1

1

q(n)

m

mt

1a

b g

tT

m

mi

a2

1( )1u t( )

u tu q n

ref

( ) ( )

an t t

VtT

m

mi

a2

1( )

tT

mmi

a 1( )

mm 1( )

2

1 m

1 m

Abbildung 7.34. Grenzzyklus des Σ∆ -Wandlers für äquidistante Impulsfolgen

Nach der Verstärkung um den Faktor V stellt sich ein Grenzzyklus mit folgenderAmplitude und Frequenz ein:

Agr =(m − 1)

m

taTi

· V, fgr =1

mta. (7.34)

=

·

·

·

Page 289: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

284 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Damit lassen sich für das stationäre Verhalten folgende Aussagen gewinnen:

1. Für stationäre Eingangssignale ist das Quantisierungstheorem verletzt. Die An-nahme eines überlagerten Quantisierungsrauschens gilt hier nicht mehr. Viel-mehr erhält man für q(n) eine periodische Impulsfolge. Das Störspektrum istdann aber ein diskretes Linienspektrum!

2. Für große Werte von m, die bei kleinen Eingangsspannungen |u(t)| ≈ 0 undbei großen Eingangsspannungen |u(t)| ≈ uref auftreten, erhält man sehr klei-ne Wiederholfrequenzen fgr des Grenzzyklus. Der erste Impuls des diskretenStörspektrums kann deshalb im Nutzfrequenzbereich liegen.

3. Die effektiven Integrationszeitkonstanten im zweiten Teilintervall

(m − 1) taAg

=mTi

V

sind bei großen m durch analoge Integrierer nur näherungsweise zu realisierenund bewirken deshalb einen mit m ansteigenden Mittelungsfehler.

In praktischen Anwendungen sollte man zur Vermeidung großer Fehler den nutzba-ren Amplitudenbereich der umzuwandelnden Eingangsspannung auf z.B.

1

m= 0, 2 ≤ u

uref=

Z

Zmax≤ 0, 8 =

m − 1

m

begrenzen, d.h. m ≤ 5. In diesem Bereich sind die Fehler gering. Der Sigma-Delta-Wandler erster Ordnung hat bei Einhaltung dieser Randbedingungen den Vorteileiner sehr hohen stationären Genauigkeit. Die hohe Genauigkeit wird mit langenUmsetzzeiten erkauft.

7.3.4 AD-Umsetzer mit sukzessiver Approximation

Das Eingangssignal u wird auf einen Komparator gegeben und mit dem zurück-geführten Signal ub verglichen, das sich aus einer schnellen DA-Wandlung (Ab-schn. 7.4.1) des Ausgangszahlenwertes Z ergibt. Der maximale Zahlenwert istZmax = 2N . Ausgehend vom wichtigsten Bit N − 1, werden sukzessive im i-tenIterationsschritt die Stellen aN−i der Zahl Z(N − i) auf 1 gesetzt, und die resultie-rende Spannungsdifferenz u − ub betrachtet. Für

a. u − ub ≥ 0 bleibt die zuletzt gesetzte Stelle aN−i gesetzt,

b. u − ub < 0 wird die zuletzt gesetzte Stelle aN−i auf 0 zurückgesetzt.

Beispiel 7.11 AD–Umsetzung mit 6 BitDer Vorgang einer AD–Umsetzung mit N = 6 Bit Wortlänge ist in Abb. 7.35 dar-gestellt. Dabei soll die Eingangsspannung

Page 290: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.3 Analog-Digital-Umsetzer 285

u

umax=

35

64

durch sukzessive Approximation bestimmt werden. Die ermittelte Zahl im i-ten Ap-proximationsschritt ist gleich

Z (N − i) =

i∑j=1

aN−j · 2N−j, (7.35)

wobei im Anfangszustand alle Bits ai auf Null zurückgesetzt werden.

+

-Steuerung

DA-Umsetzer

Z

1

0 1 2 3 4 5 6

ub

u

14

12

34

0t T

u umaxb

u umax

Abbildung 7.35. Sukzessive Approximation für die Zahl [100011]

Schritt 1: Das höchstwertige Bit aN−1 wird probeweise auf „1“ gesetzt. Die ZahlZ wird damit

Z (N − 1) = aN−1 · 2N−1 = 2N−1.

Der Vergleich am Komparator ergibt, dass die Eingangsspannung u größer istals die zurückgeführte Spannung ub(N − 1),

u

umax≥ ub (N − 1)

umax=

Z (N − 1)

Zmax= 2−1

⇒ Bit aN−1 bleibt auf „1“ gesetzt.

Schritt 2: Das Bit aN−2 wird probeweise auf „1“ gesetzt. Die Zahl wird damit

Z (N − 2) = 2N−1 + 2N−2.

Der Vergleich am Komparator ergibt, dass die Eingangsspannung u kleiner istals die zurückgeführte Spannung ub(N − 2):

Page 291: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

286 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

u

umax<

ub (N − 2)

umax=

Z (N − 2)

Zmax= 2−1 + 2−2

⇒ Bit aN−2 wird auf „0“ zurück gesetzt.

Die Eingangsspannung wird auf diese Weise in immer kleinere Vergleichsintervalleeingeschachtelt und verglichen. Nach N Schritten sind alle Stellen aN−i

(i = 1 . . .N) und damit die Zahl Z bestimmt.

Für den gesamten Umsetzungsvorgang des AD–Wandlers sind N Schritte erforder-lich. Damit der Wert der analogen Eingangsspannung über den gesamten Verlaufder sukzessiven Approximation konstant bleibt, ist dem AD–Wandler ein Abtast-und Halteglied vorzuschalten.

7.3.5 Ratiometrische Messung

ADU

R

R

uREF

u z

R R+ ∆

R R+ ∆

Abbildung 7.36. Ratiometrische Messung

Die Genauigkeit vieler Messverfahren hängt von der Genauigkeit ab, mit der eineSpeisespannung uref konstant gehalten werden kann. Dieser deformierende Fehle-reinfluss kann eliminiert werden, wenn man für die Speisespannung des Sensors unddie Referenzspannung des AD–Umwandlers die gleiche Spannung uref verwendet.Das Messergebnis ist dann unabhängig von der Speisespannung uref . Man sprichtvon einer ratiometrischen Messung. Als Beispiel sei eine Widerstandsmessbrückebetrachtet, deren Speisespannung gleich der Referenzspannung des AD–Umsetzerssein soll. Der Zahlenwert

Z

Zmax=

∆u

uref=

∆R

2R· 1(

1 + ∆ R2R

) (7.36)

hängt ausschließlich von den Widerstandsverhältnissen der Brückenschaltung ab.

Page 292: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.3 Analog-Digital-Umsetzer 287

7.3.6 Nichtlineare Kennlinie des AD–Umsetzers

Im Falle großer Variationsbereiche der Messgröße u und einer beschränkten Auflö-sung des AD–Umsetzers mit „linearer“ Kennlinie ist der relative Fehler

Fr =u − ur

ur=

∆u

ur

bei kleinen Messgrößen u sehr groß. Dabei ist ur der richtige Messwert. Abhilfeschafft eine „nichtlineare“ Kennlinie des AD–Umsetzers, die aus der Vorgabe nacheinem konstanten relativen Fehler der Messgröße über dem Messbereich

∆u

ur= Fr = const (7.37)

bei einer konstanten, relativen Quantisierung des AD–Umsetzers

q =∆Z

Zmax= const

abgeleitet werden kann:

∆Z

Zmax· 1

q=

∆u

u· 1

Fr= 1,

Z

Zmax=

q

Fr· lnu + C.

Die absolute Quantisierung ist dabei ∆Z . Für u = uref bei z = zmax erhält man dieKonstante

C = 1 − q

Frlnuref

und für u = umin bei z = 0 das Verhältnis

Fr

q= ln

uref

umin.

Die Kennlinie des nichtlinearen AD–Umsetzers wird damit die logarithmischeFunktion

Z

Zmax=

q

Frln

u

uref+ 1. (7.38)

Beispiel 7.12 Nichtlineare AD–KennlinieEs sollen die Vorteile einer nichtlinearen Kennlinie verdeutlicht werden. Ein Mess-signal soll bei einem Messbereich von

umax

umin=

uref

umin= 100

Page 293: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

288 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

eine relative Genauigkeit von Fr = 10−2 aufweisen. Bei einem AD–Umsetzer mitlinearer Kennlinie müsste die Quantisierung

q ≤ Fr

uref/umin= 10−4

gewählt werden, woraus sich eine Wortlänge von ld (1/q) ≈ 13 ergäbe. Bei dernichtlinearen logarithmischen Kennlinie ist die Quantisierung lediglich

qn ≤ Fr

ln (uref/umin)=

10−2

4, 61= 2, 2 · 10−3,

was einer Wortlänge von ld (1/qn) ≈ 9 entspricht. Durch die nichtlineare Kennliniekann die Wortlänge um 4 Stellen verkürzt werden.

Die nichtlineare Kennlinie kann z.B. in einem digitalen Speicher realisiert werden,der zwischen dem Ausgangswort z und dem DA-Umsetzer liegt, und in dem dieExponential-Kennlinie

ub

uref=

(umin

uref

)1−Z/Zmax

abgelegt ist. Eine Exponential-Kennlinie im Gegenkopplungszweig ergibt die ge-wünschte logarithmische Gesamtübertragungs-Kennlinie des AD-Wandlers. Auf-passen muss man aber beim Anti-Aliasing-Filter am Eingang des AD-Wandlers.Durch die nichtlineare Kennlinie kann der Mittelwert der Ausgangsgröße Z ver-fälscht werden (Abschn. 5.2.5). Eine weitere Anwendung nichtlinearer AD-Wand-ler-Kennlinien außerhalb der Messtechnik ist die Kompandierung von Signalen zurDatenreduktion.

7.4 Digital-Analog-Umsetzer

Digital-Analog-Umsetzer werden immer dann eingesetzt, wenn digitale Zahlenwer-te, die z.B. in einem Rechner abgelegt sind, in eine (quasi)analoge Spannung um-gesetzt werden müssen. Die Ausgangsspannung ist proportional zum Produkt ausdigitalem Eingangssignal und einer Referenzspannung

u = uref

N∑i=1

aN−i2−i. (7.39)

Dabei ist ai ∈ [0, 1] das i–te Bit des digitalen Signals. DA-Umsetzer werden z.B.in der Automatisierungstechnik eingesetzt, wo beispielsweise eine zuvor im Rech-ner ermittelte Regelgröße auf ein System geschaltet werden muss. Wie im vorheri-gen Abschnitt bereits besprochen, benötigen viele in der digitalen Messwerterfas-sung eingesetzte Analog-Digital-Umsetzer prinzipbedingt ebenfalls einen Digital-Analog-Umsetzer.

Page 294: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.4 Digital-Analog-Umsetzer 289

+

u

ub

1

10

u

REF

min

u

b REFu u

z

maxzz

z.B. 512 * 13 Bit

DA-Umsetzer

Zahl

Abbildung 7.37. Nichtlinearer AD–Umsetzer mit inverser Kennlinie im Rückkopplungs-zweig

7.4.1 Parallele DA-Umsetzer

Das klassische Verfahren der Digital-Analog-Umsetzung besteht darin, dass mit Hil-fe eines Widerstandsnetzwerkes (oder Kapazitätsnetzwerkes) entsprechend dem di-gitalen Eingangswort dyadisch gestufte Ströme erzeugt und von einer Summations-schaltung addiert werden. Abbildung 7.38 zeigt einen einfachen DA-Umsetzer mitdyadisch gestuften Widerständen. Die Ströme

ik =uref

2kR

ergeben summiert und nach der I-U-Wandlung am Operationsverstärker die ge-wünschte Ausgangsspannung.

In der Praxis lassen sich N dyadisch gestufte Widerstände für die gewünschteN–Bit Auflösung nur mit begrenzter Genauigkeit herstellen, so dass sich diesesVerfahren nicht für hohe Auflösungen eignet. Abhilfe schafft ein DA-Wandler mitR/2R-Kettenleiternetzwerk (Abb. 7.39). Der DA-Umsetzer kann z.B. durch ein Wi-derstandsnetzwerk (oder Kapazitätsnetzwerk) realisiert werden.

Page 295: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

290 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

uREF

2R 4R 8R 16R

−+

u

R

Abbildung 7.38. DA-Umsetzer mit dya-disch gestuften Widerständen

+

≈≈

≈a N − 2 a 0

REFu

ub

R R R 2 R

2 R2 R2 R

R

2 R

Knoten 1 Knoten 0

RaN − 1 a 1

u(N 1)− u(N )−2 u(1) u(0)

Abbildung 7.39. Schaltung eines DA-Umsetzers

Die Spannung zwischen Knoten 0 und 1 ist

u (0) = u (1) · 2R ‖2R

R + 2R ‖2R=

1

2u (1) ⇒ u (1) = 2u (0) .

Der Widerstand des Restnetzwerkes vom Knoten 1 nach rechts ist

Rrest = R + 2R ‖2R = 2R,

d.h. im Knoten 1 findet man die gleichen Widerstandsverhältnisse wie im Knoten 0.Man kann deshalb verallgemeinert feststellen, dass die Spannung am nächsthöherenKnoten jeweils doppelt so hoch ist:

u (N − i) = 2u (N − i − 1) .

Bei Speisung mit der Referenzspannung uref erhält man

u (N − i) =1

2iuref .

Die Summenspannung wird abhängig von den Stellenwerten aN−i der Zahl z ge-bildet:

Page 296: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.4 Digital-Analog-Umsetzer 291

−ub =N∑

i=1

aN−i u (N − i) = uref

N∑i=1

aN−i · 2−i = urefZ

Zmax. (7.40)

Derartige DA-Wandler treten häufig in schnellen AD–Wandlern mit sukzessiver Ap-proximation (Abschn. 7.3.4) auf.

7.4.2 Serielle DA-Umsetzer

Eine besonders einfach zu integrierende Anordnung erhält man, wenn man einenDA-Wandler durch einen sog. Rate-Multiplier [42] implementiert, der mit nicht-koinzidenten Teilfrequenzen arbeitet. Der Begriff „Frequenz“ wird hier verallge-meinert interpretiert, und zwar als Zahl der Impulse pro Messintervall. Die Impulsesind nicht-äquidistant.

Ein zyklisch mit der Frequenz f0 durchlaufender Zähler Q(n) hat die gleiche Wort-länge N wie der Zahlenwert Z . Die Zählfreigabe C0 liegt während eines Taktin-tervalls fest auf 0 oder 1; das Taktsignal f0 hat demgegenüber in dieser Zeit zweiFlanken. Durch die in Abb. 7.40 gezeigte Dekodierung werden aus den Zählerbit-stellen Qi nicht-koinzidente Impulsfolgen

qi (n) = 2−(i+1)C0

erzeugt, die ohne gegenseitige Überlappung zu einer Gesamt-„Frequenz“ (Impuls-häufigkeit pro Zeit)

q (n) =

N∑i=1

aN−i qi−1 (n) = C0 ·N∑

i=1

aN−i 2−i

summiert werden können. Der Erwartungswert dieser Gesamt-„Frequenz“ ist diemittlere Häufigkeit der Impulse pro Zeiteinheit

ub = uref · E q (n) ,

die z.B. durch eine Tiefpassfilterung zu ermitteln ist.

Wie beim Sigma-Delta-Umsetzer wird der Fehler zu den Grenzen des Messberei-ches größer, da der Erwartungswert durch den Mittelwert dort nicht mehr ausrei-chend genau approximiert wird:

Zahlenwert: Z/Zmax =

N∑i=1

aN−i · 2−i.

Die Gesamt-„Frequenz“ q (n) ist proportional zum Zahlenwert Z/Zmaxund zur mitt-

leren Häufigkeit der Zählerfreigabe C0 . Bei der DA-Wandlung liegt normalerweiseC0 fest auf 1:

Page 297: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

292 7. Erfassung amplitudenanaloger Signale

Zähler Q(n)

tT0

q n0 ( )q n1( )q n2 ( )q n3( )q n4 ( )q n5( )q n6 ( )q n7 ( )

tT0

tT0

tT0

q n0 ( )

q n1( )

q n2 ( )

q n3( )

Q7 Q6 Q5 Q4 Q3 Q2 Q1 Q0

f0

C0

>1 >1>1>1 >1 >1>1>1

Abbildung 7.40. DA-Wandlung über die Erzeugung nicht-koinzidenter Teilfrequenzen(Rate-Multiplier)

Z

Zmax=

N∑i=1

aN−i · 2−i,

E q(n) =ub

uref= E C0︸ ︷︷ ︸

=1

N∑i=1

aN−i2−i =

Z

Zmax.

Die mittlere Häufigkeit der Impulse ist damit proportional zur Spannung ub/uref .Dabei ist der Erwartungswert E C0 = 1 . Der Vorteil des Rate-Multipliers istdie leichte monolithische Integration der gesamten Schaltung. Aufgrund einer even-tuell ungleichförmigen Impulsverteilung kann allerdings der Grenzzyklus des Vor-Rückwärtszählers bei einem AD-Umsetzer größer als 1 Bit werden. Abhilfe erreicht

Page 298: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

7.4 Digital-Analog-Umsetzer 293

q (n)R

C

a0 a1 a2 a3 a4 a5 a6 a7

E qn

LSB MSB

q n0 ( )q n1( )q n2 ( )q n4 ( )q n5( )q n6 ( )q n7 ( )

& & & &&&&&

&

Abbildung 7.41. Digital-Analog-Wandler über die mittlere Häufigkeit von Impulsen

man durch zusätzliche Mittelung des Impulszuges q(n) in einem Untersetzerzähler.Der Rate–Multiplier muss dann aber mit einer um den Untersetzungsfaktor höhe-ren Frequenz f0 betrieben werden. An der Zählfreigabe C0 ändert sich lediglich dieIntervallbreite, nicht aber der Wert. DA-Wandler nach dem Rate-Multiplier Prinzipwerden häufig in verzögert nachlaufenden AD–Wandlern (Abschn. 7.3.2) einge-setzt.

Page 299: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8. Erfassung frequenzanaloger Signale

In der bisherigen Betrachtung diente die Amplitude eines Signals u(t) als Infor-mationsträger. Man spricht auch von amplitudenanalogen Signalen. In der digitalenSignalverarbeitung wurde daher auch der Amplitudenverlauf eines Signals abgeta-stet und in diskrete, digitale Werte umgesetzt. In der Messtechnik spielt aber nocheine andere Klasse von Signalen eine Rolle, die der frequenzanalogen Signale. Hierdient die Frequenz der Signale als Informationsparameter, den es zu verarbeiten gilt.Hierbei stößt man bei verschiedenen Signalen zunächst auf eine unterschiedliche In-terpretation des Informationsparameters Frequenz [32] (Abb. 8.1).

τTi

T

t t t

x t( ) x t( )x t( )

Abbildung 8.1. Gewinnung des Informationsparameters Frequenz

Für ein harmonisches Signal ist die Kreisfrequenz

ω(t) =dϕ

dt(8.1)

gleich der Momentanfrequenz. Sie ist messtechnisch schwer zugänglich. Bei kon-stanter Kreisfrequenz ω = const über ϕ = 2π gilt

ω = 2πf.

Mit der Periodendauer aus dem Zeitbereich kann die Frequenz der harmonischenSchwingung ermittelt werden:

f =1

T=

ω

2π.

Page 300: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

296 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

Für impulsförmige Signale lässt sich die Folgefrequenz nur durch die PeriodendauerTi zwischen den Impulsen

fF =1

Ti

angeben, eine Momentanfrequenz im Sinne von Gl.(8.1) existiert nicht. Schließlichist für bandbegrenzte stochastische Signale nur eine mittlere Frequenz angebbar, diesich beispielsweise aus der Häufigkeit N0(T ) der Nulldurchgänge innerhalb einesIntervalls ermitteln lässt. Mit der mittleren Zeitdauer τ zwischen zwei Nulldurch-gängen erhält man

f =1

2τ, τ =

1

n

n∑i=1

τi.

Die mittlere Zeitdauer τ ist aber gleich dem Beobachtungsintervall T geteilt durchdie Anzahl N0 der erwarteten Nulldurchgänge in diesem Intervall. Damit erhält man

τ =T

EN0(T ) ⇒ f =1

2τ=

EN0(T )2T

.

Die unterschiedlichen Interpretationen der „Frequenz“ erfordern die Einführung ei-nes allgemeinen Frequenzbegriffs.

8.1 Allgemeiner Frequenzbegriff

Die Ableitung eines allgemeinen Frequenzbegriffs geschieht in Analogie zur Wahr-scheinlichkeitsrechnung. Mit der Wahrscheinlichkeitsdichte konnte dort der Mittel-wert und die Varianz eines Signals berechnet werden. Entsprechend wird eine aufdie Leistung Px normierte Leistungsdichte Sxx(f) definiert, die die relative Vertei-lung der Signalleistung über der Frequenz beschreibt:

fx(f) =Sxx(f)

Pxmit Px =

∞∫−∞

Sxx(f) df. (8.2)

Für Energiesignale kann die auf die Energie Ex normierte Energiedichte SExx(f)

in Gl.(8.2) direkt über die Fourier-Transformierte X(f) des Signals x(t) berechnetwerden,

fEx (f) =

SExx(f)

Ex=

|X(f)|2‖X(f)‖2

.

Die normierte Leistungsdichte hat die gleichen Eigenschaften wie eine Wahrschein-lichkeitsdichte. Insbesondere gilt

Page 301: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.1 Allgemeiner Frequenzbegriff 297

fx(f) ≥ 0,∞∫

−∞fx(f) df = 1.

Analog zur Wahrscheinlichkeitsrechnung können nun Erwartungswerte bzw. Mo-mente berechnet werden. Wichtig ist hierbei wieder das 1. Moment.

Definition 8.1 Mittlere FrequenzDie Mittlere Frequenz eines Signals ist das 1. Moment der normierten Leistungs-

dichte fx(f)

f =

∞∫−∞

f · fx(f) df =

∞∫−∞

f · Sxx(f)

Pxdf.

Entsprechend der Varianz wird das 2. zentrale Moment der normierten Leistungs-dichte als Bandbreite interpretiert.

Definition 8.2 BandbreiteDie Bandbreite ∆f eines Signals berechnet sich aus dem 2. zentralen Moment der

normierte Leistungsdichte fx(f):

∆2f =

∞∫−∞

(f − f)2 · fx(f) df =

∞∫−∞

(f − f)2 · Sxx(f)

Pxdf.

Zu Beginn des Kapitels wurde schon angedeutet, dass die Frequenz in vielen An-wendungen durch die Häufigkeit der Nulldurchgänge eines Signals bestimmt wird(Abb. 8.1). Zur Abschätzung der Frequenz wird ein mittelwertfreies stochastischesSignal mit Normalverteilung angenommen. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil dieLage der Nulldurchgänge von x(t) durch überlagerte Störungen verschoben wird.

Satz 8.1 Effektiv-FrequenzDie Effektivfrequenz feff , d.h. die mittlere Häufigkeit EN0(T ) der Nulldurch-

gänge innerhalb eines Intervalls T eines mittelwertfreien normalverteilten Signalsx(t) ist die Wurzel des 2. Momentes der normierten Leistungsdichte fx(f):

feff =EN0(T )

2T=

√√√√√ ∞∫−∞

f2 · fx(f) df =

√√√√√ ∞∫−∞

f2 · Sxx(f)

Pxdf

=√

f2 + ∆2f .

Beweis: Für den Beweis muss der Erwartungswert EN0(t) der Nulldurchgängedes Prozesses X(t, ξ) bestimmt werden, also

Page 302: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

298 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

x(ti) = 0.

N0(T ) ist die Anzahl von Ereignissen (Nulldurchgänge), die innerhalb des Inter-valls T auftreten. Man spricht auch von einem Ereignisprozess. Für den Erwar-tungswert der Ereignisse gilt folgende Gleichung

EN0(t) = T · fX(x = 0)E|x(t)|∣∣x(t) = 0. (8.3)

Zum Beweis von Gl.(8.3) verwendet man die folgende Eigenschaft der δ-Impuls-funktion in Abb. 8.2 (s. [36]):

δ[x(t)

]=∑

i

δ(t − ti)

|x(ti)| =1

|x(t)|∑

i

δ(t − ti),∑i

δ(t − ti) = δ[x(t)

]|x(t)| = ζ(t), (8.4)

tti

+ ++ + + + +

x t( ) δ[ ( )]x t

t+ ++ + + + +

ti

Abbildung 8.2. Impulsfunktion δ[x(t)

]zur Erzeugung von Ereignissen

d.h. die Funktion x(t) wird durch eine Impulsreihe, d.h. Nulldurchgangsereignisseersetzt, die nur an den Stellen der Nulldurchgänge von x(t) von Null verschiedenist. Wegen des Integrals über einen Impuls (= ein Nulldurchgang)∫

δ(t) dt = 1

erhält man durch Integration von ζ(t) über T die Anzahl der Ereignisse N0(T ) imIntervall T

N0(T ) =

t+T∫t

ζ(α) dα ⇒ EN0(t) = T · Eζ(t).

Mit der Impulsfunktion aus Gl.(8.4) folgt, dass ζ(t) eine Funktion der ZufallsgrößenX und X ist. Mit der gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsdichte fXX(x, x) berechnetsich der Erwartungswert zu

Page 303: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.1 Allgemeiner Frequenzbegriff 299

Eζ(t) =

∞∫−∞

∞∫−∞

|x|δ(x)fXX(x, x) dx dx

=

∞∫−∞

fXX(x, x)|x|fX(0, x) dx.

Mit der bedingten Wahrscheinlichkeitsdichte

fX(0, x) = fX(x = 0) · fX(x|x = 0)

folgt der Erwartungswert der Nulldurchgänge nach Gl.(8.3):

Eζ(t) = fX(x = 0)

∞∫−∞

|x|fX(x|x = 0) dx.

Damit ist Gl.(8.3) bewiesen.

Bezieht man den Erwartungswert noch auf die Intervalldauer, so erhält man diemittlere Ereignisrate, die auch in der Markov-Theorie eine wichtige Rolle spielt[22]:

λ0 =EN0(t)

T= fX(x = 0)E|x(t)|

∣∣x(t) = 0.

Im nächsten Schritt soll gezeigt werden, dass für normalverteilte Zufallsprozesse

EN0(t) = T · fX(x = 0)E|x(t)| (8.5)

gilt, d.h. der bedingte Erwartungswert E|x(t)|∣∣x(t) = 0 in den Erwartungs-wert E|x(t)| übergeht. Für den Beweis benötigt man die Korrelationsfunktionenvon differenzierten Signalen. Betrachtet man die Differentiation als lineares System(Abb. 8.3) mit der Übertragungsfunktion

G(f) = j2πf,

so folgt nach Gl.(6.25) für die Leistungsdichtespektren bzw. die Korrelationsfunk-tionen

Sxx(f) = −j2πfSxx(f) Sxx(f) = (−j2πf)(j2πf)Sxx(f)•| und

•|

Rxx(τ) = −Rxx(τ) Rxx(τ) = −Rxx(τ).

(8.6)

Da die Autokorrelation allgemein eine gerade Funktion ist, mit dem Maximum beiτ = 0, so folgt daraus für die Ableitung

Rxx(τ = 0) = 0 = Rxx(0) = Ex(t)x(t) = 0.

Page 304: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

300 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

j2 fx t( )x t( )

Abbildung 8.3. System zur Differentiation

Das bedeutet, dass die Zufallsgrößen x(t) und x(t) unkorreliert sind. Für normal-verteilte Prozesse folgt daraus auch die statistische Unabhängigkeit, so dass für diebedingte Wahrscheinlichkeitsdichte

fX(x|x = 0) = fX(x)

gilt und der Erwartungswert aus Gl.(8.3) in den Erwartungswert nach Gl.(8.5) über-geht. Dieser Erwartungswert berechnet sich für mittelwertfreie Gaußprozesse zu

E|x(t)| =

∞∫−∞

|x| 1

σx

√2π

· e− x2

2σ2x dx

=2

σx

√2π

∞∫0

xe− x2

2σ2x dx , mit

∞∫0

xe−ax2

dx =1

2a

=2σx√2π

, mit − Rxx(0) = Rxx(0) = σ2x

=

√−2Rxx(0)

π.

Setzt man nun noch

fX(x = 0) =1

σx

√2π

=1√

2πRxx(0),

so folgt schließlich für die mittlere Anzahl von Ereignissen bei normalverteiltenProzessen aus Gl.(8.5)

EN0(t) = T

√−Rxx(0)

π2Rxx(0).

Damit erhält man schließlich die effektive Frequenz zu

feff =EN0(T )

2T=

√−Rxx(0)

4π2Rxx(0)−•

√√√√√√√√∞∫

−∞f2Sxx(f) df

∞∫−∞

Sxx(f) df

.

Page 305: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 301

Der Name Effektiv-Frequenz rührt von seinem Analogon Effektivwert bei amplitu-denanalogen Signalen her:

ueff =√

µ2u + σ2

u ≈

√√√√√ 1

2T

T∫−T

u(t)2 dt.

Das Frequenzzählverfahren in Abschn. 8.2.2 ermittelt gerade die Effektivfrequenzfeff durch das Zählen von Nulldurchgängen innerhalb eines Referenzintervalls. DieEffektivfrequenz besitzt einen systematischen Fehler, der von der Bandbreite ∆f

des Signals abhängt,

feff ≈ f

(1 +

1

2

∆2f

f2

)= f +

1

2

∆2f

f> f . (8.7)

ffefff

S f

Px

x ( )

f ff f

x

Abbildung 8.4. Kenngrößen der Frequenz im normierten Leistungsdichtespektrum

8.2 Digitale Drehzahlmessung

Die Digitalisierung frequenzanaloger Signale soll am Beispiel der Drehzahlmes-sung vorgestellt werden. Für die Erfassung von Drehzahlsignalen gibt es prinzipiellmehrere Möglichkeiten. So kann die Winkelgeschwindigkeit einer Welle z.B. miteinem Tachogenerator in ein amplitudenanaloges Signal umgeformt werden. We-niger störanfällig und leichter zu realisieren sind demgegenüber Verfahren, welchedas eigentliche Drehzahlsignal mittels Inkrementalgeber in ein periodisches Signalumformen, so dass die Information als frequenzanaloges Signal kodiert ist. Die ei-gentliche Erfassung der Drehzahl beruht dann auf einer Zeitmessung, welche durch

− +∆ ∆

Page 306: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

302 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

die Verwendung von Quarzoszillatoren um ein Vielfaches genauer realisiert werdenkann als dies bei einer Spannungsauswertung mit vertretbarem Aufwand der Fall ist[32]. Die dafür notwendigen Zähler können ohne großen Aufwand realisiert werdenund sind in der Peripherie von handelsüblichen Mikrocontrollersystemen mehrfachvorhanden.

R

ϕ0

ω(n) v

τ(n) Zähler

Referenz

SensorDiskriminator

Abbildung 8.5. Messsystem zur frequenzanalogen Drehzahlmessung

Abbildung 8.5 zeigt das Prinzip der Messanordnung. Ein auf der Welle mitrotie-rendes Zahnrad bildet den Modulator zur Umformung der amplitudenanalogen Ein-gangsgröße Winkelgeschwindigkeit ω in ein frequenzanaloges Signal. Die Zahnhö-he wird über einen induktiven Sensor oder einen Hallsensor erfasst und in ein peri-odisches Signal umgewandelt. Das dabei pro Zahn überstrichene Winkelinkrementbeträgt

ϕ0 =2π

Z,

wobei Z die Anzahl aller Zähne auf dem Zahnrad ist. Das entstehende periodischeSignal wird über einen Schmitttrigger in ein Rechtecksignal gleicher Periodendauerumgewandelt, die anschließend in einem Mikrocontroller mit Hilfe eines Referenz-zählers ausgezählt, d.h. digitalisiert wird. Für die Auswertung gibt es die beidenprinzipiellen Möglichkeiten, das frequenzanaloge Signal winkel- oder zeitsynchronzu erfassen. Die gemessene Winkelgeschwindigkeit berechnet sich mit Hilfe desDifferenzenquotienten aus dem Winkelintervall ϕ2 − ϕ1 und der dafür benötigtenDurchlaufzeit t2 − t1:

ωm =ϕ2 − ϕ1

t2 − t1. (8.8)

8.2.1 Periodendauermessung

Das Strukturbild der Periodendauermessung zeigt Abb. 8.6. Die Periodendauermes-sung misst die kontinuierliche Zeit t2−t1 = Tm(i) für einen diskreten Winkelschritt

Page 307: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 303

Diskriminator

ZählerΣ

Zeittor

Signal-Quelle

pos. Flanken

ddt

Referenz

Abbildung 8.6. Strukturbild zur Periodendauermessung

ϕ0 = ϕ2 − ϕ1 =2π

Z,

der durch die Winkelteilung des Zahnrads fest vorgegeben ist:

ωm(i) =2π

Tm(i) · Z . (8.9)

Die Periodendauer Tm, die für das Überstreichen des Winkelinkrements ϕ0 benö-tigt wird, wird durch das Auszählen von Impulsen einer Referenzfrequenz f0 ermit-telt (Abb. 8.7). Die Abtastung erfolgt hierbei winkelsysnchron, da mit jeder neuenZahnflanke ϕ0 ein digitaler Messwert in den Rechner übernommen wird.

Sensorsignal

Zählimpulse

Referenzfrequenz

Zahl der Impulseim Signalfenster

s tf ( )

Amplituden-diskriminiertesSignal

Zahnflanken

f0

Tm

ϕ0

Abbildung 8.7. Digitalisierung frequenzanaloger Signale durch Periodendauermessung(winkelsynchrone Erfassung)

Page 308: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

304 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

8.2.2 Frequenzzählung

Das Strukturbild der Frequenzzählung zeigt Abb. 8.8. Das Frequenzzählverfahrengibt dabei das Zeitintervall Tref = t2 − t1 fest vor und misst den überstrichenenWinkel ϕ2 − ϕ1 = ϕm(i), der natürlich durch die feste Zahnteilung einen Quanti-sierungsfehler aufweist:

ωm(i) =ϕ(i)

Tref. (8.10)

Der überstrichene kontinuierliche Winkel ϕm(i) wird durch das Auszählen derNulldurchgänge des frequenzanalogen Signals innerhalb der diskreten MessperiodeTref ermittelt. Die Abtastung erfolgt bei der Frequenzzählung zeitsynchron, da nachjedem Zeitintervall Tref ein digitaler Messwert in den Rechner übernommen wird.

Diskriminator pos. Flanken ZählerΣ

ddt

Zeittor

Signal-Quelle

ReferenzN

1 Frequenzteiler

Abbildung 8.8. Strukturbild zur Frequenzzählung

8.2.3 Maximaler Quantisierungsfehler für einen Zählvorgang

Die beiden vorgestellten Verfahren beruhen darauf, dass die Bestimmung der Dreh-zahl ω entweder über das Zählen der Impulse eines Referenztaktes f0 = 1/T zwi-schen zwei Flanken des Sensorsignals geschieht (winkelsynchron), oder über dieAnzahl der in einer Referenzperiode Tref einlaufenden Flankenimpulse des Sen-sorssignals (zeitsynchron). In beiden Fällen erfolgt eine Quantisierung mit entspre-chenden Quantisierungsfehlern. Es soll der relative Fehler Fr in einer einzigen Pe-riode Tm bzw. einem einzigen Referenzintervall Tref abgeschätzt werden. Aufgrundder statischen Fehlerbetrachtung können die Zeitindizes im folgenden weggelassenwerden. Die wahre stationäre Winkelgeschwindigkeit ist

ω =ϕ

T.

Periodendauermessung Im ungünstigsten Fall kann die quantisierte Periodendau-er N · T0 durch die endliche Auflösung des Zählers um ein Quantisierungsintervalldes Referenztaktes T0 = 1/f0

von der kontinuierlichen Periodendauer Tm zwischenzwei Flanken des Sensorsignals abweichen. Der relative Drehzahlfehler ist damitbei der Periodendauermessung

Page 309: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 305

Tref

Sensorsignal

Zeittorflanken

Zeittor

Zahl der Impulseim Signalfenster

Amplituden-diskriminiertesSignal

Zahnflanken

s tf ( )

ϕm

Abbildung 8.9. Digitalisierung frequenzanaloger Signale durch Frequenzzählung (zeitsyn-chrone Erfassung)

Fr =|ωq − ωm|

ωm=

∣∣∣∣∣ϕ0

N ·T0− ϕ0

Tm

ϕ0

Tm

∣∣∣∣∣ =

∣∣∣∣ Tm

N · T0− 1

∣∣∣∣ .Bei maximaler Abweichung um ein Zählintervall T0

|Tm − NT0| ≤ T0

erhält man den relativen Quantisierungsfehler zu

Fr ≤ 1

N=

1

NT0 · f0=

ωq

ϕ0f0.

Frequenzzählung Beim Frequenzzählverfahren erhält man in der ReferenzperiodeTref gerade N Sensorflankenimpulse, d.h. Tref = N · ϕ0/ωq. Jeder Flankenimpulsentspricht dem Durchlauf des Sensorrades durch das Winkelinkrement ϕ0 = 2π/Z .Der wirklich in der Messzeit Tref überstrichene Winkel kann bis zu einem Winke-linkrement ϕ0 vom gemessenen Wert abweichen. Der Fehler wird dann

Fr =|ωq − ωm|

ωm=

∣∣∣∣∣ϕ0N

Tref− ϕm

Tref

ϕm

Tref

∣∣∣∣∣ =

∣∣∣∣ϕ0 · N − ϕm

ϕm

∣∣∣∣ ≈ ∣∣∣∣ϕ0 · N − ϕm

ϕ0 · N∣∣∣∣ .

Bei maximaler Abweichung um ein Winkelinkrement ϕ0

|ϕm − N · ϕ0| ≤ ϕ0

Page 310: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

306 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

erhält man den relativen Quantisierungsfehler zu

Fr ≤ 1

N=

ϕ0

ωqTref.

Abbildung 8.10 zeigt den statischen Quantisierungsfehler für verschiedene Refe-renzperiodendauern und Referenzzählfrequenzen in doppeltlogarithmischem Maß-stab. Daneben zeigt die Abbildung auch den Quantisierungsfehler für das quasizeit-diskrete Mischverfahren über eine ganzzahlige Anzahl k = (Tkωq)/ϕ0 von Pe-rioden. Dabei wird die Periode Tk für den Durchlauf des Sensorrades durch denWinkelschritt k · ϕ0 gemessen. Es ergibt sich der gleiche Fehler wie bei der Peri-odendauermessung, wenn man dort den festen, einfachen Winkelschritt ϕ0 durchden k–fachen Winkelschritt k · ϕ0 ersetzt:

Fr =|ωq − ωm|

ωm≤ ωq

k · ϕ0f0=

ωq

Tkωq

ϕ0ϕ0f0

=1

Tk · f0.

100

101

102

103

10-6

10-5

10-4

10-3

10-2

10-1

10 0 1 s

10 s

100 s

11 kHz

100 kHz

1 MHz

f T0 k= =100 kHz, 1 s

Fr

ω∆ϕ [Hz]

f0=Tref=

Abbildung 8.10. Relativer maximaler statischer Quantisierungsfehler (· · · Frequenzzählung,– –Periodendauer, ——Mischverfahren)

8.2.4 Mittelwertbildung bei der Drehzahlmessung

Die Verfahren zur digitalen Drehzahlmessung besitzen alle einen mittelwertbilden-den Charakter. Ändert sich die Drehzahl ω innerhalb der Messzeit, so wird sie mit

Page 311: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 307

dieser Mittelungsfunktion verfälscht. Aus der Approximation der Winkelgeschwin-digkeit durch den Differenzenquotienten Gl.(8.8) wird dem jeweiligen Abtastwerteine mittlere Winkelgeschwindigkeit zugewiesen. Bei der Periodendauermessungerfolgt die Mittelung zwischen zwei Zahnflanken. Mit der Zahnteilung

ϕ0 =2π

Z

wird die messbare Winkelgeschwindigkeit

ω(ϕ) =1

ϕ0

ϕ+ϕ02∫

ϕ−ϕ02

ω(ϕ) dϕ. (8.11)

Bei der Frequenzzählung erfolgt die Mittelung über das Referenzintervall Tref ,

ω(t) =1

Tref

t+Tref

2∫t−Tref

2

ω(t) dt. (8.12)

Zur Untersuchung des dabei auftretenden Fehlers eignet sich für die Periodendau-ermessung der Winkelfrequenzbereich. Die Vorgehensweise für das Frequenzzähl-verfahren verhält sich analog dazu im Zeitfrequenzbereich, für die die Methodender digitalen Signalverarbeitung aufgrund der äquidistanten Abtastung nT direktangewendet werden können.

Nach Abschn. 7.1.3 kann die Mittelwertbildung als Faltung der Eingangsgröße miteinem Rechteckfenster interpretiert werden. Damit kann man für die Periodendau-ermessung

ω(ϕ) = ω(ϕ) ∗ rϕ0(ϕ) −• Ω(Φ) = Ω(Φ) · Rϕ0(Φ)

und für die Frequenzzählung

ω(t) = ω(t) ∗ rTref(t) −• Ω(f) = Ω(f) · RTref

(f)

schreiben. Abbildung 8.11 zeigt die Korrespondenzen eines allgemeinen Rechteck-fensters im Winkelbereich. Durch die Mittelwertbildung wird das Originalspektrumdurch Multiplikation mit sin f/f verfälscht.

Beispiel 8.1 Drehzahlmessung am VerbrennungsmotorDie Drehzahl n eines 6-Zylinder Verbrennungsmotors wird durch Periodendauer-messung zwischen zwei Zahnflanken bestimmt. Der Drehzahl sind durch die Ver-brennungsvorgänge in den einzelnen Zylindern Störungen mit einer Winkelfrequenzvon

Page 312: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

308 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

jF

2-

2

-1 1

r ( )j0 si(pF )1

1

R ( )F =

j0

j0 j0

j0 j0

j0j0

Abbildung 8.11. Rechteckfenster der Breite ϕ0 und Fourier-Transformierte davon

Φs ≈ ZY L

2= 3

1

rad

überlagert, d.h. 3 Störhübe pro Umdrehung. Die Sensorfrequenz ist bei einem Zahn-rad mit Z = 60 Zähnen

Φa = 601

rad,

d.h. 60 Zahnflankenimpulse pro Umdrehung. Wegen

Φs ≤ Φa

2

werden die Verbrennungsmomente in den einzelnen Zylindern durch die Mittelwert-bildung der Motordrehzahl aufgrund der Periodendauermessung kaum gefiltert, son-dern nahezu ungedämpft weitergegeben. Aus der Motordrehzahl kann deshalb z.B.das Verbrennungsmoment geschätzt werden [24].

Die Mittelwertbildung soll nun speziell für das Frequenzzählverfahren untersuchtwerden. Gegeben sei eine konstante Drehzahl ω, die von einer harmonischen Stö-rung der Frequenz f1 überlagert ist:

ω(t) = ω + ∆ωej2πf1t.

Die Mittelwertbildung nach Gl.(8.12) liefert

ω(t) =1

Tref

t+Tref

2∫t−Tref

2

(ω + ∆ωej2πf1t

)dt

= ω +∆ω

j2πf1Tref·[ej2πf1(t+Tref/2) − ej2πf1(t−Tref/2)

]= ω + ∆ωej2πf1t · sin πf1Tref

πf1Tref.

j

Page 313: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 309

Die überlagerte Störung wird durch die (sin f)/f -Funktion gefiltert,

ω(t) = ω + ∆ωej2πf1t mit ∆ω = ∆ω · sin πf1Tref

πf1Tref.

8.2.5 Abtastung bei der Drehzahlmessung

Nach der Mittelwertbildung wird der Wert ω abgetastet. Bei der Frequenzzählungerfolgt die Abtastung mit der Referenzperiode Tref , d.h. zu äquidistanten Zeiten:

ω(nTref) = ω(t) ·∞∑

n=−∞δ(t − nTref).

Im Spektrum gibt es eine in 1/Tref periodisch wiederholte Funktion,

Ω∗(f) =1

Tref

∞∑k=−∞

Ω(f − k/Tref).

Wir betrachten wieder den Fall einer konstanten Drehzahl ω, die von einer harmo-nischen Störung der Frequenz f1 überlagert ist:

ω(t) = ω + ∆ωej2πf1t

•|

Ω(f) = ωδ(f) + ∆ωδ(f − f1).

Es lassen sich nach dem Abtasttheorem zwei Fälle unterscheiden:

1. f1 ≤ 1

2Tref: keine spektrale Überlappung (Aliasing), da die Störung im Ny-

quistband liegt.

2. f1 >1

2Tref: spektrale Überlappung, d.h zusätzliche Störung durch Aliasing.

Bei der Periodendauermessung erfolgt die Abtastung winkeldiskret, also

ω(nϕ0) = ω(ϕ) ·∞∑

n=−∞δ(ϕ − nϕ0).

Nur für den Spezialfall ω(t) = const ist auch die Abtastzeit konstant. Im Spektrumgibt es eine in 1/ϕ0 periodisch wiederholte Funktion:

Ω∗(Φ) =1

ϕ0

∞∑k=−∞

Ω(Φ − k/ϕ0).

Page 314: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

310 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

Das Abtasttheorem gilt hier analog. Allerdings benötigt man hier den Frequenzbe-griff „pro Umdrehung“ oder 1/rad, der vom physikalischen Frequenzbegriff ab-weicht. Für das Beispiel der Drehzahlmesung beim Verbrennungsmotor tritt keinAliasing auf, da die Störfrequenz kleiner als die halbe Abtastfrequenz ist:

Φs ≤ Φa

2.

8.2.6 Quantisierung bei fortlaufenden Periodendauermessungen

Der durch die Zahnflanken des Sensorrades gegebene Winkel ϕ0 wird bei einer Win-kelgeschwindigkeit ωm in der Zeit Tm durchlaufen. Man erhält in jedem Zählinter-vall i eine Durchlaufzeit Tm(i). Der Quantisierungsfehler soll über viele Intervallei betrachtet und mit statistischen Methoden beschrieben werden.

T0

T im( )

∆n(i) T0∆ −1n(i ) T0

n (i) Tq 0

ϕ0

Abbildung 8.12. Quantisierungsfehler im i-ten Intervall am Anfang und Ende einer PeriodeTm(i)

Das Intervall wird bei durchlaufendem Zähler am Beginn und am Ende quantisiert(Abb. 8.12). Mit dem ersten in die Zeit Tm(i) fallenden Zählimpuls wird eine ganzeZählimpulsperiode T0 gezählt. Die Teilperiode ∆n(i−1)·T0 ist der Quantisierungs-fehler am Beginn des Zählvorgangs. Am Ende wird die Teilperiode ∆n(i) ·T0 nichtmehr gezählt, was den Quantisierungsfehler am Ende darstellt. Das Zählergebnis istdie Differenz des Zählerstandes am Ende der Periode Tm(i) minus dem am Beginnvon Tm(i).

Nachdem die von den Sensorflanken abgeleitete Zeit Tm(i) und die ZählperiodeT0 statistisch unabhängig voneinander in Zeitdauer und Phasenlage sind, kann fürbeide Quantisierungsfehler ∆n eine Gleichverteilung angenommen werden:

f∆n(n) =

1 für 0 ≤ n ≤ 1,0 sonst.

(8.13)

Das Zählergebnis ist bei Quantisierung am Intervallanfang und -ende

nq(i) = n(i) + ∆nq(i)

Page 315: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 311

mit dem kontinuierlichen Verhältnis

n(i) =Tm(i)

T0

und dem resultierenden Quantisierungsfehler

∆nq(i) = ∆n(i − 1) − ∆n(i). (8.14)

Die Wahrscheinlichkeitsdichte des resultierenden Quantisierungsfehlers f∆nq(n)

ergibt sich aus der Faltung der beiden Gleichverteilungen. Es ergibt sich die Drei-ecksverteilung nach Abb. 8.13:

f∆nq(n) = f∆n(n) ∗ f∆n(n).

n-1 0 1

f (n)∆nq

1

Abbildung 8.13. Wahrschein-lichkeitsdichte des resultierendenQuantisierungsfehlers

Die Quantisierung wird im folgenden wieder durch das lineare Modell beschrieben,bei dem das kontinuierliche Verhältnis n(i) additiv von einem Quantisierungsrau-schen ∆nq(i) mit der Dichte f∆nq

(n) überlagert ist. Aus dem deterministischenSignal n(i) wird durch die Überlagerung des Rauschens ein stochastisches Signalnq(i), das eine Dreiecksdichte aufweist (Abb. 8.14).

nn

f (n),pnq nq(n)

N0 N012+N0

12- N0 1+N0 1- n -1 n +1

1

x

- 1

2

1

2x

xx

Abbildung 8.14. Wahrscheinlichkeitsdichte des diskreten Zählergebnisses nq(i)

Das Zählergebnis nq(i) kann nur diskrete Werte annehmen, die für ein betrachtetesIntervall i mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten auftreten. Die Diskretisie-rung der Wahrscheinlichkeitsdichte entspricht wieder einer Flächenabtastung. Die

≤ ≤

Page 316: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

312 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

Einzelwahrscheinlichkeiten erhält man daher durch Integration der Dichte f∆nq(n)

über das Quantisierungsintervall um das diskrete Zählergebnis. Es sei

n(i) = N0 + x mit − 1

2≤ x ≤ 1

2.

Damit werden die Einzelwahrscheinlichkeiten (Abb. 8.15)

p(N0) =

N0+12∫

N0− 12

f∆nq(n) dn =

n−x+ 12∫

n−x− 12

f∆nq(n) dn =

3

4− x2,

p(N0 − 1) =

N0− 12∫

N0− 32

f∆nq(n) dn =

n−x− 12∫

n−1

f∆nq(n) dn =

1

2(1

2− x)2,

p(N0 + 1) =

N0+32∫

N0+12

f∆nq(n) dn =

n+1∫n−x+ 1

2

f∆nq(n) dn =

1

2(1

2+ x)2.

x x x− 1

21

2− 1

2

1

2− 1

2

1

2

¼ ¼ ¼

½ ½ ½

¾ ¾ ¾p N( )0 p N( 1)0− p N( 1)0+

Abbildung 8.15. Einzelwahrscheinlichkeiten der diskreten Zählergebnisse

Die diskreten Zählergebnisse treten mit der diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilung

pnq(n) =

1

2(1

2− x)2δ(n − (N0 − 1)) + (

3

4− x2)δ(n − N0) + · · ·

+1

2(1

2+ x)2δ(n − (N0 + 1))

auf. Damit lässt sich der Erwartungswert des quantisierten Zählergebnisses berech-nen:

Enq =

∞∑n=−∞

n · pnq(n) = N0 + x = n.

Page 317: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 313

Die Schätzung der Periode Tm(i) zwischen zwei Zahnflanken über die Auszählungmit der Zählperiode T0 ist erwartungstreu:

Enq · T0 = nT0 = Tm(i). (8.15)

Aus dem 2. Moment

En2q =

∞∑n=−∞

n2 · pnq(n)

= (N0 − 1)21

2(1

2− x)2 + N2

0 (3

4− x2) + (N0 + 1)2

1

2(1

2+ x)

= n2 +1

4

erhält man die Varianz des quantisierten Zählergebnisses

σ2nq

= En2q − Enq2 =

1

4. (8.16)

Die Ergebnisse sollen nun auf die Messung einer Winkelgeschwindigkeit ωm nachdem Periodendauerverfahren angewendet werden. Nach Gl.(8.9) gilt für den konti-nuierlichen Wert der Winkelgeschwindigkeit ωm(i) ohne Quantisierung

ωm(i) =ϕ0

Tm(i)=

ϕ0

n(i) · T0.

Der Schätzwert nach der Quantisierung lautet

ωm(i) =ϕ0

nq(i) · T0=

ϕ0

[n(i) + ∆nq(i)]T0.

Da die Zufallsgröße ∆nq(i) nichtlinear in den Schätzwert eingeht, muss ωm(i) zurBestimmung der Erwartungswerte in eine Taylorreihe um den kontinuierlichen Wertωm(i) entwickelt werden:

ωm(i) ≈ ωm(i)

(1 − ∆nq(i)

n(i)+

∆n2q(i)

n2(i)

).

Die Schätzung der Winkelgeschwindigkeit des Sensorrades ist aufgrund der nichtli-nearen Beziehung lediglich asymptotisch erwartungstreu (n → ∞). MitE∆nq = 0 ist der Erwartungswert der Schätzung

Eωm(i) = ωm(i)

(1 +

σ2nq

n2(i)

)= ωm(i)

(1 +

1

4n2(i)

). (8.17)

Mit wachsendem n geht der zweite Term gegen Null. Die Schätzfehlervarianz ist

Page 318: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

314 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

σ2ωm

= E(ωm − ωm)2 = ω2m

σ2nq

n2(i)

(1 − 2

E∆nqn

+σ2

nq

n2(i)

)

= ω2m

1

4n2(i)

(1 +

1

4n2(i)

). (8.18)

Die Schätzung ist konsistent:

limn→∞

σ2ωm

= 0.

8.2.7 Leistungsdichte des Quantisierungsfehlers

Im folgenden sollen die Zählergebnisse bei der Periodendauermessung zwischenzwei Zahnflanken in vielen aufeinanderfolgenden Intervallen betrachtet werden, d.h.

nq(i) =ϕ0

ωm(i) · T0︸ ︷︷ ︸n(i)

+∆n(i − 1) − ∆n(i).

Die einzelnen Quantisierungsfehler ∆n(i) in unterschiedlichen Intervallen i sindstatistisch unabhängig. Dann ist die Autokorrelation des einzelnen Quantisierungs-fehlers

R∆n∆n(k) = E∆n(i + k)∆n(i) = R(0)δ(k),

wobei R(0) gleich dem 2. Moment der gleichverteilten Wahrscheinlichkeitsdichtef∆n(n)

R(0) =

∞∫−∞

n2f∆n(n) dn =

1∫0

n2 dn =1

3

ist. Die resultierenden Quantisierungsfehler ∆nq(i) in aufeinander folgenden Inter-vallen sind dagegen statistisch voneinander abhängig. Ein einzelner Quantisierungs-fehler ∆n(i) verkürzt z.B. nicht nur das Intervall i, sondern verlängert in gleichemMaße das Intervall i+1. Die Autokorrelation des resultierenden Quantisierungsfeh-lers ist

R∆nq∆nq(k) = E∆nq(i + k)∆nq(i)

= E(∆n(i + k − 1) − ∆n(i + k))(∆n(i − 1) − ∆n(i))= E∆n(i + k − 1)∆n(i − 1) − E∆n(i + k − 1)∆n(i)− E∆n(i + k)∆n(i − 1) + E∆n(i + k)∆n(i)=

1

3[2δ(k) − δ(k − 1) − δ(k + 1)].

Page 319: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 315

Das Leistungsdichtespektrum ist die z-Transformierte der Autokorrelationsfolge

S∆nq∆nq(z) =

∞∑k=−∞

R∆nq∆nq(k) · z−k =

1

3(2 − z−1 − z).

Allgemein ist die Angabe der z-Transformierten bei der Periodendauermessungnicht möglich, da die Abtastung winkelsynchron erfolgt. Nimmt man aber an, dassdie Winkelgeschwindigkeit ωm(i) im Beobachtungszeitraum näherungsweise kon-stant sei, so erhält man ebenfalls konstante Abtastperioden für die ZählergebnisseTm(i). Dann kann die z-Transformierte und damit das Leistungsdichtespektrum desQuantisierungsfehlers angegeben werden.

Setzt man

Tm = nT0 =ϕ0

ωm=

Z · ωm=

1

Zfm

und wertet die z-Transformierte entlang des Einheitskreises aus

z = exp(j2πfTm) = exp

(j2πf

Z · ωm

),

so erhält man die Leistungsdichte zu

S∆nq∆nq(f) =

1

3

[2 − exp

(−j2πf

Z · ωm

)− exp

(j2πf

Z · ωm

)]=

4

3sin2

(πf

Zfm

). (8.19)

Das Nyquistband erstreckt sich über das Intervall

− 1

2Tm≤ f ≤ 1

2Tm,

−Zfm

2≤ f ≤ Z

fm

2,

das proportional zur Winkelgeschwindigkeit ωm der sich drehenden Welle ist. Jemehr Zähne Z das Sensorrad besitzt, desto breiter ist das Nyquistband und destohöherfrequent ist das Quantisierungsrauschen. Das Spektrum ist ähnlich wie beimSigma-Delta-Modulator (Abschn. 7.3.3) zu höheren Frequenzen hin verschoben(Abb. 8.16).

Im Bereich f = 0 kann das Quantisierungsrauschen wirkungsvoll herausgefil-tert werden, allerdings auf Kosten eines Informationsverlustes der höherfrequentenSpektralanteile von ωm.

Das Quantisierungsrauschen bleibt absolut unabhängig von der Zählperiode T0. Mithöheren Auszählfrequenzen f0 = 1/T0 steigt allerdings das absolute Zählergebnisn, so dass die relative Quantisierung abnimmt (vgl. Abschn. 8.2.3).

Page 320: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

316 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

f

0

S fn nq q( )

4/3

Nyquistband

-Zfm Zfm-Zfm2

fm2

Z

Abbildung 8.16. Leistungsdichtespektrum des Quantisierungsfehlers bei der Periodendau-ermessung für konstantes ωm(i)

8.2.8 Kompensation mechanischer Fehler des Sensorrades

Die Periode T wird durch Auszählung gemessen und dann durch Invertierung derWert

ω =ϕ0

Tm

bestimmt (Abb. 8.7). Die Abtastung erfolgt an den Flanken des Sensorrads, d.h.an festen Winkeln. Die Flanken des Sensorrades weisen in der Praxis mechanischeToleranzen ∆ϕ(i) auf, die sich durch die Ungenauigkeiten des mechanischen Her-stellungsprozesses ergeben (Abb. 8.17). Aufgrund der periodischen Wiederholungmit jeder Umdrehung des Sensorrades ist der Erwartungswert aller Winkelfehlerüber dem Umfang des Sensorrades gleich Null,

E∆ϕ(i) = 0, i = 1, . . . , Z.

Stochastische Zahnflankenfehler Zur weiteren Betrachtung sei zunächst ange-nommen, dass die mechanischen Winkelfehler ∆ϕ(i) der Zahnflanken zufällig undvoneinander statistisch unabhängig seien, d.h.

E ∆ϕ(i)∆ϕ(l) = σ2ϕδil, i, l = 1, . . . , Z.

Die Periode Tm wird über den fehlerhaften Winkel

ϕ(i) =2π

Z+ ∆ϕ(i + 1) − ∆ϕ(i)

ausgezählt. Der exakte Winkel ist durch den Winkel 2π für eine Umdrehung, geteiltdurch die Anzahl der Zähne Z gegeben. Der Erwartungswert des Winkels ist

∆ ∆

Page 321: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 317

ϕπ0 =2 /Zϕ(i)∆ϕ(i)

∆ϕ(i+1)

ω Abbildung 8.17. Winkelfehler durch mecha-nische Toleranzen der Zahnflanken

Eϕ(i) = E2π

z+ ∆ϕ(i + 1) − ∆ϕ(i)

=2π

Z+ E∆ϕ(i + 1) − E∆ϕ(i) =

Z

gerade gleich dem exakten Winkel ϕ0 zwischen den Zahnflanken. Die Kovarianzdes Winkels ist eine in der Zähnezahl Z periodische Funktion, entsprechend derperiodischen Wiederholung mit jeder Umdrehung des Sensorrades:

Cϕϕ(k) = E(ϕ(i + k) − 2π/Z)(ϕ(i) − 2π/Z).

Einsetzen der Winkel und Winkelfehler ergibt

Cϕϕ(k) = E[∆ϕ(i + 1 + k) − ∆ϕ(i + k)] · [∆ϕ(i + 1) − ∆ϕ(i)]=[E∆ϕ(i + 1)∆ϕ(i + 1 + k)︸ ︷︷ ︸

σ2ϕδ(k)

−E∆ϕ(i + 1)∆ϕ(i + k)︸ ︷︷ ︸σ2

ϕδ(k+1)

− E∆ϕ(i)∆ϕ(i + 1 + k)︸ ︷︷ ︸σ2

ϕδ(k−1)

+ E∆ϕ(i)∆ϕ(i + k)︸ ︷︷ ︸σ2

ϕδ(k)

]= σ2

ϕ (2δ(k) − δ(k + 1) − δ(k − 1)) .

Die Kovarianz ist daher nicht vom absoluten Winkelintervall i abhängig. Außerdemergibt sich eine statistische Abhängigkeit zwischen jeweils zwei benachbarten In-tervallen i. Der Flankenfehler ∆ϕ(i + 1) verlängert das Intervall ϕ(i) und verkürztgleichzeitig das Intervall ϕ(i + 1). Ebenso verkürzt der Flankenfehler ∆ϕ(i) dasIntervall ϕ(i) und verlängert das Intervall ϕ(i − 1).

Die z-Transformierte der periodischen Kovarianzfunktion Cϕϕ(k) ergibt ein diskre-tes Leistungsdichtespektrum

Sϕϕ(z) =

∞∑k=−∞

Cϕϕ(k)z−k.

Page 322: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

318 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

Einsetzen der Größen liefert

Sϕϕ(z) =

∞∑k=−∞

σ2ϕ[2δ(k) − δ(k + 1) − δ(k − 1)]z−k

= σ2ϕ(2 − z − z−1).

Da die Kovarianzfunktion Cϕϕ(k) eine periodische Funktion mit der Periodendauervon einer Zahnradumdrehung Z · Tm ist, ergibt sich ein diskretes Leistungsdichte-spektrum, das nur bei den diskreten Frequenzen f = i/(Z ·Tm) definiert ist. Wertetman die z-Transformierte mit z = ej2πfTm = ej2πi/Z entlang des Einheitskreisesaus, so erhält man das diskrete, periodische Leistungsdichtespektrum der Zahnfeh-ler (Abb. 8.18)

Sϕϕ(i) = 4σ2ϕ sin2(πi/Z). (8.20)

Die als stochastisch angenommenen Zahnflankenfehler können wie das Quantisie-rungsrauschen durch Mittelwertbildung aufeinander folgender Winkelgeschwindig-keiten ωm(i) heraus gefiltert werden. Allerdings führt dies zu einem Informations-verlust der höherfrequenten Spektralanteile von ωm.

i0 Z/2 Z-Z/2-Z

Abbildung 8.18. Leistungsdichtespektrum des stochastischen Zahnflankenfehlers bei Peri-odendauerauszählung

Schätzung der Zahnflankenfehler Die mechanischen Zahnflankenfehler verursa-chen bei genauer Betrachtung einen deterministischen Fehler ∆T (i) der gemesse-nen Periodendauer im i-ten Intervall. Die gemessene Periodendauer zwischen zweiZahnflanken ist

Tm(i) =2π

Zωm(i)+ ∆T (i) + e(i).

Sϕϕ(i)

4σ2ϕ

Page 323: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.2 Digitale Drehzahlmessung 319

Dabei ist i = 0, . . . , Z − 1 der Zählindex für die Zähne des Sensorrades. Alterna-tiv zur Mittelwertbildung sollen im folgenden die Zählergebnisse dadurch korrigiertwerden, dass in jedem Intervall zwischen zwei Zahnflanken eine Kompensation er-folgt. Die Zahnflankenfehler können durch den Ansatz

Tm(i) = ci · Tm(i), i = 0 . . . Z − 1, (8.21)

kompensiert werden. Jede Messzeit Tm(i) ist im i-ten Intervall durch den Zahn-flankenfehler ∆T (i) verfälscht, der durch einen konstanten Korrekturterm ci be-hoben wird. Zur Bestimmung der konstanten Korrekturfaktoren ci in den Interval-len i ist es notwendig, die wahre Winkelgeschwindigkeit ωm(i) zu kennen. Da derZahnflankenfehler über eine Umdrehung des Sensorrades mittelwertfrei ist, ist esmöglich, die wahre Winkelgeschwindigkeit ωm(i), bzw. die wahren Durchlaufzei-ten zwischen zwei Zahnflanken mit Hilfe eines gleitenden Mittelwerts Tm(i) übereine volle Umdrehung zu bestimmen. Die Voraussetzung hierfür ist, dass die Win-kelgeschwindigkeit über eine Umdrehung näherungsweise konstant ist:

ωm(i) ≈ const.

Die Laufzeit des akausalen Mittelwert-Filters ist symmetrisch über die vergangenehalbe und die zukünftige halbe Umdrehung des Sensorrades verteilt (Abb. 8.19):

Tm(i) =1

Z

i+ Z2 −1∑

j=i− Z2 +1

Tm(j) +1

2

[Tm(i − Z

2) + Tm(i +

Z

2)

], Z gerade,

Tm(i) =1

Z

i+ Z−12∑

j=i− Z−12

Tm(j), Z ungerade. (8.22)

Zahnindex

Zahnverschiebung j

T (i)m

0-1-2 1 2

i

Vergangenheit Zukunft

k-1

Mittelungsperiode (1 Umdrehung)

k-te Umdrehung k+1

~~ ~~

Abbildung 8.19. Akausale Mittelwertbildung zur Bestimmung der wahren DurchlaufzeitT m(i)

Page 324: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

320 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

Nun könnte man jedes ci mit Hilfe eines Quotienten aus gemessener Zeit Tm(i) undwahrer Zeit Tm(i) bestimmen. Wir betrachten die k-te volle Umdrehung. DurchMultiplikation mit dem Kompensationsfaktor ci wird der im i-ten Intervall gemes-senen Zeit Tm(kZ + i) der gleitende Mittelwert über eine Umdrehung Tm(kZ + i)zugeordnet,

Tm(kZ + i) = ci · Tm(kZ + i),

der frei von Zahnflankenfehlern ist. Für alle Intervalle i = 0, . . . , Z − 1 einer Um-drehung lautet die Beziehung⎡⎢⎢⎢⎣

Tm(kZ)Tm(kZ+1)

...Tm(kZ+Z−1)

⎤⎥⎥⎥⎦ =

⎡⎢⎢⎢⎣Tm(kZ) 0 0

0 Tm(kZ+1). . .

0 Tm(kZ+Z−1)

⎤⎥⎥⎥⎦⎡⎢⎢⎢⎣

c0

c1

...cZ−1

⎤⎥⎥⎥⎦ ,

T m(k) = Ψm(k) · c,

aus der die Faktoren ci geschlossen berechnet werden könnten. Den Messungen istallerdings noch ein Messfehler e(i) überlagert, z.B. aufgrund des Quantisierungs-rauschens . Erstreckt man die Messung über mehrere Umdrehungen k, so kann manmit einem Least-Squares Schätzer den Einfluss des Messfehlers e(i) bei der Bestim-mung der Korrekturfaktoren ci minimieren. Das Signalmodell für mehrere Umdre-hungen lautet

T =

⎡⎢⎢⎢⎣T m(1)

T m(2)...

T m(K)

⎤⎥⎥⎥⎦ =

⎡⎢⎢⎢⎣Ψm(1)Ψm(2)

...Ψm(K)

⎤⎥⎥⎥⎦ ·

⎡⎢⎢⎢⎣c0

c1

...cZ−1

⎤⎥⎥⎥⎦ = Ψc.

Der gesuchte Vektor der Kompensationsfaktoren ist die Pseudoinverse

c = (ΨT Ψ )−1ΨT · T .

ϕa

R

r( )ϕ

ω

M

M'

Abbildung 8.20. „Zahnflankenfehler“ durch ex-zentrische Lagerung des Sensorrades

Page 325: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.3 Kontinuierliche Frequenzmessung 321

Man erhält nun Z konstante Werte ci, die das Sensorrad „eineichen“. Später ist nurnoch jeder gemessene Wert Tm(i) mit dem entsprechenden konstanten Faktor ci zumultiplizieren, um die Fehler zu kompensieren. Abbildung 8.21 zeigt den Effektder Korrektur am Beispiel der Kurbelwellendrehzahl eines Motors.

In praktischen Anwendungen können mechanische Sensorfehler auch durch eine ex-zentrische Lagerung des Sensorrades verursacht werden (Abb. 8.20). Das Fehlerbildist ähnlich wie beim Zahnflankenfehler, aber abhängig von der aktuellen Drehzahldes Rades. Die Kompensation kann ebenfalls mit dem vorgestellten Least-Squares-Schätzer erfolgen. Bei aufeinander folgenden Schätzungen ergeben sich in Abhän-gigkeit der momentanen Raddrehzahl abweichende Kompensationsfaktoren ci.

26 26.2 26.4 26.6 26.8 27 27.2 27.4 27.6 27.8 286.6

6.65

6.7

6.75

6.8

6.85

x 10-4 Periodendauer zwischen zwei Zahnflanken (unkorrigiert)

sec

26 26.2 26.4 26.6 26.8 27 27.2 27.4 27.6 27.8 28

6.6

6.7

6.8

6.9x 10

-4

sec

Arbeitsspiel

Periodendauer zwischen zwei Zahnflanken (korrigiert)

Abbildung 8.21. Korrektur von mechanischen Zahnflankenfehlern durch Least-SquaresSchätzung

8.3 Kontinuierliche Frequenzmessung

Bisher wurde die digitale Erfassung von frequenzanalogen Signalen besprochen.Daneben gibt es auch kontinuierliche Methoden zur Frequenzmessung. Die vorge-stellten Verfahren basieren beide auf Regelkreisen, die es ermöglichen, eine Fre-

Page 326: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

322 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

quenz in eine proprotionale Spannung (Phasenregler) oder in einen quasikontinuier-lichen Zählerstand (Frequenzregler) umzusetzen.

8.3.1 Frequenzregelkreis

Die Frequenz als Folge von Impulsereignissen wird bei der Frequenzzählung nachAbschn. 8.2.2 über eine feste Periode Tref abschnittsweise gemittelt. Alternativdazu ist eine quasikontinuierliche Mittelung möglich. Verwendet man einen Vor-Rückwärtszähler als Integrator und den in Abschn. 7.4.2 vorgestellten Rate-Multi-plier als Frequenzgenerator, so erhält man mit dem Frequenzvergleicher

|∆f | = f = q,

sign(∆f) = f · q,einen digitalen Regelkreis (Abb. 8.22). Der Zählerstand des Vor-Rückwärtszählers

z(n) = T0

n∑j=−∞

∆f(j) =1

fmax

n∑j=−∞

[f(j) − q(j)]

summiert mit der Abtastrate fmax = 1/T0 die Differenz zwischen Eingangsfre-quenz f(n) und zurückgeführter Frequenz q(n). Letztere leitet sich wie folgt vomZählerstand ab.

q(n) = fmaxz(n)

zmax

Ti

f n( )

q n( )

z n( )Vergleicher

Frequenz-Generator

f n( )∆

Abbildung 8.22. Quasikontinuierliche Mittelung der Eingangsfrequenz

Die z-Transformierte des Zählerstandes ist

Z(z) =1

fmax

1

1 − z−1F (z) − 1

zmax

1

1 − z−1Z(z).

Setzt man die Zählerzeitkonstante Ti = zmaxT0 ein, so erhält man schließlich dieÜbertragungsfunktion des Regelkreises

Page 327: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.3 Kontinuierliche Frequenzmessung 323

G(z) =Z(z)

F (z)=

1/fmax

1 − z−1 + 1/zmax=

1/fmax

k − z−1mit k = 1 +

1

zmax.

Die Sprungantwort des Systems ist mit

f(n) = fmax · σ(n) −• F (z) = fmaxz

z − 1

gleich

Z(z) =z

z − 1· z

kz − 1=

z

k

[z

(z − 1)(z − 1/k)

].

Zur Rücktransformation benötigt man die Partialbruchzerlegung des Klammeraus-drucks. Damit erhält man

Z(z) =1

k − 1︸ ︷︷ ︸=zmax

z

z − 1− 1

k(k − 1)

z

z − 1/k

•|

z(n) = zmax[1 − k−(n+1)],

d.h. der Zählerstand z(n) schwingt exponentiell gegen den Maximalwert ein. Mitdem Übergang auf die kontinuierliche Zeit t = nT0 und der Näherung

ln(k) = ln(1 + 1/zmax) ≈ 1/zmax

kann man den kontinuierlichen Verlauf der Sprungantwort rekonstruieren:

z(t) ≈ zmax(1 − e−(t+T0)/Ti).

Der Frequenzregelkreis besitzt ein PT1-Verhalten und damit Tiefpasscharakter fürFrequenzen f > 1/Ti.

8.3.2 Phasenregelkreis

Der Phasenregelkreis setzt eine Eingangsfrequenz f(t) in eine proportionale Aus-gangsspannung u(t) um.

Abbildung 8.23 zeigt den Regelkreis. Die Eingangsfrequenz f(t) wird mit der zu-rückgeführten Frequenz q(t) verglichen, die über einen spannungsgesteuerten Os-zillator (VCO, Voltage Controlled Oscillator) aus der Ausgangsspannung u(t) er-zeugt wird. Der Vergleicher berechnet die Phasendifferenz ∆ϕ zwischen den beidenFrequenzen. Sein Ausgangssignal uv(t) ist eine Schaltfunktion, die gemittelt wird.Im stationären Zustand ist die Ausgangsspannung u(t) proportional zur Eingangs-frequenz f(t). Das dynamische Verhalten des Phasenregelkreises wird durch das

Page 328: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

324 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

Ti

VCO

f t( )

q t( )

u t( )

T T,1 2

Vergleicheru t( )v

Abbildung 8.23. Phasenregelkreis (PLL = Phase Lock Loop)

Übertragungsglied (hier PI-Regler) und den Vergleicher bestimmt. An dieser Stellesollen nur Vergleicher betrachtet werden, die den Phasenregelkreis aus jedem belie-bigen Anfangszustand in den korrekten stationären Zustand überführen. Man sagt,der Fangbereich des Regelkreises reiche von f = 0 bis ∞. Dies gilt nicht für Ver-gleichertypen, bei denen häufig nur ein eingeschränkter Fangbereich existiert. Derhier verwendete digitale Phasenvergleicher arbeitet ausschließlich mit Rechtecksi-gnalen (Abb. 8.24).

Bei einer Phasendifferenz der Eingangsfrequenz f(t) zur Rückführungsfrequenzq(t) von größer als ±π entstehen Mehrdeutigkeiten. Im Zweifelsfall wird um eineganze Periode versetzt eingeregelt. Der Vergleich der Phasenlage von beiden Signa-len bedeutet in der Nähe des Abgleichs eine implizite Integration dieser Signale.

Bei einer konstanten Frequenzdifferenz f(t) − q(t) = const steigt das mittlerePhasendifferenzsignal mit der Zeit an (Abb. 8.25). Im kontinuierlichen Fall gilt fürdie Phasendifferenz

∆ϕ(t) =

t∫0

∆ω(t) dt −• ∆Φ(s) =1

s∆Ω(s).

Mit der Normierung auf die Maximalwerte

ωmax

ϕmax= fmax =

1

Tmin

erhält man die Beziehung

∆Φ(s)

ϕmax=

1

sTmin

∆Ω(s)

ωmax=

1

sTmin

∆F (s)

fmax.

Der Phasenvergleicher ist ein Integrator mit der Zeitkonstante Tmin = 1/fmax. DieAusgangsspannung des Phasenvergleichers ist zwar ein pulsbreitenmoduliertes Sig-nal, aber wegen der nachfolgenden Mittelung wird näherungsweise mit einem kon-tinuierlichen Vergleichssignal gerechnet:

Page 329: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.3 Kontinuierliche Frequenzmessung 325

UP

DOWN

S

R

S

R

b.) q eilt f vor

a.) q eilt f nach

UP

UP

DOWN

DOWN

q

f

q

f

f

q

Fangbereich

f q− < ∞∞

&>1

&>1

&

Abbildung 8.24. Digitaler Phasenvergleicher, Phasenvergleichssignal bei konstanter Pha-sendifferenz

uv(t)

umax=

∆ϕ(t)

ϕmax.

Das PI-Glied stabilisiert den Phasenregelkreis. Die Übertragungsfunktion ist

U(s)

umax=

1 + sT1

sT2

Uv(s)

umax=

1 + sT1

s2T2Tmin

∆F (s)

fmax=

1 + sT1

s2T2Tmin

[F (s)

fmax− Q(s)

fmax

].

Page 330: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

326 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

∆ϕ∆ T

2∆T3

2∆T5

2

n = 1 n = 2 n = 3 n = 4

q t

f t

T f1=

∆T

q1

( )

( )

Abbildung 8.25. Phasenvergleichssignal bei konstanter Frequenzdifferenz

Das Verhalten des spannungsgesteuerten Oszillators (VCO) kann als verzögerungs-frei angenommen werden,

q(t)

fmax=

u(t)

umax.

Die Übertragungsfunktion des geschlossenen Phasenregelkreises ist damit

U(s)

F (s)=

umax

fmax· 1 + sT1

1 + sT1 + s2TminT2. (8.23)

Der Nenner der Übertragungsfunktion besitzt PT2-Verhalten. Das System istschwingfähig, Frequenzen oberhalb der Resonanzfrequenz

ωr =1√

TminT2

werden stark gedämpft. Sprungantwort und Amplitudengang des Phasenregelkrei-ses zeigt Abb. 8.26. Zur Dimensionierung wird die Dämpfung δ des PT2-Gliedseingeführt:

δ =1

2

T1√TminT2

=1

2T1ωr.

Nach Beispiel 4.8 erhält man mit δ = 1/√

2 ein günstiges Einschwingverhalten,woraus sich die Bedingung

T 21 = 2TminT2

ergibt (Durchgezogene Linie in Abb. 8.26). Als Beispiel für eine Dimensionierungwird die Integrationszeitkonstante T2 gleich der Periode der minimalen Eingangs-frequenz fmin gesetzt, d.h. fmin = 1/T2. Die Kreisfrequenz des Phasenregelkreisesist dann gleich dem geometrischen Mittel

Page 331: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.4 Positions- und Richtungserkennung 327

ωr =√

fmin · fmax

aus maximaler und minimaler Eingangsfrequenz. Die Schwingfrequenz des Ein-schwingvorgangs ist mit dieser Dimensionierung

1

T1=

ωr√2

=

√fmin · fmax√

2

und die Abklingzeitkonstante des Einschwingvorgangs ist gerade gleich der Zeit-konstanten.

0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 10

0.5

1

1.5

Spr

unga

ntw

ort h

(t)

Zeit t[sek]

100

101

102

103

−25

−20

−15

−10

−5

0

5

Am

plitu

deng

ang

|G(f

)| [d

B]

Frequenz [Hz]

Abbildung 8.26. Sprungantwort und Amplitudengang eines Phasenregelkeises für fmax =100Hz, fmin = 1/T2 = 1Hz und T1 = 1/

√2 sec (——) bzw. T1 = 1/(2 ·√2) sec (– – –)

8.4 Positions- und Richtungserkennung

8.4.1 Drehrichtungserkennung

In den Abschn. 8.2.1 und 8.2.2 wurden zwei Methoden vorgestellt, die es ermög-lichen, die Winkelgeschwindigkeit ω einer Welle mittels eines Sensorrades zu be-stimmen. Zusätzlich soll nun die Drehrichtung der Welle bestimmt werden. ZurErkennung der Drehrichtung wird der Aufbau in Abb. 8.27 betrachtet.

Page 332: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

328 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

S1

S2 ϕ

ϑ

ψ

ϕ∆

0

Abbildung 8.27. Einrichtung zur Dreh-richtungserkennung

Die beiden Sensoren S1 und S2 sind dabei so ausgerichtet, dass sie nicht gleichzeitigüber jedem Sensorzahn stehen, sondern der eine leicht versetzt dazu. Durch

ϕ0 =2π

Z

ist der Winkel zwischen zwei Zähnen gegeben, wobei Z die Anzahl der Zähne ist.Durch ψ wird der Winkel definiert, den das Rad während der Dauer eines Impulsesim Sensor zurücklegt (Zahnbreite). Nun gilt für den Winkelabstand zwischen S1und S2

ϑ = k · ϕ0 ± ∆ϕ mit 0 < ∆ϕ < ψ/2 und k ∈ IN.

Durch die Bedingung ∆ϕ < ψ/2 ist gewährleistet, dass sich die Impulse in den Sen-soren zeitlich überschneiden. In unserer Abbildung und in der weiteren Betrachtunggilt ϑ = ϕ0 − ∆ϕ mit ∆ϕ = ψ/2. Geht man von einer Rechtsdrehung aus, soergibt sich das Impulsdiagramm in Abb. 8.28 für die Sensorsignale. Die Impulseerscheinen bei einer Rechtsdrehung im Sensor S1 früher als im Sensor S2.

S1

S2

Abbildung 8.28. Sensorsignale bei einer Rechtsdrehung

Bei einer Linksdrehung ergibt sich ein entsprechendes Impulsdiagramm nachAbb. 8.29. Hier erscheinen die Impulse im Sensor S2 früher. So kann man aus derInformation, in welchem Sensor die Impulse früher erscheinen, mittels einer einfa-chen logischen Schaltung (Abb. 8.30) auf die Drehrichtung schließen.

Page 333: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

8.4 Positions- und Richtungserkennung 329

S1

S2

Abbildung 8.29. Sensorsignale bei einer Linksdrehung

Rechts

Links

S1

S2

S

R

Q

Q

>1&

&

Verzög.

Abbildung 8.30. Gatter zur Erkennung der Drehrichtung

Drehrichtungsänderungen während eines Impulses werden aber von dieser Schal-tung nicht erkannt. Hierzu benötigt man ein komplizierteres Netzwerk. Das Prinzipder Drehrichtungserkennung wird bei jeder Computermaus benutzt, um die Bewe-gungsrichtung zu bestimmen.

8.4.2 Positionsbestimmung mit Inkrementalgebern

In den vorherigen Kapiteln wird aus frequenzanalogen Signalen die Winkelge-schwindigkeit und die Drehrichtung bestimmt. Zusätzlich soll nun die absolute Po-sition einer Welle bestimmt werden. Dies ist z.B. bei der Bestimmung des Öffnungs-winkels der Drosselklappe in einem Automotor wichtig.

Eine Möglichkeit zur Positionsbestimmung ist die Verwendung eines Gray-Code-codierten Absolutwinkelgebers (Abb. 8.31). Der Aufwand ist jedoch durch die vie-len parallelen Spuren und Sensoren hoch. So benötigt man bei einer Auflösungvon 256 Schritten 8 Spuren und entsprechend 8 Sensoren. Gesucht ist deshalb eineMethode, bei der bereits aus wenigen Spuren die absolute Position bestimmt wer-den kann. Der einfachste Fall besteht darin, dass auf der Codescheibe neben derInkrementspur zusätzlich eine weitere Spur mit einer Indexmarke aufgebracht ist.Diese Marke definiert die Nullposition der Scheibe. Die Methode hat aber den ent-scheidenden Nachteil, dass sich die Welle im ungünstigsten Fall (z.B. Verzählen)um 360 drehen muss, bis der Detektor die Indexmarke erfasst, und damit die Null-position feststellt. Erst ab diesem Zeitpunkt kann die absolute Position nach einemFehler erneut bestimmt werden.

Die Nachteile der einfachen Scheibe mit 2 Spuren können mit einer „abstandsco-dierten“ Scheibe behoben werden. Dazu befinden sich weitere Indexmarken auf derzweiten Spur der Scheibe. Diese Markierungen unterteilen die Codespur in einzel-ne Segmente. Die Indexmarken werden so angeordnet, dass sich aus dem Abstanddazwischen die Segmentnummer und damit die absolute Position errechnen lässt.Die Marken 1 und 2 sind d Inkremente voneinander entfernt, die Marken 2 und 3(d + 1) Inkremente, die Marken 3 und 4 (d + 2) Inkremente und so weiter. Die Ab-stände zwischen den Indexmarken sind damit jeweils eindeutig einer bestimmten

Page 334: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

330 8. Erfassung frequenzanaloger Signale

Abbildung 8.31. Gray-Code-codierterAbsolutwinkelgeber

Position zugeordnet. Als Beispiel zeigt Abb. 8.32 den Aufbau einer abstandscodier-ten Scheibe mit d = 4 und insgesamt 72 Inkrementmarken. Nach spätestens 12Impulsen (entspricht 60) kann die absolute Position erkannt werden.

45

6

7

8

9

10

11

12Inkrementspur

Indexspur

Abbildung 8.32. Bei-spiel einer abstandsco-dierten Scheibe

Page 335: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Symbole

Die Auflistung der Symbole spiegelt die Verwendungsweise in diesem Buch wie-der. Dabei wurde die internationale Schreibweise beachtet. Es muss jedoch daraufhingewiesen werden, dass sich in anderen Büchern, Schriften, etc. die Schreibweiseunterscheiden kann.

C Kapazität, Kondensator

Cxx Autokovarianz

Cxy Kreuzkovarianz

e(t) Fehlersignal allgemein

eq(t) Quantisierungsfehler

Ex Energie des Signals x(t)

E Erwartungswertoperator

E(s), E(f) Fehlersignal im Frequenzbereich

f Frequenz

f mittlere Frequenz

fa Abtastfrequenz

f0 Zählfrequenz

feff Effektiv-Frequenz

fg Grenzfrequenz

fx(x) Wahlscheinlichkeitsdichte von x

Fx(x) Wahlscheinlichkeitsverteilung von x

Fr relativer Fehler

FrSS relativer Kennlinienfehler, bezogen auf Ausgangsspanne

FrES relativer Kennlinienfehler, bezogen auf Ausgangsbereich

FrS relativer Kennlinienfehler, bezogen auf Sollwert

FrE relativer Kennlinienfehler, bezogen auf Augangsendwert

Fr,Sup superponierender Fehler (additiv)

Fr,Def deformierender Fehler (multiplikativ)

G(s), G(f) Übertragungsfunktion

Page 336: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

332 Symbole

n Index der Abtastwerte, allgemeiner Zahlenindex

N allgemeiner Zahlenindex ∈ IN

n(t) stochastisches Signal, Rauschen

nq quantisiertes Zählergebnis

Px ≤ x Wahrscheinlichkeit, dass x ≤ x

pi Wahrscheinlichkeit, daß xi ≤ x ≤ xi+1

Px Leistung des Signals x(t)

q Quantisierungsstufe

Q Gütekriterium allgemein

R Widerstand

rT (t) Rechteckfenster der Breite T

Rq(f) Fouriertransformierte der gleichverteiltenWahrscheinlichkeitsdichte

rxy Korrelationskoeffizient

Rxx(τ) Autokorrelation

Rxy(τ) Kreuzkorrelation

RExy(τ) Korrelation für Energiesignale

S Empfindlichkeit (Sensitivity)

Si Empfindlichkeit, ideal, linear

S2x Stichprobenvarianz

Sxx(f) Energie- bzw. Leistungsdichtespektrum

See(f) Leistungsdichte eines allg. Fehlersignals

Snn(f) Leistungsdichte eines Rauschsignals

sxx(t) Energiedichte im Zeitbereich

t Zeit, Zeitpunkte

T Periodendauer

Ti Integrationszeitkonstante

Tm Periodendauer zwischen zwei Zahnflanken beiPeriodendauermessung

Tref Referenzperiode bei Frequenzmessung

u(t) Eingangssignal, Messgröße

uq(t) quantisiertes Signal

u0 Arbeitspunkt

ua Meßanfang

ue Meßende

uref Referenzspannung

Page 337: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Symbole 333

V Verstärkungsfaktor

x zeitlicher Mittelwert

x Stichprobenmittelwert, Schätzwert allgemein

x Zufallsvariable allgemein

y(t) Ausgangssignal, kontinuierliches Zeitsignal

y∗(t) abgetastetes Signal

yn, y(nT ) zeitdiskretes Signal

ya Ausgangs-Anfangswert

ye Ausgangs-Endwert

yi Sollwert, Augangswert

Y(t, ξ) Stochastischer Prozess

Y (f) Spektrum allgemein, Frequenzgang

Y∗(f) Spektrum eines zeitdiskreten Signals

z Störgrößenvektor

z0 feste Störgröße bei Normalbedingungen

Z Zählerstand, digitaler Zahlenwert

Z Anzahl der Zähne eines Zahnrades

α Signifikanzniveau, Irrtumswahrscheinlichkeit

δ(t) Dirac-Impuls

∆y Abweichung vom wahren Wert/Arbeitspunkt

∆ϕ Winkelfehler am Zahnrad

∆f Bandbreite eines Signals

Φ(f) charakteristische Funktion

ϕ Winkel allgemein

ϕ0 Winkelinkrement auf Sensorzahnrad

Ψ Beobachtungsmatrix des linearen Signalmodells

λ Ausfallrate, Übergangsrate

µ Mittelwert, Scharmittelwert

σ(t) Sprungfunktion

σ2x Varianz

τ Zeitverschiebung

ω Kreisfrequenz

ωm(t) kontinuierliche Winkelgeschwindigkeit

ϑ Frequenzverschiebung

XY (ϑ) spektrale Korrelation

Page 338: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

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Page 339: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

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Page 340: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Index

Abgleich, 37Abschirmung, 76Absolutdruckmesser, 68abstandscodierte Scheibe, 329Abtastfrequenz, 245, 246Abtasttheorem, 245Abtastung, 244– bei Drehzahlmessung, 309Addition unabhängiger Zufallsvariablen,

145Aliasing, 246Aliasing-Fehler, 247Alternativhypothese, 167Amplitudendichte, 259– Fourier-Reihe, 261– harmonische Schwingung, 260Amplitudengang, 88– konstanter, 100Analog-Digital-Umsetzer, 274– Integrierender, 274– nichtlineare Kennlinie, 287– Sigma-Delta, 277– sukzessive Approximation, 284– verzögert nachlaufender, 276Antialiasing-Filter, 247Anzeigebereich, 39Anzeigespanne, 39Approximation, 13Approximationsfehlerquadrate, 13, 18Ausfallrate, 176, 177Aussagewahrscheinlichkeit, 177Ausschussrate, 174Autokorrelationsfunktion, 194– einer PRBS-Folge, 225– von weißem Rauschen, 222Autokovarianzfunktion, 194Autoleistungsdichtespektrum, 220

Bandbreite, 297Bauelemente-Qualität, 176Bauelementestunden, 177

Beschleunigungssensor, 60Beschleunigungstreue, 99, 114Besselsche Ungleichung, 16Binärfolge– Pseudostochastische, 224binäre Impulsfolge, 277Bode-Diagramm, 88Brückenschaltung, 49

Charakteristische Funktion– quantisierter Signale, 264charakteristische Funktion, 145Chi2-Anpassungstest, 170Chi2-Verteilung, 157

Differenzmethode, 57Digital-Analog-Umsetzer, 288– parallele, 289– serielle, 291Digitale Filter, 280digitale Messdatenerfassung, 243Dither, 269dominante Pole, 122Dopplermessung, 216Drehrichtungserkennung, 327Drehzahlmessung, 301Druck-Messumformer, 64dual slope converter, 274

Effektivwert, 268Eichen, 38Eingangsgröße, 4Einheit, 1Empfindlichkeit, 39– ideale, 39– mittlere, 43Endwertsatz, 90Energiedichte– im Frequenzbereich, 205– im Zeitbereich, 204Energiedichtespektrum, 221, 228Energiesignale, 200, 228

Page 341: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

338 Index

– Innenprodukt, 201– Norm, 201Ergodizität, 196– schwache, 197Erwartungstreue, 147Erwartungswert, 140– quantisierter Signale, 266– Quantisierungsrauschen, 268Exzess, 151

Faltung mit Rechteckfenster, 251Fangbereich, 324Fehler– absoluter, 6– Aliasing, 247– dynamische, 85– Jitter, 252– Quantisierungs, 256– relativer, 6– systematische, 7– Winkel-, 316– zufällige, 7– zufällige, 135Fehlerfortpflanzung, 184Fehlerquadrate– Minimierung, 13Fehlerursachen, 7Filter– FIR, 281– moving average, 180, 251, 281– Optimal-, 19– Wiener-, 237Filter-Optimal, 237Fixpunktjustierung, 37Flächenabtastung, 311Flächenabtastung, 263Fourier-Reihe, 16Frequenz– effektiv, 297– effektive, 301– mittlere, 297Frequenzbegriff, 296Frequenzgang, 86Frequenzmessung, 321Frequenzregelkreis, 322Frequenzvergleicher, 322Frequenzzählung, 304– statischer Quantisierungsfehler, 305Funktionenraum, 201Funktionensysteme– orthonormale, 14

Gütemaß, 115

Gütemaß, 13, 52Gaußsche Fehlerfunktion, 163Gaußsches Fehlerfortpflanzungsgesetz, 184Gegenkopplung, 62, 126Geschwindigkeitstreue, 98, 113Gesetz der großen Zahlen, 151Gray-Code, 329

Häufigkeitsverteilung, 146Histogramm, 146Hurwitz-Kriterium, 92Hypothese, 167Hysterese, 41

Impulskorrelation, 204, 230Impulsreihe, 244Inkrementalgeber, 329Integration der Eingangsspannung, 250Interpolation, 13, 21– Kennfeld, 31– Lagrange, 21– Newton, 24– Spline, 27Irrtumswahrscheinlichkeit, 163, 167ITAE-Kriterium, 110

Jitter, 252Justierung, 37

Kennfeld-Interpolation, 31Kennlinie– ideale, 39Kennlinienfehler– relativer, 40Kennlinieninterpolation, 21Kompensation, 75– des Zeitverhaltens, 121– mechanischer Zahnflankenfehler, 316Konfidenzintervall, 162Konsistenz, 147Korrelation– Anwendung, 207– Eigenschaften, 206– eines ergodischen Prozesses, 197– für Energiesignale, 204– für Leistungssignale, 202– Impuls-, 204– Kurzzeit, 208– Maximum, 209– Messung, 207– Summensignal, 227Korrelationskoeffizient, 142, 209Kovarianz, 142– eines ergodischen Prozesses, 197

Page 342: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Index 339

Kreuzkorrelation– Differentiation, 214, 299Kreuzkorrelationsfunktion, 194– Abschätzung, 209Kreuzkovarianzfunktion, 195Kreuzleistungsdichtespektrum, 220

Laufzeitmessung, 209Leistung, 203, 220Leistungsdichtespektrum, 219– Eigenschaften, 221– in LTI-Systemen, 227, 229– von weißem Rauschen, 222Leistungssignale, 200– Innenprodukt, 201– Norm, 201LS-Schätzer, 320LS-Schätzer, 18, 182

MA-Filter, 180, 251, 281Messanfang, 39Messbereich, 39– günstigster, 51– herabsetzen, 46Messende, 39Messkennlinie– Krümmung, 58– stationäre, 4Messspanne, 39Messunsicherheit– Einzelmessung, 167– Stichprobenmittelwert, 165Mittelwert, 140– Chi2-Verteilung, 160– gleitender, 180, 250Mittelwertbildung, 153– bei AD–Wandlung, 276– bei Drehzahlmessung, 306– bei endlicher Abtastdauer, 249Moment– der Impulsantwort, 96– einer Zufallsvariablen, 140– eines ergodischen Prozesses, 197– eines stochastischen Prozesses, 193– gemeinsames, 141– zentrales, 140Musterfunktion, 190

Nickel-Thermometer, 51Noise Shaping, 277, 279Normalbedingungen, 37, 45Normalverteilung, 155– Standard, 156– Transformation, 156

Nullhypothese, 167Nullpunktfehler, 38Nyquistband, 247

Offsetfehler, 38Optimalfilter, 19, 237Oszillographendämpfung, 103, 114Oversampling, 279

P-Regler, 126, 131Parameteroptimierung, 91, 94Parsevalsche Beziehung, 205Periodendauermessung, 302– Quantisierungsrauschen, 310– statischer Quantisierungsfehler, 304Periodogramm, 232Phase Lock Loop, 323Phasengang, 88Phasenregelkreis, 323Phasenvergleicher, 324PI-Regler, 130, 132Polaritätskorrelator, 215Polynomansatz, 21, 22Polynome– Lagrange, 23– Newton, 24– Spline, 28Positionsbestimmung, 329Prozessbrauchbarkeitsindex, 174Prozessfähigkeitsindex, 173Pseudoinverse, 19PT1-Verhalten, 89PT2-Verhalten, 89

Quadratisches Fehlerintegral, 115Quantisierung, 256Quantisierungsfehler, 256– Gleichverteilung, 259, 267– Leistungsdichte bei Periodendauermes-

sung, 314Quantisierungsmodell, 268Quantisierungsrauschen, 259Quantisierungstheorem, 262, 265

Rückwirkung, 81Raffungsfaktor, 179Randdichte, 138Rate-Multiplier, 291Ratiometrische Messung, 286Rauschen, 190, 222– farbig, 223, 230– Gaußsches, 223– weiß, 222Rauschunterdrückung, 239

Page 343: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

340 Index

Realteil des Frequenzganges, 104Regressionsgerade, 20Regressionsrechnung, 19Rekonstruktion, 235, 245, 265

Schätzung, 313– der Korrelation, 208– der Leistungsdichte, 232– der Zahnflankenfehler, 318Schätzung, 147– erwartungstreue, 147– konsistente, 147Scharmittelwert, 192Schiefe, 151Schwarzsche Ungleichung, 143, 202Schwerpunkt, 140Sensitivity, 39SI-System, 2Sigma-Delta-Modulator, 277Sigma-Delta-Wandler, 277Signal-Störabstand– Aliasing, 248, 249– Jitter, 255– Quantisierung, 268– Sigma-Delta-Modulator, 279Signale– Ähnlichkeit von, 209– amplitudenanalog, 243, 295– Distanz, 209– Energie-, 200– frequenzanalog, 295– harmonische, 295– impulsförmige, 296– Leistung, 203, 220– Leistungs-, 200– Rekonstruktion, 236– stochastische, 296Signalenergie, 204Signalklassen, 199Signalmodell, 19, 182Signifikanzniveau, 167Signifikanztest, 168spektralen Überlappungen, 246Spektrum– Ähnlichkeit, 216– Distanz, 216Spezifikation, 8Spline– Interpolation, 27– kubische, 28Sprungantwort– Kennwerte, 85Störgröße, 4

Störgrößen– deformierende, 69– in Messketten, 76– superponierende, 66Störgrößenvektor, 45Stabilität, 92Stabilitätskriterium, 92– Hurwitz, 92Standardabweichung, 149Stationarität– schwache, 196– verbundene, 195Statistik, 162Statistische Prozess-Überwachung, 180Statistische Sicherheit, 162Statistische Unabhängigkeit– eines stochastischen Prozesses, 192Statistische Unabhängigkeit, 138Stichprobe, 146Stichprobenmittelwert, 147Stichprobenvarianz, 149Stochastischer Prozess, 189– ergodisch, 196– stationär, 195Strukturänderung, 92, 121Student-t-Verteilung, 161Systemidentifikation, 231Systemparameter, 90

t-Verteilung, 161, 165Taylor-Reihe, 31, 44Testverfahren, 167– Anpassungstest, 170– Signifikanztest, 168Theorem von Bayes, 138Toleranzbandjustierung, 38Transformation von Wiener und Khintchine,

220Tschebyscheffsche Ungleichung, 152

Uebertragungsfunktion, 89– ideale, 91Umkehrspanne, 41Ungleichung– Besselsche, 16– Schwarzsche, 143, 202– Tschebyscheffsche, 152Unkorreliertheit, 142– stochastischer Prozesse, 195Urmeter, 2

Vandermonde-Matrix, 22Varianz, 141– Chi2-Verteilung, 160

Page 344: Messtechnik: Systemtheorie für Elektrotechniker

Index 341

– quantisierter Signale, 266– Quantisierungsrauschen, 268Vertrauensintervall, 163Voltage Controlled Oscillator, 323

Wahrscheinlichkeitsdichte, 137– bedingte, 139– diskretes Zählergebnis, 311– eines stochastischen Prozesses, 191– gemeinsame, 137– quantisierter Größen, 263– Quantisierungsfehler, 267Wahrscheinlichkeitstheorie, 136Wahrscheinlichkeitsverteilung, 136– eines stochastischen Prozesses, 191– gemeinsame, 137Walsh-Funktion, 17

Wegmessung mit DMS, 47Widerstandsthermometer, 49Wiener-Filter, 237Wienerfilter– akausal, 240– kausal, 241Winkelfehler, 316winkelsysnchron, 303

Zeitliche Abtastfehler, 252Zeitmittelwert, 192zeitsynchron, 304Zentraler Grenzwertsatz, 157, 261Zerhackerverstärker, 78Zufallsereignis, 189Zufallsvariable, 136, 189