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Metallische Ad hasion unter trockener Rei bung R. Woska und J. Barbehon Das Studium der zahlreichen Theorien uber die Entstehung und Wir- kung der metallischen Adhasion zeigt, da!3 der adhasive Reibungs- und VerschleiBmechanismus im wesentlichen ein physikalisch-chemi- sches Problem darstellt. Die metallische Adhasion ist als das Ergebnis des Zusammenspiels aller thermischen, elektrischen und durch Sorp- tionsvorgange bedingte Wechselwirkungen zwischen den GrenzflCche- natomen zweier gepaarter Metalloberflachen aufzufassen. Die fur den allgemeinen Maschinenbau relevanten mechanischen Werkstoffeigen- schaften, sowie die aufgebrachten Belastungen, stellen lediglich zusatzliche EinflUfipdrdmeter dar, rnit deren Kenntnis allein sich das Adhasionsverhalten nicht diskutieren IaBt. Metal-Metal Adhesion under Dry Sliding Friction Studies of various theories of formation and operation of metallic adhesion show, that adhesive friction- and wear-mechanism essentially is a physical-chemical problem. Metallic adhesion is to be regarded as a result of interplay of all thermic, electric and oxide interactions between atoms of interface of two joined metal surfaces. Those for the general mechanical engineering relevant mechanical metal properties as well as the applied load are to be looked at only as additional parameter of influence. They cannot exclusively take the measure- ment of adhesive reaction. 1 Einleitung Neben den Mechanismen des abrasiven, des Schicht- und ErrniidungsverschleiBes kommt der rnetallischen Adhasion bei der VerschleiBentstehung eine maljgebliche Bedeutung zu. In vielen Bereichen der Technik mehr und mehr gefiirchtet, stellt sie gleichzeitig den am wenigsten erforschten VerschleiB- mechanismus dar. Mit diesem Bericht wird der Versuch unter- nommen, durch die Diskussion der aus dem Schrifttum bekannt gewordenen Theorien zur Entstehung adhasiver Bin- dungen und deren Wirkung auf Reibung und VerschleiB, ein geordnetes Gesamtbild uber Adhasionsvorgange und deren EinfluBgroljen zu erstellen. 2 Adhasion als Verschleinursache Metallische Adhasion ist &as Ergebnis der Wechselwirkun- gen zwischen freien Grenzflachenkraften, wenn man zwei metallische Korper miteinander in Kontakt bringt. Diese Krafte sind in ihrem Ursprung freie Kohasionskrafte, da sie, ausgehend von den Grenzflachenatomen nicht in alle Richtun- gen kohasiv bindend wirken konnen und somit teilweise frei in den Raum ragen [l]. Dort finden sie Absattigung durch chemi- sche Reaktion mit den Gasen der Umgebung, unter Normal- atmosphare vornehmlich rnit Luftsauerstoff. Die dadurch ent- stehenden Oxydschichten wirken, in ihrer Funktion als natiir- liche Schmierfilrne, adhasionshemmend [2]. Kommt es wahrend des Reibungsvorganges aufgrund von Normal- und Schubbeanspruchungen zur Zerstorung dieser Oxydschichten, so kann es zwischen den Reibpartnern zu metallischer Beriihrung kommen. Dann stellen jene freien Kohasionskrafte feste adhasive Bindungen her, deren Festig- keit die Trennfestigkeit der beteiligten Metalle iiberschreiten kann. In diesem Fall erfolgt eine Verlagerung der Scherebene in den Grundwerkstoff des weniger festen Partners, rasche Oberflachenaufrauhung , weitere Adhasion und VerschleiB sind die Folge [3]. Darnit ist die Starke und Wirkung der Adhasion zum einen davon abhangig, wie groB der Anteil der metallischen Beriih- rungsflache an der gesamten Kontaktflache wird und zurn anderen, wie stark die dort wirkenden adhasiven Bindungs- krafte sind 141. 3 Grundmechanismen der metallischen Adhasion 3.1 Entstehung und Wirkung adhasiver Bindungskrafte 3.1.1 Elektrostatische Krafte Grundsatzlich lassen sich zwei Arten von Bindungskraften unterscheiden: chemische und elektrostatische Wechselwir- kungskriifte. Letztere treten hauptsachfich in Form der van der Waalsschen Krafte in jedem Metallverband auf, da fur einen kurzen Zeitpunkt der positive und negative Ladungs- schwerpunkt eines Atoms nicht in einem Punkt vereint sind [5]. Dies fiihrt zu Ladungsschwankungen im Atom und die Wechselwirkungen zwischen zwei oder mehreren Atomen zu Polarisationserscheinungen, die die eigentliche Ursache fur das Auftreten van der Waalsscher Krafte bilden [6]. Messungen an gespaltenen Glimmerstreifen haben ergeben, daB die van der Waalsschen Kraftwirkungen in unmittelbarer Nahe der Oberflache extrem grolj sind (100 Nimm' bei 10 a Abstand), jedoch mit wachsender Entfernung sehr rasch auf vernachlassigbar kleine Werte abfallen (10" Nimm' bei 1000 A Abstand) [5]. KaltpreBschweiBversuche [7] haben gezeigt, daB sich sehr feste Adhasionsverbindungen auch bei solchen Metallpaarungen erzeugen lassen, die keinerlei chemi- sche Affinitat zueinander besitzen. Unter Versuchsbedingun- gen, bei denen sich fiir beide Metalle die gleiche Oberflachen- vergroserung und damit die niitige Annaherung fur die Wir- kung der vun der Waukschen Kraftc errcichen lafit, gelingt es beispielsweise Stahl rnit Aluminium, Aluminium rnit Blci und sogar Stahl rnit Blei kalt zu verschweiaen. Bei technischen Reibvorgangen ist irn allgemeinen eine chemische Affinitat zwischen den Reibpartnern vorhrinden und die van der Waals- schen Krafte treten gegeniiber den wesentlich starkeren che- 348 0049-8688/82/1010-0348$02.50/0 Z. Werkstofftech. 13, 348-355 (1982) 8 Verlag Chemie GmbH, D-6940 Weinheim, 1982

Metallische Adhäsion unter trockener Reibung

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Page 1: Metallische Adhäsion unter trockener Reibung

Metallische Ad hasion unter trockener Rei bung R. Woska und J. Barbehon

Das Studium der zahlreichen Theorien uber die Entstehung und Wir- kung der metallischen Adhasion zeigt, da!3 der adhasive Reibungs- und VerschleiBmechanismus im wesentlichen ein physikalisch-chemi- sches Problem darstellt. Die metallische Adhasion ist als das Ergebnis des Zusammenspiels aller thermischen, elektrischen und durch Sorp- tionsvorgange bedingte Wechselwirkungen zwischen den GrenzflCche- natomen zweier gepaarter Metalloberflachen aufzufassen. Die fur den allgemeinen Maschinenbau relevanten mechanischen Werkstoffeigen- schaften, sowie die aufgebrachten Belastungen, stellen lediglich zusatzliche EinflUfipdrdmeter dar, rnit deren Kenntnis allein sich das Adhasionsverhalten nicht diskutieren IaBt.

Metal-Metal Adhesion under Dry Sliding Friction

Studies of various theories of formation and operation of metallic adhesion show, that adhesive friction- and wear-mechanism essentially is a physical-chemical problem. Metallic adhesion is to be regarded as a result of interplay of all thermic, electric and oxide interactions between atoms of interface of two joined metal surfaces. Those for the general mechanical engineering relevant mechanical metal properties as well as the applied load are to be looked at only as additional parameter of influence. They cannot exclusively take the measure- ment of adhesive reaction.

1 Einleitung

Neben den Mechanismen des abrasiven, des Schicht- und ErrniidungsverschleiBes kommt der rnetallischen Adhasion bei der VerschleiBentstehung eine maljgebliche Bedeutung zu. In vielen Bereichen der Technik mehr und mehr gefiirchtet, stellt sie gleichzeitig den am wenigsten erforschten VerschleiB- mechanismus dar. Mit diesem Bericht wird der Versuch unter- nommen, durch die Diskussion der aus dem Schrifttum bekannt gewordenen Theorien zur Entstehung adhasiver Bin- dungen und deren Wirkung auf Reibung und VerschleiB, ein geordnetes Gesamtbild uber Adhasionsvorgange und deren EinfluBgroljen zu erstellen.

2 Adhasion als Verschleinursache

Metallische Adhasion ist &as Ergebnis der Wechselwirkun- gen zwischen freien Grenzflachenkraften, wenn man zwei metallische Korper miteinander in Kontakt bringt. Diese Krafte sind in ihrem Ursprung freie Kohasionskrafte, da sie, ausgehend von den Grenzflachenatomen nicht in alle Richtun- gen kohasiv bindend wirken konnen und somit teilweise frei in den Raum ragen [l]. Dort finden sie Absattigung durch chemi- sche Reaktion mit den Gasen der Umgebung, unter Normal- atmosphare vornehmlich rnit Luftsauerstoff. Die dadurch ent- stehenden Oxydschichten wirken, in ihrer Funktion als natiir- liche Schmierfilrne, adhasionshemmend [2].

Kommt es wahrend des Reibungsvorganges aufgrund von Normal- und Schubbeanspruchungen zur Zerstorung dieser Oxydschichten, so kann es zwischen den Reibpartnern zu metallischer Beriihrung kommen. Dann stellen jene freien Kohasionskrafte feste adhasive Bindungen her, deren Festig- keit die Trennfestigkeit der beteiligten Metalle iiberschreiten kann. In diesem Fall erfolgt eine Verlagerung der Scherebene in den Grundwerkstoff des weniger festen Partners, rasche Oberflachenaufrauhung , weitere Adhasion und VerschleiB sind die Folge [3].

Darnit ist die Starke und Wirkung der Adhasion zum einen davon abhangig, wie groB der Anteil der metallischen Beriih- rungsflache an der gesamten Kontaktflache wird und zurn

anderen, wie stark die dort wirkenden adhasiven Bindungs- krafte sind 141.

3 Grundmechanismen der metallischen Adhasion

3.1 Entstehung und Wirkung adhasiver Bindungskrafte

3.1.1 Elektrostatische Krafte

Grundsatzlich lassen sich zwei Arten von Bindungskraften unterscheiden: chemische und elektrostatische Wechselwir- kungskriifte. Letztere treten hauptsachfich in Form der van der Waalsschen Krafte in jedem Metallverband auf, da fur einen kurzen Zeitpunkt der positive und negative Ladungs- schwerpunkt eines Atoms nicht in einem Punkt vereint sind [5]. Dies fiihrt zu Ladungsschwankungen im Atom und die Wechselwirkungen zwischen zwei oder mehreren Atomen zu Polarisationserscheinungen, die die eigentliche Ursache fur das Auftreten van der Waalsscher Krafte bilden [ 6 ] .

Messungen an gespaltenen Glimmerstreifen haben ergeben, daB die van der Waalsschen Kraftwirkungen in unmittelbarer Nahe der Oberflache extrem grolj sind (100 Nimm' bei 10 a Abstand), jedoch mit wachsender Entfernung sehr rasch auf vernachlassigbar kleine Werte abfallen (10" Nimm' bei 1000 A Abstand) [5]. KaltpreBschweiBversuche [7] haben gezeigt, daB sich sehr feste Adhasionsverbindungen auch bei solchen Metallpaarungen erzeugen lassen, die keinerlei chemi- sche Affinitat zueinander besitzen. Unter Versuchsbedingun- gen, bei denen sich fiir beide Metalle die gleiche Oberflachen- vergroserung und damit die niitige Annaherung fur die Wir- kung der vun der Waukschen Kraftc errcichen lafit, gelingt es beispielsweise Stahl rnit Aluminium, Aluminium rnit Blci und sogar Stahl rnit Blei kalt zu verschweiaen. Bei technischen Reibvorgangen ist irn allgemeinen eine chemische Affinitat zwischen den Reibpartnern vorhrinden und die van der Waals- schen Krafte treten gegeniiber den wesentlich starkeren che-

348 0049-8688/82/1010-0348$02.50/0 Z. Werkstofftech. 13, 348-355 (1982) 8 Verlag Chemie GmbH, D-6940 Weinheim, 1982

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mischen Bindungskraften in ihrem EinfluB auf die Adhasion zuruck (81.

3.1.2 Chemische Bindungen

Eine recht genaue Analyse chemischer Wechselwirkungs- vorgange 1aBt sich bei der Reibung im elastischen Bereich erstellen, dort wird die reine Adhasion nicht von zusatzlichen Grenzflachenreaktionen uberlagert. Fur die Entstehung che- mischer Adhasionsverbindungen zeichnen sich die freien Valenzelektronen der Metallatome in den Oberflachengrenz- schichten verantwortlich [9]. Sie besitzen gegenuber den Valenzelektronen im Grundwerkstoff mehr Energie und hijhere Fliichtigkeit. Daraus resultiert eine negative Ladungs- wolke in der Grenzflache. deren Intensitat erst auBerhalb des

Niveau (Elektronendonator) freie Zustande innerhalb des Atomverbandes anbieten kann. Die hochsten Reibungskoeffi- zienten konnten bei den Paarungen der Metdlle Ag, Au, Zn, Sn, Pd und Cu mit Cr gemessen werden [ll] (Abb. 2). Die innere d-Schale des Chromatoms (Abb. 3) ist mit funf Elek- tronen gerade halb besetzt, so daR die Valenzelektronen der Partnermetalle in die freien Zustande der Chromatome hin- eingetrieben werden. Die geringe Adhasion zwischen Cr und Ni ruhrt daher, daD beide Metalle im Periodensystem eng benachbart und somit die Fermi-Niveaus annahernd gleich sind. Geringe Adhasion zeigen auch die Paarungen von Cu, Ag und Au untereinander. Zwar liegen die Fermi-Niveaus weit genug auseinander, die Elektronenstruktur der drei Metalle sind jedoch sehr ahnlich (volle innere d-Schalen, jeweils ein s-Valenzelektron) und lassen einen Niveauaus- eleich auferund fehlender freier Zustande nicht zu. " v

metallischen Korpers auf null zuruckgeht [lo]. Bringt man nun zwei Metalloberflachen in Kontakt, so konnen diese Valenz- elektronen in der Kontaktflache quasi-lokalisiert werden und es entstehen chemische Bindungen kovalenter Natur.

Bei der Errnittlung von Reibungskoeffizienten im elasti- schen Bereich stellte Czichos [ 111 fur gleiche Metallpaarungen fest, da13 die Adhasionsneigung der Ubergangsmetalle Cr, Fe,

Zn und Sn (Abb. I ) . Das ist offensichtlich darauf zuruckzu-

3.5-

Ni und Pd deutlich geringer ist als die der B-Gruppen Metalle

fiihren, daD die Ubergangsmetalle neben der metallischen Ts Bindung zusatzlich einen hohen Anteil an kovalenten Bindun- ; gen besitzen, was gleichzusetzen ist rnit einer hoheren Koha- sion im Metallinnern. Daher steht den Valenzelektronen der Ubergangsmetalle gegeniiber denen der B-Gruppen Metalle weniger freie Bindungsenergie zur Verfugung.

wenn die Fermi-Niveaus beider Metalle genugend weit ausein-

gleich unterschiedlicher Fermi-Niveaus in Form von Elektro- nenubergangen kann aber nur d a m erfolgen, wenn das Metall mit dem niedrigeren Fermi-Niveau (ElektronenakzeDtor) den

t

Hohe Adhasion zwischen ungleichen Metallen tritt auf,

ander liegen, so daB sich bei Beruhrung der beiden Oberfla- chen das Bestreben nach Niveauausgleich einstellt. Ein Aus- 0 , I I

I cu I L!!

I I / , C r J Ni Pd 1 Ag 1 ~-

Valenzelektron& des Partners mit dem hohere; Fermi-

12,

C

1 1

lie

Abb. 1. Reibwerte gleicher Metallpaarungen und Stellung der Metalle im Periodensystem [ll]. Fig. 1. Friction coefficients for different metals to themselves and their position in the periodic system.

Abb. 2. Gruppierung der Reibwerte ungleicher Partner nach GrCiBe und Stellung im Periodensystem [HI. Fig. 2. Friction coefficients for dissimilar metalcombinations in order of their size and the position of the metals in the periodic system.

freie Elektrww@Lbke I

Abb. 3. Elektronenkonfiguration und freie Zustande des Chrom- atoms [12]. Fig. 3. Electronic configuration and electron shall deficiency of the chromium atom model.

2. Werkstofftech. 13, 348-355 (1982) Metallische Adhasion 349

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3.2 Grenzflachenreaktionen

Beim technischen Reibungsvorgang im teilplastischen Bereich finden zwangslaufig zusatzliche Grenzflachenreaktio- nen statt, deren EinfluR auf die Adhasion wesentlich zu sein scheint, da sich die Versuchsergebnisse anderer Forscher. sofern ein Vergleich uberhaupt zulassig ist, mil Czichos' Elek- tronentheorie nicht deuten lassen. Solche, die Adhasion beeinfluBende Grenzflachenreaktionen sind im wesentlichen Sorptionsvorgange, elektrische und thermische Vorgange [12].

3.2.1 Sorptionsvorgange

Bei der Sorption mu13 man zwischen schichtbildenden und nichtschichtbildenden Vorgangen unterscheiden. Auf einer jungfraulichen Metalloberflache bilden sich sehr schnell mehr oder weniger dichte Oxydschichten aus [13], die adhasions- hemmend und reibungsmindernd wirken, sofern das Verhalt- nis Oxydharte zu Grundwerkstoffhirte den Wert drei nicht uberschreitet [14]. Wenn das Oxyd auf einem weichen Metal1 eine sehr harte Schicht bildet, dies ist bei Al, Sn und Pb der Fall, so ist das Verhalten analog demjenigen einer Eisschicht auf nasser weicher Erde. Das geringste Gewicht wird das Sub- strat so deformieren, daf3 die Oberflache durchbrochen wird

Von groBer Bedeutung sind nichtschichtbildende Sorptions- vorgange schon deshalb, weil sie gerade wahrend des Reibvor- ganges zurn Tragen kommen. Hierbei werden Gase aus der Umgebung nicht nur molekular an der Oberflache gebunden, sondern durch Tribodiffusion auch atomar im Gitter gelost [16]. Gasatorne, die in den DurchstoBpunkten von Versetzun- gen angelagert sind, blockieren die Gleitbewegungen und bewirken dadurch eine Verfestigung der Werkstoffoberfllche. Hierdurch wird die Plastizitat an den lokalen Kontaktstellen herabgesetzt und damit die SchweiBung behindert [ 171.

Fur den Fall, da13 auch Wasserstoff atomar in der Kontakt- flache auftritt, ist ein weiterer adhasionsfordernder Mechanis- mus denkbar, der der Wasserstoffbruckenbindung [XI . Hierbei fungiert das H-Atom als Bruckenbildungsatom. Die Bin- dungsenergie der so entstehenden Wasserstoffbrucken liegt hoher als die der van der Waals'schen Krafte.

~ 5 1 .

3.2.2 Elektrische Vorgange

Elektrische Vorgange finden aufgrund der Existenz ver- schiedener Kontaktpotentiale statt [ 181. Allein durch Beruh- rung kommt es zur entgegengesetzten Aufladung beider Ober- flachen. Durch den Ladungsubergang wird eine Dipolschicht erzeugt, welche bei Trennung der beiden Oberflachen ausein- andergerissen wird, so daB diese aufgeladen zuriickbleiben. Die Arbeit, die zur Trennung der Dipolschicht geleistet wer- den mu13, kann durch Ruckentladungsprozesse wieder frei werden. Durch die Riickentladung kommt es zur Entstehung energiereicher Elektronen, zur Anregung und Ionisation von Gas- und Festkorperatomen und zu einer Erwarmung der Oberflachen.

Zu den elektrischen Vorgingen mu13 man auch die Folgen der Emission von Exo-Elektronen zahlen. Emission findet statt, wenn man den Elektronen Energie zufiihrt, die deren Austrittsarbeit iiberschreitet. Allgemein herrscht die Auffas- sung vor, dalJ dazu schon die beim Sorptionsprozea freiwer- dende Adsorptionswarme ausreicht. Wahrend der Sorption

treten jedoch zwei entgegengesetzt wirkende Erscheinungen auf. Einmal wird die Emission von Elektronen durch die Sorp- tion erst moglich, zugleich aber uben die Sorptionsschichten selbst eine starke Bremswirkung auf die Elektronenemission aus. Versuche von Brockmann [19] zeigen, daB eine Aufkla- rung dieser Zusarnmenhange bislang nicht mbglich ist. Unter gleitender Reibung ist damit nicht mehr die Ferrni Differenz der entscheidende Parameter fur die Adhasionsneigung einer Reibpaarung, vielrnehr stellen sich aufgrund vielfaltiger elek- trischer Vorgange andere, reale Potentialverhaltnisse ein, uber deren Ursprung, Starke und Wirkung auf die Adhision bis heute kaum Erkenntnisse vorliegen.

3.2.3 Thermische Vorgiinge

Beim Reibungsvorgang wird Reibenergie in Warme umge- setzt. Unter der Voraussetzung idealgeometrischer Obeffla- chen erfolgt die Energieumsetzung iiber die gesainte geometri- sche Bedeckungsflache, die Temperaturerhohung in der Kon- taktflache bleibt uberschaubar klein (Abb. 4 ) . Da sich die Beruhrungsflache besonders zu Beginn des Reibungsvorgan- ges jedoch auf wenige Kontaktpunkte beschrankt, mu8 dort von einer sehr hohen Reibenergiedichte ausgegangen werden [20]. Die Folgen sind das Auftreten hoher Temperaturspitzen, sog. hot spots, deren Existenz durch cine Untersuchung bekraftigt wird, bei der im Falle bestimmter Belastungen Reibmartensit an den Oberflachen der Reibpartner C 4SiC 45 nachgewiesen werden konnte [21]. Zur Bildung des martensi- tischen tiefiiges waren in dem vorliegenden Falle Temperatu- ren von rund 800 "C erforderlich, wegen der sehr kurzen Zeit- einwirkung mu13 aber von noch vie1 hoheren Temperaturen ausgegangen werden. Die erforderliche Abschreckgeschwin- digkeit wird dadurch erreicht, daB die Warme sehr rasch in

W g m t r i s c h e Oberf lm

I N Flachenpressung + + + + +

; + $ z g ? = h w / "

iKkK$?$%F ---- @'I Oberflochm- temp 4 O C

R v = u N v = O = q = q =q t 'I'S I 2

. Reibleisimg niedrige Reibenergiedichte

wahre Oberfloche

F,-F

6

Kontoktmooell

hohe Rebenug,edichte uLv

c = const

Abb. 4. Energieumsetzung an idealgeornetrischen und an realen Oberflachen [20]. Fig. 4. Transformation of thermic energy upon an ideally plane and upon a real surface.

350 R. Woska und J. Barbehon ~~~ ~ ~

Z . Werkstofftech. 13, 348-355 (1982)

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den umgebenden Werkstoff abgefuhrt wird. Damit sind unter bestimmten Voraussetzungen lokale Losungsvorgange zwi- schen metallischen Reibpartnern denkbar, deren EinfluB auf die Adhasion und Reibung als Ausloser fur weitere Folgereak- tionen erheblich sein diirfte.

Die Kurzbeschreibung der drei Arten moglicher Grenzfla- chenreaktionen sollte zeigen, daB sich Sorptionsvorgange, elektrische und thermische Vorgange wechselseitig beeinflus- sen, die Summe aller Einzelwirkungen in ihrem Zusammen- spiel pragt schlieBlich in hohem MaBe das Adhasionsverhalten einer Reibpaarung [12].

4 EinfluBgroBen auf die metallische Ad has io n

4.1 AuOere Einfliisse

Bei der Diskussion der Einflusse auf die Grundmechanis- men der Adhasion mu13 man zwischen auDeren (alle versuchs- bedingte und technische Parameter) und inneren Einfliissen (Grundwerkstoff- und Oberflacheneigenschaften) unterschei- den. Einmal spielen die Zusammensetzung der Urngebungs- luft, die Umgebungstemperatur sowie der Umgebungsdruck eine gewichtige Rolle beim Ablauf der Reaktionsmechanis- men, von groBer Bedeutung ist aber auch die GroBe, die Form und vor allem die geometrische Anordnung der Probekorper in Hinblick auf die relative Haufigkeit der gegeuseitigen Kon- takte beim Reibvorgang. Es ist daher nicht zulassig, die Ver- suchsergebnisse zweier oder rnehrerer Untersuchungen mit- einander zu vergleichen, wenn diese nicht unter identischen Bedingungen erzielt wurden.

Den wohl unmittelbarsten EinfluB auf die Adhasion, dabei speziell auf die GroBe der metallischen Beriihrungsflache, iiben Normalkraft und Gleitgeschwindigkeit aus. Unter veran- derten Belastungen konnen sich zudem Sorptions-, elektrische und thermische Vorgange in vollig anderer Weise gegenseitig beeinflussen. Es kann in bestimmten Belastungsbereichen zu den verschiedensten Erscheinungen kommen, mit dem Ergeb- nis, da13 sich Adhasion, Reibung und VerschleiD scheinbar unkontrollierbar andern. 1st man jedoch in der Lage, den Ver- lauf von Adhasion, Reibung und VerschleiB iiber einen grol3e- ren Belastungsbereich hinweg, in Form von dreidimensionalen Diagrammen (Normalkraft/Gleitgeschwindigkeit/Adhasions-,

Gleitverschlein Siebel -Kehl- Moschine

Flochenpreswng - Abb. 5. Verschleilj in Abhangigkeit vom Flachenpressungs- Geschwindigkeitsfeld bei ungeschmiertem Gleiten [21]. Fig. 5. Wear as a function of load and sliding speed under dry sliding friction.

Reibungskoeffizienten, bnv. VerschleiBbetrag) zu studieren, so lassen sich einige brauchbare Analysen uber die jeweils dominierenden Elementanrorgange anstellen [21] (Abb. 5) .

4.2 lnnere Einflusse

Innere Einfliisse in Bezug auf Grenzflachenreaktionen und die Ausbildung einer metallischen Beruhrungsflache stellen mechanische Eigenschaften, wie Harte und Elastizitat, die Gitterstruktur, sowie der Gefugezustand der Oberflachen dar. Hierzu liegen auch die meisten Untersuchungen vor [l, 41, da man bestrebt ist, mit moglichst wenig experimentellem Auf- wand, Analogien zwischen dem Adhasions-, Reibungs- und Verschleiljverhalten und bekannten Werkstoffeigenschaften und KenngroBen zu finden. Bezeichnend fur diese For- schungsmethodik ist, daB die Versuche meist unter konstant- gehaltener Belastung, bei beliebig gewahlten Versuchsbedin- gungen, fiir zu wenige Paarungen durchgefihrt werden, was zur Folge hat, daB mogliche Grenzfllchenreaktionen in ihrer Wirkung auf die Adhasion nicht erkannt werden, oder nur schwer zu priizisieren sind.

Eine verbreitete Vorstellung besagt, daR die Adhasion mit steigender Harte abnimmt [11,21, 22-23]. Dieser Zusammen- hang lafit sich jedoch nur fur gleiche Metallpaarungen nach- weisen, wenn sie unter konstanter Belastung auf ihre Kalt- schweiheigung hin untersucht werden. Dabei wird sich unter gegebener Belastung bei einer weichen Reibpaarung vie1 schneller eine metallische Beriihrung und damit die Moglich- keit fur die Entstehung fester Adhasionsbindungen einstellen als bei harten Metallen. Dort wird ein GroBteil der durch die Normalkraft erzeugten Spannungen im Grundkorper gespei- chert. Nach Entlastung werden die gebildeten Metallbriicken durch die Losung der in der Nachbarschaft der plastisch defor- mierten Gebiete gespeicherten Spannungen wieder zerrissen. Wenn die verschweiaten Bezirke aufgrund hoher Normalkraft einen entsprechend hohen Anteil an der gesamten Beriihrfla- che gewonnen haben, bilden sich auch bei harten Metallen bestandige Adhasionsverbindungen aus. Fur gleiche Metall- paarungen stellt die Harte kein direktes MaB f i r die Ver- schweiheigung dar. Durch sie ist vielmehr die GroSe der metallischen Beruhrungsflache unter gegebener Belastung bedingt [4].

Bei ungleichen Paarungen, bei denen Reibpartner unglei- cher Harte vorliegen (technischer ReibungsprozeB), laBt sich keinerlei Zusammenhang mehr zwischen Adhasion und Harte feststellen (Tabelle I ) .

Eine weitere Eigenschaft an der die Adhasionsneigung oft bewertet wird, ist die Gitterstruktur 123-261. Von Sikorski [23] liegen dazu umfangreiche Untersuchungen uber das Adha- sionsverhalten gleicher Metallpaarungen vor. Es zeigt sich, daR kubisch flachenzentrierte Metalle (Al, Au, Ag, Cu, Ni) deutlich hohere Adhasionskoeffizienten aufweisen als kubisch raumzentrierte (Fe, Ta, Mo) und hexagonale Metalle (Mg, Zn, Cd) ( A M . 6). Dies riihrt offensichtlich daher, dab Kfz- Metallen innerhalb ihrer Gitter mehr Gleitmoglichkeiten zur Verfugung stehen, als dies bei hexagonalen Metallen der Fall ist. Somit besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dern Umformvermogen und der Ausbildung einer metalli- schen Beruhrungsflache und damit auch der Adhasion, jedoch nur fur gleiche Metallpaarungen. Als Beispiel fur das Versa- gen der Gittertheorie bei ungleichen Paarungen sei eine Untersuchung von Roach [27] genannt, der das adhasive Ver- schleiJ3verhalten zahlreicher reiner Metalle gegenuber Stahl qualitativ ermittelte. Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, zeigen die

Z . Werkstofftech. 13, 348-355 (1982) Metallische Adhasion 351

Page 5: Metallische Adhäsion unter trockener Reibung

TabeIle 1. Adhasion von Metallpaarungen mit Kontaktpartnern aus unterschiedlichen Mctallen 141. Table 1. Adhesion coefficients or adhesive wear for dissimilar mctal combinations.

sehr @ Ca @ Cr Fe @ Ni @ stark

stark @ A1 @ Ba W

schwach

Nb Mo Rh Pd Ta Jr Pt Au

CU

sehr Ag In Sn T1 Pb schwach

0 Metalle mit hexagonalem Gitteraubau

Metalle rnit hexagonaler Gitterstruktur bis auf Cadmium starke Adhasion, was der Gittertheorie grob widerspricht. Vergleicht man die Versuchsbedingungen miteinander, unter welchen diese widerspruchlichen Ergebnisse von Sikorski und Roach erzielt wurden, so stellt man grundlegende Unter- schiede fest. Wahrend Sikorski zwei Reibpartner gleichen Werkstoffs unter Normallast nur kurzzeitig gegeneinander verdrehte, druckte Roach die zu testenden Metalle auf eine, mit hoher Drehzahl rotierenden Stahlscheibe. Hohe Gleitge-

6

t 5 e

h L

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L 1

3 - - c ._

c U Q

- : z o E

100 2 L 6 8101 2 L 6 a m 2 2 L 6 6103

H a r k HV - Abb. 6 . Zusammenhang zwischen den mittleren Adhasionskoeffi- zienten, der Vickers-Harte und der Gitterstruktur bei gleichen Metall- paarungen [23]. Fig. 6. Correlation between the median coefficients of adhesion and Vickers hardness for metals of various lattice structures.

schwindigkeit, daraus resultierende hohe thermische Bela- stung, sowie die inhomogenen Gittereigenschaften des legier- ten Stahls konnten fiir das abweichende Verhalten der hexago- nalen Metalle gegenuber der Gittertheorie verantwortlich sein. Die praktische Anwendung der Gittertheorie, wie auch manch anderer Adhasionstheorie, beschrankt sich auf wenige, eng begrenzte Beanspruchungsfalle.

Tabelle 2. Adhasionsneigung verschiedener reiner Metalle gegcnuber Stahl [27]. Table 2. Adhesion for different elemental metals in contact with steel.

Paarung Harte HV Adhasion Prdfbedingungen

Me I Me I1 Me I Me 11 [daN/mm2]

Fe Fe Fe Fe Fe Fe Fe Fe Fe

C U c u cu Fe Fe Fe Fe

K 10" K 10* K 10* K 10* K 10* K 10* K 10* K 10* K 10* K 10* K 10*

Pb Au A1 Ta

Pt cu Ni c o

Ni co W

Pt V Rh

Pb Sn Al Ag Zn c u Fe Ni Ti Mo W

Ag

Ag

45 45 45 45 45 45 45 45 45

40 40 40

180 180 180 180

1650 1650 1650 16.50 1650 1650 1650 16.50 1650 1650 1650

4 6

15 30 26 35 40 60

120

60 120 275

85 150 300 330

4 5

15 26 35 40 45 60 70

150 275

FAIF, = 7 2,5

12,s 113 3 5 6,5 8 6

FAIF, = 2,0 0 s 0 s

FAIF, = 0,002 0,16 0,07 0,03

sehr schwach sehr schwach stark sehr schwach sehr schwach schwach sehr stark sehr stark schwach sehr stark stark

Eisen

r*FN

F, = 2 ~ 1 0 - ~ N T = 2 3 O C p bar

Beobachtung des Ubertrages beim Zcrspancn

* Hartmetall.

352 R. Woska und J . Barbehon 2. Werkstofftech. 13, 348-355 (1982)

Page 6: Metallische Adhäsion unter trockener Reibung

5 0 berf lac henenergetisc he Betrac htungen

Versuche, die Adhasion als Funktion freier Oberflachen- energien der metallischen Grenzflachen zu definieren, fiihrten zu der Annahme, daB eine starke Neigung zur Adhasion dann besteht, wenn sich das hoherschmelzende Metall gut durch die fliissige Phase des niedrigerschmelzenden Metalls benetzen laSt [B]. ‘Mit Hilfe des Benetzungsgrades 6, der freien Ober- flachenenergie uz, der Harte H2 und der Scherfestigkeit s2 des weicheren Partners sol1 es moglich sein, die Adhasionsenergie WI2 und die GroRe des Reibungsbeiwertes p zu berechnen [14], wobei Benetzungsgrad und freie Oberflachenenergie experimentell bestimmt werden miissen.

s2 w 12 WI2 = uz(l + cos ff) p = - + const. - HZ H2

Eine enveiterte Form dieser Theorie, die Loslichkeitshypo- these besagt, dal3 eine strenge Korrelation zwischen dem

Abb. 7. Ineinanderloslichkeit von 24 Metallen, eingeteilt in vier Los- lichkeitsklassen [14]. Fig. 7. Compatibility chart €or 24 elemental metals, divided into four solution categories.

3

W,2/H, - Abb. 8. Reibwerte verschiedener Metalle gegen Eisen oder kohlen- stoffarmen Stahl unter Berucksichtigung der Ineinandcrloslichkeit

Fig. 8. Plot of friction coefficient for a number of metals, sliding against iron or low-carbon steel in conslderation of their compatibility.

~141.

Benetzungsvermogen und der Ineinanderloslichkeit der Metalle besteht, und mit steigendem Losungsvermogen auch der Benetzungsgrad steigt. Hierzu liegt von Rabinowicz [14] eine Einteilung der wichtigsten Metallpaarungen in vier Los- lichkeitsklassen mit definierten Klassengrenzen vor (Abb. 7). Oftmals wird die Loslichkeitshypothese dahingehend ausge- legt, daJ3 gute Ineinanderloslichkeit mit starker Adhasion und hohem adhasiven VerschleiB gleichzusetzen ist [29]. Aus den obenstehenden Formeln 1aSt sich jedoch kein proportionaler Zusammenhang zwischen Benetzungsgrad, bzw . Losungsver- mogen und Adhasionsenergie ableiten.

Auch wenn sich in einzelnen Untersuchungen eine gute Ubereinstirnmung praktischer Reibungsmessungen mit den theoretischen Uberlegungen feststellen IaiRt (Abb. 8), so bleibt die Berechnung des Reibvorganges mit Hilfe oberfla- chenenergetischer GroSen doch fragwiirdig. Die freie Ober- flachenenergie, eine MeBgroBe aus der Fliissigkeitsmechanik, wird durch die Bildung neuer Oberflachen erzeugt. Die Reproduzierbarkeit oberflachenbildender Vorgange auf Fest- korperoberflachen ist zweifelhaft , da sich die Bildung einer neuen Metalloberflache nicht ohne folgenschwere Eingriffe in die Materie erreichen lafit, wahrend die Theorie die ideali- sierte Oberflache voraussetzt. Die Benetzungs- bzw. Loslich- keitshypothese beriicksichtigen zudem nicht die in 3.2 beschriebenen Grenzflachenreaktionen bei der Oberflachen- neubildung und ihren maBgeblichen EinfluB auf die elementa- ren Adhasionsvorgange, auch geht die Beanspruchung in Gestalt der Norrnalkraft und der Gleitgeschwindigkeit nicht in die oberlegungen mit ein.

6 Das Magma-Plasma Modell

Das Magma-Plasma Modell, in den sechziger Jahre von Thiessen und Mitarbeitern entwickelt, ist ein mutiger Versuch, den Reibungs- und VerschleiBvorgang in einem vollig neucn Licht darzustellen. Grundlage des Modells sind Untersuchun- gen nach der Methode der Impaktbearbeitung, bei der eine Festkorperoberflache in einer Kornstrahlapparatur dem hori- zontalen BeschuB durch Festkorperteilchen ausgesetzt wird, was den Bedingungen der trockenen Reibung entspricht. Ein wesentlicher Vorteil der Impaktbearbeitung liegt darin begriindet, daB sich die, durch die Einzeleingriffe hervorgeru- fene rnorphologischen Anderungen an den Festkorperflachen bis in den submikroskopischen Bereich hinab studieren lassen. Die unter diesen Bedingungen erzielten Ergebnisse und die wahrend der Impaktbearbeitung beobachteten Erscheinungen [16, 18, 301 fuhren zu der Annahme, da8 bei mechanischem

Exoemission

Erzeugung und Wonderung von Versetzungen

Abb. 9. Schema fur die StoBbremsung eines fliegenden Korns nach dem Magma-Plasma Modell [30]. Fig. 9. The Magma-Plasma model. Schematic drawing of the impact moderation of a flying grain.

Z. Werkstofftech. 13, 348-355 (1982) Metallische Adhiision 353

Page 7: Metallische Adhäsion unter trockener Reibung

Eingriff in die Grenzflache fester Korper im submikroskopi- schen Bereich ein kurzzeitiger Warmestau von magrnatisch plasmatischem Charakter entsteht. Eine solche Energieblase (Abb. 9) liefert die Aktivierungsenergie fur energieaufwen- dige chemische Reaktionen und lost auch solche Umsetzungen aus, die nach den Gesetzen der klassischen Thermodynamik nicht ablaufen diirften. So kann das Magma-Plasma Modell recht anschaulich darstellen, wie es zu Materialubergangen von hoherfesten auf niedrigerfeste Reibungspartner kommt, ein Phanomen, das bislang noch nach einer Erklarung sucht [21]. In einem sehr heiBen flussigen Plasma liegt alles neben allem vor. Nach Einfrieren des plasmatischen Zustandes sind auf den Oberflachen jedes Partners Bestandteile aller Partner, einschlieljlich Sorptionsschichten und Gasatome der Umge- bung vorhanden.

Leider hat eine Weiterentwicklung des Magma-Plasma Modells in der Zwischenzeit nicht stattgefunden. Dementspre- chend kann die Diskussion des Modells an dieser Stelle nur eine Anregung zu grundsatzlich neuen oberlegungen uber die Elementarmechanismen der Adhasion und Reibung sein.

7 Stand der Adhasionsforschung

Die heutigen Erfahrungen auf dem VerschleiRgebiet, und dies gilt insbesonders fur die Erforschung der Adhasion, glei- chen eher einem Haufen bunter Steinchen als einem geordne- ten Mosaikbild. Es fehlt weithin die Moglichkeit der rationel- len Unterrichtung uber den Stand der Forschung, die Aufstel- lung von Zwischenbilanzen mit klarer Trennung des Bekann- ten und noch Unbekannten wird erschwert, der Wirkungsgrad der gesamten Bearbeitung des VerschleiDgebietes erreicht nicht den moglichen Stand. Die Ursachen dieser Mangel, wie Wahl schon 1966 zu berichten weiD [31], liegen neben der Schwierigkeit und Vielfalt des Gebietes hauptsachlich in der unzureichenden Ordnungsmoglichkeit begrundet. Es fehlt das feingegliederte Inhaltsverzeichnis des noch ausstehenden Gesamtwerkes iiber Adhasion, Reibung und VerschleiM. Die- sem Gesamtwerk muR die Einsicht zugrunde liegen, dalj gefundene Zusammenhange zwischen dem Aufbau metalli- scher Werkstoffe und ihrem Adhasionsverhalten ihre Gultig- keit unter veranderten Bedingungen verlieren konnen. Wei- terfuhrende Erkenntnisse wird die Adhasionsforschung nur dann erbringen, wenn genugend vergleichbare Untersuchun- gen uber eine grol3e Anzahl von Metallpaarungen in einem weiten Belastungsbereich vorliegen. Als hierfur beispielhaft sei nochmals auf die in 4.1 genannte Untersuchung hingewie- sen [21] (Abb. 5 ) . Eine Normierung der Versuchseinrichtun- gen, sowie der Variatiosschritte der Versuchsbedingungen konnten dabei eine brauchbare Koordinations- und Koopera- tionshilfe darstellen. Erst wenn alle bekannten und bislang noch unbekannten Effekte im Versuch festgehalten sind, ist es sinnvoll, das Adhasions- und Reibungsverhalten einer Metall- paarung mit dem Ziel zu analysieren, bestimmte Einzelein- flusse herauszukristallisieren und die elementaren Vorgange aufzudecken.

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354 R. Woska und J. Barbehon Z . Werkstolftech. 13, 348-355 (1982)

Page 8: Metallische Adhäsion unter trockener Reibung

31. H. Wuhl, Allgemeine Ordnungsprobleme bei der Bearbcitung Anschrift: Dip1.-Ing. R. Wosku und and.-Ing. J. Barbehiin, Institut von VerschleiRfragen, insbesondere durch Verschlciflprufung. fur Umformtechnik der TH Darmstadt, PetersenstraRe 30, Giesserei 53. Jahrg. Heft 13 (1966) S. 421-429. 6100 Darmstadt.

Ermudungsverhalten von SiSiC H. Richter, G. Willmann und W. Heider

Auf der Basis der Theorie der linear-elastischen Bruchmechanik wird The Fatigue Behavior of SiSiC die fur die Konstruktion benotigte, zeitabhangige mechanische Festig- keit (Ermudung) von stranggepreatem und schlickergegossenem Sili- For design purposes the engineering property datas especially the fati- ziumcarbid (SiSiC) bei Raumtemperatur bestimmt. gue behavior of silicon carbide (SiSiC) were determined. Using linear Der Zusaminenhang zwischen Belastungshohe, Ausfallswahrschein- elastic fracture mechanics the datas for slip casted and extruded SiSiC- lichkeit und Zeit wird in Form von SPT-Diagrammen dargestellt. samples were measured at room temperature. The correlation

between stress, probability of failure, and time is shown in SPT-dia- grams.

1 SiSiC fur den Apparatebau

Die effektive Nutzung aller Energieressourcen ist eine der vordringlichsten Aufgaben fur die nachsten Jahre. Eine heute noch nicht optimal genutzte ,,Energiequelle" ist die indu- strielle Abwarme.

Industrielle Abwarme mit Temperaturen oberhalb rd. 800 "C ist haufig an Gase gebunden, die chemisch sehr aggres- siv und wegen ihres Staubgehaltes u.U. erosiv sind, so daR die Forderungen an die fur den Apparatebau verwendeten Werk- stoffe komplex sind. Oft sind Konzepte zur Abwarmenutzung wegen der mangelnden mechanischen Festigkeiten metalli- scher Werkstoffe bei hohen Temperaturen nicht realisierbar. Als Alternative bleibt nur die Verwendung von keramischen Werkstoffen, deren prinzipiell denkbare Anwendungsmog-

lichkeiten bisher noch nicht voll genutzt worden sind. Dies gilt insbesondere f i r Werkstoffe auf der Basis von Siliziumcarbid.

Werkstoffe aus Siliniumcarbid (Sic), insbesondere mit Sili- zium infiltrierendes Siliziumcarbid (SiSiC) sind aul3erst viel- versprechend auf Grund ihrer hohen Warmfestigkeit, ausge- zeichneten Korrosionsbestandigkeit, insbesondere der Oxyda- tionsbestandigkeit bis weit iiber 1300 "C, hohen Warmeleitfii- higkeit, guten Temperaturwechselbestandigkeit und der Gas- dichtigkeit (vgl. Tabelle I). Bauteile aus SiSiC sind in den verschiedensten Formen kommerziell erhaltlich [ 1-51.

Sogenanntes Feuerfest-Siliziumcarbid wird seit langem im chemischen Apparatebau, in Kesselanlagen, bei metallurgi- schen Prozessen usw. verwendet [6]. Allerdings konnten mit diesen Materialien wegen der mangelnden Gasdichtigkeit keine aktiven Komponenten konzipiert werden.Die Verfiig- barkeit des gasdichten SiSiC eroffnet dagegen neue Moglich- keiten.

Tabelle 1. Eigenschaften von stranggepreRtem und schlickergegossenem SiSiC. Table 1. Properties of extruded and slip casted SiSiC.

Eigenschaften Einheit Werkstoffdaten SiSiC 5011 SiSiC 308 stranggepreBt schlickergegossen

Mechanische 4-Pkt-Biegefestigkeit Eigenschaften Weibullmodul (RT)

HeiBbiegefesitgkeit (1200°C) Weibullmodul (1200 "C) Dynamischer E-Modul Statischer E-Modul

Thermische Warmeausdehnungskoeff. (1000 "C) Eigenschaftcn Therm. Leitfahigkeit (1000 "C)

Sonstige Dichte Eigenschaften Porositat (offen)

Gasdichtheit freies Silicium

MN/m2

MN/m2

GN/m* GN/mZ

-

300 10

350

360 330

-

260

320 > 10 340 310

(c10

liK . 4,5 4 s WimK 40 45 gkm3 V0l.-% cm2/s Gew.-72

3,05 3,05 0 0

lo-* 12-15 8-12

Z . Werkstofftech. 13, 355-360 (1982) 0 Verlag Chemie GmbH, D-6940 Weinheim, 1982

0049-8688/82/1010-0355$02.5010 355