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Volumen XXXIII, Fasciculus IV (1950) - No. 127. 947 127. MetalJkomplexe mit Polyaminen I. AUgemeines von G. Schwarzenbach. (3. V. 50.) I n dieser Artikelserie berichten wir iiber Gleichgewichtsmessun- gen, welche die Komplexbildung der Metallkationen M = Mn", Fe", Co", Ni.., Cu", Bn", Cd", Hg" und Ag' mit den folgenden Polyaminen beschreiben : B,p-Diamino-diiithylamin : NH,-CH,-CH,-NH-CH,-CH,-NH, = ,,den" NH, a,,$, y-Triaminopropan : NH,-CH,--CH-CH,-NH, B$',,!l''-Triarnino-triathylamin : N = (CH,-CH,-NH,), B,P'-Diamino-N, N'-diiithyl-iithylendiamin : = ,,ptn" = ,,hen" NH,-CH,-CH,-NH-CH,-CH~-NH-CH,-NH, = ,,trien" Reim Silberion sind neben obigen Tri- und Tetraminen auch iioch das Athylendiamin NH,-CH,-CH,-NH, = ,,en" und das Propylen- diamin NH2-CHz-CH,-CH,-NH, -- ,,pn" untersucht worden. Wie vor allem J. Bjerrum') zeigte, hat man es bei Komplex- reaktionen stets mit Vosgangen zu tun, die iiber eine Reihe von Zwi- schenstufen verlaufen. Bei der Anlagerung eines einfachen Liganden A (z. B. NH,) an ein Metallkation M mussen wir schreiben (die Ionen- ladungen sollen weggelassen werden) : M +MA +MA, +MA1 +MAn (1) wobei : n = maximale Koordinationszahl. Der Vorgang benotigt zu seiner Beschreibung n iiidividuelle Gleichgewichtskonstanten yon folgender Redeutung : ...... ...... i = 1,2 .... n. [MA1 HiAi [MA1-,]. [A] Retrachten wir nun die Verhaltnisse bei einem Chelatkomplex- partner 2, der im Gegensatz zu A am Metallkation mehr als eine einzige Koordinationsstelle abzusiittigen vermag, so konnen wir einer- seits eine Vereinfachung und andererseits eine Komplikation fest- s tellen. 1. Die Vereinfachung betrifft die Tatsache, dass vom Metal1 eine kleinere Anzahl Chelatpartner benotigt werden, so dass n nun nur einen Bruchteil der Koordinationszahl betragt : M -+ MZ -+ MZ, ...... -+ MZ1 ...... + MZn (11) 1) Jannik Bierrum, Dissertation, Kopenhagen 1941.

Metallkomplexe mit Polyaminen I. Allgemeines

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Volumen XXXIII, Fasciculus IV (1950) - No. 127. 947

127. MetalJkomplexe mit Polyaminen I. AUgemeines von G . Schwarzenbach.

(3. V. 50.)

I n dieser Artikelserie berichten wir iiber Gleichgewichtsmessun- gen, welche die Komplexbildung der Metallkationen M = Mn", Fe", Co", Ni.., Cu", Bn", Cd", Hg" und Ag' mit den folgenden Polyaminen beschreiben :

B,p-Diamino-diiithylamin : NH,-CH,-CH,-NH-CH,-CH,-NH, = ,,den"

NH, a,,$, y-Triaminopropan : NH,-CH,--CH-CH,-NH, B$',,!l''-Triarnino-triathylamin : N = (CH,-CH,-NH,), B,P'-Diamino-N, N'-diiithyl-iithylendiamin :

= ,,ptn" = ,,hen"

NH,-CH,-CH,-NH-CH,-CH~-NH-CH,-NH, = ,,trien"

Reim Silberion sind neben obigen Tri- und Tetraminen auch iioch das Athylendiamin NH,-CH,-CH,-NH, = ,,en" und das Propylen- diamin NH2-CHz-CH,-CH,-NH, -- ,,pn" untersucht worden.

Wie vor allem J. Bjerrum') zeigte, hat man es bei Komplex- reaktionen stets mit Vosgangen zu tun, die iiber eine Reihe von Zwi- schenstufen verlaufen. Bei der Anlagerung eines einfachen Liganden A (z. B. NH,) an ein Metallkation M mussen wir schreiben (die Ionen- ladungen sollen weggelassen werden) :

M +MA +MA, +MA1 +MAn (1)

wobei : n = maximale Koordinationszahl. Der Vorgang benotigt zu seiner Beschreibung n iiidividuelle

Gleichgewichtskonstanten yon folgender Redeutung :

. . . . . . ......

i = 1,2 .... n . [MA1 HiAi [MA1-,]. [A]

Retrachten wir nun die Verhaltnisse bei einem Chelatkomplex- partner 2, der im Gegensatz zu A am Metallkation mehr als eine einzige Koordinationsstelle abzusiittigen vermag, so konnen wir einer- seits eine Vereinfachung und andererseits eine Komplikation fest- s tellen.

1. Die Vereinfachung betrifft die Tatsache, dass vom Metal1 eine kleinere Anzahl Chelatpartner benotigt werden, so dass n nun nur einen Bruchteil der Koordinationszahl betragt :

M -+ MZ -+ MZ, . . . . . . -+ MZ1 . . . . . . + MZn (11)

1) Jannik Bierrum, Dissertation, Kopenhagen 1941.

948 HELVETICA CHfMICA ACTA.

wobei : n z= Koordinationszahl/m und : m : Zahl der Koordinationsstellen, die der Chelatpartner Z

Die Hildungskonstanten dieser Komplexe sollen wie vordem de- abzusattigen vermag.

finiert, werden : - [MZlI i == 1 , 2 . . . . . . n . KEZi = [MZi][Zl

Der Umstand, dass n im Falle von Z kleiner ist als im Falle von A, verringert die Zahl der am Gleichgewicht teilnehmenden Partikeln. Eine weitere Vereinfachung tritt deshalb ein, weil das Verhaltnis zweier aufeinander folgender individueller Konstanten im Falle der Chelatkomplexe grosser ist als im Falle der einfachen Komplexel) :

Die Stufen des Vorganges liegen also weiter auseinander, was die Untersuchung erheblich vereinfacht.

2 . Eine Komplikation entsteht aber andererseits bei Z gegenuber A dadurch, dass Hydrogenkomplexe und mehrkernige komplexe Teil- chen zu berucksichtigen sind. Der Partner Z kann natiirlich nicht nur an ein und demselben Metallkation mehr als eine Koordinationsstelle besetzen, sondern er vermag auch zwei oder mehrere Metallkationen zu binden oder neben einem Metallkation noch Protonen anzulagern. Es sind also fur eine allgemeine Behandlung der Gleichgewichte zu beriicksichtigen :

Hydrogenkomplexe : MHZ, MHZ,, MHZ, . . . . . . MH,Z, MH,Z,, MH,Z, . . . . . . usw.,

allgemein: MHjZi.

Mehrkernige Komplexe : M,Z, M,Z,, M,Z, . . . . . . M,Z, M,Z,, M,Z, . . . . . . usw.,

allgemein : MyZf. Mehrkernige Hydrogenkomplexe :

M,HZ, M,HZ,, M,HZ, . . . . . . Die Formel der Teilchen, die entstehen konnen, ist also allgemein anzugeben mit :

und es gibt drei Arten individueller Bildungskonstanten , die aller- dings voneinander nicht unabhiingig sind :

l) G. Schwarzenbach, Chim. 3, 1 (1949).

Volumen IXXIII, Fasciculus IV (1950) - No. 127. 949

Man beachte, dass die gewahlt'e Indizierung der Gleichgewichts- konstanten deren Bedeutung eindeutig festlegt. Es handelt sich urn Bildungskonstanten des Komplexes, dessen Formel rechts unten als Index dient, wenn man denselben aufbaut aus dem Teilchen, das als Index rechts oben vermerkt ist, und dem Rest der Partikel.

Das Produkt von aufeinanderfolgenden Honstanten wollen wir mit K bezeichnen und Rruttobildungskonstanten nennen :

Man kann eine R,eihe der abzuleitenden Ausdrucke kurzer schreiben, wenn man auch die folgenden Bruttokonstanten zulgsst, die alle den Wert 1 haben :

Die Hydrogenkomplexe und mehrkernigen Komplexe sind na- turlich im Falle der Polyamine als Komplexpartner Z hoher geladen als das einfache Metallkation M. Ihre Ladung betragt: v - y + j (v =

Ladung von M). Die Bildung derartiger Teilchen aus zwei gleichsinnig geladenen Reaktionspartnern ist vom elektrostatischen Standpunkte aus ungunstig und deren Bildungskonstanten werden deshalb kleiner sein als diejenigen der normalen Komplexe MZ, MZ2. . . Auch werden die Zahlen y und j aus diesem Grunde kaum grosser werden konnen als 2.

Noch eine weitere Voraussage kann gemacht werden in bezug auf das Verhaltnis zweier aufeinander folgender individueller Konstanten. Betrachten wir die Anlagerung von HZ+ gegenuber derjenigen von A, dann konnen wir feststellen, dass bei der ersteren jedes weitere E Z + gegen eine immer grosser werdende Ladung des Komplexes anzulaufen haben wird. Es ist also sicher, dass das folgende Konstantenverhaltnis besonders gross sein wird :

8. Mes sme t h o d e.

Wir haben auch diesmal wieder die Gleichgewicht'e mit Hilfe von pH-Messungen an Gemischen von Metallsalz, Polyamin und Polyammoniumsalz untersucht . Allgemein kann man sagen, dsss durch rechnerische Kombination einer genugend grossen Anzahl von Messun- gen der Wasserstoffionenkonzentration [El von Losungen, in denen das Verhaltnis der totalen Konzentration des Metalls [MIt, des Kom- plexpartners [Zit und der Mineralsaure [HI, innerhalb weiter Grenzen

950 HELVETICA CHIMICA ACTA.

verandert wird, prinzipiell auch sehr komplizierte Gleichgewichte auf - geklart werden konnen. Fur jede einzelne Misehung gelten die Be- ziehungen :

m in-1 n total anwesendes Metall: [Mlt [MI+ 2 CY.[MYH,ZiI (8)

y = l j=O i=1

m ni n

y=O j=l i=l total anwesender Komplexpartner: [Z]t = [ Z ] + 2 ci. [M,HjZ,] +

(9)

UI in n total enwesende Mineralsaure : [H]t = [HI+ c c cj. [M,HjZ,] (10)

Nehmen wir an, es seien N komplexe Teilchen zu beriicksichtigen, dann konnen wir in den Gleichungen (a), (9) und (10) ihre Konzen- trationen mit Hilfe der N Befinitionsgleichnngen vom Typus (4) bis (6) ersetzen. Die drei Gleichungen enthalten dann nur noch die N Gleichgewichtskonstanten, die totalen Konzentrationen [MIt, [Z],, [HI, sowie [MI, [Z] und [HI. Wenn man die drei Gleichungen nun kombiniert, so lassen sich auch [MI und [Z] eliminieren. Die Schluss- gleichung enthalt dann als Unbekannte nur noch die B Bildungs- konstanten neben den experimentell festgelegten Grossen [MI,, [Z],, [HI, und [HI. Sie konnte dann fur N verschiedene Einzelmessungen eingesetzt werden, womit die Aufgabe, die N verschiedenen Bildungs- konstanten der Komplexe zu finden, prinzipiell gelost ware.

Wie leicht einzusehen ist, wachsen aber die algebraischen Schwie- rigkeiten einer solchen -4ufgabe mit N rasch an und werden bald praktisch uniiberwindlich. Gliicklicherweise kann man nun aber stets das Problem dadurch vereinfachen, dass man die Konzentrations- verhaltnisse der Reaktionsteilnehmer so wahlt, dass eine Reihe von moglichen Komplexen praktisch nicht auftreten, sich die Zahl der Unbekannten also reduziert. Wir wollen dazu vor allem von den Be- ziehungen (3) und (7 ) Gebrauch machen, wonach die Anlagerung von Chelatpartnern in besonders weit auseinanderliegenden Stufen erfolgt. Die Bildungskonstante von MZ wird z. B. vie1 grosser sein als die- jenige von MZ2, so dass sich in Losungen mit iiberschiissig vorhan- denem Metallkation praktisch nur der erste, nicht aber der zweite dieser Komplexe bilden wird. Dasselbe gilt gemass (7 ) fur die Eydro- genkomplexe. Ganz allgemein wird die Konzentration solcher Asso- ziate, welche pro Metall zwei und mehr als zwei Z enthalten, bei uber- schussig anwesendem M unbedeutend sein. Deshalb gelingt es, die (1:l)-Homplexe MZ, MHZ, MH,Z usw. gesondert von den mehr- kernigen und hohern Komplexen zu untersuchen, da bei Anwesenheit uberschussigen Metalls nur sie allein beriicksichtigt werden mussen.

y=O j=1 i-1

Volumen XXXIII, Fasciculus IV (1950) - No. 127. 951

In diesen Arbeiten ist die Aufmerksamkeit insbesondere auf diese (1 : 1)-Komplexe gerichtet worden.

Samtliche Gleichgewichtsmischungen sind ausgehend von der Kationsaure H,nZ+m durch stufenweise Zugabe von Alkalihydroxyd in einem Titrationsprozess erhalten worden. Es wurde bei konstanter ionaler Starke gearbeitet. Das Hydrochlorid, Hydronitrat oder Hy- droperchlorat des Polyamins {[Hn,Z]Xm> wurde in einer Konzentra- tion [Z], von etwa vorgelegt und mit 0,l-n. Alkalihydroxyd eine exakte Neutralisationskurve an der Wasseratoff- oder Glaselektrode aufgenommen. Dann wurde eine entsprechende Neutralisationskurve des Polyammoniumsalzes bei Gegenwart verschiedener Konzentra- tionen [MI, des komplexbildenden Metallkations aufgenommen und die Messresultate miteinander kombiniert. J e nach dem Verhaltnis von [MI, zu [Z], wahrend der Titration unterscheiden wir einfache Neu- tralisationskurven ([MI, = 0), Uberschusskurven ([M],>[Z],), Aqui- valentkurven ([MI, = [Z],) und Unterschusskurven ([M/lIt<[Z],).

a) D i e e in fachen N e u t r a l i s a t i o n s k u r v e n entstehen bei Abwesenheit des komplexbildenden Metalls und dienen zur Berech- nung der AciditSitskonstanten der Kationsaure HmZ+". Da die Pro- tonkomplese HZ+, H,Z+2 usw. formal gleich behandelt werden sollen wie die Metallkomplexe, werden wir die reziproken Werte der Acidi- tatskonstanten angeben, also die Rasizitatskonstanten:

Die Logarithmen dieser Konstanten sind identisch mit den ublichen pK-Werten des Polyammoniumions.

Da kein Metal1 in diesen Losungen zugegen ist, fallt die Gleichung (8) weg, wahrend (9) und (10) die folgende Gestalt annehmen:

m

j=1 [HI, = [Z], (m-a) = [H]-[OH]+zj.[H,Z] oder:

m

j =1 [Zlt*g = z j - [ H j Z l . (10')

a bedeutet die Zahl der Mole Alkalihydroxyd, die pro Mol Polyam- moniumion HmZ+m im betreffenden Punkt der Neutralisationskurve zugefiigt worden sind (a = scheinbarer Neutralisationsgrad der Ka- tionssaure) und g gibt die Zahl der Protonen an, welche durchschnitt- lich pro Mol des Polyamins Z gebunden erscheinen (g = wahrer Neu- tralisationsgrad der Base 0). Man beginnt die Auswertung der Neu- tralisationskurve am besten damit, dass man fur eine grossere Anzahl von Punkten den wahren Neutralisationsgrad gmit Hilfe des Abszissen-

952 HELVETICA CHIMICA ACTA.

wertes ( =. a) und Ordinatenwertes (= pIl) sowie des Tonenproduktes [HI .[HO] = K, ausrechnet :

[OH1 - [HI [Zlt

g - m - a + ~~~

Eine Kombination von (9’), (lo’) und (11) liefert dann: g+ (g- I ) . [HI. K:,+ (g - 2) . [HI2- K&. Kgzz+ (g- 3) . [H]”K&* KEzz* K: z . . . = 0

oder : m

j =O C(g-j) . [H]J .RElz = 0 . (13)

Nun hat man die Aufgabe, aus einer grosseren Anzahl von Werte- paaren g, [HI mit Hilfe von (13) die m individuellen Basizitatskon- stanten Kg,z auszurechnen. Man setzt die Werte g und [HI von m Punkten der Neutralisationskurve in (13) ein und erhiilt dabei ein Gleichgewichtssystem von m linearen Gleichungen mit den m Rrutto- konstanten als Unbekannte. Diese kann man nsturlich allgemein durch Einsetzen in Determinanten auflosen.

Rascher kommt man aber im allgemeinen mit NBherungsverfahren zum Ziel, die kurz erliiutert seien:

Die aufeinanderfolgenden individuellen Basizitatskonstanten nehmen in der Regel mit steigendem j ab, so dass wir schreibenkonnen:

(14)

Sind die Grossenunterschiede der Konstanten genugend, so verlauft die Neutralisation von Z (und naturlich auch die umgekehrte von H,Z) in Stufen, indem sich ein Puffergebiet an das andere reiht. In erster Naherung braucht man dann pro Puffergebiet nur eine einzige individuelle Basizitatskonstante zu berucksichtigen, weil nur zwei benachbarte Glieder der Gleichung (13) massgebend sind, z. B. fur die Aufnahme des p-ten Protons die Glieder : (g - p + 1) . [H]F-’ Kz,-lz und: (g - p) - [HI, *KgPz bei g-Werten zwischen p - 1 und p. Wenn man dann die derart vereinfachte und nur aus zwei Gliedern bestehende Gleichung (13) durch H,-lZ dividiert, so erhalt man (15):

Man erkennt, dass dann fur: g =: ( p - %) gilt: [HI .K;,, = 1. Das ist die bekannte Niiherungsgleichung, wonach der pK-Wert ( = lg K Z p Z ) der Aciditatsstufe p numerisch identisch ist mit dem pH-Wert (= -- lg [HI) der Losung, in welcher die betreffende Stufe zur Halfte neutralisiert ist (d. h. bei: g = p - %).

Die beiden von uns untersuchten Triamine konnen naturlich hochstens m = 3 Protonen anlagern. Die Neutralisationskurven, die in den Figuren 2 und 3 wiedergegeben sind, lassen erkennen, dass von den drei Puffergebieten dasjenige zwischen a = 0 und 1 separat liegt,

K&, ) KEzz ) Kg,z . . . . usw., allgemein: ICEJz ) K& +lz .

KH

(g-LI+ l )+(g - j l ) . IHl .R~i , z= 0 . (15)

Volumen XXXIII, Fasciculus IV (1950) - No. 127. 953

so dass mit Hilfe von (15) die Konstante KZSz als guter Naherungs- wert zu erhalten ist. Genau so steht es mit den Puffergebieten zwi- when a = 0 und a = 2 des Tetramins ,,trien" (siehe Fig. 1). Es blei- ben somit als Unbekannte lediglich zwei Basizitiitskonstanten ubrig, namlich KZz und K& , deren Puffergebiete sich stark iiberlappen (zwischen a = 1 und 3 in den Figuren 2 und 3 und zwischen a = 2 und 4 in der Fig. 1) . Um diese zu finden, setzt man die mit Hilfe von (15) gefundenen Niiherungswerte der iibrigen Konstanten in Gleichung (13) ein, wobei diese die folgende Gestalt annimmt:

(Im Falle unserer Polyamine ist v = 1.) Die Faktoren d, e und f sind Funktionen von g und [HI sowie der eingesetzten Naherungswerte. Gleichung (16) wird nun durch KZVz dividiert, iind es wird folgende Substitution vorgenommen :

wobei eine lineare Gleichung rnit den Variablen x und y resultiert. Die entsprechenden Geraden werden dann fur eine grossere Anzahl von Wertepearen g, [El] durch Abtragen der Achsenabschnitte in ein Koordinatensystem eingezeichnet. Der gemeinsame Schnittpunkt dieser Geraden liefert die beiden gesuchten Konstantenl).

d + e . K ~ v z + f * K ~ Y z - K ~ v + I z = 0 . (16)

x = l / K H und y - K H Y Z H" t l Z '

t

I I I I I

I 2 3 4 Fig. 1.

Neutralisationskurven der .Kationsaure H,trien+* in 0,l-n. .KCl. A: ohne weitern Zusatz. B: bei Gegenwart eines Oberschusses von {MnSO,}. C: Aquivalentkurve mit { ZnCl,}. D: ubersohusskurve mit (ZnCl,}. D':theoretische Kurve fur den Fall von ,,drei Protonen

in einem Schritt". E: Aquivalentkurve mit {CuSO,}.

l) G. Schzoarzenbuch, A . WiZZi & R. 0. Buch, Helv. 30, 1303 (1917).

954 HELVETICA CHIMICA ACTA.

Streuen die Schnittpunkte der Geraden zu stark, so kann das, wenn eine einwandfreie Neutralisationskurve vorliegt, nur davon her- ruhren, dass die mit (15) hereclineten Niiherungswerte der andern Konstanten noch nicht genugend genam sind. Das ist z. R. beim Tetramin ,,tren" der Fall, wenn als Niiherungswert fur KEstren der pH-Wert bei a = y2 (siehe Kurve A, Fig. 1, Rrtikel Komplexone XVI1)) eingesetzt wird. Einen bessern Wert fur diese findet man dann dadurch, dass man das Resultat der graphischen Auflosung als neue vorliiufige Werte in (13) einfuhrt. Mit diesen erhiilt man dann besser stimmende Zahlen fur d, e und f in Gleichung (16). Dieses Verfahren kann naturlich beliebig oft wiederholt werden. I m allgemeinen kommt man aber rasch zu den endgultig besten Losungen.

Fig. 2. Neutralisationskurven der Kationsilure H,den+3 in 0,l-n. KCI. A: ohne weitern Zusatz. B: mit %Mol {CdSO,}. C: mit 1 Mol {CdSO,}. D: mit 10 Molen {CdSO,}.

E: mit 10 Molen {NiSO,).

I_- ,-

Fig. 3. I 2 3

Neutralisationskurven der Kationsilure H , ~ t n + ~ in 0,l-n. KCl. A: ohne weitern Zusatz. B: Aquivalentkurve m. {ZnCl,}. C: ifberschusskurve mit { ZnCI,}. D : Aqui- valentkurve mit (NiSO,}. E: ifberschuss

kurve mit {NiSO,}.

b) Die Ub er s chu H s ku rven entstehen durch Neutralisation des Polyammoniumions H,Z+m in Gegenwart der mindestens lOfach molaren Menge an komplexbildendem Metall. Nur ein kleiner Bruch- teil des Metallkations verschwindet dabei durch Komplexbildung aus der LGsung, so dass die Konzentration [MI bis hinauf zu den pH-

1) H . Ackermnn & G. Schwarzenbach, Helv. 32, 1543 (1949).

Volumen XXXIII, Pasciculus IV (1950) - No. 127. 955

Wert,en, bei welchen sich Hydroxokomplexe des Metalls bilden oder Hydroxydfallungen entstehen, praktisch als konstmt betrachtet wer- den darf. Rei Reriicksichtigung der Beziehungen (3) und (7), wonach alle Teilchen, die mehr als 1 Z enthalten, vernachliissigt werden diirfen, kommen wir fur den Neutralisationsvorgang bei der fjbersehusskurve zu folgender Formulierung :

, HZ -t

Hm - ,z H m Z - + { + ] --+ usw. bis. MH, - ,Z

Die Konstanz der Konzentration [MI hat nun zur Folge, dass auch die Uberschusskurve der Gleichung (13') gehorcht, mit deren Hilfe m neue Basizitatskonstanten 'KZiz gefunden werden konnen, die alle kleiner oder hochstens gleich gross sind wie die entsprechenden Konstanten KEiZ aus der metallfreien Kurve.

Dass dem so ist, erkennt man bei Anwendung des M.W.G. auf Vorgang (111) : , H - [HZ]+[MHZ]+[MzHZl.. . KHz = [ H l . ] ~ [ M ~ Z ] ~ )

l+[M]~K~H,+[M]Z-K~HZ~II~zHZ+. . . 1+[M]*KEZ+[M]2*K$z.Kg,z+. . .

= Kgz -

[HJ] + [MHZZ] + [M zHZZ1. . . KZ2z [Hl-([HZl+ [MHZ] + /M,HZ]. . . )

1 usw. bis

1 *HmZ II W m z l = KgmZ *

[HI. (EHm-~zl+ [MHrn-lZI) + H ~ H , - I Z '

Als Produkt der Gleichungen (17) bekommen wir: 1

I KHmZ -H = RErnz * - 1 + [ M ] . K ~ Z + [ M ] 2 * K ~ 2 z + . . . '

Die Gleichungen (17) zeigen, dass die Werte 'Kgjz wirklich Kon- stanten sind, wenn [MI konstant gehalten wird. Aus einer geniigenden Anzahl von therschusskurven (man braucht d a m mindestens y Kur- ven), bei denen [MI verschieden zu wahlen ist, muss es ferner moglich

966 HELVETICA CHIMICA ACTA.

sein, die Bildungskonstanten samtlicher Komplexe, die nur 1 Z ent- halten, mit Hilfe von (17) zu berechnen.

Dieser Weg ist in Wirklichkeit sehr einfach. Es zeigte sich nlm- lich, dass y einzig beim Silber Werte von uber 1 annimmt. Bei allen andern Metallkationen kann man also die Glieder mit [MI2 in (17) und (18) streichen, so dass eine einzige Uberschusskurve die Reihe der Konstanten: KEz, KEHz , KgHzZ usw. liefert.

Der Beweis der Abwesenheit bimetallischer Komplexe wurde durch den aus der Aquivalentkurve erhaltenen Wert fur Kgz geliefert (siehe unten), welcher mit demjenigen aus Gleichung (18') uberein- stimmte.

( 18')

Einzig beim Silber war keine derartige Ubereinstimmung vor- handen, was die Bildung von mehrkernigen Komplexen anzeigte. Aus diesem Grunde wurden beim Silber mehrere fiberschusskurven auf- genommen, was gerade bei diesem Metal1 keine Schwierigkeiten macht. Da M hier ein einfach geladenes Kation ist, kann man dessen Uber- schusskonzentration stark steigern, ohne die ionale Starke wesentlich xu beeinflussen. Es wurden Kurven mit einer 10- und einer 2Ofachen Menge an {AgNO,} aufgenommen und dabei zur Erhalttung der iona- len Starke weniger Fremdelektrolyt zugesetzt. Um eine kleinere, konstant bleibende Silberkonzentration zu bekommen, wurde auch in Gegenwart massig schwerloslicher Salze gearbeitet. Ausgezeichnete Kurven, welche der Gleichung (13') gut gehorchten, liessen sieh in einer Suspension von Silberbromat bei Gegenwart von uberschussigem (KRrO,} erhalten. Mit jeweils drei derartigen Uberschnsskurven konnte eindeutig bewiesen werden, dass Silber niit den Polyaminen ein- und zweikernige, aber keine dreikernigen Komplexe bildet , deren Rildungskonstanten mit ( 1 7 ) berechnet wurden. Beim Silber kann also y nur 1 und 2 sein.

Die scheinbaren Rasizitatskonstanten fKE,z einer Uberschuss- kurve zeigen, im Gegensatz xu den Konstanten einer ,,metallfreien Kurve", sehr oft die Eigentumlichkeit, dass die Reziehung (14) nicht gilt, dass also nachfolgende Konstanten grosser sind als vorhergehende Es kann also z. B. fKgj+lZ grosser sein als 'Kgjz, was bedeutet, dass die Partikel HjZ eine grossere Tendenz hat, ein Hf anzulagern, als die Partikel Hj-lZ. Wenn wir also wahrend der Titration die Wasser- stoffionenkonzentration langsam ansteigen lassen und in das pH- Gebiet kommen, in welchem das Teilchen Hj -,Z ein Proton aufnimmt, so entsteht die noch starkere Base HjZ, die naturlich bei den betref- fenden pH-Werten sofort noch ein zweites Proton anlagert, urn Hj+lZ zu bilden. Das gegeniiber dem normalen Fall umgekehrte Grossen- verhaltnis der beiden genannten Konstanten hat also zur Folge, dass

j 1 K" --

MZ - [MI ( X ~ m Z / ' " ~ m Z - .

Volumen Xxxn~, Pasciculus IV (1950) - No. 127. 957

die Partikel HjZ unbestandig ist. In vielen Fallen ist ihre Gleich- gewichtskonzentration vernachlassigbar, so dass Hj -,Z direkt in Hj+l ubergeht :

H , - 1 Z + 2 H -----+ H,+lZ. Ein derartiges Gleichgewicht wollen wir kennzeichnen durch den Aus- druck: Zwei P ro tonen i n e inem Schr i t t l ) .

Einen solchen Fall erkennt man schon an der Form der Neutrali- sationskurve, welche zwischen den Abszissenwerten g == j - 1 und g = j + 1 besonders flach verlauft (z. B. Kurven D und E in Fig. 3) . Der pH-Unterschied zwischen den Punkten g = j - 1/2 und g = j + 1/2 betragt dann nur Ig 3 = 0,477 Einheiten. Algebra,isch kommt der Fall dadurch zum Ausdruck, dass eines der Glieder der Gleichung (13'), z. B. das Glied:

klein ist gegenuber dem vorhergehenden und nachfolgenden, so dass man es streichen kann. Naturlich hat das dann auch zur Folge, dass man keinen Wert fur die Brutto-Basizitatskonstante dieses Gliedes berechnen kann. Man erkennt weiter, dass aber aus den Brutto- konstanten des vorhergehenden und des nachfolgenden Gliedes beide individuellen B asizit a t skons t an t en

(g - j) . [H]j. 'KH H1Z

nicht zu erhalten sind,

H ' G , Z und 'KHj+lz

sondern nur ihr Produkt :

Naturlich hiingt das damit zusammen, dass die Partikel H,Z praktisch nicht am Gleichgewicht teilnimmt, so dass es auch unmoglich ist, eine Aussage iiber die freie Energie ihrer Bildung &US den Nachbar- stufen Hj-,Z und Hj+,Z zu machen.

Wertet man ein derart flaches Puffergebiet, wie es dem Fall von zwei Protonen in einem Schritt entspricht, mit Hilfe der auf Seite 952 beschriebenen Methode graphisch aus, so erhalt man eine Schar psralleler Geraden, deren Schnittpunkt bei

xo = l/'KEjz und yo = 'K" HJ+lZ

unbestimmt ist, deren Neigung YIX = '"&z "KH1 H +lZ

uns aber das Produkt der beiden gesuchten Konstanten angibt. Mit Hilfe der graphischen Methode lasst sich ganz besonders schon zeigen, ob wirklich der Fall von zwei Protonen in einem Schritt vorliegt. Tritt

1) G. Schwarzenbach & R. Sulzberger, Helv. 26, 453 (1943).

968 HELVETICA CHIMICA ACTA.

die Zwischenstufe im Gleichgewichtsgemisch auf, so sind die Geraden gegeneinander geneigt, und zwar um so starker, je grosser die maxi- male Gleichgewichtskonzentration der Zwischenstufe ist. J e kleiner die Gleichgewichtskonzentration ist, um so entfernter liegen die Schnittpunkte und um so mehr streuen sie, was der zunehmenden Ungenauigkeit der einzelnen Konstanten entsprich t. In allen Fallen bleibt aber das Produkt der Konstanten mit der ublichen Genauigkeit bestimmbar.

Beim Tetramin ,,tren" haben wir auch Uberschusskurven mit dem Fall von: , ,Dre i P r o t o n e n i n e inem S c h r i t t " angetroffen. Solche Kurven weisen ein noch flacheres Puffergebiet als im Falle zwei Protonen H in einem Schritt auf, welches sich iiber drei Einheiten der Abszissenachse erstreckt (siehe Kurve B, Fig. 1, Artikel Komplexone XVIl)). Der pH-Unterschied zwischen den Punkten: g = j - und g = j + 1/2 sowie zwischen g = j + 1/2 und g = j + 11/, betragt dann nur 0,233 Einheiten. Hier gibt es zwei Zwischenstufen HjZ und Hj+lZ, deren Gleichgewichtskonzentrationen vernachlassigbar sind, und drei individuelle Basizitatskonstanten

die nicht mehr einzeln messbar sind, so dass nur deren Produkt be- kannt wird.

1st der Fall von drei Protonon in einem Schritt rein verwirklicht, so vereinfacht sich die Rechnung, weil die Zahl der am Gleichgewicht teilnehmenden Partikeln kleiner ist. Besonders vie1 Rechenarbeit be- reiten aber die Kurven, die nicht ganz dem Extrem entsprechen, bei denen also das entsprechende Puffergebiet wohl sehr flach, aber doch etwas steiler ist als 0,233 pH-Einheiten pro g-Einheit. Derartige Kur- ven haben wir besonders oft beim Tetramin ,,trien" angetroffen (so z. B. Kurve D der Fig. 1, die gestrichelt eingezeichnete Kurve ent- spricht dem Extremfall drei Protonen in einem Schritt). In einem sol- chen Fall fuhren die s. 952 beschriebenen Naherungsverfahren nur langsam oder nicht zu den Losungen, so dass man besser zum rein algebraischen Verfahren greift und je drei Wertepaare von g, [HI in Determinanten einsetzt und diese auflost, was natiirlich mehrmals zu geschehen hat, damit man Mittelwerte bekommt.

c) Die Aqu iva len tku rven entstehen bei der Neutralisation eines iiquimolekularen Gemisches von H,Z+m und M. Da die Kon- zentration [MI der freien Metallionen dabei nicht konstant ist, ge- horcht die Kurve der Gleichung (13') nicht. Hingegen ist auch diesmal die Annahme gestattet, dass sich keine Komplexe mit mehr als einem Z pro Partikel bilden werden, und gleicherweise werden keine bimetal-

[) H . Ackermann & G . Schwarzenbach, Helv. 32, 1543 (1949).

Volumen XXXIII, Fasciculus IV (1950) - No. 127. 959

lischen Komplexe auftreten. Die Gleichungen (8), (9) und (10) nehmen deshalb die folgende Gestalt an:

in-1 [M]t = c = [MI+ C[MHjZJ

j = o

[at = c = z [ H j Z ] + E i M H j Z ] I - 0 j = O

(9“)

m m - 1 [HIt = c * g = z j * [ H j Z ] + z j * [ M H j Z ] . (10”)

Es ist wenig giinstig, diese drei Gleichungen zu einer einzigen zusammenzuziehen, die neben den experimentellen Bestimmungs- stiicken c, g und [HI nur noch die gesuchten Bildungskonstanten ent- halt, da die Ausdriicke dabei sehr kompliziert werden. Hingegen ist es moglich, die Aquivalentkurve auszuwerten, wenn die Erfahrung aus der tfberschusskurve beigezogen wird. Eine vollstandige Uber- schusskurve liefert wie gezeigt worden ist, die Bildungskonstanten

j = l j = l

KEz, K:,,, KzHZz usw.

Damit sind auch die Basizitatskonstanten der Komplexe bekannt :

Wir konnen also ausrechnen, wie sich Z und MZ uber die ver- schiedenen Aciditatsstufen verteilen, so dass folgende Substitution moglich wird :

Die Gleichungen (8 ” ) bis (10”) erhalten durch diese Substitution die folgende einfache Form:

(21) I c = [M]+y*[M,Z] c = a.[HPZ] +y-[MH,Z]

g . c = P.[H,Z]+S.[MH,Z]

960 HELVETICA CHIMICA ACTA.

so dass man die Konzentrationen [MI, [H,Z], [MH,Z] leicht ausrechnen kann, womit die Gleichgewichtskonstante K,, der folgenden Aus- tauschreaktion erhalten wird :

M+H,Z + M H , Z + ( ~ - Y ) H . (IV) Die Zahlen fur ,u und Y konnen beliebig gewahlt werden, z. B.

kann man sie auch 0 setzen, womit K,, direkt identiseh wird mit der Rildungskonstanten KEz. Es ist aber gunstiger, als HpZ und MH,Z gerade diejenigen Partikeln zu wahlen, welche im pH-Rereich des Puffergebietes der Aquivalentkurve in der grossten Konzentration vorkommen. Dann stellt die Reaktion (IV) den hauptsachlichsten Pufferungsvorgang der Aquivalentkurve dar, was eine leichtere Kon- trolle der Richtigkeit der Rechnung ermoglicht und weiter die An- nehmlichkeit mit sich bringt, dass alle drei Partikelkonzentrationen in (21) von derselben Grossenordnung sind.

Aus K,, wird dann naturlich die Bildungskonstante irgendeines der Metallkomplexe leicht erhalten, z. B. diejenige von MZ folgendermassen :

Diese oder die Bildungskonstante irgendeines anderen der Metall- komplexe MHjZ kann derart aus jedem Punkt des Puffergebietes der Aquivalentkurve erhalten werden. Man darf rnit dem Resultat zu- frieden sein, wenn die Zahlen, die man aus verschiedenen Punkten er- halt, miteinander ubereinstimmen und sie zudem identisch sind mit dem Ergebnis der Auswertung der Uberschusskurve.

Schliesslich sol1 noch betont werden, dass Gleichungen vom Typus (21) nicht nur fur Aquivalentkurven eingesetzt werden konnen, sondern auch fur die Uberschusskurven. Man hat dann nur in der ersten dieser drei Gleichungen [MI, statt c einzutragen. Sobald [MI, jedoch kleiner wird als [Z],, d. h. bei den Unterschusskurven, kommen neue Glieder hinzu.

Fur den eben beschriebenen Weg der Auswertung einer Kurve ist es jedoch notwendig, Kenntnis zu haben von samtlichen Basizitats- konstanten K&,z. Wie gezeigt wurde, kann man diese Konstanten alle aus der tTberschusskurve gewinnen, aber naturlich nur dann, wenn diese vollstandig aufgenommen werden kann. Beim Triamin ,,ptn" war es nun nicht moglich, fur alle Metalle vollstandige Uberschusskurven zu gewinnen, da Metallhydroxyd auszufallen begann. Auf diesen Fall muss dann im Artikel V dieser Serie noch eingegangen werden.

d) Unterschusskurven wurden einzig bei den Triaminen ,,den" und ,,ptn" aufgenommen, und zwar rnit dem Verhaltnis [Z], :[MI, =

2 : 1. Man kann derartige Kurven praktisch nur dann auswerten, wenn im Puffergebiet hochstens zwei Metallkomplexe berucksichtigt werden mussen. Es hat sich gezeigt, dass man das bei den Systemen mit ,,den" tun darf, weil hier keine Hydrogenkomplexe gebildet werden, sondern

Volumen XXXIII, Fasciculus IV (1950) - No. 127. 961

einzig M(den) und M(den,). Die Gleichungen ( 8 ) , (9) und (10) nehmen dann die folgende Gestalt an:

[Mlt = c/2 = [M]+[MZ]+[MZ], (8"') i = m

[Z]t = c = ZHjZ] + [MZ] + 2 [MZ,] j = O

j = m

j = O [HI, = c- g = cj. [HjZ] .

(9"')

(10"')

Fur die beiden lrummen nehmen wir wieder eine Substitution gemiiss (20) vor, wahrend [MJ mit Hilfe der Bildungskonstanten K& ersetzt wird, welche aus der nberschuss- oder der Aquivalentkurve bekannt ist. Dann erhalt man:

c = a' [H,Z] + [ M Z ] + 2 [MZ,] c ' g = B-[H,zl

Damit konnen die drei Konzentrationen [H,Z], [Me] und [MZ,] be- rechnet und fur jeden Punkt der Unterschusskurve die Gleichgewichts- konstante der Reaktion (V) und damit die Bildungskonstante KZZ3f, er- halten werden.

H,Z+MZ -+ MZ,+,u.H. (V) Wenn im Puffergebiet der Unterschusskurve aber nicht nur MZ

und MZ, als Metallkomplexe, sondern noch Hydrogenkomplexe, wie MHZ, MHZ, und MH,Z, zu beriicksichtigen sind, wird die Auswertung ausserordentlich kompliziert. Das ist bei der Bildung der Komplexe des Triaminopropans ,,ptn" der Fall, wo es uns einzig beim Cu.. ge- lang, die Bildungskonstanten der nohern Komplexe auszurechnen. Hier gelingt es deshalb, weil die Bildung yon Cu(Hptn) und Cu(Hptn), in einem vie1 tiefern pH-Bereich stattfindet als die Neutralisation die- ser beiden Komplexe zu Cuptn, CuR(ptn), und Cu(ptn),.

B. Grenzen der Anwendbarke i t und Genauigkei t . Die beschriebenen Methoden der Ermittlung von Komplexbil-

dungskonstanten aus exakt aufgenommenen Neutralisationskurven konnen naturlich nur angewandt werden, wenn bestimmte Voraua- setzungen erfullt sind. Erstens ist zu sagen, dass die Puffergebiete, die ausgewertet werden sollen, innerhalb der pH-Grenzen von etwa 3 nnd 11 liegen mussen. Das ist die Auswirkung von Gleichung ( 3 ) , aus welcher ersehen werden kann, dass bei einer Polyaminkonzentra- tion von ausserhalb des erwiihnten pH- Gebietes nicht mehr alle Werte zwischen 0 und m fur den wahren Neutralisationsgrad g er- halten werden konnen. Bei den Aminen kommen zu hohe pH-Werte allerdings nicht vor, weil sie alle schwache Protonenakzeptoren sind. Hingegen treten pH-Werte unter 3 auf, sobald der entsprechende Me- tallkomplex sehr stabil ist, so dass sich das Gemisch von M und

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962 HELVETICA CHIMICA ACTA.

H,Z+*" wie eine starke Saure verhalt. Derartigen Verhdtnissen sind wir beim Kupfer und Quecksilber begegnet. Wir haben diese Schwierigkeit aber dadurch uberwinden konnen, dass wir das Polyamin nicht rnit dem Metallkation selbst, sondern inverbindung mit einem Hilfskomplexpart- ner umset'zten. Beim Kupfer verwendeten wir als solchen Athylendia- mintetrascetat und beim Quecksilber die Halogenionen C1- oder Br-l).

Wahrend mit Hilfskomplexpartnern auch die Bildungskonstanten sehr stabiler Komplexe de,r Messung zuganglieh sind, kann bei zu kleinen Konstanten nicht viel getan werden. Wegen der Notwendig- keit der Konstanz der ionalen StBrke darf man die Konzentration des Polyamins und des Metalls nicht xu stark steigern. Erstere war stets 10-3 und letztere war bei den Uberschusskurven von der Grossenord- nung von Daraus knnn man entnehmen, dass der Komplex min- destens eine Rildungskonstante von 10 haben muss, wenn er der Er- fassung noch einigermassen sicher zuganglich sein soll. I n der Tat haben die kleinsten von uns noch gemessenen Bildungskonstanten, diejenigen einiger Silberkomplexe, etwa diese Grosse. Bei den ubrigen Metallen liegt die Grenze der Erfassbarkeit viel hoher als bei Silber, namlich etwa bei lo4. 1st der Komplex schwacher, so findet die Komplexbildung erst bei derart hohen pH-Werten statt, dass Hydrosydfiillungen auftreten. Das ist der Fall fur die .Assoziate des Mn und Fe mit den beiden Tri- aminen ,,den" und ,,ptn", wo also keine Zahlen erhaltlich waren.

Die Genauigkeit der von uns berechneten Rildungskonstanten ist schwer a,bzusch&tzen. Man gewinnt daruber einen Anhaltspunkt, wenn man die Streuung der Einzelwerte itus verschiedenen Punkten der Kurven betrachtet. Die Zahl dieser Einzelwerte betrug 5 bis 10. Die Streuung war recht verschieden. Bei vielen Messungen lag sie innerhalb 0,l Einheiten im Loga.rithmus der Konstanten. I n andern Fallen war sie etwas grosser, so dass die Fehlergrenze etwa rnit & 0,l fur den Logarithmus angegeben werden kann.

Zus ammenf a s sung. Die Gleichgewichte, die bei der Komplexbildung zwischen Me-

tallkationen und Polyaminen auftreten, werden allgemein besprochen und es wird gezeigt, wie man mit Hilfe von Neutralisationskurven zu den Bildungskonstanten solcher Komplexe gelangen ka'nn. Die Me- thode ist insbesondere zur Erfassung derjenigen Komplexe geeignet, welche nur eine Polyaminmolekel pro Partikel enthalten.

Die Methoden, deren Theorie in diesem Artikel beschrieben worden ist, haben sich im Laufe der letzten Jahre in Zusammenarbeit mit den Herren Dr. A . Bckerrnann, Dr. J . E. Prue, Dr. A . Willi und Jurg Heller entwickelt. Der Schweiz. Volkswirtschaft.ssti~t~ng und der Chemischen Fabrik Uetikon mochten wir fur Unterstiitzung danken, welche die Teilnahme von zwei der genannten Herren ( P . m d W.) ernioglicht hat.

Zurich, Chemisches Institut der Universitat.

l) H . Ackerrnann & 0. Schwarzenbach, Helv. 32, 1543 (1949).