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Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito METAPHYSIK GRUNDLAGEN WS 09/10 ao. Univ.-Prof. DDr. Winfried Löffler

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Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck

nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito

METAPHYSIK GRUNDLAGEN

WS 09/10

ao. Univ.-Prof. DDr. Winfried Löffler

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Katholisch-Theologische Fakultät Innsbruck

nicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. Braito

Inhaltsverzeichnis

0 TECHNISCHE VORBEMERKUNGEN ................................................................................................... 2

0.1 ZU DEN ÜBUNGSFRAGEN ........................................................................................................................ 2 0.1.1 zur ersten Übungsfrage vom 25.11.2009 ........................................................................................... 2 0.1.2 zur zweiten Übungsfrage ................................................................................................................... 2

0.2 INHALTE DIESER VO............................................................................................................................... 3 0.2.1 generell .............................................................................................................................................. 3 0.2.2 ein Programm .................................................................................................................................... 3

1 PHILOSOPHIE – METAPHYSIK – THEOLOGIE ................................................................................ 3

1.1 „LETZTE FRAGEN“ – DAS AUFGABENGEBIET DER PHILOSOPHIE ............................................................. 3 1.2 ANTWORTMÖGLICHKEITEN AUF LETZTE FRAGEN: MYTHOS UND WISSENSCHAFT ................................. 3

1.2.1 mythologische und wissenschaftliche Rede bei Aristoteles ............................................................... 4 1.3 DAS DOPPELTE ANLIEGEN DER PHILOSOPHIE: WISSENSCHAFTLICH UND WELTANSCHAULICH ................ 4

1.3.1 Weltanschauung ................................................................................................................................ 4 1.4 EIN DEFINITIONSVORSCHLAG FÜR „PHILOSOPHIE“ ................................................................................. 5 1.5 EINE PRINZIPIELLE GRENZE DER PHILOSOPHIE; PHILOSOPHIE UND LEBEN ............................................. 6 1.6 ENGAGIERTES UND REFLEKTIERENDES PHILOSOPHIEREN ....................................................................... 7 1.7 PHILOSOPHIE UND THEOLOGIE ............................................................................................................... 7

1.7.1 Funktionen der Philosophie für die Theologie ................................................................................ 10 1.8 „CHRISTLICHE PHILOSOPHIE“ – ANNÄHERUNG AN EINEN UMSTRITTENEN BEGRIFF ............................. 10 1.9 EINTEILUNG DER PHILOSOPHIE ............................................................................................................. 11 1.10 DER NAME „METAPHYSIK“ .................................................................................................................. 12 1.11 DIE AUFGABE DER METAPHYSIK NACH ARISTOTELES (MET ) ................................................... 12 1.12 „SEIENDES“ ALS GEGENSTAND DER METAPHYSIK ............................................................................... 14 1.13 ZWEI WEITERE VERDEUTLICHUNGEN .................................................................................................... 14 1.14 EIN DEFINITIONSVORSCHLAG FÜR METAPHYSIK .................................................................................. 15

2 MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN VOM GANZEN ZU SPRECHEN: DIE LOGIK DES

BEGRIFFS „SEIENDES“ .................................................................................................................................. 15

2.1 „SEIENDES“ ALS KONKRETER BEGRIFF ................................................................................................. 15 2.2 „SEIENDES“ IST EIN ALLGEMEINER BEGRIFF ......................................................................................... 15 2.3 „SEIENDES“ ALS TRANSZENDENTALER BEGRIFF ................................................................................... 16 2.4 WAS JEDER PHILOSOPH WISSEN MUSS (1): DIE FÜNF PRÄDIKABILIEN, DIE KLASSISCHE

DEFINITIONSTHEORIE UND DIE „ARBOR PORPHYRIANA“ ................................................................................... 16 2.4.1 die fünf Prädikabilien ...................................................................................................................... 16 2.4.2 die klassische Definitionstheorie ..................................................................................................... 16 2.4.3 Arbor Porphyriana .......................................................................................................................... 16

2.5 „SEIENDES“ IST KEIN GATTUNGSBEGRIFF ............................................................................................. 17 2.6 VORÜBERLEGUNGEN ZUR ANALOGIE DES SEIENDEN ........................................................................... 18 2.7 VORGESCHICHTE DER ANALOGIELEHRE ............................................................................................... 18 2.8 EIN DURCHBLICK DURCH DIE MITTELALTERLICHE UND NEUZEITLICHE DISKUSSION ............................ 19 2.9 ANALOGIE DES BEGRIFF „SEIENDES“ ................................................................................................... 19 2.10 DIE PHILOSOPHISCHE BEDEUTUNG DER ANALOGIELEHRE .................................................................... 20

2.10.1 was man über die Fragen in der Philosophie lernen kann ......................................................... 20 2.10.2 warum die Analogielehre wichtig sein könnte ............................................................................ 20

3 DAS SEIENDE UND DAS MÖGLICHE ................................................................................................. 23

3.1 SITZ IM LEBEN ...................................................................................................................................... 23 3.2 WAS JEDER PHILOSOPH WISSEN MUSS (2): FORMALE STRUKTUR VON MODALAUSSAGEN .................... 23

3.2.1 logisches Quadrat der Modalaussagen ........................................................................................... 23 3.3 DIE SUBJEKTIVE POTENZ UND DIE ANALYSE DER VERÄNDERUNG ........................................................ 24 3.4 MAßSTÄBE DER BEURTEILUNG VON MODALITÄTEN............................................................................. 25 3.5 DAS MÖGLICHE UND DAS WIRKLICHE .................................................................................................. 26

4 STRUKTURELEMENTE DER WIRKLICHKEIT (1): KATEGORIENLEHRE .............................. 27

4.1 HINWEISE AUS DER ALLTAGSERFAHRUNG............................................................................................ 27 4.2 DIE KATEGORIENLEHRE DES ARISTOTELES .......................................................................................... 27 4.3 VERSCHIEDENE DEUTUNGEN DER KATEGORIENLEHRE ......................................................................... 28

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4.4 DIE KATEGORIE DER SUBSTANZ () ............................................................................................. 28 4.5 DER ARISTOTELISCHE HYLEMORPHISMUS ............................................................................................. 28

5 STRUKTURELEMENTE DER WIRKLICHKEIT (2): URSACHENLEHRE ................................... 29

5.1 VIERURSACHENLEHRE VON ARISTOTELES ............................................................................................ 29 5.2 DAS METAPHYSISCHE KAUSALPRINZIP ................................................................................................. 30

6 THESENARTIGE ZUSAMMENFASSUNG ........................................................................................... 30

Der wesentliche Einwand gegen die Metaphysik

besteht aus genau zwei Worten: „Na und?“

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Metaphysik Grundkurs

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0 technische Vorbemerkungen - kein wirklich passendes Buch

o vielleicht gelesen haben sollte man Aristoteles’ Metaphysik

- im eCampus sind diverseste Unterlagen zu finden

o falls etwas mit Kennwort versehen wird, lautet dieses „Aristoteles“

o hier findet sich auch ein Skriptum von Prof. Muck

- Prüfung o schriftliches Kolloquium am Ende der VO

o es werden auch zwei Übungspapiere vorgelegt werden, die auch korrigiert werden;

trägt dann 25 % zur Note bei

0.1 zu den Übungsfragen

0.1.1 zur ersten Übungsfrage vom 25.11.2009

Funktion: man braucht einen allgemeinen Begriff, der hat die Funktion über das Ganze zu reden und

Fragerichtungen zunächst offen zu halten; die Abhebung von partikulären, einzelhaften

Fragerichtungen.

Einführung: einführen heißt definieren; beim Seienden gibt es da ein Problem, kein Definieren im

üblichen Sinn, man kann ihn auch nicht über Beispiele und Gegenbeispiele definieren und daher am

ehesten möglich ihn operativ einzuführen, indem man Bezug nimmt auf die Tätigkeitsweisen, auf den

Lebenskontext wo er vorkommen könnte.

Wenn ich solche Fragen stellen will wie „Was hat NatWi mit Moral zu tun?“, „Was ist der

Unterschied zwischen Medizin und Jus?“, dann brauche ich einen allgemeinen Begriff; je allgemeiner

die Frage, desto allgemeiner die Begriffe. Normalerweise sind Begriffe da, bestimmte Schubladen der

Wirklichkeit zu öffnen (zB „materielles Objekt“ bezieht sich auf bestimmte Dinge“), der Begriff

„Seiendes“ hingegen tut das nicht, er erinnert uns daran, dass es eben nur Schubladen sind; er dient

dazu, die umfassende Wirklichkeit ins Gespräch zu bringen und mich zu befähigen, über einzelne

Gattungen hinauszublicken.

Metaphysik: Lassen wir es zunächst mal als Dingsda stehen, und schauen dann weiter, also

allgemeiner kann man gar nicht fragen. Auch Seiende die wir noch gar nicht kennen sind Seiende

(wenn zB ein Wissenschaftler auf der Suche nach Dingen ist die noch nicht bekannt sind, man denke

an CERN, man ist sich gar nicht sicher, ob es sie gibt, aber wenn es sie doch gibt, sind sie genauso

Seiendes; gäbe es sie doch nicht, dann wären sie entia rationis, also gedachte Dinge [es gibt entia

rationis, geteilt in cum fundamento in re und sine fundamento in re; reine Finktion, eine Romanfigur,

ist ersteres, der Masseschwerpunkt eines Steins hingegen ist nicht Nichts, obwohl ich ihn nicht

heraussezieren kann]). Somit ist „das Seiende insofern es Seiend ist“ ein Grenzbegriff, und gemeint ist

keine Schublade, sondern alles, was uns irgendwie begegnen könnte.

unterscheide Sachebene | Gegenstandsebene sowie Reflexionsebene | begriffliche Ebene

(sprachliche Technik sind die Anführungszeichen, zB „Seiendes“) | Sprachebene

missverständliche Ausdrücke: analogia entis (Analogie des Seienden), müsste heißen:

„‚Seiendes’ ist ein analoger Begriff“, „‚Seiendes’ wird vielfältig ausgesagt“; Seinsbegriff (va Muck-

Skriptum) meint Begriff „Seiendes“, er sagt uns was es ausmacht, ein Seiendes zu sein

0.1.2 zur zweiten Übungsfrage

- zu den Beispielen des Aristoteles:

o Sätze in eigentlicher/wesentlicher/substantieller Bedeutung: „Der Arzt heilt“

(gehört zu seinem Wesen)

o Sätze in nebenbei zutreffender/in akzidenteller Bedeutung: „Der Arzt baut sich ein

Haus“ (gehört nicht zum Wesen des Arztes); (in irgendwie bestimmter Hinsicht)

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Metaphysik Grundkurs

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- was er sagen will:

o „Seiendes entsteht aus nichts“: wäre das eine Aussage in eigentlicher Bedeutung

o „Seiendes in einer bestimmten Hinsicht entsteht aus nichts (in einer bestimmten

Hinsicht)“: das ist plausibel; in einer bestimmten Hinsicht ist mein momentanes

Schifahren ein Nichtseiendes, aber wenn ich Schi fahren gehe entsteht das aus nichts,

aber eben nur in einer bestimmten Hinsicht

0.2 Inhalte dieser VO

0.2.1 generell

- manches, was sich Leute wie Aristoteles oder Thomas von Aquin ausdachten, ist von

bleibendem Wert

- eine Trennung wird versucht:

o was ist bleibend brauchbar und

o was gehört wirklich ins 4. vorchristliche oder ins 13. Jh.

- die Grundstruktur unseres Alltagsdenkens ist auch geprägt von den aristotelischen

Denkweisen

- wenn man die Geschichte der Theologie betrachtet, ist diese stark verknüpft mit dem

griechischen Denken – Theologie ohne Philosophie nicht verstehbar?

0.2.2 ein Programm

I. Philosophie – Metaphysik – Theologie

II. Möglichkeiten und Grenzen, vom Ganzen zu sprechen: der Begriff „Seiendes“, seine Eigenart

und die Analogielehre

III. das Seiende (ens bzw. ) und das Mögliche

IV. Strukturelemente der Wirklichkeit (1): Kategorienlehre

V. Strukturelemente der Wirklichkeit (2): Ursachenlehre

VI. Reflexion auf Metaphysik

1 Philosophie – Metaphysik – Theologie

1.1 „letzte Fragen“ – das Aufgabengebiet der Philosophie - es gibt eine Reihe von Fragen, die sehr drängend werden können, für die eigentlich keine

Einzelwissenschaft zuständig ist

o zB Was ist denn das, die Welt insgesamt? Ist die Welt eigentlich so, wie wir sie

denken und wahrnehmen? Wäre die Welt auch, gäbe es keine Beobachter? Woher

kommen wir und wohin gehen wir? Warum gibt es eine Welt? Was für ein Ende wird

es mit der Welt nehmen? Was gibt es denn in der Welt alles? Was ist denn wirklich

wichtig im Leben? Was ist der Mensch? Wann beginnt er und wann endet er? Was

sind Zahlen? Was sind Normen, oder Gruppen, oder Mengen? Wie ist es denn mit der

Freiheit, mit Zufall und mit Notwendigkeit? Gibt es einen letzten Grund aller

Realitäten?

1.2 Antwortmöglichkeiten auf letzte Fragen: Mythos und Wissenschaft

- man kann die letzten Fragen einer Antwort zuführen, indem man einen Mythos erzählt, oder

man kann versuchen, sie wissenschaftlich zu beantworten

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- Mythos: eine erzählende, eine bildhafte Form der Weltdeutung, wo wichtige Vorgänge in

der Welt, wichtige Verhältnisse in der Welt, bildhaft gedeutet werden

o solche Mythen gibt es bei vielen Völkern

o im alten Griechenland va Homer und Hesiod (Weltenei, wird ausgebrütet, daraus

entwickelt sich die Welt, …)

o der Mythos bietet eine gewisse Hilfe zur Orientierung

o manche Völker haben auch einen Mythos über das Ende der Welt

o manche Mythen sagen etwas über den Status der Menschen aus

o ist noch nicht ausgestorben – man beachte nur die „Lebenshilfe“-Abteilungen in den

Buchhandlungen

- wissenschaftliche Beantwortung: die Wissenschaft geht argumentativ vor, nicht erzählend;

die Gründe werden ausdrücklich entfaltet, nicht nur bildhaft

- der Übergang von einer mythischen zu einer wissenschaftlichen Weltdeutung ist greifbar ca.

ab dem 6. Jh. v. Chr., bei Thales von Milet

o ist ein fließender Prozess

o sprach man damals von philosophia, war das Wissenschaft an sich (philia ist Liebe,

sophia ist Weisheit)

o erst im Laufe der Zeit haben sich die anderen Wissenschaften verselbstständig und

von der philosophia abgespaltet

o die letzten Wissenschaften die dies taten waren Pädagogik, Soziologie, Psychologie

o vom Mythos zum Logos

- der wesentliche Unterschied: in der Wissenschaft gibt es Argumente, und man kann diese

abwägen und gewichten

o mit Mythen darf man das nicht machen, da darf man nicht hinterfragen und abwägen

1.2.1 mythologische und wissenschaftliche Rede bei Aristoteles

- aus Aristoteles, Metaphysik III, 4; 1000a 9-24

- „Die um Hesiod also und die Theologen (= hier jene, die von der Götterwelt am Olymp

sprechen) gingen nur darauf aus, für sich selbst eine annehmbare Lösung zu finden, und

haben auf uns keine Rücksicht genommen. […] Aber es lohnt sich nicht, Philosopheme (= eine

philosophische Behauptung oder etwas, das so aussieht), die nur in mythischer Form

auftreten, ernstlich zu untersuchen. Dagegen von denen, die eine Begründung ihrer

Behauptung geben, dar man Bescheid verlangen und fragen, warum […].“

1.3 das doppelte Anliegen der Philosophie: wissenschaftlich und weltanschaulich

- Philosophie muss eine ganz eigene Art von Wissenschaft sein (nicht vergleichbar mit

anderen Einzelwissenschaften)

- als Philosoph geht man argumentierend und begründend vor (was für jede Wissenschaft

gilt)

- man muss auch seine Behauptungen der Kritik anderer aussetzen

- man darf nur solche Begründungen vorbringen, die Anderen auch prinzipiell zugänglich sind

(also nicht „weil’s so ist“)

1.3.1 Weltanschauung

- meist assoziiert man damit ein religiöses oder politisches Manifest

- hier wird das anders verstanden

o dazu gehören auch die banalsten Alltagsüberzeugungen

- es ist eine lebenstragende Überzeugung, ja sogar ein Bündel davon

- Funktion: Ansicht, welche Stellung und welche Bedeutung alles hat

- eine Weltanschauung hat eine theoretische und eine praktische Funktion

- sie hat deutende und bewertende Elemente

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- jeder hat eine solche Weltanschauung

- auch die Selbstverständlichkeit des Alltages

o wir machen einen Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Objekten

o wir setzen auch voraus, dass diese dieselben geblieben sind

o man setzt Naturgleichförmigkeiten voraus (dass zB die Kaffeemaschine heute genau

dasselbe macht wie bisher)

- Weltanschauungen erwirbt man schon durch das Aufwachsen und Mitleben in einer Welt,

durch die Übernahme von Anderen (wird nicht besprochen, Übernehmen durch Sozialisation,

Einübung)

o funktioniert normalerweise auch problemlos

- funktioniert idR klaglos und unauffällig

- sie kann unterschiedlich vollständig sein

o zB ein geschätzter Bekannter hängt nur noch an lebenserhaltenden Maschinen und es

besteht keine Hoffnung auf Erlangen eines Bewusstseins

o zB man liest etwas von Teleportationsexperimenten: wenn Photonen an zwei Orten

gleichzeitig sein können, was folgt daraus? Ist der Grundsatz falsch? Sind Photonen

vielleicht anders?

- sie kann auch unterschiedlich ausdrücklich sein

o kann unausdrücklich (= implizit) und einfach die gelebte Weltanschauung sein

(jeder hat eine gelebte Weltanschauung, sogar Kinder ab einer gewissen geistigen

Reife)

o kann entfaltete/ausdrückliche (= explizit) sein, wo man Rechenschaft für die Sicht

bestimmter Dinge ablegt (muss man nicht haben, viele haben weder das Bedürfnis

noch die Not darüber nachzudenken)

o kann offiziös sein (zB Parteiprogramme, Katechismen, …), wo eine Weltanschauung

niedergeschrieben ist

- kann auch widersprüchlich sein

- Zusammenhänge:

o sapientis est ordinare

o der Weise versteht die Dinge einzuordnen

1.4 ein Definitionsvorschlag für „Philosophie“ Philosophie ist der systematische Versuch, aus eigener Einsicht (= eigenes Verstehen) die

Zusammenhänge von allem zu verstehen. Philosophie benützt die Resultate fremder Versuche in

methodischer Weise. (P. Otto Muck SJ)

- der systematische Versuch

o eine Wissenschaft, methodische Standards, systematisches Vorgehen

o es gibt ja auch andere Formen, die Zusammenhänge von allem zu verstehen (zB

Unterschied zur Kunst etc.)

- der systematische Versuch

o keine fertige Theorie oder endgültige Antwort

es gibt Teildisziplinen mit einem sehr hohen Konsensgrad, zB Logik

o eher eine Tätigkeit ( Wittgenstein)

o Bezug zur Weisheit () und zum Leben

- aus eigener Einsicht

o Unterschied zu Religion (man setzt hier sein Vertrauen auf jemanden oder etwas)

o Unterschied zu Ideologien etc. (fragt man bei politischen Ideologien zu viel wird man

keine große Karriere in der Partei machen)

- Zusammenhänge von allem

o bereichsüberschreitende Fragen sind typisch Philosophisch

o zB gibt es Gegenstände der Physik? Fragen der medizinischen Ethik

- Resultate fremder Versuche

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o wichtiger als in anderen Disziplinen (was alte Philosophen gesagt haben; in Chemie

wird man über die Geschichte der Chemie eher wenig hören – ist dort nicht rasend

interessant, ganz anders in der Philosophie)

früher getroffene Unterscheidungen sind heute oft höchst nützlich

o Fragestellungen, Differenzierungen, … aus früherer Zeit sind sehr nützlich

- in methodischer Weise

o keine simplen Autoritätsargumente („aber Aristoteles/Hume/Kant … sagte doch,

dass …“)

o Philosophie ≠ Philosophiegeschichte

bestimmte Begriffe wandern in das allgemeine Bewusstsein ein, zB das Wort

„Substanz“, „Subjekt“, „Objekt“, … (irgendwann haben irgendwelche

Philosophen diese Begriffe präzisiert)

zB „conditio humana“ und meint eine allgemein menschliche Erfahrung

(Liebe, Hass, Eifersucht, Karrierestreben, …)

man sollte sie auch kennen, damit, wenn man schon Irrtümer begeht, man

neue Irrtümer begeht

man darf nicht etwas blind aus der Geschichte nehmen, also keine

Autoritätsargumente

es könnte ja sein, dass sich die Bedeutung von Wörtern verschoben hat

spricht Aristoteles von „Bewegung“, hören wir heute im

Wesentlichen Ortsbewegung (zB einen Arm bewegen); bei

Aristoteles meint das aber Veränderung iwS

spricht Aristoteles von „Sklaverei“ ist das heute anstößig, wir haben

einen historischen Hintergrund, va in Amerika; bei Aristoteles gibt es

aber „Sklaven von Natur aus“, der Sklave im Haus hat oft die Kinder

unterrichtet, das war oft so etwas wie ein Knecht oder ein

Hausangestellter, der halt ans Haus gebunden war

man muss das Zeitgebundene (das Weltbildgebundene) unterscheiden vom

bleibend Gültigen

Aristoteles glaubte, der Himmel bestehe aus gläsernen Sphären die

ineinander geschachtelt sind, die sich drehen, die Löcher haben, und

hinter diesen Kugeln ist es Hell, das Licht sind die Sterne

1.5 eine prinzipielle Grenze der Philosophie; Philosophie und Leben

- wir alle haben eine Weltanschauung, die wird mehr oder minder entfaltet und durchdacht

sein

o das wird aber nicht durch Philosophie und Theologie ersetzt, die Weltanschauung

wird nicht ausgetauscht

o ein Philosophiestudium kann immer nur eine Anregung zum eigenen Nachdenken

sein, eine Hilfe, dass die Weltanschauung reift, aber es ist nicht so, dass Lehrende

etwas in unsere Köpfe kopieren können

o dieses Nachdenken bzw. Reifenlassen kann mitunter auch mühsam und schmerzhaft

sein

- Philosophie ist kein Ersatz für das Leben, für die eigene Weltanschauung

o so ähnlich wie Theologie kein Ersatz ist für das religiöse Engagement

o am geistigen Schlaraffenland einer Fachbibliothek kann man sich auch überfressen

- Philosophie kann nicht eine bestimmte sittliche Haltung generieren und die Bereitschaft

danach zu leben

o das Zusammenstimmen von Behauptungen und Zeugnis muss man sich selber

anerziehen

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1.6 engagiertes und reflektierendes Philosophieren - Doppelanliegen der Philosophie:

o Wissenschaftlichkeit

o Weltanschauung (getrieben von einem Antwortstreben)

- diesem doppelten Anliegen entsprechen auch die verschiedenen Formen von Philosophie, die

angeboten werden

o in der Bibliothek findet man predigartige, literarische, formalisierte, … Bücher

o manche Philosophen betonen mehr das eine Anliegen, manche das Andere

- Unterscheidung von engagiertem und reflektiertem Philosophieren

o engagiert: weltanschauliches Moment im Vordergrund

engagiertes Philosophieren will bestimmte Thesen verteidigen, bestimmte

Auffassungen begründen, möglichst plausibel erscheinen lassen

extreme Fälle: Beherrschung durch den Marxismus; wenn man versucht,

politische Ideologien philosophisch zu verteidigen

o reflektiert: wissenschaftliches Moment im Vordergrund

denkt eher nach, analysiert Begründungen, gewichtet Argumente;

Verteidigung oder Begründung steht nicht so sehr im Vordergrund

extreme Fälle: sieht man sich Logikbücher an, sind sie meist sehr stark

reflektierend, es wird analysiert, aber nichts bestimmtes verteidigt

1.7 Philosophie und Theologie - Theologie ist das wissenschaftliche Bemühen um das Verständnis des Glaubens (einer

Religion)

o Theologie ist ein wissenschaftliches Bemühen (Begründungen, Mittel des Vorgehens

müssen geklärt werden)

o Glauben: Theologie unterscheidet sich von anderen Disziplinen, dass sie die

Annahme von Offenbarungsquellen voraussetzt

o Verständnis des Glaubens:

theoretische Seite: man stellt die Inhalte systematisch zusammen

praktische Seite: man versteht die christliche Lebensform richtig, aber auch

zB Verständnis der Institutionen

- und das hat einige Ähnlichkeiten mit Philosophie

o auch die Theologie ist ein reflektierendes Bemühen

o Theologie ist kein Ersatz für das religiöse Engagement

o auch Philosophie hat mit letzten Fragen zu tun

- es gibt auch einige Unterschiede

o in der Philosophie beruft man sich auf eigene Einsicht, während die Theologie

Offenbarungsquellen grundlegend haben

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- der erste ganz große Philosoph der griechischen Antik ist Platon; von dem Vielen das er

schrieb sei hier nur die Ideenlehre erwähnt

o Platon hat sich gewundert über ein paar Phänomene, zB was eigentlich vorgeht wenn

wir den Satz „Das ist ein Baum.“ oder „Der Baum ist grün.“ nehmen; warum

verstehen wir solche Sätze? Warum verstehen wir Wörter wie „Baum“ oder „grün“

o wir verstehen so etwas wie die Idee des Baumes, oder die Idee des Grün

o aber warum verstehen/erkennen wir Situationen, in die wir noch nie geraten sind oder

die wir noch nie gesehen haben (zB warum können wir mathematische Probleme

lösen, die wir noch gar nie bearbeitet haben)

o er war der Ansicht, weil wir schon die Idee habe, die Konfrontation mit zB dem Baum

ist nur der Auslöser dafür, dass wir uns an die Idee erinnern

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Metaphysik Grundkurs

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o metaphysische Seite: er war der Meinung, dass die Ideen auch in höherer Weise

existieren

was eigentlich existiert sind die Ideen

die innerweltlichen Dinge sind eigentlich nur schlechte Kopien

- Platons Schüler Aristoteles war sehr viel erdverbundener

o hier findet man die Lehre des Seienden (ist alles was existiert)

o auch die Unterscheidung Substanz und Akzidens

o und die Vier-Ursachen-Lehre

- Jesus war kein Philosoph, das AT auch keine philosophische Schrift

o Koh, Weis sind zur damaligen Zeit etwas populärphilosophisch beeinflusst

- im NT ähnlich

o man findet Ansätze in mehreren Richtungen, bei Paulus zB in Röm 1 (Idee, dass auch

die Heiden Gott erkennen können aufgrund seiner Spuren in der Welt), 2 Kor

(Auseinandersetzung mit neuplatonischen Tendenzen in Korinth)

o Warnung von Philosophen, besonders eine Warnung vor denen, die kosmische Kräfte

verehren

- in den ersten Jahrhunderten hatten verschiedenste Populärphilosophien große Konjunktur,

va der Neuplatonismus

o spekulativ ausgebaut

o später ist die Synthese von philosophischem und christlich-jüdischem Denken oft

polemisiert worden (va durch Luther)

o wenn man heute die Inkulturation des Christentums wichtig findet muss man es so

erklären, dass die Leute es dort verstehen, und die Hellenisierung war so etwas in der

Art

- Hl. Augustinus mit größter Wirkung

o er wurde der ganz entscheidende Autor für das MA

o die höchste Idee ist so etwas wie Gott

- Aristoteles überlebte im arabischen Raum

- Hl. Anselm von Canterbury

o Frühscholastiker

o Dialektiker (Logik und Erkenntnistheorie) und Antidialektiker (es gab durchaus

manche, die die Philosophie verteufelten)

- das spätrömische Recht kam wieder, ebenso wie Aristoteles Schriften

o damit hatte man plötzlich einen riesigen Bestand an neuen Schriften

- Scholastik begann damit

o Theologie wird zu einer umfassenden systematischen Wissenschaft

o kompletter Aristoteles wird wieder bekannt

o seine Schriften wurden begierig übersetzt, aus dem Arabischen und Griechischen ins

Lateinische, und damit setzt die Hochscholastik an

o der wesentliche Autor ist der Hl. Thomas von Aquin

o der Prozess der Aristotelesrezeption ging nicht reibungslos vor sich

viele Theologen hatten Angst

- gegen Ende der Hochscholastik entsteht die Franziskanerschule

- die Reformation hat sich in großen Teilen Deutschlands durchgesetzt, es gab auch

protestantische theologische Fakultäten

o es entwickelte sich so etwas wie eine protestantische Scholastik, weil sie feststellen

mussten, dass es ohne Philosophie nicht geht

o va in Spanien hat Scholastik länger gelebt, in der Spätscholastik

- eine wesentliche Epoche der westlichen Philosophie ist Rationalismus, Empirismus, I.

Kant, Idealismus

o was in dieser Zeit an Philosophie an den Fakultäten getrieben wurde, ist weitgehend

unbekannt

- die große Vereinheitlichung kam erst Mitte des 19. Jh., was Neuscholastik genannt wird

o ging von Italien aus

o vieles davon war auch ziemlich religionskritisch

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Metaphysik Grundkurs

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o wenn man sich nicht mehr auskennt geht man zurück auf Bewährtes, wie Thomas von

Aquin und andere Scholastiker

o das hat sich in einigen Jahrzehnten durchgesetzt

o ein Höhepunkt ist die Enzyklika von Papst Leo XIII., Aeterni Patris, 1879, wo er

empfiehlt, die Philosophie von TvA als angemessen zu erachten

o lebte etwa bis zur Mitte des 20. Jh.

o auch die Neuscholastik ist nicht so einheitlich wie oft geglaubt

o man begann auch die anderen Scholastiker wieder zu lesen (war ja politisch brisante

Zeit)

- ab der Mitte des 20. Jh. setzt eine massive Metaphysikkritik ein (logischer Positivismus,

Wiener Kreis), wobei Rudolf Carnap der wichtigste Autor ist

o auch Existenzphilosophie (Jean Paul Sartre, Albert Camus)

o viele sagten, Metaphysik ist überflüssig, weil der eigentliche Wirklichkeitszugang ja

die Naturwissenschaften sind (W.v.O. Quine propagierte das sehr stark)

o eine zweite Linie: va die Existenzphilosophen sagten, Metaphysik ist potentiell

regressiv und unterdrückend, stellt Denkverbote auf

o dritte Linie: die Behauptungen der Metaphysik seien unüberprüfbar

o analytische Philosophie: Sprachanalyse, logische Mittel; in der frühen analytischen

Philosophie (50er bis 60er) war Metaphysik praktisch tot

o P.F. Strawson schrieb das Buch „Individuals – An Essay In Descriptive Metaphysics“:

das war der Beginn der neuen Metaphysikwelle in der analytischen Philosophie

o ein anderer Ansatz war die katholische Maréchalschule (Joseph Maréchal SJ), die

eine Synthese zwischen Kant und der Scholastik zu erzeugen suchte

Kant war einer der Philosophen, die im katholischen Raum verboten war

Karl Rahner SJ war ein Schüler dieser Schule, ebenso zB Otto Muck SJ

- heute gibt es nicht mehr einen philosophischen Superhelden

o Theologen versuchen heute bei verschiedensten Schulen ihr Heil zu finden

1.7.1 Funktionen der Philosophie für die Theologie

- es scheint eine dreifache zu sein:

o vorbereitende Funktion

weil die Philosophie Einsichten liefert, die man brauchen kann, zB Einsichten

über die Reichweite der Erkenntnis, Einsichten was ein gutes Argument

ausmacht

o inhaltliche Funktion

die Herausarbeitung letzter Fragen ist eine inhaltliche Funktion, dh die

Philosophie reißt den Ackerboden auf, bringt die Fragen ans Tageslicht, stellt

die Fragen, auf die es theologisch eine Antwort geben könnte

o methodische Funktion

die Philosophiegeschichte hat allerlei erzeugt, was auch in die Theologie

eingezogen ist, zB die Transsubstantiation bei der Eucharistie, Christus als

eine Person in zwei Naturen, … dh man kann heutige Theologie ohne

philosophisches Begriffswerkzeug nicht verstehen

1.8 „christliche Philosophie“ – Annäherung an einen umstrittenen Begriff

- in den ersten Jahrhunderten bezeichnete philosophia christiana die christliche Lehre

o man wurde ja ursprünglich als eine neumoderne Philosophenschule wahrgenommen

o auch unter den christlichen Schriftstellern findet man Thesen, dass das Christentum

die bessere philosophia sei

- im beginnenden 20. Jh. gab es eine heiße Diskussion über den Ausdruck „christliche

Philosophie“

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- 11 -

o sei doch so etwas wie ein hölzernes Eisen: ist etwas Philosophie, darf es nicht einer

Religion verbunden sein, dann ist es Theologie;

o ist es Christiana dann ist es nicht Philosophia und umgekehrt

- mögliche Bedeutungen von „christlicher Philosophie“

o unumstritten: historische Epochenbezeichnung (zB christliche Philosophie des MA)

o umstritten: sachliche Bezeichnung

eher engagierte Variante („augustinische Variante“):

möchte eine christliche Gesamtschau der Wirklichkeit erwirken, unter

der Voraussetzung das Glaubensbekenntnis sei wahr

Vertreter Alvin Plantinga („Augustinian Christian Philosophy“,

„Advise to Christian Philosophers“)

eher reflektierende Variante: („thomistische Variante“):

spezielle Offenheit für theologische Fragen

man würde für philosophisch offen bleibende Fragen christliche

Antworten suchen

der christliche Philosoph thomistischer Prägung glaubt auch, dass es

bkeinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Glauben und

Vernunft gibt

unterscheide: „thomanisch“ oder „thomasisch“ meint wirklich die

Philosophie Thomas von Aquin’s, „thomistisch“ meint,

gewissermaßen in dessen Fahrwasser zu schwimmen

o will man den Begriff beibehalten, ist die eher reflektierende Variante sicher

aussichtsreicher, wenn man vielleicht mit Menschen sprechen will, die

weltanschaulich ganz woanders stehen, sollte man nicht zu viele Vorleistungen

verlangen

- es gibt auch keine voraussetzungsfreie Philosophie, man kann es nicht ausblenden

o gerade jene, die eisern behaupten voraussetzungsfrei zu philosophieren, sitzen meist

einem irren Reduktionismus auf

1.9 Einteilung der Philosophie - ist wiederum eine dreifache:

o Logik: Frage nach der Reichweite unserer Erkenntnis

Logik im engeren Sinne

Erkenntnistheorie

Sprachphilosophie

Hermeneutik

Wissenschaftstheorie

o Metaphysik: die Stellung des Einzelnen in der Gesamtwirklichkeit

Philosophische Theologie bzw. Gotteslehre

Naturphilosophie (?) Wissenschaftstheorie?

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- 12 -

allgemeine Ontologie

philosophische Anthropologie („Philosophy of Mind“)

o Ethik: Maßstäbe für richtiges Handeln

allgemeine Ethik

angewandte Ethiken (zB Medizin-, Umwelt-, Medien-, Wirtschaftsethik, …)

Rechtsphilosophie

politische bzw. Staatsphilosophie

1.10 der Name „Metaphysik“ - 14 Bücher der Metaphysik des Aristoteles

o er lebte * 384, † 322 v. Chr.

o es gibt eine deutsche Übersetzung; die billigste und einigermaßen akzeptable

Übersetzung ist die Reclamversion

o Charakter dieser Schrift: sie sind eine bunte Sammlung von Entwürfen, oft von

seinen Vorlesungsspickzetteln, zT Schülermitschriften, …

o Zitieren von Aristoteles: Akademieausgabe von E. Bekker; die Zitierweise dieser

Akademieausgabe ist bis heute maßgeblich auf der ganzen Welt

zB Aristoteles, Metaphysik IV bzw. [Buch], 1 [Kapitel], 1003a [Seite und

Spalte in der Bekkerausgabe] 21f [Zeile/n]

die Bücher der Metaphysik werden so gezählt:

(Achtung auf das kleine , denn somit ist das vierte

Buch und nicht , sonst gibt es keine Kleinbuchstaben)

alle damals verfügbaren Aristotelestexte wurden in dieser Akademieausgabe

gesammelt

- der Name „Metaphysik“ kommt in diesen Schriften interessanterweise nirgends vor

o Aristoteles redet eher von , auch von der ersten Wissenschaft (prote episteme),

auch von erster Philosophie (prote philosophia)

o mögliche Gründe, warum es heute so heißt:

bibliothekarisch: es gab einen Aristoteleskommentator namens Andronikos

von Rhodos (1. Jh. v. Chr.), und bei ihm findet man die Bezeichnung

„“ (~ „die Bücher hinter den physikalischen Büchern“),

also man stellte seine Bücher hinter physikalische Bücher

didaktisch: kommt hinter die Physik, weil es schwieriger ist

sachlich: seit Simplikios (6. Jh. n. Chr.) greifbar; These, dass es in diesen

Büchern um Dinge geht, die hinter der Physik sind, also eine Art

übersinnliche dinge

o im Lateinischen erstmals bei Boëthius fassbar, die „metaphysica“ als eigener Bereich

o im Schulrationalismus des 17. Jh. zerfiel die Metaphysik in

metaphysica generalis: „ontologia“ (Lehre vom Seienden) allgemeine

Metaphysik bzw. Ontologie

metaphysica specialis

cosmologia (rationalis) Astrophysik, Naturphilosophie

psychologia (rationalis) Pychologie, Philosophy of Mind

theologia (rationalis/naturalis) Philosophische Gotteslehre

1.11 die Aufgabe der Metaphysik nach Aristoteles (Met ) - Name(n) für diese Wissenschaft

o , eine theoretische Wissenschaft (es gibt theoretische/betrachtende [eine, die

die Dinge untersucht und betrachtet, ohne ein Veränderungsinteresse zu haben, zB

Astronomie], praktische [jene, die auch über die Ziele des Menschen nachdenken; die

zB darüber nachdenken, was ein gutes Leben ausmacht, zB Ethik] und

bewirkende/poietische/herstellende [Wissenschaften wie Agronomie, Informatik,

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- 13 -

technische Wissenschaften; sie sagen uns, wie man Ziele am besten verwirklicht, aber

sie reflektieren nicht die Ziele an sich] Wissenschaften), wie zB auch Mathematik

und Physik (Physis ist die Natur der Dinge; iSv Natwi. allgemein); Theologie; erste

Philosophie; göttliche Wissenschaft;

- Verhältnis zu anderen Wissenschaften

o höher; besser; vom Allgemeinen; keine Zusammenfassung der Einzelwissenschaften

- Wovon handelt sie

o vom Seienden insofern es Seiendes ist; vom Allgemeinen; vom im höchsten Grade

Wissbaren; von ersten Prinzipien und Ursachen; von Gott und vom Göttlichen; vom

Abgetrennten und Unbewegten

o Ursachen vom Allgemeinen

o von Gott und vom Göttlichen auch die Frage nach Gott ist ein Aspekt der Metaphysik, eine ganz wichtige

Weichenstellung

o vom Seienden insofern es seiend ist (= vom für-sich-Seienden)

METAPHYSIK Wissenschaft vom Seienden insofern es Seiendes ist

ens

qua

ens

Materialobjekt

(Gegenstandsbereich)

Formalobjekt

(spezielle Rücksicht)

zB Medizin Mensch insofern er in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt und heilbar ist

zB Soziologie Mensch insofern er sich im gesellschaftlichen Kontext

bewegt

- er unterscheidet zwischen Wissenschaft (episteme) und Faktensammlungen (historia)

o eine Wissenschaft handelt immer von allgemeinen Zusammenhängen

o eine Faktensammlung handelt von konkreten einzigartigen Fakten

o omnis scientia est de universalibus (Wissenschaft handelt von allgemeinen

Zusammenhängen)

- Seiendes, insofern es Seiendes ist

von obersten Prinzipien + Ursachen ( voraussetzungsreicher)

von Gott ( noch voraussetzungsreicher)

- Seiendes ist – vorläufig definiert – alles was jemals irgendwie interessant sein kann; auch was

ich nicht weiß ist Seiendes, ja sogar das Mögliche ist Seiendes

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- 14 -

1.12 „Seiendes“ als Gegenstand der Metaphysik - Seiendes ist irgendwie alles

- das Problem: das Wort „Seiendes“ ist nicht im Zuge einer normalen Definition definierbar

- mögliche Definitionswege:

o klassisch: definitio fit per genus proximum et differentiam specificam (durch

Oberbegriff mit artbildendem Unterschied); beim Seienden gibt es keinen

Oberbegriff, also wird dieser Weg nicht funktionieren

o durch Beispiele und Gegenbeispiele; kann beim Seiendem mangels Gegenbeispiel

nicht funktionieren

o operative Definition: „Seiendes ist alles wonach man fragen kann“ (Corett);

„Seiendes ist alles, was Gegenstand unseres Wissensstrebens werden kann“

(Lonergan); „Seiendes ist alles, was irgendwie relevant in einem Kontext werden

kann“; ist einzig fruchtbarer Weg, das Seiende zu definieren

Gedanke der operativen Definition stammt aus der Physik

- es gibt ens reale und ens rationis (wie zB den eckigen Kreis)

- wie man Seiendes nicht verstehen soll

o Seiendes umfasst nicht nur die vorweisbaren Dinge, nicht nur die alltäglichen

Dinge, sondern auch das Universum, das Sternbild des Kleinen Wagens, … ist ein

Seiendes

o Seiendes umfasst nicht nur die sinnlich zugängigen Dinge, sondern auch zB

Staaten, Normen, Gammastrahlen, Protonen, Relationen (Tatsache, dass der

Bildschirm auf dem Tisch steht), …

o Seiendes umfasst nicht nur das faktisch Existierende, sondern auch zB die mögliche

Pizza die ich heute essen werden

o Seiendes umfasst nicht nur objektartiges, sondern es umfasst auch Eigenschaften

o Seiendes umfasst nicht nur Einzeldinge, sondern auch Abstraktes, wie zB

Kunstwerke, Beethovens 9. Symphonie (existiert auch, wenn sie nicht gespielt wird),

Situationen, Ereignisse, Institutionen, Grenzen, …

o Seiendes ist nicht endzuführen auf Materielles, es ist vielmehr

- die Metaphysik ist keine Wissenschaft vom Übersinnlichen

o Metaphysik ist auch die Wissenschaft von der Wurstsemmel, vom Monitor, vom

Länderspiel, …

o diese Meinung hat zu tun mit dem dritten Grund für das Wort Metaphysik, dass sie

irgendwie die Dinge hinter der Physik angeht

o eben weil dieses Wort oft falsch verstanden wird, reden viele heute von Ontologie

([Seiendes]), womit die Lehre vom Seienden gemeint sein kann, aber

auch der Gegenstandsbereich einer Theorie - Unterschied zwischen „Sein“ und „Seiendes“

o Sein ist das, wodurch Seiendes zum Seienden wird

o ≠ der Mensch ist ein Sein welches …

o Sein ist mehr als das bloße Existieren; es hat mit dem Entstehen zu tun, mit den

begründenden Zusammenhängen

o Sein ist so etwas wie das Eingebundensein in Zusammenhänge

1.13 zwei weitere Verdeutlichungen - Metaphysik als Wissenschaft auf der dritten Abstraktionsstufe

o abstrahieren heißt etwas außer Betracht lassen

o schon bei Aristoteles der Gedanke, dass Wissenschaften abstrahieren und Metaphysik

sich da auf einer dritten Ebene bewegt

o Abstraktion von materia individualis (vom einzelnen, konkreten Gegenstand)

physica (Naturwissenschaften) (also wenn man von den individuellen Eigenschaften

absieht)

o Abstraktion von materia sensibilis Mathematik (wenn man davon absieht, welche

Gegenstandsart das ist, wenn man nur mehr die Zahlenverhältnisse betrachtet)

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- 15 -

o Abstraktion von materia intelligibilis Metaphysik (wenn man davon absieht, um

welche Gegenstände es überhaupt gehen könnte, wenn man allgemein vom Seienden

redet; erfasst auch nichtmaterielles Seiendes, auch Gott, etc.)

- die Metaphysik muss zweifaches leisten: sie rechtfertigt die Grundsätze und Prinzipien

anderer Wissenschaften (wenn sie ordnet) und sie rechtfertigt ihre eigenen Grundsätze

und Prinzipien (sie verteidigt ihre Grundsätze als vernünftig

o zB Nichtwiderspruchsprinzip: ein und derselbe Satz kann nicht zugleich wahr und

falsch sein

o lege ich das nicht zugrunde, komme ich in Probleme: angenommen, jemand sage,

dieses Prinzip gilt nicht, dann hat dieser eine Behauptung gemacht, die den Satz

gerade wieder wahr macht (Verteidigung ≠ Beweis; Literatur: Met 3, 1008a 22ff)

1.14 ein Definitionsvorschlag für Metaphysik - Metaphysik ist jene philosophische Disziplin, die allgemeinste Grundstrukturen der

Wirklichkeit untersucht, besonders das Verhältnis der in verschiedenen Denkbereichen

zugrunde gelegten Gegenstandsbereiche sowie der Zurückführbarkeit auf letzte Gründe.

- historisch wirksam wurde die Beschreibung dieser Aufgabe als „Wissenschaft vom Seienden

als Seienden“, ens qua ens

- das Anliegen der Metaphysik ist auch, Fragen recht offen zu halten, und Dinge einer Sorte

nicht über den Kamm einer anderen Sorte schert (es gibt jede Menge Philosophen, die

behaupten allen Ernstes, es existiere nichts anderes als Materielles, ihre Kinder dann aber

Beethoven studieren lassen)

2 Möglichkeiten und Grenzen vom Ganzen zu sprechen: die Logik des Begriffs „Seiendes“

- wenn Seiendes auf alles passen soll, wird dieser Begriff bestimmte Eigenheiten haben

- im Folgenden geht es um den Begriff „Seiendes“, nicht darum, was Seiendes ist

2.1 „Seiendes“ als konkreter Begriff

2.2 „Seiendes“ ist ein allgemeiner Begriff

- kollektive Begriffe nur aussagbar, wenn man Einzelteile hat

- „Seiendes“ gehört zu den distributiven Begriffen

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- 16 -

2.3 „Seiendes“ als transzendentaler Begriff

- kategorial: „farbig“ ist zB nur sinnvoll anwendbar auf ausgedehnte Begriffe, also ob ein

Punkt farbig ist, ist sinnlos; „wasserlöslich“ können Festkörper, Flüssigkeiten und Gase sein,

aber nicht etwa eine Staatsgrenze; „teuer“ und „preiswert“ passt nur zu Dingen, die käuflich

sind

- transcendere = etwas übersteigen, dh ein Begriff, der die einzelnen Kategorien

überschreitet; „Seiendes“ passt auf Dinge verschiedenster Kategorie

o Transzendentalphilosophie: kann Kant meinen, Karl Rahner, … hat aber mit der

Bedeutung hier von transzendental nichts zu tun

o wichtig, weil man in der Metaphysik die Fragerichtung offen halten will

- zwei Einwände:

o inhaltsleer: Ist ein transzendentaler Begriff nicht inhaltsleer? im Deutschen haben

wir das Wort „ist“ (ok), man kann das Wort „sein“ (auch ok) bilden, aber auch das

Wort „seiend“ (grenzwertig), und wenn man daraus noch „Seiendes“ bildet, ist das

erst recht komisch

Antwort: „Seiendes“ ist ein analoger Begriff ( siehe 2.6-8)

o Funktion: Begriffe dienen normalerweise der Unterscheidung, deshalb sind die

meisten auch kategorial; welche Funktion hat dann ein Begriff, der das nicht tut?

Antwort: „Seiendes“ ist kein Gattungsbegriff ( siehe 2.5)

2.4 was jeder Philosoph wissen muss (1): die fünf Prädikabilien, die klassische Definitionstheorie und die „Arbor Porphyriana“

2.4.1 die fünf Prädikabilien

- „Prädikabilien sind Weisen, wie ein Begriff von einem Gegenstand ausgesagt werden kann;

Weisen, wie ein Begriff auf einen Gegenstand zutreffen kann.“

zB Peter ist

ein Mensch species (Art)

ein Säugetier genus (Gattung)

vernunftbegabt differentia specifica (artbildender Unterschied)

1,85 m groß accidens (nicht notwendige/faktische Eigenschaft)

lachfähig proprium (Wesensfolge?, Eigenart?)

2.4.2 die klassische Definitionstheorie

- „Definitio fit per genus proximum et differentiam specificam.” (Eine Definiton erfolgt durch

die Angabe der nächsthöheren Gattung und des artbildenden Unterschiedes)

o klassisches Beispiel ist die Definition des Menschen: „Homo est animal rationale.“

Homo est animal rationale species genus proximus differentia specifica

2.4.3 Arbor Porphyriana

- Porphylios war ein Aristoteleskommentator, er hat die Kategorienschrift kommentiert; er hat

so etwas wie eine Einführung in diese Schrift geschrieben (), was im MA als Art

Schulbuch verwendet wurde

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- 17 -

- die Idee stammt im Ansatz von Aristoteles selber

- Gattung ist nicht von der Differenz aussagbar

- es gibt nicht nur diesen einen Baum, sondern es gibt zehn Kategorien nach Aristoteles, es

gibt noch neun akzidentielle Kategorien: quantitas, qualitas, locus, tempus, situs, habitus,

actio, passio, relatio

- Seele im aristotelischen Sinn: vegetativ, sensuale und rationale, und diese drei Schichten

machen die Seele aus

o die Pflanzen stoßen bis zur vegetativen Seele, Tiere haben auch eine sensuale Seele,

aber nur die Menschen haben auch eine rationale Seele

2.5 „Seiendes“ ist kein Gattungsbegriff

- „Es kann aber das Eine () so wenig wie das Seiende () eine Gattung der seienden Dinge

sein. Denn die Differenz jeder Gattung müssen sowohl „sein“, wie auch jede Differenz „eine“

sein muss; nun ist es aber nicht möglich, entweder die Arten einer Gattung (rationale est

homo) von den Differenzen auszusagen (rationale est animal) oder auch die Gattung (ohne

Einschränkung auf die betreffenden Arten) von den Differenzen auszusagen. Wenn daher das

Eine und das Seiende Gattungen sind, wird keine Differenz seiend oder eines sein können.“

(Aristoteles, Met. B 3, 998b 22)

- angenommen wir hätten eine Differenz zwischen Seiendem und Substanz, wäre diese

Differenz Seiendes, aber Aristoteles stellt fest, es geht allgemein nicht, dass man die Gattung

von der Differenz aussagen kann, und von daher kann Gattung kein Differenzbegriff sein

- Seiendes will den Unterschied zwischen speziellen Fragerichtungen und der

Gesamtwirklichkeit offen halten

- Seiendes ist also nicht so etwas wie die größte Schublade, die Supergattung oÄ

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- 18 -

2.6 Vorüberlegungen zur Analogie des Seienden - Wörter kennen verschiedene Verwendungsweisen

- wir nehmen oft ein Wort für viele verschiedene Dinge her, zB „gesund“: sagen wir von einer

Person aus, von dem Teint einer Person, von bestimmten Lebensmitteln, von bestimmten

Heilmitteln; dh ein und dasselbe Wort hat ambivalente Verwendungsweisen

- Aristoteles trifft hier eine Unterscheidung: homonym (gleichnamig), synonym (unter die

gleiche Benennung und den gleichen Begriff fallend) und paronym (nachbenannt)

Aristoteles spätere Differenzierung, spätere Terminologie

homonym Wort gleich, Begriff verschieden

kein sachlicher Zusammenhang (zB „Geschoß“)

mit sachlichem Zusammenhang (zB „Mensch“)

äquivok

analog

synonym Wort gleich, Begriff gleich univok

paronym Ableitungsformen

- ein Begriff ist analog, wenn er verschiedenen Gegenständen auf verschiedene Art und Weise

zukommt

2.7 Vorgeschichte der Analogielehre - Platon: man analogisiert zwischen dem was ich wahrnehme, wo ich bin und der Idee;

- Aristoteles: aus pròs hén wurde im Lateinischen analogice

o Sehen verhält sich zu Leib wie denken zu Seele

- analoger Gehalt bzw. ratio analoga ist der begriffliche Gehalt um den es geht, der verschieden

ausgesagt wird

PLATON

(Erkennen = Hinbeziehen auf Urbilder)

ARISTOTELES

= Entsprechung von Verhältnissen

ARISTOTELES

-Aussage (Bezug auf Eines)

MITTELALTER

analogia

attributionis (Abhängigkeitsbeziehung)

proportionalis (Entstehung von Verhältnissen)

analoger Gehalt

in beiden Analogaten

zB ein Akzidenz ist Seiendes,

Gott ist gut

analoger Gehalt nur in

einem Analogat

zB Buch ist schlau, Orangen

sind gesund

Verhältnis betrifft

Gehalt in beiden

Analogaten zB Igels am „Fuß“ des

Patscherkofels

Verhältnis betrifft nur

Wirkung der

Analogate zB die Wiese „lacht“

||

ANALOGIA

ATTRIBUTIONIS

INTERNA innere Attributionsanalogie

||

ANALOGIA

ATTRIBUTIONIS

EXTERNA äußere Attributionsanalogie

||

ANALOGIA

PROPORTIONALITATIS

PROPRIA/INTERNA eigentliche/innere

Proportionalitätsanalogie

||

ANALOGIA

PROPORTIONALITATIS

IMPROPRIA/EXTERNA uneigentliche/äußere

Proportionalitätsanalogie

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- 19 -

2.8 ein Durchblick durch die mittelalterliche und neuzeitliche Diskussion

- der Knackpunkt in der Sache war, wie es denn mit unseren Aussagen über Gott steht; will

man Theologie treiben, muss man über Gott ja etwas sagen können

- wenn man über Gott gar nichts sagen könnte, müssten wir hier zusperren, denn dann gäbe es

auch keine Theologie als Wissenschaft

- heftiger Streit darüber, wie man über Gott Aussagen treffen kann (Thomas v. Aquin, S.Th. I,

q.13)

- gewöhnliche Ausdrücke wie zB „Gott ist weise“, „Gott sieht“, „Gott findet Gefallen“, …

kann man nicht ohne Vorsichtsmaßnamen auf Gott übertragen, das wäre dann ein

Anthropomorphismus (überträgt man unreflektiert landet man im Mythos, also

„Vermenschlichung“; Gott in Menschengestalt sehen, also die Übertragung menschlicher

Eigenschaften auf Gott

- andererseits muss man von Gott ja etwas aussagen könne; die negative Theologie ist die

andere Extreme, also man kann von Gott nur sagen, was er alles nicht ist; wenn man aber nur

sagen kann was er nicht ist, ist es uninteressant

- man soll von Gott nicht nur kausale Aussagen treffen („Gott ist die Ursache allen Seins“,

…)

- drei Schulen im Mittelalter:

o Scotisten (OFM): irgendwelche Eigenschaften muss ich von Gott im selben Sinn

aussagen können, wie vom begrenzten Seienden, dh Aussagen von Gott müssen einen

univoken Kern im Begriff Seienden haben, dh ich muss von Gott und den Dingen der

Welt sagen können, dass sie Seiendes sind; aus Angst vor der Gefahr nach der

negativen Theologie

o Thomisten (OP): waren der Meinung, die Proportionalitätsanalogie ist grundlegend;

Aussagen von Gott dürfen nicht nur kausal gemeint sein; grundlegend ist die

Proportionalitätsanalogie, dh Aussagen wie „Gott ist weise“ sind nicht nur kausal

gemeint

o Suarezianer (SJ): wichtig ist, dass Gott die ermöglichende Erstursache ist;

grundlegend ist also die Abhängigkeitsbeziehung der Dinge der Welt und Gott, also

die Attributionsanalogie

o da ging es nicht um eine akademische Belanglosigkeit sondern darum, was

Theologie als Wissenschaft ausmacht

o man hat wahrscheinlich aneinander vorbeigeredet, man hat sich nicht positiv

interpretiert sondern den Anderen eher schlechter gemacht; es könnte auch ein Streit

um Worte sein; innere Attributionsanalogie und innere Proportionalitätsanalogie

gehen ja oft Hand in Hand; es ist so, dass erkenntnismäßig früher meist die

Proportionalitätsanalogie ist, sachlich früher aber die Attributionsanalogie sein wird

o | Dionysius’ dreifache Transformation (bei der Bildung analoger Aussagen über

| Gott zu beachten ich muss von Gott irgendwas sagen können, nicht aber so wie

| über die Welt, und vielleicht hat er ja alles in seiner Vollform)

via affirmativa: Gehalte von Gott aussagen

via negativa: Ausschluss typisch innerweltlicher Züge

via eminentiae: Zusprechen der Vollform der betreffenden Eigenschaft

2.9 Analogie des Begriff „Seiendes“ - kurze Zusammenfassung: der Begriff „Seiendes“ ist nicht auf gewöhnlichem Weg

definierbar, man kann ihn nur operativ einführen (alles wonach gefragt werden kann);

Seiendes ist irgendwie alles

- „Von dem Seienden () spricht man zwar in vielfachem Sinn

(), jedoch immer in Bezug auf eines () und auf

eine Natur, und nicht bloß als Namensgleichheit (), sondern wie das

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„Gesunde“ mit Bezug auf die Gesundheit so genannt wird, […] So spricht man auch vom

Seienden zwar in vielfachem Sinn, aber immer in Beziehung auf ein Prinzip

().“ (Aristoteles, Met. 2, 1003a 33-b6)

- Seiendes wird vielfältig ausgesagt, aber eben , also im Bezug auf eine Natur

- Seiendes wird analog ausgesagt

F1 – FR1 – GB1 GB gehören vorgeschriebenen

Realitäten und ihren Strukturen an

(kommen im Sein überein)

innere Attributionsanalogie

inhaltliche Betrachtung

F2 – FR2 – GB2

F3 – FR3 – GB3

Struktur des Fragens gleich

innere Proportionalitätsanalogie (Seiendes = alles, wonach

gefragt werden kann)

operative Betrachtung

F … Frage

FR … Fragerichtung

GB … Gegenstandsbereich

Seiendes wird analog (vielfältig) ausgesagt, aber es macht ein Unterschied, wie man ein Seiendes ist

(Tier oder Farbe zB); ist die Analogie des Seienden nun mehr Attributions- oder

Proportionalitätsanaloge? Betrachtet man es operativ (kommt man von der Fragestellung her) wird

man sagen, die verschiedenen Seienden stehen in einer Proportionalitätsanalogie. Frage ich aber weiter

was das heißt, dann ist es eine inhaltliche Betrachtung.

2.10 die philosophische Bedeutung der Analogielehre

2.10.1 was man über die Fragen in der Philosophie lernen kann

- es geht in der Philosophie auch um die verschiedenen Gegenstandsbereiche

- der Bereich des Seienden hängt irgendwie zusammen (iSe Attributionsanalogie), aber wie

hoch oder wie stark darf man sich diesen Zusammenhang denken?

- es gab hierbei philosophische Wunschträume wie das Vorstoßen zu einer

Einheitswissenschaft (zB Leibniz, Wiener Kreis [Schlick, Carnap, Neurath, Feigl, …])

o dieses Träumen ging nicht lange, denn Gödel zeigte, dass es nicht einmal eine

einheitliche Sprache für die Mathematik geben kann; ein Church hat gezeigt, dass

schon die Logik auf einem relativ bescheidenen Niveau nicht mehr entscheidbar ist;

und wenn es hier schon nicht geht, wie soll es dann je eine Einheitswissenschaft mit

univoken Begriffen geben?

o der Bereich des Seienden ist eben vielfältig

- Folgen für Philosophie:

o 1) großes Misstrauen gegenüber des Gedankens einer Einheitswissenschaft

o 2) Philosophie hat nicht die Aufgabe, anderen Wissenschaften Vorschriften zu

machen (sie ersetzt keine Einzelwissenschaft!)

2.10.2 warum die Analogielehre wichtig sein könnte

- es gibt Positionen, die die Analogielehre zu wenig beachten

- radikaler Pluralismus: nicht iSe politischen Pluralismus; ontologischer Pluralismus wäre die

These, dass die Wirklichkeit in verschiedene Bereiche zerfällt und die Frage nach deren

Verhältnis offen bleiben muss; zB Thesen wie „das sage ich als Biologe, aber als Mensch sage

ich …“, Sprachspielpluralismus (L. Wittgenstein): „Biologie ist ein Sprachspiel, Theologie ist

ein Sprachspiel“; das Unangenehme hieran ist, dass doch manchmal die Frage nach dem

Verhältnis auftaucht, denn manchmal muss ich entscheiden zwischen dem, was mir zB die

Medizin sagt und dem, was mir mein Alltagsverstand sagt; geistesgeschichtlich besonders

wichtig sind Formen von Dualismen:

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o Dualismus zwischen Sein (Tatsache) und Sollen (Werte) (Hume, Kelsen,

Rechtspositivismus, …) es gibt also zwei Bereiche, jenes das ist und jenes das sein

soll, was nichts miteinander zu tun hat; zB Biologie: sie behandelt Seinsfragen, wie

der Mensch ist, daraus kann man nichts über das Sollen folgern; daraus dass

Soziologie sagt, dass Menschen lieber Verhältnisse von Freiheit haben ist eine

Seinsfrage, daraus folgt aber nicht, dass man es in der Politik auch machen soll;

Seinsfragen werden von der Wissenschaft behandelt, Sollensfragen von der Politik;

Humesche Distinktion bzw. Sein-Sollen-Problem, is-ought-question/problem; die

Naturrechtslehren des 17. und 18. Jh. haben vorgeschlagen, man könnte doch aus der

Natur des Menschen (aus Tatsachen) irgendetwas ableiten wie naturgemäße Normen

oder eben ein Naturrecht; das ist eine Frage des Seins, woraus man ableiten kann, wie

etwas sein soll (Sein-Sollen-Problem); aus der Tatsache, dass der Mensch ist, dass ein

gewisser Prozentsatz stiehlt folgt ja nicht, dass das Stehlen erlaubt ist

o Dualismus von Geist und Materie: ist allgemeiner als Leib und Seele, geht aber in

dieselbe Richtung

o Dualismus von theoretischer und praktischer Vernunft (Kant): theoretische Vernunft

sind die Wissenschaften, die praktische Vernunft das sittliche Sollen, etc., während

wir in den NatWi davon ausgehen, dass alles determiniert ist; wir Menschen sind

Bürger zweier Welten, nämlich Naturgesetze und Sittlichkeit; das Problem ist, dass er

theoretische und praktische Vernunft sehr stark getrennt hast; warum stellen wir uns

theoretische Fragen? Weil wir halt handeln müssen. Handlungen sind dann vernünftig,

wenn sie auf begründeten Informationen beruhen, dh Theorie und Praxis lässt sich

nicht so teilen, wie Kant es getan hat

- Monismus: man geht davon aus, es gibt einen Bereich, den wir gut zu verstehen meinen, und

deshalb glauben wir, die ganze Wirklichkeit sei so beschaffen, va die NaWi: in den NatWi

gibt es mehr Konsens als in Geisteswissenschaften oder Philosophie, man kann etwas zum

Laufen bringen, also sollte die gesamte Wirklichkeit nach dem Muster verstanden werden, wie

die NatWi es tun; das monistische Denken gibt es aber in verschiedenen Spielarten:

o Materialismus: in den NatWi ist von materiellen Dingen die Rede; seit der Aufklärung

die Idee, die gesamte Wirklichkeit ist materielle Natur; ein berühmtes Buch aus jener

Zeit ist von J. LaMettrie, L’homme machine; die Idee stammt von Descartes, der

behauptete ja, dass die res extensa nach Naturgesetzen funktioniert und die Tiere

kleine Automaten sind, deren Verhalten nach den Naturgesetzen vorherbestimmt ist:

LaMettrie sagte, man soll Leib und Seele weglassen und nahm an, der Mensch sei nur

eine etwas komplexere Maschine als das Tier (18. Jh.); heute würde man von

Physikalismus sprechen (alles was existiert muss mit den Methoden der Physik

zugänglich sein), von starken Identitätstheorien (geistige Phänomene sind identisch

mit materiellen Phänomenen, mit Zuständen eines materiellen Phänomens) und von

Naturalisierungsprojekten (Naturalisierung des Geistes, also dass man sagt, die

Probleme die man früher mit Psychologie anging, sollte man heute noch mit den

Mitteln der NatWi machen, bis hinein zu Fragen der Ethik), aber auch Neurotheologie

(zB „Gott-Gen“; man hat zB auch Versuche gemacht mit meditierenden

buddhistischen Nonnen und Karmelitenpater die hat man in einen Tomographen

geschoben und die sollen dort meditieren, und man hat geschaut, was in deren

Gehirnen vorgeht wenn sie das tun; es scheint so zu sein, dass meditative Zustände ein

charakteristisches Aktivierungsmuster im Gehirn haben [no na]; daraus wird

geschlossen, religiöse Überzeugungen und Glaube an Gott sei nichts anderes als ein

elektrisches Muster im Gehirn; die andere Schlussfolgerung war, Gott hätte uns so

etwas wie ein religiöses Modul eingepflanzt, mit dem wir ihn empfangen können)

o Biologismus: geht in eine ähnliche Richtung; zB R. Dawkins; sie sagen, die

menschliche und die soziale Wirklichkeit ist im wesentlichen zu deuten nach

biologischen Aspekten; Soziobiologie (wie sich unser Verhalten entwickelt hat); sagt

halt, es gibt auch nur diesen einen Zugang zur Wirklichkeit

o Spiritualismus: eher eine Sache des 19. Jh.; man glaubte, letztlich sei die Realität

Geist und die Objekte sind nur so was wie kristallisierter Geist oder die Knöllchen in

der Geistsuppe; heute nur noch in manchen esoterischen Bereichen zu finden

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- Hauptfehler von Monismen: Trugschluss reziproker Begriffsbildung (reziprok = wenn

sich ein Verhältnis umdreht): zunächst ist uns ein komplexes Ausgangsphänomen vertraut, zB

der Mensch als ein materielles und geistiges Wesen; für ganz spezielle Probleme legen wir uns

eine Spezialbegrifflichkeit zu (zB wenn man zum Arzt geht, weil die Temperatur zu hoch ist,

wendet er eine natwi Betrachtungsweise an) und wir abstrahieren von vielen Aspekten, wir

klammern sie aus und wir gewinnen einen speziellen Gegenstandsbereich der Physik, der

Biologie, …; was jetzt problematisch wäre: wenn man versuchte, aus der Begrifflichkeit (zB

Teilchen) das Ursprungsphänomen zu rekonstruieren; was Naturalisten etc. versuchen ist, zu

rekonstruieren, wie ich, wenn ich nur zB über DNA reden darf, wie es zur Illusion von

Freiheit kommt;

o wenn man von der Analogielehre her denkt, versteht man die Realität so, dass sie

viele Aspekte hat (wie eine Säule mit vielen Plakaten), man wird sie aber nicht alle

gleichzeitig sehen; wenn der eine Beobachter das Plakat vom Treibhaus sieht und der

andere das Plakat vom Eishockey, dann haben beide Recht, weil eben jeder aus seiner

Perspektive heraus die Wirklichkeit wahrnimmt; was der Naturwissenschaftler an der

Realität wahrnimmt ist berechtigt, aber ebenso was der Theologe daran sieht; es gibt

verschiedene Zugänge zur Welt die vernünftig und wissenschaftlich sind, aber jede

Betrachtungsweise hat ihre Einschränkungen

o Monismen haben das Problem „x ist nichts anderes als y“

o Aussagen von Gott können immer nur analog sein: zwei Straßengräben sind zu

vermeiden:

negative Theologie, also man kann von Gott immer nur sagen, was er nicht

ist; es gibt natürlich manche lehramtliche Aussagen, die sagen, bei aller

Ähnlichkeit gibt es immer eine noch größere Unähnlichkeit; treibt man das

auf die Spitze müssten wir gänzlich verstummen

Anthropomorphismus, also dass man Gott nach menschlichen Maßstäben

denkt und beschreibt und in ein mythologisches Gottesbild abgleitet

bei der Rede von Gott kann es sich nicht nur um Metaphern, aber auch nicht

nur um Äußerlichkeiten handeln

komplexes

Ausgangsphäno

men

(zB Mensch:

materieller

und geistiger

Aspekt;

zB Feiheit

eingeschränkte

Betrachtungswei

se,

Ausklammerung

vieler

Aspekte A

spezieller

Gegenstands-

bereich der

Physik, der

Biologie, …

Teilchen, Zellen,

DNA,

Evolution, …

¬Freiheit

¬

Rekonstruktion

der

Ausgangsphäno

mene,

inkl. der vorher

ausgeklammerten

Aspekte A

zB Freiheit aus

biologischer

Sicht?

↓ ¬↓

Folgerungen für

das

Ausgangsphänom

en

zB Wertfragen

aus evolutionärer

Sicht

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- 23 -

3 das Seiende und das Mögliche

3.1 Sitz im Leben - um möglichst gut zu planen, stellen wir uns oft theoretische Fragen, und da hat das Mögliche

seinen Sitz im Leben

o zB man will seine Familie mit einer Krippe erfreuen und findet eine Wurzel und stellt

sich dann folgende Fragen: 1) Kann ich das? Ist das Holz geeignet? Ist das an sich

möglich? Ist sie durch irgendjemanden herstellbar?

o zB auch „Kann man bis 1 Mrd. zählen?“: Kann ich das? Ist das menschliche

Gehirn/die Zahlen dazu geeignet? Ist es an sich möglich? Kann das irgendjemand?

- wurde im MA in der Lehre von den potentiae (Potenzenlehre) systematisiert

Kann ich das? subjektive aktive Potenz

Ist das Holz geeignet? subjektive passive Potenz

Ist eine solche Krippe an sich möglich? objektive innere Potenz

Sind sie durch irgendjemanden herrstellbar? objektive äußere Potenz

3.2 Was jeder Philosoph wissen muss (2): formale Struktur von Modalaussagen

- Aussagen über Möglichkeiten, Unmöglichkeiten, …

- sie bestehen aus einem dictum (Satzgehalt selber) und einem Modaloperator (Modus)

◊ möglich, dass p

□ notwendig, dass p

¬ unmöglich, dass p

Modus dictum

Definition: □p = def ¬◊¬p

Äquivalenzen: ◊p ¬□¬p

¬◊p □¬p

¬□p ◊¬p

Implikationen: □p ◊p

¬◊p ¬□p

Zusammenhänge □p p (a necesse ad esse valet illatio)

modaler und nichtmodaler Aussagen: p ◊p (ab esse ad posse valet illatio)

¬◊p ¬p (a non posse ad non esse valet illatio)

3.2.1 logisches Quadrat der Modalaussagen

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drei Arten A, B sind kontradiktorisch: wenn A wahr und B falsch ist und umgekehrt (eines von

beiden muss wahr sein)

von Gegen- A, B sind konträr: A und B können nicht gemeinsam wahr, aber vielleicht

gemeinsam falsch sein

sätzen A, B sind subkonträr: A und B können nicht gemeinsam falsch sein, vielleicht aber

gemeinsam wahr sein

was das konkret heißt:

- interpretiere ich diese Zeichen etwas anders, gilt vieles plötzlich nicht mehr

- angenommen, wir interpretieren diese Zeichen als rechtlich oder moralisch notwendig, dann

stimmt vieles nicht mehr

- Interpretation von □p als „rechtlich notwendig, dass p“ und ◊p als „erlaubt, dass p“

□p p

p ◊p

o wir müssen uns also genau überleben, was diese Zeichen heißen

3.3 die subjektive Potenz und die Analyse der Veränderung - Veränderung ist ein Grundzug unserer Welt

- für die vorsokratischen Philosophen war das ein großes theoretisches Problem

- zwei prominente Namen: Parmenides und Heraklit

Parmenides (1) Entstehendes entsteht aus Seiendem oder Nichtseidendem

(2) Aus Nichtseiendem entsteht es nicht. (Von nix kommt nix)

(3) Aus Seiendem entsteht es nicht. (Es ist schon da!)

also (4) Es gibt kein Entstehendes

In Wahrheit gibt es nur das Seiende, alles andere ist Schein.

Heraklit Alles fließt; man kann nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen.

- Lösung von Aristoteles: man muss unterscheiden zwischen dem Träger der Veränderung

und den wechselnden Eigenschaften

SUBSTANZ AKZIDENS

Bestimmung

(Form-)„Mangel“ „Form“

subjektive Potenz

Veränderung: Ver-

subjectum wirklichung einer subjektiven

(Zugrundeliegendes) Potenz

o der Fehler der Vorsokratiker war es, die veränderlichen Eigenschaften auf die

gleiche Ebene zu stellen wie den Träger

o Parmenides behandelte den Träger wie die veränderliche Bestimmung

o das klassische Beispiel für das ist die Substanz, die Veränderung ist

ein Akzidens

o man muss die Analogielehre hier ernst nehmen und sagen: Fähigkeiten sind eine

eigene Form vom Seienden, wir haben sehr viele davon; die Wirklichkeit besteht nicht

aus vorgestanzten Klötzchen die man dann zusammensetzt; Fähigkeiten sind Seiende

eigener Art

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3.4 Maßstäbe der Beurteilung von Modalitäten - wir stellen uns die Frage, worauf sich Modalaussagen stützen

- wenn wir unsere Welt erschließen fragen wir nicht nur nach Tatsachen, sondern auch nach

Zusammenhängen, Voraussetzungen, Bedingungen, Gründen, … und die können sehr

unterschiedlich sein

o zB Weil der Brückenpfeiler unterspült war war es möglich, dass die Brücke sich

senkt.

o zB Bedingt durch seine körperliche Konstitution ist es Herrn M. unmöglich 1 km weit

zu laufen.

o zB Aufgrund der österreichischen Gesetze ist es unmöglich, dass ein Mensch das

Eigentum eines anderen Menschen ist.

- man kann verschiedene Arten bzw. Grade von Modalitäten unterscheiden:

metaphysische Modalitäten allgemeine Zusammenhänge der Metaphysik

physische Modalitäten allgemeine Zusammenhänge der Natur

„moralische“ (mos!) Modalitäten allgemeine Verhaltensregelmäßigkeiten

historische Modalitäten geschichtliche Situation

o zB ist es möglich, ein Fußballstadion mit 20.000 Zuschauern in 20 Sekunden zu

evakuieren? Nein, aber warum? – moralisch ist es möglich, metaphysisch erst recht.

o zB ist es möglich, dass Argentinien gegen den Vatikan im Fußball verliert? – von der

historischen Situation her ist es fast unmöglich.

o zB ist es möglich, dass sich jemand schneller als das Licht bewegt? – metaphysisch

schon, aber nach dem heutigen physikalischen Verständnis nicht.

mph. möglich mph. unmöglich

mph. notwendig mph. nicht notwendig

phys. möglich phys. unmöglich

phys. notwendig phys. nicht notwendig

moral. möglich moral. unmöglich

moral. notwendig moral. nicht notwendig

hist. möglich hist. unmöglich

hist. notwendig hist. nicht notwendig

- Kontingenz:

o ¬□p: es ist logisch nicht notwendig, dass ich mich in ein Häufchen Sand verwandle

o ¬□p und ¬◊p (und ¬□¬p): was ich heute zum Frühstück aß ist nicht notwendig, aber

möglich

- Modalitäten de re (über die Sache) und de dicto (über was gesagt wurde)

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Denk-

möglich-

keiten Wirk-

lichkeit

o eine Modalität ist de re wenn sie sich direkt auf die Eigenschaften einer Sache

bezieht, eine Modalität ist de dicto wenn sie sich auf die Sache bezieht, auf einen

Zusammenhang o mögliche Missverständnisse dann, wenn Modaloperatoren zusammentreffen mit

anderen logischen Wörtern, zB Stimmt folgender Satz: Wenn Sokrates sitzt ist es

notwendig, dass er sitzt.

S … „Sokrates sitzt“

→ … wenn – dann

S → □S? de re

□(S → S)? de dicto

o zB Philosophische Gotteslehre alles was existiert ist notwendigerweise geschaffen;

Hier ist es auch wieder wichtig ob es eine „de re“ oder eine „de dicto“ Modalität ist

de dicto □(x existiert innerweltlich → x wurde geschaffen): wenn x ex-

istiert, wurde x geschaffen

de re x existiert innerweltlich→ □ x wurde geschaffen: x existiert und

darum ist es notwendig dass x geschaffen wurde

theologisch: die Schöpfung ist ein freier Akt Gottes, jedenfalls nicht weil er

musste oder die Welt braucht, etc.

die de-re-Lesart würde Gott unterstellen, einer Gesetzmäßigkeit zu

unterstehen kommt einer Emanationstheorie nahe, einem Determinismus;

die Schöpfung ist frei, Gott ist keiner Gesetzlichkeit unterworfen

die de-dicto-Lesart ist theologisch richtig, sie impliziert nämlich nicht, dass

irgendetwas notwendig geschaffen wurde

o zB Göttliches Wissen: Gott ist allwissend und weiß um alle Sachverhalte; folgt

daraus, dass die Welt mit Notwendigkeit vorangeht bzw. deterministisch ist?

de dicto □(x geschieht → Gott weiß um x): es ist notwendig, denn sofern

etwas geschieht, weiß Gott darum

de re x geschieht→ □(Gott weiß um x): wenn x geschieht, ist es

notwendig, dass Gott darum weiß

wenn es notwendig ist, dass Gott um x weiß, ist es auch notwendig, dass x der

Fall ist: das würde bedeuten: wenn x geschieht, dann □ x geschieht, und das

ist die These des Determinismus

3.5 das Mögliche und das Wirkliche - woher kommt eigentlich die Rede vom Möglichen?

- man soll die Möglichkeiten nicht als etwas wie eine Hinter- oder Zusatzwelt betrachten,

sondern die Rede über Möglichkeiten haben wir von der Rede von der Wirklichkeit

- wir setzen uns mit verschiedensten Dingen auseinander und lernen dabei nicht nur etwas über

ihre aktualen Eigenschaften, sondern wir lernen dabei auch etwas über Möglichkeiten (wer

jahrelang einen Hund hält weiß nicht nur wie ein Hund riecht und was er frisst, der weiß auch

was sein Hund kann und was er nicht kann, er kennt also nicht nur die momentanen

Eigenschaften sondern auch die möglichen Eigenschaften)

- der Maßstab für Möglichkeiten ist die Kenntnis des Wirklichen

- es gab Extrempositionen in Bezug auf die Möglichkeit:

o Schulrationalismus (17./18. Jh.): das Reich der

Denkmöglichkeiten ist der primäre Bereich der uns

zugänglich ist und reale Dinge sind eine Teilmenge des

Möglichen;

Essenzen der Dinge: Essenz ist so etwas wie das

Wesen der Dinge; Essentialismus

o Lebensphilosophie (19. Jh.) – Existentialismus (20. Jh.): wichtig

ist doch, wie man sich verwirklicht, dass man sein Leben lebt; diese Philosophen

hatten wenig Sinn für Vorgegebenes

Möglichkeit = mein Handlungsentwurf

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aber es ist doch so, dass viele der Grenzen, die unsere Welt hat, nicht in

unserem Handlungsentwurf gefasst sind; wir stoßen auch an Grenzen, in uns

selbst, in den Mitmenschen; Existentialismus tendiert dazu, die Möglichkeiten

zu überschätzen; unser Leben steht in einer Spannung von Vorgegebenheiten

und eigenen Verwirklichungen; wer nur über Vorgegebenes nachdenkt wird

letztlich wohl handlungsunfähig, wer dagegen seine Eingriffsmöglichkeiten

überschätzt wird leicht tollkühn und oft an Grenzen stoßen

- unsere Rede von Möglichkeiten wird erlernt aus unserer Auseinandersetzung mit dem

Wirklichen

4 Strukturelemente der Wirklichkeit (1): Kategorienlehre - ganz besonders tragend für unser Denken ist, dass wir die Welt einteilen in relativ stabile

Objekte mit relativ wechselnden Eigenschaften; Aristoteles hätte gesagt, wir teilen die Welt

ein in Substanzen () und Akzidenzien ()

4.1 Hinweise aus der Alltagserfahrung - zB wenn der Hut in einer Pfütze landet ändert er seinen Ort und seinen Zustand, trotzdem

betrachten wir ihn immer noch als Hut und als unseren Hut; es ist also dasselbe Objekt obwohl

es seine Eigenschaften verändert hat

- zB nach einem Friseurbesuch behandelt man eine Person im wesentlich gleich, obschon

grellroter Haare

- zB Sterne haben eine mehr oder minder gleiche Biographie, trotzdem betrachtet man den

Stern als dasselbe Objekt

- zB in der Physik schreibt man Elektronen einen sog. Spin zu, also wie es sich dreht oder wie

es geladen ist; auch wenn man Elektronen umpolen kann, man betrachtet es weiterhin als

dasselbe Objekt

- zB wie sind wir tätig? Wenn man im Gemüsegarten Kerne sät spekuliert man auf Früchte

4.2 die Kategorienlehre des Aristoteles - Kategorien sind so etwas wie die obersten Gattungen, grundlegend ist die Substanz

- Kategorien viertes Kapitel: „Jedes ohne Verbindung gesprochene Wort bezeichnet entweder

eine Substanz oder eine Quantität oder eine Qualität oder eine Relation oder ein Wo oder ein

Wann oder eine Lage oder ein Haben oder ein Wirken oder ein Leiden.“

o er konnte relativ unbefangen glauben, dass die Denkordnung oder die sprachliche

Ordnung der Dinge der Seinsordnung der Wirklichkeit entspricht

o Aristoteles hatte hier nur Haupt-, Zeit- und Eigenschaftswörter im Auge, aber auch

Wörter wie „und“, „sehr“, „hallo“, „verflixt“, … existieren, und die kommen hier

nicht vor

o könnte man hier nicht von Relationen sprechen? „Hörsaal“ ist eine Relation,

„morgen“ auch (zwischen heute und übermorgen), …

o es gibt den Einwand: da ist Aristoteles einfach einer Eigenschaft des Altgriechischen

auf den Leim gegangen, nämlich die Indogermanischen Sprachen haben die Subjekt-

Prädikat-Struktur; man könnte sagen, ob das nicht nur ein Stück Sprachgeschichte

oder Sprachtheorie ist; Einwand, Metaphysik sei nichts anderes als die Grammatik der

indogermanischen Sprachen (Sapir-Whorf-These: zwei Sprachforscher in den 60ern

die behaupteten, es gäbe so Sprachen, die fundamental anders aufgebaut sind, wo alles

punktuell gedacht und neu wird; Ähnliches bei W.V.O. Quine: These von der

ontologischen Relativität: je nach dem welche Sprache man wählt, umso anders ist die

Ontologie, umso anders glaubt man wie die Welt ist dieser Einwand ist sehr ernst

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zu nehmen, hat aber eine recht naheliegende Antwort: man sollte vielleicht weniger

auf das Mundwerk als mehr auf das Handwerk schauen)

4.3 verschiedene Deutungen der Kategorienlehre - wenn man in die Philosophiegeschichte schaut kann man folgendes feststellen: dass es diesen

Unterschied zwischen Substanz und Akzidens gibt, hat kaum ein Philosoph je bestritten,

aber was folgt daraus

o verschiedene Sprechweisen?

o Fragerichtungen?

o (Kant) Denkformen? Ding an sich – affiziert, wirkt kausal auf ein Sinnesorgan –

Mannigfaltiges der Sinnlichkeit – apriorische Formen der Ansetzung von Raum und

Zeit – apriorische Formen des Denkens (12 Kategorien)

Substanzen: Beharrlichkeit des Realen in der Zeit (wenn also das erkennende

Subjekt den Eindruck hat, da hält sich ein Bündel von Merkmalen durch die

Zeit, dann glauben wir, das ist ein Objekt)

die Substanz ist eine Leistung des erkennenden Subjekts, also gerade nicht

das Objekt selber (also ganz anders als bei Aristoteles)

o (Aristoteles) Seinsweisen: „Vom dem Seienden () spricht man zwar in vielfachem

Sinn (, jedoch immer in Bezug auf eines

() und auf eine Natur, und nicht bloß als Namensgleichheit

(), sondern wie das „Gesunde“ mit Bezug auf die Gesundheit so

genannt wird, […] So spricht man auch vom Seienden zwar in vielfachem Sinn, aber

immer in Beziehung auf ein Prinzip ().“ (Aristoteles, Mt. 2,

1003a 33-b6)

4.4 die Kategorie der Substanz () - die grundlegenden Bestandteile der Wirklichkeit sind für Aristoteles immer organische

Einheiten (Menschen, Tiere, Pflanzen)

- Aristoteles, Kategorienschrift 5:

o Substanz im eigentlichen, ursprünglichsten und vorzüglichsten Sinne ist die, die

weder von einem Subjekt ausgesagt wird, noch in einem Subjekt ist, wie zB ein

bestimmter Mensch oder ein bestimmtes Pferd

„dieses da ist ein Barack Obama“ ist nicht richtig

das bin ich, meine Katze, meine Zimmerpflanze

das Winfried-Löffler-Sein liegt nicht in ihm, er ist es

o zweite Substanzen heißen die Arten, zu denen die Substanzen im ersten Sinne

gehören, sie und ihre Gattungen. So gehört zB ein bestimmter Mensch zu der Art

„Mensch“, und die Gattung der Art ist das „Sinnenwesen“. Sie also heißen

Substanzen, „Mensch“, zB und „Sinnenwesen“

ist quasi die Art und alle höhere Gattungen: Mensch, Sinnenwesen,

Lebewesen, Substanz, …

das ist „Mensch“, „Katze“, „Zimmerpflanze“

die zweite Substanz ist die Antwort auf die Frage, was etwas ist

4.5 der aristotelische Hylemorphismus - substantielle Veränderung: der Tod, aber trotzdem ist es noch dasselbe; zB aus einer Raupe

wird ein Schmetterling, aus einem Holz wir eine Statue,

- akzidentelle Veränderung: sonnengebräunt werden, Fremdsprachen lernen

- solche Überlegungen brachten Aristoteles dazu, diese Aktualitäts-Schema auch hier

anzuwenden

- man muss so etwas annehmen wie eine (prima materia; erste Materie)

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o ist so etwas wie das Bauholz

o und diese ist in Potenz auf eine Wesensform (forma substantialis;

; Wesensform)

o das ist keine Art „Urbrei“ wo man dann so quasi wie mit einem Keksstecher etwas

rausholt

o materia prima ist so etwas wie ein philosophischer Faktor den man annehmen

muss, damit die Einzeldinge solche sein können

o sie kann verschiedene Wesensformen annehmen, und dann gibt es eine Substanz im

ersten Sinn

o zB man kauft sich eine Packung Billardkugeln, man nimmt sie dann raus und legt

zwei solche nebeneinander, die sind absolut gleich, aber trotzdem sind es zwei

Kugeln; die materia prima ist dafür verantwortlich, dass die linke Kugel nicht die

rechte ist, weil sie von der her ganz die gleichen sind

o deshalb ist sie das Individuationsprinzip

o „Natur“: Summe der Wirkweisen, Fähigkeiten, Weiterverwirklichungsmöglichkeiten;

Natur ≠ derzeit verstandene Natur

o es gibt Stellen wo es klingt, als wäre die materia prima ein Urbrei, aber auch andere

Stellen, wo diese materia prima wirklich so etwas ist wie ein Faktor, den man

annehmen muss, um bestimmte Grundzüge unserer Wirklichkeit zu erklären

- Substantialitätsprinzip: jedes real existierende Seiende ist entweder eine Substanz oder ein

Akzidens einer passenden Substanz

o dahinter steckt eine mehrkategoriale Ontologie: die Wirklichkeit besteht aus

mehreren allgemeinsten Sorten von Dingen, nämlich Substanzen und Akzidenzien

o es gibt auch monokategoriale Ontologien: zB Tropenontologie (Tropen kommen nur

ein mal vor), Ontologie von Raum-Zeit-Punkten

5 Strukturelemente der Wirklichkeit (2): Ursachenlehre

5.1 Vierursachenlehre von Aristoteles

- „Ursachen“ () sind in einem sehr weiten Sinne zu verstehen, nämlich als Antwort auf

eine „warum“-Frage

o nicht die Vorstellung von Dominoeffekt oÄ

o Materialursache (causa materialis) , Formalursache (causa formalis), Wirkursache

(causa efficiens), Zielursache (causa finalis)

o zB jemand fragt, warum dieses Haus so schnell abgebrannt ist; weil es aus Holz war;

diese Antwort ginge nach Aristoteles in die Richtung einer Materialursache; eine

andere Antwort könnte sein, weil das Haus viele Korridore und keine

Brandschutztüren hatte, und da nehme ich Bezug auf die Struktur, was eine

Formalursache wäre; aber auch, weil jemand das Haus in Brand gesetzt hat, und das

wäre eine Antwort im Sinne einer Wirkursache; aber auch, weil jemand die

Versicherungsprämie kassieren wollte, das wäre eine Zielursache;

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o oft wird behauptet, dass das moderne naturwissenschaftliche Denken nur noch auf

Wirkursachen Bezug nähme; das dürfte aber nicht so sein, denn in der Natwi geht es

gar nicht um Ursachen, sondern um die mathematische Beschreibbarkeit von

Vorgängen; die Rede von Ursächlichkeit kommt eher selten vor, in einem

pädagogischen Sinne; moderne Physik redet von Verläufen, was am ehesten mit

Formalursachen zu tun hat, mit Verläufen

5.2 das metaphysische Kausalprinzip - jeder kontingente Sachverhalt, der real existiert, verdankt seine Existenz einer

entsprechenden Wirkursache

o oft wird verwiesen auf Quantenvorgänge, die zufällig seien oder keine Wirkursachen

hätten

o ob die Quantenvorgänge letztlich eine Ursache haben oder nicht kann man nicht

entscheiden; seriöserweise kann man sagen, dass unser gängiges

Ursächlichkeitsverständnis da nicht anwendbar ist

o unser Alltagsdenken, und auch unser wissenschaftliches Denken, beruht ganz massiv

auf diesen Annahmen

6 thesenartige Zusammenfassung 1) Unser Alltagsdenken ist geprägt von einer impliziten Metaphysik, die in ihren Grundzügen

der aristotelischen gleicht. (Auch wenn sich unsere (natur-)wissenschaftlichen

Begleitvorstellungen geändert haben.)

2) Diese Metaphysik prägte das Wirklichkeitsverständnis über Jahrtausende, und besonders

die Geschichte der Theologie.

3) Zentral für sie sind sich +/- durchhaltende Wirkzentren („Substanzen im ersten Sinn“)

mit +/- variablen Eigenschaften (einstellige und mehrstellige, „Akzidenzien“); tragende

Prinzipien sind Substantialitätsprinzip und Kausalitätsprinzip.

4) Metaphysik und „Einzelwissenschaften“ stehen nicht in Konkurrenz, sondern verhalten

sich komplementär.

5) Die metaphysische Denkweise ist eine Form der Wirklichkeitserschließung. Sie bildet den

Rahmen, in dem einzelwissenschaftliche Begriffs- und Theoriebildungen erst möglich

werden und ihren Nutzen entfalten

6) Einzelwissenschaften sind verstehbar als Heraushebung und Untersuchung spezieller

Aspekte der Gesamtwirklichkeit. Der metaphysische Begriff, der andere Fragerichtungen

offenhält und dem Reduktionismus vorbaut, ist der des „Seienden“.

7) Begriffe wie „Ursache“, „Potentialität/Aktualität“, „Materie – Formmangel – Form“ etc. sind

inhaltlich offene, „formale“ Begriffe, die auf verschiedensten Ebenen Anwendung finden.

8) Metaphysische Thesen sind – aufgrund ihrer Rahmenfunktion – nicht voraussetzungslos

„beweisbar“, aber doch verteidigbar durch Hinweis auf ihre Unaufgebbarkeit.