19
k HERMANN FLOHN METEOROLOGISCHE PROBLEME BEI DER AUSBREITUNG RADIOAKTIVEN AEROSOLS Sonderdruck aus der Xeitschrift GEOFISICA PURA E APPLICATA - MILANO Bd. 44 (1959/ni), S. 271-286

METEOROLOGISCHE PROBLEME BEI DER AUSBREITUNG … · METEOROLOGISCHE PROBLEME BEI DER AUSBREITUNG RADIOAKTIVEN AEROSOLS (*) von HERMANN FLOHN (**) Zusammenfassung — Der Transport

  • Upload
    others

  • View
    11

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

k

HERMANN FLOHN

METEOROLOGISCHE PROBLEME

BEI DER AUSBREITUNG

RADIOAKTIVEN AEROSOLS

Sonderdruck aus der XeitschriftGEOFISICA PURA E APPLICATA - MILANO

Bd. 44 (1959/ni), S. 271-286

METEOROLOGISCHE PROBLEME BEI DERAUSBREITUNG RADIOAKTIVEN AEROSOLS (*)

von HERMANN FLOHN (**)

Zusammenfassung — Der Transport radioaktiver Aerosol-Partikel durch die Atmo-sphäre wirft neue meteorologische Probleme auf. Eine kinematische Methode derVorhersage von Trajektorien zeigt erhebliche Unterschiede gegenüber den Stromlinien.Die Ausbreitung von Partikelwolken ist eine Funktion der Vektorstreuung des Wind-feldes und einem von der Zeit abhängigen Parameter. Der Massenaustausch zwischender Troposphäre und der viel partikelreichereii Stratosphäre vollzieht sich vorwiegendin horizontaler Richtung im -(Niveau der Strahlströmungen. Einige Besonderheiten derStratosphäre über dem tropischen Pazifik werden kurz beschrieben: die Aufspaltungder Tropopause über dem Äquator und die großen zeitlichen Änderungen der zonalenWindströmungen. Während die Gravitation und das Auswaschen durch Niederschlagevorwiegend gröbere Partikel (Durchmesser > 2 jj.) zur Sedimentation bringen, fällt>;]ie Koagulation an Wolkenelementen hauptsächlich die kleinsten Partikel (< 0.1 (j.) aus.

; Summary — The transport of radioactivc particulate matter by the atmosphereihtroduces new meteorological problems. A kiiiematical method of forecasting airtrajectories demonstrates substantial difi'erences compared with stream-lines. Thespread of particle clouds can be derived from the Standard vector deviation of windsand a time-dependent parameter. Between the troposphere and the stratosphere withits inuch higher conceritration of particles, the mass exchange occurs mainly in a hori-zontal direction near the jet-stream level. Some pecularities of the stratosphere abovethe Tropical Pacific arc shortly described: the Splitting of the tropopause above theequator, and the large time-variations of the zonal currents. While particles with adiameter of at least 2 micron are mainly deposited by gravitation and rain scavenging,POBgulation with cloud droplets prefers particles below 0.1 micron.

L)er Transport von Aerosolpartikeln mit künstlicher (oder auch natürlicher)Radioaktivität durch die Luftströmungen gewinnt — nach den Ergebnissen derAtonrwaffenversuehe wie vor allem auch nach der Inbetriebnahme der erstenKernreaktoren zur Energieerzeugung — für die Meteorologie rasch an Bedeu-tung. Die hier auftretenden meteorologischen Probleme erfordern vielfach ei-

(*) Vortrag gehalten am 3. April 1959 auf der 7. Hauptversammlung der «SocietäItaliana di Gcofisica e Meteorologia« (Genova: 3.-5. April 1959).

(**) Deutscher Wetterdienst, Zentralamt. Offenbach M. (W-Deutschland).

0Ma3

äaH

r|U

_^^T3

s as £S <u

2 'SJ U

2 "d1* ^j rt

13 ^H•i

j ;j

-ig

^y

S >"••.U ""Ü

: ö.) o^ (üD "JJJ0 -rH(5 i— <S 13

5 1>•

ö•< -M

Q 'X

CD

o! N

rti (g

SOi — i

'l0

1 '

s2oH

™*3s

•sSD

:O

fflN

^

Mik

rosynopti

u

0r-H

1

"Yo

a0

,

1 — 1

-^a2o

a„g

.jo

;-i

3

2o

CD

pqN

^T30a

1s"o

uotß

ot

n

2

a100

;?

rt^_ ™

3ijrt

o

«3Ö

hJ

rtS

5"03fl.2bco

PH

^ ^•M

ö

O.^*j

ss

pq

i_yS,

Regio

nals

yno

o0

o1 !

g

O1 — 1

"?

Ö

^g'"c•v

C3

^

'S"

tj>

SHKCßtß0

pdN

^4

Ma

kro

syn

op

t

oM

O

C3

G

O

" ^C-M

'S

(Oo

PQ

^• PH

Glo

bals

ynopt

Ü

03

O

J

—O

Ö

ä

to'•M

3•M

0Hr^

S1

^-^

O

ra

9smC

•M

aaTc«4J

ipq

g

P

M

C3

p5

03

S

KlfcH

3

peooi — iioCXI

söo

4-J

3

O

C<

rf

n

''

'

"oW

L4Iffl

p^r

0)

"S

t«c

pd•

0

^

ü

0)OB

C

0o01 — l

1o0

3-p0

^o£o

c'4-1

C3

K

H• rM

S1 ];l

—s.

OJ•p

<LN•P

'"c?1 ./'r*l

43

'No93

*Sj

^PQN

"3(0

"1Sp'o6E

CS

3

10

Oi — i

-nOr— 1

n?Öc-i

s

]|

"NO

'SEPQN

ü

JO

^

:ol — i

-~Ö1 '

.G

O

1 — 1

:

ff

! [

•"

t>

'SNo ;o j

sHN ;

u

N

R

S

0

1 ' ;

nen Übergang auf neue Arbeitsmetho-den, namentlich für das Ziel einer kün-ftigen Prognose.

Auf der anderen Seite ergeben sichaber auch für die Forschung neue Mög-lichkeiten, die eine quantitative Lö-sung früherer Fragestellungen erlauben.Dies gilt sowohl für ganz großräumig«:Probleme, wie die allgemeine Zirkula-tion der Atmosphäre, den Luftmassen-austausch zwischen Troposphäre undStratosphäre, aber auch für mittel- undkleinräumige Probleme der atmosphä-rischen Turbulenz und Diffusion l1-2).

Der Deutsche Wetterdienst hat durchGesetz die Aufgabe erhalten, die Atmos-phäre hinsichtlich dieser radioaktivenTeilchen zu überwachen, um die Bevöl-kerung vor ihrer gefährlichen Strahlungzu schützen. Hierfür wurden 10 Sta-tionen eingerichtet, die die ß-Strahlungin der Luft und in den Niederschlaget!fortlaufend messen [(3), S. 11 f]; ebensomußten die Transportprobleme der At-mosphäre näher untersucht werden, be-sonders im Hinblick auf die prognosti-schen Möglichkeiten (*). Wir beschrän-ken uns hier im wesentlichen auf dirgroßräumigen Transportvorgänge (2>4),die manche Fragen der allgemeinen Zir-kulation der Atmosphäre in neuer BI--leuchtung erscheinen lassen.

Die übliche Betrachtungsweise dt:iMeteorologie — die Abschätzung vonStromlinien auf geostrophischer (oderzyklostrophischer) Grundlage - reichtnicht mehr aus, wo es sich um die Aus-breitung von Wolken radioaktiver Teil-chen handelt. Die wahren Luftbahneü(Trajektorien) sind nur im stationären

(*) Der Verfasser ist seinen Mitarbei -tern, besonders Dr. HAAULÄNDEK H., Dr.HESS P., Dipl. Met. TAUSCIIER J., zu be-sonderem Dank für diese Untersuchungenverpflichtet, ebenso auch Dr. HINZVETERVI. und Dr. REIFFEHSCHEID H. für man-che anregende Diskussion. 9 » u - - - - - L . -

.o, .

.,(.-,- ü. :•.

Fall mit den wahren (d.h. nichtgeostrophischen) Stromlinien identisch. Für die er-sten Stunden kann die Ausbreitung einer radioaktiven Wolke genügend genau miteiner einfachen Extrapolationstechnik vorhergesagt werden. Hierbei wird dervertikal integrierte Höhenwind räumlich interpoliert, zeitlich extrapoliert und mitder mittleren Fallgeschwindigkeit von Teilchen mit einem Durchmesser von z.B.50 Mikron (Ijj, = 10~* cm) gekoppelt (4>5). Schon bei dieser Art von Vorhersagenmüssen wir eine Annahme über die turbulenten Windschwankungen machen, dieeine seitliche Ausbreitung der Teilchen hervorrufen. Damit kommen wir zu einemder fundamentalen Begriffe der Physik der Atmosphäre: zu dem Turbulenzspektrum.,das sich in der Meteorologie [(ö), S. 89 f] wie in der Klimatologie in einer Hierarchievon Systemen verschiedenen Maßstabes auswirkt (Tabelle 1).

I. Vorhersage grossräumiger Transportvorgänge — Eine vollständige Lösung des(4-dimensionalen) Transportproblems radioaktiver Partikel setzt die Kenntnisder Anfangsbedingungen und der raum-zeitlichen Änderung aller Einfluß faktorenvoraus. Hierzu gehören

1) Stärke und Höhe der Explosion,2) Größen- und Höhenverteilung, sowie Fallgeschwindigkeit der radio-

aktiven Partikel,3) raum-zeitliche Windverteilung in allen Schichten bis etwa 35 km Höhe,

einschließlich Vertikalkomponente, Turbulenz und Diffusion.Da das Windfeld nicht als stationär behandelt werden kann, und die unter 1)

und 2) genannten Faktoren bestenfalls annähernd bekannt sind, können wir nurfür vereinfachte Modellannahmen eine Lösung anstreben, die schrittweise verbes-sert werden muß.

a) Unter der Annahme einer mittleren Fallgeschwindigkeit der Teilchen —die vom Radius, der Dichte und von ihrer aerodynamischen Form abhängt —kann man den gemessenen vertikal integrierten Höhenwind für 3-6 Stunden extra-polieren. Dieses Verfahren [(5), Abb. 33] eignet sich besonders dann, wenn diesevertikal integrierten Höhenwinde bereits vorliegen (z.B. für die Höhenstufen 0-6,ü-12 und 0-24 km) und eine räumliche Interpolation erlaubt ist. Seine Fehlerwachsen mit der Vorhersagezeit rasch an, besonders bei örtlich-zeitlichen Ände-rungen des Windfeldes, wenn Stromlinien und Trajektorien wesentlich voneinanderabweichen.

6) Die Konstruktion geostrophisch approximierter Trajektorien (37) stößt fürdie rückliegende Zeit auf keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Jedoch darfwegen der zeitlichen Änderungen des Windfeldes das Zeitintervall nicht zu großgewählt werden (3 bis höchstens 6 Stunden), weshalb man notfalls Karten derZwischentermine graphisch interpolieren muß. Dieses Verfahren kann man mitHilfe der üblichen Vorhersagekarten z.B. für 300, 500, 700 rnb auf die Zukunftausdehnen, indem man eine einfache Translation des Druckfeldes ansetzt. EinVergleich so erhaltener Vorhersage-Trajektorien mit den nachträglich — ebenfallsgeostrophisch — konstruierten Trajektorien liefert nach HAARLÄNDER (5) für 12-24Stunden einen Fehlervektor von rund 28% der Länge der Trajektorie im 500 mb-Niveau. Dieser Fehlervektor ist nur geringfügig größer als der Fehler einer 24h-Windvorhersage im 300 mb-Niveau, der sich für die Strecke Frankfurt/Main - NewYork auf 24% belauft.

Konstruieren wir etwa für eine normale Westwetterlage auf diese Weise nach-

träglich (geostrophisch) die übereinander liegenden Trajektorien der Luftpartikel,die am. Stichtag einer vertikalen Luftsäule angehören, für je 24 Stunden vor undnach dem Termin, so erkennt man sofort f(5), Abb. 34, ebenso 8, Abb. 2], wie einesolche Luftsäule schon nach 24 Stunden um einige 1000 km auseinandergezerrtwird. Damit wird aber der Begriff der Luftmasse als einer konservativen Einheitfragwürdig (8); mindestens in der oberen Troposphäre (oberhalb etwa 600 mb)steht die thermodynamische Konzeption der Luftmasse mit der Kinematik desWindfeldes ixn Widerspruch.

c) Die Einbeziehung nichtgeostrophischer Terme ist nur an idealisiertenRechenmodellen möglich. Hierbei treten Konvergenzen und Divergenzen auf,die bei \ernachlassigung der Vertikalkompoiiente zu Änderungen in der Konzen-tration (Teilchendichte) führen [(5), S. 10 f.]. Derartige Rechnungen können alsrelativ einfaches Zusatzprogramm zur numerischen Vorhersage durchgeführtwerden, die mit Zeitschritten von etwa einer Stunde arbeitet (2). Das realistischsteall dieser Modelle, das im Deutschen Wetterdienst Dr. HINKELMANN mit seinenMitarbeitern entwickelt hat — ein baroklines 5-Schichten-Modell, nichtgeost.ro-phisch, auf der Grundlage der ursprünglichen Bewegungsgleichungeii, einschließlichReibung und Orographie — erlaubt mit Zeitschritten von 10 Minuten eine sehrgenaue Trajektorien-Koiistruktion, allerdings nur mit Hilfe der leistungsfähigstenelektronischen Rechenautomaten.

Bei dieser theoretischen Behandlung muß auch die Frage geprüft werden, obund inwieweit ein Übergang von dem üblichen Eulerschen Koordinatensystem —das durch die üblichen ortsfesten meteorologischen Beobachtungen repräsentiertwird — zu dein Lagrangeschen System von Numerierungskoordinaten — ent-sprechend etwa den Beobachtungen von Schwebeballonen (coastant pressure levelballoons) — notwendig wird. Hierzu haben HAARLÄNDER (6) und Wim-NlEL-SEN (10) neuerdings Beiträge geliefert.

II. Die Variabilität des Windfeldes — Von besonderer Bedeutung ist die tur-bulente Natur des Wiiidfeldes. Von der allgemeinen Zirkulation der Atmosphärebis zur Mikrometeorologie stoßen wir immer wieder auf die Tatsache, daß derTransport einer Größe A mit dem Wind v nicht nur mit dem mittleren Windvektor

V t} geschieht, sondern auch mit den turbulenten Fluktuationen v' (v = v -j- v') desWindes. Hierbei müssen wir — als physikalische Grundlage der anfangs erwähntenGrößenskala meteorologischer Phänomene — drei Bereiche des Turbulenzspektrumsunterscheiden:

1) den kurzivelligen Bereich mit der charakteristischen Zeit 0.1-10 Sekundenund der charakteristischen Länge 0.1-10 m, der die normale Böigkeit umfaßt;

2) den mittelwelligen (meso-sca!e) Bereich (Zeit 10S-10* sec, Länge 1-10 km)mit den lokalen Phänomenen der Konvektion (Schauer und Gewitter);

3) den normalen synoptischen Bereich (Zeit 105 sec ~ l Tag, Länge 102-103

km), der durch unser heutiges aerologisches Stationsnetz genügend genau erfaßt•wird.

Über den kurzwelligen Bereich in der freien Atmosphäre, oberhalb der Boden-reibungsschicht, wissen wir kaum etwas. Die allgemeine Existenz eines mittel-welligen Bereiches wurde kürzlich von PANOFSKY & VAN DER HOVEN (u) auf Grundvon Untersuchungen an einem Mast in Brookhaven, N. J. bestritten fvgl. auch (6).Abb. 12]; jedoch ist diese Beweisführung wegen des inhomogenen Beobachtungs-materials noch nicht ganz vollständig.

Aus diesen Überlegungen wurden zur Erfassung des mittelwelligen Bereichsin der freien Atmosphäre in Schleswig Windmessungen in 15 Minuten Abstanddurchgeführt, die die Existenz reeller zeitlicher Fluktuationen des meteorologi-schen Bereiches belegen (Abb. 1). In einem Falle — siehe auch (8), Abb. 5 oder (6)Abb. 11 — wurde eine scharfe Diskontinuität im Windfeld beobachtet, ein Wind-sprung von etwa 150°, im Zusammenhang mit einer schwachen Kaltfront mit einerAbkühlung um 2-4°, der innerhalb der Schicht zwischen 500 inb (frontale Inver-

1/4-STÜNDIGE HOHEHWINDMESSUNGENSCHLESWIG 115.1955

^ 2.5m/sec^ 5 n^ 25 u

j p p p f p p p - F f p p P P p - p p p rJ f C p . C P F ' E F B B P r P F P P F F F P F

P F P F F P ff f B B 5 f * P- F

Abb. l - Höhenwindmes- 9- C f f P P F F P F F E F E> c c E t e F F ? P f Pc , , . T -, •.„- . p F F- f S f F C- F f F B [i E C P p f 5 p 5 P V f

suiigen Schleswig 11. Mai. ^ p p P p p p F F F F E P f F F p „ F ,. p F p . p

1956; Strahlströmung aus . P F- P P F F F P F F p P c P P » P P F- P p P r- p

111 5-6 km Hö/ic (nach , f p p f f f r 8 p c r r p f f p p p p p r r p r

> i >II"vrz

sion) und 250 nib (Tropopause) in nur etwa 40 Minuten ablief, entsprechend einemDurchmesser von vielleicht 20-30 km.

Die Technik der Schwebe-Ballone hat uns neue Beobachtungsergebnissegeliefert. Hierzu zählt das Auftreten horizontaler Oszillationen des Windfeldes inder sommerlichen Ostwindzone der Stratosphäre, oberhalb 20 km Höhe, die miteiner Wellenlänge von 30-200 km und einer Amplitude von 10-20 km ebenfallsdem mesometeorologischen Bereich angehören [(12), Abb. 8].

Trotz dieser einzelnen Belege für die Existenz mesometeorologischer Phäno-mene bildet doch Anscheinend dieser Turbulenzbereich im Ganzen eine Lücke indem Spektrum, das die statistische Turbulenztheorie nach KOLMOGOROFF fordert.Diese Tatsache — falls sie endgültig bestätigt werden sollte — könnte die Anwen-dung dieser Theorie in ihrer allgemeinen Form auf die Atmosphäre unmöglichmachen.

Für das Problem der Partikel-Ausbreitung müssen wir also die charakteri-stischen Turbulenzparameter im klein- und mittelwelligen Bereich messen, wozubisher erst Ansätze vorhanden sind. Um eine Näherungslösung zu gewinnen,können wir von der statistischen Theorie der Turbulenz ausgehen, die auf G. J.

TAYLOR zurückgeht. Sie ist allerdings in ihrer Anwendung auf den Übergang vonmakro- zu mesometeorologischen Vorgängen noch nicht geprüft worden. SOLOT &DARLING (l3) haben die Gleichungen vereinfacht mit der Annahme, daß die Korre-lation zwischen den horizontalen Windkomponenten u und v vernachlässigbargering ist, und die Streuungen rj(u) und a(v) gleich sind, d.h. die Streuellipsc derWindvektoren als Streukreis dargestellt werden kann. Das gilt nach unserenErfahrungen im Bereich der Aquatorklzone nicht, ebensowenig überall dort, wodas Windfeld orographisch stärker deformiert ist. Eine weitere Vereinfachungwird erzielt, wenn man die Vektorstreuung rj(v) als Funktion der mittleren skalarenWindgeschwindigkeit V* behandeln darf; das ist in erster Näherung erlaubt, wieaucli die Ergebnisse der Schleswiger Windmessungen bestätigen (Ablj. 2). Prinzi-piell findet man eine Beziehung (13) zwischen der Vektorstrexvung CTT(X) des (zeitlich

"1

Abb. 2 - Vektor StreuungG(V) und skalare Windge-s ch windig k ei t v* überNorddeulschland; vorläu-

fige Werte.

variablen) Transportvektors x und der Vektorstreuung der mittleren Windverlei-lung a(ü) durch eine Autokorrelation

->arO) = a(v) • g(T)

wobei sich die von der Zeitdauer T des Transportes abhängige Funktion g(T)ergibt aus

Diese Formel stellt in statistischer Form eine Beziehung her zwischen derHöhenwindverteilung in LAiRANGE'schen und in EuLERschen Koordinaten.Hierbei ist a eine Konstante» die von der Größe der Turbulenzelemente abhängt.

9 —

*"" läßt sich aus der rechts stehenden Beziehung abschätzen, sofern manermitteln kann. Nach (13) ergeben sich aus Untersuchungen an geostrophischapproximierten Trajektorien für Perioden von 12 Stunden bis zu 6 Tagen Wertevon 0.4-0.6, aus Serien von Ballontrajektorien im Niveau 300 mb ~ 9 km ähnlichzu 0.4-0.5. Da diese Schwebeballon-Flugbahnen auch mittelräumige Turbulenz-elemente mit umfassen, so kann man versuchsweise das Anwachsen der Streuungdes Transportvektors G(X) mit der Zeit T für Perioden bis herab zu 1-2 Stundendurch obige Formeln erfassen; das ist berechtigt unter der Voraussetzung, daß diemittelräumige Turbulenz als Funktion von a(v) ausgedrückt werden kann. Damiterhalten wir also eine erste Näherung für den Einfluß der Turbulenz auf Transportund Ausbreitung von radioaktiven Partikelwolken, als Funktion der TransportzeitT und der mittleren Vektorstreuung des Windes, die ihrerseits natürlich in hori-zontaler und vertikaler Richtung, sowie jahreszeitlich verändelich ist.

Für den Parameter g(T) — der in dem hier interessierenden Bereich bis zuetwa 2 Tagen nur gering von a abhängig ist und fast linear mit T anwächst — er-rechnen wir folgende Werte :

TABELLE 2 — g(T) als Funktion der Andauer des Transportes (T) und dar Konstantena (siehe Text).

g-a

0.40.50.6

l/a

1.0921.4421.953

T = 1h

0.040.040.04

3h

0.120.120.13

6h

0.240.240.25

2h

.46

.47

.49

24h = ld

0.870.900.92

3d

2.082.242.39

lOd

4.414.985.61

Mit dieser Näherungslösung ergibt sich eine neue, wichtige Anwendung derserologischen Klimatologie des Höhenwindes (14), wobei auch die Vektorstreuung<j(v) — bei zirkularer Windverteilung mit a(it) = o(v) — aus der mittleren Resul-tante V und der Beständigkeit Q = v/v* (in %) ermittelt werden kann (15). Übereine experimentelle Nachprüfung obiger Formel — die mittels radioaktiver Isotopemöglich wäre — ist bisher nichts bekannt geworden.

III. Horizontale Ausbreitung des radioaktiven Aerosols — Bei der Ausbreitungradioaktiver Partikel können wir — mit LIBBY & MACHTA (2) — unterscheidenzwischen dem lokalen Ausfall der gröberen Partikel, den troposphärischen Trans-portvorgängen mit relativ rascher Sedimentation und dem weltweiten stratosphä-rischen Depot.

a) Der lokale Ausfall ist abhängig von der Höhe des Wolkenpilzes als Funk-tion der Stärke der atomaren bzw. thermonuklearen Explosion und der thermi-schen Stabilität der Atmosphäre, sowie von der Fallgeschwindigkeit der Partikelals Funktion ihres Gewichts bzw. Radius und der Höhe (1G). Man kann unterbestimmten Modellannahmen die Verteilung des lokalen Ausfalls für verschiedeneWindschichtungen berechnen, die natürlich von der Windgeschwindigkeit abhän-gen; bei schwachen Wind ist die radioaktive Verseuchung des Bodens wesentlichstürker.

V) Für troposphärische Transportvorgänge großen finden wir bekannte Bei-

— 10 —

spiele in den Staubfällen West- und Mitteleuropas [vgl. (5), Abb. 28-29J, oder indein Auftreten der « blauen Sonne » in Europa nach verbreiteten Waldbränden inKanada [(5), Abb. 27]; auf die spezielle Literatur hierzu kann nicht näher einge-gangen werden. Im Niveau maximaler Windgeschwindigkeit, knapp unterhall»der Tropopause, benötigen die Teilchen infolge der mäandrierenden Strömung in30-55° Breite im Durchschnitt rund 24 Tage zu einer Umkreisung der Erde; nicht-selten sind die Schwaden eines Versuchs an einem Ort mehrmals hintereinanderbeobachtet worden.

MACHTA [(2), Abb. 3] und SHEPPAKD [(x), Abb. 28] geben schöne Beispiele derAusbreitung radioaktiver Partikel nach einem Versuch bei den Marshall-Inseln,wobei sowohl die untere Ostströmung des Passats wie die hochtroposphärischeWestströmung an der Ablagerung beteiligt sind, die in 35 Tagen immerhin minde-stens 61° N und 50° S-Breite erreicht hat. Von besonderem Interesse sind die Aus-

Nevada Eniwetok

Abb. 3 - Breiten-Verteilung vonStrontium 90 (Ausfall bzw. Ke-genwasser) nach amerikanischenund britischen Messreihen,

a = Ausfall 1951-55 nachLIBBY W. F. (1G);

h = Ausfall 1956;

c = Gelialt des Ecgenwas-sers, Mittel 1955-57, 6 und cnach STEWART IS. G., OSMOTNBR. G. D., CEOOKS K. N. & Fi-SIIER E. M. R. AERE H P / I I2354 (1958). '

90 60 30

breitungsvorgäiige nach dem Reaktor-Unfall in Windscalc (Nordengland) am 10.Oktober 1957, im Zusammenhang mit der Passage einer Kaltfront. Die synopti-sche Analyse dieses Falles haben P. SHEPPAKD [(T), Abb. 8-19] und H. REIFFER-SCHEID (w) gegeben. Es zeigt sich, daß die labile Schichtung im Bereich dieserFront die anfangs in Bodennähe transportierten Teilehen bis in die mittlere Tropo-

Sphäre hinauf verteilten, da die Strömung in dieser Höhe am besten den sprung-haften Anstieg der Messungen in Holland, Belgien und Westdeutschland [(*), Ahh.14] und [(19), Abb. 2] erklären kann (19).

Sedimentation und Vertikaltransport der Teilchen (siehe unter IV) führt zueiner « mittleren Verweilzeit », die mit Hilfe radioaktiver Isotope bestimmt werdenkaiin. Sie beträgt im Mittel in Bodennähe 1-4 Tage (17), in der mittleren und oberenTroposphäre 10-30 Tage, in der Stratosphäre dagegen 5-10 Jahre (18).

c) Die Stratosphäre wird nur hei sehr energiereichen Versuchen erreicht. Dahier — wegen des Fehlens aller Wolken und Niederschläge — nur die Gravitationein Ausfallen der Teilchen verursachen kann, da außerdem der vertilialeAustausch infolge der thermischen Stabilität sehr gering ist, stellt die Stratosphäreein Depot kleiner Partikel (< l[j,) dar.

Bereits im August/September 1954 betrug die spezifische Partikel-Konzen-tration pro Kg Luft über England in der Stratosphäre, d.h. in 13-15 km Höhe das50-100 fache wie in der Troposphäre [vgl. (x) Abb. 29)}, deren Partikelgehalt nachoben nur langsam zunahm. Die wenigen neueren Resultate, die inzwischen zugäng-lich wurden, liefern ähnliche oder noch höhere Verhältniszahlen.

Beispiele horizontaler Transportvorgänge in der Stratosphäre haben bereitsdie großen historischen Vulkanausbrüche geliefert: genannt seien Tambora 1815,Krakatau 1883 (20), Katmai 1912 und neuerdings Heida [1947, (21)]. Diese machenähnliche Energiemengen frei, wie die thermonuklearen Versuche (entsprechendMegatonnen Trinitrotohiol), und ihre Eruptionswolken — vgl. die eindrucksvollenAbbildungen 4-5 bei THORARINSSON (al) — durchstoßen daher ebenso die Tropo-pause, wie die bekannten Atompilze (22). Von diesen Vulkanausbrüchen liegenauch sehr interessante Karten der Aschenablagerungen vor, die die elliptaidischeVerteilung des lokalen Fall-Out demonstrieren [(21), Karte 2; (23)].

Welche Prozesse sorgen nun für den Austausch zwischen Troposphäre undStratosphäre, insbesondere für die Leerung des stratosphärischen Depots? Indiesem ist die Verweilzeit mit 5-10 Jahren eher kleiner als die Zeit, die die Schwer-kraft benötigt, um Teilchen mit einem mittleren Durchmesser von l JA (bzw. 0.1[j.)aus 20 km Höhe zu sedimeutieren: das wären nach STOKES' Gesetz 17 (bzw. 670)Jahre. Hinzu kommt die absinkende Luftbewegung der Stratosphäre selbst, derenGröße wenig bekannt ist; sie dürfte aber immerhin in der Größenordnung mm/secliegen. Die Teilchen dürften sich also wahrscheinlich allmählich in Tropopauseii-nähe anreichern, wie es vom Krakatau auch beschrieben worden ist. Die horizon-tale Ausbreitung des Strontium 90-Gehaltes des Regenwassers und des zugehörigenAusfalls (Abb. 3) zeigt ein eindeutiges Maximum in 30-45° N-Breite, ein zweitesin 40-50° Südbreite, sowie ein Minimum in der Tropenzone. Diese überraschendeVerteilung kann mit den troposphärischen Strömungsverhältnissen nicht erklärtwerden; diese müßten in der Tropeiizone, in der gleichen Breite wie das Haupt-gebiet der Kernwaffen-Experimente, ein Maximum lieiern; vgl. die unter b) er-wähnten Beispiele. Offensichtlich sind hier zwei Befunde der allgemeinen Zirkula-tion der Atmosphäre entscheidend:

1) Ein Luftaustausch zwischen der partikelarmen Troposphäre und derpartikelreichen Stratosphäre kann nicht durch die Sperrschicht der Tropopausehindurch erfolgen — wie es manche in die Lehrbücher übergegangenen Zirkulations-schemata in irreführender Weise zeigen (Abb. 4-A). Vielmehr geschieht er durchden horizontalen Massentransport im Bereich der planetarischen Strahlströme, wodie Tropopause stets aufgespalten ist, häufig- aufgelöst und neugebildet wird, und

12

hochtroposphärische Tropikluft gegen stratosphärische Polarlvift ausgetauschtwird (Abb. 4-B). Dieser Vorgang beschränkt sich auf schmale Zonen und ist daherwohl sehr langsam im Vergleich zu dem lebhaften Vertikalaustaue ch innerhalbder Troposphäre (durch Konvektion und Gleitprozesse). (*)

SOMMER WINTER

N 60° 30" 0" 30" 60" SAbb. 4 - Schema des Massenaustausches zwischen Troposphäre und Stratosphäre.

A = Tropopausen-Zirkulation [nach BREWER A. W., Quart. Jouru. Roy. Met.Soc., 75, 351 (1949)].

B = Horizontalaustausch zwischen Troposphäre und Stratosphäre (Doppel-pfeile) ;

Js = Subtropische Strahlströmung;Jp — Polarfront-Strahlströmung [(vgl. hierzu PALMEN E., Quart. Journ. Roy.

Met. Soc., 77, 33 (1951)].

2) Die im Bereich der Strahlströme (a,8) in 25-45° Breite (subtropischerStrahlstrom) und in höheren Breiten (Polarfront-Strahlstroni) aus der Stratosphärein die obere Troposphäre gelangten Partikel werden wegen der ageostrophischenQuerzirkulation der Strahlströmung vorwiegend auf der kalten Seite dieser Strahl-ströme — wo aufsteigende Komponenten überwiegen — zum Ausregnen gebracht.

(*) Dieser horizontale (oder isentrope) Austausch ist durchaus in der Lage, etwadie von RAETHJEN geforderten Eigenschaften einer Tropopausenzirkulation !(2*), S. 90 fzu erklären, ohne daß wir oberhalb der tropischen Tropopause im Mittel aufwärtsgerichtete Bewegungen annehmen müßten, die mit der dort besonders hohen thermi-schen Stabilität und der extrem geringen Feuchte — die durch neuere englische Meß-flüge bestätigt wird — im Widerspruch stehen.

— 13 —

Daher erklärt sich das breite Minimum in der Tropen- und Subtropenzone, aberauch der Abfall zu der subpolaren Zone maximaler (frontaler) Niederschlagshäu-figkeit.

Im tropischen Pazifik, im Bereich der Marshall-Inseln, ergab das Studium derserologischen Daten im Frühjahr 1956 das Auftreten einer; mehrfachen Tropopause•am Äquator selbst (Abb. 5); auch hier kommt es zur Auflösung und Neubildungvon Tropopausen.

Die Windverteilung in der äquatorialen Stratosphäre ist nach Meßreihen über•dem Pazifik wesentlich komplizierter als früher angenommen worden war. Schonin der oberen Troposphäre können quasistationäre, über Wochen und Monatehinaus persistente Wirbel vorkommen, die das normale Strömungsfeld variieren.In der Stratosphäre hat PALMER (28), ein System westlicher Winde zwischen 18und 24 km Höhe beschrieben, die er nach ihrem ersten Entdecker als « BEESON-"Westwin.de» benannte. Aber neuere Beobachtungen zeigen, daß in einzelnen

geop.km

15 IS 21 00 03 06 09 t2 13 18 21

Abb. 5 - Mehrfacttildung dar Tropopause in Aequatornähe (Zeitschnitt über Tarawa,1.3° N, 172.9» E).

Jahren oder Jahreszeiten dieses System, sich entweder in. beobaohtungsleere Gebietesüdlich des Äquators verlagert hat oder völlig fortfällt; möglicherweise kann esauch mit der (extratropischen) hochtropospbärischen Westwindzone verschmelzen.In diesen Fällen dominieren die auffällig starken (60-120 Kn) und über lange Zeit-räume hinweg sehr-beständigen Krakatau-Winde aus E. Aber auch diese könnenselbst in größeren Höhen (27-36 km) während monate- und jahrelanger Zeiträumedurch westliche Winde abgelöst werden [vgl. (26)], ohne daß über die räumlichenZusammenhänge und die physikalischen Ursachen schon etwas bekannt ist.

Über den Kontinenten der Nordhalbkugel bildet sich im Sommer in 15-20°Breite nahe dem 100 mb-Niveau eine sehr beständige Strahlströmung aus E aas,

— 14 --

die KOTESWARAM (27) als «Tropical Easteiiy Jet» beschrieben hat. Über ihreAusdehnung und den Zusammenhang mit der sommerlichen Ostwindzone derStratosphäre sind inzwischen einige Angaben möglich (lä). Aber die Windverhält-nisse der Stratosphäre, besonders oberhalb 20 km sind offenbar sehr komplex undbieten immer wieder neue Überraschungen. So wird der frühwinterliche Strato-

April 1951

Druck HÖflSmb 10*fr Km

so l.

81KATI KUSA1E MtüUf® KWÄ3ALSIN EH1WETOK

J__ _j , t—, L,

W s..

Windstärke in Knohn o->*iKa

Beständigkeif Q

W

30-

20-

to-

' -v*^'--*^.-10 > """ 5\ v> \ E % %

"6 5 ^ ^-+ S ^ ^S " ^s : ^

-2 *-, ^-^ ^r,

»- . «— m <•— fl" _— _^-^

0°^ ' 2°fl 'V 6°

//

v/

^r— s

*~~^

-T,-l,

»-T«

"*""

^

»-»

*--,.

"-,

—J•~T~

^

0-T;

•--wt

-T— <3-

w--*

**^

72a t/f.° 1G° 18°

Abb. 6 - Resultierende Winde im Bereich des äquatorialen Pazifiks, April 1951(etwa 168» E).

sphärische Polarnacht-Strahlstrom (28) in subpolaren Breiten anscheinend alljähr-lich zwischen Januar und März abgelöst durch den vorübergehenden, örtlich-zeitlichvariablen Aufbau stratosphärischer Hochdruckgebiete mit östlichen Winden,ohne daß über die physikalischen Ursachen eine sichere Aussage möglich ist. Bei-spiele von Meridian-Höhenschiiitten der Windverteilung siehe Abb. 6 und 7.

I"V. Vertikale Transportvorgänge — Neuere Untersuchungen der vertikalenVerteilung radioaktiver Isotope in der Atmosphäre haben — wie erwähnt — erge-ben, daß die Teilchendichte in der Stratosphäre — bezogen auf die gleiche MasseLuft — 50-100 mal so groß ist wie in der Troposphäre [vgl. (*), Fig. 29]. Offen-sichtlich werden die Partikel aus der Troposphäre erheblich rascher zur Ablage-rung gebracht, wie aus der Stratosphäre, deren Massenaustausch mit der Strato-sphäre sich auf die schmalen Zonen der Strahlströme beschränkt. Die zur Ablage-

— 15 —

rung (Sedimentation) führenden Transportvorgänge in vertikaler Richtung könnenwir folgendermaßen gliedern (29>30):

1) normale Sedimentation unter der Wirkung der Schwerkraft (englisch == fall-out);

2) Einbeziehung in "Wolkenelemente durch Koagulation oder durch direkteKondensation an dem Aerosolteilchen (= rain-ont);

3) Auswaschen aus der Atmosphäre durch Regen, Schnee oder andereHydrometeore (= wash-out).

Juli 1956

saoa2000 •

Abb. 7 - Resultierende Winde im Bereich des äquatorialen Pazifiks, Juli 1956.

: a) Die Sedimentation läßt sich nach dem Gesetz von STOKES berechnen,unter der Annahme, daß es sich um kugelförmige Teilchen von der Dichte desWassers handelt. Während Teilchen ihit einem Durchmesser von l nrm die Tropo-sphäre •— deren vertikale Erstreckung zu 12 km angenommen sei — in etwa 50min durchfallen, brauchen Teilchen von 0.1 mm schon über 10 Stunden, solche von10[i etwa l Monat, von IJ.L 10 Jahre, von O.ljx 400 Jahre. Wegen der hohen Tur-bulenz der Troposphäre müssen die letzten Zahlen als vernachlässigbar klein ange-sehen werden.

, • 6) Während eine Wirksamkeit als Kondensationskern nur bei hygroskopischenPartikeln angenommen werden darf, läßt sich der Effekt der Koagulation vonPartikeln und-Wolkenelementen durch Turbulenz und Molekularbewegung ab-schätzen, wobei die mittlere Größe der Wolkenelemente, zu 8-14^ angenommen

— 16 —

wird (31). Die Rechnung zeigt, daß dieser Prozeß vor allem die kleinsten Teilchenmit einem Durchmesser von 0.1[J, und darunter erfaßt, die größeren dagegen nuräußerst langsam (Abb. 8 links).

c) Das Auswaschen der Atmosphäre durch Niederschläge wurde zunächstfür Regen durchgerechnet, wobei das Größenspektrum der Tropfen direkt von der

Abb. 8 - Prozentsatz der durch Koagulation mit Wolkenelcmenten (links) und durch Regen(rechtes) ausgefällten Aerosolpartikel [rp = Radius der Partikel, d = Durchmesser,.nach HESS P. (30)', t = Zeit in Stunden, Durchmesser der Wolkenelemente lOijt (ausge-

zogen) bzw. 5[j. (gestrichelt).

Regenintcnsität abhängt, (32). Für die Regenintensität und -andauer imeuropäischen Klima und für verschiedene Fallstrecken ergaben diese Rechnungen,daß hauptsächlich Partikel mit einem Durchmesser von mindestens 2jj, erfaßtwerden, die kleineren dagegen nur sehr langsam (Abb. 8 rechts).

Dieser Prozess vollzieht sich jedoch nach den experimentellen Untersuchungenvon L. FACY (33) nur im Bereich der Wolken oder feuchtgesättigter Luft, währendbei verdunstendem Regentropfen ein molekularer Wasserdampftransport nachaußen beobachtet wird, der die einzufangenden Partikel abstößt. Dieser Effektder Diffusion von Wasserdampf in Nähe der Tropfenoberfläche vergrößert den« effektiven Durchmesser » von Tropfen im Kondensationsstadium und verringertihn im Verdunstungsstadium.

Bei festen Niederschlägen gelten andere Gesetze. Schneekristalle haben imVergleich zu Wassertropfen von gleichem Gewicht eine größere Oberfläche undeine viel kleinere Fallgeschwindigkeit. Die Wirksamkeit des Einfang-Prozesses istalso schon rein mechanisch erheblich größer. Hinzu kommen noch die elektro-statischen Kräfte, die sich besonders an den Wachstumsspitzen der Kristalle aus-wirken, sowie die Diffusion von Wasserdampf zu diesen Wachstumsspitzen hin.Es ist daher nicht verwunderlich, daß auch nach den Beobachtungen unsererStationen die Einfang-Wirksamkeit (englisch: collection efficiency) von Schneehöher ist als bei Regen. Zwar sind Absolutwerte der spezifischen Aktivität von

— 17 —

Schnee nach M. HINZPETER [(3), Abb. 7-8] nur etwa halb so groß wie die von Regen;eine Prüfung an größeren — und zeitlich stärker unterteiltem — Material erscheintnotwendig. In ganz auffälliger Weise nimmt aber die spezifische Aktivität vonSchnee — und damit offenbar die Einfangwirksamkeit — an zwei aufeinanderfol-geiide Tagen zu, wrenn die Niederschlagsmenge ebenfalls zunimmt, während beiRegen die Einfang Wirksamkeit abnimmt, wenn die Niederschlagsmenge zunimmt[(3), Abb. 7-8, unterer Teil].

Die beiden letztgenannten Prozesse — Koagulation mit Wolkenelementen.Auswaschen durch Niederschlag — wirken also selektiv, wobei die Teilchengrößeiietwas unter l [A am längsten in der Troposphäre schweben bleiben. Beide Prozessebewirken in der Troposphäre die Umwandlung des üblichen polydispersen Aero-sols (35) mit breiten Größenspektrum in ein monodisperses Aerosol, das aus Teilchenvon nahezu konstanter Größe besteht. Da verschiedene optische Phänomene einderart monodisperses Aerosol voraussetzen — besonders das der blauen bzw. grünenSonne, das einen Partikelradius von rund 0.5 bzw. 0.9(0, fordert f36) — müssen wiroffenbar die klimatologische Häufigkeit dieser Prozesse für die (sonst unverständ-liche) Selektion eines so engen Größenbereiches heranziehen.

LITERATUR

(L) SHEPPAKD P. A.: Dispersione di particelle radioattive nelVtitraosfera. Riv. Meteor.Aeronaut., 19, N. 3, p. 3-14 (1959). — (2) MACIITA L.: Meteorological factors effeetingspread of radioactivity from nuclear bombs. Journ. Washington Ac. Sc., 47, 169-179(1957). — (3) HINZPETER M., BECKER F. & REIFFERSCHELD H.: Atomtechnische Aerosol undatmosphärische Radioaktivität. « Schriftenreihe d. Bundesministers f. Atomkernenergieund Wasserwirtschaft », Strahlenschutz, Heft 7, Braunschweig, 61 S. (1959). — (*) FLOIINH. & HAAHLÄNDER H.: Meteorologische Probleme bei der Verfrachtung radioaktiven Aero-sols. In: «Wissenschaftliche Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes », Schriftenreiheüber Luftschutz Heft 11, Koblenz 1958, S. 181-199 (Auszug in Ber. Phys. Med. Ges.Wiirzburg, 68, 147-148) (1959). — (5) HAAHLÄNDER H.: Zum Problem der Verfrachtungradioaktiver Spurenstoffe in der Atmosphäre. Ber. Dt. Wetterdienst, 55 (1959). — (6) FLOIINH.: Aktuelle Probleme der aerologischen Synoptik. Ber. Dt. Wetterdienst 51, 82-95 (1959).— (8) FLOHN H.: Luftmassen, Fronten und Strahlströme. Meteor. Rundsch., 11, 7-13(1958). — (9) WELANDER P.: Studies of the general developraent of motion in a two-dim-en-sional ideal fluid. Tellus, 7, 141-156 (1955). — (10) WllN-NlELSEN A.: On the applicationof trajectory methods in numerical forecasling. Tellus, 11, 180-196 (1959). — (n) VAN DERHoVEN J.: Power spectrum of horizontal wind speed in the frequency ränge from 0.0007 to900 cycles per hour. Journ. Meteor., 14, 160-164 (1957). — (12) FLOIIN H., HOLZAPFEL R.& OECKEL H.: Untersuchungen über die stratosphärische Ostströmung auf derli Sommerhalb-kugel. Beitr. Phys. Atmos., 31, 217-243 (1959). — (13) SOLOT S. B. & DARLING E. M. jr.:Theory of large-scale atmospheric diffusion and its application to air trajectories. Geophys.Res. Papers, 58, 3 Vol. (1958). — (M) FLOIIN H.: Aerologische Klimatologie. In: HESSE W.« Handbuch der Aerologie » (im Druck). — (15) BROOKS C. E. P., DURST C. S., CARRU-THERS N., DEÖ'AR D. & SAWYER J. S.: Upper winds over the ivorld. II. Geophys. Mem.Meteor. Office London, 85 (1950). — (l6) KELLOGG W. W., RAPP R. R. & GHEENFIELDS. M.: Close-in Fallout. Journ. Meteor., 14, 1-8 (1957). — (17) HAXEL O. & SCHUMANN G.:Selbstreinigung der Atmosphäre. Z. f. Physik, 142, 127-132 (1955). — (ls) LIBBY W. F.:Radio-Strontium Fallout. Proc. INat. Acad. Sciences, 42, 365-390 (1956). — (19) REIFFEU-SCHEID: Diskussionsbemerkung. In: « Ber. Dt. Wetterdienst», 51, 71-73 (1959). —(2l)) WEXLER H.: Spread of the Krakatoa Volcanic Dust Cloud äs related to the High-LevelCirculation. Bull. Amer. Meteor. Soc., 32, 48-51 (1951). — (a) THORARINSSON S.: Heklaon Fire. München 1956; vgl. auch K. KNOCHE, Meteor. Z., 49, 402 (1932). — (32) vgl..

— 18 —

HOLZMAN B. G.: Bull. Amer. Meteor. Soc., 32 (1951), 231 und WEICKMANN L. Meteor.Rundsch.. 9 (1956), 1-5, sowie Weatherwise, 10, Vol. 4 (1957). — (23) vgl. THOHAKINSSONS.: Erdkunde, 13, 124-138, Karte 5 (1959). — (M) RAETHJEN P.: Dynamik der Zyklonen,Leipzig 1953, S. 90 f. — (25) PALMER C. E.: The. General Circulation between 200 mb and10 mb over the Equatorial Pacific. Weatlier, 9, 341-350 (1954). — (-6) vgl. Meteor. Mag.88, S. 117 (Fig. 4) (1959). — (27) KOTESWAEAM P.: The Easleiiy Jct-Slream in the Tro-pics. Telhis, 10, 43-57 (1958). — (28) LEE R. & GODSON M. L.: The Ärctic StratosphericJet-Stream during the winter of 1955-1956. Journ. Meteor., 14, 126-135 (1957). — (2ö)GREENFIELD S. M.: Rain scavenging ofradioactive particulate matter from the atmosphcre.Journ. Meteor., 14, 115-125 (1957). — (30) HESS P.: Untersuchungen über den Ausfall vonAerosolpartikeln durch Niederschläge und Wolkenbildung. P>er. Dt. Wetterdienst, 51,67-71 (1959). — (31) DIEM M.: Messungen der Grosse von Wolkcnelem.enten II. Meteor.Rundsch., l, 261-273 (1948). — (33) BEST A. C.: The sizc distribution ofraindrops. Quart.Journ. Roy. Meteor. Soc., 76, 16-36 (1950). — (33) FACY L.: Sur le deplacement des aerosolsdans un gradient de tension de vapeur. 7Sth Annivers. Vol. Jourri. Meteor. Soc. Japan,15-24 (1957); sowie C. R. Ac. Sc. Paris, 246, 3161 (1958) und Geofisica e Meteorologia7, 7-12 (1959). — (ö4) HESS P. & TAUSCHER J.: (unveröffentlichtes Manuskript). — (3ä)JUNGE CHK. ; Gssetzmässigkeiten in der Grösscnvertcihing atmosphärischer Aerosole überdem Kontinent. Bcr. Dt. Wetterdienst US-Zone, 35, 261-277 (1952). — ( 3 S ) PENNDOUF R.:On the Phenomenon of the coloured sun, especially the « blue » sun of September 1950.Geophys. Ees. Pap., 20 (1953). — (37) HAARLÄNDER H.: Eine kinematische Methode zurVorhersage wahrer Luftbahnen mit Beispielen. Ber. T)t. Wetterdienst 31 (1957).

(Eingegangen am 30. September 1959)

: ' ; . ; • . u X L2-u H. Flohn; Meteorologische Probleme bei der Ausbreitung

radioaktiven Aerosols (Geofisica pura e applicata,Bd. 44, 271-286, 1959).

Infolge Abwesenheit des Verfassers sind in dem anliegenden Aufsatzeinige Druckfehler stehen geblieben:

Seite 4 (272) Fußnote: ..., sowie der Schutzkommission der DeutschenForschungsgemeinschaft für die Unterstützung der Arbeiten,

" 6 (274) Absatz II, Zeile 4-5; ... mit dem mittleren Windvektor V.,

" 7 (275) Zeile 9 von unten: ... doch anscheinend ...

" 8 (276) Zeile 4 von unten: in der Formel muß es heißen-aT , ,, aTe anstelle von e

" 11 (279) c) Absatz 3, Zeile 8: ..., die die elliptische ...

11 16 (284) Unterschrift Abb. 8, Zeile 2: (rechts) ...

11 17 (285) Lit. (12) ... Ostströmung auf der Sommerhalbkugel ...