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Klaus Jenewein Methoden beruflichen Lernens und Handelns in der Fachrichtung Elektrotechnik – Eine fachdidaktische Aufgabe (veröffentlicht in: Lehrerbildung im gesellschaftlichen Wandel. Hrsg. von Franz Bernard und Bärbel Schröder. Frankfurt/M.: G. A. F. B., 2000, S. 315-341) 1 Vorbemerkung Eine der zentralen Fragen einer Fachdidaktik ist die Herausarbeitung des Methodenver- ständnisses ihres Faches. Anders als etwa bei den Naturwissenschaften wie etwa der Physik, bei der eine Methodenkonzeption in langer wissenschaftlicher Tradition ausgearbeitet und in vielen Unterrichtsbeispielen fundiert worden ist, finden wir in der Elektrotechnik – ähn- lich wie in anderen technisch-beruflichen Fachrichtungen – lediglich in Ansätzen ausgear- beitete Vorstellungen und – von Einzelbeispielen abgesehen – kaum geschlossene Ausbil- dungs- und Unterrichtskonzepte. Aus der Perspektive der angehenden Lehrerinnen und Lehrer kann dieser Zustand nur als Defizit aufgefasst werden; wird doch von ihnen die Förderung beruflicher Handlungskom- petenz unter besonderer Berücksichtigung von Methodenkompetenz seit mehr als 10 Jahren verbindlich gefordert. Aus der Perspektive der Fachdidaktik Elektrotechnik bestehen jedoch vor dem Hintergrund des kontinuierlich hohen Veränderungsdrucks, bedingt durch techni- schen und gesellschaftlichen Wertewandel sowie durch ständig neue Berufsbilder in Ver- bindung mit wechselnden Qualifikationsanforderungen und wechselnden Leitbildern, kaum zu überwindende Hürden, verallgemeinerungsfähige Konzepte vorzulegen, die in der Aus- bildungs- und Unterrichtspraxis angewendet werden können. Der vorliegende Beitrag hat sich daher der Aufgabe gestellt, Überlegungen zu entwickeln, inwieweit durch ein allgemeintechnologisch begründetes Ordnungsschema ein technikwis- senschaftlich orientiertes Methodenrepertoire ausgearbeitet werden kann, das a) für die Ausbildungs- und Unterrichtspraxis zu brauchbaren Anleitungen führt und b) innerhalb der universitären Lehramtsstudiengänge zur Ausgestaltung eines technikdidak- tischen Lehrangebotes verdichtet und für Ausbildung und Unterricht in der Fachrichtung Elektrotechnik konkretisiert werden kann. 2 Fachdidaktiken im Spannungsfeld von Bezugsdisziplinen und Praxisfeldern 2.1 Fachdidaktik in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion Konzeption und Ausgestaltung einer Fachdidaktik verweisen zunächst auf das Verhältnis zur allgemeinen Didaktik. Plöger (1992, S. 13 ff.) skizziert dieses Verhältnis mit folgenden Zitaten von

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Klaus Jenewein

Methoden beruflichen Lernens und Handelns in der Fachrichtung Elektrotechnik – Eine fachdidaktische Aufgabe

(veröffentlicht in: Lehrerbildung im gesellschaftlichen Wandel. Hrsg. von Franz Bernard und Bärbel Schröder. Frankfurt/M.: G. A. F. B., 2000, S. 315-341)

1 Vorbemerkung

Eine der zentralen Fragen einer Fachdidaktik ist die Herausarbeitung des Methodenver-ständnisses ihres Faches. Anders als etwa bei den Naturwissenschaften wie etwa der Physik, bei der eine Methodenkonzeption in langer wissenschaftlicher Tradition ausgearbeitet und in vielen Unterrichtsbeispielen fundiert worden ist, finden wir in der Elektrotechnik – ähn-lich wie in anderen technisch-beruflichen Fachrichtungen – lediglich in Ansätzen ausgear-beitete Vorstellungen und – von Einzelbeispielen abgesehen – kaum geschlossene Ausbil-dungs- und Unterrichtskonzepte.

Aus der Perspektive der angehenden Lehrerinnen und Lehrer kann dieser Zustand nur als Defizit aufgefasst werden; wird doch von ihnen die Förderung beruflicher Handlungskom-petenz unter besonderer Berücksichtigung von Methodenkompetenz seit mehr als 10 Jahren verbindlich gefordert. Aus der Perspektive der Fachdidaktik Elektrotechnik bestehen jedoch vor dem Hintergrund des kontinuierlich hohen Veränderungsdrucks, bedingt durch techni-schen und gesellschaftlichen Wertewandel sowie durch ständig neue Berufsbilder in Ver-bindung mit wechselnden Qualifikationsanforderungen und wechselnden Leitbildern, kaum zu überwindende Hürden, verallgemeinerungsfähige Konzepte vorzulegen, die in der Aus-bildungs- und Unterrichtspraxis angewendet werden können.

Der vorliegende Beitrag hat sich daher der Aufgabe gestellt, Überlegungen zu entwickeln, inwieweit durch ein allgemeintechnologisch begründetes Ordnungsschema ein technikwis-senschaftlich orientiertes Methodenrepertoire ausgearbeitet werden kann, das

a) für die Ausbildungs- und Unterrichtspraxis zu brauchbaren Anleitungen führt und

b) innerhalb der universitären Lehramtsstudiengänge zur Ausgestaltung eines technikdidak-tischen Lehrangebotes verdichtet und für Ausbildung und Unterricht in der Fachrichtung Elektrotechnik konkretisiert werden kann.

2 Fachdidaktiken im Spannungsfeld von Bezugsdisziplinen und Praxisfeldern

2.1 Fachdidaktik in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion

Konzeption und Ausgestaltung einer Fachdidaktik verweisen zunächst auf das Verhältnis zur allgemeinen Didaktik. Plöger (1992, S. 13 ff.) skizziert dieses Verhältnis mit folgenden Zitaten von

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• A. Regenbrecht (1964):

Beide Disziplinen (allgemeine Didaktik, Fachdidaktik) haben Lehrpläne „zu entwerfen, den besonderen Bildungsauftrag der einzelnen Schularten darzulegen, nach der Stufung des Bildungsgangs und den Prinzipien des Unterrichtens zu fragen.“

• G. Otto (1970):

Allgemeine Didaktik ist „Konkretisierung pädagogischer Einsichten im Hinblick auf Lehr- und Lernvorgänge; sie hat die Aufgabe, den Entwurf des gesamten Lehrgefüges zu durchdenken, für die jeweiligen Schultypen zu variieren und mit der Fachdidaktik in das Gespräch über Ort, Auftrag, Reichweite, ja über die Existenznotwendigkeit von Einzel-fächern und Fächergruppen im Gesamtplan einzutreten. (...) Die Fachdidaktiken (soll-ten) vor allem die Aufgabe wahrnehmen, die von der Allgemeinen Didaktik angebote-nen Denkmodelle auf ihre fachdidaktische Relevanz zu überprüfen. Die Analyse der Fachpraxis, die Überprüfung vorhandener Theorien und Methoden der Allgemeinen Di-daktik gehören zu dem ständigen Auftrag des Fachdidaktikers.“

• Kerstiens (1970):

Eine sinnvolle Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fachdidaktiken kann immer erst „im Zusammenwirken der fachwissenschaftlich und der erziehungswissenschaftlich orien-tierten Spezialisten“ entstehen. „Der Erziehungswissenschaftler, der didaktisch arbeiten will, ist in Gefahr, die Gegenstände (...) auf eine volkstümliche Allgemeinbildung hin zu verkürzen; der Fachwissenschaftler ist in Gefahr, sich die Normen für die Lehr- und Lernprozesse durch die Wissenschaft geben zu lassen, die Lernvoraussetzungen und das psychosoziale Feld des Lernens zu übersehen, vor allem aber die Lernziele nicht im Hin-blick auf die Bewährungssituation des Lernenden zu setzen.“

Die – aus der Perspektive der allgemeinen Erziehungswissenschaften formulierten – Vor-stellungen vom Aufgabenbereich der Fachdidaktiken bewegen sich auf einem erstaunlich geringen Konkretisierungsniveau. Auf der Grundlage recht allgemeiner Vorstellungen (vgl. Kerstiens) werden Zielsetzungen konstruiert, mit denen das strukturelle Grundproblem von Kooperation zwischen fachdidaktischer und erziehungswissenschaftlicher Forschung und Lehre – die Anbindung der Fachdidaktiken an die Fächer – weder thematisiert noch tangiert wird.

Kaum konkreter wird eine 1985 durchgeführte bundesweite Fachdidaktikertagung, die in einer gemeinsamen Erklärung den Fachdidaktiken eine verbindende Rolle zwischen wissen-schaftlichen Einzeldisziplinen und Praxisfeldern zuweist (Fachdidaktikertagung, 1985):

• „Fachdidaktik ist (...) Wissenschaft von den Voraussetzungen, dem Erwerb und der An-wendung fachlicher Kompetenzen.“

• „Fachdidaktiken sichern das Zusammenwirken von Fachwissenschaften, pädagogischer Forschung und Schulpraxis.“

• „Fachdidaktiken qualifizieren auch für außerschulische Tätigkeitsfelder.“

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Obwohl berufliche Fachdidaktiken an einer Reihe von Hochschulen den berufspädagogi-schen und erziehungswissenschaftlichen Fakultäten zugeordnet sind (vgl. die Ausbildungs-modelle etwa in Karlsruhe oder in Magdeburg), wirkt insbesondere die Abgrenzung zu den Erziehungswissenschaften erstaunlich unkonkret und wenig inhaltlich ausgestaltet. Auch die durch die Fachdidaktikertagung vorgenommenen Erklärungsversuche wirken wenig struk-turbildend und - gerade aus der Perspektive beruflicher Ausbildungsgänge - auf allgemein-bildende Schulformen verkürzt. Aus der Perspektive einer technisch-beruflichen Didaktik fehlen Hinweise auf

• eine aus fachwissenschaftlicher und didaktischer Sicht begründeten Wissenschaft des beruflichen Lehrens und Lernens in einer gewerblich-technischen Fachdisziplin;

• das Spannungsfeld zwischen (schulischer) Bildung, gesellschaftlichen Qualifikationsan-forderungen und individueller Persönlichkeitsentwicklung;

• handlungs- und erfahrungsbezogenen Lernformen für fachbezogene Lehr- und Lernpro-zesse;

• Berufs- und Wissenschaftspropädeutik als Zieldimensionen beruflichen Lehrens und Lernens in der Sekundarstufe II.

2.2 Bezugsgrößen und Praxisfelder der technisch-beruflicher Fachdidaktiken Elekt-rotechnik

„Fachdidaktiken beruflicher Fachrichtungen – ein schillerndes Konstrukt ohne wissen-schaftlichen Konsens“ hat der Autor dieses Beitrags ein Kapitel überschrieben, in dem über die Grundkonzeption der nordrhein-westfälischen Berufsschullehrerausbildung und über er-kennbare konzeptionelle Problembereiche berichtet worden ist (Jenewein, 2000, S. 158 ff.). Angesprochen ist ein Studiengangsmodell, in dem Fachdidaktiken (neben Fachwissenschaf-ten, Schul- und Betriebspraxis) einen Teilbereich einer beruflichen Fachrichtung bilden und das Studium der Erziehungswissenschaften und eines (nichtaffinen, affinen oder hochaffi-nen) Zweitfaches ergänzen. Ausbildungskonzeptionen in anderen Bundesländern weichen zum Teil deutlich von dem NRW-Modell ab – an der Universität Karlsruhe etwa wird das Lehrangebot für die technisch-beruflichen Fachdidaktiken u. a. in ein abgestimmtes Curri-culum aus berufspädagogischer Theoriebildung einschließlich einer umfassenden Einfüh-rung in Konzepte des beruflichen Lehrens und Lernens, einer allgemeinen Technikdidaktik (als technisch-berufliche Fachrichtungen integrierendes technikdidaktisches Lehrangebot) sowie mit einem auf Lehr- und Lernprozesse in der Fachrichtung Elektrotechnik spezifizier-ten fachdidaktischem Lehrangebot (Auf andere curriculare Konzeptionen wie z. B. das Bremer Modell der beruflichen Fachrichtungen – hier ist eine Fachdidaktik explizit nicht ausgewiesen – kann hier aus Gründen des zur Verfügung stehenden Rahmens nicht beson-ders eingegangen werden - vgl. Bannwitz & Rauner, 1993).

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Didaktik derElektrotechnik

Ingenieur-wissenschaft

Elektrotechnik

Berufs-pädagogik/Erziehungs-

wissenschaft

Unterrichts- und Ausbil-dungspraxis im Berufsfeld

Elektrotechnik

BetrieblicheFacharbeit

im BerufsfeldElektrotechnik

Abb. 1: Wissenschaftliche Bezugsdisziplinen und Praxisfelder der Didaktik der Elektrotechnik

Generelle Funktion der Didaktik einer technisch-beruflichen Fachrichtung ist die Verbin-dung fachwissenschaftlicher, berufspädagogischer und erziehungswissenschaftlicher Frage-stellungen mit Konzeptionen und Problemstellungen aus Praxisfeldern beruflicher Ausbil-dung und Ausübung. Bezugsdisziplinen und Praxisfelder einer Didaktik der beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik bilden demnach

• die korrespondierende Ingenieurwissenschaft Elektrotechnik mit den für diese Disziplin charakteristischen Theorien, Modellen und Methoden;

• die Berufspädagogik einschließlich der hier einfließenden erziehungswissenschaftlichen Theorien und Konzepte;

• die Praxisfelder Ausbildung und Unterricht in den handwerklichen und industriellen E-lektroberufen, jedoch auch in berufsfeldübergreifend konzipierten Ausbildungsbereichen wie Informationstechnik, (technischer) Informatik und Mechatronik sowie im Bereich studienqualifizierender Fortbildungsgänge;

• die Berufs- und Arbeitswelt in den handwerklichen und industriellen Elektroberufen, die ebenfalls immer mehr ausdifferenziert wird in Richtung der Informationstechnik, der Mechatronik und der (technischen) Informatik.

2.3 Perspektivenwandel in der Ingenieurwissenschaft Elektrotechnik

In den Ingenieurwissenschaften fand in den vergangenen Jahrzehnten ein erheblicher Para-digmenwechsel statt, der sich in einer zunehmenden Offenheit gegenüber hermeneutischen Erkenntnisaspekten in dem – traditionell positivistisch konzipierten – ingenieurwissen-schaftlichen Wissenschaftsverständnis zeigte. Diese Entwicklung zeigt sich am deutlichsten

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in der 1991 veröffentlichten VDI-Richtlinie 3780 „Technikbewertung – Begriffe und Grundlagen“, in der eindrucksvoll aufgezeigt wird, wie umfassend heute soziale, ökonomi-sche und ökologische Kriterien für die Beurteilung ingenieurwissenschaftlichen Handelns herangezogen werden können.

Weniger in der fachdidaktischen Diskussion der beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik sondern eher in der technikdidaktischen Diskussion im Kontext mit Überlegungen zu einer allgemeinen Technologie im Sinne einer disziplinübergreifenden Technikwissenschaft wur-den solche Entwicklungen früh thematisiert. Ausgangspunkt dieser Diskussionen war das Bemühen um ganzheitliche und Einzeldisziplinen übergreifende Betrachtungsweisen. Als wegweisende Entwicklungen können hier gesehen werden:

• Die Konzeption einer Systemtheorie der Technik, die von dem Ingenieur Günter Ropohl 1978 im Rahmen einer Habilitationsarbeit an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissen-schaften der Universität Karlsruhe vorgelegt worden ist. Kern ist die Ausarbeitung grundlegender Überlegungen zu einer Struktur technischer Systeme, mit der es gelungen ist, ein unterschiedliche technikwissenschaftliche Einzeldisziplinen verbindendes In-strumentarium zu entwickeln. Hiermit stand ein Ansatz zur Verfügung, angesichts der ständig zunehmenden Komplexität von Technik die Grundlagen für systemische Denk- und Handlungsweisen zu beschreiben, die heute in vielen Stellungnahmen als Kompe-tenzen der industriellen Fachkräfte gefordert werden.

• Die Weiterentwicklung einer – ebenfalls bereits bei Ropohl grundgelegten – Konzeption einer Ablaufstruktur der Verwendung von Sachsystemen (vgl. Ropohl, 1999, S. 169) zum Konzept des so genannten sozio-technischen Handlungssystems durch die Arbeits-gruppe Technik der Universitäten Duisburg und Essen, der auch Reinhard Bader ange-hörte. Grundlage war ein bereits 1977 von Bader veröffentlichtes fachliches Ordnungs-schema für Strukturmomente der Technologie, in der Phasen in der Entstehungs- und Verwendungsgeschichte technischer Systeme mit den hierzu erforderlichen beruflichen Handlungen in Beziehung gesetzt und am Beispiel des Berufsfeldes Metalltechnik aus-gearbeitet worden sind (Bader, 1977, S. 92 f.). Die damals vorgelegten Grundüberlegun-gen wurden durch Bader im Zusammenhang mit den 1987er Neuordnungsverfahren un-ter dem Leitthema „Ablaufstruktur eines sozio-technischen Handlungssystems“ wieder aufgegriffen (vgl. Bader, 1990, S. 20 ff., und Bader, 2000, S. 16) und sind z. B. in Nord-rhein-Westfalen Bestandteil der bis heute gültigen Grundbildungslehrpläne für die handwerklichen und industriellen Elektroberufe.

2.4 Paradigmenwandel in den Praxisfeldern Ausbildung und Unterricht

Über die technologische Entwicklung einerseits und ihre Konsequenzen für die Facharbeit im Berufsfeld Elektrotechnik andererseits wurde in den vergangenen Jahrzehnten eine in-tensive Diskussion geführt. Die beruflichen Curricula – und zugleich die berufliche Ausbil-dungspraxis – reagierten seit dem 1987er Neuordnungsverfahren mit der kontinuierlichen Neuausrichtung der Ausbildungs- und Unterrichtsinhalte in Richtung einer verstärkten Be-

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rücksichtigung neuer Technologien und der Betonung fachübergreifender Qualifikationen.1 Einen weiteren Paradigmenwechsel verdeutlicht die Diskussion um lernfeldorientierte Aus-bildung in den vergangenen Jahren: Berufsbildender Unterricht soll im Kontext mit berufli-chem Handlungsfeldern begründet und ausgestaltet werden. Grundlage bildet eine Hinwen-dung der berufspädagogischen Diskussion zu einem konstruktivistisch begründeten Ver-ständnis von Aneignungsprozessen (vgl. v. Glasersfeld 1995) und – damit einhergehend – einer Betonung erfahrungs- und subjektorientierter Lernkonzepte (vgl. Ar-nold/Lipsmeier/Ott 1998, 22).

Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat sich damit in der Fachdidaktik Elektrotechnik ein Per-spektivenwandel vollzogen, der – in verkürzender Form – mit den Schlagworten wissen-schaftsorientiertes Lernen (1974er Neuordnung), Handlungsorientierung (1987er Neuord-nung) und Lernfeldorientierung (neue Ausbildungsberufe) skizziert werden kann. Von die-ser Entwicklung zur Lernfeldorientierung sind alle seit 1996 neugeordneten Berufe – in der Elektrotechnik die IT-Berufe und der Ausbildungsberuf Mechatroniker/-in – betroffen. Die handwerklichen Elektroberufe werden im Rahmen des jetzt laufenden Neuordnungsverfah-rens ebenfalls lernfeldorientierte Rahmenlehrpläne erhalten, und die industriellen Elektrobe-rufe werden in Kürze folgen.

Der mit diesem neuen Leitbild des Lernortes Berufsschule einhergehende Wandel im Bil-dungsauftrag dieses Lernortes ist sicherlich nicht unproblematisch. Eine Reihe von Zielset-zungen des Lernortes Berufsschule muss durchaus als gefährdet angesehen werden – hin-zuweisen ist auf die Diskussion um allgemeines und berufliches Lernens, die mit der gewachsenen Bedeutung wissenschaftsorientierter Lernformen einhergegangen ist, sowie auf den aktuell kaum noch diskutierten Stellenwert wissenschaftspropädeutischen Lernens in beruflichen Bildungsgängen, mit dem die Vergabe studienqualifizierender Abschlüsse durch berufsbildende Schulen zur Disposition steht. Dies kann jedoch im vorliegenden Beitrag nicht ausführlicher diskutiert werden.

Gegenstand des Beitrages ist vielmehr die Frage nach der Bedeutung technikspezifischer Methodenkonzeptionen in einem lernfeldorientierten Unterricht. Wenn

• als Zieldimension eines auf berufliche Handlungssituationen bezogenen Unterrichts wei-terhin eine ganzheitlich betrachtete berufliche Handlungskompetenz (mit einer analyti-schen Aufgliederung in Fach-, Human- und Sozialkompetenz) angesehen werden muss,

• als konstitutive Elemente dieser beruflichen Handlungskompetenz Methoden-, Lern- und Kommunikationskompetenz anzusehen sind,

dann ergibt sich eine grundsätzliche Konsequenz aus der Lernfelddiskussion für das Metho-denverständnis einer beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik: Nicht nur die Inhalte, son-dern auch die Methoden beruflichen Lernens müssen nach diesem Grundverständnis in ei-nem beruflichen Handlungskontext ausformuliert und begründet werden. Daher sollen im Folgenden Grundüberlegungen für das Methodenverständnis der Elektroberufe diskutiert

1 Vgl. die Diskussion von Ergebnissen der Industriesoziologie, die aus dem sogenannten Obsolenzproblem (rascherer Veralterung fachli-

cher Kenntnisse und Fertigkeiten) und dem sogenannten Prognosedefizit die Forderung nach Schlüsselqualifikation begründet hat (Ar-nold/Lipsmeier/Ott, 1998, 20).

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und Konsequenzen für die Ausgestaltung von Methodenkonzeptionen im beruflichen Unter-richt aufgezeigt werden.

3 Grundüberlegungen zu einem Methodenverständnis der Elektroberufe

Betrachtet wird zunächst die Frage eines Ordnungsschemas für berufliches Handeln und – in einem zweiten Schritt – für die auf berufliches Handeln bezogenen Methodenkonzeptio-nen beruflichen Unterrichts. Auf dieser Grundlage soll ein Vorschlag von systemtheoretisch begründeten Ansätzen mit der Zielsetzung skizziert werden, ein Ordnungsschema für das Methodenverständnis der Elektroberufe zu entwickeln und exemplarisch auszugestalten. Diese Überlegungen konnten bislang nur ansatzweise umgesetzt und erprobt werden, so dass die Konzeption insgesamt eher vorschlagenden Charakter aufweist und als Grundlage für weitere fachdidaktische Entwicklungsarbeiten herangezogen werden soll.

3.1 Konzepte und Aussagen der Systemtheorie – Grundlagen eines Ordnungssche-mas für Methodenkonzeptionen des beruflichen Lernens

Differenziert werden systemtheoretische Ansätze auf den zwei bereits angesprochenen Er-kenntnisebenen. Zum Erfassen und Beschreiben der Aufbaustruktur komplexer technischer Systeme hat Ropohl 1979 die differenzierende Betrachtung eines funktionalen, strukturalen und hierarchischen Konzeptes vorgeschlagen (vgl. Abb. 2).

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Abb. 2: Konzepte der Systemtheorie (Ropohl, 1999, S. 76)

Diese Konzeption wurde in den folgenden Jahren überarbeitet und weiterentwickelt (vor al-lem durch die VDI-Richtlinie 2222 Konstruktionsmethodik) und – u. a. durch Arp – als de-taillierte Konzeption für die graphische Darstellung von Strukturen technischer Systeme vorgelegt (Arp, 2000, S. 90 ff.). Technische Systeme werden demgemäss durch ihre Ein-gangs-, Ausgangs- und Zustandsgrößen in Bezug auf die Kategorien Stoff-, Energie- und Informationsumsatz beschrieben. Wichtiges Element ihrer Aufbaustruktur ist die Darstel-lung des hierarchischen Aufbaus von Systemen und Subsystemen, zugeordnet zu ihren Haupt-, Teil- und Grundfunktionen.

Hiermit liegen Konzeptionen vor, die in beruflichen Lern- und Handlungssituationen für die Entwicklung von Modellvorstellungen in Bezug auf den Aufbau komplexer technischer Systeme herangezogen werden können. Solche Modelle werden angesichts der Komplexität elektrotechnischer Systeme immer bedeutender; vor allem konstruktive Tätigkeiten, aber auch Instandhaltungstätigkeiten in komplexen technischen Systemen sind ohne die Anwen-dung systemtheoretischer Modelle heute nicht mehr denkbar (vgl. Vahling, 1993, sowie Mingels, 1995).

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Die zweite, ebenfalls bereits angesprochene Erkenntnisebene betrifft das Modell der Ablauf-struktur sozio-technischer Handlungssysteme. Bader hat frühzeitig ein fachliches Ordnungs-schema mit Strukturmomenten der allgemeinen Technologie nach sechs Phasen des Lebens-laufs technischer Systeme gegliedert und diesen Phasen Tätigkeiten und fachliche Qualifi-kationen aus dem Berufsfeld Metalltechnik zugeordnet (Bader, 1977, S. 92 f.). In Verbin-dung mit Zielsetzungs- und Bewertungsfragen findet sich dieses Modell in seiner Darstel-lung der Ablaufstruktur eines sozio-technischen Handlungssystems wieder (Abb. 3), die in dieser Form in die nordrhein-westfälische Curriculumentwicklung eingegangen ist (vgl. Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1991a).

Abb. 3: Ablaufstruktur eines sozio-technischen Handlungssystems (Bader, 2000, S. 16)

Technische Systeme und die an sie gebundenen Handlungen werden nach diesem Modell generell als eingebunden in Zielfindungs- und Bewertungsprozesse betrachtet. Die unmit-telbaren Phasen der Ablaufstruktur beziehen sich auf Handlungen im Zusammenhang mit

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• Systemplanung;

• Systementwicklung (spezifiziert als Verfahrensentwicklung, konstruktiver und produkti-onstechnischer Entwicklung);

• Systemfertigung;

• Systemdistribution;

• Systemnutzung (spezifiziert in Bedienungs- und Instandhaltungstätigkeiten);

• Systemliquidation (Tätigkeiten im Bereich Demontage, Verschrottung, Recycling).

3.2 Systemtheorie und berufliches Lernen in der Fachrichtung Elektrotechnik

Konzepte der Systemtheorie werden in der Ingenieurwissenschaft Elektrotechnik seit lan-gem verwendet, da die Notwendigkeit einer systematischen Gliederung von Denk- und Handlungsvollzügen angesichts der ständig wachsenden Komplexität elektro- und informa-tionstechnischer Systeme auf der Hand liegt. Hierbei findet sich

• die Anwendung der Aufbaustruktur für die Strukturierung komplexer elektrotechnischer Systeme in einzelne Baugruppen mit Subsystemcharakter bereits bei der Methode der so genannten Blockschaltbilder (z. B. in der Darstellung von Funktionselementen bei Re-gelkreisen oder – in ihrer materialisierten Form – in der Darstellung komplexer Funkti-onseinheiten der Digitaltechnik, in der sich seit den 70er Jahren durchgesetzt hat, integ-rierte digitale Baugruppen als genormte Funktionsblöcke zu beschreiben – vgl. Faber, 1996, S. 172 f.);

• die Anwendung grundlegender Konzepte der Ablaufstruktur in ganzheitlichen Beschrei-bungsansätzen der Konstruktionswissenschaften (vgl. etwa Gerhard, 1976, der Arbeits-flussdiagramme für projektbezogene Problemlösungsprozesse in der elektromechani-schen Konstruktion einsetzt).

In der fachdidaktischen Diskussion finden sich Hinweise auf die Notwendigkeit einer sys-temischen Technik in der Lehre der gewerblich-technischen Wissenschaften (Pangalos, 1999), Forderungen nach systemischen Arbeitsaufgaben im Curriculum einer beruflichen Grundbildung (Rauner, 1999, S. 192) sowie Überlegungen zur Konzeption einer Systemdi-daktik als Baustein für das Berufsfeld Elektrotechnik (Faber, 1996).

In der Systematisierung und Umsetzung dieser Forderungen bleiben alle Autoren jedoch er-staunlich allgemein und erreichen nicht einmal den Ausarbeitungs- und Konkretisierungs-stand, der in der Anwendung systemtheoretischer Ansätze innerhalb der Ingenieurwissen-schaft Elektrotechnik, z. B. in der Konstruktionstechnik, vorliegt. Im Gegenteil ist die bishe-rige Diskussion in der so genannten Berufs(feld)wissenschaft Elektrotechnik durchweg da-durch gekennzeichnet, dass

• sie Arbeiten und Konzepte der allgemeinen Systemtheorie auf der Grundlage etwa der Arbeiten Ropohls und konstruktionswissenschaftlicher Konzepte (vgl. VDI 2222) und die in diesem Kontext entwickelten Darstellungs- und Beschreibungsansätze für kom-plexe technische Systeme durchweg nicht zur Kenntnis nimmt;

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• Überlegungen zu einer disziplinübergreifenden Strukturierungsmethodik, die zu einer generellen Systematik komplexer technischer Systeme weiterentwickelt werden und der gestiegenen Interdisziplinarität der handwerklichen und industriellen Facharbeit Rech-nung tragen könnten, nicht aufgegriffen werden;

• eine handlungssystematisch – z. B. analog zur Ablaufstruktur sozio-technischer Hand-lungssysteme – konzipierte Methodik der Elektrotechnik nicht in Ansätzen erkennbar ist.

Im Folgenden sollen daher erste Überlegungen zu einer Ausgestaltung und Ausarbeitung einer, mit den Ergebnissen der allgemeinen Systemtheorie konzipierten, Methodik des be-ruflichen Lernens und Handelns in der Fachrichtung Elektrotechnik entwickelt werden. Die Darstellung konzentriert sich auf die Bestimmung charakteristischer Methodenkonzeptionen (zum Begriffsverständnis und Abgrenzung zu den weiteren Momenten des Methodenbeg-riffs s. Schulz, 1979). Entsprechend dem Bildungsauftrag des Lernortes Berufsschule kon-zentriert sich die Ausarbeitung auf die Darstellung technikwissenschaftlich orientierter Me-thodenkonzeptionen (zum Begriffsverständnis und zur Abgrenzung gegenüber techniküber-greifenden bzw. mehrdisziplinären Methoden vgl. Bader, 1995, S. 166), die in die Erkennt-nisperspektive der Berufsbildung in der Fachrichtung Elektrotechnik einerseits und in ihre Handlungsperspektive andererseits eingeordnet werden.

Darüber hinaus werden Überlegungen zur Umsetzung des Methodenkonzeptes in Ausbil-dung und Unterricht vorgestellt, die auf Erfahrungen mit der auftragsorientierten Ausbil-dung in den handwerklichen und industriellen Elektroberufen zurückgreifen. Hiermit soll aufgezeigt werden, wie eine Ausbildung unter Berücksichtigung der KMK-Forderung nach Orientierung beruflichen Lernens an beruflichen bzw. betrieblichen Handlungsfeldern Rechnung getragen werden kann.

4 Methodenkonzeptionen für berufliches Lernen und Handeln in der Fach-richtung Elektrotechnik

4.1 Erkenntnisperspektive der Elektrotechnik

Elektrotechnik ist eine Disziplin, in der berufliche Realität durch den Umgang mit naturwis-senschaftlichen Phänomenen gekennzeichnet ist, die sich der sinnlichen Wahrnehmung des Menschen entziehen. Elektrische Spannung, elektrischer Strom und elektrischer Widerstand sind mit den dem Menschen zur Verfügung stehenden Sinnen ebenso wenig wahrnehmbar wie z. B. elektromagnetische Felder. Gleichzeitig bestimmt die Elektrotechnik in immer größerem Umfang unser Leben; insbesondere durch die zunehmende Integration mikro-elektronischer Geräte und Schaltungen sind elektrotechnische Fachkräfte schon lange nicht mehr in der Lage, Funktionen und Funktionszusammenhänge z. B. auf einzelne elektrische Bauelemente zurückzuführen. Vielmehr bestimmen das Denken in Modellvorstellungen und Funktionszusammenhängen auf der Ebene des Zusammenwirkens von Baugruppen ihre be-rufliche Realität.

Ein Ziel des Elektrotechnik-Unterrichts muss daher im Aufbau eines umfassenden Systems von Denk- und Beschreibungsmodellen für elektrotechnische Phänomene und Gesetzmä-ßigkeiten gesehen werden, und im Zentrum von Unterricht und Ausbildung in der beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik steht das Bemühen, solche Denk- und

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Fachrichtung Elektrotechnik steht das Bemühen, solche Denk- und Beschreibungsmodelle systematisch zu entwickeln. Dabei kann Theoriebildung in der Elektrotechnik - anders als z. B. in vielen Bereichen der Metalltechnik - nicht unmittelbar auf sinnliche Wahrnehmung zurückgreifen. Elektrotechnische Phänomene bleiben für den Menschen nur in ihren Aus-wirkungen wahrnehmbar, etwa durch das Wirken einer Kraft, durch Wärme- oder durch Lichtentwicklung.

Die Erkenntnisperspektive in der Elektrotechnik-Bildung verweist daher auf zwei grundle-gende Schwerpunkte:

• Naturverständnis - Theoriebildung im Hinblick auf die Modellvorstellungen und Ge-setzmäßigkeiten der Elektrotechnik. Diese bedienen sich in erheblichem Umfang natur-wissenschaftlicher Erkenntnisse und mathematischer Formalisierung. Die Ausprägung eines Systems von Denk- und Beschreibungsmodellen im Elektrotechnikunterricht – Adolph (1984, S. 100 ff.) hat hierfür den Begriff der Denkerziehung geprägt – geschieht jedoch beim Umgang mit elektrotechnischen Sachverhalten keineswegs mehr oder we-niger von allein. Heute aktuelle Erkenntnisse der pädagogischen Psychologie (vgl. etwa Aebli, 1980 und 1983) verweisen eindeutig darauf, dass unabdingbare Grundlage einer systematischen Modellbildung die individuelle Wahrnehmung elektrotechnischer Phä-nomene, ihre sprachliche Aufarbeitung und ihre Reflexion sind. Elektrotechnik-Bildung orientiert sich in dieser Beziehung an dem Methodenverständnis der Technikwissen-schaften und der Naturwissenschaften.

Bader (1990, S. 26 ff.) hat als erste analytisch akzentuierte Methodenkonzeption das technische Experiment vorgeschlagen. Mit einer charakteristischen Phasenstruktur aus insgesamt sieben Einzelschritten – beginnend mit einer Phänomenbeobachtung und der Herausarbeitung einer Hypothese bzw. Fragestellung, weitergeführt mit der Planung und Durchführung von Experimenten bis zur Formulierung von Aussagen, Theoriebildung und -anwendung – wird eine Systematik der technik- und naturwissenschaftlichen Er-kenntnisgewinnung eingeübt. Eine auf experimentelle Erkenntnisgewinnung bezogene Methodenkompetenz, die prinzipiell für die experimentelle Erkenntnisgewinnung auch außerhalb intentionaler Bildungsangebote genutzt werden kann, besitzt eine Schlüssel-funktion für die Entwicklung beruflicher Handlungsfähigkeit für Elektrotechnik-Facharbeitstätigkeiten.

• Technikverständnis – Im Unterschied zu den abstrakten elektrotechnischen Modellen und Gesetzen ist hier das Verständnis der gegenständlichen Elektrotechnik – also kon-kreter elektrotechnischer Systeme – angesprochen. Elektrotechnik-Fachkräfte haben es dabei mit zunehmend komplexeren technischen Systemen zu tun, bei denen Rückschlüs-se auf Detailfunktionen – etwa auf die Funktion einzelner integrierter Bauelemente – oftmals kaum noch möglich, jedoch vor dem Hintergrund konkreter beruflicher Anfor-derungen auch kaum noch erforderlich sind. Das Denken in Systemen und Subsystemen gehört zum selbstverständlichen Repertoire. Ohne diese Fähigkeiten sind Fachkräfte heute nicht in der Lage, sich in komplexe elektrotechnische Systeme hineinzudenken und bei nicht vorhersehbarem Verhalten dieser Systeme etwa eine systematische Fehler-suche und Störungsbehebung durchzuführen (vgl. die Aussagen von Drescher zur In-standhaltungsfacharbeit in der automatisierten Produktion – 1996, S. 59 ff.).

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Bader (1990, S. 28) hat als zweite analytisch akzentuierte Methodenkonzeption die Sys-temanalyse vorgeschlagen. Mit einer charakteristischen Phasenstruktur aus insgesamt sechs Einzelschritten wird unter Anwendung des für die Aufbaustruktur technischer Sys-teme dargestellten systemtheoretischen Ansatzes eine Systematik eingeübt, mit der der Systemzweck, die Systemgrenzen, Ein-, Ausgangs- und Zustandsgrößen und deren funk-tionale Zusammenhänge, Systembestandteile (Subsysteme) und ihres Anordnungs- und Beziehungsgefüges ermittelt und dargestellt werden können. Als grundlegender Be-standteil einer für elektrotechnische Facharbeit relevanten Methodenkompetenz ist eine systemorientierte Denk- und Analysefähigkeit unabdingbar; die Verwendung eines in-terdisziplinär konzipierten Analyse- und Darstellungskonzeptes (vgl. etwa die zitierten VDI-Richtlinien sowie Arp, 2000) bildet ein wichtiges Element für die Zukunftsfähig-keit der beruflichen Qualifikation der Elektrotechnik-Facharbeit in einer automatisierten Produktion.

4.2 Handlungsperspektive der Elektrotechnik

Der zweite Begründungsstrang für das Methodenverständnis der Elektrotechnik verweist auf die Gestaltungs- und Verwendungsperspektive gegenständlicher Elektrotechnik und auf die damit verbundenen beruflichen Handlungen. Als Systematisierungsansatz wird das be-reits vorgestellte Modell der Ablaufstruktur eines sozio-technischen Handlungssystems vor-geschlagen.

Besondere Aktualität besitzt diese Begründungsperspektive vor dem Hintergrund der Inten-tionen des KMK-Lernfeldkonzeptes. Hier haben Bader & Schäfer (1998, S. 229 ff.) heraus-gestellt, dass Lernsituationen sich auf berufliche Handlungsfelder und -situationen beziehen sollen und im Rahmen eines didaktischen Kriterienrasters begründet und ausgewählt wer-den müssen. Diesem Grundgedanken entspricht ebenfalls das Konzept des auftragsorientier-ten Lernens; hier sind auftragsorientierte Lernaufgaben für Elektroberufe entwickelt wor-den, die sich auf die Gestaltung und Verwendung elektrotechnischer Systeme beziehen und hier – in einem ganzheitlichen Ansatz – Zielsetzungs- und Bewertungsaspekte von Elektro-technik und von technischem Handeln thematisieren (Jenewein, 1998b).

Ein Methodenverständnis mit Bezug auf die Handlungsperspektive der Elektrotechnik-Bildung verweist mindestens auf die folgenden grundlegenden Schwerpunkte:

4.2.1 Gestaltung elektrotechnischer Systeme

In der Ablaufstruktur des sozio-technischen Handlungssystems bezieht sich dieser Schwer-punkt zunächst auf die Phasen Systemplanung und Systementwicklung, die wiederum Ver-fahrensentwicklung, konstruktive Entwicklung und produktionstechnische Entwicklung um-fasst. Typische Aufgabenstellungen für Aspekte der Systemgestaltung werden in der beruf-lichen Bildung in der Form von Konstruktionsaufgaben realisiert.

Konstruktionsaufgaben wurden bereits in der Arbeitsgruppe Technologie der Universitäten Duisburg und Essen didaktisch ausgestaltete Phasenmodelle unter Anwendung systemtheo-retischer Modelle vorgelegt (Kultusministerium NRW, 1981, S. 76 f.), die durch Bader in die Curriculumarbeit der handwerklichen und industriellen Elektroberufe eingebracht wor-den sind (1990, S. 29 f.). Die charakteristische Phasenstruktur besteht aus insgesamt neun

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Einzelschritten und umfasst u. a. eine Betrachtung der Gesamt- und Teilfunktionen, die Er-mittlung bekannter und die Entwicklung nicht bekannter Subsysteme, Funktionstests für die Subsysteme und für das Gesamtsystem sowie die Berücksichtigung von Zielfindungs- und Bewertungsaspekten.

Beispiele aus dem Bereich der Elektrotechnik-Ausbildung sind

• die Entwicklung von Konstruktions- und Fertigungsunterlagen für die Elektroinstallation von Badezimmern unter Berücksichtigung der Mindestausstattungsvorgaben nach DIN 18015 und der Ausstattungswerte nach HEA/RAL (vgl. RWE, 1998, S. 12/26 f.) sowie der Sicherheitsvorschriften nach DIN VDE 0100 (vgl. Auftragstypenhandbuch „Installa-tion eines Badezimmers“ für den Ausbildungsberuf Elektroinstallateur/-in);

• die Entwicklung von Konstruktions- und Fertigungsunterlagen für die Erweiterung einer bestehenden Rauminstallation einschließlich der Erstellung der Installationspläne, der Leitungsberechnungen und der Festlegung von Leitungswegen, der Materialdisposition und -kalkulation sowie ggf. einer Beleuchtungsbedarfsberechnung gem. DIN 5035 Teil 4 (vgl. RWE, 1998, S. 11/2 ff., sowie Auftragstypenhandbuch „Änderung einer beste-henden Rauminstallation“ für den Ausbildungsberuf Energieelektroniker/-in).

4.2.2 Fertigung elektrotechnischer Systeme

Für Fertigungsaufgaben existieren in der technik- und fachdidaktischen Literatur kaum di-daktisch ausgestaltete Phasenstrukturmodelle, die in der Elektrotechnik-Ausbildung bzw. im -Unterricht genutzt werden könnten. In der fachdidaktischen Literatur zum Technikunter-richt an allgemein bildenden Schulen (Schmayl & Wilkening, 1995, S. 153) ist zwar ein Verlaufsphasenmodell zur Fertigungsaufgabe beschrieben (Stellen und Klären des Auftrags, Konzipieren, Vorbereiten, Ausführen und Auswerten der Fertigung); dieses Modell wird je-doch in seiner Allgemeinheit den in beruflichen Handlungssituationen bestehenden oftmals komplexen Anforderungen eines arbeitsteiligen Fertigungsprozesses nicht gerecht. Ein von Bernard (1993, S. 90) vorgestelltes Schrittfolgenmodell für den Bereich CNC-Technik ist relativ speziell für die industrielle Einzelteilfertigung auf CNC-Maschinen spezifiziert und nicht ohne weiteres auf andere Fertigungsbereiche etwa im Bereich des Elektrohandwerks zu übertragen.

Daher soll – ausgehend von Erfahrungen mit auftragsorientierten Ausbildungs- und Unter-richtsaufgaben – ein Phasenmodell für Fertigungsaufgaben vorgeschlagen werden, an dem sich Ausbildung und Unterricht in gewerblich-technischen Fachrichtungen orientieren könnten. Das Modell rekurriert grundsätzlich auf einem systemorientierten Verständnis technischer Handlungsabläufe und berücksichtigt Aspekte der Zielsetzung und Bewertung. Aktivitäten im Bereich der Planung und der praktischen Durchführung einer Fertigung ge-langen zu folgender Verlaufsstruktur:

1. Klären der Aufgabenstellung und Überprüfung der Vollständigkeit der vorliegenden Un-terlagen, ggf. Beschaffung weiterer Informationen, insbesondere Erfassung der Gesamt-aufgabe (des zu fertigenden Gesamtsystems) und der Teilaufgaben (Subsysteme).

2. Beschaffung von vorhandenen Subsystemen.

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3. Fertigungsplanung (Ermittlung der erforderlichen Arbeitsvorgänge, Material-, Werk-zeug- und Personaldisposition).

4. Fertigung der herzustellenden Subsysteme.

5. Test der Subsysteme, Montage, Inbetriebnahme und Test des Gesamtsystems.

6. Dokumentation.

Beispiele aus dem Bereich der Elektrotechnik-Ausbildung sind

• die Herstellung und Installation einer Unterverteilung nach den vorliegenden Schal-tungsunterlagen gem. DIN 40719 Teil 3 (Stromlaufplan), Teil 5 (Elektro-Installationsplan) und Teil 6 (Funktionsplan) unter Berücksichtigung der Sicherheitsvor-schriften nach DIN/VDE 0100, der Herstellung eines Zähleranschlusses und eines Instal-lationsverteilers nach DIN/VDE 0660, der sicherheitsgerechten Auslegung der Gesamt-anlage, des Einbaus eines Fehlerstromschutzschalters, der Durchführung einer Abnah-meprüfung gem. VDE 0100/AVB gemeinsam mit einem hierzu berechtigten Elektro-meister (vgl. Auftragstypenhandbuch „Installation einer Unterverteilung“ für den Aus-bildungsberuf Elektroinstallateur/-in – 2. Ausbildungsjahr);

• Erweiterung einer steuerungstechnischen Anlage durch den Einbau einer automatischen Längenmesseinrichtung in eine Reihe von Drehbänken (vgl. Auftragstypenhandbuch „Erweiterung einer steuerungstechnischen Anlage“ für den Ausbildungsberuf Energie-elektroniker/-in – 2. Ausbildungsjahr).

4.2.3 Distribution: Aufbau und Inbetriebnahme elektrotechnischer Systeme

Obwohl Distributionsaufgaben in elektrotechnischen Berufen immer wieder vorkommen, ist dieser Bereich in der didaktischen Literatur bislang praktisch nicht behandelt worden. Ge-eignete, verallgemeinerungsfähige Ablaufstrukturen sind nach Kenntnis des Autors bislang nicht veröffentlicht worden.

Erste Erfahrungen mit auftragsorientierten Ausbildungsaufgaben im Bereich der Distributi-on elektrotechnischer Systeme liegen am Beispiel der Inbetriebnahmedurchführung einer steuerungstechnischen Anlage in der industriellen Ausbildung vor. (vgl. Auftragstypen-handbuch „Funktionsprüfung/Inbetriebnahme einer steuerungstechnischen Anlage“; Ener-gieelektroniker/-in - 2. Ausbildungsjahr). Die hier gewählte Verlaufsstruktur umfasst die Schritte

1. Anlagenerkundung und Anlagenanalyse.

2. Planung der Inbetriebnahme für das Gesamtsystem: Sichtkontrolle des Gesamtsystems und einzelner Subsysteme, Messung und Erprobung von einzelnen Subsystemen.

3. Durchführung der Inbetriebnahme für das Gesamtsystem: Überprüfung aller Sicherheitsfunktionen,

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leistungsfreie Erprobung der Steuerungsfunktionen. 4. Prüfung der Gesamtfunktion nach Funktionsplan.

5. Erstellung eines Inbetriebnahmeprotokolls.

6. ggf. Aktualisierung der Anlagendokumentation.

Die am Beispiel der Inbetriebnahme einer industriellen Anlage – der ggf. Aufstellungs- und Anschlussarbeiten für neu zu installierende Systeme vorangehen – entwickelte Verlaufs-struktur ist grundsätzlich auch auf handwerkliche Distributionsaufgaben (s. das folgende Beispiel) zu übertragen. Vor dem abschließenden Urteil ihrer Bewährung und Eignung feh-len jedoch weitere Erprobungserfahrungen.

Beispiele aus dem Bereich der Elektrotechnik-Ausbildung sind

• Anschluss und Inbetriebnahme eines Warmwassergerätes in der Wohnung des Kunden (einschließlich der Kundenberatung, z. B. zu Fragen des Warmwasserbedarfs, zu ökolo-gischen und ökonomischen Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Warmwasserversor-gungssysteme sowie zu Aspekten der Bedienung und der Sicherheit). Typisch vorkom-mende Aufgaben für den Ausbildungsberuf Elektroinstallateur/-in (vgl. RWE, 1998, S. 15/3 ff.).

• Aufstellung und Inbetriebnahme einer steuerungstechnischen Anlage (Energieelektroni-ker/-in - 2. Ausbildungsjahr – vgl. die dargestellte Verlaufsstruktur und das oben zitierte Auftragstypenhandbuch).

4.2.4 Verwendung bzw. Nutzung elektrotechnischer Systeme

Bedienung und Instandhaltung – Letztere differenziert nach Wartung, Inspektion und In-standsetzung – sind typische Schwerpunkte im Bereich der Systemverwendung. Vor allem die Instandsetzung bei Systemstörungen einschließlich der Fehlerermittlung und -beseitigung stellt angesichts der Komplexität elektrotechnischer Systeme erhebliche An-forderungen an die Fach- und Methodenkompetenz der Elektrotechnik-Fachkräfte. Gleichzeitig ist jedoch aus der einschlägigen arbeitswissenschaftlichen und technikdidaktischen Literatur erkennbar, dass didaktisch ausgearbeitete Ablaufstrukturen für die berufliche Erstausbildung kaum zur Verfügung stehen (vgl. jedoch Vahling, 1993, der das Problem der Entwicklung instandhalterischer Problemlösefähigkeit in der Weiterbil-dung untersucht). In der Berufsausbildung liegen ebenfalls erste Erfahrungen mit auftragsorientierten Ausbil-dungsaufgaben in der handwerklichen und der industriellen Ausbildung vor. Die hier ge-wählte Verlaufsstrukturen orientieren sich prinzipiell an der folgenden Schrittfolge:

1. Störungsannahme und -dokumentation.

2. Erkundung der technischen (in Bezug auf das gestörte System), örtlichen (in Bezug auf die Systemumgebung) und sozialen (in Bezug auf die bedienenden und die Störung fest-stellenden Personen) Gegebenheiten.

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3. Fehleranalyse – systematische Fehlersuche im gestörten System.

4. Beseitigung der aufgetretenen Fehlfunktion: Planung der Arbeiten zur Fehlerbeseitigung; Ausführung der Arbeiten zur Fehlerbeseitigung.

5. Inbetriebnahme und Endkontrolle (s. die Schrittfolge zur Inbetriebnahme, die im Bereich „Systemdistribution“ vorgestellt worden ist).

6. ggf. Überarbeitung/Ergänzung der Systemdokumentation.

Beispiele aus dem Bereich der Elektrotechnik-Ausbildung sind

• Fehlereingrenzung und Fehlerbeseitigung im Bereich von Elektroantrieben (einschließ-lich der sicherheitsrelevanten Vorschriften bei der Arbeit in spannungsführenden Gerä-ten und Anlagen, der messtechnischen Verfahren zur Fehleranalyse in Drehstromnetzen, der Bestimmung und Auswahl von Ersatzmotoren bei Motordefekten). Bei dieser Auf-gabe handelt es sich um eine sowohl in der handwerklichen als auch in der industriellen Praxis typische Handlungssituation (vgl. Auftragstypenhandbuch „Fehlereingrenzung und –beseitigung bei einem Elektromotor“ – Energieelektroniker/-in, 3. Ausbildungs-jahr).

• Fehlerdiagnose und Fehlerbeseitigung in einer SPS-gesteuerten Anlage (vgl. das gleich-namige Auftragstypenhandbuch – Energieelektroniker/-in, 3. Ausbildungsjahr).

4.2.5 Liquidation bzw. Recycling elektrotechnischer Systeme

Nicht angesprochen wurde der Bereich Liquidation/Recycling elektrotechnischer Systeme. In der Berufsausbildung der handwerklichen und industriellen Elektroberufe gibt es bislang keine Berufsbilder, die sich explizit auf Entsorgungs- und Recyclingtätigkeiten beziehen. Gleichzeitig betreffen Fragen der Systementsorgung und des Systemrecyclings generelle sozio-ökologische Rahmenbedingungen der Technikgestaltung und -verwendung und sind daher auch für die Elektrotechnik-Facharbeit von hoher Relevanz. Nach Ansicht des Ver-fassers sollten daher die hiermit verbundenen Probleme – ebenso wie Zielsetzungs- und Be-wertungsaspekte – als methodisches Prinzip bei der Ausgestaltung jeder Lernsituation grundsätzlich mit thematisiert werden.

5 Konsequenzen für den Lernort Berufsschule und für die Ausbildung ihrer Lehrer

Mit dem skizzierten Methodenverständnis der Elektrotechnik sind generalisierende Aspekte des technischen Handelns angesprochen, die sich bei einer breiteren Fundierung durchaus als ein auf berufliche Handlungssituationen bezogenes Methodenverständnis der gewerb-lich-technischen Wissenschaften verdichten lassen könnten. Die besondere Leistung dieser aus der Systemtheorie abgeleiteten Systematisierung liegt in einer ganzheitlichen Betrach-tungsweise, die berufliche Handlungszusammenhänge systematisierend erfasst und charak-teristische Handlungsabfolgen herausarbeitet.

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Methodenkompetenz im Bereich der beruflichen Fachrichtung Elektrotechnik – das lässt sich mit den aufgeführten Beispielen gut belegen – bezieht sich daher

• in der Erkenntnisperspektive auf experimentell gestützte Theoriebildung auf der Grundlage eigener Handlungserfah-

rung und Analysefähigkeit auf der Grundlage systemtheoretisch gestützter Strukturmodelle

zum Verständnis von Struktur- und Funktionszusammenhängen komplexer techni-scher Systeme.

• in der Handlungsperspektive auf Handlungssituationen im Bereich der Gestaltung, Fertigung, Distribution bzw. Verteilung und Verwendung bzw. Nutzung

unter Berücksichtigung von Aspekten der Zielsetzung, Bewertung sowie der Liquidati-on/des Recyclings elektrotechnischer Systeme.

Technikwissenschaftlich akzentuierte Methodenkonzeptionen – um bei der Terminologie Reinhard Baders zu bleiben – bedürfen in ihrer konkreten Umsetzung in Ausbildung und Unterricht der Ergänzung um multidisziplinäre Methoden wie das Projekt, die Fallstudie oder die Arbeits- und Lernaufgabe. Selbstverständlich ist eine konkrete Umsetzung in Aus-bildung und Unterricht im Rahmen von Projekten möglich, in denen experimentelle Er-kenntnisgewinnung mit Konstruktions- oder Fertigungsaufgaben verbunden wird. Aufgabe einer Fachdidaktik Elektrotechnik muss es jedoch sein, das Methodenverständnis der eige-nen Disziplin aufzuklären und in eine Ordnung zu bringen, die eine Umsetzung in Ausbil-dung und Unterricht unterstützt und Ausbildern und Lehrern dabei hilft, die Methodenkom-petenz angehender Elektrotechnik-Fachkräfte zu entwickeln und zu fördern.

Dabei wird die dem Lernort Berufsschule zukommende Aufgabe immer anspruchsvoller und komplexer. Unzweifelhaft ist Aufgabe der Berufsschule, individuelle betriebliche Handlungserfahrungen zu systematisieren und – mit besonderer Berücksichtigung von Ziel-setzungs- und Bewertungsprozessen – unter individueller, betriebswirtschaftlicher, ökologi-scher und sozialer Perspektive zu reflektieren. Dieser umfassende Anspruch kann wohl in Zukunft ohne fächerübergreifende Unterrichtsmodelle unter Einbeziehung der berufsüber-greifenden (allgemeinbildenden) Unterrichtsfächer nicht eingelöst werden. Ebenso bedarf es geeigneter Modelle der Zusammenarbeit mit den betrieblichen Lernorten, wenn schulisches Lernen auf der Grundlage betrieblicher Handlungserfahrungen gewährleistet werden soll.

Hierzu sollte die Fachdidaktik Elektrotechnik exemplarische Konzepte vorlegen.

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