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Bundesgesundheitsbl 2013 · 56:1390–1397 DOI 10.1007/s00103-013-1818-y Online publiziert: 28. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 C. Schmucker 1  · E. Motschall 2  · G. Antes 1  · J.J. Meerpohl 1 1    Deutsches Cochrane Zentrum, Institut für Medizinische Biometrie und  Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg 2    Abteilung Medizinische Biometrie und Statistik, Institut für Medizinische  Biometrie und Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg Methoden des  Evidence Mappings Eine systematische Übersichtsarbeit Aufgrund der kontinuierlich steigenden Zahl an wissenschaftlichen Publikatio- nen ist es mittlerweile erforderlich, die vorhandene Evidenz zu einem Themen- gebiet systematisch aufzubereiten, um ein vollständiges und somit ausgewo- genes Verständnis der Forschungsland- schaft, z. B. im Hinblick auf medizinische Interventionen, zu erlangen. Bezieht man sich auf eine Arbeit aus dem Jahr 2010, werden in der Literaturdatenbank Med- line schätzungsweise täglich 11 systemati- sche Übersichtsarbeiten und 75 Primär- studien publiziert [1]. Diese Zahlen ver- deutlichen die zunehmende Herausfor- derung für niedergelassene Ärzte, Kli- niker, Wissenschaftler und andere Ent- scheidungsträger im Gesundheitswesen einschließlich Drittmittelgeber, infor- mierte, auf dem aktuellen, unverzerrten Wissensstand basierende Entscheidun- gen zu treffen. Eine systematisch durch- geführte Aufarbeitung der aktuellen Stu- dienlage für eine Indikation, häufig über Interventionen oder auch diagnostische Maßnahmen hinweg, ist deshalb für Ent- scheidungsträger im Gesundheitssystem von großer Bedeutung. Pionierarbeiten, die sich mit der systematischen Aufarbei- tung von Evidenz in der Gesundheitsver- sorgung beschäftigen, sind bereits vor 25 Jahren erschienen [2]. Seitdem haben sich verschiedene Formen der Evidenz- aufbereitung ausdifferenziert: Narrative Reviews. Narrative Reviews bieten meist einen breiten Überblick zu einem bestimmten Thema und haben häufig einen edukativen Charakter. Die Auswahl der berücksichtigten Litera- tur erfolgt jedoch subjektiv und unsys- tematisch, was zur Verzerrung bei den Schlussfolgerungen führen kann. Systematische Übersichtsarbeiten. Sys- tematische Übersichtsarbeiten sind me- thodisch bedingt weniger fehleranfäl- lig. Sie haben den Anspruch, zu einer klar formulierten PICO-Frage (P = Pa- tient/Population, I = Intervention, C = Comparator/Vergleichsintervention, O = Outcome/Endpunkt) [3] alle verfügba- ren Primärstudien durch eine systemati- sche Literatursuche zu identifizieren und unter Anwendung vorab definierter Ein- und Ausschlusskriterien auszuwählen. In einem weiteren Schritt werden relevante Informationen systematisch aus den ein- geschlossenen Publikationen extrahiert und die methodische Qualität der Stu- dien bewertet. Die Ergebnisse werden de- skriptiv oder mit statistischen Methoden quantitativ (Metaanalyse) zusammenge- fasst. Systematische Übersichtsarbeiten untersuchen meist eine explizite Frage- stellung, ähnlich der Fragestellung von Primärstudien, unter Einbeziehung eines Studientyps (meist randomisierte kont- rollierte Studien; RCTs). Dieses Vorge- hen kann dazu führen, dass z. B. poten- ziell wirksame Medikamente ihre Wer- tigkeit bei Therapieentscheidungen ver- lieren oder wichtige Sicherheitsdaten auf- grund der Vorselektion des Studientyps verloren gehen. Neben den methodischen Einschränkungen stellt der Umfang und somit der Leseaufwand für eine systema- tische Übersichtsarbeit für den Nutzer eine zusätzliche Herausforderung dar. Entscheidungsträger und Interessenver- treter im Gesundheitssystem plädieren deshalb häufig für substanzielle Evidenz- aufbereitungen, die Forschungsergebnis- se für eine Indikation, häufig über Inter- ventionen oder diagnostische Maßnah- men hinweg, abbilden. Evidence Mapping. Das Evidence Map- ping ist ein relativ neuer Ansatz der syste- matischen Evidenzaufbereitung, die mo- mentan vor allem international zum Ein- satz kommt. Man generiert dabei eine Übersicht, mit deren Hilfe man sich über den aktuellen Forschungsstand zu the- rapeutischen Interventionen oder dia- gnostischen Maßnahmen bei definier- ten Krankheitsbildern oder auch Public- Health-Maßnahmen informieren kann. Während Standards für die Methodik systematischer Übersichtsarbeiten vor- liegen [4, 5], findet man in der Literatur oft Unstimmigkeiten zur Definition und zur methodischen Vorgehensweise beim Evidence Mapping. Ziel des vorliegen- den Artikels ist es deshalb, die Methodik und Begrifflichkeiten, die bei dieser Art der Evidenzaufbereitungen zum Einsatz 1390 Originalien und Übersichten | Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2013

Methoden des Evidence Mappings; Methods of evidence mapping;

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Page 1: Methoden des Evidence Mappings; Methods of evidence mapping;

Bundesgesundheitsbl 2013 · 56:1390–1397DOI 10.1007/s00103-013-1818-yOnline publiziert: 28. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C. Schmucker1 · E. Motschall2 · G. Antes1 · J.J. Meerpohl1

1  Deutsches Cochrane Zentrum, Institut für Medizinische Biometrie und 

Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg2  Abteilung Medizinische Biometrie und Statistik, Institut für Medizinische 

Biometrie und Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg

Methoden des Evidence MappingsEine systematische Übersichtsarbeit

Aufgrund der kontinuierlich steigenden Zahl an wissenschaftlichen Publikatio­nen ist es mittlerweile erforderlich, die vorhandene Evidenz zu einem Themen­gebiet systematisch aufzubereiten, um ein vollständiges und somit ausgewo­genes Verständnis der Forschungsland­schaft, z. B. im Hinblick auf medizinische Interventionen, zu erlangen. Bezieht man sich auf eine Arbeit aus dem Jahr 2010, werden in der Literaturdatenbank Med­line schätzungsweise täglich 11 systemati­sche Übersichtsarbeiten und 75 Primär­studien publiziert [1]. Diese Zahlen ver­deutlichen die zunehmende Herausfor­derung für niedergelassene Ärzte, Kli­niker, Wissenschaftler und andere Ent­scheidungsträger im Gesundheitswesen einschließlich Drittmittelgeber, infor­mierte, auf dem aktuellen, unverzerrten Wissensstand basierende Entscheidun­gen zu treffen. Eine systematisch durch­geführte Aufarbeitung der aktuellen Stu­dienlage für eine Indikation, häufig über Interventionen oder auch diagnostische Maßnahmen hinweg, ist deshalb für Ent­scheidungsträger im Gesundheitssystem von großer Bedeutung. Pionierarbeiten, die sich mit der systematischen Aufarbei­tung von Evidenz in der Gesundheitsver­sorgung beschäftigen, sind bereits vor 25 Jahren erschienen [2]. Seitdem haben sich verschiedene Formen der Evidenz­aufbereitung ausdifferenziert:

Narrative Reviews. Narrative Reviews bieten meist einen breiten Überblick zu einem bestimmten Thema und haben häufig einen edukativen Charakter. Die Auswahl der berücksichtigten Litera­tur erfolgt jedoch subjektiv und unsys­tematisch, was zur Verzerrung bei den Schlussfolgerungen führen kann.

Systematische Übersichtsarbeiten. Sys­tematische Übersichtsarbeiten sind me­thodisch bedingt weniger fehleranfäl­lig. Sie haben den Anspruch, zu einer klar formulierten PICO­Frage (P = Pa­tient/Population, I = Intervention, C = Comparator/Vergleichsintervention, O = Outcome/Endpunkt) [3] alle verfügba­ren Primärstudien durch eine systemati­sche Literatursuche zu identifizieren und unter Anwendung vorab definierter Ein­ und Ausschlusskriterien auszuwählen. In einem weiteren Schritt werden relevante Informationen systematisch aus den ein­geschlossenen Publikationen extrahiert und die methodische Qualität der Stu­dien bewertet. Die Ergebnisse werden de­skriptiv oder mit statistischen Methoden quantitativ (Metaanalyse) zusammenge­fasst. Systematische Übersichtsarbeiten untersuchen meist eine explizite Frage­stellung, ähnlich der Fragestellung von Primärstudien, unter Einbeziehung eines Studientyps (meist randomisierte kont­rollierte Studien; RCTs). Dieses Vorge­hen kann dazu führen, dass z. B. poten­ziell wirksame Medikamente ihre Wer­

tigkeit bei Therapieentscheidungen ver­lieren oder wichtige Sicherheitsdaten auf­grund der Vorselektion des Studientyps verloren gehen. Neben den methodischen Einschränkungen stellt der Umfang und somit der Leseaufwand für eine systema­tische Übersichtsarbeit für den Nutzer eine zusätzliche Herausforderung dar. Entscheidungsträger und Interessenver­treter im Gesundheitssystem plädieren deshalb häufig für substanzielle Evidenz­aufbereitungen, die Forschungsergebnis­se für eine Indikation, häufig über Inter­ventionen oder diagnostische Maßnah­men hinweg, abbilden.

Evidence Mapping. Das Evidence Map­ping ist ein relativ neuer Ansatz der syste­matischen Evidenzaufbereitung, die mo­mentan vor allem international zum Ein­satz kommt. Man generiert dabei eine Übersicht, mit deren Hilfe man sich über den aktuellen Forschungsstand zu the­rapeutischen Interventionen oder dia­gnostischen Maßnahmen bei definier­ten Krankheitsbildern oder auch Public­Health­Maßnahmen informieren kann. Während Standards für die Methodik systematischer Übersichtsarbeiten vor­liegen [4, 5], findet man in der Literatur oft Unstimmigkeiten zur Definition und zur methodischen Vorgehensweise beim Evidence Mapping. Ziel des vorliegen­den Artikels ist es deshalb, die Methodik und Begrifflichkeiten, die bei dieser Art der Evidenzaufbereitungen zum Einsatz

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Originalien und Übersichten

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kommen, zu definieren und von der klas­sischen systematischen Übersichtsarbeit abzugrenzen. Außerdem werden dezi­dierte Empfehlungen zur methodischen Vorgehensweise beim Evidence Mapping entwickelt.

Methoden

Informationsbeschaffung

Um ein vollständiges Bild über den ak­tuellen Forschungsstand, der sich mit der Thematik des Evidence Mappings be­schäftigt, zu gewinnen, wurde eine sys­tematische Literaturrecherche nach rele­vanten Studien in folgenden Datenban­ken durchgeführt: Medline, Medline Dai­ly Update, Medline in Process & Other Non­Indexed Citations, Embase, Coch­rane Database of Systematic Reviews, Cochrane Central Register of Controlled Trials (Central), Other Reviews (DARE), Methods Studies, Technology Assess­ments, Economic Evaluations, Web of Science, Psyndex, PsycInfo, Cinahl and Global Health (Datum der Literaturre­cherche: Juni 2012). Die Literatursuche in den elektronischen Datenbanken wurde auf eine systematische Kombination der Keywörter Evidence Mapping, Scoping Study und Research Gaps aufgebaut (von den Autoren auf Anfrage erhältlich).

Neben der elektronischen Datenbank­suche wurde in Literaturverzeichnissen relevanter Veröffentlichungen und auf Webseiten der Institutionen, die Evidence Mapping bereits praxisorientiert anwen­

den, nach weiteren themenverwandten Veröffentlichungen gesucht (. Tab. 1).

Identifizierung relevanter Publikationen

In einem ersten Auswahlschritt wur­den die identifizierten Publikationen an­hand ihres Titels und – sofern vorhan­den – anhand ihres Abstracts gesichtet, um zu entscheiden, welche sich mit me­thodischen Aspekten des Evidence Map­pings beschäftigen. Potenziell relevante Publika tionen wurden in einem zweiten Auswahlschritt anhand des Volltexts von 2 unabhängigen Reviewern (CS, JM) auf ihre methodische Relevanz geprüft. Pub­likationen, die das Evidence Mapping de­finieren und/oder das methodische Vor­gehen schildern, wurden in die vorliegen­de systematische Übersichtsarbeit einge­schlossen.

Ergebnisse

Ergebnisse der Literatursuche

Die systematische Literatursuche in den 10 Datenbanken identifizierte insgesamt 2464 Referenzen. In . Abb. 1 ist die Li­teraturrecherche, einschließlich des end­gültigen Publikationspools, der in die sys­tematische Übersichtsarbeit eingeschlos­sen wurde, dargestellt.

Definition der bestehenden methodischen Ansätze

Insgesamt konnten 12 Publikationen identifiziert werden, die sich im weite­ren Sinne mit der Methodik des Eviden­ce Mappings beschäftigen (. Tab. 2 und 3). Ausgehend von der vorhandenen Li­teratur, werden die folgenden Definitio­nen für die verschiedenen Begrifflich­keiten innerhalb des Evidence Mappings vorschlagen:F  Evidence Map (. Tab. 2, [6, 7, 8, 9,

10, 11, 12]): Evidence Maps sind ein hilfreicher Ansatz, um vorhandene und fehlende Evidenz für medizini­sche Fragestellungen in ihrer Quan­tität und unter Darstellung von (Stu­dien­)Charakteristika systematisch abzubilden. Dabei wird eine Über­sicht, häufig in Form einer Tabelle oder webbasierten Datenbank, gene­riert, mit deren Hilfe man sich über den aktuellen Forschungsstand im Hinblick auf die Studienanzahl, Stu­diencharakteristika (z. B. Studiende­sign, geografische Angaben zur Stu­die), Patientencharakteristika und Studienergebnisse zu therapeuti­schen, präventiven, diagnostischen oder gesundheitsökonomischen Fra­gestellungen systematisch informie­ren kann.

F  Scoping Reviews (. Tab. 3, [13, 14, 15, 16, 17]): Von einem Scoping Re­view spricht man, wenn die einge­schlossene Literatur nicht nur tabel­larisch dargestellt, sondern die Er­gebnisse auch deskriptiv narrativ zu­sammengefasst werden.

Methodische Vorgehensweise beim Evidence Mapping

Ausgehend von unserer systematischen Sichtung der Literatur zur Methodik des Evidence Mappings und unseren Erfah­rungen in der evidenzbasierten Medizin, erscheint folgende methodische Vorge­hensweise empfehlenswert:

Schritt 1: Priorisierung und Definition der Fragestellung(en)Die zu untersuchende Frage soll unter Berücksichtigung von Kriterien wie Prä­valenz, Inzidenz, Morbidität, Mortalität,

Tab. 1  Webseiten von Institutionen, die bereits Evidence Mapping ausführen und die nach themenverwandten Veröffentlichungen durchsucht wurden

Institution Webseite

The Global Evidence Mapping Initiative in Aus-tralia

http://www.evidencemap.org

Ottawa Hospital Research Institute OHRI in Kanada

http://www.ohri.ca/kta/

UK Database of Uncertainties about the Effects of Treatments

http://www.library.nhs.uk/DUETs/DuetsSubmis-sionForm.aspx

The National Perinatal Epidemiology Unit of the University of Oxford

https://www.npeu.ox.ac.uk/files/downloads/infant-mortality/Infant-Mortality-Technical-Guide.pdf

The U.S. Agency for Healthcare Research and Quality

http://www.ahrq.gov/downloads/pub/ evidence/pdf/nutrition/nutrtp2.pdf

The American Speech-Language-Hearing Association of the National Center for Evidence- Based Practice in Communication Disorders

http://ncepmaps.org/Evidence-Maps-Back-ground.php

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Lebensqualität und Kosten mithilfe eines interdisziplinären Teams von Fachärz­ten, Wissenschaftlern, Methodikern und Interessenvertretern (Patienten) festge­legt werden. Ist dies erfolgt, wird das zu untersuchende Gesundheitsproblem in eine suchtaugliche Frage formuliert. Da­zu wird das in der evidenzbasierten Me­dizin angewendete PICO­Schema [3] he­rangezogen und an die Anforderungen des Evidence Mappings angepasst:1. Welche Patienten? Hierzu gehört

die Angabe des zu untersuchenden Krankheitsspektrums.

2. Welche Intervention(en)? Evidence Mapping betrachtet in der Regel umfassende therapeutische Ansät­ze (z. B. Schmerztherapien) oder auch ein weites Spektrum an sozia­len Maßnahmen (z. B. Maßnahmen zur Tabakentwöhnung). Deshalb muss vorab definiert werden, welche Behandlungsformen (z. B. pharma­kologisch, chirurgisch, physiothera­peutisch oder psychotherapeutisch) oder Maßnahmen (z. B. diagnosti­sche oder soziale Maßnahmen) ein­geschlossen werden sollen.

3. Welche Vergleichsbehandlung (Com-parison)? ⇒ entfällt Da Evidence Mapping nicht das Ziel verfolgt, 2 Interventionen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit miteinander zu verglei­chen, sondern darauf abzielt, (alle) bestehenden Behandlungsformen für ein Krankheitsbild abzubilden, wür­de durch die Angabe einer vorabde­finierten Vergleichsbehandlung ein erheblicher Teil an Studien ausge­schlossen.

4. Welcher Endpunkt (Outcome)? ⇒ ent-fällt Für eine klassische systemati­sche Übersichtsarbeit ist die Angabe patientenrelevanter klinischer End­punkte ein wichtiges Kriterium. Da Evidence Mapping einen Überblick über alle Studien geben soll, die eine a priori definierte Indikation und/oder Intervention evaluieren, ist eine Eingrenzung auf einen spezifischen Studienendpunkt nicht sinnvoll.

5. Welches Studiendesign? In der evi­denzbasierten Medizin existiert eine Erweiterung des PICO­Schemas zum PICOS­Schema. Das „S“ steht in die­sem Fall für das Studiendesign, das

Zusammenfassung · Abstract

Bundesgesundheitsbl 2013 · 56:1390–1397   DOI 10.1007/s00103-013-1818-y© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C. Schmucker · E. Motschall · G. Antes · J.J. MeerpohlMethoden des Evidence Mappings. Eine systematische Übersichtsarbeit

ZusammenfassungHintergrund.  Evidence Mapping ist ein neu-er Ansatz zur systematischen Evidenzauf-bereitung. Während Standards für die Metho-dik systematischer Übersichtsarbeiten vorlie-gen, findet man in der Literatur oft Unstim-migkeiten zur Definition und zur Vorgehens-weise beim Evidence Mapping.Fragestellung.  Ziel der vorliegenden syste-matischen Übersicht ist es, die Methodik und Begrifflichkeiten, die beim Evidence Map-ping zum Einsatz kommen, zu definieren und es von der klassischen systematischen Über-sichtsarbeit abzugrenzen.Methoden.  Um ein vollständiges Bild des Forschungsstands zum Evidence Mapping zu gewinnen, wurde eine systematische Lite-raturrecherche in 10 Datenbanken durchge-führt. Außerdem wurden Webseiten von Ins-tituten, die sich mit dieser Methodik der Evi-denzaufbereitung beschäftigen, durchsucht.Ergebnisse.  Der eingeschlossene Studien-pool (n=12) zeigt, dass innerhalb des Evi-dence Mappings die Begrifflichkeiten „Evi-dence Map“ und „Scoping Review“ Anwen-dung finden. Evidence Maps stellen dabei einen Ansatz dar, um vorhandene oder auch 

fehlende Evidenz auf Grundlage von Primär-studien und systematischen Übersichtsarbei-ten für breite medizinische Fragestellungen in ihrer Quantität und ihren Studiencharak-teristika systematisch in Tabellenform abzu-bilden. Scoping Reviews liefern zudem eine deskriptive Zusammenfassung der Literatur. Eine Qualitätsbewertung der Studien erfolgt dabei nicht.Schlussfolgerung.  Evidence Mapping er-laubt durch die quantitative Darstellung der vorhandenen Forschung das Erkennen von Lücken im Wissenspool. Dieser Aspekt ist vor allem für Interventionen wichtig, die ohne ausreichende Evidenzbasis eingesetzt wer-den. Systematische Übersichtsarbeiten er-möglichen es hingegen einzuschätzen, wel-che Effekte durch Interventionen zu erwarten sind und ob das dazu vorhandene Wissen zu-verlässig ist.

SchlüsselwörterEvidence Mapping · Systematische Übersichtsarbeit · Evidenzbasierte Medizin · Evidence Map · Scoping Review

Methods of evidence mapping. A systematic review

AbstractBackground.  Evidence mapping is an in-creasingly popular approach to systematical-ly evaluate published research. While there are methodological standards for systematic reviews, discrepancies exist between the ter-minology and methods used within evidence mapping.Aim.  The aim of this systematic review is to describe the methodology and terminolo-gy used in evidence mapping and to dem-onstrate the continuum between evidence mapping and traditional systematic reviews.Methods.  A systematic literature search was conducted in 10 databases in order to obtain a comprehensive picture of the state of the research standards for evidence mapping. In addition, websites of institutions which are already conducting evidence mapping were searched.Results.  The included study pool (n=12) shows that the terms ‘evidence map’ and ‘scoping review’ are widely used within ev-idence mapping. Evidence maps are an ap-

proach to depict both the number and char-acteristics of studies in tabular form that ex-ist as well as evidence gaps based on primary studies and systematic reviews of broad clin-ical questions. Scoping reviews also summa-rize the literature in a tabular form but also give a descriptive narrative summary of the results. A quality assessment of the studies is generally not included.Conclusion.  Evidence mapping allows the identification of research gaps. This aspect is particularly important for interventions which are used without sufficient evidence. In contrast, systematic reviews are main-ly used to estimate effects for interventions and evaluate whether the included studies are reliable.

KeywordsEvidence mapping · Systematic review · Evidence-based medicine · Evidence map · Scoping review

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betrachtet werden soll, um die Frage­stellung möglichst effizient zu beant­worten. Beim Evidence Mapping sol­len in der Regel alle relevanten Stu­dien zu einer klinischen Fragestel­lung abgebildet werden. Eine Ein­grenzung auf ein a priori definiertes Studien design ist nicht sinnvoll.

Schritt 2: Systematische Literatursuche1. Entwicklung der Suchstrategie: Die

Suchstrategie soll nach dem in Schritt 1 modifizierten PICO­Sche­ma durchgeführt werden. Allge­mein gilt: Da Evidence Mapping auch das Ziel haben kann, alle Studien zu einem Krankheitsbild über Interven­tionen hinweg abzubilden, wäre in diesem Fall eine Angabe zur Inter­vention in der Suchstrategie überflüs­sig. Das Gleiche gilt, wenn aufgezeigt werden soll, für welche Krankheits­bilder eine Intervention eingesetzt wird. In diesem Fall ist eine Defini­tion der Patientenpopulation nicht notwendig. Eine Eingrenzung auf einen Studientyp ist in der Suchstra­tegie nur erforderlich, wenn auf die Evidenz eines bestimmten Studien­designs Bezug genommen wird.

2. Literatursuche in verschiedenen Datenbanken: Die Literaturrecherche nach Evidenz zu der zuvor erstellten suchtauglichen Frage wird in thema­tisch relevanten Literaturdatenban­ken durchgeführt.

Die wichtigsten Datenbanken für die Re­cherche nach Primärliteratur sind:F  Medline: z. B. via PubMed http://

www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed,F  Clinical Trials: http://www.

thecochrane library.com/view/0/in­dex.html,

F  Embase: z. B. via DIMDI http://www.dimdi.de,

F  PsycINFO: z. B. via http://www.apa.org/pubs/databases/psycinfo/index.aspx,

F  Psyndex: z. B. via http://www.zpid.de/retrieval/login.php,

F  Social Sci Search: z. B. via http://apps.webofknowledge.com/WOS_Gene­ralSearch_input.do?product=WOS&SID=W2jCM9egkfhKDh1j4p6&se­arch_mode=GeneralSearch,

F  Cinahl: http://www.ebscohost.com/biomedical­libraries/the­cinahl­data­base,

F  Web of Science: http://apps.webof­knowledge.com/WOS_GeneralSe­

arch_input.do?product=WOS&SID=W2jCM9egkfhKDh1j4p6&search_mode=GeneralSearch.

Nach laufenden Studien kann in folgen­den Studienregistern gesucht werden:F  International Clinical Trials Registry

Platform der WHO: http://www.who.int/ictrp/en/,

F  Register for Clinical Trials: http://cli­nicaltrials.gov/,

F  The UK National Research Register: http://public.ukcrn.org.uk/search/,

F  Deutsches Register Klinische Stu­dien: https://drks­neu.uniklinik­frei­burg.de/drks_web/,

F  Register for Controlled Trials: http://www.controlled­trials.com.

Nach systematischen Zusammenfassun­gen kann in folgenden Datenbanken ge­sucht werden:F  Cochrane Library: z. B. via http://

www.thecochranelibrary.com/view/0/index.html,

F  Medline: z. B. via PubMed: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed,

F  Clinical Evidence: http://clinicalevi­dence.bmj.com/x/index.html,

F  TRIP Database: http://www.tripdata­base.com/,

F  ACP Journal Club: z. B. via http://acpjc.acponline.org/gsa­search/,

F  Guidelines International Network (G­I­N): http://www.g­i­n.net/.

Da Evidence Mapping zum Ziel hat, ein möglichst vollständiges Bild der For­schungsergebnisse zu einem Themen­komplex zu generieren, ist neben der Su­che in elektronischen Datenbanken eine ergänzende Suche in Literaturverzeich­nissen relevanter systematischer Über­sichtsarbeiten und Studien (Zitationssu­che rückwärts) oder die „Citation Search“ (Zitationssuche vorwärts) hilfreich. Wel­cher Zeitraum durchsucht wird und wel­che Sprachen eingeschlossen werden, hängt in der Regel von der zur Verfü­gung stehenden Zeit und dem vorhande­nen Budget ab.

Schritt 3: StudienauswahlDie Studienauswahl soll in 2 Schritten er­folgen:

Literaturrecherche am 20.06.2012n=2464

Durch Handsuche oder aufrelevanten Webseiten identi�ziert

n=9

Ausgeschlossen: Duplikaten=1152

Screening anhand von Titel und Abstractn=1321

Ausgeschlossen: nicht relevantn=1206

Potenziell relevante Publikationenn=115

Ausgeschlossen: Publikation enthältkeine Angaben zur Methodik

n=103

Relevante Publikationen n=12Evidence Maps [6-12] n=7Scoping Reviews [13-17] n=5

Abb. 1 9 Literaturre-cherche nach Studien, die sich mit der Metho-dik des Evidence Map-pings beschäftigen

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Page 5: Methoden des Evidence Mappings; Methods of evidence mapping;

1. Screening nach Titel und Abstract: In einem ersten Auswahlschritt werden die identifizierten Publikationen an­hand ihres Titels und – sofern vor­handen – anhand ihres Abstracts ge­sichtet, um zu entscheiden, welche hiervon angesichts der in Schritt 1 genannten Fragestellung als sicher re­levant eingeordnet werden können.

In Zweifelsfällen wird die Entscheidung durch Konsens herbeigeführt.2. Volltextscreening: Die Überprüfung

anhand des Volltextes soll idealerwei­se durch 2 Bewerter unabhängig von­einander stattfinden.

Schritt 4: DatenextraktionDie Datenextraktion aus den identifizier­ten Studien soll mithilfe „standardisier­ter“ Dokumentationsbögen in Tabellen­form idealerweise von 2 Gutachtern un­abhängig voneinander vorgenommen werden. Dabei muss vorab entschieden werden, mittels welcher Studiendaten die jeweilige Fragestellung am effizientesten beantwortet werden kann. Die Schwer­punkte der Datenextraktion sollen dabei auf folgenden Angaben liegen:F  bibliografische Angaben: z. B. Au­

tor(en), Publikationsjahr, Journal,

F  Studiencharakteristika: z. B. Studien­design, geografische Angaben zur Studie, Anzahl der eingeschlossenen Patienten, Beobachtungsdauer,

F  Patientencharakteristika: z. B. Al­ter und Geschlecht der Patienten, Er­krankungsstadium, Vorbehandlung und Risikofaktoren,

F  Angaben zur Intervention: z. B. Dau­er der Anwendung, Dosierung,

F  Angaben zur Kontrollbehandlung,F  Ergebnisse: Daten zu primären und

sekundären Endpunkten, Daten zu unerwünschten Wirkungen (abhän­gig von der klinischen Fragestellung).

Tab. 2  Evidence Maps: Definitionen und Vorgehensweisen in der identifizierten Literatur

Autor/ Institution

Originaldefinition Von den Autoren vorgeschlagene Vorgehens-weise

Katz et al. [6] „A less systematic but nonetheless replicable process termed ‚mapping‘ is an emerging concept that allows an understanding of the ‚extent, distribution and methodological quality of research‘ relevant to broad topics“

Schritt 1+2: Experten auswählen und für die Ent-wicklung der Fragestellung mit einbeziehenSchritt 3+4: Generierung der Datenbank (Evidence Map) und Definition der Ein- und Ausschluss-kriterienSchritt 5: LiteratursucheSchritt 6: Dateneingabe in Datenbank(Schritt 7+8: Detaillierte Zusammenfassung/ Scoping Review)

Russell et al. [7] „EM is a method to facilitate exploring new ideas and hypotheses. It can be used to direct limited resources to potentially more fruitful areas for systematic review as well as to complement comprehensive systematic reviews on specific key ques-tions. It aims to provide investigators with information about the type and amount of research available, the characteristics of that research, and the topics where a sufficient amount of evidence has accumulated for synthesis. EM is a cost-effective method to inform users of the current state of research findings that could be used to generate hypotheses, inform ongoing research, and identify research gaps“

Nicht definiert

Hetrick et al. [8] „EM is a methodology that provides a comprehensive summary of the extent and distribution of the evidence in a broad clinical area, allowing a snapshot of where evidence exists and where it is lacking“

Schritt 1: Entwicklung der Fragestellung und Daten-bank (Evidence Map)Schritt 2: Definition der Studien-Ein- und Aus-schlusskriterienSchritt 3: Literatursuche nach StudienSchritt 4: Studienauswahl, Datenextraktion und Dateneingabe in Evidence Map

ASHA 2010 [9] „Evidence maps are intended to provide clinicians, researchers, clients, and care-givers with tools and guidance to engage in evidence-based decision-making. Each evidence map pertains to a specific clinical population and contains informa-tion on assessment/diagnosis, treatment, and service delivery“

Nicht definiert

Bragge et al. [10]

„EM describes the quantity, design and characteristics of research in broad topic areas, in contrast to SR, which usually address narrowly-focused research ques-tions. The breadth of EM helps to identify evidence gaps, and may guide future research efforts“

Schritt 1: Entwicklung der FragestellungSchritt 2: Priorisierung der FragestellungSchritt 3: Literatursuche und StudienauswahlSchritt 4: Datenextraktion(Schritt 5: Scoping Review)

Parkhill et al. [11]

„EM provides an overview of the nature and characteristics of all research in any given field“

Nicht definiert, Fokus der Veröffentlichung liegt auf der Literaturrecherche

GEM Initiative [12]

„EM is an overview of a broad research field that describes the volume, nature and characteristics of research in that field. EM addresses many important questions about treatments, diagnostic tests, prognosis and cost-effectiveness in broad clinical“

Schritt 1: Entwicklung der FragestellungenSchritt 2: Priorisierung der FragestellungenSchritt 3: Literatursuche und StudienauswahlSchritt 4: Datenextraktion(Schritt 5: Scoping Review)

ASHA American Speech-Language-Hearing Association, EM Evidence Mapping, GEM Global Evidence Mapping, SR Systematic Review.

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Originalien und Übersichten

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Page 6: Methoden des Evidence Mappings; Methods of evidence mapping;

Schritt 5: Qualitätsbewertung der identifizierten LiteraturEvidence Maps stellen eine tabellarische Abbildung der vorhandenen Literatur dar und enthalten keine Qualitätsbewertung. Bei Scoping Reviews gehen die Meinun­gen zur Qualitätsbewertung der identi­fizierten Literatur zum Teil auseinan­der [17]. Eine Qualitätsbewertung inner­halb von Scoping Reviews erscheint nur sinnvoll, wenn sich die deskriptive Zu­sammenfassung auf systematische Über­sichtsarbeiten bezieht. Für die Qualitäts­bewertung von systematischen Über­sichtsarbeiten steht das AMSTAR­In­strument zur Verfügung [18]. Das AMS­TAR­Instrument ist eine Checkliste, die es erlaubt, 11 methodische Qualitätskri­terien einer systematischen Übersichts­arbeit zu bewerten, wie z. B. doppelte Datenextraktion, Umfang der Literatur­suche, Einschluss von nicht publizierten Studien oder Beschreibung der Studien­charakteristika.

Schritt 6: ErgebnisdarstellungDie Ergebnisdarstellung unterscheidet sich je nach Form des Evidence Map­pings:F  Evidence Maps: beinhalten eine sys­

tematische Übersicht, entweder in Form einer Tabelle oder (webbasier­

ten) Datenbank, der in Schritt 4 ex­trahierten Daten. Bei der Ergebnis­darstellung ist darauf zu achten, dass die Tabelle einen nach Studientyp ge­trennten Vergleich der verschiedenen Interventionen, diagnostischen Ver­fahren oder Krankheitspopulationen erlaubt.

F  Scoping Reviews: die extrahierten Daten werden nicht nur in Tabellen­form systematisch dargestellt, son­dern auch deskriptiv narrativ be­schrieben.

Die Ergebnisdarstellung ist eine besonde­re Herausforderung, da sie eine enorme Kompression komplexer Informationen bedeutet. Daher kann je nach Fragestel­lung eine Beratung durch erfahrene Me­thodiker hilfreich sein.

Abgrenzung: Evidence Mapping und systematische Übersichtsarbeit

Sowohl inhaltliche als auch methodische Unterschiede zwischen Evidence Map­ping und der klassischen systematischen Übersichtsarbeit werden in . Tab. 4 dar­gestellt.

Evidence Mapping hat dabei das Ziel, die gesamten Studien (Evidenz) systema­

tisch über breite Fragestellungen, häufig über Interventionen oder auch diagnos­tische Maßnahmen hinweg, abzubilden. Somit wird nicht nur die vorhandene Evi­denz aufgezeigt, sondern es werden auch Lücken im Wissenspool (fehlende Stu­dien) sichtbar. Evidence Mapping dient somit als Vorarbeit für systematische Übersichtsarbeiten und hilft einzuschät­zen, ob die Durchführung einer syste­matischen Übersichtsarbeit in einem be­stimmten Bereich notwendig oder sinn­voll ist. Gleichzeitig wird aufgezeigt, in welchen Bereichen die Notwendigkeit für klinische Studien besteht. Da das Evi­dence Mapping im Gegensatz zur syste­matischen Übersichtsarbeit keine Qua­litätsbewertung und auch keine statisti­sche Zusammenfassung der Ergebnisse der eingeschlossenen Literatur beinhal­tet, umfasst der zeitliche Rahmen für die Erstellung einer Evidence Map bzw. eines Scoping Reviews zwischen 1 und maxi­mal 6 Monaten [14, 19]. Für die Erstel­lung einer systematischen Übersichts­arbeit müssen hingegen bis zu 24 Monate eingeplant werden [4].

Diskussion

Das Evidence Mapping in Form von Evi­dence Maps und Scoping Reviews ist ein

Tab. 3  Scoping Reviews: Definitionen und Vorgehensweisen in der identifizierten Literatur

Autor Originaldefinition Von den Autoren vorgeschlagene Vorgehensweise

Arksey und O’Malley [13]

„Scoping studies aim to– examine the extent, range, and nature of research activity– determine the value for undertaking a full systematic review– summarize and disseminate research findings and – identify research gaps in the existing literature“

Schritt 1: Identifizierung der FragestellungSchritt 2: LiteratursucheSchritt 3: StudienauswahlSchritt 4: Datenextraktion der eingeschlossenen StudienSchritt 5: Ergebniszusammenfassung (in der Regel ohne Qualitätsbewertung)

Anderson et al. [14] „Contextualize knowledge by identifying what we know and do not know, and then setting this within policy and practice contexts“

Nicht klar definiert

Davis et al. [15] „Synthesis and analysis of a wide range of research and non-re-search material to provide greater conceptual clarity about a speci-fic topic or field of evidence“

Davis et al. stützten sich auf die Methoden, die bereits von Arksey und O’Malley 2005 [3] beschrieben wurden, und fordern, dass zusätzlich eine Expertenmeinung in Bezug auf die Priorisierung der Fragestellung des Scoping  Reviews eingeholt wird

Hollowell et al. [16] “(1) A comprehensive and systematic description of the existing literature on a particular topic.(2) Provides an overview of research on a given topic; also high-lights gaps in the available literature.(3) It does not involve quality appraisal and synthesis of results as undertaken in a systematic review“

Nicht klar definiert

Levac et al. [17] „Scoping studies are an increasingly popular approach to reviewing health research evidence“

Levac et al. stützen sich auf die Methoden, die bereits von Arksey und O’Malley 2005 [3] beschrieben wurden, und diskutieren Vor- und Nachteile einer Qualitätsbewertung von Studien innerhalb Scoping Reviews

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Page 7: Methoden des Evidence Mappings; Methods of evidence mapping;

neuer methodischer Ansatz, um dem im­mensen Wissenszuwachs durch biome­dizinische Forschung Rechnung zu tra­gen. Dieser Ansatz erlaubt es, mit einem vertretbaren Aufwand und akzeptablen Kosten einen systematisch entwickel­ten und somit vollständigen Überblick über ein medizinisches Gebiet (Erkran­kung, Intervention, Diagnostik) zu er­stellen. Evidence Maps sind deshalb eine ideale Basis für Entscheidungsträger im Gesundheitswesen, um informierte Ent­scheidungen zu treffen. Insbesondere für Drittmittelgeber – wie das Bundesmi­nisterium für Bildung und Forschung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, den Gemeinsamen Bundesausschuss, das Bundesministerium für Gesundheit und für Forscher (wie Ärzte und Wissen­schaftler) – sind Evidence Maps von gro­ßer Bedeutung. Aber existierende Evi­dence Maps können auch für Ethikkom­missionen hilfreich sein, um die Not­wendigkeit und somit auch ethische Be­rechtigung einer geplanten Studie zu be­urteilen. Als Vorarbeit für systemati­

sche Übersichtsarbeiten unterstützen sie Drittmittelgeber und Forscher darin ein­zuschätzen, ob die Durchführung einer systematischen Übersichtsarbeit zu einer bestimmten Fragestellung notwendig (liegen schon systematische Übersichts­arbeiten zum Thema vor?) bzw. sinnvoll (liegen ausreichend Studien zum Thema vor, aber noch keine systematische Über­sichtsarbeit?) erscheint. Gleichzeitig wird aufgezeigt, in welchen Bereichen die Not­wendigkeit zur Durchführung klinischer Studien besteht. So kann Evidence Map­ping auch dazu dienen aufzuzeigen, bei welchen angewandten medizinischen Verfahren ggf. keine ausreichende Evi­denz aus Primärstudien vorliegt.

Da Evidence Mapping das Ziel hat, die vorhandene Literatur quantitativ darzu­stellen, ist eine Qualitätsbewertung der eingeschlossenen Studien nicht vorgese­hen. Jedoch wird dieser Punkt in der Lite­ratur zum Teil kontrovers diskutiert [17]. Unseres Erachtens erscheint eine Quali­tätsbewertung innerhalb von Scoping Re­views nur sinnvoll, wenn sich die deskrip­

tive Zusammenfassung auf eine über­schaubare Zahl von Literaturzitaten be­zieht. Das ist dann der Fall, wenn inner­halb von Scoping Reviews nur systemati­sche Übersichtsarbeiten betrachtet wer­den. Dieser methodische Ansatz wird in der evidenzbasierten Medizin auch unter den Begrifflichkeiten „Evidence Summa­ry“, „Umbrella Review“, „Overviews of Reviews“ oder „Review of Reviews“ ad­ressiert (z. B. [19, 20]). Da dieser Ansatz der Evidenzsynthese über die Zielset­zung der vorliegenden Übersichtsarbeit hinausgeht, wird hier nicht weiter darauf eingegangen.

Fazit

Systematische Übersichtsarbeiten erlau-ben eine Einschätzung der Effekte medi-zinischer Interventionen; sie informieren auch darüber, ob das vorhandene Wis-sen, d. h. die vorhandenen Studien, zu-verlässig ist/sind. Evidence Mapping er-laubt die Einschätzung darüber, wo ge-sichertes Wissen fehlt. Dieser Aspekt 

Tab. 4  Abgrenzung: Evidence Mapping und systematische Übersichtsarbeit

  Evidence Mapping Systematische Übersichtsarbeit

Inhaltliche Unterschiede

Ziel –  Systematisches Abbilden der gesamten Studien (Evidenz) und/oder–  Aufzeigen von Evidenzlücken (fehlenden Studien) ⇒ Vorarbeit 

für systematische Übersichtsarbeiten: hilft einzuschätzen, ob in einem bestimmten Bereich die Durchführung einer systemati-schen Übersichtsarbeit notwendig oder sinnvoll ist; gleichzeitig wird aufgezeigt, in welchen Bereichen die Notwendigkeit für klinische Studien besteht

–  Systematische Bewertung und Einschätzung der Evidenz (Studien) ⇒ wenn Evidenz nicht ausreichend bzw. mangelhaft: Empfehlung für weitere klinische Studien wird ausgesprochen

Fragestellung –  Breite Fragestellung, häufig über Interventionen oder auch  diagnostische Maßnahmen hinweg

–  Keine Eingrenzung der Fragestellung auf Vergleichsbehandlung (Comparator) und Outcome

– PICO-Schema wird zum PI(S)-Schema modifiziert

–  Fragestellung gleicht häufig der von Primärstudien–  Fragestellung wird nach PICO(S)-Schema formuliert

Methodische Unterschiede

Studiendesign – In der Regel wird jedes Studiendesign berücksichtigt –  Durch die Fragestellung wird das Studiendesign, das zur Beantwortung der Frage herangezogen werden soll, häufig eingeschränkt. Zum Beispiel RCTs zum Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit

Auswahl der eingeschlos-senen Studien

–  Keine Vorselektion durch Ein- und Ausschlusskriterien ⇒ Abbil-dung aller zur Verfügung stehenden Evidenz

–  Vorselektion der Studien durch Ein- und Ausschluss-kriterien ⇒ oft wird nur eine Auswahl der vorhande-nen Studien eingeschlossen

Qualitätsbewertung –  Evidence Maps und Scoping Reviews beinhalten in der Regel keine Qualitätsbewertung

– Immer

Ergebnisdarstellung –  Evidence Maps: Abbildung der Evidenz in Form einer Daten-bank/Tabelle

–  Scoping Reviews: Zur tabellarischen Abbildung kommt zusätz-lich eine deskriptive Beschreibung

–  eskriptive und oft auch quantitative (Meta analyse) Ergebnisdarstellung

Zeitumfang – 1 bis 6 Monate – 6 bis 24 MonatePICO(S)Patient, Intervention, Comparator, Outcome, (Studiendesign), RCT randomisierte kontrollierte Studie.

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Originalien und Übersichten

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Page 8: Methoden des Evidence Mappings; Methods of evidence mapping;

ist vor allem mit Blick auf Interventio-nen oder diagnostische Verfahren wich-tig, die ohne ausreichende Evidenzbasis eingesetzt werden. Denn nur, wenn Wis-senslücken bekannt sind, können Priori-täten gesetzt und es kann gezielt in die-sen Bereichen geforscht werden.

Korrespondenzadresse

Dr. C. SchmuckerDeutsches Cochrane Zentrum, Institut für Medi-zinische Biometrie und Medizinische Informa-tik, Universitätsklinikum FreiburgBerliner Allee 29, 79110 [email protected]

Danksagung.  Diese Übersichtsarbeit entstand im Rahmen des vom BMG geförderten Projektes  „ACTING ON KNOWLEDGE“, Förderkennzeichen IIA5-2512MQS006.  Interessenkonflikt.  C. Schmucker, E. Motschall, G. Antes und J.J. Meerpohl geben an, dass kein Inter-essenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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18.  Shea BJ, Grimshaw JM, Wells GA (2007) Develop-ment of AMSTAR: a measurement tool to assess the methodological quality of systematic reviews. BMC Med Res Methodol 7:10

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20.  Bero LA, Grilli R, Grimshaw JM et al (1998) Closing the gap between research and practice: an over-view of systematic reviews of interventions to promote the implementation of research findings. BMJ 317(7156):465–468

L. JaegerPatientenrechtegesetzKommentar zu §§ 630a bis 630h BGB

Verlag Versicherungswirtschaft 2013

1. Auflage, 206 Seiten 

(ISBN 978-3899527490) 

39,00 EUR

Prima vista mag es überraschen, dass nur 

wenige Tage nach dem Inkrafttreten des 

Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von 

Patientinnen und Patienten (Patienten-

rechtegesetz) vom 26.02.2013 bereits ein 

Kommentar zu diesem Gesetzeswerk er-

scheint. Der Vorsitzende Richter am OLG 

i.R. Lothar Jaeger, Köln, hat als einer der 

Ersten einen Kommentar zu diesen im Bür-

gerlichen Gesetzbuch aufgenommenen 

Regelungen vorgelegt. Beschäftigt man 

sich mit dem Gesetz näher, überrascht 

allerdings das von ihm an den Tag gelegte 

Tempo nicht. Hat doch der Gesetzgeber, 

wie dies der Autor zutreffend in seiner elf 

Seiten umfassenden und zu recht sehr kri-

tischen Einleitung darstellt, nichts Neues 

geschaffen. Letztlich wurde versucht, eine 

in vielen Jahren durch die Rechtsprechung 

geschaffene, ausgewogene Materie des 

Arzthaftungsrechts in wenigen Vor-

schriften zusammenzufassen, ohne dass 

inhaltlich irgendetwas Wesentliches neu 

geregelt worden wäre. Anhand der ein-

zelnen Vorschriften erläutert der Autor 

fachkundig und auch für juristische Laien 

äußerst verständlich überblicksmäßig das 

Arzthaftungsrecht. Besonders hervorzuhe-

ben ist sein erfolgreiches Bemühen, dem 

neuen Gesetz auch ein aktuelles Gesicht in 

Form neuerer Rechtsprechung und Litera-

tur zu geben. Die Aufteilung der Kommen-

tierung zu den einzelnen Vorschriften ist 

sehr übersichtlich und leicht nachzuvoll-

ziehen. Der sehr verständlich geschriebene 

Text stellt prägnant die Grundsätze des 

Arzthaftungsrechts dar. Praxisnahe Fälle 

mit entsprechenden Fundsteilen runden 

das Bild ab. Der Kommentar ist nicht nur 

wegen seines Formates gleichermaßen für 

die Taschen in Arztkitteln als auch Juristen-

roben geeignet und zu empfehlen.

H. Fenger

(Münster)

Buchbesprechungen

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