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1 Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein Orientierungsraster Lehrveranstaltungsskript im Modul A1 Dozent: Prof. Dr. Peter Schallberger (Erstfassung 2017) Inhaltsverzeichnis 1. Die vier Phasen des Hilfeprozesses 4 1.1 Erste Phase: Situationsanalyse – Anamnese – Diagnose...................... 4 1.2 Zweite Phase: Zielbestimmung und Hilfeplanung ................................ 7 1.3 Dritte Phase: Hilfeleistung – „Intervention“ .......................................10 1.4 Vierte Phase: Reflexion und Modifikation..........................................11 1.5 Wissenschaftliche Evaluation und wissenschaftliche Forschung .......11 2. Phasenspezifische Methoden der Sozialen Arbeit 13 3. Wissensfundamente methodischen Handelns (Referenzwissen) 15 3.1 Bezugswissenschaftliches Wissen ......................................................16 3.2 Theorien und Ansätze Sozialer Arbeit ................................................17 3.3 Professionalitätstheorien ...................................................................17 3.4 Individuell angeeignetes und habitualisiertes Wissen .......................18 4. Intervenierende Bedingungen des Handelns 19 4.1 Die Besonderheit des je individuellen Falles ......................................20 4.2 Historisch persistente handlungsleitende Orientierungen ................20 4.3 Gesetzlicher Auftrag und organisationale Einbettung .......................21 4.4 Grundlegende professionelle Arbeitsprinzipien.................................21 5. Aktuelle Kontroversen im Fachdiskurs 22

Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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Page 1: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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MethodischesHandelninderSozialenArbeit–EinOrientierungsrasterLehrveranstaltungsskriptimModulA1Dozent:Prof.Dr.PeterSchallberger

(Erstfassung2017)

Inhaltsverzeichnis

1.DievierPhasendesHilfeprozesses 4

1.1ErstePhase:Situationsanalyse–Anamnese–Diagnose......................4

1.2ZweitePhase:ZielbestimmungundHilfeplanung................................7

1.3DrittePhase:Hilfeleistung–„Intervention“.......................................10

1.4ViertePhase:ReflexionundModifikation..........................................11

1.5WissenschaftlicheEvaluationundwissenschaftlicheForschung.......11

2.PhasenspezifischeMethodenderSozialenArbeit 13

3.WissensfundamentemethodischenHandelns(Referenzwissen) 15

3.1BezugswissenschaftlichesWissen......................................................16

3.2TheorienundAnsätzeSozialerArbeit................................................17

3.3Professionalitätstheorien...................................................................17

3.4IndividuellangeeignetesundhabitualisiertesWissen.......................18

4.IntervenierendeBedingungendesHandelns 19

4.1DieBesonderheitdesjeindividuellenFalles......................................20

4.2HistorischpersistentehandlungsleitendeOrientierungen................20

4.3GesetzlicherAuftragundorganisationaleEinbettung.......................21

4.4GrundlegendeprofessionelleArbeitsprinzipien.................................21

5.AktuelleKontroversenimFachdiskurs 22

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Lehrziele:

• Siekönnenverschiedene„Wissensbestände“,mitdenenSiesichimLaufedesStudiumsauseinandersetzenwerden,allgemeinbenen-nenundvoneinanderabgrenzen.SiekennenbeispielsweisedenUn-terschiedzwischen„TheorienderSozialenArbeit“,„MethodenderSozialenArbeit“,sozialarbeitsrelevanten„bezugswissenschaftlichenTheorien“,„Professionstheorien“und„grundlegendenArbeitsprin-zipien“derSozialenArbeit.

• Sievermögeneinzuschätzen,inwieferndieseverschiedenen„Wis-sensbestände“fürdiePraxisderSozialenArbeitvonRelevanzsind.Ihnenistdeutlichergeworden,weshalbSieSozialeArbeitstudieren.

• SiekönnensozialarbeiterischeodersozialpädagogischeHilfepro-zesseanalytischineinzelnePhasenaufgliedernundallgemeinbe-nennen,welcheProblemstellungenundHerausforderungenindeneinzelnenPhasenzubewältigensind.

• SiebesitzeneingeschärftesSensoriumfürdenanspruchsvollenundprofessionalisierungsbedürftigenCharaktersozialarbeiterischerundsozialpädagogischerTätigkeiten;diesinsbesonderedeshalb,weilSiesichmiteinigen–dieSacheverkomplizierenden–Rahmenbedin-gungensozialarbeiterischenundsozialpädagogischenHandelnsauseinandergesetzthaben.

• SiefindensichmitdemUmstandzurecht,dasseskeine„Einheits-lehre“derSozialenArbeitgibtunddassimFachdiskurszudiversenFragenunterschiedliche,bisweilenauchgegensätzlichePositionenvertretenwerden.

• SiekenneneinigeFragen,dieimFachdiskursderSozialenArbeitge-genwärtigbesondersheissundkontroversdiskutiertwerden.(Mit

einigendieserKontroversenwerdenSiesichindenSeminarveran-

staltungendesA1unddesA2vertiefendauseinandersetzen.)

• DasOrientierungsrasterhilftIhnendabei,diedisparatenInhaltedesStudiumsaufeinanderzubeziehenundineinefürSiesinnvolleOrd-nungzubringen.

Page 3: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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Page 4: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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1.DievierPhasendesHilfeprozesses

SozialarbeiterischeundsozialpädagogischeHilfsprozesselassensichanaly-

tischinfünfPhasenaufgliedern.InderFachliteraturwerdendieeinzelnen

Phasenunterschiedlichbezeichnet.DieBlöckedesOrientierungsrastersent-

haltendeshalbvereinzeltmehrereBezeichnungenfürdas,wasinderbe-

treffendenPhasegeschieht(z.B.Situationsanalyse–Anamnese–Diagnose).

VerschiedeneAutorinnenundAutoren–z.B.Müller(2012)–verdichtendas

hierskizzierteFünf-Phasen-ModellzueinemDrei-Phasen-Modell:Diagnose–Intervention–Reflexion.IndiesenDrei-Phasen-ModellenwerdendiePha-

sen1und2sowiediePhasen4und5zujeeinerPhasezusammengezogen.

1.1ErstePhase:Situationsanalyse–Anamnese–Diagnose

WerangemesseneundzielführendeFormenderHilfeleistungerbringen

will,hatsichineinemerstenSchritteinBildvonderSituationzumachen,in

dersichdasGegenüberbefindet.

DasGegenüberresp.derKlientoderAdressatsozialarbeiterischerodersozi-

alpädagogischerHilfeleistungenkannsein:

• eineinzelnerMensch

• eineGruppe(z.B.eineSchulklasse,einePeerGroup,eineFamilie,

eineBetriebsbelegschaft,einVerein)

• eineOrganisation(z.B.eineFirma,eineInteressensorganisation,

eineSchule,einZweckverband)oderauch

Page 5: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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• einesozialräumlichverbundeneGemeinschaft(z.B.eineDorfge-

meinschaft,dieBewohnerinnenundBewohnereinesQuartiers,die

NutzerinnenundNutzereinesöffentlichenPlatzes,dieFussballfans

ineinemStadionusw.)

WennimFolgendenvonKlientinnenundKlientenderSozialenArbeitdie

Redeist,mussdamitalsonichtzwingendeineinzelnesIndividuumgemeint

sein.ObehereinzelneMenschenoderGruppierungenvonMenschenKlien-

tinnenoderKlientenderSozialenArbeitsind,hängtunteranderemvomje-

weiligenHandlungsfeldab.

• HandlungsfelderderSozialenArbeitsindbeispielsweisedieHeimer-

ziehung,dieSozialberatung,diesozialpädagogischeFamilienbeglei-

tung,dieGemeinwesenarbeit,dieoffeneKinder-undJugendarbeit,

diebetrieblicheSozialarbeit,dieaufsuchendeKinder-undJugendar-

beit,dieBehindertenarbeit,dieArbeitsintegration,diegesetzliche

Sozialhilfe,dersozialpädagogischausgerichteteMassnahmenvoll-

zugusw.

DieerstePhasedesprofessionellenHilfeprozesseswirdimFachdiskursals

diePhasederAbklärung,derDiagnose,desFallverstehens,desdiagnosti-schenFallverstehens,derSituationsanalyse,derSituationseinschätzung,derAnamneseoderderIndikationbezeichnet(vgl.etwaHeiner2015).

BevorsiezurTatschreitenundirgendwelcheklientenbezogenenHilfeleistun-generbringenkönnen,müssenProfessionellederSozialenArbeitzuerstein-malFolgendesklären:

• LiegtaufSeitendesGegenüberseinBedarfnachprofessionellerHilfeundUnterstützungüberhauptvor?ErscheinenprofessionelleHilfeleistungenüberhauptangezeigtodervermagdasGegenüber

dieHerausforderungen,vordieessichgestelltsieht,auchohnepro-

fessionelleHilfezumeistern?UnangebrachteFormeneinesprofes-

sionellenAktivwerdenskönnenvomGegenüberalsübergriffig,de-

autonomisierend,infantilisierendoderbevormundenderlebtwer-

den.ImschlimmstenFallehabensiebeimGegenübereineSchwä-

chungderautonomenLebensbewältigungskompetenzzuFolge.

DeshalbhandeltessichbeiderKlärungderFrage,obeineHilfe-

oderUnterstützungsbedürftigkeitüberhauptvorliegt,umeinenab-solutunverzichtbareninitialenAkteinerjedenprofessionellenPra-xis.

• WoringenaubestehendieHerausforderungen,beiderenBewälti-

gungesdasGegenüberprofessionellzuberaten,zubegleitenoder

zuunterstützengilt?

• WoliegendieUrsachenoderHintergründedafür,dassdasGegen-

übermomentannicht,nichtmehrodernochnichtinderLageist,dieseHerausforderungenvollendsautonom(alsoohnedieInan-

spruchnahmeprofessionellerUnterstützung)zumeisternoderzu

bewältigen?

• SinddieseUrsachenoderHintergründeeheraufderbiographisch-

entwicklungsgeschichtlichenoderaufderkollektiv-gesellschaftli-

Page 6: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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chenEbeneangesiedelt?Andersgefragt:Wergenausteckthierei-gentlichineiner„Krise“:IstesderkonkreteMensch,mitdemman

eszutunbekommt?Istesdassoziale,sozialräumliche,wirtschaftli-

cheoderkulturelleUmfelddiesesMenschen?IstesdaslokaleGe-

meinwesen?IsteswomöglichdieGesellschaftalsGanze?

• Entsprechend:Wengenaugiltesprofessionellzuunterstützen?Wer

istderKlientoderderAdressatderzuerbringendenHilfeleistung?

(IsteszumBeispieldasinderSchulklasseals„schwierig“diffa-

mierteKind,oderistesdieSchulklasse,diediesesverzweifeltdazu

veranlasst,sichmittelsAggressionGeltungzuverschaffen?)

• Mittels(a)welcherStrategien,zurückgreifendauf(b)welcheRouti-nen,unterAufbietung(c)welcherRessourcenundsichstützendauf(d)welcheKompetenzenzeigtsichdasGegenüberbemüht,die

Krise,inderessichbefindet,autonomzubewältigen?Woliegendie

AnknüpfungspunktederseitensderSozialenArbeitzuerbringendenHilfeleistungen?(Stichwort„HilfezurSelbsthilfe“)

• KönnenProfessionellederSozialenArbeitdasGegenüberbeiderBewältigungderaktuellenKriseüberhauptangemessenundhinrei-

chendkompetentunterstützen?IstdaszuBewältigendetatsächlich

einFallfürdieSozialeArbeit(vgl.Müller2012)–oderbenötigtdas

GegenüberHilfeleistungen,dievonanderenProfessionenangebo-tenwerden–z.B.vonAnwältinnenundAnwälten;Ärztinnenund

Ärzten;TherapeutinnenundTherapeuten;Heilpädagoginnenund

Heilpädagogen,LogopädinnenundLogopäden;Seelsorgerinnen

undSeelsorgernusw.?

Exkurs:AusdenfolgendenGründenhandeltessichbeiderinteraktivenEr-arbeitungvonSituationsanalysenresp.Diagnosenumeinehöchstan-spruchsvolleundunbedingternstzunehmendeTätigkeit:

• ÄhnlichwieinderMedizinkönnenauchinderSozialenArbeitFehl-

einschätzungenresp.FehldiagnosenfürdasGegenübergravierende

Folgenhaben.Hatkeinehinreichendsolide,hinreichendkompe-

tenteundhinreichendseriöseAuseinandersetzungmitderkonkret

vorliegendenSituationstattgefundenundruhendiesozialarbeiteri-

schenodersozialpädagogischen„Hilfeleistungen“entsprechendauf

falschen,irrigenodergarvorurteilsbehaftetenUnterstellungenauf,

kanndasGegenüberdurchdiesestattgestärkt,zusätzlichentmu-

tigt,demoralisiertundgeschwächtwerden(z.B.vorschnellesEin-

nehmeneinerrepressiv-konfrontativenHaltunggegenüberorientie-

rungslosenJugendlichen)

• ImExtremfallkönnendurchunangemessenesozialarbeiterische

undsozialpädagogischeInterventionenganzeLebensgeschichten

zerstörtwerden.HistorischeBeispielehierfürsind:Dieadministra-

tivrechtlichverfügteUnterbringungundVersorgungvonMenschen,

diebehördlichals„arbeitsscheu“,„liederlich“oder„asozial“diffa-

miertunddiskreditiertwurden,inHeimenundAnstaltenoderdiePraxisderKindswegnahmedurchdas„HilfswerkfürdieKinderder

Landstrasse“derProJuventute.(MitdieseneherdunklenKapiteln

inderGeschichteder„SozialenArbeit“setzenSiesichausführlichin

denGeschichtsseminarendesA1auseinander.)

• WerinderSozialenArbeitsolidebegründeteSituationseinschätzun-

genvornehmenwill,mussaufeinrelativbreitgefächertesbezugs-

wissenschaftlichesWissenzurückgreifenkönnen;beispielsweise

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aufWissenausderEntwicklungspsychologie,aufWissenausderso-

ziologischenSozialisationsforschung,aufWissenausdersoziologi-

schenUngleichheitsforschung,aufWissenausderPädagogik,auf

WissenausderKulturanthropologieusw.).DieWissensbestände,

WeisheitenundMoralismendesAlltagsdenkensreichenfüreine

hinreichendsolideBegründungvonSituationseinschätzungeninder

Regelnichtaus.(Einfachnur„dumme“,einfachnur„böse“undein-

fachnur„faule“Menschengibtesnicht.DiagnosendieserArtstel-

lenkeinegeeigneteGrundlagefürprofessionelleHilfepraktikendar.)

• InvielenHandlungsfeldernderSozialenArbeitsehensichdiePro-

fessionellenmitDiagnosenkonfrontiert,dievonVertreterinnenund

VertreternandererProfessionenerstelltwurden:mitpsychiatri-

schenGutachten,mitBefundeschulpsychologischerAbklärungen,

mitmedizinischemGutachten,mitRechtsgutachtenusw..Dieskann

ProfessionellederSozialenArbeitdazuverleiten,dieSachedesDi-

agnostizierensfürbereitserledigtzuerachten.Problematischist

diesdeshalb,weilbeispielsweiseanpsychiatrischeodertestpsycho-

logischeBefunde(z.B.medizinischeADHS-Befunde,Intelligenztests

oderÄhnliches)spezifischsozialarbeiterischeodersozialpädagogi-schenHilfeleistungennurschweranschlussfähigsind.DieSozialeArbeitbrauchteigenständigeFormenderSituationsanalyseresp.

derDiagnostik.

1.2ZweitePhase:ZielbestimmungundHilfeplanung

IndieserzweitenPhasedesHilfeprozessesistzuklären,

• (a)aufdieErreichungwelcherZieledieHilfepraxisausgerichtetwer-

densoll(Zielbestimmung),

• (b)wasesvonprofessionellerSeitekonkretzuunternehmengilt,

damitdieseZieleerreichtwerdenkönnen(Hilfeplanung).

DiePhasen(1.)derDiagnoseund(2.)derZielbestimmungundHilfeplanungkönnensichsowohlzeitlichalsauchinhaltlichüberschneiden.Dennocher-

scheintessinnvoll,diebeidenPhasenanalytischzuersteinmalauseinander

zuhalten.Zielelassensichnämlicherstdannausformulieren,wennsolide

geklärtist,obaufSeitendesGegenüberseineHilfe-oderUnterstützungsbe-

dürftigkeitüberhauptvorliegtundworindieseimEinzelnenbesteht.

ZielelassensichsowohlausderPerspektivedesKlientenoderderKlientin

alsauchausderPerspektivederhilfeleistendenProfessionellenausformu-

lieren.

• PerspektivedesKlientenoderderKlientin:WelcheZielewillich–

unterInanspruchnahmeprofessionellerHilfe–fürmicherreichen?

ZumBeispiel:MitwelchenlebenspraktischenHerausforderungen

willichkünftigbesser,souveräneroderautonomerzuRandekom-

menalsbisher?Werwillichkünftigsein,undwiewillichmichkünf-

tigampolitischen,wirtschaftlichen,gemeinschaftlichenundkultu-

rellenLebenbeteiligen?

• PerspektivedesoderderProfessionellen:AufdieErreichungwel-cherZielehinwillichdenKlientenoderdieKlientinprofessionell

Page 8: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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begleiten,fördernoderunterstützen?Waskannodermussichtun,

damitderKlientoderdieKlientindieseZielebestmöglicherreichen

kann?WelcheinnerenoderäusserenErschwernisseverkomplizie-

rendieZielerreichung?Welchebisdatoallenfallsnochwenigbe-

achtetenRessourcenaufSeitendesGegenüberskönntendieZieler-

reichungerleichtern?

InKontexten,indenenKlientinnenundKlienteneineprofessionelleHilfe-

leistungauseigenenAntriebundfreiwilliginAnspruchnehmen,stelltesin

derRegelkeinProblemdar,zukonsensualenBestimmungenüberdasZielderzuerbringendenHilfeleistungzugelangen.

SchwierigkeitenbeidergemeinsamenundkonsensualenErarbeitungund

AusformulierungvonZielenkönnenunterdenfolgendenBedingungenauf-

treten:

• ZwangsweiseverordneteHilfen(ZwangskontexteSozialerArbeit):UnterUmständeistesfürdenKlientenoderdieKlientinnichtnach-

vollziehbar,weshalbfürsieoderihnzwangsweiseeinHilfesettingeingerichtetwurde(z.B.Heimplatzierung,Zwangsberatung,verord-

neteArbeitsintegrationsmassnahme,verordnetesozialpädagogi-

scheFamilienbegleitung,verordnetesonderpädagogischeFörde-

rung).ErodersierahmtundinterpretiertdaseingerichteteMass-

nahmensettingzuersteinmalnichtalseinHilfesetting,sondernalseinZwangssetting.DieProfessionellensteheninihremTunnun-

mehrinderPflicht,demKlientenoderderKlientinglaubwürdigund

authentischzuvermitteln,dassdasMassnahmensettingnichtge-gen,sondernfürsieoderihneingerichtetwurde.Gelingtihnen

dies,stehteinerkonsensualenAusformulierungvonZielenim

GrundenichtsmehrimWege.

• DurchzuweisendeBehördenvorgegebeneZiele,diedurchdiePro-fessionellenals„Weisungen“fehlinterpretiertwerden:BehördlicheVerfügungengebenunterUmständenbereitsvor,welcheZieleim

RahmendesMassnahmensettingszuerreichensind.Diesesindge-

legentlicheherunglücklich,weilzutechnokratischoderschlichtun-

professionellausformuliert(Bsp.„Tagesstruktur“,„Beschäftigung“,

„Verhaltensänderung“).DamiteintragfähigesArbeitsbündnisent-

stehenkann,bedürfensolcherarttechnokratischeZielbestimmun-

geneinerReformulierunginderdirektenInteraktion.

• DieMachtderTraditioninnerhalbderjeweiligenEinrichtungInEin-richtungenderSozialenArbeit,dieauseinerrepressivenAnstalts-,

Normalisierungs-undDisziplinierungstraditionhervorgegangen

sind,kannweiterhinderalteAnstaltsgeistseinUnwesentreiben.

DieseMachtderTraditionkannzurFolgehaben,dasseinekon-

sensualeundklientenzentrierteAusformulierungvonZielengar

nichterstangestrebtwird.Esgehtdannbeispielsweiseschlichtwei-

terhinum„Nacherziehung“.

• SchematischesVorurteil,dassdie„Interessen“derKlientinnenundKlientenzuden„InteressenderGesellschaft“ineinemunüberwind-

barenSpannungsverhältnisstehen.DiesesVorurteilkanndiePro-

fessionellendazuverleiten,gegenüberderKlientinoderdemKlien-

tenvonAnfanganeinekonfrontative(oderimExtremfallgareine

diffamierende)Haltungeinzunehmen.DieseHaltungverunmöglicht

diegemeinsameErarbeitungvonZielensowieeineklienten-

zentrierteAusformulierungvonZielenmassiv.

Page 9: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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AusgehendvonderdiagnostischenKlärungderimkonkretenFallvorliegen-

denHilfe-oderUnterstützungsbedürftigkeitsowieausgehendvoneiner

möglichstkonsensualenAusformulierungvonZielenlässtsichineinemFol-

geschrittnunmehreinPlanüberdiekonkretzuerbringendenHilfeleistun-genentwickeln.

DieserHilfeplankann–beispielsweiseinderFormvonMeilensteinen–be-

reitsAngabenzurzeitlichenEtappierungderHilfeleistungenthalten.Inder

FachliteraturfindensichverschiedeneVorschläge,wiebeiderHilfeplanung

zuverfahrenist(etwavonSpiegel2013).ZentralfüreinGelingenjederhel-fendenPraxiserscheint,dassderenPlanungnichtüberdieKöpfederAdres-

satinnenundAdressantenhinwegerfolgt.Eskönnendieverschiedensten

AkteureanderHilfeplanungbeteiligtsein:dieAdressatinnenundAdressan-

ten,dieprofessionellenPraktikerinnenundPraktiker,diezuweisenden

und/oderfinanzierendenBehörden;allenfallsauchweitereAkteureetwa

ausdempersönlichenUmfeldderAdressatinnenundAdressaten.

ImRahmenderHilfeplanungsindFragenderfolgendenArtzuklären:

• WelcherArtsollendieHilfeleistungensein?–z.B.Artikulationshil-fen?AnimatorischeHilfen?Coaching?DirektiverzieherischeHilfen?

HilfenbeiderAlltagsbewältigung?HilfenbeiderInitiierungeiner

gelingendenVergemeinschaftung?HilfenbeiderBewältigungvon

Konflikten?Krisenintervention?BeraterischeHilfenimSinnederIn-

formationsvermittlung?BeraterischeHilfenmittherapeutischen

Anteilen(„Sozialberatung“)?MediatorischeHilfen?Hilfenbeider

GeltendmachungvonRechtenundAnsprüchengegenüberdenSys-

temenderSozialenSicherung?HilfenbeiderErfüllungvonBürger-

pflichten(z.B.von„Mitwirkungspflichten“imSozialversicherungs-

kontext)?HilfenimBereichderschulischenoderderberuflichen

QualifizierungoderRequalifizierung?PädagogischeHilfen?usw.

• WiesolldasSettingderHilfeleistungaussehen?-z.B.stationäresSetting?Beratungssetting?AufsuchendesSetting?SchulischesSet-

ting?„HilfevorOrt“-Setting?BereitstellungvonVergemeinschaf-

tungslokalitätenund-anlässen?usw.

• WelcheFormsollendieHilfeleistungenbesitzen,resp.nachwel-chenMethodensollgearbeitetwerden?–z.B.Beratungsgespräche?IndividuellesCoaching?GemeinsameGestaltungvonAlltagsaktivi-

täten?Gruppenarbeit?Informationsvermittlung?Ausseralltägliche

pädagogischeoderagogischeInteraktion(beispielsweiseinschuli-

schenoderarbeitsweltlichenKontexten)?usw.

• WelchenCharaktersollendieHilfeleistungdominantbesitzen?ei-nendisziplinierend-erzieherischenCharakter?einenpädagogisch-

unterstützendenCharakter?einenVergemeinschaftungsdynamiken

ermöglichendenoderförderndenCharakter?einen„Strukturen“

setzendenCharakter?einenqualifizierendenCharakter?einensoli-

darisierend-anwaltschaftlichenCharakter?einenüberwachenden

undkontrollierendenCharakter?einenRatschlägeerteilendenCha-

rakter?usw.

• InwelcherPhasengliederungsolldieHilfeleistungerfolgen?Er-scheintesbeispielsweisesinnvoll,Meilensteinezusetzen(z.B.re-

gelmässigeStandortbestimmungenoderVerlaufskontrollen);solles

intensivereundwenigerintensivePhasenderBegleitungoderUn-

Page 10: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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terstützunggeben?SollsichdieHilfeleistungansogenannten„Stu-

fen“-Modellenorientieren?SollendieHilfeleistungenfixterminiert

seinodersollensieeinemzeitlichoffenenHorizontbesitzen?

• AufwelcheTeilaspektederLebenspraxisdesGegenüberssollsichdieHilfeleistungbeziehen?–aufseinestaatsbürgerlicheExistenz?AufseinewirtschaftsbürgerlicheExistenz?Aufseinelebensweltli-

cheExistenz?Andersformuliert:SollenbeiihmKompetenzender

autonomen„Lebensbewältigung“gefordertwerden,diesichbei-

spielsweiseaufHerausforderungeninderSchule,aufHerausforde-

rungeninderArbeitswelt,aufHerausforderungeninderKonsum-

welt,aufHerausforderungenimÄmterverkehr,aufHerausforderun-

genbeiderGestaltungdesFamilienlebens,aufHerausforderungen

beiderGestaltungvonFreundschaften,aufHerausforderungenbei

der„Sorgeumsich“,aufHerausforderungenbeiderNutzungmedi-

alerAngebotebeziehen?Istesüberhauptsinnvoll,dieHilfeleistung

aufbestimmte„Themen“einzugrenzen,odersollsiesichaufdiege-

samteLebenspraxisoderaufdengesamtenEntwicklungsprozess

desGegenübersbeziehen?

• Wiesolldas„Hilfesystem“organisiertsein?Wersollwofürzustän-

digsein?WiegrosssollendiejeindividuellenGestaltungspielräume

dereinzelnenProfessionellensein?BeiwemfliessendieInformatio-

nenzusammen?WiesollderfachlicheAustauschzwischendenPro-

fessionellenorganisiertsein?NachwelcherLogiksollenEntschei-

dungengefälltwerden:machtlogischoderdiskursivnachderLogikdeszwanglosenZwangsdesbesserenArguments?

• WelcheKontrollensollenindenHilfeprozess–d.h.indasHandeln

derProfessionellen!–eingebautsein?AnwensollsichderKlient

oderdieKlientinwendenkönnen,wennesseitensderProfessionel-

lenzuEntgleisungenoder„Kunstfehlern“kommt?

1.3DrittePhase:Hilfeleistung–„Intervention“

InderdrittenPhasedesHilfeprozesseswerdendiegeplantenHilfsmassnah-

menkonkretumgesetzt.ImRahmendes„Arbeitsbündnisses“(vgl.etwa

Oevermann2013oderBecker-Lenz/Müller-Hermann2013)gelangenspezi-

fischsozialarbeiterischeodersozialpädagogischeHandlungsmethodenund

HilfetechnikenzumEinsatz.

DerBegriffder„Intervention“,mitdemdiesePhasedesHilfeprozessesin

derFachliteraturhäufigbezeichnetwird,istmöglicherweiseetwasmissver-

ständlich.Gemeintistdamitnicht,dassesinderSozialenArbeitdarum

geht,irgendetwaszuunterbindenoderauseinerobrigkeitlichenHaltung

herauseinerunerwünschtenEntwicklungautoritärEinhaltzugebieten.Ge-

meintisteherein„Dazwischentreten“indemfolgendenSinne(vgl.Müller

2012,68ff.):MitihrenHilfeleistungentretenProfessionellegleichsamzwi-

schendenKlienten/dieKlientinunddasProblem,daser/sieauseigener

Kraftnochnichtodervorübergehendnichtmehrzubewältigenvermag.

IdealerweiseverfügenProfessionelleüberdieKompetenz,denEinsatzme-

thodischerInstrumenteoptimalaufdenjeindividuellenEinzelfallabzustim-

men.DasBestreben,Hilfeleistungenmethodengeleitetzuerbringen,mün-

detalsokeineswegszwingendineinetechnokratischeNormierungund

StandardisierungsozialarbeiterischenundsozialpädagogischenHandelns.

Page 11: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

11

1.4ViertePhase:ReflexionundModifikation

SpätestensimNachhineinmüssenProfessionelle–auchProfessionelleder

SozialenArbeit–explizitbegründenkönnen,weshalbsieinderzurDiskus-

sionstehendenHandlungssituationsoundnichtandersgehandelthaben;d.h.aufwelcheÜberlegungenoderaufwelcheIntuitionsiesichinihremHan-

delnstützten.Diesgiltnichtnurdann,wennimHilfeprozessetwasschief

gelaufenist.EinernachträglichenReflexionsindsinnvollerweiseauchge-

glückte„Interventionen“zuunterstellen.Lernenkannmannichtnuraus

Fehlern,sondernauchausErfolgen.

WorauserwächstfürProfessionelledieVerpflichtung,daseigeneHandelnwiederkehrendeinerkritischenÜberprüfungundReflexionzuunterziehen?

• VerpflichtunggegenüberdemKlienten/derKlientin:HilfepraktikensindinfreiheitlichverfasstenGesellschaftenprinzipiellgrundrechts-konformauszugestalten.Diesschliesstmitein,dassjedeprofessio-nellePraxiswiederkehrenddaraufhinzuüberprüfenist,obmirihr

IntegritätsverletzungenoderDeautonomisierungsdynamikenver-

bundenseinkönnten.

• VerpflichtunggegenüberdemeigenenProfessionsethos:Professio-nellemiteinemsolidehabitualisiertenProfessionsethosachtenwie

selbstverständlichdarauf,dassihnenkeinedieAutonomieentwick-

lungoderdieIntegritätdesGegenübersgefährdenden„Kunstfeh-

ler“unterlaufen.IhrerSachesicherseinkönnensiefreilichnur,

wennsieeinenreflexivenZugangzumeigenenHandelnbesitzen

undwennsiedas,wassietun,auchbegrifflichbenennenkönnen.

• VerpflichtunggegenüberderProfession:SowohlpositivealsauchnegativeErfahrungswerte(WelcheHilfepraktikensindzielführend,

welchenicht?WelchePotentialeundwelcheGefahrensindmitein-

zelnenPraktikenverbunden?)sindeinewichtigeVoraussetzungfür

dieständigeWeiterentwicklungdesprofessionellenStateoftheArt(=KunstregelnderProfession).DamitdieProfessionalsGanzevon

diesenErfahrungswertenprofitierenkann,müssensiezuersteinmal

ineinediskutierbare–d.h.ineinebegrifflichexplizite–Formge-

brachtwerden.

• VerpflichtunggegenüberdenFinanziererndererbrachtenHilfeleis-tungen:Werzahlt(seiendiesdieKlientinnenundKlientenselbst;

seiendiesdieBeitragszahlendeneinerSozialversicherung;seien

diesGönnerinnenoderGönner;seiendiesSteuerzahlerinnenund

Steuerzahler),hateinenlegitimenAnspruchdarauf,explizitzuer-

fahren,wasmitseinemGeldgeschiehtresp.weshalbProfessionelle

ihreHilfepraktikensoundnichtandersausgestalten.

1.5WissenschaftlicheEvaluationundwissenschaftlicheFor-schung

VonderPhasederprofessionellenSelbstreflexion,derenErkenntnisseeine

ModifikationderHilfepraxiszurFolgehabenkönnen,istdiePhasederwis-senschaftlichenEvaluationstrikteabgrenzen:

• EssindnormalerweisenichtdiePraktikerinnenundPraktikerder

SozialenArbeitselbst,diewissenschaftlicheEvaluationendurchfüh-

ren,sondernExpertinnenundExpertendesWissenschaftsbetriebs;

Page 12: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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etwadieForschungsabteilungenderFachhochschulen,Universitäts-

instituteoderprivatwirtschaftlichorganisierteForschungsbüros.

AlsAuftraggebervonEvaluationenfungierenmeistensdieFinanziererderzuevaluierendenPraxis.SieerhoffensichAntwortenaufdiefolgendenFragen:

• Wirksamkeit:WerdenmitderuntersuchtenPraxisdieseitensdes

GesetzgebersoderseitensderFinanzierergesetztenZieletatsäch-

licherreicht?

• Effizienz:WerdendieseZieleeffizient–alsomittelseinesmöglichst

geringenKostenaufwands–erreicht?

• Nutzen:SteheninderuntersuchtenPraxisAufwandundErtraginei-nemangemessenenVerhältniszueinander?Brauchtessieüber-

haupt?

• Wirkungen:Welche–auchlängerfristigen–WirkungenundEffekte

gehenvonderuntersuchtenPraxisaus?SinddiesdiejenigenWir-

kungenundEffekte,diemansichvonderLancierungoderInstituti-

onalisierungderuntersuchtenPraxiserhoffte–oderwomöglich

ganzandere?

• Nebenwirkungen:Welchediesernicht-intendiertenNebeneffekte

sindalspositiv,welchealsnegativeinzustufen?

• SubjektiveZufriedenheiten:WiezufriedensinddieinvolviertenAk-

teure–dieKlientinnenundKlienten,diezuweisendenund/oderfi-

nanzierendenStellen,dieProfessionellenselbst–mitderunter-

suchtenPraxis?

• Alternativen:SindzuderaktuellinstitutionalisiertenPraxiseffekti-vere,effizientere,zielführendereoderkostengünstigereAlternati-

vendenkmöglich?

NichtallewissenschaftlichenForschungsarbeiten,diesichmitderPraxis

vonProfessionellenderSozialenArbeitauseinandersetzen,besitzenden

CharaktervonEvaluationen–alsovonWirkungs-undWirksamkeitsanaly-

sen.BeiEvaluationenhandeltessichumeinenUntertypuswissenschaftli-cherForschung.

WissenschaftlichenForschungsarbeitenkönnenauchandereFragestellun-genzugrundeliegen:

• WastunProfessionellederSozialenArbeiteigentlich?

• InwelcherWeisebeeinflussenrechtlicheRahmenbedingungenoder

organisationaleEinbettungenderenHandeln?

• AufwelcheweltanschaulichenodertheorieparadigmatischenPrä-

missen(Grundannahmen)–beispielsweiseaufwelchesGesell-

schaftsbild–stützensichProfessionellederSozialenArbeit(be-

wusstoderunbewusst)inihremHandeln?

• WelcherArtundwelcherProvenienzistdasWissen,aufdassiein

ihremHandelnzurückgreifen?Wiebeispielsweisefliesstdaswäh-

renddesStudiumsangeeigneteWissenindiespätereprofessionelle

Praxisein?

• WieentstehenüberhauptdieProbleme,mitdenensicheinerseits

KlientinnenundKlientenundandererseitsProfessionellederSozia-

lenArbeitherumschlagen?ZumBeispiel:Woliegendiegesellschaft-

Page 13: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

13

lichenHintergründeundUrsachenvonArmut?WelcheArmutsrisi-

kengibtes?WieentstehenKonflikteinGruppen?WelcheFaktoren

(beispielsweiseaufderEbenederGestaltungdesSozialraums)ha-

beneinenpositivenodereinennegativenEinflussaufdiegelin-

gendeVergemeinschaftungineinemStadtquartier?Wassinddie–

insbesonderesozialen–UrsachenoderHintergründevonGewalt-

bereitschaftundAggressivität?WiekommtesinGesellschaftenzu

fundamentalistischenRadikalisierungen?

ProfessionellePraktikerinnenundPraktikerderSozialenArbeitsindnurin

denseltenstenFällengleichzeitigalswissenschaftlichForschendetätig.Um

dieErkenntnissewissenschaftlicherForschungfürdieprofessionellePraxis

nutzbarmachenzukönnen,müssenPraktikerinnenundPraktikerindeseine

Ahnungdavonhaben,wiewissenschaftlicheForschungfunktioniertundwie

derenErkenntnissezulesenundzuinterpretierensind.

2.PhasenspezifischeMethodenderSozialenArbeit

Page 14: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

14

Wennvon„MethodenderSozialenArbeit“dieRedeist,istzuersteinmalzubestimmen,aufwelchePhaseimHilfeprozesssichdiejeweilige„Methode“bezieht:

• HabeichesmitderDiagnosemethoderesp.miteinerMethodeder

Situationsanalysezutun?

• HabeichesmiteinerMethodederHilfeplanungzutun?

• HabeichesmiteinerInterventionsmethodezutun?

• HabeichesmiteinerReflexionsmethode(resp.miteinemReflexi-

onssetting)zutun?

• HabeichesmiteinerwissenschaftlichenForschungsmethodezutun?

DiesefünfGruppenvonMethodensindstriktevoneinanderabzugrenzen,

obwohlesvereinzeltauchÜberschneidungengebenkann.Esgibtbeispiels-

weisewissenschaftlicheForschungsmethoden,diesich–inadaptierter

Form–auchfürdiagnostischeZweckenutzenlassen.

• BeiMethodenhandeltessichumsystematischbegründeteundsys-

tematischausformulierteVorschläge,wieundinwelchenVerfah-

rensschrittenbeiderBewältigungeinerProblemstellungvorzuge-

henist.

AbstrakteBeispiele:

• Diagnosemethoden:WasmussichimEinzelnentun,umzuerken-

nen,worindasProblem,daseszubewältigengilt,eigentlichbe-

steht?

• Hilfeplanungsmethoden:InwelchenVerfahrensschrittengelangeichzueinemstimmigenundumsetzungsfähigenHilfeplan?WelcheIn-

formationenmussdieserHilfeplanidealerweiseenthalten?

• Interventionsmethoden:WiestrukturiereichsinnvollerweiseeinBe-

ratungsgespräch?WiegestalteichsinnvollerweiseeineKriseninter-

vention?

DieMethodendiskussioninderSozialenArbeitgestaltetsichaktuellextrem

unübersichtlich;diesauchdeshalb,weilinpraxisnahenFachdiskursenper-

manentneueMethodenvorschlägeinUmlaufgebrachtwerden.Nichtselten

sinddieseneuenMethodenvorschlägevoneherzweifelhafterQualität.

Exkurs:Woranlässtsicherkennen,obeine„Methode“(resp.einneuinUm-

laufgebrachterVerfahrensvorschlag)hinreichendseriösist?

• Esisterkennbar,aufwelchebezugswissenschaftlichenTheorienund

aufwelcheAnnahmen(beispielweiseübermenschlicheEntwick-

lungsverläufeoderübergelingendeFormenvonVergemeinschaf-

tung)sichdievorgeschlageneMethodestützt.

• DasReferenzwissen,aufdassichderMethodenvorschlagstützt,be-

sitzteinenrationalenKernundistwissenschaftlichüberprüfbar.Auf

esoterisch(z.B.astrologisch)oderpseudowissenschaftlichbegrün-

dete(Beispiel„neurolinguistischesProgrammieren“)Methodenvor-

schlägelässtmansichbessergarnichterstein.

• DieeinzelnenVerfahrensschrittewerdensystematischausformu-

liertundargumentativstringentbegründet.Eswirdalsonichtnurnormativgefordert,dassineinerbestimmtenWeisezuverfahren

sei.(WeisungskatalogeundQS-Verfahrens-Diagrammeerfüllendie-

sesKriteriumoftmalsnicht.)

Page 15: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

15

• BeiderPlausibilisierungderMethodewirdaufempirischeErfah-

rungswerteoderaufwissenschaftlicheEvaluationenverwiesen.

• DieVorgehensvorschlägeweiseneinenStandardarisierungs-und

Normierungsgradauf,derAnpassungenankonkreteHandlungssitu-

ationennichtvonAnfanganverunmöglicht.(DerVerfahrensvor-

schlag„EröffnenSiejedesBeratungsgesprächmitderFrage„Wie

gehtesIhnendennheute?“istzumBeispielunsinnig.)

• DerMethodenvorschlagberücksichtigt,dassnichtalleIndividuen

oderGruppenaufdiegleichenImpulsegenaugleichreagieren.Bei

allenSystematisierungsbestrebungenwirdimMethodenvorschlag

mitbedacht,dassesindersozialenWeltzwarWahrscheinlichkei-

ten,nichtaberGesetzmässigkeitenineinemnaturwissenschaftli-

chenSinnegibt.(Stichwort:TechnologiedefizitderSozialenArbeit.)

BestenfallsweisenMethodeneinenNormierungs-undStandardisierungs-

gradauf,dereineflexibleAnpassungandiekonkreteHandlungssituation

oderdenkonkretenFallzwarweitestmöglichzulässt,denProfessionellen

abergleichwohleinehinreichendeSicherheitinihremHandelnverleiht.

3.WissensfundamentemethodischenHandelns(Referenzwissen)

Page 16: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

16

ImOrientierungsrasterwerden–aufeinersehrallgemeinenEbene-die

Wissensbeständebenannt,vondenenProfessionelleindeneinzelnenPha-

sendesHilfeprozesseszehren.

3.1BezugswissenschaftlichesWissen

BeibezugswissenschaftlichemWissenhandeltessichumWissen,dasnicht

vonForschendenderSozialenArbeitselbst,sondernvonForschendender

sogenanntenBezugswissenschaftenerzeugtwurde.

WichtigeBezugswissenschaftenderSozialenArbeitsind:

• Soziologie

• Psychologie

• Pädagogik

• Ethnologie;Sozial-undKulturanthropologie

• Philosophie;PhilosophischeEthik

• Geschichtswissenschaft

• Rechtswissenschaft

• Politikwissenschaft

VonimmenserRelevanzfürdiesozialarbeiterischeundsozialpädagogische

PraxisistbezugswissenschaftlichesWisseninsbesondere(abernichtaus-

schliesslich!)inderDiagnosephasedesHilfeprozesses,

Beispiele:

• UmzuprofundenAussagenüberallfälligeEntwicklungsbeeinträchti-gungenbeieinemKindodereinemJugendlichenzugelangen,be-

nötigtmanWissenbeispielsweiseausdersoziologischenSozialisati-

onsforschungoderausderEntwicklungspsychologie.

• WersichbeiderEinschätzungeinerallfälligen„Gefährdung“nicht

vonalltagsmoralischenImpulsenleitenlassenwill,benötigtWissen

beispielsweiseausdersoziologischenMilieuforschung,ausderFa-

miliensoziologie,ausdersystemischenPsychologieoderausder

Psychoanalyse.

• Werverstehenwill,inwelcherWeisediesozialeHerkunftdieBil-

dungs-undEntwicklungschanceneinesIndividuumsbeeinflusst,

undwasgenauProfessionelle(beispielsweisederSchulsozialarbeit

oderdersozialpädagogischenFamilienbegleitung)zurMinderung

ungleicherChancenstrukturenbeitragenkönnen,kommtnichtda-

rumherum,sichmitBefundendersoziologischenUngleichheitsfor-

schungauseinanderzusetzen.

• Werverstehenwill,weshalbjemandausderArbeitsweltherausge-

fallenistoderdieprekäreExistenzeinesWorkingPoorführt,tutgut

daran,sichmitsoziologischenBefundenzudenHintergründenvon

ArmutundprekärerBeschäftigungauseinanderzusetzen.Werdies

nichttut,neigtwomöglichzu–naiven,zynischenunddiskreditie-

renden–psychologistischenVerantwortungszuschreibungen,wie

siemittlerweileauchinpolitischenDebattengangundgäbesind.

• WerimprofessionellenAlltagmiteinerVielzahlsozialerProbleme

konfrontiertist–Armut,Prekarität,Ausgrenzung,Diskriminierung,

Page 17: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

17

Fremdenfeindlichkeit,fundamentalistischeRadikalisierungen,Des-

integration–istschlichtdazuverpflichtet,sichauchmitkomplexe-

renErklärungsansätzenfüralldiesePhänomeneauseinanderge-

setztzuhaben.

3.2TheorienundAnsätzeSozialerArbeit

TheorienderSozialenArbeitlieferndasallgemeineBegründungsfundament

fürbestimmteMethodenderprofessionellenHilfeleistung.

Sieliefern–zuersteinmal–sehrallgemeineAntwortenaufdieFrage,

• wasSozialeArbeitüberhauptist(„Identität“und„Zuständigkeitsdo-

mäne“derSozialenArbeit),

• welcheCharakteristikensozialarbeiterischeundsozialpädagogische

Tätigkeitenaufweisen(z.B.„Technologiedefizit“,„Nicht-Standardi-

sierbarkeit“,„Professionalisierungsbedürftigkeit“,„Gemeinwohlori-

entierung“usw.),

• undworumesinderSozialenArbeitletztlichgeht(z.B.„Unterstüt-

zungvonAutonomisierungsdynamiken“,„gelingenderAlltag“usw.)

TheorienderSozialenArbeitwerdenbisweilenauchalsAnsätzederSozialenArbeitbezeichnet.MitdemBegriffdesAnsatzeswirdzumAusdruckge-

bracht,dassmitTheorienderSozialenArbeitinderRegelauchbestimmte

EmpfehlungenfürdiekonkreteprofessionellePraxisverbundensindresp.

bestimmtemethodischeHandlungsempfehlungen.

DiefolgendenTheorienoderAnsätzederSozialenArbeitwerdenimdeutschsprachigenRaumbesondersprominentdiskutiert:

• DerAnsatzderLebensweltorientierung(vgl.Thierschetal.2013)

• DerAnsatzderSozialraumorientierung

• DersystemischeAnsatz(vgl.Staub-Bernasconi2007)

• DerAnsatzderKritischenSozialeArbeit(vgl.Kunstreich2012)

• DasLebensbewältigungsparadigma(Böhnisch/Schröer2013)

DerBegriffdes„Ansatzes“wirdimFachdiskursallerdingsnichteinheitlich

verwendet.Wennvoneinem„Ansatz“dieRedeist,mussdamitnichtunbe-

dingteinebestimmtesozialarbeitswissenschaftlicheTheoriebildungstradi-

tiongemeintsein.GelegentlichistdamitschlichteinebestimmteHand-

lungsmethodeoderaucheinebestimmteGrundhaltunginderArbeitmit

denKlientinnenundKlientengemeint.DieRedeistdannbeispielsweise

• vom„lösungsorientiertenAnsatz“

• vom„erlebnispädagogischenAnsatz“

• vomAnsatzder„konfrontativenPädagogik“

• odervomAnsatzder„akzeptierendenJugendarbeit“.

3.3Professionalitätstheorien

TheorienderSozialenArbeitkönnensichauchmitderFragebefassen,wel-

cheKriterienerfülltseinmüssen,damiteinePraxisals„professionell“gelten

kann.

Page 18: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

18

InaktuellenFachdebattenwirddieseFrageallerdingsinersterLinieunter

BezugnahmeaufBefundederProfessionssoziologieundnichtunterBezug-

nahmeaufspezifischsozialarbeitswissenschaftlichentwickelteTheoriendis-kutiert.

DieLeitfragenindiesenDebattelauten(vgl.etwaOevermann2000und

2002):

• IstdieSozialeArbeiteineProfession–vergleichbaretwasdenklas-

sischenProfessionenindenFeldernderMedizinunddesRechts?

• HandeltessichbeidenTätigkeiten,dievonFachpersonenderSozia-

lenArbeitverrichtetwerden,um„professionalisierungsbedürftige“

Tätigkeiten?

• Fallsja:SiedieseTätigkeitenunterdenaktuellenrechtlichenundor-

ganisationalenRahmenbedingungentatsächlichauch„professiona-

lisierungsfähig“?

MitdenverschiedenenAnsätzenderProfessionssoziologebefasstsichdie

Vorlesung„Professionalisierung–Professionalität–SozialeArbeitalsPro-

fession“(Schallberger2015).UnterschiedenwirddortzwischendreiAnsät-

zenderProfessionssoziologie(vgl.auchSchmeiser2006)

• Merkmalsgruppenansatz

• Macht-undinszenierungstheoretischerAnsatz

• Interaktionistisch-strukturanalytischerAnsatz

Kriterieneiner„professionellen“respektive„guten“PraxisderSozialenAr-

beitlassensichnichtnurprofessionssoziologischherleitenundbegründen:

AlternativeHerleitungs-undBegründungsquellenkönnensein:

• philosophischeEthikdiskurse

• religiöseundtheologischeEthikdiskurse

• Grundrechts-undMenschenrechtsdiskurse

• betriebswirtschaftlicheManagementlehren

Beim„BerufskodexSozialeArbeitSchweiz“desBerufverbandsAvenirSocialhandeltessichingewisserWeiseumein„Flickwerk“:Eswerdenhiervon

denunterschiedlichstenHerleitungs-undBegründungsquellenherFestle-

gungenübereine„gute“sozialarbeiterischeundsozialpädagogischePraxis

vorgenommen.DominantistimBerufskodexallerdingsdieBegründung

überdiekodifiziertenGrund-undMenschenrechte.

3.4IndividuellangeeignetesundhabitualisiertesWissen

Abhängigvonihrenjeindividuellenprimärsozialisatorischenundbiographi-

schenErfahrungshintergründenbringenStudierendederSozialenArbeit

(mindestens!)FolgendesinsStudiummitein:

• EinbestimmtesGesellschaftsbild:(Ideal-)Vorstellungenübereinge-lingendesZusammenlebeninderGesellschaftsowieüberderen

Funktionsweise

• EinbestimmtesMenschenbild:(Ideal-)Vorstellungenübereinege-lingendeundgelungeneIndividuation(einschliesslichdieentspre-

chendenBildungs-undErziehungsideale)

• Normalität-undWertvorstellungen:Moralischoderalltagstheore-

tischunterlegteVorstellungendarüber,wasnormalundwasnicht

Page 19: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

19

normalist(Normalitätsvorstellungen)respektivewasrichtigund

wasfalschist(Wertvorstellungen)

• Einen„Primärhabitus“:EinenbestimmtenStil,„Dinge“undGe-

schehnissewahrzunehmen,zubetrachten,zuinterpretieren,den-

kendeinzuordnenundsichdiesen„Dingen“gegenüberzuverhal-

ten.

Studierenkannsodannbedeuten:

• Vorwissen,Vorverständnisse,bisherigeDeutungs-undHandlungs-

routinenmitoffenemAusgangkritischzuhinterfragenundnötigen-

fallszumodifizieren

• SichneueundalternativeSichtweisenaufDingezuerschliessenund

sichhierbeiinsbesondereinteressiertmitwissenschaftlichenFor-

schungsbefundenzudiesen„Dingen“auseinanderzusetzen.

• SichmitdemGedankenanzufreunden,dassetliche„Dinge“viel

kompliziertersind,alsmansiesichbisdahinvorgestellthat.

• SichinteressiertaufdieAuseinandersetzungauchmitFrageneinzu-

lassen,dieeinemzuersteinmalgänzlichsinnlosundunnützerschei-

nen.

• Aufbauendaufdem„Primärhabitus“einen„Sekundärhabitus“resp.

„Professionshabitus“herauszubilden,dereinenbefähigt,aufdie

HerausforderungenderprofessionellenPraxisinangemessener

Weisezureagieren.

• EinensolidebegründeteneigenenundzugleichimFachdiskursver-ankertenStandpunktinderFragezuentwickeln,worumesinder

SozialenArbeitgeht,welcheHandlungsansätzeundMethodensinn-

vollundzielführendsindundwelche„Haltung“improfessionellen

AlltagidealerweisedenKlientinnenundKlientengegenübereinzu-

nehmenist.

4.IntervenierendeBedingungendesHandelns

Page 20: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

20

4.1DieBesonderheitdesjeindividuellenFalles

JedeProblemstellungoderjedeKrise,beiderenBewältigungProfessionelle

derSozialenArbeitunterstützendaktivwerden,besitztihrejeeigenenHin-

tergründeundihrejeeigeneGeschichte.

EntsprechendgehtesbeiderSituationsanalysenichtdarum,denkonkreten

Fallmöglichstzügiguntereineallgemeine„wissenschaftliche“Kategoriezu

subsumieren.DerRekursaufbezugswissenschaftlichesWissensollvielmehr

dabeihelfen,sicheinmöglichstdifferenziertesundfallbezogenstimmigesBildvonderSituationzumachen.

AnalogdazuistderEinsatzallgemeinbeschriebener„Methoden“derSozia-

lenArbeitnurdannhilfreich,wenndieseraufdieBesonderheitdesEinzel-

fallsabgestimmtwird.Ein„technokratischer“Methodeneinsatzsturnach

Vorgabeoder„Rezeptbuch“kanndemgegenübereineKriseodereinProb-

lemweiterverstärken.

4.2HistorischpersistenteLeitparadigmendesHandelns

„LeitparadigmendesHandelns“gebeneineAntwortaufdieFrage,worum

esindersozialarbeiterischenPraxisletztlichgeht.DeraktuelleFachdiskurs

hältaufdieseFrageunteranderemdiefolgendenzweiAntwortenbereit:

• EsgehtumUnterstützungsleistungenbeiderErlangungoderWie-

dererlangunglebenspraktischerAutonomie(„Autonomisierungspa-

radigma“)(vgl.etwaOevermann2013)

• EsgehtumUnterstützungsleistungenbeiderEtablierungeinesge-

lingendenAlltags(„Alltagsbewältigungsparadigma“)(vgl.etwa

Thierschetal.2012)

LängstnichtalleEinrichtungenderSozialenArbeitrichtenihrHandelnan

solcherart„klientenzentrierten“und„humanistischen“Leitparadigmenaus.

AuchheutenochfindensichineinzelnenEinrichtungenundbeieinzelnen

ProfessionellenLeitorientierungendesHandelns,dieaufhistorischältere

Traditionendes„Fürsorgerismus“,der„Sozialdisziplinierung“undder„Nor-

malisierung“verweisen(hierzuausführlichSchallberger/Wyer2010und

Schallberger/Schwendener2017)

Beispielefürsolche–historischpersistente–Leitparadigmensind

• RettungvorsittlicherVerwahrlosung

• DisziplinierungundUmerziehung

• BändigungauffälligenundabweichendenVerhaltens

• VerhaltenskorrekturmittelsautoritärerKonfrontation

• VersorgungzwecksNormalisierung

• VerwahrungzwecksUnschädlichmachungusw.

LeitparadigmendieserArtsindmiteinem„humanistischen“VerständnisSo-

zialerArbeitnurschwervereinbar.Eserscheintdeshalbwichtig,dasssich

künftigeProfessionellederSozialenArbeitimLaufedesStudiumsauchmit

der–invielenBelangenunrühmlichen–GeschichteihrerProfessionausei-nandersetzen.

Page 21: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

21

4.3GesetzlicherAuftragundorganisationaleEinbettung

EsgibtHandlungsfelderderSozialenArbeit,indenendieProfessionellen–

inAusübungeinerbehördlich-herrschaftlichenFunktion–miteinemsoge-

nannten„Doppelmandat“derHilfeundderKontrolleausgestattetsind.

• StrengbetrachtetliegteineKonstellationdesdoppeltesMandatal-

lerdingsnurvor,wennProfessionelleineinemenggefasstenSinne„Amtsträger“sind:d.h.wennsievonAmteswegenzurSanktionie-

runggesetzlichdefinierterFehlhandlungen(z.B.Verletzungsoge-

nannterMitwirkungspflichtenimSozialversicherungskontext)ver-

pflichtetsind.

HandlungsvorgabenundWeisungen,diesichnichtunmittelbarauseinem

gesetzlichenAuftrag,sondernausderKulturoderdemSelbstverständnisei-

nerOrganisationergeben,konstituierennochkein„doppeltesMandat“.Für

ProfessionellekönnensieindesgleichwohlzumProblemwerden;diesdann,

wennineinerOrganisationEntscheidungennichtnachderdiskursivenLogik

deszwanglosenZwangsdesbesserenArguments(indiesemFallwärensie

jederzeitdiskutier-undveränderbar),sondernmachtlogischgefälltwerden.„Professionalität“und„Macht“sindsoetwaswienatürlichFeinde.

4.4GrundlegendeprofessionelleArbeitsprinzipien

ImRahmeneinerseitsvonTheorienderSozialenArbeitundandererseitsvonProfessionalitätstheorienwerdendieargumentativhergeleitetenund

forschungslogischbegründetenArbeitsprinzipienSozialerArbeitletztlich

nichtseltenineinernormativenSpracheausformuliert.

HierauskannsichdieGefahrergeben,dasseminentwichtigePrinzipienei-

nerprofessionalisiertenPraxisletztlichzurWorthülseoderzumSchlagwort

verkommen.

WichtigeArbeitsprinzipien,ohnederenEinhaltungeineaufErmächtigungundAutonomisierungausgerichteteSozialeArbeitschlichtunmöglichist

unddieesinderprofessionellenPraxisentsprechendunbedingternstzu

nehmengilt,werdenimFachdiskursunterBegriffenwiedenfolgendendis-

kutiert:

• Subjektorientierung

• Ressourcenorientierung

• „Koproduktion“

• Fallbezug

• HilfezurSelbsthilfe

Page 22: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

22

5.AktuelleKontroversenimFachdiskurs

Page 23: Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit – Ein

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