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Michael Grünbart (Hg.) Geschenke erhalten die Freundschaft Gabentausch und Netzwerkpflege im europäischen Mittelalter Akten des Internationalen Kolloquiums Münster, 19. - 20. November 2009 LIT

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Michael Grünbart (Hg.)

Geschenkeerhalten die Freundschaft

Gabentausch und Netzwerkpflegeim europäischen Mittelalter

Akten des Internationalen KolloquiumsMünster, 19. - 20. November 2009

LIT

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GERALD SCHWEDLER

Diplomatische Geschenke unter Königen im SpätmittelalterFreundschaft und Gabentausch zwischen politischer Praxis und

der schriftlichen Norm der Fürstenspiegelliteratur

Die Frage, in welchem Ausrnass und auf welche Art und Weise ein spätmittel-alterlicher Herrscher Geschenke verteilen solle, wurde bereits von damaligenZeitgenossen auf hohem Niveau reflektiert. Mit entrüsteter Direktheit geht das"Speculum regis Edwardi III" auf die königliche Praxis des Schenkens ein.William de Pagula, der Verfasser des etwa 1332 geschriebenen Fürstenspiegels,wendet sich direkt an König Eduard III. (1327-1377). Er ermahnt ihn, er sollekeine Geschenke nur um der Freundschaft und Pflege wichtiger Beziehungenwillen verteilen, da dadurch die Annen und Bedürftigen von seiner Groß-zügigkeit nicht profitieren könnten. Der englische Theologe und Kirchenrechtlerstellt damit eine Ethik des Geschenks auf, die sich empirisch-ökonomisch nachden Mitteln und Möglichkeiten richtet und nicht mehr nur am aristotelisch-antiken Kanon der Tugenden oder den biblisch-patristischen exempla einer arsrecte regendi orientiert ist:

"Und daher, mein König, sollst Du, wenn du jemandem etwas alsGeschenk versprichst, zuerst über Deine Schulden nachdenken sowieüber die Schulden Deines Vaters und verstehe dies als Warnzeichen, dasüber Deinem Herzen steht. [... ] Du sollst daher die Geschenke nachDeinen Möglichkeiten verteilen, und maßvoll die bedürftigen undwürdigen Menschen bedenken, da der, der seine Geschenke an dieNichtbedürftigen und die Unwürdigen verteilt, sich kein Lob verdient.Daher, mein König, will ich, dass Du weißt, dass Dir viele wie dieFliegen dem Honig folgen, die Wölfe den Leichen, die Mäuse undRatten dem Getreide. So folgen sie Dir wohl aufgrund Deiner Ehren undDeines Reichtums, sobald dieser aber schwindet, verlassen Dich solcheMenschen schnell, da sie Dich nie wirklich geliebt haben."!

I William of Pagula, De speculo regis Edwardi lll., ed. von JOSEPH MOISANT, Paris1891, cap. 13, S. 140f.: ,,EI ideo, domine rex, quando proponis alieui aliquamdonacionem, primo cogita de debitis tuis, et de debitis patris tui, et pone ilIud, utsignaculum super cor tuum. [... ] Debes ergo largiri donajuxta posse tuum, in mensura,hominibus indigentibus et dignis, quia qui largitur dona sua non indigentibus vel in-dignis, nul/am acquirit sibi laudem. [... ] Unde, domine rex, volo te scire, quod multihomines te sequuntur sicut musce sequuntur mel, lupi cadavera, mures et ratones fru-menta; sic propter honores et divicias tuas, multi te sequuntur, sed divictis a te reee-dentibus. forte a te reeedent tales homines, quia nunquam te recte dilexerunt unum."Zur Datierung: JAMES TAIT, On the Date and Authorship of the Speculum regis Ed-

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Bilderreich weist William de Pagula den englischen König an, nichts ansogenannte Freunde zu verschenken. Vielmehr solle den Armen gegeben unddie ererbten Schulden seines Vaters Edward II. (1307-1327) zurückgezahlt wer-den. Die Ratschläge für den König entsprechen dem Tenor spätmittelalterlicherFürstenspiegel und der didaktisch-politischen Traktatliteratur, die als moralisch-ethische sowie praktische Wegweisung für Herrscher und zur Prinzenerziehunggedacht war.' Dabei besitzen Fürstenspiegel eher abstrakten Charakter undverfolgen bei der Unterweisung einen über einzelne Situationen hinaus-gehenden Ansatz.' Gerade im späteren Mittelalter erfuhr dieses Textgenre einebesondere Blüte, die sich weit bis in das 16. Jahrhundert fortsetzte." Zur sehrinhomogenen Gruppe der Verfasser von Fürstenspiegeln zählten geistliche wieweltliche Gelehrte mit theologischem, juristischem, vielfach auch philo-logischem Hintergrund, die aber auch über unterschiedlich intensive Erfahrun-gen am Hof verfügten.' Auch Könige selbst, und nicht nur diese, sondern auchKöniginnen, verfassten unterweisende Texte, die an die Nachfolger gerichtetwaren. Hierbei ist zunächst an die Anweisungen in den Fürstenspiegel-testamenten Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen, Alfons X. des Weisen vonKastilien, Ludwigs IV. von Frankreich, Sanchos IV. von Kastilien oder auch

wardi, in: English Historical Review 16, 190I,S. 110-15; CARYNEDERMAN,The Mon-arch and the Marketplace: Economic Policy and Royal Finance in William of Pagula'sSpeculum regis Edwardi III, in: History of Political Economy 33.1, 2001, S. 51--69, hierS. 62; zur Autorschaft: LEONARDBOYLE,William of Pagula and the Speculum regisEdwardi III., in: Mediaeval Studies 32, 1970, S. 326-336; zuletzt: CARYJ. NEDERMAN-CYNTHIAJ. NEVILLE,The Origins of the Speculum regis Edwardi III of William ofPagula, in: Studi Medievali, 3rd ser., 38, 1997, S. 317-329.2 WILHELMBERGES,Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters (MonumentaGermaniae Historica-Schriften 2) Leipzig 1938; ULRIKEGRASSNICK,Ratgeber des Kö-nigs. Fürstenspiegel und Herrscherideal im spätmittelalterlichen England, Köln 2004;Definition: ANGELADE BENEDICTIS(Hg.), Specula principum (Ius commune. Veröf-fentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte - Sonderhefte117) FrankfurtlM. 1999; WALTERULLMANN,Principles of Government and Politics inthe Middle Ages, London 41978; ALAINBOUREAU,Le savoir du prince. Le prince me-dieval et la science politique, in: RANHALEVI(Hg.), Le savoir du prince du Moyen Ageaux Lumieres, Paris 2002, S. 25-50; COLETTEBEAUNE,Le Miroir du Pouvoir, Paris1989.3 GRASSNICK(wie Anm. 2) S. 331.4 HANSHUBERTANTON,Fürstenspiegel des frühen und hohen Mittelalters (Ausgewähl-te Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. FSGA 45) Darmstadt 2006, S. 3-35; DERS.,Art. Fürstenspiegel, in: Lexikon des Mittelalters 4,1989, Sp. 1040-1049; einBeispiel für die Rezeption karolingischer Fürstenspiegel im 17. Jahrhundert: ARMINSCHLECHTER,Sedulius Scottus, Marquard Freher und Gotthard Vögelin. Ein karolingi-scher Fürstenspiegel für Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, König von Böhmen, in:DOROTHEAWALZ (Hg.), Irische Mönche in Süddeutschland. Literarisches und kulturel-les Wirken der Iren im Mittelalter, Heidelberg 2009, S. 305-332.5 Zum Spektrum der Autoren der Fürstenspiegel zuletzt: GRASSNICK(wie Anm. 2) S.39~5.

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Kaiser Karls IV. von Luxemburg zu denken," Die ungarische Königin Elisabethvon Bosnien verfasste ein Manual zur Erziehung ihrer Töchter, das allerdingsverschollen ist.7

Der princeps, wie der Monarch verallgemeinernd in Fürstenspiegeln bezeichnetwurde, solle sich besonnen im Verteilen von Gütern zeigen, ganz besonders aberschlechte Ratgeber und Schmeichler meiden. In diesen allgemeinen Ratschlägenstanden spätmittelalterliche Fürstenspiegel in einer jahrhundertealten Tradition,in der die Tugend der liberalitas als eine der zentralen Eigenschaften des Herr-schers hervorgehoben wurde." So wiesen bereits die didaktischen und päda-gogischen Schriften der Antike mahnend auf eine der Situation angemesseneFreigebigkeit hin, allen voran die Passagen aus Senecas "Oe Clementia" oderCiceros "Oe Beneficiis"." Auch die Fürstenspiegel des frühen und hohenMittelalters, die nach dem christlich überformten Tugendkatalog Schwerpunktesetzten, betonten die Freigebigkeit als eine wichtige Herrschertugend." EinHerrscher hatte freigiebig zu sein. Nur wenn es sich bei den Empfängern derGaben nicht um würdige oder bedürftige Empfänger handelte, also beispiels-weise Schmeichler und falsche Freunde, so sollten aequitas und iustitiaentscheidend sein. Darin zeigt sich die durch biblische und patristische Schriftengeprägte Tradition, dem "guten" Fürsten ein Leben entsprechend des Tugend-kanons zu empfehlen, darunter in erster Linie eines der Selbstbeherrschung,wodurch die Nähe zu den mittelalterlichen Tugend- und Lasterkatalogen

6 SAMUELSTEINHERZ,Ein Fürstenspiegel Karls IV. (Quellen und Forschungen aus demGebiete der Geschichte 3) Prag 1925, vgl. dazu BERGES(wie Anm. 2) Nr. 42.7 ALICEADELEHENTSCH,De la Iitterature didactique du Moyen Age s'adressant specia-lement aux femmes, Genf 1903 (ND 1975), hier S. 135.8 Zu Umbewertung der liberalitas innerhalb der Tugendlehren: HANSKLOFT,Liberali-tas principis. Herkunft und Bedeutung. Studien zur Prinzipatsideologie (Kölner histori-sche Abhandlungen 18) Köln 1970.9 Der Herrscher soll nach Seneca freigiebig sein, insbesondere in allem, was die res di-vina anbelangt: Seneca de Beneficiis IV 29,2, dazu KLoFT (wie Anm. 8) S. 142. Nachgattungsmäßigen Gesichtspunkten wären aus der lateinischen Literatur Senecas Werk"Oe clementia" sowie die spiegelartige Rede des Plinius einschlägig. Seneca fand abdem 12. Jahrhundert weite Verbreitung, KLAUS-DIETERNOTHDURFT,Studien zum Ein-fluß Senecas auf die Philosophie und Theologie des zwölften Jahrhunderts (Studien undTexte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 7) Leiden - Köln 1963.10 Zum Zusammenhang karolingischer und hochmittelalterlicher Gesellschaftsspiegel:HANS-HUBERTANTON, Gesellschaftsspiegel und Gesellschaftstheorie in Westfran-kenlFrankreich - Spezifik, Kontinuitäten und Wandlungen, in: ANGELAOE BENEDICTIS(Hg.) (wie Anm. 2) S. 51-120, insb. S. 51-58. Zur Stellung englischer hochmittelalter-licher Fürstenspiegel zur Iiberalitas: SYBILLESCHRÖDER,Macht und Gabe, MaterielleKultur am Hof Heinrichs II. von England (Historische Studien 481) Husum 2004, S.60-66; ALFONSAUER, Art. Freigebigkeit, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Frei-burg im Breisgau 21960, Sp. 324f.

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offensichtlich wird. II Mit der beginnenden Aristotelesrezeption nahm dieüberaus starke Präsenz der Tugendlehren in Form von Exemplasammlungeninnerhalb der Fürstenspiegel ab. In den zwei sehr einflussreichen Fürsten-spiegeln, dem Traktat "De regimine principum" (1265/66) des Thomas vonAquin und dem gleichnamigen, wesentlich umfänglicheren des AegidiusRomanus (ca. 1277-79) überwiegt bereits der Einfluss der AristotelischenPolitik und Ethik.12 Vor allem der in vielen Handschriften verbreitete Fürsten-spiegel des Augustiner-Eremiten Aegidius Romanus wirkte sich prägend auf dieweisen und belehrenden Schriften, insbesondere auf die pädagogischen Lehrenzur Fürstenerziehung aus." Er fand allerdings nicht nur literarisches Echo inanderen Werken, sondern wurde auch nachweislich zur Unterrichtung zahl-reicher späterer Könige verwendet. König Heinrich V. von England orientiertesogar seine militärischen Strategien in den Schlachten gegen Frankreich an denDarlegungen im dritten Teil des Fürstenspiegels von Aegidius Romanus, derzum großen Teil aufVegetius (4. Jahrhundert) zurückgeht." Doch auch in denspätmittelalterlichen Fürstenspiegeln wird wortreich über die Tugend derFreigebigkeit räsoniert. Dabei werden allgemeine Formeln verwendet, welcheden Herrscher auf die positiven wie negativen Folgen der libera/itas hinweisen.Aegidius Romanus geht beispielsweise auf die virtus der Freigebigkeit ein undstellt dieser das Laster der avaritia entgegen." Dabei übernimmt er die Dar-legungen des Aristoteles aus der Nikomachischen Ethik bis in die (übersetzten)Formulierungen hinein. Gleichzeitig stellt er die traditionellen christlichenDeutungen und Beispiele zurück. Liberalitas bleibt als bedeutende Größe imtugendhaften Verhalten des Fürsten erhalten. Jedoch wird sie von AegidiusRomanus und den meisten Fürstenspieglern, die auf ihm aufbauen nicht mehrdurch exempla in idealtypischer Weise umschrieben. Vielmehr wird liberalitas

II RAINERJEHL,Die Geschichte des Lasterschemas und seiner Funktion, in: Franziska-nische Studien 64, 1982, S. 261-359; RICHARDNEWHAUSER,The Treatise on Vices andVirtues in Latin and the Vernacular (Typologie des sources du moyen age occidental68) Tumhout 1993.12 CHRISTOPHFLÜELER,Rezeption und Interpretation der Aristotelischen Politica imspäten Mittelalter (Bochumer Studien zur Philosophie 17) Amsterdam - Philadelphia1992; zuletzt rum Problem der Ehe: PAVELBLAZEK.Die mittelalterliche Rezeption deraristotelischen Philosophie der Ehe. Von Robert Grosseteste bis Bartholomäus vonBrügge (1246/1247-1309) (Studies in Medieval and Reformation Traditions 117)Tum-hout 2006.13 CHARLESF. BRIGGS,Giles of Rome's "De regimine principum": Reading and WritingPolitics at Court and University, c.1275-c.l525, Cambridge 1999,S. 55f.14 GRAßNICK(wie Anm. 2) S. 196f.; BIGGS(wie Anm. 13) S. 64; neuere Übers. von Ve-getius: Publius Flavius Vegetius Renatus, Abriß des Militärwesens, hg. und dt. vonFRIEDHELML. MÜLLER,Stuttgart 1997.15 Aegidius Romanus, De regimine principurn,Roma 1609,1,2,19, S. 108.

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aristotelisch gedacht als ethische Kategorie in der gemäßigten Mitte zwischenGeiz und Verschwendungssucht bestimmt. 16

Dagegen bezieht sich im ausgehenden Mittelalter Erasmus von Rotterdam imFürstenspiegel .Jnstitutio Principis Christiani" (1515), der für Kaiser Karl V.gedacht war, in humanistischer Tradition auf klassisch-antike Überlegungen.Beim Herrscheramt zähle nicht die christlich-caritative Seite der liberalitas,sondern der Status des zu Beschenkenden. Geschenke waren an diejenigen zuverteilen, die dem Fürst nützlich waren." Die benignitas principis soll nicht vonder materiellen Situation der Empfänger abhängig sein, sondern vor allem vonseiner virtus und der Art und Weise, wie er sich fur das Allgemeinwohl verdientgemacht habe." Damit steht die dignitas der Empfänger der liberalitas desGebers entgegen. Eines Geschenkes würdig ist nun, wer in der Gesellschaftetwas darstellt (qui dignus est) und nicht, wer arm und bedürftig ist. Dieseeindeutig antike, vorchristliche Denkart zum Herrscherethos" weist inhaltlichschon auf Machiavellis Fürstenspiegel "II Principe" (ca. 1513, publ. 1532), derja an den mittelalterlichen Fürstenspiegeln kritisierte, sie hielten an allgemeinenVorstellungen fest und beträfen nur Situationen, Städte und Republiken, die niein Wirklichkeit existiert hätten.i"

Doch gerade in den abstrahierten Aussagen finden sich fur den Herrscher immerwieder Hinweise, die eigene Urteilskraft einzusetzen, und in der Art und Weise,Geschenke zu machen, sehr zurückhaltend zu sein. Engelbert von Admont, Abtdes Zisterzienserklosters von Admont wo er seinen Fürstenspiegel "De regimineprincipum" (nach 1297il wie auch seinen Tugendspiegel "Speculum virtutum"(um 1310) für die Herzöge von Österreich verfasste.f riet dem Herrscher,

16 }(LOFT(wie Anm. 8) S. 186; zum Idealtyp kaiserlicher Iiberalitas in der Antike S.140-147.17 Das antike Vorbild, dass sich rechte Freigebigkeit nach dem Status des Empfängersrichtet findet sich z.B. schon bei Seneca, De Beneficiis II, 16, I, Seneca Epistulaae mo-rales ad Lucilium 41, 9.18 Erasmus von Rotterdam, Dialogus, Julius exclusus e coelisl Institutio principis Chris-tianil Querela Pacis, ed./dt. GERTRAUDCHRISTIAN(Erasmus von Rotterdam. Ausge-wählte Schriften 5) Darmstadt 1968, Sektion 5 zum Thema: De beneficientia Principis,S.276-280.19 Lact. div inst. VI 11,28, S. 176, }(LOFT(wie Anm. 8) S. 187.20 Niccol0 Machiavelli, II principe e discorsi sopra la prima deca di Tito Livio, ed. SER-GIOBERTELLI,Mailand 1960, hier S. 64f.21 Engelbert von Admont, De regimine principum libri seu tract. VII, ed. von JOHANNESGEORGTHEOPHILHUFFNAGL,Regensburg 1725; Eine Neuedition im Rahmen der MGHStaatsschriften des Späteren Mittelalters wird von Herbert Schneider, MGH München,vorbereitet.22 KARLVSL, Engelbert von Admont. Ein Gelehrter im Spannungsfeld von Aristotelis-mus und christlicher Überlieferung (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Ge-schichtsforschung, Ergänzungsband 37) Wien - München 2000, S. 22f.

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keinesfalls der Freund von vielen sein zu wollen, da eben .viele" auch schlechtseien: .Noli ergo esse amicus multis, quia plures eorum sunt mali. ,,23

Dennoch scheint die umfangreiche Frage der liberalitas in der didaktischenLiteratur höchst einseitig behandelt zu werden. Es wird kaum explizitformuliert, welcher Art diese Gaben zu sein hatten, und selbst die Begriffe dona,munera oder xenia24 werden kaum spezifisch unterschieden," auch nicht dievolkssprachlichen Übersetzungen dieser Begriffe.i" Gerade im Rahmen derauswärtigen Beziehungen wurden Allianzpartnern und benachbarten Reichenkostspielige Geschenke überreicht, sie machten einen umfänglichen Teil derHaushaltsausgaben von Herrschaftshäusern aus." Beispielsweise wurden fürKaiser Karl IV. im Jahre 1378 bei seiner Reise durch Frankreich und währendseines Aufenthaltes in Paris Gegenstände im geschätzten Wert zwischen 3000und 4000 Goldstücken verschenkt. Dies war etwa die Hälfte von dem, was seinGastgeber König Karl V. von Frankreich für das Treffen aufwendete. DessenAusgaben für Geschenke und Bewirtung des Gastes hätten ausgereicht, um imgegenwärtigen Hundertjährigen Krieg etwa drei Monate lang die Truppen gegen

23 Engelbert von Admont, Speculum virtutum, ed. von KARLUBL (MGH Staatsschriftendes Späteren Mittelalters II2) Hannover 2004, S. 127. Herkunft des Schriftzitats: SenecaEpistulae morales ad Lucilium 41,9.24 Engelbert von Admont, Speculum virtutum, wie Anm. 23, pars 8, cap. 2: S. 279. En-gelbert spricht über die opera magnifica, Dinge also, auf die ein Regent nicht verzichtendürfe: allem voran stellt der Abt freilieh alles, was mit dem Göttlichen zu tun hat, alsodie res divinae. Darauf folgen die Dinge, die damit verbunden sind, ,.,solempnitates etfesta et sacrificia et alia que pertinent ad divina" Darauf folgen die Dinge, die das Ge-meinwesen betreffen: "Quaedam vero sunt, per quas explentur res humane circa pub-lica, bellica et civilia negotia, sicut sunt bella et processus bellorum et hiis pertinentiaet iudicia et beneficia et solempnes ludi et nuptie principum et susceptiones hospitum etexpeditiones nuntiorum et munera et dona et xenia ad suos et ad extraneos"25 Auf die Wortbedeutungen der Begriffe munus, donum, remuneratio geht ein: BERN-HARDJUSSEN,Religious Discourses of the Gift in the Middle Ages: Semantic Evidences(Second to Twelfth Centuries), in: GAOl ALGAZI- VALENTINGROEBNER- BERNHARDJUSSEN(Hgg.), Negotiating the Gift. Pre-modem Figurations of Exchange, Göttingen2003, S. 173-192.26 GABRIELEVONOLBERG,Gebe, gift, gabe. Überlegungen zum Bezeichnungs- und Be-deutungswandel mittelalterlicher Rechtswörter im Sinnbereich des "Gebens, Schenkens,Tauschens etc.", in: KARL HAUCK- KARL KROESCHELL(Hgg.), Sprache und Recht.Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Festschrift für Ruth Schmidt-Wiegandzum 60. Geburtstag, Berlin - New York 1986, S. 625-645.27 Zur Gestaltung der auswärtigen Beziehungen im Spätmittelalter. MARTINKINTZIN-GER,Westbindungen im Spätmittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen demReich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigismunds(Mittelalter-Forschungen 2) Stuttgart 2000, S. 17-25; JANHIRSCHBIEGEL,Etrennes. Un-tersuchungen zum höfischen Geschenkverkehr im Spätmittelalterlichen Frankreich derZeit König Karls VI (138{}-1422) (Pariser Historische Studien 60) München 2003.

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England zu finanzieren.f Der Austausch von Geschenken konnte sich bei einermehrtätigen Begegnung von Herrschern im Spätmittelalter zu einemverschwenderisch anmutenden, Hin und Her von Objekten entwickeln."Vielfach durchreisten Boten Europa, um benachbarten oder alliierten Macht-habern wertvolle Geschenke zukommen zu lassen." Und diese Praxis griffweitüber den abendländischen Kulturkreis hinaus, wurden doch auch Geschenke anHerrscher fremder Sprache, Religion und Kultur versandt."

Diese aufwendige Praxis wurde in den theoretisch-didaktischen Schriften kaumbehandelt. Doch kann man den Inhalt von Fürstenspiegeln nicht alsregierungsfern bezeichnen, oder behaupten, deren Autoren fehle ein "sichtbarerBezug zum tatsächlichen politischen Leben" wie es bisweilen geschah." Esbesteht die grundsätzliche Schwierigkeit, die Wirkung ethisch-moralischerSchriften im historischen Geschehen nachzuweisen." Denn mittelalterlicheAutoren hatten kaum Einfluss darauf, wie weit ihre Modelle in die Praxis herr-scherlichen Handeins umgesetzt wurden. Zwar widmeten sie die Bücher den

28 FRANTI~EKSMAHEL,Cesta cisafe Karla IV. do Francie (1377-1378) [Die Reise Kai-ser Karls IV. nach Frankreich 1377-1378] Prag 2006, S. 355-359, dazu die Aufstellungs. 362f.; vgl. auch zuletzt: GERALDSCHWEDLER,Herrschertreffen des Spätmittelalters.Formen, Rituale, Wirkungen (Mittelalter-Forschungen 21) Ostfildem 2008; Jacquesd'Esch, Die Metzer Chronik über die Kaiser und Könige aus dem Luxemburger Hause,hg. von GEORGWOLFRAM,Metz 1906, Kap. 42, S. 313: .L'an mil IIIc LXXXVII allaitCharle l'empereur a St. Mors des Fousses en pellerinaige, et a Parix li fist le roy deFrance, fil de sa soer, grant honnour et furent fais dons a lui de bien LX millez francs etde plus."29 GEORGKOHLER,Der Groze Augenblick und seine Spuren. Vorwort zu einer Ge-schichte der Verschwendungskunst, in: GEORGKOHLER(Hg.), Die Schöne Kunst derVerschwendung, München 1988, S. 7-16.30 MARKHÄBERLEIN,Geschenke und Geschäfte: Die Fugger und die Praxis des Sehen-kens im 16. Jahrhundert, in: WOLFGANGWEBER (Hg.), Faszinierende Frühneuzeit:Reich, Frieden, Kultur und Kommunikation 1500-1800; Festschrift für Johannes Burk-hardt zum 65. Geburtstag, Berlin 2008, S. 135-150; HEIKOSTEUER,Handel und Fern-beziehungen: Tausch, Raub und Geschenk, in: KARLHEINZFUCHSu.a. (Hgg.), DieAlamannen, Stuttgart 1997, S. 389~02; THEODORMAYER-MALY,Kauf, Tausch undPacta als Instrumente des Güterverkehrs im Übergang zwischen Altertum und Mittelal-ter, in: K1io 73, 1991, S. 606--611; JANHIRSCHBIEGEL,Gabentausch als soziales Sys-tem? Einige theoretische Überlegungen, in: ULF CHRISTIANEWERT- STEPHANSELZER(Hgg.), Ordnungsformen des Hofes, Kiel 1998, S. 44-55.3l PETERBURSCHEL,Der Sultan und das Hündchen. Zur politischen Ökonomie desSchenkens in interkultureller Perspektive, in: Historische Anthropologie IS, 2007, S.408-421 schildert einen Fall des 17. Jahrhunderts. Eine systematische Auswertung vondiplomatischen Geschenken im transkulturellen Vergleich steht noch aus.32 BERNARDGUENEE,Occident aux XIVe et XVe siecIes, Paris 1971, S. 137: "II sembleque ceux-ci aient ete d'avance decourages par des eeuvres jugees stereotypees, conven-tionnelles, dont on ne voyait pas les rapports avec la vie politi que concrete."33 ISTVANP. BEJCZY- CARYNEDERMAN(Hgg.), Princely Virtues in the Middle Ages(1200-1500) (Disputatio 9) Tumhout 2007, insb. S. 9.

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Herrschern persönlich, lieferten möglichst treffende Modelle und exemplarichtigen Regierens, doch erst die individuelle Analyse und Interpretation durchden einzelnen Regenten konnte die Voraussetzung fur die Umsetzung inadäquates herrscherliches Handeln in spezifischen Situationen sein."

Der Austausch von Geschenken unter Königen im Spätmittelalter ist somit einAusgangspunkt, der in den Fokus genommen werden kann, um auf dieDiskrepanz der effektiven Praxis des Schenkens einerseits und der reflek-tierenden didaktischen Literatur andererseits näher einzugehen. Dabei handelt essich um einen ersten Überblick, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.Dazu sind in einem ersten Schritt einige Beispiele herrscherlieher Geschenkeund den historischen Kontext anzufiihren, wobei nicht zu stark Wert auf dieAnalyse der politischen Umstände gelegt werden kann. An jenen Geschenkensoll indes sowohl deren Kostspieligkeit als auch deren Vielfalt gezeigt werden.Aus der grossen Anzahl von Beispielen spätmittelalterlicher Regierungspraxiseuropäischer Könige bzw. Fürsten sind einige signifikante Fälle auszuwählenund dabei soll der Versuch einer Systematisierung unternommen werden. Jedochwiderspricht eine Kategorisierung nach Objektgruppen der tatsächlichenGeschenkpraxis, bei der umfangreiche Serien verschiedenster Objekte über-geben wurden, wie die überlieferten Geschenklisten festhalten. Ein Beispiel solldieses methodische Problem veranschaulichen. So schenkte der Despot("Dischbot") Stefan Lazarewitsch von Serbien König Sigismund von Luxem-burg bei einer Begegnung im August 1424 eine Reihe verschiedener Objekte.Eberhard Windecke berichtet: ,,Also saß der konige dornach wol ein ure, dakam Dischbott herzog uß der Sirfie und schankte dem Ramschen konige wol 20guldin und sidene tücher, 10 überguldete becken, 10 Durkisch kolben, 10 parbeslagener Durkescher dortschen, zwei Durkesche swert mit gurtein mit silberubergult, 10 heidenische decken.v" In der vorzunehmenden Systematisierungsind diese zusammen verschenkten Objekte jeweils für sich in moderngedachten Ordnungen zu bewerten. In einem zweiten Schritt soll auf die oftfeierlich zelebrierte Art und Weise der Übergabe eingegangen werden. Dabeilassen sich Überschneidungen mit der Einordnung von Geschenktypen im erstenTeil nicht ganz vermeiden. Doch gerade diese Sichtweise soll hervorheben, dasssich im Bereich des Schenkens viele Aspekte nicht mit dem Fokus auf dieMaterialität der Geschenke erfassen lassen. Dabei geht es nicht nur darum, dassGeschenke erst in der sozialen Beziehung, innerhalb derer sie übereignetwerden, ihren eigentlichen Wert erhalten, ihr Sinn also durch diegesellschaftlichen Kontexte hergestellt wird." Vielmehr geht es um diebisweilen ritualisierte Art und Weise der Übergabe, die mehr als die

34 GRAßNICK(wie Anm. 2) S. 333.35 WILHELMALTMANN(Hg.), Eberhart Windeckes Denkwürdigkeiten zur Geschichtedes Zeitalters Kaiser Sigismunds, Berlin 1893, c. CCIV, S. 183.36 DAVIDSABEAN,Die Produktion von Sinn beim Konsum der Dinge,in: WOLFGANGRUPPERT(Hg.), Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge,FrankfurtlM. 1993, S. 37-51, hier S. 37-39.

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tatsächlichen materiellen Werte zu vermitteln vermag." In einem dritten Schrittist darauf die spätmittelalterliche Fürstenspiegelliteratur zu überprüfen,inwieweit das Schenken konsistent als Teil des Regierungshandelns gesehenwurde. In einem weiteren Schritt ist zu analysieren, inwieweit die Ansätze einerTheoriebildung im Mittelalter mit den Forschungsergebnissen der modernenDeutung von Gabe und Geschenk in Zusammenhang zu bringen sind. Zuletzt istdarüber zu befinden, welche Deutung den Geschenken im diplomatischenVerkehr zwischen ökonomischer Tauschlogik, symbolischer Kommunikationund ethischer Abwägung zukommt.

Variation der Gabe, oder: Was geschenkt wird

Im diplomatischen Verkehr zwischen spätmittelalterlichen Königshäusernwurden die verschiedensten Objekte großzügig ausgetauscht. Bei der enormenFülle und dem Einfallsreichtum, den die Beteiligten hier an den Tag legten,wäre eine Aufzählung unabhängig davon, dass in den meisten Fällen nicht mehrgänzlich zu rekonstruieren ist, was alles verschenkt wurde, beeindruckend. Essei Einzelstudien vorbehalten, die vorhandene Überlieferung im jeweiligen Fallzu vertiefen.38 Dabei sind die Quellen zu unterschiedlich und ermöglichen selteneine Datenbasis, die einen stichhaltigen Vergleich zwischen verschiedenen"Geschenkströmen" zulassen würde. Nur in wenigen Fällen sind die spät-mittelalterlichen Archivalien wie auch die Forschungslage hierzu aufgearbeitet.Zwar können bisweilen sogar detaillierte Aufträge und Abrechnungen fürGoldschmiede nachgewiesen," in manchen Fällen sogar die Objekte identi-fiziert und in heutigen Museen nachgewiesen werden. In der Regel ist manjedoch auf die Angaben der Historiographie angewiesen, wobei die Angabenvon Geschichtsschreibern vielfach zu ungenau und in ihrem Aussagewert durchzeitliehe bzw. räumliche Distanz, rhetorische Überhöhungen oder Parteilichkeitgemindert sind. So lässt sich beispielsweise nur schwerlich klären, was sichhinter der Formulierung .diversis et pretiosis clenodiis" verbirgt, mit der derungarische Chronist Johannes Thurocz die Geschenke bezeichnete, die sichKönig Karl Robert I. von Ungarn, König Kasimir von Polen und Johann von

37 BENJAMINSCHELLER,Rituelles Schenken an Höfen der Ottonenzeit zwischen Ein-und Mehrdeutigkeit. Formen und Funktionen des Austausches im früheren Mittelalter,in: EWERT- SELZER(Hgg.) (wie Anm. 30) S. 56-66, hier S. 57f.; JÜRGENHANNING,Ars donandi. Zur Ökonomie des Schenkens im frühen Mittelalter, in: RICHARDVANDÜLMEN(Hg.), Armut, Liebe, Ehre (Studien zur historischen Kulturforschung I) Frank-furt/M. 1988, S. 11-37; ARNOUD-JANBUSTERVELD,Do ut des: Gift Giving, Memoria,and Conflict Management in the Medieval Low Countries, Hilversum 2007.38 Einige Einzelfallanalysen in: SCHWEDLER(wie Anm. 28).39 LEOPOLDDELISLE(Hg.), Mandements et actes divers de Charles V. 1364-1380, Paris1874,Nr. 1595, S. 792 (1378 Jan. 18); dazu ausführlich: SCHWEDLER(wie Anm. 28) S.417f.

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Böhmen am Fürstentag im November 1335 in Visegräd überreichten." Handeltes sich um Gold, Tafelgeschirr, Reliquien oder gar nur um einen histo-riographischen Topos? Hinweise darauf gibt der Vergleich mit anderen Fällen,bei denen unter ähnlichen Umständen die verschenkten Gegenstände durchListen bekannt sind. Diese Listen sind zum Teil in der archivalischenÜberlieferung der Beteiligten erhalten, fanden aber auch Eingang in Literaturund Geschichtswerke und sind dadurch Ausweis des großen Interesses an denmateriellen Zueignungen unter Herrschern." Zum Ruhme des Schenkers trug esbesonders bei, wenn seine Grosszügigkeit Gegenstand in den Liedern berühmterSänger wurde, wie etwa bei Guillaume de Machaut, der die Geschenke und denhöfischen Umgang von Karl IV. und König Peter von Zypern im Jahre 1364besang." Zudem liefern die Listen und Aufzählungen (bisweilen auch in derLiteratur und Musik) eine zeitgenössische Hierarchisierung der einzelnenGegenstände und ermöglichen einen Einblick in die Ordnungskategorien undWertigkeiten, die den einzelnen Objekten zugemessen wurden.

Trotz des Vorbehaltes, dass für belastbare vergleichende Einordnung undKategoriebildung weitere zahlreiche Einzelfälle und Geschenksituationen wieHochzeiten, Neujahr und dergleichen" ausreichend aufgearbeitet werdenmüssten, soll ein Überblick über jene Güter versucht werden, die zwischen prin-cipes ausgetauscht wurden.

Innerhalb der unterschiedlichen Geschenkgattungen sind Objekte aus Edel-metall und Edelsteinen wohl am häufigsten überliefert. Gold galt allgemein alsWertobjekt und seine übergeordnete Bedeutung bestand auch darin, dass es aufhohen sozialen Rang und Macht verwies. Darin spiegelt sich die vorherrschendeAuffassung, dass das königlich-fürstliche Amt mit dem Material Goldverbunden war. Das edle Material trug zur angemessenen Würdigung des Be-

40 Johannes Thurocz berichtet von diversis et pretiosis clenodiis, die dem König vonBöhmen geschenkt wurden. Johannes Thuröcz, Chronica Hungarorum, in: JOHANNGEORGSCHWANDTNER(Hg.), Scriptores rerum Hungaricarum veteres ac genuini, Wien1746, Bd. I, S. 165-168.41 Eberhart Windeckes Denkwürdigkeiten (wie Anm. 35) cap. CCIV, S. 183.42 Auszüge aus Guillaume de Machaut, bei NORMANDAVIS,God's Playground. A His-tory of Poland, Oxford 1983, S. 99-101; Verse 1268-88, 1327-34, 1357-65, 1402-13.43 Lokal begrenzte Studien wären beispielsweise: ARNOUD-JANBlJSTERVELD,The Me-dieval Gift as Agent of Social Bonding and Political Power: A Comparative Approach,in: ESTHERCOHEN- MAYKEB. DE JONG (Hgg.), Medieval Transformations. Texts,Power, and Gifts in Context (Cultures, Beliefs and Traditions. Medieval and EarlyModem Peoples II) Leiden u. a., 2001, S. 123-156; BRIGITIE BUETINER, Past Pre-sents: New Year's Gifts at the Valois Courts, ca. 1400, in: Art Bulletin 83/4, 2001, S.598-625; JANEFAIRBESTOR,Marriage Transactions in Renaissance Italy and Mauss'sEssay on the Gift, in: Past and Present 164, 1999, S. 6-46.

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schenkten bei, es ehrte Schenker wie Beschenkten, denn Gold zu besitzen undGold zu verteilen, galt an sich schon als Ausweis von virtus.44

Mit Goldgeschenken ist nicht nur das geprägte und ungeprägte Edelmetall selbstgemeint, häufiger handelt es sich um Teller, Pokale, Vasen, Ringe, Geschmeide,aber auch andere kunstvoll gearbeitete, insbesondere juwelenbesetzte Objekte.Zum Metallwert, zum ästhetischen und symbolischen Wert wie auch zumfunktionalen Nutzen kommt hinzu, dass derartige Gegenstände klein, meistmassiv und leicht über weite Strecken zu transportieren waren. Die viel-schichtige Bedeutung der Geschenke zeigte sich beispielsweise, als im März1398 König Karl VI. von Frankreich dem römisch-deutschen König Wenzel inReims ein mehrteiliges Goldservice überbringen ließ. Dieses sowohl materiellwie wahrscheinlich auch künstlerisch wertvolle Geschenk musste weit trans-portiert werden, was seine eigentliche Funktion, es diente sozusagen als..Einladungskarte" zu einem Gastmahl, wirkungsvoll unterstrich." Derartigesilberne oder goldene Tafelgarnituren, aber auch Pokale - die teilweise mitMünzen gefüllt waren" - Geschirr und Besteck wurden vielfach verschenkt.Hinzu kamen unterschiedliche Goldschmiedearbeiten wie Schmuck und Ringe,die mit Edelsteinen besetzt waren. So erhielt Sigismund von Luxemburg beiseiner Reise nach England bei einer Gelegenheit von Heinrich V. wertvollsteSchmucksteine geschenkt: .Darach fur küng sigmund zu dem küng vonengeIlant gen lunden. Der empfieng in herlieh und tet im grosse schenke.Sunder schankt er im zwen rubin, einen adamast und zwo berlen; die steinschatzt man besser denne viertzig thusent schiltfranken. Und do der küng sin

44 DANIELLEBUSCHINGER,L' or dans la litterature allemande entre 1170 et 1220: quell-quesjalons in L'or au Moyen Age, in: Senefiance Aix-en-Provence 12, 1983, S. 55-74;HERWIGWOLFRAM,Splendor Imperii. Wien 1963, S. 96f., 108; Gold als Ausweis vonVirtus: GüNTER SCHOPF,Fest und Geschenk in mittelhochdeutscher Epik. Wien 1996,S. 108f.; ANNAMUTHESIUS,Silken diplomacy, in: JONATHANSHEPARD- SIMONFRAN-KLIN(Hgg.), Byzantine Diplomacy. Papers from the Twenty-Fourth Spring Symposiumof Byzantine Studies, Cambridge. March 1990 (Society for the Promotion of ByzantineStudies, Publications I) Aldershot 1992. S. 237-248.45 Chronique du religieux de Saint-Denys contenant Ie regne de Charles VI., de 1380 it1422, hg. von LoUIS BELLAGUET,(Neu hg. von BERNARDGUENEE)Paris 1994 [ND d.Ausg. Paris, 1839-1852] vol. 2. S. 568f. Der königliche Gesandte Robert de Boissayüberbringt Wenzel das Tafelgeschirr: •.Et hec omnia. princeps excellentissime, rex vobisdat, rogans ut munusculum recipientes granter. dies crastina, si placet. seeum pran-dea/is."46 Zur Begegnung Heinrichs V. von England und Sigismunds von Luxemburg in Can-terbury 1416 berichtet Eberhart Windecke ausfiihrlieh: Eberhart Windeckes Denkwür-digkeiten (wie Anm. 35) cap. LXXIX, S. 80: ,,Also der Römsch konig von Calais schiet,do schankte ime der konig von Engelant zwo itel gulden kannen, die woren swere 24mark goldes, und darinne funftusent nobeln und ein güldin kopf ein gulden müschken-nichin, die hettent 18 marg gouldes."

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sachen getan hat, do kerte er von dannan und kam gen köln und kam wider denrin haruf vor vasnacht. ,,47

Eine besondere Gattung von kleinen aber höchst wertvollen Objekten sindReliquien. Sie wurden oft in wertvollen, meist mit Gold und Edelsteinengearbeiteten Reliquienkästchen verschenkt." Der byzantinische Kaiser ManuelII. Palaiologos schenkte beispielsweise im Juni 1400 König Karl VI. vonFrankreich verschiedene Reliquien um damit seinem Gesuch um militärischeHilfe gegen die osmanische Übermacht Nachdruck zu verleihen." Auchschenkte er 1356 dem römisch-deutschen König Karl IV. eine Dome derDornenkrone Christi, als die französische Monarchie aufgrund der Ausein-andersetzungen mit England dringend auf Hilfe von Seiten des Reichesangewiesen war. 50 Einen weiteren Dom der Krone erhielt Karl IV., der fur seineLeidenschaft, Reliquien zu sammeln bekannt war, bei seinem Besuch im Jahre1378. Bei dieser Gelegenheit erhielt er je einen Splitter der Gebeine derHeiligen Martin und Dionysios, die mit dem französischen Königtum engverbunden waren und somit von besonderer Bedeutung waren. Sein Sohn KönigSigismund von Luxemburg erhielt 1416 erneut einen Dom der Krone Christi."Als Sigismund von Luxemburg die Unterstützung der westeuropäischen Königefur das Projekt eines Kreuzzuges gegen die Türken wie auch für die Beendigungdes Abendländischen Schismas zu gewinnen suchte, unternahm er persönlicheine diplomatische Reise. Als er in London war, liess er seinem englischen

47 GOTTLIEBSTUDER(Hg.), Die Berner-Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr.411, S. 237. Hierbei ist bemerkenswert, dass man im von London weit entfernten BernKenntnis vom Londonaufenthalt des Königs hatte, sich aber weniger für die .Weltfrie-denspläne" des Luxemburgers als für die Preise der Geschenke interessierte.48 Zu Reliquiengeschenken allgemein: PATRICKGEARY,Sacred Commodities: the Cir-culation of Medieval Relics, in: ARJUNApPADURAI(Hg.), The Social Life of Things.Commodities in Cultural Perspectives, Cambridge 1986, S. 169-191; ausführlich CAR-OLAFEY, König Ludwig I. von Ungarn und seine Reliquiengeschenke. Sakralkultur undhöfischer Austausch zwischen Konvention und Innovation, Vortrag auf der Tagung"Vorbild, Austausch, Konkurrenz. Höfe und Residenzen in der gegenseitigen Wahr-nehmung. II. Symposium der Residenzen-Kommission", Publikation in Vorbereitung.MAURICEGODELlER,Das Rätsel der Gabe. Geld, Geschenke, heilige Objekte, München1999.49 DONALDM. NICOL,A Byzantine Emperor in England: Manuel II's Visit to London in1400-1401, in: University of Birmingham Historical Journal 12, 1969/70, S. 204-225(= DONALDM. NICOL, Byzantium: Its Ecclesiastical History and Relations With theWestern World [Collected Stdueis Series 12], London 1972, Nr. X.); SCHWEDLER(wieAnm. 28) Nr. 177.50 FRAN<;:OISEAUTRAND,Charles V. Le Sage, Paris 1994, S. 259-262; EMILWERUNS-KY,Geschichte Kaiser Karls IV. und seiner Zeit, Bd. 3, Innsbruck 1892, S. 150-152 und154f. und 167-171.SI NOELVALOIS,La France et Ie grande schisme, 4 Bde., Paris 1896-1904, Bd. 4, S.356-362, insb. S. 357, Anm.6.

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Gastgeber eine Reliquie des HI. Georg zukommen.f Für die englischeMonarchie war die Georgsverehrung von hoher Bedeutung. Der HI. Georgzierte nicht nur das königliche Banner." auch der wichtigste Hoforden, der"Order of the Garter", bezog sich sowohl durch seinen Versammlungsort, Saint-Georges-Chapel wie durch sein Zeremoniell im Orden auf diesen Heiligen."Doch stand nicht immer eine Reliquie prominenter Heiliger im Vordergrund. Alser 1416 das französische Königshaus besuchte, brachte Sigismund ein in denQuellen nicht weiter beschriebenes goldenes Reliquiar mit, das die Form einesTurms hatte. Es ist unklar, ob das Reliquiar leer war, oder Reliquien enthielt, dievon französischer Seite nicht geschätzt wurden.f

Neben Reliquien wurden auch Vasa Sacra, also für den Gottesdienst gebrauchteGegenstände verschenkt, wie kostbar gefertigte Kreuze, Kelche oder Leuchtet."Diese wurden oft an kirchliche Institutionen weiterverschenkt. So gelangtebeispielsweise das sogenannte "Goldene Rössl", eines der Meisterwerke fran-zösischer Goldschmiede- und Emailkunst in den Besitz des Stiftes Altötting.Ursprünglich hatte Isabella von Bayern es 1404 für ihren Gemahl Karl VI.

ferti I 57an erngen assen.

Darüber hinaus schenkte man sich Bücher, insbesondere Stundenbücher,Gebetsbücher, aber auch wissenschaftliche und literarische Werke. Hier kam zueinem nach aussen sichtbaren, materiell oft aufwendig gestalteten Objekt derbetreffende Inhalt des Geschenks."

52 John Capgrave, Chronicle of England ed. FRANCISC. HINGESTON,London 1858(Rerum Britannicarum Scriptores I) S.313; JÖRG K. HOENSCH,Kaiser Sigismund.Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit (1368-1437) München 1996, 230f. Ausführlich:SCHWEDLER(wie Anm. 28) Nr. 187. Für Sigismund als Herrscher des Königreichs Un-garn, das sich weit auf den Balkan erstreckte, war es nicht unmöglich, eine derartige Re-liquie aufzutreiben, wenn auch eine Herzreliquie des St. Georg zuvor keine nennens-werte Verehrung besessen zu haben scheint, möglicherweise sogar zuvor in Ungarn un-bekannt war.53 SIGRIDESCHE-BRAUNFELS,Sankt Georg. Legende - Verehrung - Symbol. München1976.54 DIETHARDSCHNEIDER,Der englische Hosenbandorden. Beiträge zur Entstehung undEntwicklung des "The most noble order of the garter" (1348-1702), 4 Bde., Bonn 1988.55 Sigismund schenkte an den Herzog ein Goldreliquiar in Form eines Turmes: Item, unreliquiere d'or en facon d'une tour, que le Roy des Romains donna a Monseigneur, ou-quel a plusiers reliques envelopees en cendal vermeil contenures dedens un cristal, J.GUIFFREY(Hg.), Inventaires de Jean, Duc de Berrry, Paris 1894, Bd I, S. 19.56 König Sigismund schrieb an den englischen König Heinrich V. als Geschenk schickeer kupferne Leuchter für 1000 Gulden, vgl. WILHELMALTMANN(Hg.), Regesta ImperiiXI. Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410--1437) (Vol. 1-2), Innsbruck 1896-1900, RIXII, Nr. 2119a.57 ELISABETHTABURET-DELAHAYE(Hg.), Paris 1400: les arts sous Charles VI, Paris2004.58 JOHN LOWDEN,The Luxury Book as Diplomatic Gift, in: SHEPARD- FRANKLiN(Hgg.) (wie Fn. 44) S. 249-260; Zu Buchgeschenken der Herzöge von Berry, Orleans

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Man verschenkte jedoch nicht nur Gegenstände, wegen ihres materiellen,künstlerischen oder religiösen Wertes. Auch Objekte mit unmittelbarem Bezugzum officium des Herrschers als Feldherr und Krieger wurden übergeben. Dabeiwar das Zueignen von Waffen und Rüstung überaus beliebt." Ganze Arsenalewechselten auf diese Art und Weise den Besitzer. Manche Objekte hatten dabeinoch militärische Funktion und entsprachen der Waffentechnik der Zeit, wiebeispielsweise Schwerter, Lanzen oder Rüstungen, die tatsächlich nochverwendet werden konnten. Besonderen Reiz besassen derartige Geschenke,wenn sie auch noch einem gemeinsamen Feind im Kampf abgenommen wordenwaren. Der Despot Stefan Lazarewitsch von Serbien verehrte König Sigismundbei einer Begegnung im August 1424 eine Reihe türkischer Waffen wieStreitkolben und Schwerter ("Durkesche swert").60 Besser belegt sind indesWaffen, deren symbolischer Wert den des militärischen Nutzens übertraf. Soüberreichte man besonders prunkvolle, aber nicht einsetzbare Prunkdegen,aufwendig gefertigte Schwerter oder antikisierende Hieb- oder Stichwaffen mitdurchaus exotischem Flair. Soweit sie nicht weitergegeben wurden, fülltenderartige ausgefallene Schaustücke herrschaftliche Waffenkammern." Ebenfallszum Bereich der Militaria zählt auch das Geschenk Herzog Karls von Burgundan Kaiser Maximilian. Jener erhielt eine burgundische Feldordnung, also eineAnleitung, eine bewaffnete, uniformierte Truppe mit ungenannter Personenzahlzu organisieren und kriegstüchtig zu führen."

etc., vgl, Georg Jostkleigrewe in diesem Band. Eine Einzelstudie zu den Geschenknetz-werken der in England lebenden Marie of Saint-Pol: SEANL.FIELD,Marie of Saint-Poland her Books, in: English Historical Review 125, 2010, S. 255-278; ausführlich zufrühneuzeitlichen Büchergeschenken: NATALIE ZEMON-DAVIS,Beyond the Market:Books as Gifts in Sixteenth-century France, in: Transactions of the Royal HistoricalSociety 33, 1983. 69-88; NADEZDASHEVCHENKO,Eine historische Anthropologie desBuches. Göttingen 2007, S. 145-175 (zu Büchern als Begleitung des diplomatischenAustausches s. den Beitrag von Paul Magdalino in diesem Band).59 Edward III. von England schenkt nach dem II. November 1363 Peter von Lusignan(König von Zypern und Jerusalem) "a pair of gauntlets and a steel aventail for his hel-met", CHARLESL. KINGSFORD,The Feast of the Five Kings, in: Archaeologia 67, 1916,S. 119-126, hier S. 125; SCHWEDLER(wie Anm. 28) Nr. 139.60 Eberhart Windeckes Denkwürdigkeiten (wie Anm. 35) Kap. CCIV. S. 183.61 PETERKRENN(Hg.), Die größte historische Waffensamrnlung: Das Landeszeughausin Graz, Florenz 22001.62 Militärreglement als Geschenk von Herzog Karl dem Kühnen an Herzog Maximilian,1473, Haus- Hof und Staatsarehiv, Hs. Böhm, Suppl, 1332, Signatur weiß 1096, dazu:JOSEPHCHMEL (Hg.), Monumenta Habsburgica. Sammlungen von Actenstücken undBriefen zur Geschichte des Hauses Habsburg in dem Zeitraum von 1473-1576, Abt. 1:Das Zeitalter Maximilians I. 3 Bde., Wien 1854 -1858, hier VI, S. 67f.; Katalog derAusstellung Maximilian I. 1459-1519, Wien 1959, Nr. 28; Maximilian I.Triumph einesKaisers. Herrscher mit europäischen Visionen. Katalog zur Ausstellung in der Kaiserli-chen Hofburg zu Innsbruck, hg. von HERTAARNOLDu.a., Innsbruck 2005.

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Eine weitere bedeutende Art von Geschenken waren lebende Tiere, die nichteinfach über weite Distanzen zu transportieren waren. Beispielsweise verendeteein aus Polen gesandter Auerochse auf dem Weg zum Bodensee, er wurde aus-gestopft und so doch noch an König Sigismund übergeben." Die mit Abstandam häufigsten verschenkten Tiere waren Pferde. Sigismund von Luxemburgerhielt beispielsweise auf seiner Reise nach Frankreich, Kastilien, Aragon undEngland nahezu regelmässig edle Reittiere geschenkt." Einmal erhielt er vornHerzog von Polen 12 zeltende (töltende) Pferde, 12 trabende Pferde, 12laufende (galoppfähige) Pferde." Man unterschied also nicht nach der Farbeoder Herkunft, sondern nach der Rasse bzw. technischen Einsetzbarkeit. DieZelter galten als besonders edel, da sie wegen ihres ruhigen Gangs nur fur Per-sonenkreise in Frage karnen, die zusätzlich zu ihren trabenden oder galop-pierenden Schlachtrössem die zierlicheren Zeltet verwenden konnten." KönigAlbrecht I. bekam 1299 von Philipp IV. von Frankreich eine ungenannte Zahledler Reitpferde als Geschenk und bedankte sich mit 200 Jagdhunden samtTreibern.67 Dies verweist schon darauf, dass auch andere lebende Tiere zumGeschenk gemacht wurden. So sandte Ludwig der Bayer seinem anreisendenGast König Eduard III. in Kohlenz einen Adler entgegen/" während Sigismundvon Luxemburg bald nach seiner Rückkehr aus London König Heinrich V. vonEngland ein Wisent überbringen ließ.69 Es sei nur nebenbei erwähnt, dass durchdas Geschenk auch die Art und Weise des Zeremoniells präfiguriert werdenkonnte: Vordergründig war das dunkle Pferd, das Kaiser Karl IV. bei seinemEinzug 1378 in Paris erhielt - erst in zweiter Linie zeigt sich aber, dass er beider Einzugsprozession dam auf sein eigenes weisses Pferd verzichten musste,

63 Konstanz 1417 Febr. II: RI XI I (wie Anm. 56) Nr. 2066.64 Sigismund erhielt von Ferdinand von Aragon neben anderen reichen Geschenken dreiPferde, 18.119.121. September 1415, dazu: CAYETANOROSELL(Hg.), Alvar Garcia deSanta Maria, Crönica del rey Don Juan el Segundo, in: Crönicas de los reyes de Castilla2, Madrid 1877 (Biblioteca de autores espafioles 68), S. 366.6S JOSEPHVONASCHBACH,Geschichte Kaiser Sigmund's, 4 Bde., Hamburg 1838 (NOAalen 1964) Bd. 1, S. 454-456, ausfiihrliches Zitat unten Anm. 73.66 RALPHH.C. DAVIS, The Medieval Warhorse: Origin, Development and Redevelop-ment, London 1989, S. 137.67 FEDORSCHNEIDER(Hg.), Johannes von Viktring, Liber certarum historiarum (MGHSS rer. Germ. 36),2 Bde, Hannover - Leipzig 1909-1910, Bd. 1, S. 361.68 Ausgabe für den überbringenden Boten am 31. Aug. 1338: MARY LYON- BRYCELYON- HENRYLUCAS(Hgg.), William de Norwell, The Wardrobe Book of William deNorwell 12 July 1338 to 27 May 1340. Brüssel 1983, S. 398-402; ELISABETHANDRE,Ein Königshof auf Reisen. Der Kontinentaufenthalt Eduards III. von England 1338-1340, Köln - Weimar - Wien 1996, S. 195.69 Konstanz 1417 Febr, 11: Rl XIl, wie Anm. 56, Nr. 2066. Nur wenige Wochen zuvorharte er vom polnischen König einen ausgestopften Auerochsen zum Geschenk be-kommen, ebenda, RI XII Nr. 2064a.

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wollte er den Schenker nicht blossstellen." So zeigt sich hier bereits dieMöglichkeit, durch Geschenke den Beschenkten unter Druck zu setzen, woraufspäter noch zu kommen sein wird. Ohne weitere Vorbehalte erhält indes KaiserManuel II.Palaiologos in einer ganz ähnlichen Situation (ein Kaiser besucht denKönig von Frankreich) 1400 bei seinem Einzug in Paris ein weisses Pferd."Auf die Bedürfnisse des geselligen Umgangs Adliger an spätmittelalterlichenKönigshöfen abgestimmt sind Tiergeschenke wie das bereits erwähnte Rudeledler Jagdhunde samt Treiber.72 Bei der Gelegenheit, als König Sigismund 1397Käsmark (Kezmarok) in der Zips die unterschiedlichen Pferderassen erhielt,schenkte ihm der Herzog von Polen auch eine umfangreiche Jagdausrüstung: 12Graufalken, 12 Handfalken (abgerichtete Beizvögel), 12 nussbraune Habichte... 12 Hunde, die die Falkenjagd unterstützen, ... 12 auf Geräusche abgerichteteHündchen (12 ruschen spitzende Huendichen)."

Darüber hinaus vergass man auch nicht, Geschenke zu machen, die sowohlrepräsentativen und ästhetischen Ansprüchen genügten wie auch einenpragmatischen Zweck erfüllten: Edle Tücher, Decken, Stoffe. So werden fürSigismund als Geschenk "zwanzig weiße Handtueeher mit golde gene it und eintischtuch mit golde gene it und ein koestlich hanttuch mit golde gene it mittresenen und zehen langer weisser tischtueeher" genannt. Zu Geschenken, dieGebrauch im herrschaftlichen Alltagsleben finden konnten, zählten beispiels-weise ausgesuchte Kleidungsstücke: Sigismund bedankt sich beim polnischenKönig für warme Wintersachen."

70 MARTINKINTZINGER,Der weiße Reiter. Formen internationaler Politik im Spätmit-telalter, in: Frühmittelalterliche Studien 37, 2003, S. 315-353.7l Am 3. Juni 1400 wurde er in Charenton bei Paris von den Brüdern des Königs undvor der Stadt von Karl VI. selbst empfangen. Zum gemeinsamen Einzug erhielt er einweißes Pferd, Jean Jouvenel des Ursins, Histoire des Charles VI. ed. JOSEPHFRANI;OISMICHAUD- JEANJOSEPHFRANC;OISPOUJOULAT(Nouvelle collection des memoirespour servir it I'histoire de France, depuis IeXIIIe siecle jusqu'ä la fin du XVIIIe 2) Paris1836, Bd. I, S. 418.72 Johannes von Viktring, Liber certarum historiarum, ed. SCHNEIDER(wie Anm. 67)Bd. I, S. 361.73 VONASCHBACH(wie Anm. 65) Bd. 1, S. 454-456; Geschenkliste Beilage 18; .Diß istdie Schenke die Herzoge Wittolt von Polanden dem Konig Sigmund det: ist hie ver-zeichnett: 12 Grisfalken, 12 Hantfalken, 12 nuissen hebich, 12 Buckler, 12 Schilt, 12dirre Spieße, 24 Schutzlanzen, 12 Hindei die den Falcken helffen, 12 zeltende Pferdemit satteln und gold beschlagen, 12 trabende pferde, 12 laufende pferde, 12 hute mit zo-bel undertzogen deren zwenn waren mit perlein geneit, 12 ruschen spitzende Huen-dichen, 12 par Hentschuche, die mit Marder waren unterzogen, 12 par schoberlige, derwaren vir par mit perlein geneit, 12 seiden lidesten rocke, 12 siden Duecher, 12 Dep-pich, 1200 Zobel, 1200 Hermel, 1200 tocke, 1200 ruschen teschen mit Silber beschla-gen und uebergoldt, 12 par Messere mit Silber peschlagen und überguldet, 4 Jaghoemermit Silber beschlagen und überguldet."74 RI XI, 1 (wieAnm. 56) Nr. 2669.

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Zuletzt seien Lebensmittelgeschenke erwähnt, die sicherlich einen großen Teilder überbrachten Gaben ausmachten, auch wenn darüber weniger Hinweiseerhalten sind. In der Regel scheinen "dauerhafte" Objekte bevorzugt worden zusein. Verschiedentlich ist nachweisbar, dass Wein verschenkt bzw. ein reisenderHerrscher mit Proviant versorgt wurde." Einige Fälle sind indes überliefert, woausgefallene Früchte als Gastgeschenk mitgebracht wurden: als beispielsweiseim Januar 1281 die Könige Peter III. von Aragon und Jakob I. von Mallorca zuKönig Philipp III. von Frankreich nach Toulouse kamen, verteilten in einerfeierlichen Prozession 400 Diener von ihren Mauleseln Feigen, Datteln, Rosinenund Granatäpfel aus Spanien, auf die die Franzosen "ganz versessen" ("desi-josos") gewesen seien." Derartige aufmerksame Gefälligkeiten sind nur in denseltensten Fällen überliefert. Soweit es sich um Früchte handelt, ist ein weiterTransport eher unwahrscheinlich. Ein großzügiges Verteilen von Wein oder dasWerfen von Münzen (auch im Herrschaftsbereich eines anderen Königs) scheintwesentlich häufiger vorgekommen zu sein, doch nicht weiter als berichtenswert

d . 77erachtet wor en zu sein.Die häufigste Form von Lebensmittelgeschenken war wohl die Einladung zueinem Gastmahl. Doch bleibt zu fragen, inwiefern Speisen, mit denen ein fürst-licher oder königlicher Gast beim gemeinsamen Festmahl bedacht wurde, mitder Bezeichnung Gabe bzw. Geschenk treffend kategorisiert werden. Dochwaren gerade Gastmähler als Würdigung des Gegenübers enorm kostspielig. Beieiner Begegnung übertrafen die Ausgaben für die Festessen jene für verschenkteObjekte bei weitem.Der bisherige Blick auf den Objektcharakter der Geschenke offenbart bisweilenderen materiellen Wert, verbirgt indes die zeitgenössische Wertschätzung. Durchdie persönliche Übergabe oder Widmung konnte der imaginäre Wert einesObjektes noch gesteigert werden. So kann eine Auswertung des Gabentauschskeinesfalls auf die rein materiellen Werte beschränkt bleiben. Vielmehr sind dieUmstände zu berücksichtigen, in deren Kontext eine Gabe verschenkt wurde,der Vorgang und Ablauf der Übergabe ist gewissermassen als eigener, (sinn-stiftender?) Akt zu betrachten.

75 William de Norwell, The Wardrobe Book (wie Anm. 68) S. 87-90.16 BERNATDESCLOT,Crönica 0 llibre dels rei en Pere de Bernat Desclot, in: FERRANSOLDEVILA(Hg.), Jaume I, Bernat Desclot, Ramon Muntaner, Pere III. Les quatre gransCroniques (Biblioteca Perenne 26) Barcelona 1971, S. 403-664, hier S. 465: "Quan 10rei hac estat dos joums en Tolosa, feu bastir un taulat, e trase al taulat ab tots soscavaliers e bornaren; e el rei dona grans dons a cavaliers e a joglars, e dona als gransbarons ries cavalls e moltes fruites que havia fetes portar de sa terra, de les quais erenlos rranceses desijosos, e molts confits."77 GERRITJ. SCHENK,Zeremoniell und Politik. Herrschereinzüge im spätmittelalterli-ehen Reich (Regesta Imperii Beihefte 21) Köln - Weimar - Wien 2003, insb. S. 301 f.

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Formen der Übergabe, oder: Wie geschenkt wird

Bei einer Bewertung verschiedener Aspekte der Übergabe von Geschenkenkönnte man zunächst von einem selteneren, nahezu options losen Rahmen derÜbergabe ausgehen, der bei der Wahl der Einzelheiten kaum Gestaltungsfreiheitbietet, da auf jedem Detail besondere Aufmerksamkeit liegt. Das Gegenteil wäreeine sehr informelle, geradezu fast beliebige Art des Schenkens, bei der wesent-lich grösserer Handlungsspielraum gegeben ist. Die erste Form findet man inAnsätzen dort, wo ein Geschenktausch als Teil einer diplomatischen Missionvonstatten geht, um eine prekäre Situation zu lösen, meist um zwei verfeindeteParteien im Rahmen eines Friedensprozesses zu versöhnen. Durch Geschenkekonnte in einem zwischen den Fronten verhärteten KommunikationsverhältnisGutwilligkeit demonstriert werden, ohne bereits Inhalte anzusprechen.Allerdings sind wir über die diplomatische Praxis von Unterhändlern seltenunterrichtet, und zwischen Unterhändlern tauschte man üblicherweise keineGeschenke aus." Sie waren Ausdruck des Wohlwollens unter Herrschern."

Ausführlicher sind wir über die Umstände unterrichtet, bei denen sich Herrscherwährend eines Konfliktes in friedensbringender Absicht persönlich gegen-übertraten. In angespannten Situationen waren Geschenke ein Mittel zur Ent-spannung, ja möglicherweise sogar Ablenkung. Ein Beispiel aus dem Hundert-jährigen Krieges während dem unzählige Versuche unternommen wurden,Frieden zu stiften, sei im Folgenden dargestellt. Im Oktober 1396 kam es zueiner Begegnung von Karl VI. von Frankreich und Richard II., König vonEngland, zwischen dem englischen Calais und dem französischen Ardres. Derzeitgenössische Historiker Jean Juvenal des Ursins berichtet vom sich an-bahnenden Frieden, der sich regelrecht im geebneten Lauf des Geschenkflussesentwickeln konnte. Nach reichhaltigem Austausch von Gaben durch Gesandte,einer ersten Begegnung, bei der man sich kleinere Geschenke überreichen ließ,kam es zum als Höhepunkt stilisierten Treffen, bei dem noch vor derAusfertigung des Friedensvertrags die Friedensbereitschaft signalisiert wurde:

"Und als Zeichen seiner Liebe und seiner Hochschätzung schenkte derKönig [Karl VI.] dem König von England einen sehr schönen Pokal ausGold, besetzt mit Edelsteinen und ein Gefäß, um Bier zu trinken miteinem weiteren Gefäß um Wasser zu gießen, die alle mit wertvollenSteinen besetzt waren; diese Geschenke nahmen sie wohlwollend an

78 KrNTZINGER (wie Anm. 27), erwähnt in seiner detaillierten Studie keine derartigenGeschenke.79 Zu Geschenken von Unterhändlern und Vermittlern im Spätmittelalter zuletzt: HER-MANN KAMP, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter (Symbolische Kommuni-kation in der Vormoderne) Darmstadt 2001, sowie: NICOLAS OFFENSTADT, Faire la paixau moyen age. Discours et gestes de paix pendant la guerre de Cent Ans. Paris 2007,insb. S. 208f.

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und aufgrund der Überredung der anwesenden Fürsten und Herrenleisteten sie sich gegenseitig einen Eid und versprachen der eine demanderen, dass wenn Gott ihnen die Gnade gewähre, zu einem guten undendgültigen Frieden zu gelangen, so würden sie dies unternehmen. ,,80

Die Geschenke nehmen in gewissem Sinne im Ablauf des Friedenszeremoniellseine Sonderstellung ein. Denn Juvenal des Ursins erwähnt eine Vielzahl von aufGleichwertigkeit und Gleichrangigkeit bedachten, minimalen Schritte desAufeinanderzubewegens im Niemandsland zwischen englischem und fran-zösischem Territorium. Angefangen vom Beziehen der Lager, dem,,Aufeinanderzureiten" durch die Könige, dem gleichzeitigen Absteigen, demgemeinsamen Trunk und der gemeinsamen Einnahme von Konfekt im neutralenKreis bis hin zur Abstimmung der gleichwertigen und gleichfarbigen Gewan-dung der Könige hatte man darauf geachtet, dass keiner einen Vorsprunggegenüber dem anderen habe. Hingegen bleiben in diesem nahezu optionslosenRahmen des Friedenszeremoniells die Geschenke weiterhin nur zu einembestimmten Grad festlegbar. Man schenkte jeweils ein Trinkgefäss und einGefäss fur Wasser, was offensichtlich abgesprochen war. In der individuellenAuswahl der Beschaffenheit der Geschenke blieb ein letzter Raum zur freienGestaltung. Dieser scheinbar bewusst genutzte Gestaltungsspielraum erinnert andie Freiwilligkeit ja möglicherweise sogar Bedingungslosigkeit, die in einemGeschenk innewohnen, nämlich nicht als "Bezahlung" sondern "frei" gegebenzu sein.Einschränkende Rahmenbedingungen politisch-militärischer Art, konnten aller-dings auch dort vorherrschen, wo sich nicht gleichrangige Herrscher gegen-übertraten, sondern ein asymmetrisches Verhältnis vorlag. Ein opulenter Ges-chenkfluss in beide Richtungen kam nun zur Anwendung, um möglicherweiseeine offensichtliche Ungleichheit zu kompensieren. Die Grundvorstellung,durch die Übergabe von Geschenken Friedensprozess fördern zu können, findetsich auch bei Königen, die in Gefangenschaft geraten waren. So erhielt der inder Schlacht von Poitiers gefangen genommene Johann II. (der Gute) von

80 Jean Jouvenel des Ursins, Histoire des Charles VI. (wie Anm. 71) Bd. I, S. 405: .Eten signe d'amour et de dilection donna Ie Roy au roy d'Angleterre une tres belle coupped'or, gamie de pierres pretieuses, et une aiguiere. Et aussi le roy d'Angleterre luy donnaun tres-beau vaisseau ä boire cervoise, avec un vasieau ä boire cervoise, avec un vaiseauaussi a mettre eaüe, gamis de pierres pretieuses, lesquels dons ils receurent benigne-ment, en au moins par la persuasion des princes et seigneurs presens, ils jurerent etpromirent I'un Ii I'autre que si Dieu leur donnoit grace de venir a bonne et finale paix,qu'ils fonder?ient [... ]." Nach der.Sti~g ein~r gem~ins~~n ~apelle zur Erinneru~gan diesen Fneden erfolgten Festlichkeiten, bel der die Königreiche erneut durch dieVerheiratung der Nachfolger verbunden wurde und weitere Geschenke ausgetauschtwurden: .Et au partir Ie Roy donna ä son fils une nef d'or, de grand poids, gamie depierres qui estoient de grand prix, laquelle il prit en le remerciant." Dazu auch: OFFEN-STADT (wie Anm, 79) S. 154f.

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Frankreich bei seinem Einzug am 24. Mai 1357 in London von Eduard III.reiche Geschenke. Im Gegenzug brachte aber auch der Gefangene eine großeAnzahl an (nicht näher identifizierbaren) Geschenken mit, die er seinemGastgeber bzw. obersten Wächter und Richter übereignete."

Unter alliierten Monarchen, vor allem unter solchen, die auf eine Intensivierungder Allianz hofften (sei es gegenüber einem feindlichen Dritten, sei es auspolitisch-dynastischen Überlegungen) konnte es zu einem verschwenderischanmutenden Geschenktausch kommen. Dabei verliert jede Unterscheidung vonGabe und Gegengabe an Aussagekraft. So erhielt Eduard III. bei seiner Reise zuseinem Allianzpartner Kaiser Ludwig dem Bayern im Jahre 1338 auf der Reiseentlang des Rheins Richtung Koblenz reiche Weingeschenke (ca. 900 Liter)sowie gebührend wertvolle Lebensmittel zur Verpflegung des Königs und desTrosses.82 Nahezu täglich wurden dem Ankömmling und dem in Koblenz war-tenden Gastgeber Geschenke wie kunstvoll bestickte, zweiteilige Roben,Waffen, Pferde und Falken entgegengesandt.f Der Höhepunkt in Koblenzbestand aus der persönlichen Übergabe von Geschenken während und zum Ab-schluss der Begegnung - in deren Rahmen ein gemeinsamer Feldzug gegen denKönig von Frankreich beschlossen wurde, bei der Ludwig der Bayer einenwesentlich höheren Anteil an Kriegern stellen sollte, England dafür 100 000Pfund rheinischer Währung zahlen würde. Geschenke sollten hier die Bereit-schaft und Fähigkeit zu noch weit umfänglicheren Ausgaben signalisieren. Indiesem Sinne konnten sie durchaus als Demonstration der eigenen Kreditwür-digkeit gesehen werden.

Wie bisher erörtert, spielen nicht nur die Geschenkauswahl und der politischeKontext eine Rolle, sondern auch die Zeremonien und Rituale einer Übergabe.Die persönliche Präsenz und eigenhändige Überreichung vor Zeugen steigerteden Effekt und verlieh dem Akt der Übergabe etwas Dauerhaftes. Eine öffent-liche Zurschaustellung der Geschenke förderte zusätzlich das persönlichePrestige bei Hofangehörigen und Zuschauern. Die zahlreichen Goldobjekte,Waffen und das Rüstzeug, die Sigismund im Januar 1429 in Luck (Luck) in derheutigen Ukraine von Großfürst Witold von Litauen erhielt, wurden auf einemTisch mehrere Tage lang präsentiert. Hinter dem Treffen stand der Plan, dasGroßfürstentum Litauen zum Königreich zu machen, doch hatte Sigismund mitdiesem Projekt keinen Erfolg.84 Eine eigene "Schenkbank" - also jener Tisch,auf dem die Geschenke aufgestellt wurden - wird erwähnt, als sich im Februar1470 König Matthias Corvinus von Ungarn und Kaiser Friedrich III. in Wientrafen. Die bisher verfeindeten Herrscher zeigten sich in Begleitung von

81 Dazu ausführlich SCHWEDLER(wie Anm. 28) Nr. 122.82 NORWELL(wie Anm. 68) S. 87-90.83 ANDRE(wieAnm. 68) S. 194 mit einemVerzeichnis der Geschenke.84 Luck, 23. Januar 1429, JANDt\BROWSKIu. a. (Hgg.), Ioannis Dlugossii Annaies seuCronicae incliti Regni Polonia, hg. von Bde 1-12, Warschau 1964-2005, BuchlLiber II(1413-1430) 2000, S. 254f.; dazu: HOENSCH(wie Anm. 52) S. 347-349.

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angesehenen geistlichen und weltlichen Landherren aus Ungarn und derwichtigsten Mitglieder der Grünberger Liga versöhnlich und die zeitge-nössischen Beobachter konnten ihr Erstaunen über die demonstrative Herz-lichkeit und Verbundenheit der beiden gekrönten Häupter kaum verbergen. ÜberMatthias wird berichtet: "der konig hatte uf seiner schenkbank 336 stuckeilbe hers" 85SI rgesc ers .

Bisweilen ist das Schenken auch Teil eines Zug-um-Zug Verfahrens überMonate, das sehr an die Abwicklung eines Geschäfts erinnert. Als im Dezember1356 Kaiser Karl IV. und der französische Thronfolger Karl (der spätere V.) inMetz zusammentrafen, befand sich das französische Königtum in einerbedrängten Lage. König Johann der Gute lebte schon jahrelang in Gefangen-schaft in England - und der Thronfolger konnte das von den Kriegen belasteteKönigreich nicht ungehindert leiten, de jure war ja sein Vater noch König undoberster französischer Herrscher und Feldherr/" Bei einer Begegnung in Metzstellte er Karl IV. im Mai 1356 eine Urkunde aus, kraft derer er ihm zweiDornen zum Geschenk machte, welche der Erzbischof von Rouen der in derköniglichen Kapelle zu Paris aufbewahrten Dornenkrone Christi entnommenhatte. Die Leidenschaft des Kaisers, für das Sammeln von Reliquien, war all-gemein bekannt. Gegenleistung waren wohl mündliche Zusagen des KaisersFrankreich im Kampf gegen England zu unterstützen. Am 22. Dezember wur-den dem Kaiser eine Dorne und überdies ein mit Edelsteinen und Perlen be-setztes Schwert im Wert von 18.000 Goldgulden überreicht."

Sucht man nach Gemeinsamkeiten von Konstellationen, in denen besondersviele oder besonders wertvolle Geschenke ausgetauscht wurden, finden sich(handfeste) politische Gründe, die den betriebenen Aufwand rechtfertigen. Wiederartige Motive die Art des Schenkens beeinflussten, soll an einigen Beispielendemonstriert werden. Dabei stellt die Tatsache, dass Geschenke an sich nichtselbst erklärend sind, sondern als Gunstbezeugungen Interpretationsspielraumoffen lassen und selbst eine eindeutige hintersinnige Absicht bewusst ver-schleiern können, ein methodisches Problem dar. Nur zu sehr wenigen Geschen-ken ist ein Begleitschreiben erhalten, in denen die Intentionen des Schenkerseindeutig formuliert werden. Doch auch in solchen Fällen ist nicht mit

85 INGEBORGMOST-KoLBE (Hg.), Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III.Achte Abteilung, Teil I: 1468-1470, Göttingen 1973, Nr. 34c, S. 124; JÖRG K.HOENSCH,Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und Mäzen, Graz - Wien - Köln1998, S. 112-114.86 HENRIMORANVILLE(Hg.), Chronographia Regum Francorum, Bd. 2, Paris 1893, S.263; FRANCOISEAUTRAND(wie Anm. 50) S. 259-262; EMILWERUNSKY,GeschichteKaiser Karls IV. und seiner Zeit, Bd. 3, Innsbruck 1892, S. 150-152 und I54f. und 167-171.87 BERND-ULRICHHERGEMÖLLER,Der Abschluß der "Goldenen Bulle" zu Metz1356/57, in: FRIEDRICHBERNWARDFAHLBUSCH- PETERJOHANEK(Hgg.), Studia Lu-xemburgensia. Festschrift Heinz Stoob zum 70. Geburtstag (Studien zu den Luxembur-gem und ihrer Zeit 3) Warendorf 1989, S. 123-232.

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Sicherheit zu sagen, ob diese auch tatsächlich die maßgeblichen Gründe fur dieÜbersendung von Geschenken waren. Ein Beispiel hierfür sind die Geschenke,die König Matthias Corvinus von Ungarn im September 1486 W1adyslaw vonBöhmen in Iglau/Jihlava überbringen liess. Sie dienten als förmliche Ent-schuldigung fur seine achtwöchige Verspätung, das Treffen war für den 29. Junivorgesehen gewesen/" König Matthias Corvinus eigentliches Ziel bei der Zu-sammenkunft war jedoch ein Bündnis zwischen Ungarn und Polen. Diepolnische Seite stand dem Bündnis noch zögerlich gegenüber. Nur wenigeweitere Schriftstücke sind erhalten, die im Rahmen einer Versendung vonGeschenken erstellt wurden und die über floskelhafte Formeln hinaus Einblickein die Geschenkpraxis ermöglichen. Eine Analyse spätmittelalterlicher, diplo-matischer Schreiben, die königliche Geschenke erwähnen, steht allerdings nochaus.

Geschenke, deren Intention ohne grosse Gefahr von Fehlschlüssen zu deuten ist,sind serielle Geschenke, die nicht nur an einen einzelnen sondern an eine ganzePersonengruppe verteilt werden. Wenn Personengruppen beschenkt werden, dieeinen funktionalen Zusammenhalt haben, so richtet sich das Geschenk an diePosition, das Amt oder die Stellung. Geschenkserien, die mit dem größten undaufwendigsten Geschenk den Herrscher bedenken um dann weiter, der ab-steigenden Hierarchie angepasst, an Herzöge, Fürsten und Adlige verteilt zuwerden, deuten auf den Versuch einer Einflussnahme auf Amts- und Funktions-inhaber. Dies geschah beispielsweise, als sich der französische Hof und derrömisch-deutsche Königshof im Quatre- Vaux trafen. Erhalten ist eine Liste mitGeschenken an König Albrecht I. von Habsburg, die Adligen und Hofbe-diensteten, die Philipp IV. von Frankreich angeblich zu bestechen suchte."Doch finden wir auch in anderen Fällen Geschenke an hochstehende Reichs-

88 Zu den Vorgängen und Verzögerungen (wegen langer Krankheit und der durchKampfhandlungen im nördlichen Niederösterreich) und einer Zusammenstellung derQuellen: HOENSCH(wie Anm. 85) S. 209f.89 Fritz Kern spricht in diesem Zusammenhang von Bestechung, um die deutsehe Seitezur Einwilligung in die neue Grenzziehung zu bewegen; auch der Reimchronist Ottokarunterscheidet in seiner Reimchronik diesbezüglich zwischen Bestechungsgeschenkenund den (üblichen) Ehrengaben an Albrechts Gefolge (vgl. JOSEPHSEEMÜllER [Hg.],Ottokars Österreichische Reimchronik [Monumenta Germaniae Historica, DeutscheChroniken 5/1, 2] 2 Bde., Hannover 1890/93 S. 991, V.75164f.; FRITZKERN, Die An-Hinge der französischen Ausdehnungspolitik bis zum Jahre 1308, Tübingen 1910,S.206f.; eine andere Sichtweise findet sich z.B. bei ALFREDHESSEL, Jahrbücher desDeutschen Reiches unter König Albrecht 1. von Habsburg (Jahrbücher der deutschenGeschichte 21) München 1931, S.85, der den Gedanken einer möglichen Bestechungder deutschen Seite zurückweist. Zur Geschenkliste: YVONNELANHERS,Le dossierd'Albert d'Autriche aux Archives et Ii la Bibliotheque Nationale, in: LEO SANTIFALLER(Hg.), Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- undStaatsarchivs. Wien 1949, Bd. I,S.441--457.

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fürsten und eine große Zahl der Hofbeamten." So ist abzuleiten, dass diegesamte Gruppe politischer Funktionsträger beeinflusst werden sollte, denn dasModell einer gleichwertigen Gegengabe, also einem materiellen Ausgleich, warhier von vornherein nicht beabsichtigt. Bei dieser Art des Schenkens sind dieÜbergänge zu Bestechung und Korruption fliessend, die Motivation des Gaben-tauschs scheint im Schaffen von Geneigtheit zu liegen." Ganz bewusst wird insolchen Fällen an die Dankbarkeit und das "In der Schuld stehen" derBeschenken appelliert, was sich fur den Schenker durchaus als praktischeNutzen "auszahlen" kann.Vor allem die hochrangigen Treffen boten Gelegenheit für einen schier nie ver-enden wollenden Austausch von Geschenken. Selbstredend entsprach es denhöfischen Formen, sich mit einem Gegengeschenk zu bedanken. Je nachSituation konnte allerdings auch ein Brief des Dankes ausreichen. So genügteoffenbar ein Schreiben Kaiser Sigismunds von Luxemburg an König Wladislawvon Polen, als angemessenen Dank für die übersandten Geschenke." Gerade imHinblick auf die in Briefen erwähnten oder angedeuteten Geschenke sind diediplomatischen Korrespondenzen von Herrschern zwischen persönlichem undoffiziellem Schreiben noch intensiver auszuwerten.

Warum soßte man schenken: Fürstenspiegel und die Ansätze einermittelalterlichen Theorie der Gabe

Die Untersuchung der unterschiedlichen Facetten des geradezu überbordendenGeschenkverhaltens von Königen und Fürsten konnte veranschaulichen, wieprominent und bewusst Geschenke im auswärtigen Verkehr eingesetzt wurden.Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, inwieweit eine derartige Geschenk-praxis auf heute noch erhaltenes Buchwissen zurückgehen kann, insbesondereinwieweit Fürstenspiegelliteratur diesen Aspekt der Herrschaftspraxis zuerfassen vermochte oder gar normativ vorformulieren konnte. Denn die Texte,die für die Unterweisung der Herrscher gedacht waren, wurden bisweilen mitdem Anspruch verfasst, bis zu einem gewissen Grad als Handbücher für gutes

90 Bei der Begegnung von Eduard IV. von England und Louis XI. von Frankreich imAugust 1475 zwischen Picquigny und Amiens liess der französische König großzügigeGeschenke an die wichtigsten Mitglieder von Eduards Entourage verteilen, so z.B. anHerzog Richard von Gloucester. Vgl. JOSEPHCALMElTE- GEORGESDURVILLE(Hgg.),Commynes, Philip de. Memoires. 3 Bde. (Classiques de I'Histoire de France au MoyenAge) Paris 1924--25, Bd. II, S. 52 und 241f.91 Zuletzt ausführlich: VALENTINGROEBNER,Gefährliche Geschenke. Ritual, Politikund die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und amBeginn der Neuzeit, Konstanz 2000.92 Regesta Imperii (wie Anm. 56) RI XI, I, Nr. 2669: BriefSigismunds an Kg. Wladis-law von Polen, 1417 Nov. II.

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Regieren genutzt zu werden." Zuweilen wurde vorgegeben, geheimesHerrschaftswissen - die arcana imperii - preiszugeben." Der orientalische Für-stenspiegel "Secretum" bzw. "Secretum secretorum" wurde um 975 erstmals imArabischen im Textkern erstellt, zu dem verschiedene Zusätze hinzukamen. Eserfolgten unterschiedliche Übersetzungen ins Lateinische und vor allem in derVersion des Klerikus Philipp (vor 1243) erfuhr der Text enorme Verbreitungdurch weitere Übersetzungen, Bearbeitungen, Fassungen und Kommentare indie europäischen Volkssprachen." Wilhelm Berges stuft diesen Fürstenspiegelals eines der meist gelesenen Werke des Mittelalters ein." Neben gebräuch-lichen Ratschlägen, wie man solle sich selbst beherrschen, das eigene fürstlicheWort nicht entehren, Ratgeber vorsichtig auswählen, Frauen keine Geheimnisseanvertrauen und ähnlichem mehr, enthält der arabische Spiegel auch astro-logische Einschübe und Hinweise zur Traumdeutung, was spätere Autoren wiebeispielsweise Roger Bacon oder Johann von Limoges als esoterische Herr-schaftsführung deuteten."Eine gewichtige Gruppe der Verfasser von Fürstenspiegeln im 13. Jahrhundertskommt aus Frankreich oder besitzt zumindest einen deutlichen Bezug dazu.Hierzu zählen der Franziskaner Guibert de Tournai, der zeitweise auch alsRatgeber für Ludwig IX. den Heiligen tätig war, mit seinem 1259 fertig ge-stellten Fürstenspiegel .Eruditio regum et principum", der Dominikaner Vin-

93 MICHELSENELLART,Les arts de gouverner. Du regimen medieval au concept de gou-vernement, Paris 1995, S. 158-179.94 STEVENJ. WILLIAMS,Giving Advice and Taking It: The Reception by Rulers of ThePseudo-Aristotelian Secretum Secretorum as a Speculum Principis, in: CARLACASA-GRANDE- CHIARACRISTIANI- SILVANAVECCHIO(Hgg.), Consilium. Teorie e pratichedel consigliare nella cultura medievale, Florenz 2004, S. 139-180; ERNSTHARTWIGKANTOROWICZ,Mysteries of State: An Absolutist Concept and its Late Mediaeval Ori-~ins, in: The Harvard Theological Review 48, 1955, S. 65-91.5 ROBERTSTEELE(Hg.), Secretum secretorum cum glossis et notulis: tractatus brevis etutilis ad declarandum quedam obscure dicta Fratris Rogeri, Oxford 1920; dazu: REGULAFORSTER,Das Geheimnis der Geheimnisse: die arabischen und deutschen Fassungendes pseudo-aristotelischen "Sirr al-asrär/Secretum secretorum", Wiesbaden 2006; WIL·LIAMF. RYAN- CHARLESB. SCHMITT,Pseudo-Aristotle: the "Secret of secrets": sourcesand influences (Warburg Institute surveys 9) London 1982.96 BERGES(wie Anm. 2) S. 109f.; GUNDOLFKEIL, Art. 'Secretum secretorum', Ver-fasserlexikon 11, 2004, Sp. 1402; REGULAFORSTER,Enzyklopädie oder Fürstenspiegel?Arabische, lateinische und deutsehe Fassungen des pseudo-aristotelischen Secretum Se-cretorum, in: PAULMICHELMADELEINEHERREN- MARTINRÜESCH(Hgg.), Allgemein-wissen und Gesellschaft. Akten des internationalen Kongresses über Wissenstransferund enzyklopädische Ordnungssysteme, Aachen 2007, S. 257-273, online unter:www.enzvklopaedie.chlkongress/aufsaetze/forster.pdf; 10.05.20 IO.91 BERGES(wie Anm. 2) S. 110.

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zenz von Beauvais, "Oe morali principis institutione" (entstanden um 1264),98oder der Autor des anonymen .Liber de informatione principum" (um 1300)99,der Dominikaner Thomas von Aquin mit dem Werk "Oe regimine principum"(1265/66)100 bzw. die Ergänzung durch den Dominikaner Ptolemaeus von Lucca(etwa 1302)101 und Aegidius Romanus (ca. 1277-79)102. Die beiden letztge-nannten markieren eine neue Richtung, da die Übernahme aristotelischerEthikvorstellungen in Kombination mit den scholastischen Methoden desHochmittelalters ein neues Modell der Herrscherberatung entstehen liess.l'" Im14. Jahrhundert ist vor allem eine starke Tendenz zur Übersetzung in Volks-sprachen wie auch die Zuspitzung auf einzelne Königreiche festzustellen. Dieseregionalen Texte weisen inhaltlich Übereinstimmungen mit den scholastischenKönigsspiegeln auf, in denen außer Person und Amt des Herrschers auch dieGrundlagen der Herrschaft erörtert waren.!" Themen wie die Organisation derHaushalte, aber auch Ansätze zu einer Verwaltungslehre werden in diesenSpiegeln ausgefuhrt, allerdings mit der klareren Vorstellung, partikulare Herr-schaft mit ihren regionalen Besonderheiten (Insellage, etc.) zu beschreiben.Hierzu zählen die zahlreichen Spiegel der iberischen!" oder italienischen'i"

98 ROBERTJ. SCHNEIDER(Hg.), Vinzenz von Beauvais, De morali principis institutione(Corpus Christianorum Continuatio Mediaeualis 137) Turnhout 1995; dt. Übersetzungin Auszügen in: ANTON(wie Anm. 4) S. 448-497.99 Liber de informatione principum (ca. 1298-1314), dazu: Lexikon des Mittelalters IV1989, Sp. 1046; eine Übersetzung durch Jean Golein, ed. 1517.100Zu Thomas von Aquin s. BERGES(wie Anm. 2) S.195-211; SENELLART(wie Anm.93) S. 158f.; TILMANSTRUVE,Die Begründung monarchischer Herrschaft in der politi-schen Theorie des Mittelalters, in: Zeitschrift für Historische Forschung 23, 1996, S.289-323; JOHNFINNIS,Aquinas. Moral, Political and Legal Theory, Oxford 1998.lOt Ausgaben: JOSEPHMATHIS(Hg.), De regimine principum, Turin 1948; De regno sivede regimine principum, in: JOHANNESPERRIER(Hg.), Thomas Aquinas, Opuscula om-nia, Vol. I, Opuscula philosophica, Paris 1949, S. 220-426.102 Zu Aegidius Romanus: BERGES(wie Anm. 2) S. 211-228; JÜRGENMIETHKE,DieLegitimität der politischen Ordnung im Spätmittelalter: Theorien des frühen 14. Jahr-hunderts (Aegidius Romanus, Johannes Quidort, Wilhelm von Ockham), in: BURKHARDMOYSISCH- OLAF PLUTA(Hgg.), Historia philosophiae medii aevi. Studien zur Ge-schichte der Philosophie des Mittelalters. Festschrift für Kurt Flasch, Amsterdam u. a.1991, Bd. 2, S. 643-674; SENELLART(wie Anm. 93) S. 180-205; ROBERTOLAMBERTl-NI, Tra etica e politica: la "prudentia" del principe nel "De regimine" di Egidio Romano,in: Medioevo. Rivista di storia della filosofia medievale 3, 1992, S.77-144; bes. S.126-143; GRAHAMJ. MCALEER, Giles of Rome on Political Authority, in: Journal of theHistory of Ideas 60, 1999, S. 21-35.103 Zu den Bezeichnungen s. BERGES(wie Anm. 2) S. 291ff. Nr. 3; Nr. 12; Nr. 17; Nr.19-20; Nr. 22; Nr. 33; Nr. 34; Nr. 44; BRUNOSINGER,Die Fürstenspiegel in Deutsch-land im Zeitalter des Humanismus und der Reformation, München 1981, S. 23f.104 ANTON(wie Anm. 4) S. 9f. u. 35f.105 JOSEMANUELNIETOSORJA,Les Miroirs de princes dans I'historiographie espagnole(Couronne de Castille, XIIIe-XVe siecles): tendences de la recherche, in: DE BENEDIC-TIS (wie Anm. 2) S. 193-207; RONALDW. TRUMAN,Spanish Treatises on Government,

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Halbinsel, Englands,':" Frankreichs. Im oberdeutschen Raum sind Österreichund Bayern zu nennen, allen voran Engelbert von Admont und Michael vonPragl08 sowie im niederdeutschen Raum vor allem Jean d' Anneaux.l'" JohannesCaligator, Levold von NorthofIO oder Philipp von Leyden'!'. Im IS. Jahr-hundert wächst die Liste für das Reich bereits auf 21 neu verfasste Spiegel an. lIZ

Im Norden findet sich der altnorwegische Konungsskuggsja, der ebensoregional und nicht mehr universal ausgerichtet ist. Dabei handelt es sich aller-dings nur dem Namen nach um einen Königsspiegel, richtet er sich doch vorallem an Adelige, die sich am königlichen Verhalten orientieren können sollten.Erklärt wird hierin beispielsweise, wie man dem König bei einer Audienz

. 113entgegentntt.

Society and Religion in the Time of Philip II: The "de regimine principum" and Associ-ated Traditions (Brill's studies in intellectual history 95) Leiden 1999, S. 21-27.106 QUENTIN SKINNER, The Foundations of Modem Political Thought, 2 Bde.,Cambridge 1978, Bd. I, S. 113-117; zuletzt: HANSHUBERTANTON, Petrarca und dieTradition der Herrscher- und Fürstenspiegel, in: ANGELAGIEBMEYER- HELGASCHNA-BEL-SCHÜLE(Hgg.), "Das Wichtigste ist der Mensch". Festschrift Klaus Gerteis (TriererHistorische Forschungen 41) Mainz 2000, S. 229-251, hier S. 237.107 GRAßNICK(wie Anm. 2) S. 39-44.108 Ediert ist bislang nur das erste Buch des Fürstenspiegels: Michael Pragensis, The Oequatuor virtutibus cardinalibus pro eruditione principium of Michael the Carthusian ofPrague, ed. WILLIAMGEORGESTOREY,Salzburg 1972; zuletzt mit ausführlicher Dis-kussion der bisher erschienenen Literatur: MICHAELHOHLSTEIN,'Clemens princeps':'Clementia' as a Princely Virtue in Michael of Prague's 'De regimine principum', in: BE-iczv -NEDERMAN(Hgg.) (wie Anm. 33) S. 201-217, insb. 203f.109 Der Fürstenspiegel "Oe regimine principum" des Jean d'Anneux (1320-29) ist nochnicht ediert, eine Zusammenfassung in: Histoire litteraire de la France XXXV, Paris1921, S. 455-462; N.N., Art. Jean d'Anneux, in: Lexikon des Mittelalters 5, 1995, Sp.336.110 Levold von Northof, Die Chronik der Grafen von der Mark, hg. von FRITZZSCHAECK(MGH SS rer. Germ. Nova Series 6) Hannover 1929, S. II, dazu: BERGES(wie Anm. 2) Nr. 39. Es entspricht der historisch-erzählenden Ausrichtung des Werksvon Levold, dass Geschenke nur im Rahmen einer tatsächlichen Begebenheit erwähntwerden, als im Jahre 1333 der Graf von Hennegau mit Friedensgesprächen mit KönigPhilipp VI. von Frankreich betraut war. Beim Abschluss des Friedens erhielt er multadonaria, S. 77.III Philippus de Leyden, De cura reipublicae et sorte principantis, hg. von ROBERTFRU-IN - PHILIPC. MOLHUYSEN,s'Grevenhage 1915; vgl. dazu BERGES(wie Anm. 2) S.348; ROBERTFEENSTRA,Philip of Leyden and his Treatise De eura reipublieae et sortepricipantis, Glasgow 1970; PIETH. DELEUPEN,Philip of Leyden: A Fourteenth-CenturyJurist. A Study of His Life and Treatise "De causa reipublicae et sorte prinicipantis", 2Bde., Den Haag - Zwolle - Leiden 1981.112 GEORGA. STRACK,Piety, Wisdom, and Temperance in Fifteenth-century Germany:A Comparison of Vernacular and Latin Mirrors for Princes, in: BEJCZY- NEDERMAN(Hgg.) (wie Anm. 33) S. 259-280, insb. 260f.113 RUDOLFMEISSNER(Hg.), Der Königsspiegel. Konungsskuggsja, Halle/Saale 1944,S. 31f.; Übersetzung der Passage in: JENSE. SCHNALL,Nunc te, fili carissime, docebo -

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Diplomatische Geschenke unter Königen im Spätmittelalter 171

Viele derartige Fürstenspiegel berühren Aspekte des Schenkens in verschiedenerWeise. Wie bereits eingangs erwähnt, wird das Schenken zunächst im Rahmender Überlegungen zur herrscherliehen Freigebigkeit behandelt. Diese Gedankengingen auf das antike Konzept der liberalitas zurück, das zu unterschiedlichemGrade durch die christliche Ethik überformt, in ein theologisches Weltbildeingefügt, durch exempla illustriert, scholastisch definiert, ethisch reflektiert wieauch unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet wurde.!" Viele Fürsten-spiegIer waren mittelbar oder unmittelbar vom Königs- oder Fürstenhof ab-hängig. Das Hervorheben der Freigebigkeit kann dabei durchaus im Eigen-interesse der von höfischen Spenden abhängigen Autoren des Spätmittelaltersgelegen haben, wenn es auch keine hinreichende Erklärung für die starkeBetonung iSt.115 Vielmehr scheint die prominente Rolle der liberalitas durch ihrezentrale Stellung innerhalb des Tugendkanons gegeben zu sein, an dem sichviele FürstenspiegIer orientierten. Dabei besitzt liberalitas noch nicht einmalden Rang einer der vier klassischen Tugenden, sondern wird meist alsBestandteil der prudentia/sapientia gedeutet. Michael von Prag erklärt inseinem Fürstenspiegel "De Quatuor virtutibus cardinali bus pro eruditioneprincipum" in welcher Weise das Schenken von Klugheit geleitet sein müsse.Der Fürst müsse stets danach urteilen, ob der Beschenkte blutsverwandt sei(man gebe mehr), arm sei (man gebe mehr), um welche Umstände es sich beimSchenken handele und welche Verdienste der Beschenkte habe (man gebemehr). Unter jeweiligen Umständen versteht Michael die Angemessenheit derGeschenke, also beispielsweise für den Armen Kleidung oder Lebensmittel, fürden ehrbaren Anhänger ein Pferd oder einen Gürtel, für einen tapferen Ritter einDorf oder Geschenk, für einen gelehrten Priester eine kirchliche Pfiünde.116

Generell widersprach der liberalitas das Laster der avaritia. Der Augustiner-

Anfang und Aufbau der Konungs skuggsjä, in: JENSEIKE SCHNALL- RUDOLFSIMEK(Hgg.), Speculum regale. Der altnorwegische Königsspiegel (Konungs skuggsjä) in dereuropäischen Tradition (Studia Medievalia Septentrionalia 5) Wien 2000, S. 63-89, hierS. 70, Anm. 26: "Und deshalb heißt es ,Spiegel des Königs', weil darin ebenso be-stimmt über das Verhalten der Könige wie anderer Leute geschrieben wird; er ist ja derhöchste dem Namen nach und er hat sich der besten Sitten zu befleißigen mit seiner Ge-folgschaft und allen den Männem seines Dienstes, damit alle anderen Leute an ihnenein gutes Vorbild haben für Besonnenheit, gutes Benehmen und alles sonstige höfischeVerhalten. "114 KLOFT(wie Anm. 8) S. 172-176.lIS ERICHKÖHLER,Ideal und Wirklichkeit in der höfischen Epik. Studien zur Form derfrühen Artus- und Graldichtung (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 97)Tübingen 1956, S. 22-33.116 MICHAELPRAGENSIS,The De quatuor virtutibus cardinalibus pro eruditione princi-pium (wie Anm. 108) cap. 1,15, S. 18If.: .pauperi vestem vel cibum, c1ienti honestoequum vel cingulum, militi probo villam vel donum, sacerdoti letterato beneficium ec-clesiasticum, et sic de aliis"

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Eremit Aegidius Romanus erklärt sie zum schlimmsten vorstellbaren Laster."?Gleichwohl sollte nie vernachlässigt werden, durch einen angesammeltenSchatz - den Staatsschatz - für Krisenfälle gewappnet zu sein. Unter anderembetont Ptolemaeus von Lucca (1236--1326/27), Bischof und Dominikaner, derdie Aufgabe übernommen hatte, den fragmentarischen Fürstenspiegel desThomas von Aquin fertig zu stellen, wie wichtig Reichtümer und Goldvorräteseien.i"Es konnte plausibel gemacht werden, dass innerhalb des Hofes die Geschenk-ströme ein stabiles soziales System abbildeten, das sie zugleich bestärkten, undbis zu einem gewissen Grade auch beeinflussen konnten.'!" Doch wird inverschiedenen Fürstenspiegeln auch vor negativen Folgen der /iberalitas desHerrschers bei Hofe gewarnt. Denn rasch konnte es dazu führen, dass Unwür-dige in den Genuss von Gaben kommen konnten. Man war sich bewusst, dassungerechtes Schenken nicht nur Verschwendung war, sondern eine gesellschaft-liche Gruppe von Schmeichlern und Nutznießern hervorbringen würde, die dieköniglichen Gaben nicht verdienten. Das einleitende Zitat des William Peralduswarnt dezidiert vor falschen Freunden, die wie Fliegen und Wölfe dem Königfolgen würden.!" Der Herrscher sollte seine liberalitas vor allem mit Bedachtausüben. Denn es widersprach dem Gerechtigkeitsgebot. wenn einige Wenige,die sich Freunde nennen, materiell vom Wohlstand am Königshof profitieren.Modern gesprochen geraten Privatinteressen mit den Interessen desGemeinwohls in Konflikt, wenn Besitz, der zum Regierungsamt gehört, an Per-sonen gelangt, die nichts mit den Regierungsaufgaben zu tun haben. Der Herr-scher darf nichts aus dem (ererbten) Krongut entfremden. Über die Möglichkeitder Einschränkung der Alienation des öffentlichen Besitzes wurde bereits imHochmittelalter, insbesondere in spätmittelalterlichen politischen Traktatennachgedacht.!" Durch Geschenke in amicablen Beziehungen verstößt ein König

117 Aegidius Romanus, De regimine principum, Roma 1609, lib. 8, cap. IV: "Quod nul-lum vitium pejus avaritia, nee amari posse qui suspectus est avaritiae: et de duplici fon-te liberalitatis: et uter sit potior: et de Considio et Gillia. Nee tamen, etsi prodiga/itasvideatur in culpa, locum arbitror avaritiae relinquendum. Nul/um enim vitium deteriusest, nul/um detestabilius, praesertim in his qui principatum, aut magistratum a/iquem inrepublica gerunt,"118 Diesemwidmet sich das ganze Kapitel des Ptolemaeus von Lucca, in: Thomae Aqui-natis, De regimine principum, ed. Joesph Mathis, wie Anm. 101, lib. 2, cap. 7: "Quodoportet regem abundare divitiis artificialibus, u test aurum et argentum, et numisma exeis conflatum"119 JANHIRSCHBIEGEL,Gabentausch als soziales System? Einige theoretische Überle-gungen, in: ULFCHRISTIANEWERT- STEPHANSELZER(Hgg.), Ordnungsformen desHofes, Kie11998, S. 44--55;DERS.(wie Anm. 27), S. 9-11.120 Vg!.William ofPagula, De speculo regis Edwardi III., wie oben Anm. l ,121 HANSMÜLLEJANS,Publicus und privatus im römischen Recht und im älteren kano-nischen Recht. Unter besonderer Berücksichtigung der Unterscheidung Ius publicumund Ius privatum. München 1961;. ERNSTHARTWIGKANTORowICZ,Inalienability. A

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Diplomatische Geschenke unter Königen im Spätmittelalter 173

gegen eine in allen Fürstenspiegeln stets prominent erwähnten ethischenPflichten, der aequitas, allen gegenüber gleich und gerecht aufzutreten. I22

Guibert de Tournai, der zeitweise auch als Ratgeber fur Ludwig IX. denHeiligen tätig war, befasst sich in seinem 1259 fertig gestellten Fürstenspiegeleingehend damit, dass insbesondere Ratgeber zu meiden seien, die habgierigseien und Geschenke zu sehr liebten.123 Der Fürst müsse sich demnach also beiseinen Ratgebern besonnen im Verteilen von Gaben zeigen. Noch Erasmus vonRotterdam urteilt über das Vergeuden von Geschenken: "Es befinden sich auchdie im Irrtum, die durch Geschenke, Gastmähler und verkehrte Nachgiebigkeitdas Herz der Menge gewinnen.v'j"

Von besonderer Bedeutung für die Beurteilung des theoretischen Schrifttumswie den Fürstenspiegeln zum Thema außenpolitische Geschenke ist, dass nichtweiter dargelegt wird, in welcher Form Freigebigkeit erfolgen sollte. Auch diebiblischen Paulusworte, dass Geben seliger als Nehmen sei, spezifizieren wederWert noch Häufigkeit des Gebens.!" Hierzu ist auch festzuhalten, dass Formenund Zeremonien der Übergabe in der Fürstenspiegelliteratur kaum Berück-sichtigung erfahren, während Art und Weise des Nahkampfs oder der Bela-gerung detailliert beschrieben werden, wie bei Aegidius Romanus im dritten Teilseines Fürstenspiegels. Ein Hinweis auf die Materialität der Geschenke oder gareine Aufzählung der Möglichkeiten unterbleibt. Aegidius Romanus streiftbeispielsweise den Begriff der "xenia" gar nicht. Bei Engelbert werden xenianeben genujlexiones als opera magnifica gezählt, die, wenn sie einem Fürstenentgegengebracht werden, als besondere Ehrung verstanden werden.l" Xeniasind also im Sprachgebrauch keine Transferleistungen, sondern sie demonstrie-ren Ehrerbietung.

Note on Canonical Practice and the English Coronation Oath in the Thirteenth Century,in: Speculum 29, 1954, S. 488-502.122 NORBERTHORN,Aequitas in den Lehren des Baldus (Forschungen zur neuen Privat-rechtsgeschichte II) Köln - Graz 1968; HANS-JÜRGENBECKER,Art. Aequitas, Lexikondes Mittelalters. Bd. I, 1980, Sp. 184-185.123 Guibert de Tournai, Le traite Eruditio Regum et Principum, ed. ALPHONSEDEPOOR-TER, Louvain 1914 (übersetzt in ANTON [wie Anm. 4] S. 288-447, hier S. 317: DerHerrscher muss achten, dass die Ratgeber nicht ungerecht sind, nicht Geschenke liebenund nicht habgierig sind). Dazu Johannes von Salisbury, Policraticus, wie Anm. 138, V9, S. 322: .Sed hoc est summopere eavendum principi, ne eius eonsiliarii sint iniqui, nemunera diligant et averitiae poena semper famelici, quae aliorum sunt, immoderatiuseoneupjseant. Impossibi/e est enim sequi iustitiam et pecuniam"124 Erasmus von Rotterdam, Institutio principis Christiani, (wie Anm. 18) S. 253:,,Fa/luntur et hi qui largitionibus, epulis. prava indulgentia sib; multizudinis animoseoneiliant. "125 Apg 20, 35: Paulus: "In allem habe ich euch gezeigt, wie man so durch Arbeit sichder Schwachen annehmen muss, eingedenk der Worte des Herrn Jesus, der gesagt hat:,Geben ist seliger als Nehmen. '"126 Engelbert von Admont, Speculum virtutum (wie Anm. 23), pars 8, cap. 2: S. 279.

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Immerhin konstatiert der Admonter Abt, dass es wichtig sei, in der Beziehungzu fremden Fürsten Geschenke einzusetzen. Dies weist auf eine weitere, vehe-ment vertretene Mahnung der Fürstenspiegel, nämlich der Aufforderung, Frie-den zu halten. Dieser mehr als plausible Wunsch wird in den meisten Spiegelnüber weite Passagen und mit vielen Beispielen ausführlich verhandelt. 127 DerFürstenspiegel des Dominikaners William Peraldus zeigt die besondere Nach-drücklichkeit, mit der der Herrscher vor dem Krieg gewarnt wurde. Im drittenBuch seines Werks "Oe eruditione principum" (1265) - lange Zeit als Pseudo-Thomas bezeichnet'<" - geht er auf die Pflichten des Herrschers ein. Anstatt dasser einen Krieg anfange, solle der Herrscher sich erst in Mäßigung des eigenenÄrgers üben.129 Der Friede sei wesentlich wichtiger als ein möglicher Ehrverlustoder Gewinn. Sollte es dennoch zu einem Kampf kommen, solle der Herrscherzumindest darauf achten, keine unnötigen Schäden zu verursachen, keine Städte,Dörfer oder Felder abbrennen lassen. Nach William Peraldus sei Frieden gemässdem oft bemühten Christus-Vorbild rascher durch Leiden zu erreichen sei, alsdurch Krieg.130

Wesentlich weniger ausfiihrlieh gehen Fürstenspiegel darauf ein, inwieweitGeschenke in Konfliktsituation von Nutzen sein können. Dabei fällt auf, dassder Kompromiss als Lösungsweg von Konflikten nicht erwähnt wird. Fürsten-spiegel raten den Fürsten und Königen, den Frieden zu bewahren und zu för-dern, gottesfürchtig und demütig zu sein sowie mit den Nachbarn in einemfreundschaftlichen und friedlichen Verhältnis zu leben, oder vehement durch

127 Kaum ein Fürstenspiegel führt die Forderung nach Frieden nicht an. Erwähnt werdensoll hier nur der Gedankengang von Juan Manuel (1327-30) in seinem einflussreichenLibro del Infante 0 el libro de los estados Cito por Don Juan Manuel. EI libro de los es-tados. Ed. IANR. MACPHERSON- ROBERTBRIANTATE, Madrid 1991, Kap. LXX, S.207-214, hier S. 207. Er argumentiert nicht nur, dass der Krieg Leben kosten würde,sondern eben auch teuer sei: Todos los sabieos dizen, et es verdad, que en la guerra aymuchos males; que non tan solamente el fecho, mas aun el dicho, es muy espantoso; da-zu: BERGES(wie Anm. 2) No. 30.128 MICHIELVERWEIJ,Princely Virtues or Virtues for Princes? William Peraldus and his"Oe eruditione principum", in: BEJCZY - NEDERMAN(Hgg.) (wie Anm. 33) S. 51-71,insb.51f.129 Guilleimus Peraldus, De eruditione principum, S. Thomae Aquinatis, opera omnia,ed. ROBERTBUSA, 7 vols, Stutgart 1980, VII, 89-121; die ältere Ausgabe Sancti Tho-mae Aquinatis doctoris angelici ordinis, 25 vols, Parma 1852-1873, Bd. 16, 1864, S.390-476, ist auch online einsehbar: www.corpusthomisticum.orglxreO.html[10.5.2010]vgl.: lib. 7 cap. 8: "Multum debet movere principem ad hoc quod guerram timeat, etquantum potest, caveat, hoc quod seit quod multa mala ex guerris sequuntur, et multobona impediuntur, et parvus vel nul/us fructus frequenter inde habetur".130 Ebenda, lib. 7 cap. 9: "Citius pervenit homo ad pacem patiendo, quam bellum fa-ciendo: et citius acquirit /argiendo quam auferendo".

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Diplomatische Geschenke unter Königen im Spätmittelalter 175

Kampf die eigenen Rechte zu verteidigen. Sie äußern sich indes nicht, wie einAusgleich gefunden werden kann.':"

Denkbar sind Geschenke im diplomatischen Feld, um friedliche Außen-beziehungen und Handel zu fördern. Doch im Bezug auf friedlichen Kontakt mitbenachbarten Reichen wird wenig über die Art und Weise zu machender Ge-schenke ausgesagt. Selten findet man Überlegungen, die über Allgemeinheitenhinausgehen, inwieweit mit benachbarten Reichen einvernehmlich aus-zukommen ist. Aegidius Romanus erwähnt die munera tatsächlich im Zusam-menhang mit guten Beziehungen nach außen: Statt Fremde zu schädigen solleman ihnen viel mehr Schutz bieten und sie beschenken.F" Daran ist eine vageVorstellung vom Nutzen positiver Außenbeziehungen zu erkennen. Auf denmöglichen Vorteil, den Geschenke an auswärtige Potentaten erzielen könnten,gehen die meisten Texte aber nicht ein. Im Gegenteil. Der Admonter Abt Engel-bert legt an einer Stelle mit einer Anekdote die Wirkungslosigkeit von xeniabzw, munera nahe. Er greift auf die Zeit von Kaiser Tiberius zurück. DiesemHerrscher, der zu den eigenen Truppen immer großzügig war, gingen einmal ge-rade dann die finanziellen Mittel aus, als er sich auf einem Kriegszug gegen dieBulgaren befand, die die Grenzen Griechenlands und das Umland Konstan-tinopels verwüsteten. In seiner Not wusste er weder ein noch aus. Durch desSchicksals Fügung fand er einen Hinweis, dass er ein Heiligengrab findenwürde. Am genannten Ort fand er Gold, das er jedoch nicht um des FriedensWillen den Bulgaren schenkte, sondern für die eigenen Männer und derenKamptbereitschaft verwendete. Der Lohn war, laut Engelbert, das prompteFriedensangebot der Bulgaren.i" Auch eine zweite Anekdote wird angefilhrt umZU belegen, dass munera zur eigenen Kriegsertüchtigung wichtiger, seien alsmunera an Fremde. Sigbert, ein König von Burgund kämpfte, so Engelbert,gegen den König von Frankreich. Tatsächlich handelte es sich hierbei um eine

131 Fürstenspiegel raten den Fürsten und Königen eher allgemein, den Frieden zu be-wahren und zu fordern, gottesfiirchtig und demütig zu sein sowie mit den Nachbarn ineinem freundschaftlichen und friedlichen Verhältnis zu leben, GRAßNICK(wie Anm. 2)S. 182. Als englisches Beispiel mag angeführt werden: THOMAS HOCCLEVE,The Regi-ment of Princes, Kalamazoo 1999: v, 5034-5036: "Thynges that leden men to pees beenthree:/ Conformyng in God, in ourself humblesse, I And with our neighburghes tranquil-litee." (zitiert nach http://www.lib.rochester.edu/camelot/Teamslhoccfrm.htm). Zu Hoc-eleve: GRAßNICK(wie Anm. 2) S. 86-94.132 Aegidius Romanus III, II, 19, I: .Rursus circa custidiam civitatis et regni non solumsunt adhibenda consilio propter ipsos cives vel propter eos qui sunt in regno: ne unusmiustificet in altum sed etiam propter ipsos extraneos. Considerandum enim est utrumregnum es aliqua parte possit invadi et per utrum a/iqua civitas regni ab extraneis pos-sit suscipere detrimentum. Ideo passagia portus introitus et cetera talia unde possuntextrinseci ad venire. Non sunt extraneis comittenda vel tribuenda sed sunt diligenter cu-stodienda vel munienda,"133 Engelbert von Admont, Speculum virtutum (wie Anm. 23) pars VIII, cap. 3, S. 280:,,Et mox thesauro in erarium publicum iIIato venerunt /ittere et legati Bulgarorum pa-cem offerentes et bellum cessavit et pecunia imperatori salva et intetra remansit."

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Geschichte aus Paulus Diaconus.!" und nicht um einen Sigbert sondern umKönig Guntram. Wieder fehlte das Geld. Im Traum erfuhr er von einem Schatz,den er auch fand und an das Heer verteilen ließ. Darauf zog der Feind ab. Nunblieb vom Schatz noch ausreichend, um es wiederum freigebig zu verteilen.

Die Aussage ist zwar subtil, doch eindeutig. Im Kontext auswärtiger Bezie-hungen - so der literarisch gebildete Engelbert von Admont - ist es besser, dasGold für die eigene Rüstung zu verwenden um den Feind abzuschrecken, alssich ihm durch Geschenke anzubiedern. Der Feind, der die Schlagkraft fürchtet,wird sich selbst um gute Beziehungen bemühen. Eine zweite Nuance wird nochdeutlich: Es ist besser, Geschenke an Nahestehende - innerhalb des Gemein-wesens - zu verteilen als an Aussenstehende, denen man unter Umständenbesser droht. Im Verhältnis von Königen anderer Reiche konnte zur Bezeich-nung eines nahen Verhältnisses durchaus der Begriff amicitia verwendet wer-den. Metaphorisch drückt dies das gegenseitige Wohlwollen der Vertreter zweierGemeinwesen aus.

Doch selbstverständlich war für das Auskommen der Einwohner zweier benach-barter Territorien nicht die zur Schau gestellte amicitia der Fürsten ausschlag-gebend. Usancen, Rechtsgewohnheiten, Absprachen und Bündnisse regelten denAustausch. Erasmus von Rotterdam sieht in der amicitia die denkbar unauf-wendigste Form einer Beziehung, sozusagen die Grundlage per se von Be-ziehungen: "Ebenso besteht zwischen guten und weisen Herrschern, auch wennes zwischen ihnen keinen Vertrag gibt, Freundschaft.v" Freilich wendet derHumanist in der darauf folgenden Passage die aus der Freundschaftstheoriebekannten Abstufungen der Freundschaft in amicitia zum Bruder, zu Ver-wandten, und zu affines (Geneigtej" auf die Nachbarterritorien an. Nichtunerwartet kommt er zu dem Schluss, dass einige besser, andere schlechter alsFreunde geeignet wären.!" Unbeantwortet bleibt indes die Frage, wozu dannnoch Geschenke nötig sind, wenn Freundschaft staatstheoretisch dasjenige ist,was anstrengungslos zu erreichen ist? Und widerspricht nicht der Auffassungvon amicitia, der Annahme, dass sie der Geschenke bedürfe? Diese Überlegungstellte bereits Johannes von Salisbury an, der im Spätmittelalter vielfachrezipiert wurde.'38 Er bezweifelte generell in seinem Werk Policraticus, dassFreundschaft zu anderen als "Guten" möglich wäre.

134 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, ed. GEORGWAlTZ,MGH SS rerum Lan-Il:0bardicarum,Hannover 1878, III. 34, S. 139f.3S Erasmus von Rotterdam, Institutio principis Christiani (wie Anm, 18) cap 8, 316-319, De foederibus: Ibidem inter bonos ac sapientes Principes, etiam si nullum interce-dat foedus, constat amicitia.136 Engelbert von Admont, De regimine principum (wie Anm. 21) IV, 26, S. 148.137 Erasmus von Rotterdam, Institutio principis Christiani (wie Anm, 18) cap 8, S. 316-319.138 Joannis Saresberiensis, Policraticus I-IV (Corpus Christianorum. Continuatio Medi-aevalis 118), ed. KATHERINE S. B. KEATS-RoHAN, Tumhout 1993 Ill. 12 [... ] amicitianon nisi in bonis est. Vgl.: MAXKERNER, Johannes von Salisbury im späteren Mittelal-

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Indes wirft der Verfasser des .Somnium Viridarii", einem didaktischen Traktatfür König Karl V. von Frankreich, das in der Form eines Traumgesprächszwischen einem Kleriker und einem Ritter abgefasst ist,139 einen weiteren,bisher so noch nicht behandelten Aspekt auf. Der Ritter formuliert im vonPathos nicht ganz freien vorletzten Kapitel des umfangreichen Werks stolzdarüber, dass die französische Monarchie unter Gottes besonderem Schutzstünde. Innerhalb der Erdenvölker sei sie herausragend, da der französischeKönig vor allen andern Herrschern am meisten Geschenke verteile. Wer nämlichmehr gebe, der gelte mehr und sei deshalb bei den Grossen anderer Reiche hochangesehen. Dieser Gedanke ist insofern neu, als der Autor, wohl Evrart deTremaugon, der sich auf einen Text des französische Kirchenrechtlers undDiplomaten Ancel Choquart bezieht.!" der seinen Blick über die Reichsgrenzehinaus richtet. Das Verteilen von Geschenken beeindruckt auch die Potentatenanderer Reiche - es spiegelt die herausragende Stellung Frankreichs als eine vonGott besonders erwählte Nation."! Insofern zeigt sich hier bei Evrart deTremaugon ein bisher nicht so offen zu Tage getretener Sinn für ein Selbstver-ständnis eines Königreiches in Abgrenzung zu einer Vielzahl von Königreichenin Europa.Der kursorische Überblick über die Behandlung der liberalitas, der amicitia, derMahnungen zum Frieden förderte bisweilen einige Überlegungen zur Vorsichtim Umgang mit Geschenken an den Tag. Diesen kritischen Stimmen ist einweiteres, sehr viel subtileres Negativum des Schenkens hinzuzufügen, DerZisterzienserabt Engelbert von Admont warnt vor dem Gesichtsverlust, derdurch falsche liberalitas dem Schenker selbst drohen könnte. Verpackt in einerAnekdote berichtet er von Einem, der Geschenke macht, und Einem, der dieseGeschenke empfangt. Der Empfänger entgegnet auf die Frage, warum er nichtmehr Dankbarkeit zeige, dass der Schenkende dankbar sein solle, dennimmerhin schulde der Schenkende Dank dafiir, dass der Beschenkte ihn durch

ter, in: ARNOLDBÜHLER- JÜRGENMIETHKE(Hgg.), Das Publikum politischer Theorieim 14. Jahrhundert. München 1992, S. 25-47.139 DIEGOQUAGLIONI,Das Publikum der Legisten im 14. Jahrhundert. Die "Leser" desBartolus von Sassoferrato, in: BÜHLER- MIETHKE(Hgg.) (wie Anm. 138) S. 93-110,hier S. 101.140 Quelle Tremaugons ist die Rede, die Ancel Choquart 1367 an der Kurie in Avignonhielt. Ancel Choquart, Propositio notabilis facta coram papa Urbano V et et cardinalibusex parte regis Franciae, in: Historia Universitatis Parisiensis, autore Egassio Bulaeo, Bd.4, Paris 1668, S. 396-412, dazu der Kommentar von MARIONSCHNERB-LIEVREin:DIES.(ed.) SornniumViridarii, Paris 1993,2 vol. Bd. 2, S. 261.141 Sornnium Viridarii. ed. MARIONSCHNERB-LIEVRE,Paris 1993, 2 vol. Bd. 2, S.2611ib.II, cap. CCCLXIII: "Majorem enim fervorem dileccionis habuit ad regem Fran-cie et suos agricolas et regnicolas quam quoscumque mundi principes seu populos,quod ex testimonio Sacre Scriptur evidenter comprobatur quia qui plus dat et qui plusdonatur plus diligere censetur, et amplius donans eciam plus diligere judicatur, prouttestatur Euvangelium de muliere peccatrice, Luce VIlo."

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die Annahme des Geschenkes entlaste, was schwerer wiege.!" Es kann alsscholastisches und spitzfindiges Beispiel gedeutet werden, das nicht immer inseiner subtilen Aussage verstanden wurde oder gar als allgemeine Meinunggelten konnte. Doch scheint hier der Zisterzienserabt die negativen Implika-tionen des Schenkens und Entgegennehmens bewusst hervorgehoben zu haben,und damit eine bis anhin seltene Perspektive auf das Schenken zu zeigen.

Das Schenken als Teil der Außenpolitik zwischen mittelalterlichemRaisonnement und Versuchen moderner Erklärung

Die Warnung des Engelbert von Admont vor dem Gesichtsverlust, der durch dasgrosszügige Verteilen von Geschenken verursacht werden könnte, verweist aufdie durchaus kritische Haltung Engelberts bezüglich einer scheinbar sehr prä-senten Geschenkkultur an den Fürsten- und Königshöfen. Damit wird einAspekt des Schenkens erwähnt, der auch in der modernen Forschung als zentralbeurteilt wird: Es geht dabei um die nicht offensichtlich erkennbaren Konse-quenzen, die sich durch einen öffentlichen Austausch von Geschenken ergeben.Auf philologischer Ebene wies Paul Ricoeur auf die semantische Nähe vonGütertausch und Ausgleich hin, die sich in vielen europäischen Sprachen nocherhalten hat: dono-perdono, gift-forgive, geben-vergeben.l'" So widmen sichzahlreiche Erklärungsversuche über die Auswirkungen des Gabentauschs derFrage, was sich durch "geben" verändert. Vor allem die Soziologie hat Modellefür den wie auch immer gearteten Ausgleichs bei Tauschbeziehungen ent-wickelt. Bereits 1907 suchte Georg Simmel in "Dankbarkeit. Ein soziologischerVersuch" einen Ansatz, eine materiell nicht ausbalancierte Beziehung zu be-schreiben. Auf der Seite dessen, der weniger gegeben hat, müsse zwangsläufigeine Spur von Dankbarkeit, ja Verpflichtung zurückbleiben. Dazu ist allerdingsnotwendig, dass eine Gabe sich nicht eine bereits bestehende Verpflichtungbezieht:

"Nur wenn wir sie vorleisten, sind wir frei, und das ist der Grund,weshalb in der ersten, durch keinen Dank veranlassten Darbietung eineSchönheit, eine spontane Hingebung, ein Aufquellen und Hinblühenzum andern gewissermaßen aus dem virgin soil der Seele liegt, dasdurch keine inhaltlich noch so überwiegende Gabe ausgeglichen werdenkann. Hier bleibt ein Rest, der sich in dem - in Bezug auf den konkretenInhalt des Erweisens oft ungerechtfertigt scheinenden - Gefühl aus-drückt, dass wir eine Gabe überhaupt nicht erwidern können; denn in ihr

142 Engelbert von Admont, Speculum virtutum, wie Anm. 23, VII cap. 3, S. 261: .Jmmotu michi debes gratias, quod te exoneravi recipiendo a te, quod graviter conservabas."143 PAULRICOEUR,La memoire, l'histoire, I'oubli, Paris 2000, insb. S. 621-630.

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lebt eine Freiheit, die die Gegengabe, eben weil sie Gegengabe ist, nichtbesitzen kann."!"

Mit den Problemen die im Kontext von der Gabe und Gegengabe entstehenkönnen, sowie mit dem bereits von Simmel angesprochenen Aspekt der Freiwil-ligkeit setzte sich Marcel Mauss in seinem programmatischen, aber zu unrechtals "grundlegend" zitierten "Essai sur le don" (1925)145 auseinander. Mag erhäufig als der methodische Wegbereiter der Donologie, der Lehre vom Gaben-tausch gehalten werden.v" und seine Thesen immer noch an prominenter Stellein Einleitungen mediävistischer Arbeiten angeführt werden, stützt sich die me-diävistische Forschung längst nicht mehr auf seine Begrifflichkeiten und Me-thode.147 Denn seine Überlegungen zum Geist der Gabe und der Natur der Rezi-prozität basieren nicht auf einer Serie von historischen Befunden, sondern viel-mehr auf literarischen und ethnologischen Beobachtungen, die in verschiedenenKulturkreisen vorkommen. Hingegen etabliert der "Essai sur le don" die Sicht,dass das Gehen von Geschenken in wie auch immer gearteten, zeitlich verzöger-ten Zyklen eine Gegengabe bewirke. Unter bestimmten Voraussetzungen kön-nen Gleichwertigkeit und Unmittelbarkeit der Rückgabe außer Kraft gesetztwerden. Doch ist die Problematik des spätmittelalterlichen Geschenkverkehrsdamit nicht erfasst. Denn in komplexeren Gesellschaftszusammenhängen istnicht unbedingt davon auszugehen, dass die Zyklen von Geben, Nehmen undErwidern der Gabe je geschlossen werden konnten.l" Ein realistischeres Bilderhält man, wenn man für das späte Mittelalter nicht von überschaubaren Ge-seIlschaftsmodellen ausgeht. Spätere soziologische Untersuchungen kritisiertendie Maussschen Gegensatzpaare "freiwillig / pflichtgemäß" und "Gabe / Ge-gengabe" als zu eng, wie es beispielsweise Marshal Sahlins formulierte. Zu er-gänzen sei an der Trennung von Gabe und Gegengabe, dass es sich vor allemum keine Dichotomie, sondern allenfalls um ein Spektrum von Reziprozitätenhandelt. An einem Ende der Skala liegt die "generelle Reziprozität" bei demGeschenke und Beistand freiwillig und rückhaltlos gegeben werden und es un-klar bleibt ob es zu einer Gegengabe kommen wird. Eine derartige generelle

144 GEORGSIMMEL,Dankbarkeit. Ein soziologischer Versuch, in: Der Morgen. 1. Jg.,No. 19 vom 18. Oktober 1907, S. 593-598 (Berlin), auch online unter:www.socio.ch/simlverschiedeneslI907/dankbarkeit.htm [20.4.20 I0].145 MARCEL MAuss, Essai sur le don. Paris 1925 (= dt.: Die Gabe. Form und Funktiondes Austauschs in archaischen Gesellschaften. FrankfurtlM. 52001).146 So zuletzt unreflektiert als "Entdecker und groBe[r] Theoretiker der Gabenökono-mie" bezeichnet: KARL-HEINZKOHL,Die Macht der Dinge, München 2003, S. 134f.147 BIJSTERVELD,(wie Anm. 37) S. 43.148HELMUTHBERKING,Schenken. Zur Anthropologie des Gebens, FrankfurtlM. u.a.1996, insb. S. 207-214.

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Reziprozität fände man beispielsweise unter Verwandten.!" Ausgeglichene Re-ziprozität befände sich in der Mitte der Skala, wie etwa ein Hochzeitsge-schenk. ISO Auch in dieser Präzisierung wertet Sahlins die Gaben bei Friedens-schlüssen als ausgeglichen, übersieht dabei, dass im Mittelalter die meistenFriedensschlüsse der Verankerung eines asymmetrischen Sieges dienten bzw.dass bereits pragmatische Waffenstillstände als "pax" bezeichnet wurden, mili-tärische Fronten sowie die Kamptbereitschaft indes noch bestehen blieben.!"Zudem können selbst fur die europäischen Gesellschaften des 7. und 8. Jahr-hunderts, die weniger differenziert waren als die des Spätmittelalters, mit einemderartigen "ethnologischen Blick" Verteilungsmechanismen von Gaben nichtals Tauschgeschäfte in einer idealisiert-homerischen Welt von Kriegen undSchenkungen beschrieben werden. Auch wenn George Duby ein .verzweigtesund verflochtenes Netz zirkulierender Güter und Dienstleistungen" feststellenkann, das eine der notwendigen Folgeerscheinungen der Freigebigkeit darstelle,sind mit jenen Güterströmen die Sozialbeziehungen noch nicht erschlossen.!"Denn nach wie vor bleibt am Geschenk eine nicht eigennützige Facette, dienicht in einem Gegengeschenk oder einer Dienstleistung aufgeht und sich jederutilitaristischen Interpretation der Gabe entzieht. Zu Recht betont Alain Caillegegenüber Mauss den Bündnis schmiedenden Charakter der Gabe und die Be-deutung, die über das Materielle hinausgeht und ein komplexes Spiel aus Frei-heit und Verpflichtung, Interesse und Uneigennützigkeit ermöglicht.!"

Die Frage des Gegenwerts bzw. des Profits in Tauschgeschäften bzw. Handels-geschäften untersuchte Barbara Rosenwein am Beispiel des Klosters Cluny imhohen Mittelalter und kam zum Ergebnis, dass das "Gabentauschsystem" unddas "System der Handelswirtschaft" lediglich Idealtypen eines Tauschverhaltenswaren. Sie konnten in unterschiedlichem Verhältnis zusammenwirken ohne sichauszuschließen.i" Doch auch hier umfasst der Blickwinkel der Theoriebildungnur die wirtschaftliche Tätigkeit, nicht jedoch das Zusammenspiel vonpolitischen, militärischen und zugleich wirtschaftlichenAusgleichsmöglichkeiten wie es etwa der Bereich europäischer Diplomatie

149 LESTERK. LITILE, Religious Poverty and the Profit, Ithaca 1978, S. 8, 212-216.CLAUDEMACHEREL,Don et reciprocite en Europe, in: European Journal of Sociology24, 1983, S. 151-166.150 MARSHALSAHLINS,Stone Age Economies, Chicago 1972 (dt: Zur Soziologie primi-tiven Tauschs), in: FRANKADLOFF- STEFFENMAU (Hgg.): Vom Geben und Nehmen.Zur Soziologie der Reziprozität, FrankfurtIM. - New York, 2005, S. 73-91; ZEMONDAVIS(wie Anm. 58) insb. S. 11-17.151 SAHLINS(wie Anm.150) S. 82 verweist auf JANH. HOGBIN,Experiments in Civiliza-tion. London 1939, S. 79.152 GEORGESDUBY,Krieger und Bauern. FrankfurtlM. 1977, S. 287.153 ALAINCAILLE,Anthropologie der Gabe Alain Caille; aus dem Franz. übers., hrsg.und eingeleitet von FRANKADLOF,FrankfurtlM. 2008, S. 52.154 BARBARAROSENWEIN,To Be The Neighbor of Saint Peter: The Social Meaning ofCluny's Property 909-1049, Ithaca, N.Y., 1989.

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bedarf. Das Modell berücksichtigt nicht die Möglichkeit auf verschiedensteWeisen Druck auszuüben, um Vorteile zu erhalten. Diesen Aspekt berücksichtigtAlain Guery, der auf das Königtum zugespitzt die herrscherliehe Geschenk-praxis in Bezug auf das Entstehen des frühneuzeitlichen Finanzsystems inFrankreich untersuchte.l'" Da er Geschenke dabei jenseits des Ökonomischenbetrachtet, stellt er fest, dass gerade im Bereich des Politischen durch Gabenmehr zu erreichen war als durch Zwang.l" Doch diese auf ein einzelnes König-reich zugeschnittene Untersuchung vernachlässigt die Bedeutung innerhalb derimmer klarer als gleichwertig empfundenen europäischer Monarchien und derenVerhältnis untereinander. Beziehungen zwischen diesen Gemeinwesen, in denendie Herrschaftsverdichtung im Spätmittelalter enorm zunahm, fanden ihrenAusdruck im diplomatischem Austausch und Geschenkverkehr.V' Eine einge-spielte Geschenkpraxis von Gabe und Gegengabe bot dabei die Möglichkeit, imVorfeld von Verhandlungen Wohlwollen oder gar Einvernehmen zu erzeugenohne bereits inhaltlich Positionen preiszugeben, also einen Weg für dieKommunikation zu eröffnen. Gleichzeitig bot sich die Möglichkeit auf verschie-denen Ebenen das Gegenüber zu ehren ohne auf eine "nutzenmaximierendeInstrumentalisierung" von Gaben reduziert zu werden, wie es Helmuth Berkingformuliert.l " Doch auf die vielfältigen Ideen, die künstlerisch oft hochstehendeAusführung durch Spezialisten und Ratgeber gehen die meisten Modelle zumGabentausch ebenso wenig ein. So kritisiert Gadi Algazi zurecht, dass vieleModelle mit zu eng belegten Begriffen arbeiten. Selbst unter Zeitgenossenbestanden ja Unterschiede in der Bewertung der Gaben. Dienstleute, Kirchen-rechtler, Künstler, Pantomimen mochten ganz andere Auffassungen von Dingenhaben, die in der modernen Reflexion unter dem Begriffen "Gabe" oder"Geschenk" zusammengefasst werden. Inhalt, Wert und Übergabe von Geschen-ken waren Ergebnis von Aushandlung und Zuschreibung, sie waren nicht vonvornherein gegeben.F" Mit diesem offeneren Begriff von Gabe bzw. Geschenk,der die Grenzen des ökonomischen oder sozialen Tauschkonzepts zu über-winden sucht, kann der Begriff für ein Bedeutungsspektrum fruchtbar gemachtwerden.

155 ALAINGUERY,Le roi depensier. Le don, la contrainte, et l'origine du systeme finan-cier de la monarchie francaise d'Ancien Regime, in: Annales 39, 1984, S. 1241-1269.156 Vgl. dazu ZEMONDAVIES(wie Anm. 58) 17.157 DIETERBERG, Deutschland und seine Nachbarn 1200-1500, München 1997, S. I;KlNTZINGER(wie Anm. 27) S. 17-26; SABINEWEFERS, Versuch über die Außenpolitikdes spätmittelalterlichen Reichs, in: Zeitschrift für Historische Forschung 22, 1995, S.291-316.158 BERKING,(wie Anm. 148) hier S. 212.159 GAOl ALGAZI,Introduction: Doing Things with Gifts, in: GAD!ALGAZI- VALENTINGROEBNER- BERNHARDJUSSEN(Hgg.), Negotiating the Gift: Pre-modem Figurationsof Exchange (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 188) Göttin-gen 2003, S. 9-27, S. II f.

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Fazit. Das diplomatische Geschenk als emphatische Kommunikation

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Geschenke im Kontext derDiplomatie im späteren Mittelalter ein spezifisch eingesetztes (Regierungs-)Instrument war, das unterschiedliche Funktionen erfüllen konnte. Deren ma-terieller Wert ist das offensichtlichste Charakteristikum der Geschenke. Durcheine Übergabe in der Öffentlichkeit werden Geschenke zu materiell nach-weisbaren Medien eines an sich unsichtbaren Beziehungsstatus. Gerade daherscheint die Bewertung im Sinne einer Tauschökonomie sinnvoll. Dabei zeigtesich allerdings die sehr ungleiche Überlieferungslage, dass im Hinblick aufmaterielle Gleichwertigkeit Geschenke im diplomatischen Austausch nicht aus-gewertet werden können. Zu oft sind nur wenige Geschenke einer Seite über-liefert und können nicht erschlossen werden. Im auswärtigen Verkehr kam es jagerade nicht darauf an, stets eine ausgewogene Balance zu finden. Denn Gabenkonnten Stellvertreter für vieles sein, Bestechung, Zahlung, Entschädigung.Geschenke boten die Möglichkeit, politische Fühlungnahme zu eröffnen, Ver-handlungen zu begleiten und bestehende Bindungen zu festigen. Hierbei wurdemit der Wahl der Geschenke ein bestimmtes Ziel, ein politischer Zweck ver-folgt. Diese Geschenkpraxis schien durchaus auch mit dem modemen Begriffder Staatsraison in Verbindung gebracht werden zu können, auch wenn man sichschwer tut, es mit den Begriffen von Staat und zweckrationalem Handeln immodemen Sinne zu beschreiben: Gaben wurden in dem Maße verteilt, wie eszum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnvoll erschien und einen wie auch immergearteten Vorteil versprach.

Dabei ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass das aufwendige Schenken, wiees im Verkehr unter Königen festzustellen ist, nur eine von verschiedenen Arteneines Erweises von Ehrung und Entgegenkommen darstellte. Im Vergleich zugemeinsamen Gastmählern, Prozessionen, Jagdausflügen, Festgottesdiensten,den Treueschwüren, Vereinbarungen über künftige Zusammengehörigkeit wieVermählung der Nachkommen, Aufnahme in die eigene Familia bzw. deneigenen Hoforden, erscheinen wertvolle Geschenke beinahe marginal. Dennochwaren sie aus dem zeremoniellen Gesamtprogramm nicht wegzudenken. Aberjede auf das Materielle fokussierte Bemessung des Werts von Geschenken griffezu kurz. Denn die Bewertung von sozialen Beziehungen durch die Unter-suchung der materiell manifestierten Beziehungen, die sich aus dem Gaben-tausch ergeben, würde zu einer Fehlbewertung führen: Diplomatischer Ge-schenktausch des Spätmittelalters war sicherlich kein "totales Phänomen",sondern Teil einer politischen Strategie, die die Interessen der Monarchen bzw.der Dynastie wahren sollte.So erweist es sich als sinnvoll, Geschenke nicht nur als wiederholten materiellenStatusbeweis und in seiner sozialen Funktionalität zu deuten. Geschenkeerfüllten einen weitaus allgemeineren Zweck, der sich weniger im Bereich desÖkonomischen als vielmehr im Bereich der Symbolisierung, Darstellung oder

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Repräsentation nicht sichtbarer Inhalte ansiedeln lässt. Zwar lässt sich dieDemonstration künstlerischer, technologischer und auch militärischer, also imweitesten Sinne kultureller Überlegenheit nicht explizit oder gar in normativenSchriften nachweisen. Aufwendige Geschenke unter Königen wurden ausge-tauscht um den Empfänger auch von der Zahlungsfähigkeit, wirtschaftlichenPotenz, der kulturellen Entwicklung und letztlich auch von einer gewissenÜberlegenheit zu überzeugen.

Zugespitzt formuliert, sind Geschenke als emphatisches Kommunikationsmittelzu verstehen. Denn die Art der Geschenke wurde der jeweiligen politischenSituation angepasst, schon bei deren Herstellung wurde die Botschaft, die sieübermitteln sollten beachtet. Sind Geschenke somit nicht als der mehrere Unzenschwere Nachdruck zu sehen, der einer Forderung verliehen wird, als das bril-liantenfunkelnde Unterstreichen einer Bitte oder das damastbestickteAusrufezeichen einer Vereinbarung?

In groben Zügen deutet bereits der Zeitgenosse Engelbert von Admont die Ant-wort an, dass bisweilen mit Geschenken kommuniziert werden müsse. Bei derAnalyse der Gesprächstypen die ein Fürst pflegen könne, also freundschaftlich,angenehm oder unangenehm, kommt er auf die Alterität von Fremden zusprechen. Mit Menschen fremder Zunge könne man keinesfalls amicabiliteroder placibiliter Konversation betrieben. Er begründet dies mit einer Unter-schiedlichkeit der Sitten und Gebräuche, vor allem aber verhindere dieunterschiedliche Sprache eine freundschaftliche Unterhaltung.l'" Unterschwelliggeht er von den mangelnden Kenntnissen des Lateins der Fürsten als linguafranca aus. Daraus ist zu schließen, dass die Möglichkeit, fremden FürstenFreundschaft zu erweisen, vor allem nonverbal zu sein habe. Und hierzu zählenneben Gastmählern, Festlichkeiten, rituellen und somit universell verständlichenGesten auch die Geschenke, die auf ihre Weise die Kommunikation verstärken.

Zumindest erklärt die Deutung des Schenkens als emphatische Kommunikationdas Ausbleiben von Geschenken für die Zeiten und Beziehungen, bei denen keinAustausch vonnöten scheint. Die Vorstellung eines cadeau pour Ie cadeau, alsoeine schier endlose Reihe an Gaben und Gegengaben, erweist sich zumindestangesichts des angefiihrten Materials der spätmittelalterlichen Geschenkezwischen Herrschern als Fiktion.

160 Engelbert von Admont, ed. KARL VBL, Speculum virtutum (MGH Staatsschriftendes SpäterenMittelalters 1/2), Hannover 2004. X 3, S. 321: .Cuius ratio est, quia, quan-ta maior est dissimilitudo morum et animorum inter homines, tanto minus possunt adinvicem amicabiliter aut placibiliter conversari, quia similitudo morum et animorum estcausa complacentie mutue ad invicem. Hoc autem patet inter extraneos et alienos adinvicem quantum ad gentem et linguam et patriam, quia Grecus cum Latino et Latinuscum Theutonico in paucis vel nu/lis possunt ad invicem delectabiliter concord are etconversari, sed quilibet cum hominibus sue gentis et lingue et patrie potest faciliusplacibilter conversari [... ]." Vgl. dazu Engelbert, De regimine principum (wie Anm.21) VI 16,S. 189.

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Ein Blick in die Fürstenspiegel zeigt, dass das Geschenkwesen und dieImplikationen des Gebens eines Fürsten fur den auswärtigen Austausch nichtintensivanalysiert wurden. Die zeitgenössisch entstandenen Fürstenspiegel unddie didaktische Traktatliteratur über die Regierungskunst zeigen ein auffälligesDefizit zur hinreichenden Erklärung der xenia im Sinne eines Güterstroms.Doch vor dem Hintergrund, Geschenke nicht in ökonomischem, sondern imkommunikativen Zusammenhang zu deuten, scheint in spätmittelalterlichen Für-stenspiegeln die Bedeutung von Geschenken als Emphase einer Aussagebewusst gewesen zu sein. Erwähnt werden sie nur, wenn Kommunikation mitFremden - Feinden wie Alliierten - nötig scheint.Zu sehr kann man Fürstenspiegeln das Fehlen einer ausführlichen Analyse derGeschenke im auswärtigen Verkehr nicht anlasten, handelt es sich dabei dochnicht um Außenpolitikratgeber. Die von jenen Theoretikern formulierten Textebehandeln von der Einteilung des Aegidius Romanus beeinflusst zunächst dieTugenden und das Verhältnis des Herrschers zu Gott und Kirche, darauf zureigenen Familie und dem eigenen Haushalt (Ökonomik), während ein dritterTeil das gesamte Herrschaftsgebiet betrifft (Politik) und dabei auch auf dasKriegswesen eingeht. Diese sehr stark auf das eigene Reich beschränkte Per-spektive, die hierarchisch nach dem Übergeordneten und den Untergebenenforscht, vernachlässigt einen Ausblick auf die horizontal Gleichrangigen - dieFürsten anderer Reiche - als Gleichberechtigte.

Zudem scheint eine gewisse Gewandtheit in außenpolitischen Belangen nicht zuden zentralen Befähigungen der Fürstenspiegier gehört zu haben, waren es dochzumeist Kleriker, die über besondere sprachliche und literarische Eignungverfügten. Dadurch erfolgte die Überschneidung von literarischer und politi-scher Sphäre. Fürstenspiegel sind Produkte des literarischen Felds, habenjedochAuswirkungen im politischen Feld, selten andersherum. Beschreibungen ein-zelner Situationen fanden eher in andere literarische Gattungen Eingang, derHistoriographie, Berichten und biographischen Aufzeichnungen.

In der Geschichtsschreibung wurden Einzelfälle und deren Kontexte festge-halten und konnten fur spätere Fälle als Richtschnur dienen. Die aufgeführtenEreignisse haben einen hohen Wirklichkeitsbezug: die beschriebenen Institu-tionen, Dynastien und vor allem Territorien konnten auch noch Jahrzehntespäter eine Situation abbilden, die gegenwärtig war. Lediglich in Bezug auf dieGenauigkeit bei der Beschreibung von Geschenken waren Chroniken nicht allzuverlässlich. Geschichtsschreibung als Speicher von Herrschaftswissen kannauch im Falle der Geschenke keine belastbare Quelle sein.\6\

Eine weitere, in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzende Gattung waren diezeitgenössischen literarischen Werke, die im höfischen Umfeld gelesen wurden.

161 Historiographie als handlungsleitende Textgattung: HANS-WERNERGOETZ,Ge-schichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen Mittelalter (Orbis mediaevalis1)Berlin 2008.

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In Heldensagen und Romanzen spiegelten sich gesellschaftliche Werte- undNormsysteme wieder, die ihrerseits auf dieses zurückwirkten. Sie demonstrierenModelle herrscherliehen Handelns, das eine Basis der imitatio für diespätmittelalterlichen Rezipienten ermöglicht. Dabei konnte auf ausführlicheBeschreibungen von Festen und Geschenken, die den Glanz des Herrschersunterstreichen, zurückgegriffen werden.162 Dabei hatte das dargestellte Lebenzwar geringen Wirklichkeitsbezug aber eine eindeutige Vorbildfunktion. Schei-tern und Fehlverhalten wird eindeutig problematisiert. Hinzu kommt, dass diestrikte Trennung von historischen Fakten und Legenden im Spätmittelalter nichtsehr ausgeprägt gewesen ist, so dass Artus oder Parzival wie Alexander derGroße dem Publikum trotz des fiktionalen Aspekts der Texte als glaubwürdigeVorbilder gelten konnten.l'" Die reich bebilderten spätmittelalterlichen Helden-sagen lieferten zudem auch visuelle Beispiele einer positiv bewerteten Ge-schenkpraxis. Dabei ist indes schwer abzuschätzen, sehr ein im Bild vor Augengeführter Gestus des Übergebens eines wertvollen Mantels wie beispielsweiseaus dem Parzival dazu geführt haben mochte, dass tatsächlich Bekleidungs-stücke als Geschenke ausgewählt wurden (vgl. dazu Abbildung 1).164

Zuletzt ist bei der Frage nach dem Einfallsreichtum für die Geschenke unterHerrschern auch auf das höfische Personal zu verweisen. Als Funktionsträgerund Spezialisten in diplomatischen Belangen konnten sie dem Herrscher stetskompetent Auskunft geben konnte. Bisweilen wurden derartige Hofämter überGenerationen in Familien weitergegeben, Wissen mündlich weitervermittelt, aufdas heute nicht mehr zurückgegriffen werden kann. So waren es eben jeneversierten und weiterfahrenen Hofangestellten, Gesandten und Diplomaten, die- weil sie selbst darauf angewiesen waren - in Geschenkangelegenheiten demHerrscher als kompetente Ratgeber dienten, also gerade jene Gruppe vonHöflingen vor denen die Fürstenspiegier so sehr warnten.

162 GÜNTERSCHOPF, Fest und Geschenk in mittelhochdeutscher Epik, Wien 1996, insb.S.49.163 Dazu GRAßNICK(wie Anm. 2) S. 336.164 Stellvertretendwurde die Darstellung gewählt, in der Parzival zum Empfang auf derInsel Pelrapeire einen Zobelmantel als Begrüßungsgeschenk erhält. Die betreffendePassage: Wolfram von Eschenbach. Parzival. hg. von KARL LACHMANN,revidiert undkommentiert von EBERHARDNELLMANN.Übertragen von DIETERKÜHN(Bibliothek desMittelalters, 8/1-2) FrankfurtlM. 1994, Bd. 2, S. 605,2-14.

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bb. I P zi I erhält zum mpfang auf der In el Pelrapeire einen Z elrnantclal Begrüßung ge chenk. Werk lall ie Id u r, Hagenau ( I aß um I1446 it freundlicher cnehmigung der ni ill! bibli thek Heidelber

de Palatinu ermanicu pg CII. 140r.