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Werkstoffc und Korrosion 4.5, 21-28 (1994) Mathematische Modelllerung von Zerstorungsmechanismen 21 Mi krobielle Werkstoffzerstorung - Grundlagen: Mathematische Modellierung von Zerstorungsmechanismen Microbial deterioration of materials - fundamentals: Mathematical modelling of destruction mechanisms I?. Schmidt') Die moderne Entwicklung der Werkstoffwissenschaft bedingt einen Wandel in dcn Mcthoden und Strategien. Es wird angestrebt, die an und im Festkiirper ablaufenden Reaktionen in Form von Modellen zu beschreiben. Gcgenwartig gelingt es aber nur, aus cxperimentellen Untersuchungen rnathematischc Zusammenhan- ge abzuleiten, womit eine Vorhersage des Werkstoffverhaltens rnit theoretischen Mitteln nicht gclingt. Ausgehend von den drei Erkenntnisstufen zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens, den Faustregcln, ciner Auswcrtung von Experimcntcn mit statistischen Methoden, hierzu gehoren auch reaktionskinetische Modellansatze, und der Entwicklung physika- lischer Modelle, u.a. Monte-Carlo-Simulationen, werdcn diese insbesondere fur dic ,,Vorstufe" der biokorrosiven Schadigung vorgestellt, der Biofilmbildung. Nur pysikalische Modelle errnog- lichen die ,Yomussage" von Reaktionsablaufen, wobei infolge der Unkenntnis der Verteilungen fur die wirkenden Encrgicn und deren miiglichen Fluktuationen eine vom Experiment getrennte Voraussage nicht moglich ist. In einem Uberblick wird dariiber hinaus auch auf die Beschrci- bung von Korrosionsreaktionen und das RiBwachstum eingegan- gen. Ein generelles Problem, insbesondere im Zusammenhang rnit biologischen Reaktionsablaufen, stellt dic nicht fachgrenzeniiber- greifende Ausbildung von Naturwissenschaftlcrn und Ingenicurcn dar. Modern trends in materials science require novel methods and strategies. The gencral aim is to describe by models the reactions occurring at the surface and within a solid. At the present time, however. it is only possible to derive, from thc expcrirnental work, mathematical relations, and this is not sufficient for a prediction of matcrials behaviour. On the basis of the three steps involved in the description of materials behaviour, i. e. rules of thumb, statistical evaluation of experimental data (including models developed for thc presentation of reaction kinetics), and development of physical models (among others Monte Carlo simulations), these three steps and, in particular, the preliminary step of biocorrosion, i. e. biolilm formation, are discussed. Only physical models allow a prediction of rcactions, although a prediction independent from experiment is not possible because of the unknown distributions of the acting energies and their possible fluctuations. Beyond that an outline is given of the description of corrosion reactions and crack propaga- tion. A general problem, in particular in connection with biological reactions, is the lack of interdisciplinary education of scientists and cnginccrs. 1 Einleitung Ein angestrebtes Ziel der Werkstoffkunde ist die mathe- matische Beschreibung von idam Festkorper ablaufenden Reaktionen und deren Vorhersage, insbesondere uiiter Berucksichtigung der Veranderung der Werkstoffparamc- ter. Hiermit ware eine zielgerichtete Beeinflussung des Matcrialverhaltens mdglich. sei es in der Halbzeugferti- gung, infolge von technologischen Einflussen odcr als Prognose fur eine mogliche Schadensvorhersage (Korro- sion, Alterung. Ermudung). Sollte es gelingen, dieses Ziel zu erreichen, wiirde die Qualitatsgarantie, somit die Wett- bewerbsfahigkeit, einen ungeahnten Zuwachs erhalten. Bisher ist es nicht moglich, das Werkstoffverhalten mittels mathematischer Modellansatze vorherzusagen. Dieses Problem wird die materialwissenschaftlich arbeiten- den Kollegen bis in die ersten Jahrzehnte des kommenden '1 Prof. Dr. Ruiner Schmidt, An der Magistrale 5Y. 06124 Halle. ~ ~~ 0 VCH Verlagsgcsellschaft mbH, D-69451 Weinheim. 1994 Jahrhunderts beschaftigeii, ohne moglicherweise einer Liisung naher zu kommen. Gegenwartig gelingt es fur einfachste Systeme (binar, nahezu ideal) ausgewahlte Reaktionen theoretisch zu beschreiben und auf einem Rechner zu simulieren. Im Festkorper handelt es sich hierbei urn Ausscheidungspha- nomene [l], Phasenumwandlungen [2] oder eine Span- nungsanalyse uber bruchmechanische Konzepte [3]. Aber bereits die Beantwortung der Frage, wie ein RiR entsteht und sein weiteres Wachstum verlauft? verbirgt sich zum grol3ten Teil im Dunkeln. Es ist zu klaren, unter welchen Bedingungen dieser entstcht und wachst, mit welchen Anteilen Leerstellen und Versetzungen hieran beteiligt sind und welche Diffusionsbedingungen vorliegen. Die Beteiligung von Korrosionsmechanismen, insbesondere von biologisch indizierten,verscharft um einvielfaches den zu loseiiden Problemkreis [4]. Diese Fragen korrespondieren mit einer urnfassenden, mikroskopischen Beschreibung des Werkstoffes und seiner Oberflache, sowie einer makroskopischen Interpretation OO4~-2822/94/010l-O021$5.00 + .25/O

Mikrobielle Werkstoffzerstörung – Grundlagen: Mathematische Modellierung von Zerstörungsmechanismen

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Werkstoffc und Korrosion 4.5, 21-28 (1994) Mathematische Modelllerung von Zerstorungsmechanismen 21

Mi kro bielle Werkstoff zerstorung - Grundlagen:

Mathematische Modellierung von Zerstorungsmechanismen Microbial deterioration of materials - fundamentals: Mathematical modelling of destruction mechanisms

I?. Schmidt')

Die moderne Entwicklung der Werkstoffwissenschaft bedingt einen Wandel in dcn Mcthoden und Strategien. Es wird angestrebt, die an und im Festkiirper ablaufenden Reaktionen in Form von Modellen zu beschreiben. Gcgenwartig gelingt es aber nur, aus cxperimentellen Untersuchungen rnathematischc Zusammenhan- ge abzuleiten, womit eine Vorhersage des Werkstoffverhaltens rnit theoretischen Mitteln nicht gclingt.

Ausgehend von den drei Erkenntnisstufen zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens, den Faustregcln, ciner Auswcrtung von Experimcntcn mit statistischen Methoden, hierzu gehoren auch reaktionskinetische Modellansatze, und der Entwicklung physika- lischer Modelle, u.a. Monte-Carlo-Simulationen, werdcn diese insbesondere fur dic ,,Vorstufe" der biokorrosiven Schadigung vorgestellt, der Biofilmbildung. Nur pysikalische Modelle errnog- lichen die ,Yomussage" von Reaktionsablaufen, wobei infolge der Unkenntnis der Verteilungen fur die wirkenden Encrgicn und deren miiglichen Fluktuationen eine vom Experiment getrennte Voraussage nicht moglich ist.

In einem Uberblick wird dariiber hinaus auch auf die Beschrci- bung von Korrosionsreaktionen und das RiBwachstum eingegan- gen. Ein generelles Problem, insbesondere im Zusammenhang rnit biologischen Reaktionsablaufen, stellt dic nicht fachgrenzeniiber- greifende Ausbildung von Naturwissenschaftlcrn und Ingenicurcn dar.

Modern trends in materials science require novel methods and strategies. The gencral aim is to describe by models the reactions occurring at the surface and within a solid. At the present time, however. it is only possible to derive, from thc expcrirnental work, mathematical relations, and this is not sufficient for a prediction of matcrials behaviour. On the basis of the three steps involved in the description of materials behaviour, i. e. rules of thumb, statistical evaluation of experimental data (including models developed for thc presentation of reaction kinetics), and development of physical models (among others Monte Carlo simulations), these three steps and, in particular, the preliminary step of biocorrosion, i . e. biolilm formation, are discussed. Only physical models allow a prediction of rcactions, although a prediction independent from experiment is not possible because of the unknown distributions of the acting energies and their possible fluctuations. Beyond that an outline is given of the description of corrosion reactions and crack propaga- tion. A general problem, in particular in connection with biological reactions, is the lack of interdisciplinary education of scientists and cnginccrs.

1 Einleitung

Ein angestrebtes Ziel der Werkstoffkunde ist die mathe- matische Beschreibung von i d a m Festkorper ablaufenden Reakt ionen und deren Vorhersage, insbesondere uiiter Berucksichtigung d e r Veranderung der Werkstoffparamc- ter. Hiermit ware eine zielgerichtete Beeinflussung des Matcrialverhaltens mdglich. sei es in der Halbzeugferti- gung, infolge von technologischen Einflussen odcr als Prognose fur eine mogliche Schadensvorhersage (Korro- sion, Alterung. Ermudung). Sollte es gelingen, dieses Ziel z u erreichen, wiirde die Qualitatsgarantie, somit die Wett- bewerbsfahigkeit, einen ungeahnten Zuwachs erhalten.

Bisher ist es nicht moglich, das Werkstoffverhalten mittels mathematischer Modellansatze vorherzusagen. Dieses Problem wird die materialwissenschaftlich arbeiten- den Kollegen bis in die ersten Jahrzehnte des kommenden

'1 Prof. Dr. Ruiner Schmidt, An der Magistrale 5Y. 06124 Halle.

~ ~~

0 VCH Verlagsgcsellschaft mbH, D-69451 Weinheim. 1994

Jahrhunderts beschaftigeii, ohne moglicherweise einer Liisung naher z u kommen.

Gegenwartig gelingt es f u r einfachste Systeme (binar, nahezu ideal) ausgewahlte Reakt ionen theoretisch z u beschreiben und auf einem Rechner zu simulieren. Im Festkorper handelt es sich hierbei urn Ausscheidungspha- nomene [l], Phasenumwandlungen [2] oder eine Span- nungsanalyse uber bruchmechanische Konzepte [3]. Aber bereits die Beantwortung der Frage, wie ein RiR entsteht und sein weiteres Wachstum verlauft? verbirgt sich zum grol3ten Teil im Dunkeln. Es ist zu klaren, unter welchen Bedingungen dieser entstcht und wachst, mit welchen Anteilen Leerstellen und Versetzungen hieran beteiligt sind und welche Diffusionsbedingungen vorliegen. Die Beteiligung von Korrosionsmechanismen, insbesondere von biologisch indizierten,verscharft um einvielfaches den z u loseiiden Problemkreis [4].

Diese Fragen korrespondieren mit einer urnfassenden, mikroskopischen Beschreibung des Werkstoffes u n d seiner Oberflache, sowie einer makroskopischen Interpretation

OO4~-2822/94/010l-O021$5.00 + .25/O

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der Ergebnisse. Der Ubergang mikroskopischhakrosko- pis& darf als cines der groBten Hindernisse bci dcr Losung dieses Problems angeschen werden [l]. Bereits fur Syste- me, die dem Idealzustand nahe kommen, wie Einkristalle, gelingt es nicht, diese Phanomene um fassend zu beschrei- hen. IJm cin Vielfachcs komplexer sind reale Werkstoffe. Allein Nuancen im Bereich der Spurenelemente, wie Schwefel oder Phosphor im Stahl, bewirken eine vollstan- dige Veranderung des Werkstoffverhaltens. Dicses Pro- blem. u.a. in der SchweiBtechnik gefurchtet, konnte auch mit einem imensen rechentechnischen Aufwand fur geschweiBte unlegierte Stahle nicht gelost werden [l, 51, wobei zusatzliche Schwierigkeiten aus technologisch bedingten Schwankungen (Warrneeintrag) der ProzeBpa- ramcter crwachsen.

Korrosionsreaktionen werden durch einc Vielzahl vnn elektrochemischen Einzelreaktionen charakterisiert. Mit- tels reaktionskinetischer hnsatze gelingt es, energetische Aussagen uber die Einzelschritte, beispielsweise bei der Repassivierung [6], zu ermitteln. Entschcidend fur das Werkstoffverhalten ist aber die Wecliselbeziehung zwi- schen der Korrosion und einem moglichen RiBwachstum [7]. Hier sind Modellvorstellungen zu den atomaren Mechanismen, beispielsweise uber cine Leerstellenwande- rung auf der RiBflanke [7], unerlaBlich.

Biokorrosive Vorgange werden haiufig durch Wechselwir- kungen von Mikroorganismen rnit der Festkorperoberfla- che und in letzter Konsequenz infolge eines mikrobiellen Uewuchses eingeleitet [4, 8. 91. Im Sinne einer ganzheitli- chen Beschreibung mu13 die Kinetik dieser Adhasionspha- nomene im GesamtprozeB Berucksichtigung finden. Dar- iiber hinaus verandern sich aber auch die Verteilungsfunk- tionen fur die Oberflachenenergien, einem Eingangspara- meter fur Korrosionsreaktionen. Diese Prozesse hangen von den biochemischen Reaktionsablaufen in den Mikro- organismen ah, welche oftmals noch nicht einmal in ihren Elementarschritten geklart sind. Es verandern sich aber auch die Konzentrationsverteilungcn im Biofilm mit vari- ierender Filmdicke, die letztendlich auf die Korrosion ruckwirken. Zur Beschreibung dieser Phanomene sind bisher makroskopische (Diffusion) [lo, 111 und rcaktions- kinetische [12, 131 Ansatzc angewendet worden. Die ijbcrtrdgung von Monte-Carlo-Modellen aus der Festkor- perphysik [l] auf diesen Problemkreis [4] verspricht eine interessante Erganzung des Modellspektrums.

Letztendlich gehoren zu einer Beschreibung der Zersto- rungsmechanismen auch die Vorgange am RiBgrund, sei es die Diffusion von Korrosionsprodukten, wie Wasserstoff, u.a. mikrobiell gebildet, oder von anderen Elementen in den RiRgrund. Hierdurch kann eine vollstandige Verande- rung des mechanischen Verhaltens eingeleitet werden (Al- terung, Versprodung). Eine physikalische Interpretation von Modellmechanismen ist moglich [4], die aber nicht ingenieurmaisig handhabbar sind. Hieraus erwachsen neue Fragestellungcn an die Bruchmechanik.

2 Charakteristika mathematischer Ansatze

Mathematische Modelle konnen in drei groBe Gruppen untergliedert werden, den sogenannten Faustregeln, der gezielten Auswertung von experimentellen Untersuchun- gen. vorrangig mit statistischen Methodcn, und physikali- schen Modellen. Eine gezielte Voraussage ist nur rnit der dritten Gruppe moglich.

2.1 Faustregeln

Faustregeln finden haufig Anwendung und basieren oftmals auf Zusamrnenhangen, gewonnenen aus Beobach- tungcn, wie die Tamman-Regel zur oricntiercnden Bestim- rnung der Rekristallisationstemperatur oder die Vogel- Fulcher-Tammann-Gleichung zur Beschreibung der Vis- kositat q von Glasern

B T - To

I n q = A + -

Hierbei handelt es sich immer um Ansatze, die mit ciner inehr oder minder groBen Wahrscheinlichkeit fur dicsen Zusammcnhang gelten. wobei die Konstanten (A, B, r, in Gleichung 1) fur den jeweiligen Werkstoff oftmals erst aus Experimenten bestimmt werden mussen.

2.2 Statistische Ansatze

Die Ergebnisse von experimentellen Untersuchungen versucht man im Regelfall in mathcmatischen Beziehuiigen zusammenzufassen. Ein Problem erwachst bereits bei der Zuordnung der abhangigen und unabhangigenVariablen zu physikalischen Parametern. Hierbei versagcn oftmals Dimensionsanalysen, da haufig meBtechnisch lcicht zugangliche GroBen ermittelt werden, wobei ein phys ikali- scher Zusammenhang anfangs nur aus Beobachtungen vermutct wird. Beispiele hierfur sind die Ahhangigke, t der Korrosiorisgeschwindigkeit von der Stromstbke oder der Spannungsverlauf von der RiBtiefe (Bruchmechanik I ,

Die mathematische Statistik liefert hierfur ein fundiertes ,,Handwerkszeug". Neben der Ermittlung der jeweiligen Verteilungsfunktionen gilt es mittels einer Korrelations- (unabhangige Parameter) oder eincr Regressionsanalyse (abhaiigige Parameter) cinen mathematischen Zusammen- hang zwischen den Grofien zu finden. Wie insbesondere Untersuchungen an SchweiBverbindungen zeigten [ 1. 51 mussen zur Anpassung der statistischen Zusarnmenhange an die experimentellen oftrnals multiple Regressionsansat- ze

y = a + blx + bzx2 + ... + b,x" + U (2)

angewcndet werden. Das Hauptproblem besteht aber darin, daB statistisch ermittelte Zusammenhange nur fur die durchgefiihrten Expcrimente und einen Streubereich um deren Erwartungswert gelten. Mit zunehmender \Vahr- scheinlichkeit fur die Giiltigkeit der gefundenen Funk :ion y = f(x), d.h. der Minimierung des Risikos, wird der Strcubereich eingeengt.

Ein beredtes Beispiel hierfiir ist die Fulle von mathema- tischen Regressionsansatzen zur Reschreibung vori Zu- standsdiagrammen unter SchweiBbcdingungen [51. Es gelingt aber nicht, die Veranderung von ZTU-Diagram- men* mittels dieser Ansatze vorauszusagen, u.a. durch cine Variation des Gehaltes an Spurenelementen oder der thermischen ProzeBfuhrung. Auch eine Fiille von experi- mentellen Untersuchungen, deren statistische Beszhrei- bung und Kopplung der gefundeneii Funktionen unterein- ander (Kreuzanalyse), erlaubt nicht, ein unbekanntes

* Zeit-Tempcratur-Umwandlungs-Schauhilder

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System, das sich auljcrhalb des Streubereiches befindet, in seincm Vcrhaltcn vorauszusagen. Dariiber hinaus ist auch nicht bekannt, ob nicht zufallig ein oder mehrere Glieder der Funktion fehlen, die aber gerdde eine Spezifik beschrei- ben wiirden. In diesem Dilemma stecken alle heutigen, ingenieurtechaisch genutzten Rechenprogramme, da diese gegenwartig auf der vorgestellten Methodik basieren. Es wird ,,lcdiglich" das experimentelle Ergebnis widergespie- gelt. Dieser Problemkreis verschiirft sich dann, wenn Mechanismen aus der belebten Natur, beispielsweise mikrobiell beeinfluUte, die in ihrem Verhalten teilweisc ganzlich unbekannt siiid, in den Reaktionsablauf eingrei- fen.

2.3 Physikalische Modelle

Das groOe Ziel aller naturwissenschaftlich Arbeitenden ist die Aufstellung von Modellcn, die die ablaufenden Reaktionen beschreiben und eine eventuelle Voraussage ermoglichen. Das Hauptproblem ist ein makroskopisches Verhalten. das wir beobachten, und dessen Beschreibung infolge eines mikkroskopischen Reaktionsablaufes. Eine Voraussetzung hierfur ist die Kcnntnis und Beschreibung der Rcalstruktur, sowie der wirkenden Energien und ihrer Verteilungen. An diesem Problemkreis scheitern gegen- wartig alle Voraussagen mit physikalischen Modellen. Der Hauptanwendungsbercich bcsteht gcgenwartig darin, fur bestimmte reaktionsablaufe Modellgleichungen oder En- ergien zu ermitteln, die in der ersten oder zweiten Anwen- dungsstufe Eingang finden.

Oftmals ist uns dieser flieljende Ubergang nicht bewuljt, wobei an die Ermittlung der Diffusionsenergien, denen Modellvorstellungen zugrunde licgen, erinnert sei. Mit Rechncrsimulationen, wie stochastischen Modellen (Mon- te-Carlo [l, 14]), versucht man, Reaktionsablaufe reali- stisch auf einem Computer nachzuhilden. Letztendlich setzt aber die ModellgroRe und die zugrundegelegte Bctrachtungsweise (mikroskopisch oder makroskopisch) diesem Unterfangen eine Grenze.

3 Beschreibung der Biofilmbildung

Ausgangspunkt einer mikrobiellen Schadigung ist sehr haufig ein Biofilm. Hierbei werden Mikroorganismen aus einer Losung an die Festkorperoberflachc transportiert, dort adsorbiert und in Abhangigkeit von eventuell gebilde- ten extrazellularen Substanzen miteinander ,yerkittet". In diesen Reaktionsablaufen spielen die Wechselwirkungen der Zellen mit der Festkorpcroberflache, aber auch unter- einander, und die Transportmechanismen eine dominieren- de Rolle. Zur Reschreibung dieser Vorgiingc sind vor allem experimentelle Untersuchungen und deren statistische Auswertung bekannt, wie fiir die Bildung eines Staphylo- coccus epidermis-Filmes auf Elastomeren (Silikon) [15] oder die Beschreibung der Aktivitat von Pseudomonas aeruginosa in Biofilmen im st ationaren Zustand [ 161. Hierzu gehoren auch die aus Experimenten ermittelten grundsatzlichen Zusammenhange, wie das Monod-Modell als ein mogliches Wachstumsgesetz, und deren Anpassung an experimentelle Ergebnisse [17]. Zur Nachbildung mit- tels physikalischer Modelle mu13 der Organismentransport in der Kulturlosung beschrieben werden, wofur man zwei Abschnitte unterscheiden kann:

- einen weitreichenden, charakterisiert durch die Organis- menbewegung in der Losung und vorrangig von mecha- nischen (Druckdifferenzen in der Stromung) und ther- mischen Feldern (Temperaturgradienten in der Losung, Konvektion) bestimmt;

- einen kurzreichweitigen, wirkend in der Grenzschicht- dickc und dercn unmittelbarer Umgebung, wobei insbe- sondere Wirbelbildungen infolge der Oberflachentopo- graphie eine dominierende Rolle spielen. In diesem Bereich sind nur noch Modellrechnungen auf einer mikroskopischen Basis sinnvoll.

3.1 Makroskopische Beschreibung

Die makroskopische Beschreibung dcr zcitlichen Orga- nismenbewegung ist mittels des zweiten Fick'schen Geset- zes moglich

(c - Konzentration, D - Diffusionskoeffizient, kT - ubliche Bedeutung) in dem elektrische (Potential @, F-Farady- Konstante) und mogliche konvektive Anteile (u - Stro- mungsgcschwindigkeit) berucksichtigt werden kiinnen.

Das Ergebnis dieser Modellrechnungen ist die zeitliche, makroskopische Beschreibung der Konzentrationsande- rung. Eventuelle Struktureffckte werden im Entropieanteil exp(S/k) des Diffusionskoeffizienten [D = C*exp(S/k) exp( - E/kT); E-Aktivierungsenergie fur die Diffusion] berucksichtigt, wobei dieser Modellansatz zwangslaufig auch in Biofilmen gilt.

Derartige Modellrechnungen dienen oftmals nur zur Bestimmung der Eingangsparameter in nachfolgenden kinetischen Betrachtungen, wie der Saucrstoffkonzentra- tionsverteilung im Biofilm zur Beurteilung der Nitrifika- tions- und Denitrifikationsrate von autotrophen Bakterien [18]. Hierbei ist ein nicht zu unterschatzendes Problem die Ermittlung dcr Diffusionskoeffizienten im Film selbst, wiederum nur uber Modellansatze moglich. und der Ein- flu13 der Randbedinguagen an der Riofilmgrenze (Strb- mungsgeschwindigkeit, Ubergangskoeffizienten) [19].

Das elektrische Wechselwirkungspotential Q, hangt von der Konzentration in der Losung und der Oberflachenla- dung ab (Abb. 1). Aus einem Vergleich mit experimentel- len Ergebnissen ist es moglich, diese Potentialc zumindest qualitativ zu bestimmen. Zur Ermittlung der Stromungs- geschwindigkeit u mu13 das Stromungsprofil bekannt sein. Dieser Term wird aber erst dann ,,interemant", wenn dic Geschwindigkeitsverteilung zur Beschreibung von wirken- den Anisotropien beriicksichtigt wird. Ein experimenteller Vergleich ist hier nur noch iiber Schlierenaufnahmen gegeben.

3.2 Reaktionskinetik

Mit den cinfachsten reaktionskinetischen Ansatzen (dn/dt = (3 . n; Monod-Modell-v = dddt = f(c = d V ) ) konnen nur Einzclschritte der komplexen Vorgange bei der Biofilmbildung beschrieben werden, wie die im Mittel zu envartende adsorbierte Zellzahl

n = n o . exp(- . t) (4 1

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c c

&

niedrige Konzentration rnittlere Konzentration hohe Konzentration

(0-mittlcre Zcit T zur Adsorption eines Teilchens; no- maximal mogliche, anlagerungsfahige Zellzahl)

Die maximale Zellzahl no wird von den Adhasionskraif- ten Fadh (no = a*Fadh + C; a* und C-Konstante) und den Diffusionsbedingungen in der Lesung (no = jig) bestimmt, wobei der Massestrom j mittels des ersten Fickschen Gesetztes (j = D . dddx) berechnet werdcn kann. Hiermit gelingt es aber nicht, die verschiedenen Ubergange in der Wachstumskurve zu beschreiben, wie reversibellirrever- sibel (lag-/log-Phase).

Ubertragt man reaktionskinetische Ansatze aus der Theorie der Ausscheidungen in Festkorpern [l]

( 5 )

I k,-lk,-, nc-l + nl- n, (c-U bergang) ( 5 a,)

km-lk:l 1 n,-1 + nl n, (Reaktionsende) ( 5 b)

auf die Adhasion, so folgt die Losung des zugehorigen Differentialgleichungssystems

m- 1 c 2 -~ dnl - - kin: + k:n2 - C kjnjnl + k:nj+l dt j - 2 J = 2

fur j < c ( 6 ) ,I m - 1

zu [l, 131

fur j 2 c

(7)

womit man die kritische Zellzahl c und mittels des Para- meters a

Ahh. 1. FreieEntlialpie G als Funk- tion des Abstandes x zwischen ciner Zelle und der Oberflache Fig. l . Enthalpy G in dependence to the distance x between a mic wor- ganism and the solid surfaces (a)-elcktrisch gleichsinnig geladene Teilchen / electrical equal parti Aes (b)-elektrisch ungleichsinnig gelade- ne Teilchcn / clcctrical unequal par- ticles c-Teilchenkonzentration in deI Lo- sung / concentration of particles in the solution GE-elektrischer Wecliselwirk mgs- anteil / electrical part oP the interac- tion potential GA-van der Waals-Anteil der Xiech- selwirkung / van der Wals pzrt of interaction

Abb. 2. Wachstumskurve eines Riofilmes und das Vcrhaltnis der Adsorptions-(pad,) und Desorptions-(pd,,) Wahrscheinlichl~eiten

Fig.2. Growth of a biofilm and the proportions between the probabilities of adhesion (pad,) and desorption (pdcs) [4]

[41

Tabelle. Ergebnisse der reaktionskinetischcn Auswertung von Besiedelungsexperimenten mit Saccharomyces cerevisiac auf hochlegierten Stahloberfliichen [ 131 Table. Results of the cinetical interpretation of experiments to the formation of Saccharomyces cerevisiac on stainless steel surfaces 1131

Ra (elm)

0.3 5 0,044 0,068 1 ,o 15 0,043 0,094 4,7 8 0,047 0,083 6,O 5 0.051 0.075

R,-Rauhtiefe (roughness) c-Zahl der Zellen beim Ubcrgang reversibel/ireversibel

number of cells to the transition reversible/irreversible AE-Aktivierungsenergie. bereclinet aus Gleichung (8)

activation energy, calculated by the equation (8) AE'-Aktivierungsenergie, berechnct aus

dn/n = B . T = B, . exp(- AE'/k . T)

C A E (eV) AE ' (d ' ) -

die Aktivierungsenergie AE aus der experimentell bestimmten Kinetikkurve [n = f(t)] berechnen kann.

Die Anwendung dieser reaktionskinetischen Ansatze auf die Besiedelung von hochlegierten Stahloberfliichen

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ergab fur Saccharomyces cerevisiae [ 131 die in der Tahelle aufgefiihrten Werte als Funktion der Oberflachenrauhig- keit R,. Die Werte fur den Cluster kritischer GroBe sind in der GroRenordnung von Ergebnissen aus stochastischen Simulationen (Monte-Carlo) [4]. Der Ubergang vom rever- siblen zum irreversiblem Zustand ist in der Keimbildungs- theorie uber das Verhaltnis der Wahrscheinlichkeiten fur eine Zerfalls- und eine Adhasionsreaktion charakterisier- bar [l], womit auch die Kinetikkurve zur Bildung eines Biofilmes interpretiert werden kann (Abb. 2).

3.3 Monte-Carlo-Simulation

Mit dieser Methode versucht man, die real ablaufenden Prozesse auf einem Rechner nachzuhilden, wobei die Vielzahl von Einzelentscheidungen wahrend eines Prozel3- ablaufes durch Zufall bestimmt werden [l]. DiesesVerfah- ren erlaubt es, auch komplizierte Prozesse nachzubilden. Das Hauptproblem ist aber auch hier die Beschreibung der wirkenden Energie-Verteilungen, wobei eq moglich ist, aus Modellexperimenten theoretische Verteilungen zu ermit- teln. Diese Methode ist eine der wenigen, die es ermoglicht strukturabhangige Energieverteilungen mit einem verhalt- nismal3ig geringen Aufwand zu bestimmen.

Die einzelnen Bcwegungsmechanismen bei der Anlage- rung von Zellen auf Festkorperoberflachen, beziehungs- weise fur die Bewegung im Biofilm selbst, zeigen die Abb. 3 und 4. Hierbei sind die Modellergebnisse von der Struktur (Verteilung fur Spi-ingrichtungen und -1angen) und deli Verteilungcn fur die Konzentration und die Fremdelemen- te (Poren, andersartige Mikroorganismen usw.) abhangig. Derartige Modellrechnungen hangen aber auch sehr emp- findlich von der Temperatur und moglichen Energie- schwankungen (Abb. 5) ah, womit eine Moglichkeit erwachst, die Vcrteilungsfunktionen fiir die Energie- und Strukturfluktuationen aus Variationsrechnungen mit dem stochastischen Model1 zu bestimmen.

Fur eine realistische Beschreibung der Rcaktionsablaufc mussen aber auch die Einflusse der Oberflachentopogra- phie (EinfluR der Grenzschicht) und der -energie Beruck- sichtigung finden. Beispielsweise bilden Hefezellen (Sac- charomyces cerevisiae) in Abhangigkeit vom Werkstoff unterschiedliche Clusterformen aus [4]. So ahnelt die

frei bewenliche Zellen

T

Auslosung: Anzahl der Sprungrichtungen Sprung richtung Sprunglange

Wahrscheinlichkeiten eine Funktion der -Dichte (ortliche Schwankungen) -Nahrstoffgradienten -extrazellularen Produkte -Fremdkorper, Hohlraume (Boole'sche Variable) -sich bildenden oder wachsenden Zellclustern -Wechselwirkung mit anderen Zelltypen -sich bewegenden Zellgruppen (aerob, anaerob, Zellart etc.)

Ahh. 4. Monte-Carlo-Simulation der Diffucion in Biofilmen [41 Fig. 4. Monte-Carlo-Simulation of the diffusion in biofilms 141

Form, aufgewachsen auf einer Glasoberflache, der einer Bicnenwabenstruktur, wie man sie auch von Agar-Boden fur diese Zellen kennt, wohingegen die Form auf einer Stahloberflache. der eines geschlossenen Clusters nahe kommt. In Monte-Carlo-Simulationen kann dieses unter- schiedliche Verhalten durch Variation der Verteilungen simuliert werden [ 1, 41.

Mit der Interpretation dieser Ergebnisse envachst sofort die Frage nach der physikalischen Charakterisierung der Oberflachc. In der Technik wird ein Mittenrauhwert ange- geben. der aber nur linear fur einen Oberflachenausschnitt die Topographie beschreibt. Zur sinnvollen Beschreibung von Bioadhrisionsphanomenen mufite jedoch aus physika- lischer Sicht die topographische Verteilung der Oberfla- chenstruktur angegeben werden.

Abb. 3. Mdgliches Monte-Carlo-Modell zur Be- siedelung einer Festkiirperoherflaclie mit Mikroor- ganismen [4] Fig. 3. A possible Monte-Carlo-model to the adhesion of microorganisms on solid state surfaces

Bildung p =f (Strom Ung , W ec hselwirkungen p =f (StromUng, W echselwirku ngen,

Produkte, Stoffwechsel etc.) p-Wahrscheinlichkeit (probability) im Cluster, extrazellulare Dichte in der Losung etc.) [41

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0-8=0,3 eV A- B= 0,25eV o-B=O,l eV

Abb. 5. Abhangigkeil der sirnulierten Kinctikkurvcn von dcr Bindungscncrgic B (eV) [24] Fig. 5. The simulated kinetical function in dependence of the binding energy B of the formed cluster [24] cK-Teilchenzahl im sich hildenden Cluster / nurnbcr of particles in the formcd cluster N*-Schrittzahl (= t) / number of steps T = 100°C; Wechselwirkungspotential V(r) = f(rr2) / V(r)- potential of interaction between the precipitated particles

4 Korrosionsreaktionen

Zur Beschreibung von Korrosionsreaktionen werden cbenfalls die angefiihrten mathematischen Entwicklungs- stufen gcnutzt. Die technische Anwendung ist auch hier auf die Auswertung von Datenbaiiken und die Anwendung mathematischer Ansatze aus den ersten beiden Entwick- lungsstufen (Abschnitt 2) begrenzt [21]. So findet man ,,quasi“-Faustregcln, die aus dem Experiment gewonnen wurden, wie zur Beschreibung des Durchbruchpotentials von Oxidfilmen [20].

V = A + B . logi

(A. B - Konstanle; i - Stromstarke) Hierbei ist ein Hauptproblem die Charakterisierung der

Konstanten in Abhangigkeit vom sich aufbauenden Feld (S trom) .

Reaktionskinetische Ansatze beschreiben die ablaufcn- den chemischen Reaktionen wie u.a. zur Beschreibung der Bildung einer Passivschicht [6].

(9)

d 2 0 dO di dt dt2 dt

f(t) = C1 - - C2 - - - -

wobei die Zcitfunktion O an die experimentelle Passivic- rungskurve angepafit werdcn muR. Hierbei ist der einfach- ste Ansatz durch 0 = exp(- Wt) gegeben.

Beispielsweise mussen zur Beschreibung des LochfraBes zwei Mechanismen berucksichtigt werden, zuerst der Durchbruch der Passivschicht mit der erst sich dann anscblieljenden, eigentlichen Korrosionsreaktion. khn- llich der Biofilmbildung ist die &sung cin gckoppeltes Differentialgleichungssystem. Es sei aber bemerkt, daB diese kinctischen Ansatze auch mit phanomenologischen Rechnungen kombiniert werden konnen, u.a. zur Berech-

nung der Anfangs- und Randbedingungen infolge e iner Driftdiffusion im elektrischen Feld (Gleichung 3).

Die Korrosion kann in letztcr Konscqucnz als die Abdiffusion von aus der Oberflache herausgelosten Teil- chen betrachtet werden. Hierbei ist ein Hauptproblern die Ermittlung der geschwindigkeitsbestimmenden Reakt ion, die Diffusion oder dcr Zerfall. Die Diffusion ist im allgemeinsten Fall wiederum mit der Gleichung (3) beschreibbar. Hierfiir wurden eine Vielzahl von F& llen untersucht, wobei einzelne, charakteristische Reaktic nen als dominierende angenommen wurden [6], wie die Bcwc- gung im elektrischen Feld oder infolge von Drifteffekten (Konvektion) im RIA. Im zweiten Fall sind daruber hiiiaus die Stromungsbedingungen bedeutungsvoll, die von t her- mischen und Druckgradienten beeintlul3t werden. A llen Losungen ist gemeinsam, dal3 man die Diffusionsgleick ung fur die kompliziertesten Falle losen kann, zumindest numerisch, aber eine Beschreibung der zeitlichenverande- rung der Randbedingungen (Oberflachenreaktion) oftmals nicht mtiiglich ist. Beim Zusammenwirken mit Mikroorga- nismen wird diese Situation extrcm vcrscharft, dajetzt iioch die biochemischen Reaktionen in der Zellc und dxen moglicher Einflufi auf die unmittelbare zellulare Urnge- bung Beriicksichtigung finden muf.3.

Monte-Carlo-Simulationen zur Nachbildung von Kcirro- sionsreaktionen sind nicht bekannt. Die bekannten stocha- stischen Modelle [6] basieren auf wahrscheinlichkeit. the- oretischen Ansatzen, wie sie auch in der Theorie der Phasenuniwandlungen angewcndct wcrdcn [ 11. Hit rbei wird die Wahrscheinlichkeit [l, 141

__- - dP(n) - A(n -+ nl) . P(n - dt d

1, t) + C A(nr + 11) . I1

P(n, t) (11)

fur die Anderung des (n-1)-ten Zustandeb in den rl-ten berechnet, wobei die A’s die Ubergangswahrscheinlichkei- ten darstellen. Wird mit der Wahrscheinlichkcit

A = a . h . exp(- p . T) (14

(a-LochfraB-Oberflache, 1-Bildungszeit) cin Loch gebildet, so folgt fur die Anzahl der staliilen Locher

n = 1. a(t - T) exp(- p . T) (13)

Insbesondere Simulationen in Risscn und Poren L nter einer moglichen Einbeziehung von Mikroorganismen wiir- den hier zu einem verbesserten Verstandnis der ablaufen- den Reaktionen beitragen. Dieses Zicl scheint noch weit entfernt, auch unter Berucksichtigung der Programm- Entwicklungszeiten ahnlich komplexer Simulationsmodel- le Lum Ausscheidungsverhalten [l].

5 RiBwachstum

Das Wachstum eines Risses wird als Oberfliichentliffu- sion interpretiert, womit die Rifiwachstumsgeschwindig- keit proportional diesem Oberflachendiffusionsstroni ist. In Verbindung mit Korrosionsreaktionen vergndert sich aber auch das Oberflachenpotential am RiBgrund. Unter Annahme einer Driftbewegung im elektrischen Feld, das

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Werkstoffc und Korrosion 4.5, 21-28 (1094) Malhcrnatischc Modellicrung von Zerst(irungsmcc1ianismcn 27

vom Korrosionsstrom i bcstimrnt wird, crgibt sich rnitlels der Diffusionsgleichung (3) ohne Konvcktion dic RiBtiefc

Risscn vor 1231. Einer der Nachtcile ist die Nichtberuck- sichtigung dcr sich zeitlich verandernden Umwelt. Hierfijr bietet sich einc Kombination mit der Monte-Carlo-Mctho- de an. Insbesondcre zur Nachbildung des RiBwachstums oder zur Beschreibung von rheologischen Vorgiingen erscheint diese Methode intercssant, vor allern in Verbin- dung mit biologischcn Fragestellungen.

[61

(14) i . M . t

Y = z . F . p

(k-Gcschwindigkeit der Passivierung; x-RiSbrcite; Y =

dx/dt) 6 Zusammenfassung Beriicksichtigt man allc Einflusse auf bruchmcchanische Aussagcn ( A h . 6) , s o muU diescm korrosivcn Einflul!, eine bcsondere Bedeutung beigemessen werden. Erschwcrend kommt hinzu, daO es sich hicrbei um diffusionsgcsteuerte Reaktionen handelt, womit das experirnentelle Ergebnis von der Art und Weise der zeitlichen Versuchsfuhrung becinfluRt wird.

Bruchmechanische Untersuchungen untcr Einwirkung von Mikroorganisrnen sind bisher nicht durchgefuhrt wor- den. Unter Beriicksichtigung der zunehmendcn techni- schen Bcdeutung, insbesondere von biokorrosiven Mecha- nismen, rnuB zukiinftig diescn Schadigungsrnechanisrnen eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Hicr bcstehen aber bcreits immense Dcfizite in der naturwissen- schaftlichen und ingenieurtcchnischen Ausbildung.

Mittcls fraktaler Strukturcn ist cs moglich, die dynarni- schc Entwicklung eines Systems zu beschreihen. So gelingt es fur Phasenurnwandlungen, beginnend bei eincm Keim, das Clusterwachstum zu charakterisicren [ 221. Entspre- chendc erstc Ansatze liegcn auch fur das Wachstum von

AI

. K Ic=f (F,a,W,Werkstoff ,Geometric)

Abb. 6. Bruchmcchanikkonzcpte und dcrcn Gultigkcit Fig. 6. Concepts of fracture mechanics and their using K,-K-Faktor; a-RiRliinge (length oC crack); c-Dchnung (strain)

In Form cines Abrisses wurdc auf die rnoglichcn mathe- matischcn Modellicrungcn von Schadigungsrnechanismen eingegangen, vorrangig unter dem Gesichtspunkt der bio- korrosiven Schadigung. Ausgangspun k t derartigcr Rcak- tionen ist die Biofilmbildung, worauf ctwas ausfuhrlicher cingegangen wurdc.

Korrosionsrcaktionen basieren auf reaktionskinetischen Ansiitzen und Diffusionsrechnungen. Prinzipiell konnen die Modcllansatze zur Beschreibung der Biofilrnbildung. naturlich untcr Anpassung der Anfangs- und Randbcdin- gungen, auf dieses Problem iibertragen werdcn. Der sto- chastischen Simulation sollte in Zukunft eine besondcre Aufmerksamkeit geschenkt werden. Insbesondere fur die- se komplexen Reaktioncn unter Beteiligung von Mikroor- ganismen und unter Einbeziehung ihrer Umgebung in die Retrachtungen sind dic statistischen Schwankungen wih- rend der Reaktionsablaufe von grundlegender Bedeutung. Sie ermoglichcn zwar oftrnals nur orientierende Aussagen. crmoglichen abcr dafur Einblicke in den Rcaktionsablauf, die nur mit einem erheblichcn experimentellen Aufwand gewonnen werdcn konnen.

Zukunftig solltc bei dcr Ausbildung von Naturwisscn- schaftlern und lngcnicuren auf diesc fachrichtungslibcr- greifcnden Aspckte eingegangen werdcn. Das AusrnaO an biokorrosiven Schiidigungen wird aufgrund dcr Verande- rungen in unsercr Umwelt zunehrnen. Die Mechanismen sind aber nahezu unbekannt und werden an nur wenigcn Hochschulen flcherubergrcifend vcrmittelt. Insbesondere ist zu berucksichtigen, dal3 der biologische Abbau von Verpackungswerkstoffen ein biokorrosiver ProzeB ist, in der Umwelttechnik genutzt. Mit dcr Klarung dieser Frdge- stellungen durfte sich die zukiinftig Wettbewerbsfahigkeit entscheidcn.

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