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22 1 Ein Laser besteht ganz allgemein aus zwei Komponenten: einem aktiven Medium, in dem Licht mittels einer externen Energic- quelle erzcugt wird, und einem Resonator, der dieses Licht zuriick in das aktive Medium koppelt und damit die stimulierte Emission ermiiglicht. Dies gilt auch fur Halbleiterlaser, bei de- nen die Berandungen des Materials aufgrund des hohen Brechungsindex-Sprunges als Spicgel wirken und damit den Resonator formen. In jiingster Zeit gelang es, kreis- symmetrische Halbleiterstruktu- ren rnit Abmessungen im Mikro- meterbereich zum ,,Lasen" zu bringen. Ein solcher Mikrolaser kann als Zylinderscheibe geformt sejn, in dem sich eine elektrisch angeregte, aktive Schicht in der Ebcne senkrecht zur Zylinder- achse befindet und deren Um- fang als Resonator wirkt. Dann bildet sich eine Resonanz aus, bei der durch vielfache Totalreflexi- on das in dcr aktiven Schicht er- zeugte Licht im Randbereich dcs Resonators urnlauft und idealer- weise unendlich lange ,,gefangen" bleibt. Man nennt diese stabile Mode in Analogie zu dem in mit- telalterlichen Kirchen und Ge- wolben beobachtbaren Schallver- starkungs-Effekt Fliistergalerie- TYP. Dieser zeichnet sich einerseits dadurch aus, dai3 er aufgrund der hohen internen Reflexion die Schwelle zurn Lasen selbst bei sehr geringer elektrischer Anre- gung uberschreiten kann. Ande- rerseits ist seine Emission darnit sehr gering und ungerichtet, was ihn fur praktische Anwendungen wenig brauchbar macht. Aufbauend auf theoretischen Arbeiten veranderte die interna- tionale Forschcrgruppe jetzt die kreisformige Grundflache in cine stadionahnliche. Hierin integrier- ten die Wissenschaftler einen sogenannten Quanten-Kaska- den-Laser, der aus einer Schich- tenfolge aus Indium-Gallium- Arsenid und Indium- Alumini- um-Arsenid besteht und bei einer Wellenlange von 5,2 pm arbeitet. Dieser Lasertyp emittiert aus- schliefllich in die Ebene der akti- ven Schicht. Lithografisch strukturierte man verschieden oval deformierte Mikrolaser rnit chnotischem Resonator erreichen starke Emission Photonen in miniaturisiertem Stadion Von der Kreisform abweichende optische Resonatoren verandern drastisch die Eigenschaften miniaturisierter Laserstrukturen. Dies experimentell zu zeigen und theore- tisch zu deuten, gelang kiirzlich einer Gruppe der Bell Laboratories in Murray Hill (USA), der Yale University in New Haven (USA) und des Max- Planck-Instituts fur Physik komplexer Systeme in Dresden [l]. Ein ,,stadion- formiger" nur 50 pn kleiner optischer Resonator sendet aui3ergewohnlich intensives, gerichtetes Laserlicht aus. Abb. 1. Rasterelektronenmikro- skop-Aufnahme des Zylinderla- sers. Der stadionformige Reso- nator mit seinem elektrischen Kontakt auf der Oberseite ent- halt den aus InGaAs/InAlAs bestehenden aktiven Bereich und sitzt auf einem Sockel aus Indium-Phosphid. Abb. 2. Berechnete Strahlungsintensitaten im und um den ver- schieden stark von der Kreisform abweichenden Resonator eines Mikrolasers, wobei rot fur die groi3te und blau fur die geringste Strahlungsintensitat steht. Bei einer geringen Deformation (a) bil- det sich im Resonator ein chaotisches Verhalten aus, wobei insbe- sondere im Fernfeld die Emission vergleichsweise gering und unge- richtet ist. Im Gegensatz dazu entsteht bei starkerer Deformation (b) die fliegenformige Resonanz rnit starker, in die Diagonale gerichteter Emission. (Quelle: J. Nockel, MPI-PKS) Zylinderlaser mit Durchmessern von etwa 50 pm und dicken von etwa 5 pm (Abbildung 1) und untersuchte Starke und Winkel- verteilung der Emission bei puls- artiger elektrischer Anregung. Bei Uberschreiten einer Schwelle der Deformation beobachteten die Forscher eine Steigerung der maximalen Emission um etwa drei Groaenordnungen und eine starke Winkelselektivitat. Die Ursache konnte rnit Hilfe von Computersimulationen gefunden werden: Wie eine Bil- lardkugel auf einem nur nahezu kreisformigen Tisch breitet sich das Licht in einem deformierten Resonator chaotisch aus. Denn aufgrund des nichtlinearen Zu- sammenhangs zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Reflexio- nen bewegt sich das Licht nicht auf vorhersagbaren Trajektorien. Durch konstruktive Interferenz konnen Photoncn dann bei geringer Deformation zwar ein Whispering-Gallcry-Strahlungs- feld ausbilden; dieses ist aber ins- besondere im Fcrnfcld recht wenig strukturiert, da das Chaos ciner Bundelung entgegenwirkt (Abbildung la). Erst bei starkercr Deformation ,,iiberlebt" eine neue Resonanz, welche die Wissenschaftler auf- grund ihrer Form ,,Bow-Tie"- Mode (engl. Fur Frackfliege) nannten und die fur die drasti- schen Veranderungen des Emissi- onsverhaltens verantwortlich ist (Abbildung Ib). Im Quantenbild gesprochen konnen Photonen dabei viertnal reflektiert eine geschlossenc Bahn durchlaufen, welche die Form einer Fliege zeichnet. Die weiterhin vorhan- dene chaotische Ausbreitung des Lichtes auf anderen Bahnen spielt zudem eine wichtigc Rolle, denn sie unterdriickt die Ausbildung anderer, konkurrierender Laser- moden. Das sich resonant aus- breitende Licht der Fliegen- Mode fallt etwa gerade rnit dcm kritischen Winkel fur interne Totalreflexion auf die Resonator- grenzflache. Darnit ist die Reflek- tivitat groQ genug, um die ,,Flie- ge" zu ciner langlebigen Mode werden zu lassen, im Gegensatz zur Flustergaleric-Mode jedoch klein genug, urn Licht nennens- wert auskoppeln zu konnen. Die Emission erfolgt vor allem in Richtung der Diagonalc uber die vier Zipfel der Fliege und ist damit nun stark gerichtct. Die Entdeckung dieses Effektes ist nicht nur von grundlegender Bedeutung fur die Erforschung chaotischer Systeme. Mit der Einfuhrung cines neuen Variati- onsparameters, der Deformation, ist sie auch ein Meilenstein fur die Entwicklung leistungsstarker, praxistauglicher Mikrolaser. Da sie auf einem geometrischcn Effekt beruht, bleibt ihre An- wendung keineswegs auf den Bereich des zunachst realisierten mittleren infraroten Spektralbe- reichs beschrankt. Die Wisscn- schaftler planen jetzt das Design von Mikrolasern fur die Wellen- langen 1,3 pm und 1,55 pm, bei denen Glasfaseroptiken arbeiten. [I] C. Gmachl et al., Science 280, 1556 (1998) Dr. Volker Drach, U Wiirzburg Physik in unserer Zeit / 29. Jahrg. 1998 / Nr. I

Mikrolaser mit chaotischem Resonator erreichen starke Emission. Photonen in miniaturisiertem Stadion

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Page 1: Mikrolaser mit chaotischem Resonator erreichen starke Emission. Photonen in miniaturisiertem Stadion

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Ein Laser besteht ganz allgemein aus zwei Komponenten: einem aktiven Medium, in dem Licht mittels einer externen Energic- quelle erzcugt wird, und einem Resonator, der dieses Licht zuriick in das aktive Medium koppelt und damit die stimulierte Emission ermiiglicht. Dies gilt auch fur Halbleiterlaser, bei de- nen die Berandungen des Materials aufgrund des hohen Brechungsindex-Sprunges als Spicgel wirken und damit den Resonator formen.

In jiingster Zeit gelang es, kreis- symmetrische Halbleiterstruktu- ren rnit Abmessungen im Mikro- meterbereich zum ,,Lasen" zu bringen. Ein solcher Mikrolaser kann als Zylinderscheibe geformt sejn, in dem sich eine elektrisch angeregte, aktive Schicht in der Ebcne senkrecht zur Zylinder- achse befindet und deren Um- fang als Resonator wirkt. Dann bildet sich eine Resonanz aus, bei der durch vielfache Totalreflexi- on das in dcr aktiven Schicht er- zeugte Licht im Randbereich dcs Resonators urnlauft und idealer- weise unendlich lange ,,gefangen" bleibt. Man nennt diese stabile Mode in Analogie zu dem in mit- telalterlichen Kirchen und Ge- wolben beobachtbaren Schallver- starkungs-Effekt Fliistergalerie- TYP.

Dieser zeichnet sich einerseits dadurch aus, dai3 er aufgrund der hohen internen Reflexion die Schwelle zurn Lasen selbst bei sehr geringer elektrischer Anre- gung uberschreiten kann. Ande- rerseits ist seine Emission darnit sehr gering und ungerichtet, was ihn fur praktische Anwendungen wenig brauchbar macht.

Aufbauend auf theoretischen Arbeiten veranderte die interna- tionale Forschcrgruppe jetzt die kreisformige Grundflache in cine stadionahnliche. Hierin integrier- ten die Wissenschaftler einen sogenannten Quanten-Kaska- den-Laser, der aus einer Schich- tenfolge aus Indium-Gallium- Arsenid und Indium- Alumini- um-Arsenid besteht und bei einer Wellenlange von 5,2 pm arbeitet. Dieser Lasertyp emittiert aus- schliefllich in die Ebene der akti- ven Schicht.

Lithografisch strukturierte man verschieden oval deformierte

Mikrolaser rnit chnotischem Resonator erreichen starke Emission

Photonen in miniaturisiertem Stadion Von der Kreisform abweichende optische Resonatoren verandern drastisch die Eigenschaften miniaturisierter Laserstrukturen. Dies experimentell zu zeigen und theore- tisch zu deuten, gelang kiirzlich einer Gruppe der Bell Laboratories in Murray Hill (USA), der Yale University in New Haven (USA) und des Max- Planck-Instituts fur Physik komplexer Systeme in Dresden [l]. Ein ,,stadion- formiger" nur 50 pn kleiner optischer Resonator sendet aui3ergewohnlich intensives, gerichtetes Laserlicht aus.

Abb. 1. Rasterelektronenmikro- skop-Aufnahme des Zylinderla- sers. Der stadionformige Reso- nator mit seinem elektrischen Kontakt auf der Oberseite ent- halt den aus InGaAs/InAlAs bestehenden aktiven Bereich und sitzt auf einem Sockel aus Indium-Phosphid.

Abb. 2. Berechnete Strahlungsintensitaten im und um den ver- schieden stark von der Kreisform abweichenden Resonator eines Mikrolasers, wobei rot fur die groi3te und blau fur die geringste Strahlungsintensitat steht. Bei einer geringen Deformation (a) bil- det sich im Resonator ein chaotisches Verhalten aus, wobei insbe- sondere im Fernfeld die Emission vergleichsweise gering und unge- richtet ist. Im Gegensatz dazu entsteht bei starkerer Deformation (b) die fliegenformige Resonanz rnit starker, in die Diagonale gerichteter Emission. (Quelle: J. Nockel, MPI-PKS)

Zylinderlaser mit Durchmessern von etwa 50 pm und dicken von etwa 5 pm (Abbildung 1) und untersuchte Starke und Winkel- verteilung der Emission bei puls- artiger elektrischer Anregung. Bei Uberschreiten einer Schwelle der Deformation beobachteten die Forscher eine Steigerung der maximalen Emission um etwa drei Groaenordnungen und eine starke Winkelselektivitat.

Die Ursache konnte rnit Hilfe von Computersimulationen gefunden werden: Wie eine Bil- lardkugel auf einem nur nahezu kreisformigen Tisch breitet sich das Licht in einem deformierten Resonator chaotisch aus. Denn aufgrund des nichtlinearen Zu- sammenhangs zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Reflexio- nen bewegt sich das Licht nicht auf vorhersagbaren Trajektorien.

Durch konstruktive Interferenz konnen Photoncn dann bei geringer Deformation zwar ein Whispering-Gallcry-Strahlungs- feld ausbilden; dieses ist aber ins- besondere im Fcrnfcld recht wenig strukturiert, da das Chaos ciner Bundelung entgegenwirkt (Abbildung la).

Erst bei starkercr Deformation ,,iiberlebt" eine neue Resonanz, welche die Wissenschaftler auf- grund ihrer Form ,,Bow-Tie"- Mode (engl. Fur Frackfliege) nannten und die fur die drasti- schen Veranderungen des Emissi- onsverhaltens verantwortlich ist (Abbildung Ib). Im Quantenbild gesprochen konnen Photonen dabei viertnal reflektiert eine geschlossenc Bahn durchlaufen, welche die Form einer Fliege zeichnet. Die weiterhin vorhan- dene chaotische Ausbreitung des Lichtes auf anderen Bahnen spielt zudem eine wichtigc Rolle, denn sie unterdriickt die Ausbildung anderer, konkurrierender Laser- moden. Das sich resonant aus- breitende Licht der Fliegen- Mode fallt etwa gerade rnit dcm kritischen Winkel fur interne Totalreflexion auf die Resonator- grenzflache. Darnit ist die Reflek- tivitat groQ genug, um die ,,Flie- ge" zu ciner langlebigen Mode werden zu lassen, im Gegensatz zur Flustergaleric-Mode jedoch klein genug, urn Licht nennens- wert auskoppeln zu konnen. Die Emission erfolgt vor allem in Richtung der Diagonalc uber die vier Zipfel der Fliege und ist damit nun stark gerichtct.

Die Entdeckung dieses Effektes ist nicht nur von grundlegender Bedeutung fur die Erforschung chaotischer Systeme. Mit der Einfuhrung cines neuen Variati- onsparameters, der Deformation, ist sie auch ein Meilenstein fur die Entwicklung leistungsstarker, praxistauglicher Mikrolaser. Da sie auf einem geometrischcn Effekt beruht, bleibt ihre An- wendung keineswegs auf den Bereich des zunachst realisierten mittleren infraroten Spektralbe- reichs beschrankt. Die Wisscn- schaftler planen jetzt das Design von Mikrolasern fur die Wellen- langen 1,3 pm und 1,55 pm, bei denen Glasfaseroptiken arbeiten.

[I] C. Gmachl et al., Science 280, 1556 (1998)

Dr. Volker Drach, U Wiirzburg

Physik in unserer Zeit / 29. Jahrg. 1998 / Nr. I