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35 Tagungsband zur 55. WINTERTAGUNG MINIMALSCHNITT IM SPALIER – EINE NEUE ERZIEHUNG MIT ZUKUNFT? Oswald Walg, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück Die arbeitsextensive Erziehungsform „Minimal- schnitt“ stößt auf immer größeres Interesse bei den Winzern. Dies belegt auch die stetig steigende Zahl von Minimalschnittanlagen in Deutschland. Es herrscht jedoch immer noch große Unkenntnis über die Praktikabilität sowie das zu erwartende Ertrags- und Qualitätsniveau bei dieser Erzie- hungsform. Waren es bisher in erster Linie betriebswirtschaft- liche Gründe, die für eine Umstellung auf Mini- malschnittsysteme sprachen, so gewinnen im Zuge der globalen Erwärmung die physiologischen und morphologischen Besonderheiten dieser Er- ziehungsform zunehmend an Bedeutung. Trotz der zahlreichen Vorteile, die ein Minimalschnitt bringt, können sich viele Winzer mit diesem „Wildwuchs“ nicht anfreunden. Er passt in den Augen vieler nicht zu den Vorstellungen einer „ordentlichen“ Weinbergsbewirtschaftung. Entsprechend groß sind die Vorbehalte gegen diese Erziehungsform in weiten Kreisen der Winzerschaft. Eine neue Form des Minimalschnitts könnte je- doch die Akzeptanz der Winzer für dieses Erzie- hungssystem deutlich verbessern. Es handelt sich dabei um den Minimalschnitt im Spalier. Bei die- ser Minimalschnittvariante bleiben der bestehen- de Drahtrahmen sowie der Standraum erhalten und auch die Anlageform entspricht weitgehend einer Normalerziehung. Wie beim klassischen Mi- nimalschnitt entfallen auch bei diesem System die arbeitsintensiven Handarbeiten wie Rebschnitt, Biegen und Heften.

MiniMalschniTT iM spalier – eine neue erziehung MiT zukunfT? · Tabelle 2 zeigt einen Vergleich beim riesling zwischen ausgedünnt und nicht ausgedünnt in abhängigkeit von der

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MiniMalschniTT iM spalier – eine neue erziehung MiT zukunfT? Oswald Walg, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück

Die arbeitsextensive erziehungsform „Minimal- schnitt“ stößt auf immer größeres interesse bei den Winzern. Dies belegt auch die stetig steigende zahl von Minimalschnittanlagen in Deutschland. es herrscht jedoch immer noch große unkenntnis über die praktikabilität sowie das zu erwartende ertrags- und Qualitätsniveau bei dieser erzie-hungsform.

Waren es bisher in erster linie betriebswirtschaft- liche gründe, die für eine umstellung auf Mini-malschnittsysteme sprachen, so gewinnen im zuge der globalen erwärmung die physiologischen und morphologischen Besonderheiten dieser er-ziehungsform zunehmend an Bedeutung. Trotz der zahlreichen Vorteile, die ein Minimalschnitt bringt, können sich viele Winzer mit diesem „Wildwuchs“

nicht anfreunden. er passt in den augen vieler nicht zu den Vorstellungen einer „ordentlichen“ Weinbergsbewirtschaftung. entsprechend groß sind die Vorbehalte gegen diese erziehungsform in weiten kreisen der Winzerschaft.

eine neue form des Minimalschnitts könnte je-doch die akzeptanz der Winzer für dieses erzie-hungssystem deutlich verbessern. es handelt sich dabei um den Minimalschnitt im spalier. Bei die-ser Minimalschnittvariante bleiben der bestehen-de Drahtrahmen sowie der standraum erhalten und auch die anlageform entspricht weitgehend einer normalerziehung. Wie beim klassischen Mi-nimalschnitt entfallen auch bei diesem system die arbeitsintensiven handarbeiten wie rebschnitt, Biegen und heften.

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Mit dieser neuen erziehungsform wurden 2009 erste Versuche im staatsweingut Bad kreuznach begonnen. Die daraus gewonnenen ergebnisse stimmen sehr optimistisch und werden im fol-genden dargestellt.

umstellung und Bewirtschaftung

Die umstellung ist recht einfach und erfordert keine zusätzlichen arbeitsgänge. Die vorher kon-ventionell bewirtschaftete spalieranlage wird lediglich nicht mehr geschnitten. alle Triebe werden wachsen gelassen (abb. 1). erst wenn die laubwand zu üppig und dicht wird, erfolgt der laubschnitt. Während praktiker häufig schon kurz vor der Blüte das erste Mal schneiden, erfolgt der laubschnitt im kreuznacher staatsweingut kurz vor der ersten nachblütebehandlung. Da-bei werden schon viele Trauben, die im äußeren laubwandbereich hängen, abgeschnitten. auch das Blatt-frucht-Verhältnis (BfV) wird dadurch drastisch reduziert. Die anschließende Bildung von geiztrieben ist gering und kann nur in einem begrenzten Maße zur Verbesserung des BfV bei-tragen. Deshalb kann i.d.r. auch auf einen zweiten laubschnitt verzichtet werden, da die gassen weitgehend offen bleiben. auch geiztrauben wer-den kaum gebildet und müssen deshalb nicht ent-fernt werden, wie dies bei bestimmten sorten in der normalerziehung der fall ist. Blätter im inne-ren Bereich der laubwand beginnen sich aufgrund von lichtmangel vorzeitig zu verfärben und abzu-sterben. Das heften entfällt, allerdings sollten die heftdrähte gut zusammengeklammert sein, da-mit Triebe aufgrund ihres Traubengewichtes nicht nach unten rutschen. Bei normal hohen laub-wänden genügen zwei heftdrahtpaare, bei hohen laubwänden empfiehlt sich ein drittes heftdraht-paar einzuziehen. es ist darauf zu achten, dass die klammerung der heftdrähte dauerhaft haltbar ist und nicht durch den Vollerntereinsatz gelöst wird. Metallklammern, die man mit einer zange zupetzt, sind hierfür gut geeignet. Beim pflanzen-schutz müssen ab der ersten Behandlung vier bis fünf Düsen auf jeder seite geöffnet sein. ab der Blüte ist jede zeile zu fahren, da bei der Dichte

der laubwand ein Durchdringen der spritzbrühe bis in die nächste zeile nur sehr unzureichend erfolgt. nach dem laubschnitt ist auf den ersten Blick kein großer unterschied zur konventionellen spaliererziehung erkennbar. erst bei genauerem hinschauen erkennt man die sehr hohe Trau-benzahl, die an den stark eingekürzten Trieben über die gesamte laubwand verteilt ist. Dies hat natürlich gravierende auswirkungen sowohl auf den ertrag als auch auf die Qualität. insbeson-dere im ersten Jahr der umstellung sind enorme stockerträge von bis zu 10 kg/ stock möglich. Dauerhaft würde dies zu einer extremen stockü-berlastung führen. Damit es nicht dazu kommt, reguliert sich die rebe selbst durch verschiedene Veränderungen in ihrer physiologie (z.B. geringere austriebsrate, weniger und kleinere Beeren/ Trau-be). eine feinregulierung muss der Winzer jedoch selbst durchführen. Damit das „spalier“ erhalten bleibt, muss im Winter ein rückschnitt erfolgen (abb. 2). Überstehende und seitlich abstehende Triebe werden zurückgestutzt. hierfür eignen sich Messerbalkengeräte oder laubschneider mit kleinen rotierenden Messer. längere laubschnei-dermesser sind weniger geeignet, da das holz schlechter erfasst wird. Trotz dieses rückschnittes treiben rund 70 bis 150 Triebe pro lfd. Meter zeile aus. Dabei spielt die stockbelastung im Vorjahr eine wichtige rolle. Je höher der stockertrag im Vorjahr, desto geringer die austriebsquote im fol-gejahr und umgekehrt.

aufgrund der hohen Trieb- und damit auch Trau-benzahl pro stock sind Übererträge ein problem bei diesem Minimalschnittsystem. sie wirken sich negativ auf die Weinqualität aus. Da die Mostge-wichte in solchen anlagen i.d.r. nur zwischen 60 und 70 °Oe liegen, sind die Weine meist dünn und klein. unter diesen Bedingungen muss der Winzer regulierend in das system eingreifen. Das geeig-nete instrument dafür ist der Traubenvollernter.

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abb. 1: Mehrjähriger Minimalschnitt im spalier nach dem austrieb, rechts konventionelle spalierer- ziehung

abb. 2: rückschnitt im Winter mit einem Messerbal- kengerät

ertragsregulierung mit dem Traubenvollernter

Will man nicht große Mengen an Basiswein pro-duzieren, ist ein ausdünnen mit dem Trauben-vollernter eine recht schnelle und zuverlässige Methode den ertrag zu regulieren, die Trauben-gesundheit zu verbessern und die Qualität zu steigern.

Die intensität der ausdünnung muss dabei dem ertragsniveau angepasst werden. Bei sehr ho-hen erträgen ist auch eine entsprechend starke ausdünnung erforderlich. Dies ist aber im prak-tischen einsatz gar nicht so einfach steuerbar, weil man das ertragsniveau und die ausdünnquote

nur grob abschätzen kann. Die reaktion auf das Mostgewicht fällt dabei meist deutlich aus. Die bisherigen Versuche zeigen, dass in abhängigkeit vom ertragsniveau und der ausdünnintensität mit Mostgewichtssteigerungen von 10 bis 30 °Oe zu rechnen ist.

Die Vollernterausdünnung sollte in den es erbsengröße bis Traubenschluss erfolgen. Vor Weichwerden der Beeren muss die Maßnahme abgeschlossen sein, um Botrytisinfektionen durch verletzte Beeren nicht zu fördern. Die aus-dünnung sollte gleichmäßig über die gesamte laubwand erfolgen (abb. 3). in der praxis werden beim Minimalschnitt häufig nur die Trauben im unteren laubwandbereich ausgedünnt (Bandaus-dünnung). Dieses Verfahren hat zwar den Vorteil, dass nur die unteren, stärker beschatteten Trau-ben abgeschlagen werden, aber es führt auch zu kompensationseffekten bei den verbliebenen, oberen Trauben, was fäulnisfördernd sein kann. außerdem erfordert die Bandausdünnung eine hohe schlagintensität, was auch eine stärkere Beanspruchung der pfähle und stöcke bedeutet. Das ausdünnen über die gesamte Traubenzone ist der Bandausdünnung vorzuziehen, da es bzgl. der Beereninhaltsstoffe und der Traubengesundheit eindeutig besser abschneidet.

Bei diesem Verfahren muss die schlagintensität reduziert werden, was die Belastungen auf die stöcke und die unterstützung verringert.

abb. 3: Das hohe ertragsniveau beim Minimalschnitt im spalier kann mit dem Vollernter wirkungs- voll reduziert werden (hier: Ve-ausdünnung beim portugieser)

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Traubengesundheit und Vollernterausdünnung

Der geringere Befruchtungsgrad, die stärkere Verrieselungsneigung und die kleineren Beeren bewirken beim Minimalschnitt eine lockere Trau-benstruktur. Die anfälligkeit gegenüber Botrytis ist dadurch deutlich reduziert. in der praxis be-deutet dies, dass Minimalschnittanlagen später geerntet werden können. Qualitativ kann sich dies bei Weißweinen in einem aromatischeren, duf-tigeren Typ mit reifer, fruchtiger säure bemerkbar machen. Bei rotweinen können intensivere farbe, mehr Tannine und eine größere nachhaltigkeit auftreten. Diese attribute sind in ihrer ausprä-gung, insbesondere bei roten sorten, stark an eine Vollernterausdünnung über die gesamte Traubenzone geknüpft. Diese bewirkt durch das abschlagen einzelner Beeren und Traubenteile eine zusätzliche auflockerung der Traubenstruktur (abb. 4). noch entscheidender ist aber die physio-logische reaktion der Traube. normalerweise wird durch die Wegnahme von Trauben oder Beeren das Dickenwachstum der verbliebenen Beeren gefördert, wodurch die Botrytisgefahr zunehmen kann und das Verhältnis von fruchtfleisch zu Bee-

renhaut negativ verändert wird. anders ist es bei der Vollernterausdünnung. Bei diesem Verfahren bleiben die Beeren klein und bekommen eine di-ckere Beerenhaut. Möglicherweise kommt es zu einer emboliebildung in den Xylembahnen auf-grund der schüttlereinwirkung. es bilden sich dort luftblasen, die zumindest teilweise die Wasser-versorgung der Beeren unterbrechen. Die Trauben reagieren darauf ähnlich wie bei Trockenheit mit der Bildung einer dickeren Beerenhaut, kleineren Beeren und einer vermehrten einlagerung von phenolen. insbesondere für rotweinsorten ist di-ese reaktion sehr qualitätsfördernd. Die kleineren Beeren, aber insbesondere die dickere Beerenhaut bewirken zudem ein sehr geringes Botrytisrisiko. abquetschungen von Beeren und saftaustritt kommen praktisch nicht vor. Damit ergibt sich die Möglichkeit, den lesetermin relativ spät zu wäh-len, was sich positiv auf die physiologische reife auswirkt und zu einer nicht zu unterschätzenden Qualitätssteigerung führen kann. Die Tabelle 1 zeigt den unterschiedlichen Botrytisbefall 2010 zwischen normalerziehung und Minimalschnitt im spalier bei verschiedenen rebsorten.

Tab. 1: Vergleich des Botrytisbefalls 2010 (% Befallsstärke) zwischen normalschnitt und Minimalschnitt im spalier (Ms)

Rebsorte riesling silvaner portug. spätburg.

Datum Bonitur 11.10.10 05.10.10 23.09.10 06.10.10

Normalschnitt 75 38,2 12,8 19,5

MS – nicht ausged. 25,5 2,3 3,8 1,0

MS – VE ausged. 31,5 1,3 0,9 0,3

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abb. 4: Vergleich der Traubenstruktur, Trauben- und Beerengröße zwischen spaliererziehung (normalschnitt) und Minimalschnitt im spalier in abhängigkeit vom ausdünngrad

ernteergebnisse 2010

Die Versuche zum Minimalschnitt im spalier wurden im kreuznacher staatsweingut 2009 an den rebsorten riesling, silvaner und portugieser begonnen. 2010 kam der Blaue spätburgunder hinzu.

Mit dem austrieb entwickelt sich in den anlagen eine enorm hohe Triebzahl. gegenüber der nor-malziehung finden sich pro lfd. Meter zeile etwa 8 bis 12 mal so viele Triebe. Diese bringen eine entsprechend hohe Traubenzahl, was zwangsläufig einen höheren ertrag zur folge hat. insbesondere im ersten Jahr nach der umstellung sind die erträ-ge sehr hoch und müssen ausgedünnt werden. in den folgejahren sinkt zwar das ertragsniveau, aber eine ausdünnung ist dennoch in den meisten fäl-len zu empfehlen. aufgrund des besseren gesund-heitszustandes können die Trauben später gelesen werden, was positiv für die physiologische reife ist und den nachteil des schlechteren BfV wieder etwas ausgleicht.

Tabelle 2 zeigt einen Vergleich beim riesling zwischen ausgedünnt und nicht ausgedünnt in

abhängigkeit von der umstellungsdauer der an- lage. Die 2010 umgestellten reben brachten mit 5,2 kg/ stock einen deutlich höheren ertrag als die stöcke, die bereits 2009 umgestellt wurden und im zweiten ertragsjahr waren (selbstregulation). Der ertrag in dieser Variante lag bei 3,7 kg/ stock. Dafür war das Mostgewicht aber um 10 °Oe hö-her. Durch eine schwache Vollernterausdünnung konnten die erträge gesenkt und die Mostge-wichte erhöht werden. eine stärkere ausdünnung mit dem Vollernter wurde nur in der ertragsstar-ken Variante, die erst 2010 umgestellt wurde, vorgenommen. Das resultat war mit 157 kg/ ar und einem Mostgewicht von 90 °Oe recht an-sprechend, ebenso wie bei der schwachen aus-dünnung aus dem umstellungsjahr 2009, die es auf 92 °Oe bei 131 kg/ ar brachte. Die normaler-ziehung hatte zwar 101 °Oe, dafür aber nur noch einen recht bescheidenen ertrag von 54 kg/ ar. Die 101 °Oe waren das resultat eines extrem starken Botrytisbefalls (Befallsstärke 75 %). Dage-gen waren die Trauben beim Minimalschnitt noch recht gesund. ein längeres hängenlassen dieser Trauben wäre zwar möglich gewesen, aber nicht erwünscht, da dieses lesegut für sektgrundwein und trockenen kabinett unbedingt benötigt wur-

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de. Die Beschaffenheit der „Minimalschnitttrau-ben“ war hierfür recht gut geeignet, was für den normalschnitt nicht zutraf. aufgrund des guten ertragsniveaus bei einem akzeptablen Mostge-

wicht in Verbindung mit einem guten gesund-heitszustand lieferte der Minimalschnitt 2010 beim riesling die „nützlicheren“ Trauben. auch die säure war aufgrund der längeren reife reduziert.

Tab. 2: ernteergebnisse 2010 beim riesling – Vergleich zwischen ein- und zweijährigem Minimalschnitt im spalier (Ms) mit der normalerziehung –

Der spätburgunder (Tab. 3) brachte in seinem ers-ten Minimalschnitt-Jahr einen enormen stocker-trag von 9,05 kg. Das Mostgewicht erreichte dabei nur 65 °Oe. Bereits durch eine schwache ausdün-nung auf 5,45 kg/ stock stieg das Mostgewicht auf 84 °Oe. Mit der starken ausdünnung konnte das Mostgewicht weiter auf 93 °Oe gesteigert werden, bei einem noch befriedigenden ertrag von 2,71 kg/ stock. Der normalschnitt brachte es auf 91 °Oe. allerdings musste hierfür eine negative Vorlese fauler Trauben durchgeführt werden, was den ertrag auf 2,3 kg/ stock reduzierte. ein beson-

deres phänomen zeigte sich im Wein. Der Wein aus der schwach ausgedünnten Minimalschnitt-Variante war mit 84 °Oe farbintensiver, tannin-reicher und nachhaltiger als der Wein aus dem normalschnitt mit 91 °Oe. erklärbar ist dies durch die Vollernterausdünnung, die zu kleineren Beeren mit dickeren häuten führt. Dadurch entsteht ein günstigeres Beerenhaut-fruchtfleisch-Verhältnis beim Minimalschnitt. Obwohl der lesetermin nicht sehr viel später lag als beim normalschnitt, waren die säurewerte deutlich geringer, insbeson-dere bei der Vollernterausdünnung.

Tab. 3: ernteergebnisse 2010 beim Blauen spätburgunder (1. Jahr) – Vergleich Minimalschnitt im spalier (Ms) mit normalerziehung –

1) negative Vorlese fauler Trauben am 06. 10.2010

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Der silvaner (Tab. 4) zeigte deutlich die auswir-kungen des ertragsniveaus auf den ertrag im folgejahr. Die 2009 nicht ausgedünnte Variante (9,0 kg/ stock und 62 °Oe) brachte 2010 nur noch einen stockertrag von 4,04 kg mit 81 °Oe. Dagegen lag die Variante, die 2009 mit dem Vollernter ausgedünnt wurde in 2010 ohne aus-dünnung bei einem ertrag von 6.07 kg/ stock mit 71 °Oe. Der hohe stockertrag 2009 führte in der nicht ausgedünnten Variante zu einer geringeren reservestoffeinlagerung. nach dem strengen Winter 2009/ 10 hatte dies eine verminderte aus-triebsrate und damit auch einen geringeren ertrag zur folge. in der Variante, die 2009 ausgedünnt

wurde, war die austriebsrate sehr viel besser, was sich in einem höheren ertrag niederschlug. Durch eine schwache ausdünnung in dieser Variante wurden ertragswerte erzielt, die nahezu identisch mit denen der nicht ausgedünnten Variante 2009 und 2010 waren. Der normalschnitt brachte mit 3,58 kg/ stock einen geringeren ertrag. Das Most-gewicht erreichte 76 °Oe. aufgrund des Botry-tisbefalls (Befallsstärke 38 %) wurde der nor-malschnitt schon am 06.10.10 gelesen, während die lese beim Minimalschnitt erst am 27.10.10 erfolgte. Die Trauben waren zu diesem zeitpunkt noch absolut gesund.

Tab. 4: ernteergebnisse 2010 beim silvaner (2. Jahr) – Vergleich Minimalschnitt im spalier (Ms) mit normalerziehung –

auch der portugieser (Tab. 5) hat gegenüber 2009 im ertrag sehr stark nachgegeben. ursache hier-für war ebenfalls eine geringere austriebsrate. Deshalb wurde auch beim portugieser, neben der nicht ausgedünnten kontrolle, nur eine schwache ausdünnung vorgenommen. Dadurch sank der ertrag von 3,95 kg/ stock auf 2,85 kg, wobei das Mostgewicht von 70 auf 72 °Oe anstieg. Der normalschnitt brachte 2,72 kg/ stock bei einem Mostgewicht von 69 °Oe. allerdings musste auch beim portugieser in der normalerziehung eine negative Vorlese vorgenommen werden. Der Minimalschnitt war zwar zum lesezeitpunkt der normalerziehung deutlich gesünder als diese, allerdings führten die niederschläge in der dritten

septemberdekade auch beim Minimalschnitt zu einem vermehrten aufplatzen von Beeren, so dass der lesetermin nicht noch länger aufgeschoben werden konnte. es zeigte sich, dass die Beeren des portugiesers nicht die platzfestigkeit besaßen, wie die des silvaners oder spätburgunders, wo die lese relativ spät erfolgen konnte. Obwohl sich die Mostgewichte aller drei Varianten nicht wesent-lich unterschieden, konnten durch die schwache Vollenterausdünnung die farbstruktur, der phe-nolgehalt und die nachhaltigkeit des Weines deutlich verbessert werden.

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Tab. 5: ernteergebnisse 2010 beim portugieser (2. Jahr) – Vergleich Minimalschnitt im spalier (Ms) mit normalerziehung –

Betriebswirtschaftliche aspekte

interessant ist der Minimalschnitt im spalier vor allem wegen seiner günstigen Ökonomie. Bis auf das ausbrechen entfallen alle handarbeiten. Der arbeitsaufwand liegt nur bei 40 bis 60 akh/ ha (Tab. 6), während eine normalbewirtschaftung bei guter Mechanisierung ca. 180 bis 200 akh/ ha in anspruch nimmt. nach der ernte bis zum früh-jahr fallen außer dem Winterschnitt und einem

evtl. ausbessern der unterstützung keine arbei-ten an. Durch die beträchtlichen arbeitseinspa-rungen können die produktionskosten deutlich gesenkt werden. Wie die kostenaufstellung der Tabelle 7 zeigt, lassen sich beim Minimalschnitt im spalier die erzeugungskosten der Traubenpro-duktion um 13 cent/ l gegenüber der normaler-ziehung senken.

Tab. 6: arbeitsaufwand beim Minimalschnitt im spalier

1) negative Vorlese fauler Trauben am 22. 09.2010

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Tab. 7: kostenvergleich (€/ha) zwischen normalerziehung und Minimalschnitt im spalier

fazit

Der Minimalschnitt im spalier ist aus qualitativer, quantitativer, phytosanitärer und ökonomischer sicht sehr interessant. Die gefahr von Übererträ-gen und damit einhergehend kleinen, dünnen und unharmonischen Weinen besteht. in diesen fällen muss ertragssteuernd in das system eingegriffen werden. Dies gelingt mit dem Traubenvollernter recht gut. eine spätere lese aufgrund des besse-ren gesundheitszustandes der Trauben in Verbin-dung mit einem engeren Beerenhaut-fruchtfleich-Verhältnis durch eine Vollernterausdünnung kann Qualitäten bringen, die denen der normalerzie-hung überlegen sind. insbesondere bei rotweinen ist dies der fall.

zusammenfassung

Der Minimalschnitt im spalier erfordert keine umstellungsarbeiten und ist auch optisch der normalerziehung sehr ähnlich. Daher dürfte die akzeptanz für dieses system größer sein als beim klassischen Minimalschnitt.

eine rückumstellung auf normalschnitt ist bei vielen sorten – zumindest in den ersten Jahren – relativ leicht möglich.

Die im Vergleich zur normalerziehung bessere Traubengesundheit erlaubt:

1. eine spätere lese und bietet damit die chance besserer Qualitäten

2. in fäulnisjahren segmente besser abzu- decken, die gesundes lesegut erfordern, z.B. Traubensaft, sektgrundwein, rotwein oder trockene Weißweine

Das ertragsniveau ist – insbesondere im ersten Jahr – deutlich erhöht. Das risiko starker Min- dererträge ist gering. frost- oder hagelschäden fallen geringer aus.

Die ertragsreduzierung mit dem Vollernter ist ein wichtiges instrument zur steuerung des ertrags- und Qualitätsniveaus. sowohl Basis – als auch premium – und superpre- miumweine sind erzielbar.

Die arbeitszeitersparnis gegenüber der nor- malerziehung liegt bei etwa 70 bis 75 %. Die kosteneinsparung in der Traubenproduktion bei rund 15 %.

es liegen erst zweijährige ergebnisse vor. zukünftige untersuchungen werden zeigen, ob dieses neue erziehungssystem dauerhaft die qualitativen und quantitativen anforde- rungen erfüllen kann. gelingt dies, könnte der Minimalschnitt im spalier die größte ar- beitswirtschaftliche einsparung bei der spa- liererziehung seit einführung des Vollernters bringen.