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Mitgliederzeitschrift der Forstkammer Baden-Württemberg e. V. 3 / 2016 E 3044 E

Mitgliederzeitschrift der Forstkammer Baden-Württemberg e. V. · 12 3 / 2016 FORSTPOLITIK Abb. 4: Teilgebiete für die Entwicklung der Rotwildkonzeption Wie viel Rotwild es im Gebiet

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Page 1: Mitgliederzeitschrift der Forstkammer Baden-Württemberg e. V. · 12 3 / 2016 FORSTPOLITIK Abb. 4: Teilgebiete für die Entwicklung der Rotwildkonzeption Wie viel Rotwild es im Gebiet

Mitgliederzeitschrift der Forstkammer Baden-Württemberg e. V. 3 / 2016

E 3044 E

Kartellverfahrenerster Gerichtstermin

Interview mitForstminister Hauk

RotwildkonzeptionNordschwarzwald

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FORSTPOLITIK

Damit keiner zum Hirsch wirdErarbeitung einer Rotwildkonzeption für den Nordschwarzwald

„Über allen Gipfeln ist Ruh, in al-len Wipfeln spürest du kaum einen Hauch“, dichtete einst Goethe. Doch wenn unterschiedliche Interessen-gruppen aufeinanderprallen, ist oft Schluss mit der Ruhe im Wald und aus Goethes „Hauch“ wird ganz schnell ein wütender Sturm.

Damit das nicht passiert und im Nordschwarzwald keiner sprichwört-lich zum Hirsch wird, soll dem dorti-gen Rotwildmanagement durch eine von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württem-berg (FVA) ausgearbeitete Rotwild-konzeption auf die Sprünge gehol-fen werden.

Das ist allerdings einfacher gesagt als getan. Denn wie so oft gibt es auch

beim Rotwildmanagement viele Perso-nengruppen mit unterschiedlichen Inter-essen, die für die Erarbeitung einer kon-sens- und zukunftsfähigen Konzeption berücksichtigt werden sollen.

Waldbesitzende zum Beispiel befürch-ten bei zu hohen Wilddichten Schälschä-den an ihrem Bestand, Jagdausüben-de möchten den jagdlichen Wert ihrer Region erhalten und Waldbesuchende möchten das Rotwild am liebsten haut-nah erleben (Abb. 1). Auch Naturschutz und Tierschutz wollen ihre Interessen si-cherstellen.

Diese unterschiedlichen Ziele und die zum Teil mangelhafte Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren stel-len eine Schwierigkeit beim Rotwildma-nagement dar.

Eine weitere Herausforderung sind die strukturellen Gegebenheiten der Region. Denn es gibt im Nordschwarzwald vie-le unterschiedliche Waldbesitzarten und kleine Pachtreviere mit uneinheitlichen Fütterungspraktiken. Auch ungelenk-te touristische Aktivitäten erschweren die Situation.

Dazu kommen die biologischen Eigen-schaften und Ansprüche des Rotwildes, die auch in die Entscheidungsprozesse des Managements einfließen müssen. Rot-wild ist nämlich eine Wildtierart, die, an-ders als zum Beispiel das Reh, große Di-stanzen überwindet und deswegen viel

Raum für sich beansprucht. Wenn man sich mit dieser Tierart befasst, muss man also in größeren Dimensionen denken. Die Managementpläne müssen revierü-bergreifend gestaltet und von allen ge-tragen werden.

Rotwild ist zwar sehr anpassungsfä-hig, anders als oft angenommen ist es aber von Natur aus kein reiner Waldbe-wohner. Das große Geweih ist in sehr en-gen Beständen sogar mehr als hinder-lich. Wenn sich das Rotwild also einen Lebensraum aussuchen könnte, würde es halboffene Graslandschaften bevor-zugen. Diese Landschaften werden aber häufig vom Menschen in Anspruch ge-nommen und außerhalb der ausgewiese-nen Rotwildgebiete ist es sogar Pflicht, die Tiere zu erlegen. Und da Rotwild oh-nehin sehr menschenscheu ist, muss es sich in den als Lebensraum eher unge-eigneten Wald zurückziehen.

Dadurch kann das Rotwild auch nicht jahreszeitlich bedingt das Gebiet wech-seln, wozu es eigentlich von Natur nei-gen würde. Stattdessen muss es sich auf die inselartig über das Bundesland verteilten Rotwildgebiete beschränken (Abb. 2) Hier steigt dann natürlich der Druck auf den Wald. Denn die Tiere sind keine reinen Grasfresser. Gras enthält zu wenig Mineralien und liefert auch kaum Energie, die das Rotwild aber zum Bei-

spiel zur Geweihbildung dringend benö-tigt. Deshalb müssen die Tiere zusätz-lich nach nährstoffreicherer Kost suchen, das heißt nach Früchten, Knospen, Blät-tern, Rinde und Zweigen. Bis zu 20 Kilo-gramm Grünäsung nimmt ein Rothirsch am Tag zu sich. Wenn das Rotwild al-lerdings Knospen abbeißt und die Rin-de von den Bäumen schält, hinterlässt es im Wald deutliche Spuren und kann die Zusammensetzung der Baumarten beeinflussen.

Im Sommer beginnen die männlichen Tiere außerdem damit, ihr Geweih an Bäumen entlangzufegen, um die soge-nannte Basthaut abzustreifen. Auch da-bei werden häufig Bäume verletzt, was ökonomische Folgen für Waldbesitzen-de haben kann.

Es muss also für diese Tierart eine Be-wirtschaftungsform gefunden werden, mit der alle einverstanden sind. Zu die-sem Schluss kamen das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) und der Nati-onalpark Schwarzwald, der inmitten des Rotwildgebiets liegt. Gemeinsam beauf-tragten sie deshalb die Abteilung „Wald und Gesellschaft“ der Forstlichen Ver-suchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) mit der Entwicklung einer Rotwildkonzeption.

Abb. 1: Rotwild (Quelle: Marek)

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113 / 2016

FORSTPOLITIK

Gemeinsames Rotwildmanage-ment – damit keiner rot sieht

Bei der Entstehung der Konzeption sol-len alle betroffenen Personengruppen zu Wort kommen. Daher hat die FVA ei-nen fünfjährigen, mehrstufigen Beteili-gungsplan entworfen. Dieser wurde 2015 bei einer Auftaktveranstaltung und am11. März 2016 im ersten „Rotwildforum“ in Freudenstadt vor über 200 Teilneh-mern vorgestellt (Abb. 3). Im Rahmen des Forums hielt außerdem Professor Arnold von der Veterinärmedizinischen Univer-sität Wien einen Vortrag über die Winter-anpassung des Rotwilds.

Solche Rotwildforen werden von nun an regelmäßig stattfinden, so sieht es der Beteiligungsplan vor. Alle Interessierten

können sich hier über das Fortschreiten des Projekts, aber auch allgemein über aktuelle Erkenntnisse aus der Rotwild-forschung informieren.

Um einen Überblick über die Potenziale und Herausforderungen vor Ort zu erhal-ten, werden außerdem als nächstes zwei „Regionalforen“ abgehalten. Hier können alle räumlich betroffenen Personen über ihre Wünsche, Bedürfnisse und Mitar-beit diskutieren.

Aus den Regionalforen werden dann „regionale Arbeitsgruppen“ hervorgehen. Mitglieder aller Interessengruppen, zum Beispiel Grundbesitz, Jagd, Tourismus, Naturschutz und Verwaltung, sind hier vertreten. Gemeinsam erarbeiten sie ei-nen Entwurf für die Konzeption, die soge-nannten „regionalen Entwicklungspläne“. Diese Entwürfe werden dann schließlich zusammengeführt und ergeben die Rot-wildkonzeption.

Statt wilder Rotwildspekulation klare Fakten

Nur mit genauer Kenntnis der aktuellen Situation vor Ort kann ein effektiver und lokal angepasster Rotwild-Management-plan entstehen. Parallel zur Umsetzung des Beteiligungsplans erforscht die FVA deshalb naturwissenschaftliche und so-zialwissenschaftliche Gegebenheiten im Rotwildgebiet Nordschwarzwald. Alle Forschungsergebnisse können sofort be-rücksichtigt werden und fließen laufend in die Erarbeitung der Konzeption ein.

Abb. 2: Lage des Rotwildgebiets Nordschwarzwald

Abb. 3: Rotwildforum in Freudenstadt am 11. März 2016

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3 / 201612

FORSTPOLITIK

Abb. 4: Teilgebiete für die Entwicklung der Rotwildkonzeption

Wie viel Rotwild es im Gebiet über-haupt gibt, soll durch eine genetische Untersuchung von Kotproben und durchJagdstreckenanalysen herausgefunden werden. Mithilfe von Sendehalsbändernmit GPS-Übertragung wird die Aktivi-tät der Tiere aufgezeichnet. Auch Schäl-schäden werden erhoben und der Lebens-raum des Rotwilds hinsichtlich seiner Eignung geprüft.

Zu Beginn des Projekts befragt die FVAüber Interviews und Fragebögen die Be-teiligten in der Region, um die Kommu-nikation in der Entstehungsphase zu ver-einfachen. Das wird Klarheit schaffen über Meinungen und Sichtweisen zum The-ma Rotwild und Rotwildmanagement und über Erwartungen an eine Rotwild-konzeption. Wichtig ist hierbei auch dieFrage, wie die einzelnen Akteure zuein-ander stehen. Um das zu klären werden Gruppengespräche durchgeführt. Hier-bei soll die Kommunikation untersuchtund die Zusammenarbeit diskutiert werden.

Denn die Entwicklung und Umsetzung einer zukunftsfähigen und langfristig er-folgsversprechenden Rotwildkonzeptionhängt sehr davon ab, ob sich die Mitwir-kenden vorher einigen konnten und ob die Interessen und Meinungen aller Be-teiligten berücksichtigt werden konnten.

Wie kann man sich beteiligen?

Die erste Möglichkeit dazu gibt es auf den beiden Regionalforen. Die FVA lädtalle interessierten, beteiligten und betrof-fenen Personen aus der Region herzlich ein, sich bei diesen Terminen einzubrin-gen und über ein für alle zukunftsfähigesManagement des Rotwilds zu diskutie-ren. Um hierbei besser auf regionale As-pekte eingehen zu können und damit die Gruppen nicht zu groß werden, wird dasRotwildgebiet gedanklich in zwei Regio-nen unterteilt (s. Abb. 4).

Wer sich eher dem Teilgebiet östlich der Murg zugehörig fühlt, ist eingeladen am 19. Oktober 2016 in die Festhalle in Enz-klösterle zu kommen. Wer sich räumlich hingegen eher im Teilgebiet (süd-)west-lich der Murg verorten würde, ist einge-laden am 26. Oktober 2016 in die Murg-halle in Forbach zu kommen. Unabhängig davon ist natürlich auch die Teilnahme am jeweils anderen Termin möglich, soll-ten Sie am für Sie besser passenden Ter-min verhindert sein. Beide Regionalforenbeginnen um 19 Uhr.

Falls Sie sich näher über das Projekt in-formieren möchten, helfen Ihnen die Mit-arbeiter der FVA gerne weiter. Für Fra-gen zum sozialwissenschaftlichen Teil des Projekts kontaktieren Sie Stefan Ehr-hart unter der Mailadresse [email protected].

Für naturwissenschaftliche oder wild-tierökologische Fragen ist Dr. DominikFechter unter der Mailadresse [email protected] der richtige An-sprechpartner.

Am Projekt beteiligte Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter sind:• Dr. Rudi Suchant (Projektleitung natur-

wissenschaftliche Untersuchungen)• Dr. Dominik Fechter (Projektkoordina-

tion)• Max Kröschel (naturwissenschaftliche

Untersuchungen)• Stefanie Thoma (naturwissenschaftli-

che Untersuchungen)

• Prof. Dr. Ulrich Schraml (Projektleitung sozialwissenschaftliche Untersuchun-gen)

• Stefan Ehrhart (sozialwissenschaftli-che Untersuchungen)

• Miriam Elliger (sozialwissenschaftli-che Untersuchungen)

Miriam Elliger(Studentische Hilfskraft FVA)

Anzeigenhotline:Heidi Grund-Thorpe

Telefon 0 84 44 / 9 18 39 10E-Mail:

[email protected]